Handelsblatt Nr. 089 vom 09.05.2014 Seite 060

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Dirigent Gernot Schulz und Orchester: Große Talente, hohe Führungskunst. tt Handelsbla für Butzmann Dominik Eine Frage der Führung

Eine erfolgreiche uf den ersten Blick könn- und unsere Marken haben, und diese Lei- Abgesehen von dieser verschenkten Finanzindustrie, vor einer historischen Führungsqualitäten verlangt: eine Füh- ten die beiden Manager un- denschaft bringen wir täglich in unsere Wertschöpfung – die offenbar strukturel- Neuausrichtung stehen. Die Stromerzeu- rung, die die neuen Ziele vorlebt, diese Firma braucht die terschiedlicher kaum sein. Arbeit ein“, hat Hainer kürzlich erzählt. len Probleme zwischen Führungskräften ger müssen nach und nach die hochpro- offen kommuniziert und die Mitarbeiter Der eine, Marc Zuckerberg Das Ergebnis bei Adidas und Facebook ist und Mitarbeitern stehen imWiderspruch fitablen Atomkraftwerke abschalten, die einbindet. Gefragt ist echte Leadership. Begeisterung der und Chef von Facebook, nicht nur eine beeindruckende Unterneh- zu den guten Auflagen der Management- Banken dem Renditehunger derVergan- Eine Politik des Zögerns und Zauderns, A lebt im Silicon Valley, der mensentwicklung, sondern eine hohe literatur. Was läuft da falsch? Warum ist genheit abschwören. wie sie Bundeskanzlerin Mitarbeiter. Die zu Ideenschmiede Amerikas, und geht am Loyalität der Mitarbeiter. Kündigungen gute Führung so schwer? Undwas macht In dieser Umbruchphase scheitern al- betreibt, können sich Manager in Krisen- liebsten in Badelatschen, Jeans und Kapu- haben Seltenheitswert. erfolgreiche Führung überhaupt aus? te Denkmuster und Lösungsansätze. phasen nicht leisten. „Wer in schwan- wecken und zu zenpulli zur Arbeit. Der andere, Herbert Das ist leider nicht der Normalfall. In In einer Zeit, in der Unsicherheiten Prognosen müssen viel schneller ange- kender Zeit schwankend gesinnt ist,ver- Hainer und langjähriger Vorstandschef Deutschland gehen die Angestellten kaum über die Geschäftsentwicklung erheb- passtwerden als zuvor. Managerwie Mit- mehrt das Übel“, schrieb Johann Wolf- fördern ist die Hauptaufgabe des guten von Adidas, arbeitet im beschaulichen noch motiviert zur Arbeit, zeigt die jüngs- lich zugenommen haben, ist die Unter- arbeiter müssen lernen, mit diesem un- gang von Goethe. Herzogenaurach undverzichtet nur selten te Studie der Beratungsfirma Gallup. Da- nehmensführung anspruchsvoller denn gewohnten Maß an Ungewissheit umzu- In der Wissenschaft gilt seit einigen Chefs. Leider haben in Deutschland viele auf den dunklen Businessanzug, höchs- nach sind nur 16 Prozent des Personals je. Dazu haben in den vergangenen Jah- gehen. Das ist vor allem in jenen Jahren der sogenannte transformationa- tens einmal auf die Krawatte. bereit, die Ziele der Firma freiwillig umzu- ren gleich mehrere Entwicklungen bei- Unternehmen schwierig, bei denen die le Ansatz als Vorbild für gute Unterneh- innerlich gekündigt. Fünf Gebote sind Was Zuckerberg und Hainerverbindet, setzen, 67 Prozent machen Dienst nach getragen: die dynamische technologi- veränderten Rahmenbedingungen nicht mensführung. Nach dieser Theorie, die ist eine moderne und erfolgreiche Füh- Vorschrift, und 17 Prozent haben „inner- sche Entwicklung mit immer kürzeren nur zu schlechteren Konzernergebnis- James MacGregor Burns Ende der 1970er- entscheidend für die gute Führungskultur. rungskultur. Beiden Managern ist etwas lich gekündigt“. Als Grund nennen die Produktzyklen, die wachsende Digitali- sen führen, sondern auch zu massiven Jahre entwickelt und Bernard Bassvertieft gelungen,wovonviele ihrer Kollegen träu- Mitarbeiter schlechten Führungsstil. Das sierungvonWirtschaft und Gesellschaft, Jobverlusten. hat, sollen Führungskräfte identifizie- Ein Essay von Sven Afhüppe men – eine Arbeitsatmosphäre zu schaf- Motivationsdefizit an deutschen Arbeits- neue Formen der Kommunikation Thyssen-Krupp, und auch die rend, inspirierend und intellektuell sti- fen, die Begeisterung unter den Mitarbei- plätzen ist nicht ohne Folgen: Gallup durch Facebook und Twitter. Hinzu Deutsche Bank erleben gerade einen sol- mulierend auf die Mitarbeiterwirken und tern auslöst. „Wir arbeiten alle hier, weil schätzt den volkswirtschaftlichen Scha- kommt, dass ganze Branchen, wie das chen schmerzlichen Wandel, der von wir eine riesige Leidenschaft für den Sport den auf jährlich rund 100 Milliarden Euro. Gewerbe der Energieerzeuger und die den Vorstandschefs ganz besondere Fortsetzung auf Seite 64

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LEADERSHIP

Fortsetzung von Seite 61 Manager sollten sich stattdessen per- manent selbst hinterfragen, jedenTag da- diese individuell führen. Manager und zulernenwollen sowie Feedback und Kri- Mitarbeiter sind gleichermaßen heraus- tik zulassen. gefordert, einen sinnvollen Beitrag zum Der einzige Weg, um Erfolg der Organisation und damit der gemeinsamen Mission zu leisten. Was großartige Arbeit zu Liebe deine zählt, ist der gemeinsame Erfolg, der 4. Teamgeist – und keine One-Man-Show. leisten, ist zu lieben, Mitarbeiter Ziel ist eine Transformation im wört- lichen Sinn, eine substanzielle Weiter- was man macht. Es klingt banal, aber in Zeiten wachsen- entwicklung, mit der Talente entdeckt den Fachkräftemangels ist der respekt- und das Potenzial ausgeschöpft wer- Steve Jobs volle Umgang mit Mitarbeitern ein we- den. Mit anderen Worten: Manager, die verstorbener Apple-Gründer sentlicher Baustein einer erfolgreichen transformational führen, verstehen es, Unternehmensführung. Selbst Jack die Bedürfnisse der Mitarbeiter zu er- Welch, der sich bei General Electric einen kennen und zu fördern sowie Begeiste- Ruf als knallharter Manager erarbeitet rung und Zuversicht zu erzeugen. Sie hatte,verlangtevon sich und seinenTop- können andere mitreißen, werden als leuten: „Behandeln Sie IhrTeam gut!“ Da- Vorbilder wahrgenommen und vermit- zu braucht es eine offene Führungskultur teln bei ihren Mitarbeitern ein Gefühl und Transparenz. des Stolzes und der Wertschätzung. Vorgesetzte, die Wissen als Herr- Was wie eine Selbstverständlichkeit schaftswissen missbrauchen, müssen klingt, ist in den meisten Firmen eine sich nichtwundern,wenn ihre Angestell- Ausnahme. Dabei belegen mehrere Stu- Sei immer ten Dienst nachVorschrift betreiben. Erst dien, dass ein transformationaler Füh- 2. ein Vorbild wenn der Mitarbeiter zum Mitdenker rungsstil die Produktivität deutlich er- wird, entsteht eine positive Arbeitsatmo- höht – und damit die Rendite. In vielen sphäre wie bei Facebook oder Adidas. Firmen dominiert noch immer die Manager müssen keine Helden sein, die Das erwartet gerade die junge Generation transaktionale Führung: Angestellte mehrmals am Tag die Welt retten. Auch von ihren Arbeitgebern. werden mit konkreten Zielvorgaben wenn Pionieren wie Microsoft-Gründer Voraussetzung ist, dass die Beziehung und Bonusversprochen geführt. Das Bill Gates, Apple-Legende Steve Jobs oder zwischen Führungskraft und Mitarbeiter reicht nicht für eine permanente SAP-Gründer Hasso Plattner wegen der durch zwei Dinge geprägt ist: Vertrauen Wachstumsdynamik. Gut ausgebildete innovativen Kraft ihrer Arbeit oft diese und Freiheit. Vertrauen in das Wissen Angestellte verlangen und erwarten Rolle zugedacht wird. Eine gute Füh- und die intellektuellen Fähigkeiten der mehr als gut bezahlte Arbeit – sie wollen rungskraft sagt, was sie denkt, und Angestellten. Und die Freiheit, Ideen der stolz sein auf das, was sie tun, mahnt macht, was sie sagt – sie ist authentisch. Mitarbeiter ernst zu nehmen. Experte Paul Vanderbroeck. Transfor- Jobs hat das so formuliert: „Der einzige In einer solchenWelt steht der Respekt mationale Führung hat das Ziel, dass Weg, um großartige Arbeit zu leisten, ist vor den Mitarbeitern im Mittelpunkt, Mitarbeiter auch intellektuell über sich zu lieben, was man macht.“ nicht die Ehrfurcht vor der Hierarchie. hinauswachsen. Neben dem handwerklichen Können BettinaVolkens,Vorstandsfrau für Perso- Harry Truman, ehemaliger US-Präsi- sind Integrität, Glaubwürdigkeit und Cha- nal bei Lufthansa, hat sich deshalbvorge- dent, definierte Leadership als Fähig- rakter die Schlüsseleigenschaften eines nommen, „nicht nur hin-, sondern auch keit, andere Menschen dazu zu brin- Top-Managers. Mit anderenWorten: eine zuzuhören“, wenn sie mit Mitarbeitern gen, Dinge zu tun, die sie nicht aus eige- Persönlichkeit, die einen klaren Kompass spricht. nem Antrieb heraus vollbracht hätten. hat, Werte vermittelt und für diese ein- Moderne und erfolgreiche Firmenführer tritt. Und selbstwenn das alles erfüllt ist, sollten sich an fünf Gebote halten. dauert es oft einige Zeit, bis sich Füh- Führe mit rungskräfte den Respekt der Mitarbeiter 5. Werten Habe verdient haben. 1. EinVorstandschef brauchtVisionen und Visionen Sei fähig zur Werte. Visionen zeigen, wo es mit dem 3. Unternehmen hingeht, Werte wie man Mit dem Satz „Wer Visionen hat, sollte Selbstkritik dorthin gelangt. Sie sind Kompass und zum Arzt gehen“ mag der ehemalige Seele zugleich. Gerade in Zeitenvon Un- Bundeskanzler Helmut Schmidt in der Hybris ist die gefährlichste, aber wahr- sicherheit oder Krisen geben Werte den Politik richtig liegen, für die Unterneh- scheinlich häufigste Deformationvon Ma- Führungskräften Orientierung und den menswelt ist er falsch. In derWirtschaft nagern.Wer erst einmal ganz oben ange- Mitarbeitern Halt. braucht es Menschen, die Visionen ha- kommen ist, neigt dazu, die Bodenhaf- Die Finanzkrise hat gezeigt,wiewichtig ben, dem Unternehmenvor allem in Kri- tung zu verlieren und sich wie ein es ist, Mitarbeiter mit den richtigenWer- senzeiten eine Richtung vorleben und moderner Sonnenkönig zu gerieren. ten und Zielen zu führen, selbstwenn in für diese offen nach innen und außen Nicht wenige Vorstandschefs, aber auch der Branche Risikogeschäfte und Millio- eintreten. Spitzenpolitiker erheben den Anspruch nengehälter üblich sind. Die Deutsche Diese Vision soll Sinn stiften, auf den auf absolute Herrschaftwie Frankreichs Bank hat als Konsequenz aus denVerfeh- Grundwerten der Organisation basieren ehemaliger Monarch Ludwig XIV. Doch lungen der Vergangenheit einen neuen und nachhaltig ausgerichtet sein. Die Zu- mit der selbstherrlichen Vorstellung Wertekanon entwickelt, zu dem unter sammenarbeit zwischen Vorstand und „L’Etat c’est moi“ lässt sich heute kein Un- anderem Integrität, nachhaltige Leis- Mitarbeitern kann noch so vertrauens- ternehmen mehr führen. tung, Disziplin und Partnerschaft gehö- voll und gut sein, ohne eine Vision wird Es sei der größte Fehler, wenn Mana- ren.Werte müssen aber nicht nur schrift- es keinen langfristigen Erfolg geben. Das ger sich selbst bewundern, sagt Bahn- lich festgehalten, sondern auch gelebt ist unter anderem der Grund dafür, dass Chef Rüdiger Grube. Und Jürgen Ham- werden. Ex-Vorstandschef Josef Acker- VW-Chef Martin Winterkorn trotz aller brecht, einstVorstandsvorsitzender und mann hat mal gesagt: „Die richtige Per- Milliardengewinne das Ziel ausgegeben heute Chefaufseher des Chemieriesen sönlichkeit kann alles lernen. Persönlich- hat,weltweit die Nummer eins unter den BASF, weiß: „Falsche Selbstwahrneh- keit aber kann man nicht lernen.“ Autokonzernen werden zu wollen und mung ist eine häufige Ursache für das Gute Führung ist eine komplexe Aufga- den japanischen Konkurrenten Toyota Scheiternvon Firmen und Führungskräf- be. Doch sie entscheidet mehr denn je von diesem Platz zu verdrängen. ten.“ über Zukunftsfähigkeit.

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GABOR STEINGART Journalismus, direkt und live

enschen aus 31 Nationen Leser und Sie haben ein Recht auf eine Kultur, sind hier versammelt. Jun- die Fehler zulässt. M ge Führungskräfte Journalistenwerden Sie verdienen Medien, die unab- aus , aus Russland, hängig und kritisch berichten, aber aus den USA, Osteuropa, Südafrika, zu Partnern – und zugleich fair und voller Respekt. Singapur oder Großbritannien – um Wir treffen uns heute, weil wir alle nur einige zu nennen. Sie haben Kar- entwickeln so ein gemeinsam daran glauben, dass Zu- riere gemacht in deutschen Firmen – kunft kein vorgegebenes Schicksal ist. und darauf sind wir stolz. Das ist das neues Zukunft ist vielmehr ein Produkt un- weltoffene Deutschland, das wir uns serer Träume, unserer Visionen – und immer gewünscht haben. Führungsverständnis. unseres tatkräftigen Eintretens dafür. Zwei Millionen Menschen arbeiten Es ist Ihre Aufgabe, Ihre Mission, insgesamt weltweit für die Unterneh- nicht nur eine neue Art der Unter- men, deren vielversprechende Nach- nehmenskultur zu schaffen, sondern wuchstalente hier heute versammelt Grenzen zu überschreiten und Neu- sind. Und unter diesen zwei Millio- land zu erobern. Das gilt übrigens nen sind Sie sehr sorgfältig und per- auch für den Journalismus. sönlich von Jürgen Fitschen, Rüdiger Pathfinder ist daher auch der Ver-

Grube, Heinrich Hiesinger, Dieter l such, ein neues Kapitel in der Ge- ze Zetsche, Joe Kaeser und Wladimir et schichte des Miteinanders von Lesern Pa Klitschko ausgesucht worden, hier é und Autoren zu eröffnen: Journalis-

teilzunehmen. Andr mus, direkt, unmittelbar und live. Ihre Vorstandschefs, allesamt Früher, da funktionierte unsere

selbst Schwergewichte, investieren enarbeit, Branche so: Ein Redakteur aus der

nicht nur Energie und Geld, Ihre Kar- Mark Hierarchie besuchte einen CEO im rieren zu unterstützen – sondern sind Hinterzimmer der Macht und berich-

persönlich vor Ort erschienen. Sie ha- Deutsche tete seinen Leser danach, was er aus ben Gäste mitgebracht, um Sie zu in- Handelsblatt-Verleger Dieter von dem Gespräch als wichtig empfand. spirieren: Die Poetry-Slammerin Julia Holtzbrinck (l.) mit Philosoph Peter Sie als Leser mussten ihm das glau- Engelmann, die Leadership-Professo- Sloterdijk: Neugierig im Herzen. ben. Transparenz und Kontrolle wa- rin Herminia Ibarra, den Zukunftsfor- ren unmöglich. scher Alexander Mankowsky, den As- Heute aber sind Sie Teil dieses Pro- tronauten Ron Garan, den Philoso- zesses, hier bei Pathfinder und mor-

phen Peter Sloterdijk, den l gen hoffentlich überall. Wir treffen ze Sport-Psychologen Hans-Dieter Her- et den CEO weiterhin zum Gespräch – Pa mann und den Dirigenten Gernot é aber gemeinsam. Wir hören zu, wir

Schulz. Andr lernen, wir fragen, wir zweifeln, wir Wir alle wissen: Führungskräfte fordern ihn heraus. Leser und Auto-

brauchen mehr als ein hohes Gehalt enarbeit, ren werden in dieser neuen Welt des

und einen riesigen Bonus. Mark Journalismus zu Partnern. Sie brauchen Inspiration. Wir bilden eine Gemeinschaft, die Sie brauchen Vorbilder. auf der Übereinkunft beruht, dass es Deutsche Sie benötigen ein gutes Netzwerk, Handelsblatt-Herausgeber Gabor nicht nur auf kraftvolle Antworten, eine aufgeschlossene Umgebung, in Steingart im Hangar Tempelhof: sondern auch auf kluge Fragen an- der ihre Stimmen gehört werden. Die Zukunft beginnt hier. kommt.

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und an all die Geschichten denken, die wir hätten erzählen können

und die Geschichten, die wir dann stattdessen erzählen, werden traurige Konjunktive sein, wie: „einmal wär ich fast einen Marathon ge- laufen und hätte tatsächlich fast die Budden- brooks gelesen und ich wär mal beinah, bis die Wol- ken wieder lila waren, noch wach ge- wesen fast hätten wir uns mal demaskiert und gesehen, wir sind die Gleichen und dann hätten wir uns fast gesagt, wie viel wir uns bedeuten“

– werden wir erzählen und dass wir bloß faul, feige und däm- lich waren werden wir verschweigen und uns heimlich wünschen, noch ein bisschen hierzubleiben

wenn wir alt sind und unsre Tage knapp, das wird sowieso passieren dann erst werden wir kapieren, wir hatten nie was zu verlieren welches Leben wir auch führen wol- len, können wir selber wählen also los, schreiben wir Geschichten, die wir später gern erzählen

tt also! Julia Engel- Handelsbla lass uns nachts lange wach bleiben,

für mann auf der aufs höchste Hausdach der Stadt stei- Pathfinder- gen Bühne: Neue

Butzmann lachend und vom Takt frei die allertoll- Generation, sten Lieder singen neue Literatur.

Dominik lass uns Feste wie Konfetti schmeißen, sehen, wie sie zu Boden reisen und die gefallenen Feste feiern bis die Wolken wieder lila sind lass mal an uns selber glauben, ist mir egal, ob das verrückt ist Lass uns Fehler machen wer genau guckt, sieht, dass Mut auch bloß ein Anagramm von Glück ist wer immer wir auch waren, lass uns Lass uns möglichst viele werden, wer wir sein wollen wir haben viel zu lang gewartet, lass Fehler machen und uns Dopamin vergeuden Die Poetry-Slammerin ich denke zu viel nach, ich warte zu Ich bin so furchtbar faul, mein Patro- „der Sinn des Lebens ist Leben“, das viel ab nus ist ein Schweinehund möglichst viel aus ihnen hat schon Casper gesagt Julia Engelmann ist die ich nehm mir zu viel vor, und ich mein Leben ist ein Wartezimmer, nie- „let’s make the most of the night“, das mach davon zu wenig mand ruft mich auf lernen! hat schon Ke$ha gesagt Stimme der jungen ich zweifel alles an, halte mich zu oft Mein Dopamin, das spar ich immer, lass uns möglichst viele Fehler ma- zurück falls ich es noch brauch Lass uns jetzt schon Gutes chen und möglichst viel aus ihnen ler- Generation. Mit ich wäre gerne klug, und allein das ist nen ziemlich dämlich und du? säen, damit wir später lass uns jetzt schon Gutes säen, damit diesemText Du murmelst jedes Jahr neu an Silves- wir später Gutes ernten ich will so vieles sagen, aber bleibe ter Gutes ernten! lass uns alles tun, weil wir können begeisterte sie die meistens still die wieder gleichen Vorsätze treu in und nicht müssen weil wenn ich das alles sagen würde dein Sektglas jetzt sind wir jung und lebendig, und Pathfinder 2014. wär das viel zu viel Und Ende Dezember stellst du fest, das soll ruhig jeder wissen es gibt zu viel zu tun, meine Listen dass du recht hast lass uns uns mal demaskieren und sind zu lang wenn du sagst, dass du sie dieses Mal niemand ruft uns auf dann sehen, wir sind die Gleichen ich werd das eh nie alles schaffen, al- schon wieder vercheckt hast unser Dopamin das sparen wir immer, und dann können wir uns noch sagen, Eines Tages, Baby, werden wir alt sein, so fang ich gar nicht an dabei sollte für dich doch „2012 das falls wir es später brauchen dass wir uns viel bedeuten oh Baby, werden wir alt sein erste Jahr vom Rest deines Lebens“ und wir haben noch so viel Zeit, wa- und an all die Geschichten denken, und eines Tages, Baby, werde ich alt werden rum solln wir was riskieren? unsere Tage gehen vorbei, das wird so- die wir hätten erzählen können sein, oh Baby, werde ich alt sein du wolltest abnehmen, öfter raus- wir wollen keine Fehler machen, wol- wieso passieren und an all die Geschichten denken, gehn, früher aufstehen, len auch nichts verlieren und bis dahin sind wir frei, und es gibt wer ich bin? die ich hätte erzählen können mal deine Träume angehn, mal die nichts zu verlieren ich Tagesschau sehen, für dein Smalltal- es bleibt so viel zu tun, unsre Listen welches Leben wir auch führen wol- bin der Meister der Streiche, wenn’s stattdessen? kallgemeinwissen bleiben lang len, wir können es selber wählen um Selbstbetrug geht stattdessen häng ich planlos vorm aber so wie jedes Jahr – obwohl du und so geht Tag für Tag ganz still ins also, los, schreiben wir Geschichten, ein Kleinkind vom Feinsten, wenn ich Smartphone, wart bloß auf den nicht damit gerechnet hast unbekannte Land die wir später gern erzählen! vor Aufgaben steh nächsten Freitag kam dir wieder mal der Alltag dazwi- – und aus später wird später wird spä- bin ein entschleunigtes Teilchen, „ach das mach ich später“ ist die schen ter wird jetzt und eines Tages, Baby, werden wir alt kann auf Keinsten was reißen Baseline meines Alltags „nächstes Jahr!“, denkste sein, oh Baby, werden wir alt sein lass mich begeistern für Leichtsinn, Ich bin so furchtbar faul wie ein Kie- und eines Tages, Baby, werden wir alt und an all die Geschichten denken – wenn ein andrer ihn lebt selstein am Meeresgrund unser Leben ist ein Wartezimmer, sein, oh Baby, wir werden alt sein die für immer unsre sind.

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Das Chamäleon- Prinzip

Herminia Ibarra zeigt Konzernlenkern, wie sie ihre Mitarbeiter begeistern. Die Leadership-Expertin erklärt Authentizität tt Handelsbla

zum Trumpf. Doch der Begriff wird oft für falsch verstanden: Ausgerechnet Butzmann Anpassungsfähige tun sich oft leichter. Dominik

US-Professo- rin Herminia Ibarra mit Pathfinder- Franz Hubik die uns helfen, das Eis am Beginn einer Hund: Mach dein Geschäft in jede Ecke me offen anzusprechen, gilt diese He- Teilnehmern: Berlin Konversation zu brechen? Ist so viel des Raums.“ rangehensweise in asiatischen Ländern Seien Sie au- strategisches Kalkül notwendig? „Jedem Anwesenden muss klar sein: als schroff, unfreundlich und unange- thentisch – s liegt in der Natur des Ibarra weiß aus eigener Erfahrung, Ich habe hier das Kommando“, sagt bracht. Hier ist Diplomatie gefragt. aber nicht Menschen: Werden wir vor dass Faktenwissen alleine nicht aus- Wer Menschen Ibarra. Sie springt von der Bühne und Der zweite Typ Leader, den Ibarra er- naiv. die Wahl gestellt, welcher reicht, um Menschen zu überzeugen. stöckelt im schwarzen Kleid durch das forscht hat, reagiert ganz anders aufVer- Typ Chef uns lieber ist, ei- Heute wird die Professorin der renom- begeistern will, Pathfinder-Publikum. Bei einem Herren änderung: wie ein Chamäleon. Sprich: ne nette, aber gekünstelt mierten Insead Business School zwar auf der mittleren Tribüne bleibt sie ste- Sie passen ihre Außenwirkung ihrem E wirkende Person oder ein als eine der führenden Management-Ex- hen. Sachte legt Ibarra dem Mann ihren muss sie Umfeld an. Schon vor einigen Jahren be- authentischer Idiot – dann entscheiden pertinnen in internationalen Fachpubli- linken Arm um die Schulter, setzt sich obachtete Ibarra für eine Studie junge sich die allermeisten von uns zielsicher kationen gefeiert. Aber zu Beginn ihrer berühren und kurz auf seinen Schoß und sagt: „Wer Investmentbanker und Unternehmens- für den Trottel. Der Grund dafür ist sim- Karriere war ihr heutiger Erfolg nicht in Menschen begeistern will, muss sie be- berater, die das erste Mal Führungsver- pel: „Menschen verabscheuen es, sich Ansätzen absehbar, erzählt sie. persönlich abholen.“ rühren und persönlich abholen.“ antwortung übernahmen. Sie hatten die zu verstellen“, sagt Herminia Ibarra. „Als ich meinen ersten wirklichen Job Viele Führungskräfte schrecken aber Aufgabe, das Vertrauen eines älteren Herminia Ibarra Nach mehr als 25 Jahren Lehrtätigkeit nach dem Studium antrat, war ich die Leadership-Professorin genau davor zurück. Sie verlieren sich und sehr viel erfahreneren Kunden zu als Leadership-Professorin ist die gebür- klassische Akademikern aus dem Elfen- allzu oft in Details, weil sie niemanden gewinnen. tige Kubanerin überzeugt davon, dass beinturm: Ich wusste alles über die manipulieren wollen. Die Fakten sollen Die Klügeren unter den Teilnehmern, Mitarbeiter langfristig nur jenen Füh- Theorie und nichts über die Praxis.“ überzeugen, nicht die Emotionen. Ein die Chamäleons, hatten sich von ihren rungskräften uneingeschränkt folgen, Ein schwerer Fehler, wie sich in den ers- Trugschluss. Denn das eine ist die Vo- Vorgesetzten abgeschaut, wie man sich die aufrichtig und unverfälscht agieren. ten drei Jahren ihrer Lehrtätigkeit an raussetzung für das andere. Erst ver- in solchen Situationen verhält. Was dann Authentizität ist das Schlagwort unserer der Fakultät der Harvard Business packt in einer Geschichte kommen die folgte, war ein munteres Herumexperi- Zeit. Wer bei Amazon nach Büchern School zeigen sollte. „Die Feedback-No- harten Fakten wirklich zur Geltung. mentieren, welche Techniken die High sucht, bei denen die Worte „authen- ten, die ich damals von meinen Studen- Potentials kompetenter aussehen lie- tisch führen“ bereits im Titel stehen, er- ten bekam, waren fürchterlich“, erin- ir leben in einer Zeit von ßen, als sie tatsächlich waren. Witze hält beinahe 3000 Treffer. An Weiterbil- nert sich Ibarra. Obwohl sich die Mutter steten Veränderungen. Es wurden nachgeahmt, Ausdrücke und dungsmöglichkeiten herrscht kein Man- eines Sohnes redlich bemühte und sich W gibt keinen Stillstand. Die Bewegungen imitiert. gel. Hunderte Kurse, die einem das nächtelang in die Unterrichtsmaterie Leadership-Professorin hat Die Chamäleons probieren alles ein- Konzept des authentischen Führens nä- einarbeitete – die Rückmeldungen blie- zwei Typen von Führungskräften ausge- mal aus und werden dafür mit wertvol- herbringen sollen, werden jährlich an ben verheerend. Glücklicherweise än- macht, die auf diese Entwicklung völlig len Erfahrungen belohnt. Auch wenn unseren Universitäten und Business derte sich das, als ein älterer Kollege unterschiedlich reagieren. Typ eins ver- das für den einen oder die andere mit- Schools angeboten. Doch der Begriff Ibarra beobachtete, während sie im Ple- sucht, sich selbst stets treu zu bleiben. unter bedeutet, feststellen zu müssen, „Authentizität“ ist missverständlich. num unterrichtete. tt Anstatt sich so zu verhalten, wie es eine dass Humor vielleicht nicht der richtige Viel zu oft wird er nur als billige Aus- Er erkannte sofort ihr Problem: Sie neu auftretende Situation erfordert, be- Schlüssel zum Aufbau einer vertrauens-

rede benutzt, um sich in der eigenen hat sich zu sehr auf den Inhalt versteift, Handelsbla hält er dieVerhaltensmuster bei, die sich vollen Geschäftsbeziehung ist.

Komfortzone einzunisten, meint Ibar- den sie ihren Studenten beibringen für schon früher als erfolgreich und authen- Die Lernkurve derjenigen, die sich im- ra. „Immer dann, wenn wir Dinge tun, wollte. Dabei hören Menschen nur tisch erwiesen haben. Das Problem da- mer selbst treu bleiben, ist hingegen die uns nicht so spontan, natürlich und dann bereitwillig zu, wenn sie vomVor- bei: Wie gute Führung aussieht, unter- deutlich flacher. Sie bleiben hinter ihren Butzmann federleicht von der Hand gehen, ent- tragenden vorab einen Beleg dafür ge- scheidet sich etwa von Kultur zu Kultur. eigenen Fähigkeiten zurück. Oder, wie steht in uns ein Gefühl von Hochstape- liefert bekommen, dass es sich auch Während es in Deutschland durchaus Ibarra es formuliert: „Wenn unser Selbst Dominik lei.“ Sind wir noch authentisch, wenn wirklich lohnt aufzupassen. Ibarra be- Professorin Ibarra im Pathfinder-Publikum: Nähe üblich ist, Mitarbeiter mit Fehlleistun- zum Stillstand kommt, ist das eine trau- wir selbst die kleinen Witze vorbereiten, kam einen Ratschlag: „Denke wie ein schafft Begeisterung. gen direkt zu konfrontieren und Proble- rige Tatsache.“

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JOE KAESER „Es macht keinen Sinn, sich selbst zu verleugnen“

eit knapp einem Jahr führt Joe Sie arbeiten seit Jahrzehnten für Siemens. Kaeser Siemens. Gerade hat er Der Siemens-Chef Ist diese Verbundenheit mit dem Unter- S seine Strategie für die nächsten über Leadership nehmen eine Bürde– geradewenn esum Jahrevorgestellt. Der erste Mann starke Führung geht? im Konzern beweist, was Beobachter Wichtig ist nicht, ob mich alle bei Siemens schon länger eingefordert haben: Füh- und die Frage, gut kennen. Viel wichtiger ist, dass ich rung. Aber wie sieht die aus? meine Leute bestens kenne. Für meine wann ein Chef Arbeit ist entscheidend, darüber Be- Herr Kaeser, sind Sie alsVorstandschef scheid zu wissen, wie weit ich gehen eher der Typ Einzelkämpfer, oder Aufgaben auch mal kann, ohne die Unterstützung meiner brauchen Sie eine Art Copiloten, einen Mitarbeiter zu verlieren. Daher muss ich zweiten oder dritten Mann, der mal die abgeben muss. meine Leute gut kennen. Wissen, wozu Steuerung übernimmt? sie imstande sind, wo gerade der Schuh Immer. Den besten, den ich bekommen drückt, wie ich ihnen helfen kann. Nur kann. dann können wir gemeinsam erfolgreich sein. Eine Voraus- Wer ist denn Ihr Copilot? setzung für den Erfolg ist: Ich Das hängt von der Situation sage meiner Mannschaft im- ab. Meine Linie ist aber stets: mer die Wahrheit, weil sie die Das Team ist alles, und ohne Wahrheit ohnehin längst ken- das Team ist alles nichts. nen.

Haben sich Ihre Führungsfä- Gehen Ihnen manchmal die higkeiten und Methoden ge- Ideen aus? ändert, als Sie vom Posten Wenn mir die Ideen ausgehen, des Finanzvorstands auf den dann rede ich einfach mit mei- des Konzernchefs vor- nen Leuten. Die wissen, was rückten? zu tun ist. Das ist Siemens. Die- Ich bin noch immer dersel- ses Unternehmen ist nichtvon be. Und meine Führungsfä- einer einzelnen Person abhän- higkeiten haben sich noch gig, jeder der 360 000 Mitar- nicht geändert. Ich glaube, beiter hat gute Ideen, die es dass sich auch meine Metho- wert sind, gehört zu werden. den, Menschen zu führen, Meine Aufgabe besteht dann nicht geändert haben. Aber lediglich darin, Prioritäten zu meine Aufgaben haben sich setzen. So wird Siemens auch gewandelt und die Verant- in Zukunft mit seinen Produk- wortung, die damit einher- ten weiterhin die Welt verän- geht. Vorher konnte ich nur dern können. gute Empfehlungen abge- ben, jetzt bin ich für die Strategie des Siemens-Chef Joe Kaeser im Wie gehen Sie mit kulturellenUnterschie- Konzerns verantwortlich. Hangar Tempelhof: Ohne das den in Ihrem Unternehmen um? Team ist alles nichts. Wir machen in mehr als 200 Ländern der Was war der beste Ratschlag, den Sie Erde Geschäfte. Eswäre völligvermessen, empfangen haben, als Sie Siemens-Chef zu behaupten, ich kenne mehr als 200 wurden? Kulturen und 360 000 Menschen welt- Es gibt nichts Schlimmeres als ungebe- weit. Aber deswegen ist Führung so ent- tene Ratschläge. Am Ende des Tages scheidend. Deswegen habenwir eine kla- muss jeder seinen eigenen Stil re Organisationsstruktur und ein gutes finden. Management-Team. Es hilft immer, sein Ohr nah an den Märkten zu haben, aber Müssen Manager authentisch sein? es geht auch darum, nah dran an den ei- Ob Sie eswollen oder nicht: Die Mitarbei- genen Leuten zu sein. Dafür empfiehlt es ter finden heraus, wer man wirklich ist. sich, mit Entscheidungsträgernvor Ort zu Die Frage ist nur, wie lange das dauert. arbeiten, die die lokale Kultur bestens tt Es macht daher keinen Sinn, sich selbst kennen, weil sie meist selbst dort aufge- zu verleugnen. Wer nicht er selbst ist, wachsen sind. Meine Aufgabe besteht da-

Handelsbla kann nicht glaubwürdig darlegen,wofür rin, einen gemeinsamen Boden zu defi-

für er steht. Selbst dem klügsten Menschen nieren, auf dem alle stehen können. derWeltwürde niemand folgen,wenn er sich dauerndverstellt. Deswegen ist es so Was ist dieser gemeinsame Boden? Butzmann wichtig, sich selbst zu kennen und zu Handle stets so, als sei Siemens dein

Dominik wissen, wie weit man gehen kann. eigenes Unternehmen.

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CONDUCT & CONVINCE

Die hohe

Kunst des Dirigent Gernot Schulz vor sei- nem Orchester (Foto links), zu- sammen mit Thyssen-Krupp- Faszinierens Chef Hiesinger (oben), Deut- sche-Bank-Chef Fitschen (oben Gernot Schulz ist Dirigent von Weltrang – rechts) und Handelsblatt- und Führungskräfte-Coach. Denn von tt Herausgeber Steingart,

Handelsbla Klitschko, Fit-

Musikern können Manager lernen, für schen und Hie- was im Konzernalltag verloren geht. singer (Foto

Butzmann rechts, von links). Dominik

Corinna Nohn Schulz steht an diesem Nachmittag 360000. Schulz nennt zwei wesentliche JÜRGEN FITSCHEN Berlin mal mit dem Gesicht und nicht mit dem Unterschiede: „Wirverdienen, egalwie toll Rücken zum Publikum und hat sein Or- wir spielen, keinen Cent mehr – es gibt kei- ben hat noch eine Kakofo- chester zu dessen Füßen platziert. Die ne Boni.“ Die spürbarsten Unterschiede Ein Orchester, zwei Dirigenten nie aus Geigenklängen die Bühne ist in der Mitte der Zuschauer- aber sind „dieses gegenseitige Wahrneh- Halle gefüllt, dazwischen ränge, ein paar Gäste dürfen sogar zwi- Ob ein Musiker einen men und das direkte Feedback des Orches- ein paar Töne von der Tu- schen den Musikern Platz nehmen – sie ters, das wie ein Spiegel funktioniert“. ba an der Seite, eine letzte erspüren, was es heißt,Teil des Orches- schlechten oder einen Da freilich stößt Schulz in eins der gro- s dauert nur drei Sätze, dann Der Co-Chef der dance „Unter den Linden“ geduldig er- E Tonleiter vom Fagott. ßen Themen der Leadership-Forschung: hat Jürgen Fitschen das Publi- klärt,wohin die Reise gehen soll. Seine ters zu sein. Oder: Teil des Unterneh- gutenTag hat – die anderen kum bei Pathfinder auf seiner Dann ein Wink von der Konzertmeiste- mens, wie Schulz sagt. Den meistenWissenschaftlern ist klar: Ex- E Deutschen Bank Botschaft hat er schon unzählige Male rin, Stille. Bis Gernot Schulz die Hände „Ich zeige Ihnen mal, was ich ma- trinsische Anreizewie Boni und mehr Geld Seite. „Übrigens, ist Ihnen et- intoniert, dennoch bringt er sie auch hebt und wieder sinken lässt und 50 che“, sagt Schulz jetzt und kündigt ein merken das sofort. Diese motivieren allenfalls kurzfristig – schaffen was aufgefallen?“, fragt der Co-Chef der über den am Mai-Feiertag mit so viel Schwung rü- Musiker ihre Instrumente wie eine ein- paar Takte aus Felix Mendelssohn Bar- langfristig aber kein konstruktives Arbeits- Deutschen Bank in die Runde desTem- ber, als wäre es das erste Mal: Es geht zige Stimme zum Klingen bringen. Die- tholdys fünfter Sinfonie an. Und macht: gegenseitigeWahrnehmung umfeld. Es sind die intrinsischen Reize, die pelhofer Hangars 4. Und gibt die Ant- Kulturwandel und um mehr als ein „paar schön gesetzte se Resonanz, diese Reaktionszeit der erst mal nichts, verschränkt die Arme entscheiden. Eben Schulz’ Anerkennung wort gleich selbst. „Hören Sie nicht auf Worte auf Hochglanzpapier“, sagt Fit- Mitarbeiter, welcher Chef träumt nicht nach dem Auftakt vor der Brust. Und ist eine Schlüsselfunktion. für seine Leute – das kompensiert auf Dau- das Gerede von der Landflucht. Land- die Anforderungen schen. „Am Ende müssen alle von der luft macht CEOs“, sagt er in Anspielung davon? doch spielen die Musiker weiter. „Ken- Gernot Schulz Schulz und Handelsblatt-Kommenta- er jeden Bonus. gleichen Seite lesen, so wie das Orches- Gernot Schulz hat als Schlagzeuger nen Sie das: Der Chef ist nicht da, und Dirigent torin Nicole Bastian: Faszinierer sein. Schulzverdeutlicht das an einem prakti- auf Bahn-Chef Rüdiger Grube undThys- an eine Doppelspitze. ter vom gleichen Notenblatt spielt“, unter Herbert von Karajan bei den Ber- der Laden läuft trotzdem?“ schen Beispiel:Wladimir Klitschko sollvor sen-Krupp-Konzernlenker Heinrich schlägt er die Brücke zum Dirigenten liner Philharmonikern gespielt und mit Bahn-Chef Rüdiger Grube wird am den Pathfinder-Teilnehmern das Orchester Hiesinger, diewie er auf dem Bauernhof Gernot Schulz. Meistern wie Leonard Bernstein und Sir gleichen Tag noch erklären: Der größte leiten. „Klitschko bewegt die Arme, immer groß geworden sind. Später wird der gebürtige Nieder- Georg Solti gearbeitet. Ein Ausnahme- Fehler, den Manager machen können, schneller, die Töne springen hinterher, Nach diesem Warm-up wird seine sachse Fitschen selber den Taktstock Musiker. Heute ist er Dirigent – und ist, sich selbst zu wichtig zu nehmen. schwillt eineVielzahl von Melodien an. rungswirkung erzielen, von der die gela- jetzt boxt er spaßeshalber in die Luft, das Miene ernster, die Stimme fester. Es schwingen, da ist er wieder gelöst, muss sich immer wieder fragen lassen: Und Stand der Forschung ist längst: Ei- Das reine Chaos. denen Dax-Konzernchefs wohl nur träu- Orchester interpretiert auch diese Bewe- geht jetzt um das, was Fitschen seit sei- lacht. Im Improvisieren auf der Bühne „Was machst du da eigentlich? Ist das ne gute Führungskraft ist ein Chef, der „Die Musiker achten aufeinander. Ob men. gung. „ Das ist nonverbale Kommunikati- nem Amtsantritt als Vorstandsvorsit- ist er geübt, schließlich absolviert er überhaupt wichtig?“ „Habe ich wirklich es schafft, das sein Bereich operativ einer einen schlechten oder einen gu- „Wenn ich eine Hochleistung im Or- on in Reinform“, ruft Schulz. zender umtreibt. Deutschlands größtes mehrere Hundert Veranstaltungen im Einfluss, wo doch vor mir lauter tolle auch ohne ihn gut läuft. Gleichwohl ern- ten Tag hat – die anderen merken das chester nicht würdige“, etwa durch ein Dann geht es eine Stufeweiter, mit Hilfe Geldhaus ächzt unter den Sünden sei- Jahr, spricht immer frei, auf Deutsch Mitarbeiter sitzen, hochqualifiziert tet Schulz für diese erste Erkenntnis oft sofort. Diese gegenseitige Wahrneh- Augenzwinkern, „dann verbreite ich un- von „Fuchs, du hast die Gans gestohlen“. ner Investmentbanker in der Vergan- und auf Englisch. dank ihrer Noten?“, fragt Schulz selbst. Verblüffung. mung ist eine Schlüsselfunktion in mei- ausgesprochen die Botschaft: Du kann Erst dirigiert Schulz mit ernster Miene, genheit, ist in zahlreiche Rechtsstreitig- Nach Schulz’ Lehrstunde für Fit- Fragen, die sich längst nicht nur in Dennoch: Ohne Führungskraft geht nem Unternehmen“, sagt Schulz. Er ha- das Tollste spielen, es interessiert ihn schnell und hart schlägt er den Stab durch keiten verwickelt. Es drohen weiter schen am Dirigentenpult fragt Handels- der klassischen Musik stellen – sondern es natürlich auf Dauer nicht. be in seiner Zeit bei den Berliner Phil- nicht.“ Das gelte ebenso für Minderleis- die Luft, das Orchester folgt im Stakkato. Strafen, womöglich in Milliardenhöhe. blatt-Kommentatorin Nicole Bastian, in jedem Unternehmen: „Muss ich als Schulz lässt wie zum Beweis einmal harmonikern grandiose Virtuosen tungen, auch die müsse er bemerken Es folgt ein zweites Mal, entspannt, ruhig, Fitschens Mission gegen dieVerfehlun- wie er es denn vermeide, dass es mit Chef eine operative Aufgabe wahrneh- nur die Violinisten, „quasi eine Abtei- erlebt, die nach dem Probejahr gehen und kommunizieren, für alle sichtbar. er lässt auch mal innehalten. „Sie sehen: gen von einst: ein tiefgreifender Kultur- seinem Co-Chef Anshu Jain zu Missklän- men oder nicht eher die vielen Talente lung aus meinem Unternehmen, zwölf mussten, weil sie ihr Können nicht zum Es kommt auch auf die Dichte der Impulse tt wandel, weg von der Gier der Boomjah- Deutsche-Bank-Co-Chef gen komme. in meinem Konzern zusammenführen? Leute“, aufstehen und Johannes Wohle des Ganzen einsetzen konnten. un ist die Position des Dirigenten an. Wenn ich alles klein-klein zerhacke, re vor der Lehman-Pleite 2008, hin zu Jürgen Fitschen: Mehr Ja, es sei natürlich eine Herausforde- neuem Vertrauen, mehr Einsatz- und Und wie schaffe ich es, dass vieleVirtuo- Brahms‘ „Ungarischen Tanz“ anspielen, „Ein solcher Virtuose nutzt nicht nur nicht unbedingt mit der eines kann ich nicht die Aufmerksamkeit erzeu- Handelsbla Abstimmung, dann gibt es rung, die zusätzlichen Abstimmungsbe-

sen sich nicht in ihrem Anspruch an wieder klingen die Töne auch ohne Di- nicht“, sagt der Dirigent, „er stört.“ Konzernlenkers zuvergleichen. gen, die ich meinen Mitarbeitern mitgeben für Dialogbereitschaft für die Kunden. auch keine Misstöne. darf erfordere, aber „das haben wir bis- N Schon am Vorabend der Veranstal- her ganz gut hinbekommen“, antwor- Selbstverwirklichung lähmen?“ Wer ei- rigentenführung wie abgestimmt. In ei- Der Mann mit dem Dirigentenstab Während Schulz meist ein paar muss.“ Deswegen hat Schulz einen Rat, nem Orchesterchef bei der Arbeit zu- nem zweiten Versuch bittet Schulz die nimmt sich selbst von dieser Wahr- Dutzend Musikervor sich hat, beschäftigt der sowohl im Orchester als auch im Kon- tung hatte der Bank-Chef bis spät in die tet der 65-Jährige. Er ist überzeugt: Ein Butzmann schaut, lernt viel über die Dynamik Violinisten, sich voneinander abzuwen- nehmbarkeit nicht aus. Schließlich eine Deutsche Bank fast 100000 Mitarbei- zern gilt: „Seien Sie nicht nur Organisierer Nacht den ausgewählten 100 Nach- gutes Orchester verträgt auch zwei Diri- menschlicher Zusammenarbeit. den und erneut aufzuspielen. Nun kann er mit kleinen Mitteln eine Füh- ter, der Siemens-Konzern gar an die und Stratege, seien Sie Faszinierer!“ wuchstalenten der Bank in der Depen- genten. Laura de la Motte, Peter Köhler Dominik

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Wochenende

TEAMWORK

Sportpsychologe Hans-Dieter Hermann in Berlin: Die Kunst, Individualisten zu einem Team zusam- Die Tricks der menzuführen. Motivations- Künstler

Was ein erfolgreichesTeamvon einem weniger erfolgreichen unterscheidet, ist derTeamspirit, die einzeln erlebte tt Handelsbla

Sinnhaftigkeit und die Identifikation – für

im Sportwie im Unternehmen. Butzmann

Von DFB-Psychologe Hans-Dieter Hermann Dominik

er Begriff „Team“ gehört herstellen zu können. Andernfalls ist ei- Faktoren, darunter gegenseitigen Res- Aufgabe mit Personalverantwortung ge- zu denen, die häufig ne gemeinsame Aufgabe kaum zu be- pekt, Fitness, Leidenschaft und Inspira- eignet. Bei einer großen Konkurrenz in missbräuchlich verwen- wältigen. Dies gilt nicht nur für den tion genannt. Joachim Löw hat diese einem Team kann es zudem passieren, det werden. Da gibt es Sport, sondern auch für Unternehmen. Wörter in seinen Ansprachen immer dass man außen vor steht. Dabei kann Friseur- ,Vertriebs- oder Eine der größten Fußballdummhei- Motivation ist nicht der wieder verwendet und die Spieler auch auch einmal eine problematische Dyna- D sonstige Teams, und der ten, die ich kenne, lautet: „Die wollen an diesen gemessen. mik entstehen, wenn sich mehrere Ak- Begriff soll suggerieren, dass hier ver- nicht. Denen fehlt die Motivation.“ Mo- Königsweg, sondern eine Der dritte Aspekt ist die Identifikation teure gegenseitig negativ anstiften. Was schiedene Personen etwas gemeinsam tivation ist aber nicht der Königsweg, mit einemVerein oder einem Unterneh- in einer Sportmannschaft passieren anpacken.Von einem wirklichen Team sondern eine dringendeVoraussetzung, dringendeVoraussetzung, men. Oder, wie es ein Eishockeytrainer kann, das kann auch in Unternehmen können wir aber erst reden, wenn die um überhaupt imVerdrängungswettbe- einmal ausgedrückt hat: „Was vorne auf geschehen – vor allem, wenn jemand ei- Mannschaft gemeinsame Aufgaben und werb zu bestehen. Aus meiner langjäh- um überhaupt im dem Trikot draufsteht – dasVereinswap- ne fremde Idee als eigene verkauft. Ziele hat, die sie auch nur gemeinsam rigen Erfahrung glaube ich sagen zu pen – ist wichtiger als das, was hinten Denn wenn alte Rechnungen offen angehen wollen beziehungsweise kön- dürfen, dass es professionellen Fußball- Verdrängungswettbewerb draufsteht – der Spielername. sind, klappt es nicht. nen. spielern definitiv nicht an Motivation Als Beispiel möchte ich noch einmal Ein weiteres Problem ist, wenn man Das hört sich einfach an, aber es ist fehlt. Auch wenn es von außen betrach- zu bestehen. den FC Bayern heranziehen. Die Formel eine Aufgabe zu früh als gelöst abhakt. kein Selbstläufer. tet einmal so wirken könnte. „Mia san mia“ hat sich zwar nicht die Als die deutsche Nationalmannschaft Warum das oft sehr schwierig ist, Was aber ein erfolgreiches Team von Hans-Dieter Hermann Mannschaft selbst ausgedacht, ist aber vor zwei Jahren in Berlin beim WM-Qua- Psychologe Fußballnationalmannschaft kann man dann nachvollziehen, wenn einem weniger erfolgreichen unter- zu ihrem Selbstverständnis geworden. lifikationsspiel gegen Schweden in der man sich vor Augen führt, dass Men- scheidet, ist der Teamspirit, die indivi- Wie wir zuletzt sehen konnten, funktio- 56. Spielminute nach einem bis dato ex- schen sich ihre Welt sozusagen subjek- duell erlebte Sinnhaftigkeit und die niert die Formel auch, wenn es sportlich zellenten Spiel mit 4:0 geführt hat, da tiv zusammenbauen – sie konstruieren Identifikation. In der Summe führt dies den die Bayern von den Dortmunder einmal nicht so gut laufen sollte. hat der eine oder andere Spieler hinter ihre Welt in Abhängigkeit subjektiver zu hochambitionierten Spielern, die an Borussen dominiert. Heynckes antwor- der Begegnung einen Haken gemacht. Wahrnehmungen. Überspitzt formu- einem Strang ziehen – auch diejenigen, tete: „Ich habe dafür gesorgt, dass die iese Identifikation gilt auch für Diesen sicherenVorsprung hat das Team liert: Unsere Augen sehen eigentlich die vielleicht gerade nicht zur ersten Elf Mannschaft wieder ein Team wurde.“ die Unternehmenswelt. Die dann verspielt, das Spiel endete 4:4. Das nichts, und unsere Ohren hören nichts, gehören, sondern Einwechselspieler Er hat den Spielern zugehört und viel Mitarbeiter von Daimler be- Beispiel zeigt, ein Team muss bis zum sie können nur Informationen an das sind. Wenn man sich als Mannschafts- mit ihnen gesprochen. Fußballspielen D zeichnen sich selbst als „Wir Ende hart arbeiten und das Ziel im Auge Gehirn weiterleiten. Dort werden die mitglied einer Spielsportmannschaft musste er ihnen nicht beibringen, das vom Daimler“, sie erleben sich als Teil behalten – „finishen“, wie man in der Signale dann zu Worten, Bildern, Sinn- oder eines Teams innerhalb eines Unter- können die Spieler. An der Taktik hat er des Ganzen. Bei Thyssen-Krupp oder Sportsprache neudeutsch sagt. zusammenhängen, Emotionen und vie- nehmens klar die Frage beantworten auch wenig verändert. Indem der Trai- Volkswagen sieht das nicht anders aus. All dies ist zwar einsichtig und augen- lem anderen verarbeitet. Wie wir unse- kann: „Warum spiele bzw. arbeite ich ner die Spieler auf ein Ziel und gegen- Dieses Verbinden mit einem Unterneh- scheinlich grundlegend für erfolgreiches re Umwelt wahrnehmen, ist damit im- hier mit, und wofür tue ich dies?“, bringt seitiges Vertrauen eingeschworen hat, men, einem Verein oder einer Mann- Teamwork. Aber schon in diesem Wort mer individuell. man sich automatisch so ein, dass die sind sie ein Team geworden. Und jeder schaft ist nicht altbacken, sondern es ist steckt der Begriff „Arbeit“. Meist muss Diese Sicht ist so individuell, dass ei- Mannschaft maximal davon profitiert. in der Mannschaft der Bayern hat für wichtig für die Zukunft. man dafür eine Menge tun. Um das tie- ne Situation von einem Menschen als Ein Beispiel: Nachdem Bayern Mün- den anderen gearbeitet. Wenn wir über Teamwork reden, fergehend zu beleuchten, sind vier Be- bedrohlich empfunden wird und von ei- chen im vergangenen Jahr das Triple ge- Ein zweiter Punkt zum Teambuilding dann müssen wir auch über die Schwie- griffe genauer in der Führung von nem anderen als Herausforderung. Bei wonnen hatte – also Deutsche Meister- ist, dass sich die Mannschaft selbst defi- rigkeiten bei einer solchen Zusammen- Teams und der Teamarbeit zu berück- der Bildung eines Teams müssen wir schaft, DFB-Pokal und Champions Lea- nieren kann. Unmittelbar vor der Fuß- arbeit reden. Die kann es nämlich ge- sichtigen: individuell erlebte Sinnhaftig- diese individuelle Bewertung berück- gue –, da wurde der Trainer Jupp ball-Weltmeisterschaft in Südafrika ha- ben, wenn es menschelt. keit, Kooperation, Wandel und Inspirati- sichtigen. Wir müssen viel kommunizie- Heynckes von Medienvertretern ge- ben wir die Spieler gefragt,welche Bau- Das fängt bei der richtigen Auswahl ei- on. Sie mit Leben zu erfüllen entschei- ren, um eine gewisse Deckungsgleich- fragt, wie er das geschafft habe. In den steine sie als entscheidend für den ner Führungskraft an. Nicht jede ausge- det maßgeblich über den Teamerfolg – heit in der Einschätzung einer Situation beiden Bundesligasaisons zuvor wur- Erfolg sehen. Die Spieler haben zehn zeichnete Fachkraft ist auch für eine im Leistungssport und in der Wirtschaft.

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Wochenende

HEINRICH HIESINGER, HANS-DIETER HERMANN „Man muss Momente der Inspiration schaffen“

ls Heinrich Hiesinger sich für Der Thyssen- se Herausforderung in einem Großkon- einen prominenten Gast, der zern ist ungleich größer. Die meisten in A auf seine Einladung vor dem Krupp-Chef und der Mannschaft haben den Vorstand ja Pathfinder-Publikum zumThe- noch nie persönlich erlebt, wir müssen ma Führung spricht, entscheiden muss- der Psychologe da andere Wege finden. te, war das nicht schwer: Hans-Dieter Hermann kann alsTeam-Psychologe der über die Fußballnationalmannschaftviele Paral- Und welche? lelen zur Unternehmenswelt ziehen. Geheimnisse Hiesinger: Der Stellenwert von regel- mäßiger und vor allem offener Mitar- Herr Hiesinger, Ihr Konzern steckt im der Teamführung. beiter-Kommunikation hat sich bei uns umfangreichsten Konzernumbau seit deutlich gewandelt. In zahlreichen For- der FusionvonThyssen und Krupp.Wie maten kommunizieren wir direkt und nehmen Sie die Mannschaft mit? erklären den Konzernumbau. Wir ma- Hiesinger: Als ich vor drei Jahren ange- chen beispielsweise Workshops mit un- fangen habe, da stellte ich eine Orien- seren 1 500 Top-Führungskräften . Zu- tierungslosigkeit fest. Des- dem haben wir regelmäßig Te- halb haben wir ein klares lefonkonferenzen und Video- Zielbild definiert und verfol- Podcasts, in denen wir zu gen dies ganz konsequent. wichtigen Themen Stellung be- Von Anfang an mit im Blick ziehen. hatten wir den Kulturwandel. Als Erstes haben wir gemein- Herr Hermann, ist eine Krise sam mit den Mitarbeitern ein ein Nachteil oderVorteil? Leitbild mit neuen Werten Hermann: Für den Psycholo- für Thyssen-Krupp erarbei- gen ist die Krise eine gute tet. Da geht es um Offenheit, Chance, da die Bereitschaft Ehrlichkeit, Transparenz und zum Wandel da ist. Wie not- gegenseitige Wertschätzung. wendig der Wandel ist, zeigt ein kleines Beispiel aus dem Herr Hermann,wie bekommt deutschen Team: Die Fußball- man einenVorstand dazu, ein nationalmannschaft hatte zu Team zuwerden? Beginn der Cheftrainertätig- Hermann: Der Trainer Ralf keit von Joachim Löw eine Rangnick hat mir dazu einen Ballkontaktzeit von durch- sinnigen Satz gesagt: Um ein schnittlich 2,9 Sekunden. Seit Team zu formen, spricht er 2010 sind es nur noch 0,9 Se- zwar in der Nachbespre- kunden. Das ist eine enorme chung eines Spiels die Fehler Veränderung, die notwendig an. Richtig kritisieren würde war, um an der Weltspitze mit- er aber nur denjenigen, der den Fehler Heinrich Hiesinger im zuspielen. eines anderen nicht ausgleicht, obwohl Gespräch mit Handelsblatt- Hiesinger: Die Krise ist sicher hilfreich, er es gekonnt hätte. Es geht also um das Chefreporterin Tanja Kewes. um einen Wandel einzuleiten. Es Handeln im Bezug zu anderen. Dafür macht den Start einfacher, aber mit der brauchen wir als BasisVertrauen und ei- Zeit sind die Mitarbeiter erschöpft. ne wertschätzende Kommunikation. Man muss daher immer wieder Mo- Das muss gegebenenfalls erarbeitet mente der Inspiration schaffen, die Zu- werden. kunft mitzugestalten. Das kann zum Beispiel die Einbindung vieler Mitar- Wie machen Sie das bei der National- beiter in die Neubestimmung der Mar- elf, bei der viele die Bank drücken ke Thyssen-Krupp sein. Das macht viel müssen? Spaß. Hermann: Die Hälfte der nominierten Spieler sitzt zunächst auf der Bank. Wofür brauche ich Inspiration? Aber in der Nationalmannschaft wird Hermann: Als inneren Motor und als das nicht so leicht ein Problem wie im Sinnstifter. Das ist das Feuerchen, das Verein, denn Nationalspieler begeg- man beim Einzelnen entfachen muss. nen sich auf Augenhöhe. Und im Rah-

tt men eines Turniers kommen ohnehin Was ist Ihre Inspiration? fast alle zum Einsatz, so dass sie sich Hiesinger: Es ist eine tolle Aufgabe, ein automatisch als Teil des Teams verste- Unternehmen mit einer über 200-jäh- Handelsbla

für hen. rigen Tradition aus der aktuellen Krise Hiesinger: Ich bin da neidisch. Er hat zu führen. Wenn wir als Team einen ja nur wenige Spieler – ich muss Weg finden, das Unternehmen besser Butzmann 157 000 Mitarbeiter zusammenbrin- als zuvor zu machen, dann ist das für gen und zu einem Team formen. Die- mich eine starke Motivation. Dominik

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Wochenende

AUTONOMY

Die Technik des Loslassens

Nicht nur Ingenieure entwickeln Technik,

die Gesellschaft entwickelt mit – wenn man Daimler-Chef l ze

Dieter Zetsche et Pa

ihr zuhört. Zukunftsforscher Andreas mit einer selbst- é

fahrenden Andr Mankowsky von Daimler über die Suche S-Klasse: Neue

Technik für eine enarbeit,

nach Fortschritt und die Frage, neue Welt. Mark wieVisionen Realität werden. Deutsche

Christian Schnell die Kamera dabei, um Entwicklungen – erfalls zeigt, als auch im Bereich der stellt, zehn Jahre später erhielten die Au- Berlin und erscheinen sie für den Moment Technik. tos den nötigen Content aus dem Inter- noch so unbedeutend – festzuhalten. „Das Standardbeispiel ist Polaroid. net. Und wieder acht Jahre später führte uf der Rückbank sitzen Schließlich geht es um die Frage, ob ein Dort hat man zwar erkannt, dass die Welt das Zusammenwirken von künstlicher und sich chauffieren las- neues Modell, für das die Entwicklung weiter Bilder haben will, hat dabei aber Intelligenz, Robotik, Big Data und dem sen, das kennt Daimler- im Schnitt rund sieben Jahren dauert, Das Beispiel für disruptive nicht bemerkt, dass diese nicht zwangs- Internet der Dinge dazu, dass eine Lu- Chef Dieter Zetsche dann noch im Trend liegt. läufig auf Papier gedruckt sein müssen“, xuskarosse wie die Mercedes S-Klasse durchaus. Dass vorn auf „Disruptive Innovation“ nennt der Innovation ist Polaroid. Dort macht Mankowsky diesen Sachverhalt an ohne Fahrer den Weg durch den langen A dem Fahrersitz dabei Daimler-Forscher mit den langen grau- einem für jeden wohl noch geläufigen Hangar 4 des Flughafens Tempelhof bis aber kein Fahrer mehr sitzt, daran en Locken seineVorgehensweise. „Das hatte man zwar erkannt, Beispiel deutlich. Dabei hatte Polaroid auf die Bühne fand. „Das autonome Fah- musste sich auch Zetsche erst gewöh- sind Techniken, die die Welt verän- durchaus eine Digitalkamera entwickelt, ren kommt langsam, aber gewaltig“, ist nen. Aber er macht Fortschritte. Im Au- dern“, erklärt Mankowsky. Das funktio- dass dieWelt Bilderwill, diese Technik dann aber nicht weiter ver- sich deshalb Daimler-Chef Dieter Zet- to geht es dem Konzernchef wie in der niert allerdings nur, wenn alle mitma- folgt. Am Ende stand die Pleite nach gut sche sicher. Bestimmt werden müsse le- Führung seines Unternehmens: Wer chen. Sonst eben nicht. aber nicht, dass diese nicht zehn Jahren Niedergang. diglich weiter einVerantwortlicher, der auch mal loslässt, wird mit Erfolg be- Dabei unterscheidet er in drei Pha- Was bedeuten aber all diese Erkennt- bei Falschparken oder Geschwindig- lohnt. sen. Für die erste – das „Learn“ – geht er gedruckt sein müssen. nisse für einen jungen Menschen, der keitsübertretungen eintritt. Daimler Jedenfalls gilt das mittlerweile ab und ganz weit zurück in der Geschichte, in Alexander Mankowsky heute am Anfang seiner Berufslaufbahn könne das natürlich nicht sein. an für das Steuer einer S-Klasse des die Zeit der Aufklärung. Dort war Auto- Zukunftsforscher steht und ebensolche Fehler vermeiden Am Ende dieser ganzen Entwicklung Konzerns. Die hochtechnisierte Luxus- nomie ein Zentralbegriff, standen doch will? „Wichtig für junge Leute sind heute steht jedoch wie immer der Mensch, der karosse fährt allein um Kurven, sie fin- auf der einen Seite das Denkverbot der die Fragen: Wie wird die Welt sich tech- all diese Innovationen auch annehmen det allein einen Parkplatz und sie gottgegebenen Ordnung, auf der ande- nisch entwickeln? Wie kann ich mich da- muss. Und gerade dabei hat Alexander bremst auch da, wo sie bremsen soll. ren Seite die Willkür der Fürsten. In der rauf einstellen? Heute muss man sich Mankowsky auf seinen vielen Reisen er- „Intelligent Drive“ nennen sie bei Mitte bewegte sich der Mensch als Indi- Im nächsten Schritt geht es dann da- klarmachen, wie sich maschinelle Intel- staunliche Erfahrungen gemacht.Verän- Daimler dieVision von der Zukunft des viduum und wollte etwas Neues. Das rum zu erkunden, oder um das „Explo- ligenz entwickeln wird, dazu eine eigene dert sich doch für viele Menschen die Autofahrens. „Das autonome Fahren sollte aber weder eine neue Willkür re“, wie es die Experten sagen. Hier Perspektive finden“, rät Mankowsky. Welt in rasender Geschwindigkeit, so reduziert die Freiheit nicht, es vergrö- noch eine neue Ideologie sein, sondern muss mit den eingangs gefassten Ideen Denn eines ist sicher: Das Internet, dass sie oftmals auch in Althergebrach- ßert sie“, sagt der Daimler-Chef. Nicht irgendetwas dazwischen. im Gepäck der Dialog mit kreativen wie wir es heute kennen, wird sich in tem Halt suchen. zuletzt deshalb zeigten laut Umfragen Mankowsky bricht solche Erkenntnis- Menschen gesucht werden. Deren Ide- den kommenden Jahren noch einmal „Living in transit“ lautet der vom Spe- 37 Prozent der Deutschen bereits Inte- se herunter auf eine Zukunftsfor- en gilt es aufzunehmen und zu akzep- stark verändern. Das iPhone, Computer zialisten gebrauchte Fachbegriff. „Alles, resse an dieser Technologie. schung, die gestalterisch ist. Dabei geht tieren. Daraus sollte sich im Idealfall ei- oder Tablets sind dafür nur die Baustei- was ich wirklich brauche, führe ich am Einer, der den Ingenieuren bei es ihm zuallererst darum, zu erkennen, ne Weiterentwicklung für beide erge- ne, die durch ihre Weiterentwicklung Körper mit mir“, erklärt Mankowsky das Daimler einen Eindruck vermittelt, wie was auf dieser Welt überhaupt ge- ben. immer weitere Möglichkeiten der An- Phänomen der vielen kleinen Helferlein. die Welt und damit auch die Autowelt schieht.Vor allem der Faktor Zeit spielt wendung schaffen. Oder umgekehrt aus- Die meisten haben jedoch auch etwas der Zukunft aussehen könnte, ist dabei eine erhebliche Rolle. Ist doch der m letzten Schritt – dem „Make“ – gedrückt: „Ein iPhone hätte ohne Apps Analoges dabei. Oft ein Buch, das sie Alexander Mankowsky. Der 56-jährige, zeitliche Rhythmus, den Dinge oder In- müssen all die gesammelten Erfah- niemanden interessiert“, wie es Alexan- schon einmal gelesen hätten, zum Bei- ausgebildete Soziologe ist Zukunfts- frastrukturprojekte haben, ein so völlig I rungen im eigenen Haus – im Falle der Mankowsky auf den Punkt bringt. spiel. „Das gibt Sicherheit.“ und Trendforscher im Haus. anderer als der, den Menschen haben. Daimler beispielsweise mit den In- So schließt sich auch der Kreis zum Deswegen werde privater Raum, der Und er ist weltweit unterwegs, um Zehn Jahre beispielsweise, die für einen genieuren – in der Praxis umgesetzt Auto, das in wenigen Jahren wohl schon sich auch noch bewegt und damit mobil herauszufinden, welche Autos die Men- Menschen eine lange Zeit darstellen, werden. Wobei die disruptive Innovati- so intelligent sein wird, dass es selbst ist, in der Welt des „living in transit“ schen in Zukunft in Amerika, Asien sind für eine Boeing 747 oder gar eine on sich sowohl auf politischer Seite ent- fahren kann. Bereits im Jahr 1995 hatte zum totalen Luxus. Beispielsweise eine oder Europa fahren möchten. Stets ist Brücke nur ein kurzer Abschnitt. wickeln kann, wie das Beispiel des Mau- Daimler dazu den ersten Prototyp vorge- selbstfahrende S-Klasse.

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Wochenende

DIETER ZETSCHE „Das ganze Unternehmen hat vibriert“

Herr Zetsche,wieverändert die digitale Bei der Führung Hier haben wir ganz eindeutig Autono- Welt die Unternehmenskultur? mie als Notwendigkeit. Wir haben ganz wenige Hauptstrate- großer Konzerne gien, die im ganzen Unternehmen Gül- Aber die Mitarbeiter können sich heute tigkeit haben. Das ist die Vision vom un- ist eswie beim ganz anders ausdrücken, beispielswei- fallfreien Fahren, die Vision vom emis- se über Social Networks. sionsfreien Fahren, das sind die Emer- Fahren mit Das hat entscheidende Seiteneffekte. ging Markets und das ist Digital Life. Di- Einerseits haben wir unsere 128-jährige gital Life betreiben wir in Open-Space- fahrerlosen Autos: Tradition, andererseits wollen wir auch Veranstaltungen, kulturell in einer ganz in Zukunft an der Spitze des Fort- anderen Weise als sonst üblich. Dabei Über Erfolg schritts sein. Wenn wir jetzt nach außen geben wir als Vorstand nicht die Rich- hin auch ganz offen leben, dann öffnet tung vor, dazu hätten wir auch gar nicht oder Misserfolg das auch unser Markenbild und unser das Wissen. Also müssen andere sagen, Image. Das geht über die Produkte, wo es langgeht. Und wir müssen den entscheidet die aber auch über die Art und Weise, wie Raum schaffen, in dem es stattfinden die Mitarbeiter miteinander arbeiten. kann. Das betrifft den Arbeitsplatz, die Fähigkeit, loslassen Kommunikation mit und zwischen den Wie bringen Sie diese beiden Welten Autos. zu können. des modernen vernetzten Menschen und der 128-jährigen Tradition von Gewähren Sie im Unternehmen jetzt Daimler zusammen? auch mehr Autonomie, weil es dieses Es geht weiter noch immer nur mit direkte Denken gibt? neuen Zielen, die man fest einsetzen Es gibt hier zwei Aspekte. Der erste ist: und durchsetzen muss. Die Gesell- Wir arbeiten mit großen Produktions- schaft verändert sich, wir verändern volumen. Hier herrscht die Lehre der uns. So sind wir im Bereich Diversity Economies of Scale. Die kann man nur der Autohersteller, der am weitesten erreichen, wenn man standardisiert. gekommen ist. Wenn der Werksleiter früher beispiels- weise stolz darauf war, dass er die Din- Hat sich Ihr Führungsverhalten durch ge anders macht als in anderen Wer- die neue digitale Welt verändert? Ver- ken, dann bekommt er heute ganz kla- trauen Sie häufiger den autonomen re Standards gesetzt. Seine Aufgabe be- Systemen im Haus? steht dann darin, diese Standards am Persönlich ist meine Art zu kommuni- besten umzusetzen und am besten pro- zieren durch meine fünf Jahre in den duktiv tätig zu sein. Das ist natürlich ei- USA stark beeinflusst worden. Darüber ne Einschränkung der Autonomie. hinaus spielt die neue Art der Kommu- Aber anders können wir die Größe nikation natürlich eine Rolle. Wir ha- nicht zu unserem Vorteil umsetzen. ben beispielsweise vor einem halben Jahr im Intranet allen Mitarbeitern ge- Und was ist der zweite Aspekt? sagt, sie sollen Fragen an mich stellen Der besteht in der Weiterentwicklung. und raten, welche Fragen ihnen am Fahrzeuge verändern sich, keiner kann wichtigsten sind. Am Ende hatten wir heute schon sagen, wie das Auto von 250 000 Klicks, haben sich 60 000 Mit- übermorgen aussehen wird. Die neuen arbeiter eingebracht und waren 2 500 Strukturen müssen sich in ganz ande- Fragen da. Das ganze Unternehmen hat ren Freiräumen ausbreiten dürfen. vibriert.

Dieter Zetsche mit Handels- blatt-Chefre- dakteur Hans- Jürgen Jakobs

ZMANN und Zukunfts-

BUT forscher Ale- xander Man-

DOMINIK kowsky.

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Wochenende

DOWN TO EARTH mauritius , tt Handelsbla für

Das Butzmann Dominik images, rio va /

Geheimnis des ange omor Chr

Ron Garan hat während seiner Wir-Gefühls Touren ins All Aufnahmen von der Erde gemacht – und zeigte sie den Pathfinder- Für Bahn-Chef Rüdiger Grube ist klar: Teilnehmern. Aus dem obersten Stock der Konzernzentrale lassen sich nicht mehrere Hunderttausend Mitarbeiter führen. Wer als Chef die Bodenhaftung verliert, kann einpacken.

Dieter Fockenbrock nicht die Bodenhaftung zu verlieren. Aber Garan hat seine Reisen in das wir etwas tun“, drängt der Weltraumfah- RONALD JOHN GARAN Berlin „Sie können es sich nicht leisten, aus Weltall nicht gemacht, um abzuheben. rer, nicht erst abzuwarten, dass andere dem 25. Stock des Bahn-Towers Im Gegenteil. Der Blick aus dem All auf etwas tun. üdiger Grube, Vorstands- 310 000 Menschen in 130 Ländern zu den blauen Planeten hat seine Perspek- So versteht auch derVorstandsvorsit- vorsitzender der Deut- führen“, sagt Grube. „Sie müssen raus- tive fürs Leben geändert, und das radi- zende der Bahn seinen Job, auf dessen Die Hälfte seiner Arbeitszeit Aus derVogelperspektive schen Bahn, pflegt einen gehen, Sie müssen reden, Sie müssen kal. Für Garan ist seit seiner Rückkehr Einladung Garan nach Berlin gekom- äußerst direkten Füh- überzeugen.“ klar, dass er sich künftig vor allem ei- men ist. „Werte vorleben.“ Nur so, sagt sollte sich ein CEO mit seinen rungsstil, ohne Umwege, Natürlich sei der CEO auch dafür da, nem Ziel widmen will, dem nachhalti- der Bahn-Chef, schaffe man als Füh- as Leben des Ronald John Ga- an der „unglaublichen Schönheit“ der R keine Vermittler. Gibt es rungskraft Glaubwürdigkeit. Wohl kein Mitarbeitern beschäftigen. Der Astronaut und die großen Dinge zu bewegen. Aber gen Leben auf dem blauen Planeten. ran hat einen weiten Bogen Erde. Dann, eines Nachts, entdeckte er Ärger, schaltet sich der Chef persönlich das ist für ihn selbstverständlich. Viel Zufall, dass Grube und Garan sich ausge- geschlagen. Vom Kampfflie- eine hell leuchtende Linie. Hunderte Rüdiger Grube D Unternehmerwill ein. Grube ist der Kümmerer im Bahn- wichtiger sei „die Liebe zum Detail“. ie kein anderer scheint der rechnet über MuhammadYunus kennen Deutsche-Bahn-Chef ger im Golfkrieg zum Social Kilometer musste sie lang sein, sonst Konzern, der zum Telefon greift, um ei- „Manchmal“, sagt er, „hängt der Erfolg Raumfahrer deshalb auch gelernt haben. Der Friedensnobelpreis- Entrepreneur. Zwischenstation ISS, Menschenvernetzen hätte er sie aus dieser Höhe gar nicht ner Mutter zu erklären, warum ihre von einer einzigen Unterlegscheibe ab.“ W geeignet, Grubes Füh- träger aus Bangladesch hat die Mikrofi- knapp 400 Kilometer über der Erd- sehen können. Es war die Grenze zwi- minderjährige Tochter von einem Zug- Schützenhilfe holte er sich für den rungs-Leitsatz „Down zu nanzierung für unterentwickelte Länder oberfläche. Garan hat die klassische schen Indien und Pakistan. Umstritten begleiter vor die Tür gesetztwurde. Gru- Handelsblatt-Pathfinder ausgerechnet Earth“ mit Leben zu füllen. Und zwar geschaffen. Mehr „down to earth“ geht stand für strategische Fragen zuständig Karriere eines Astronauten absolviert, – um aus derWelt und umkämpft, und deshalb taghell er- be herzt langjährige Mitarbeiterinnen, bei jemandem, der lange die Bodenhaf- im doppeltem Sinne. Garan mahnt sei- nicht. war, setzt seit 2009 alles daran, das zu vom erfahrenen Piloten der US-Luft- leuchtet. Ein Riss durch die heileWelt. die sich sorgen, dass die große Familie tung verloren hatte. Ronald John Garan ne Zuhörer nicht nur zu Bodenhaftung. Um seine eigene Bodenhaftung zu ändern. Zu sehr, räumt der Bahn-Chef waffe zunächst in den Spaceshuttle, einen besseren Ort Wenn die Probleme dieser Welt der Eisenbahner der schnöden Rendite ist Astronaut und hat mehr als ein hal- Er sagt auch, wie das geht. „The key is halten, verbringt Grube einen großen heute offen ein, habe das Management später mit der russischen Sojus zur schon aus dem Weltall zu sehen sind, geopfert wird. Verärgerten Fahrgästen bes Jahr seines Lebens außerhalb der we“, sagt er. Der Schlüssel zur nachhal- Teil seiner Arbeitszeit vor Ort mit Eisen- „in den vergangenen Jahren den Blick Raumstation ISS. Fast 178 Tage im All, zu machen. dann läuft etwas schief, schloss der ist die spontane Ansprache: „Mein Na- Erde zugebracht. Das dokumentierte tigen Entwicklung der Erde sind wir bahnern. Regelmäßig reist er zu regio- ausschließlich auf das wirtschaftliche Er- 72 Millionen Kilometer im Orbit, 27Ta- 52-jährige Raumfahrer. Nach Rückkehr me ist Rüdiger Grube, kann ich Ihnen der Astronaut in Berlin mit beeindru- selbst. „Wir leben auf einem Planeten nalen Veranstaltungen der Bahn in der gebnis gerichtet“. ge außerhalb des Raumschiffs. Zurück- von seiner zweiten Mission arbeitete helfen?“ vertraut. Grube fasst an. ckenden Bildern aus dem Orbit. mit endlichen Ressourcen, also müssen ganzen Republik, besucht Reparatur- Die Anregung, aus dem 25. Stock des gekommen ist er,wie Bahn-Chef Rüdi- er noch bis Herbst 2013 für die US- Der 62-Jährige nennt das Authentizi- werkstätten, trifft sich mit Stations- Bahn-Towers am Potsdamer Platz in ger Grube sagt, als Mensch, aber als ein Raumfahrtbehörde Nasa, baute aber tät. Das ist ihm wichtig. Sehr wichtig so- teams, taucht unerwartet in Reisezen- Berlin regelmäßig hinabzusteigen, holte anderer Mensch. „Jeder hat Momente parallel seine neue Karriere auf, als So- gar. Das will er jungen Führungskräften tren auf, um sich Wünsche und Kritik sich Grube übrigens bei seinem Freund in seinem Leben, die allesverändern“, cial Entrepreneur. Die „fragile Oase“ mit auf den Weg geben. Mehr noch. von Mitarbeitern anzuhören. Und er Jürgen Weber. Der eindringliche Rat des sagt Garan. Erde ließ ihn nicht mehr los. „Niemand ist so unglaubwürdig wie drängt darauf, die Probleme auch abzu- langjährigen Vorstandschefs der Deut- Sein entscheidender Augenblick Auf diesen Namen taufte Garan auch derjenige, der etwas nicht selbst erlebt stellen. schen Lufthansa: „Du musst zu den Mit- war im Mai 2011. Hundertfach war er sein neues Unternehmen (www.fragi hat.“ Und zu erleben gibt es wahrlich Der Bahn-Chef versucht das Unmögli- arbeitern runtergehen.“ Die Hälfte der schon um die Erde gekreist. Sech- leoasis.org). Sein Ziel: Projekte und genug im Bahn-Konzern. Das Unterneh- che, das „Wir-Gefühl“ der 200 000 Ei- Arbeitszeit sollte sich ein CEO mit seinen zehn Mal pro Erdentag geht für einen Unterstützer miteinander verbinden. men steht wie kaum ein anderes unter senbahner in Deutschland wieder her- Mitarbeitern beschäftigen. Grube sagt, ISS-Bewohner die Sonne auf, sech- Denn: „Tausende Organisationen ar- Beobachtung. Aus einer gebrochenen zustellen. Das war in den vergangenen daran halte er sich. zehn Mal kommt die Nacht. Routi- beiten auf der Erde für eine bessere Achse, einer Handvoll erkrankter Fahr- Management Jahren untergegangen. Der Mann will bei seinen Leuten an- niert absolvieren Garan und die Crew Welt. Aber sie erreichen immer nur ei- dienstleiter oder einer defekten ICE-Kli- tt ist kein Hexenwerk. Die Bahn fuhr Richtung Börse und kommen, wie Garan aus dem Weltraum ein Riesenprogramm an wissen- ne begrenzte Zahl von Menschen“, maanlage werden schnell nationale Ka- hatte einen scharfen Sanierungskurs zurückgekommen ist: „Als Mensch.“ Er schaftlichen Analysen, fotografieren sagt Gran. bewundere Astronauten, gibt Grube un- tastrophen. Handelsbla Management eingeschlagen. Das hat tiefe Spuren hin- die Erde aus allen Positionen, sie ver- Genau das will er ändern. Und da

Grube vermittelt scheinbar einfache für terlassen. Frustrierte und überlastete Ei- umwunden zu. Um die jungen Füh- lassen die Station für Reparaturen spielt es für ihn keine Rolle, ob es um Führungsprinzipien. Authentizität, Res- ist viel Handwerk. senbahner, Störungen im Betrieb wegen rungskräfte aber gleich vor dem Abhe- und Experimente. die Wasserversorgung in einem afrika- ben zu warnen: „Wenn Sie anfangen, Jede freie Minute, berichtet Garan, nischen Dorf geht oder um die Durch-

pekt, Integrität und Leidenschaft. Seine unterbesetzter Dienststellen, fehlender PR Butzmann Rüdiger Grube sich selbst zu bewundern, werden Sie wichtigste Erfahrung als Chef der Deut- Vorstandsvorsitzender Lokführer, unzureichend gewarteter Zü- habe er an einem der Fenster ver- Ron Garan präsentiert seine All- querung Amerikas mit dem Fahrrad. schen Bahn klingt sogar banal. Bloß der Deutschen Bahn ge. Grube, der zuvor im Daimler-Vor- als Führungskraft scheitern.“ bracht. Er konnte sich nicht sattsehen Dominik Impressionen. Dieter Fockenbrock

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Wochenende

IMPRESSIONEN Der Tag des Nachdenkens (2) l ze

SechsVorstandschefs, 700 Nachwuchs- et Pa é

führungskräfte aus 31 Nationen – und Andr

führende Denker für die Welt von morgen. enarbeit, Pathfinder ist der Tag, an dem die Zukunft Mark Deutsche

beginnt. Eine Bilderreise. (8), tt Handelsbla für Butzmann mpelhof. Hangar von Te

im ehemaligen Dominik Pathfinder-Teilnehmer Teilnehmerin auf dem Weg in die Halle (oben). Rechts zeigen Dirigent Gernot Schulz und sein Orchester den Pathfin- der-Teilnehmern, wie sich aus vielen Individua- listen ein Team formen lässt.

DIE PATHFINDER- FAMILIE

Frank Dopheide, Pa und thfinder-Ideengeber Chef der Deutschen versucht Markenarbeit, Handelsblatt-Verleger Dieter von Holtzbrinck (r.) und Thyssen-Krupp- sich auf Einladung Poetry-Slammerin Julia Engelmann (vorne im Bild) lauscht Chef Heinrich Hiesinger im Gespräch. Schulz von Gernot den Pathfinder-Vordenkern. als Dirigent eines Orchesters.

Handelsblatt-Finanz- Pathfinder Die Zukunft ist ein Pathfinder-Life Pathfinder Technology Ressortleiterin Land, das wir nie zuvor gesehen Am 25. und 26. September findet Anfang November geht es in der Nicole Bastian und haben. das Event „Pathfinder Life – What Kleinen Olympiahalle München bei Deutsche-Bank-Chef Es zu betreten und lebenswert zu really matters“ im Kloster Eber- „Pathfinder Technology. The Way Jürgen Fitschen lassen gestalten verlangt neues Denken bach in Eltville (Rheingau) statt. Ahead“ um die technischen Entwick- sich bei Pathfinder und Handeln. Und somit auch: ei- Denn unser Leben und unsere Fir- lungen der Zukunft. Hierzu werden inspirieren. ne neue Generation von Führungs- ma sind kein starres Etwas, son- die begabtesten Entdeckertalente kräften. dern ein lebender Organismus, der der Unternehmen eingeladen. Deshalb bringt das Handelsblatt sich und uns ständig verändert. Ei- Das Motto: „Die Welt in 2050“. Tech- zusammen, was zusammengehört: ne neue Generation von Führungs- nologiekonzerne erklären jenen Teil die besten Talente unserer Unter- kräften soll deswegen auf den per- der Zukunft, an dem sie arbeiten, nehmen und die klügsten Denker manenten Wandel vorbereitet wer- so dass die Unternehmen sich ge- unserer Zeit. Die Veranstaltung den. Hierzu laden die genseitig inspirieren: Der Autoinge- 2014 war die zweite ihrer Art. Personalvorstände der Unterneh- nieur den Biotechniker. Der Energie- Durchgeführt von men ihre begabtesten jungen Füh- manager den IT-Systemarchitekten. Andreas F. Wilkes vom Veranstal- rungskräfte ein. Gemeinsam mit tungsforum der Holtzbrinck Publi- gesellschaftlichen Vordenkern dis- Pathfinder-Teilnahme Nähere Infor- shing Group, nach einer Idee von kutieren wir Werte, die den Ar- mationen und Anmeldungsmöglich- ank-Chef Frank Dopheide, Inhaber der beitsalltag prägen: Identifikation, keiten für die Pathfinder-Veranstal- mit Deutsche-B unterhält sich hse. Deutschen Markenarbeit, und Zusammenhalt, Work-Life-Balance, tungen erhalten Sie unter Grube (l.) Friederike Lo Bahn-Chef bensgefährtin und dessen Le Wladimir Klitschko organisiert und konzipiert von Fairness, Diversity, Frauenförde- [email protected]. Die Siemens-Nachwuchsführungskräfte Beryl Lopez, Sreya Rao und Camilla Fitschen mit erfolgreichen Handelsblatt 360°: rung, persönliche Verantwortung, Cozzi plaudern am Rande der Veranstaltung. Nachwuchssportlern. 360grad.handelsblatt.com Empathie. www.handelsblatt-pathfinder.com

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