Die Vieldeutige – Porträt Cate Blanchett
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Die Vieldeutige – Porträt Cate Blanchett Cate Blanchett 32 © (Julian Rosefeldt) VG Bild-Kunst Bonn, 2017 VG Bild-Kunst Bonn, © (Julian Rosefeldt) MANIFESTO Am Ende war ihr Aufenthalt in Berlin also doch für et- klerin, eine Managerin, eine russische Choreografin, was gut. Zwar spielt Cate Blanchett in MONUMENTS auch einen Obdachlosen. MEN eine der ganz wenigen undankbaren Rollen ihrer Zweifellos hat sich Rosefeldt daran erinnert, wie bra- Karriere. Aber die Drehpausen nutzte sie fabelhaft: Sie vourös sie sich bereits in Todd Haynes’ I’M NOT THERE nahm das Angebot des Berliner Künstlers Julian Rose- in eine männliche Figur eingefühlt hat: Dort ist sie eine feldt an, in seiner Installation MANIFESTO mitzuwirken. der sechs Inkarnationen von Bob Dylan. Die Installati- Blanchett leiht darin ihre darstellerische Intensität an on profitiert nicht nur von der Wandlungsfähigkeit der ein einzigartig ambitioniertes Projekt aus: Sie zitiert aus australischen Schauspielerin, sondern auch von der zentralen revolutionären künstlerischen Manifesten des Bereitschaft, sich von ihrer außerordentlichen, leuch- 20. Jahrhunderts. Zwölf unterschiedliche Rollen er- tenden Schönheit nicht auf bestimmte Rollen festlegen weckt sie dabei zu filmischem Leben und zeigt ebenso zu lassen. Die Neugierde und Empfindsamkeit dieser viele Facetten ihrer Schauspielkunst. Blanchetts Ge- Künstlerin, die ursprünglich Wirtschaft und Kunst stu- sicht ist keine Projektionsfläche, sondern ein Spielfeld dierte und zeitweilig gern Architektin geworden wäre, von Aufruhr und Widerspruch. Nicht immer trägt sie ein will sich nicht beschränken. Gemeinsam mit ihrem weibliches Antlitz. Sie verkörpert eine Immobilienma- Mann nahm sie die Herausforderung an, in Sydney ein Theater zu leiten, das weltweit gefeierte Gastspiele gibt. Noble Herausforderungen Cate Blanchett traut man den gleichen Mut zu, sich auf Blanchetts natürliche Anmutung von Adel kommt einer verwegene Abenteuer einzulassen, der auch ihre Figu- amerikanischen Sehnsucht nach Aristokratie entge- ren auszeichnet. gen. In THE AVIATOR verkörpert sie Katharine Hepburn, Hollywoods Inbegriff der höheren Tochter. Ihre Eigen- Ein glaubwürdiger Anachronismus ständigkeit stellt eine verlockende Herausforderung für Das gilt bereits für ihre erste große Kinorolle in OSCAR Howard Hughes dar, die Titelfigur von Scorseses Film. AND LUCINDA, der Chronik einer sanften Liebesver- Sie ist die einzige ebenbürtige, ernsthafte Gefährtin, rücktheit, einer wunderlichen Anziehung. In Gillian die der Industrielle während seiner Eskapade nach Armstrongs leichtfüßiger Romanadaption, die im 19. Hollywood findet. In THE CURIOUS CASE OF BENJAMIN Jahrhundert spielt, bildet Blanchett das robuste Ge- BUTTON verleiht sie einer anderen amerikanischen genbild zu Ralph Fiennes als englischem Pastorensohn Vorstellung von Adel Gestalt: Sie variiert die Figur der Oscar, dem der religiöse Eifer des Vaters Schuldgefühle unerreichbaren Südstaaten-Prinzessin, die zumal das eingeflößt hat, an denen er sein Leben lang zu tragen Frühwerk von F. Scott Fitzgerald heimsucht. In des- hat. Ihr Körperspiel, entschlossener Gang und wacher sen Vorlage gibt es kein wirkliches Vorbild für Daisy, Blick wirken ungemein modern: Lucinda ist eine Vorbo- die indes im Film als archetypische Fitzgerald-Heldin tin weiblicher Selbstbestimmung. Durch den Tod ihrer gezeichnet ist: Sie lebt den Traum von dessen Ehefrau Mutter erbt sie ein Vermögen. Ihre erste Liebe gilt dem Zelda aus, eine gefeierte Balletttänzerin zu werden und Glasspielzeug, weshalb sie kurzerhand eine marode trägt den Vornamen der verlorenen Liebe Jay Gatsbys Cate Blanchett Glashütte in Sydney aufkauft und zu einer mutigen und aus dessen berühmtestem Roman. Dass Daisy für Ben- 33 geschäftstüchtigen Unternehmerin wird. Auch im Pri- jamin durchaus erreichbar ist, entzaubert sie letztlich vatleben entwickelt sie sich zu einer Hasardeurin, die nicht. sich arglos über die moralischen Verschnürungen ihrer Die Protagonistin von Woody Allens Tragikomödie BLUE Zeit hinwegsetzt. Gemeinsam mit Oscar entdeckt sie JASMINE wiederum muss eingangs ihre Träume von die Begeisterung fürs Glücksspiel, was für eine Dame der Zugehörigkeit zur besseren Gesellschaft begraben. der Gesellschaft ein höchst anrüchiger Zeitvertreib ist. Nachdem die dubiosen Geschäfte ihres Ehemannes Blanchett deutet ihn nicht als selbstzerstörerische Pas- aufgeflogen sind und dieser in der Haft Selbstmord sion, sondern als Spielfeld der Komplizenschaft. begangen hat, versucht die egozentrische, verwöhnte Auch Queen Elizabeth I. legt sie als eine Frau an, deren Jasmine an der Seite ihrer ungleichen Schwester einen Eigensinn in ihrer Epoche Anstoß erregt. Die Thronfol- Neuanfang. Es fällt ihr schwer, sich vom Luxusleben zu gerin ist sprunghaft und launisch. Der Tanz ist ein Leit- verabschieden; ihr ungebrochen mondänes Auftreten motiv, das Shekhar Kapur in seinem Biopic regelmäßig jedoch könnte ihr womöglich erneut Zutritt zur High anklingen lässt, um ihren spielerischen Zugriff aufs Society verschaffen. Jasmine erscheint arglos, bis eine Leben vor Augen zu führen. Elizabeth fühlt sich nicht böse Schlusspointe dies entlarvt. an die Moralvorstellungen ihrer Zeit gebunden, unter- Auch Sheba, die idealistische, überforderte Lehrerin hält eine skandalöse Liebschaft zu einem verheirateten in NOTES ON A SCANDAL, zeichnet Blanchett als eine Adligen und schlägt jede Eheschließung aus, die ihrem Figur, die man auf den ersten Blick unterschätzt. Ihre Land dringend nötige Bündnispartner bescheren könn- ältere Kollegin Barbara, die ihr mit abschätzigem, be- te. Blanchetts sinnliche Darstellung bricht mit dem Bild gehrlichem Blick nachstellt, rätselt anfangs, ob sie nun der jungfräulichen Königin, das im Kino zuvorderst Bette eine Sphinx ist oder einfach nur dumm. Erneut wird Davis und Jean Simmons prägten. Jedoch wird ihr die eine innige Beziehung zum Spielfeld sozialer Gegen- Zweideutigkeit ihres Körpers bewusst, der ihr nun nicht sätze: Barbara stammt aus einfachen Verhältnissen, mehr allein, sondern dem Staat gehört. Das Geschäft Sheba hingegen gehört der Mittelklasse an. Blanchett des Regierens muss sie wie eine Rolle einstudieren, gelingt es, einer oberflächlichen Figur unerwartete Tiefe die Selbstbewusstsein und Souveränität verlangt. Blan- zu verleihen. Sheba verliebt sich in einen minderjähri- chett spielt dies als eine Tragödie des Verlustes; nicht gen Schüler und wird dadurch erpressbar. Es fehlt ihr nur an Spontaneität und Freiheit. Ihre Figuren müssen an Willensstärke, sie ist ihren Gefühlen hilflos ausge- stets einen Preis dafür zahlen, so zu sein, wie sie sind. liefert. Blanchett weckt eine Ahnung davon, wie uner- Die Härte und Grausamkeit, mit der sie sich gegen ihre füllt ihre bürgerliche Existenz bis dahin war, spürt aber zahlreiche Widersacher zur Wehr setzen muss, lassen zugleich plausibel der Möglichkeit ihrer moralischen ihr Gesicht zu einer bleichen Maske versteinern. Genesung nach. Preis und Mehrwert Oscar and Lucinda (Oscar und Lucinda) | Australien Richard Eyre, der NOTES ON A SCANDAL inszeniert 1997 | R: Gillian Armstrong | B: Laura Jones, nach hat, rühmte ihre methodische Vorbereitung auf die Rol- dem Roman von Peter Carey | K: Geoffrey Simpson | le, hob aber auch hervor, dass sie und ihre Regisseure M: Thomas Newman | D: Cate Blanchett, Ralph Fien- sich unbedingt auf ihren Instinkt verlassen können. So nes, Ciarán Hinds, Tom Wilkinson, Richard Roxburgh | bereichert sie ihre Rollen um ungekannte Nuancen. 132 min | OF | Mitte des 19. Jahrhunderts lässt sich Beispielsweise bestand sie darauf, dass Sheba ihr der junge englische Theologiestudent Oscar Hopkins Hobby, das Töpfern, mit großer Begabung ausübt. Sie als Missionar nach Australien entsenden, um so sei- bereichert ihre Rollen um kleine, kaum merkliche De- ner Leidenschaft fürs Glücksspiel zu entfliehen. Wäh- tails. Die Aufmerksamkeit, die sie Requisiten schenkt, rend der Überfahrt verliebt er sich in eine nicht minder ist enorm. Man achte nur einmal darauf, wie sie als passionierte Spielerin, was fatale Folgen für beide hat. TV-Produzentin Mary Mapes in TRUTH beim Telefonie- Jahre später soll eine Wette um den Bau einer Kirche ren mit einem Baseball spielt oder in entscheidenden aus Glas mitten im australischen Urwald die Erlösung Momenten ihre Brille aufsetzt. In der ersten Szene bringen. Das opulente epische Melodram bedeutete überrascht sie einen Anwalt, der sie für eine reinrassige den internationalen Durchbruch für Cate Blanchett. Feministin hält, damit, dass sie strickt. Blanchett befreit Schon hier spielt sie eine Frau jenseits der Konventio- ihre Charaktere aus Kategorien, die ihnen in Hollywood nen, die ihr Glück im Risiko sucht und das Schicksal in traditionell zugeschrieben werden. Zwar muss sich die eigene Hand nimmt. Cate Blanchett Mary Mapes in TRUTH insgeheim dafür rechtfertigen, Mittwoch, 29. März 2017, 21.00 Uhr eine abwesende Mutter und Ehefrau zu sein. Aber 34 dieser Vorbehalt schmälert nicht das gesellschaftliche Elizabeth | GB 1998 | R: Shekhar Kapur | B: Michael Mandat, das sie hier als Enthüllungsjournalistin mit Pro- Hirst | K: Remi Adefarasin | M: David Hirschfelder | D: fessionalität und Überzeugungskraft ausübt. Cate Blanchett, Geoffrey Rush, Christopher Eccle ston, Blanchett ist auch neugierig auf Charaktere, die von den Joseph Fiennes, Richard Attenborough, Fanny Ardant | Filmen nicht in traditionelle romantische Verhältnisse 124 min | OmU | Als Elizabeth I., die illegitime Tochter verstrickt werden. Ihre Weiblichkeit ist vielschichtiger, Heinrichs VIII., 1559