Verkörperungen Des Waldes
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Verkörperungen des Waldes Marcus Termeer (Dr. phil., M.A.) promovierte an der Universität Münster in Soziologie. Er lebt als freier Autor – Schwerpunkte: Kultursoziologie, Dialektik der Zivilisation – und Journalist in Münster. Marcus Termeer Verkörperungen des Waldes Eine Körper-, Geschlechter- und Herrschaftsgeschichte Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar. © 2005 transcript Verlag, Bielefeld This work is licensed under a Creative Commons Attribution-NonCommercial-NoDerivatives 3.0 License. Umschlaggestaltung und Innenlayout: Kordula Röckenhaus, Bielefeld Umschlagabbildung: Karl Blechen, »Waldrand bei anbrechendem Tag«, um 1831-1835 (Staatliche Museen zu Berlin, Kupferstichkabinett, Foto: Jörg P. Anders); © Bildarchiv Preußischer Kulturbesitz Lektorat & Satz: Marcus Termeer Druck: Majuskel Medienproduktion GmbH, Wetzlar ISBN 3-89942-388-7 Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier mit chlorfrei gebleichtem Zell- stoff. Besuchen Sie uns im Internet: http://www.transcript-verlag.de Bitte fordern Sie unser Gesamtverzeichnis und andere Broschüren an unter: [email protected] Inhalt Vorwort 7 Einleitung 9 ¯Wildnis® hat eine Geschichte 14 Naturverhältnisse als Geschlechterverhältnisse 19 Körpertransformationen 21 Von aggregativen zu generativen Bedeutungsstrukturen 27 ¯Innen® und ¯Außen® 29 Verkörperungen ¤ Bilder: theoretische Begriffsbestimmungen 37 Das ¯soziale Geschlecht® der äußeren Natur Teil I: ¯Weiblicher Wald® 67 Schwankender Untergrund und Geilwuchs ¤ feuchte Wälder als Gegenwelten 79 Hexenbäume und Katzen 89 Ungezügelte Pflanzen und Reptilien 108 Sexualisierung als Taxonomie: Ordnung für den Geilwuchs 121 Böse Ausdünstungen aus dem Leib der Erde 132 Von der endgültigen Abschaffung des ¯Matriarchats® 147 Die weibliche Wildnis der ¯neuen Welt® 176 Zu erobernde Jungfrauen 180 Die totale Inversion männlicher Herrschaft: Kannibalinnen 190 Arkadischer Imperialismus 198 ¯Weiblicher Wald®¤¯männlicher Wald® 206 5 Das ¯soziale Geschlecht® der äußeren Natur Teil II: ¯Männliche Wildnis® 209 Wildnis und Kultur als diaphane Konstruktion 215 Die Asketisierung der »Wilden Leute« zu Urahnen 220 Die Junggesellengeburt eines »unvermischten Volkes« 232 Entgrenzungen ¤ Begrenzungen: der Herkynische Wald als Reterritorialisierung 236 Dämme 240 Das neue bürgerliche Subjekt entdeckt die Landschaft 245 Die Hure Babylon 258 Der Wald als ¯reckenhafter® Ort ist ein späteres Produkt 271 ¯Deutscher Wald® und ¯Deutscher Wald® 277 Forst I: Der Wald als Körper des Königs 278 Exkurs I: Diana im Blumentopf 300 Forst II: Der Wald als absolutistische Staats-Maschine 307 Verflechtungen 325 Tätige Geometrie 329 Die Logik der Maschine 339 Der Aufmarsch der ¯Stände® 348 Das Verschwinden von Werden und Vergehen 369 Der Aufmarsch der Soldaten 387 Exkurs II: Die (lasterhafte) Stadt als Frau und Wildnis 412 Der Wald als Ort des ¯Daseinskampfes® 440 Organismus versus Mechanismus? 441 ¯Wildnis® als Wurzel der Volksgemeinschaft und ¯Wildniß® als utopische ständische Idylle 457 Die Natur erhält ein Haus im Kampf ums Dasein 470 Der Wald als kämpferische Volksgemeinschaft 485 Den Wildwuchs transformieren: Idealbild Wald 499 Zur Erhabenheit verfeinert 502 ¯Heilige Hallen® I 513 Monströse Leiber zu idealschönen Körpern 524 Das Wirken des Maschinengotts 542 ¯Heilige Hallen® II 554 Die Schönheit der Ruinen 570 Bürgerliche Naturmystik 577 Ausleitung: Bilder dritter Ordnung 585 Abbildungsverzeichnis 605 Bibliographie 607 6 Vorwort Die vorliegende Publikation ist die leicht erweiterte Version meiner Dis- sertation, die 2004 von der Philosophischen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster unter dem Titel »Verkörperungen des Waldes. Dominante gesellschaftliche Naturbeziehungen in historisch wechselnden Bedeutungsräumen« angenommen wurde. Mein erster Dank geht an Prof. Dr. Hanns Wienold vom Institut für Soziologie für die Betreuung und Erstellung des Erstgutachtens in einer besonderen Situation. Sehr dankbar bin ich auch Prof. Dr. Hans-Jürgen Krysmanski für die kurzfristige Übernahme des Zweitgutachtens. Ohne das fachliche Know-how und das technische Equipment von Matthias Zölle hätte es keine Abbildungen gegeben. Herzlichen Dank. Meiner Mutter Margot Khodaverdi Ourmieh und meinem Vater Klaus Termeer bin ich überaus dankbar für die jeweilige Unterstützung, die sie mir gegeben haben. Simone Kannengieser hat mein Projekt von Anfang bis Ende be- gleitet, inhaltliche Fragen diskutiert, Korrektur gelesen und war bei computertechnischen Problemen eine unerlässliche Hilfe. Ihr, die mir so vieles erst ermöglicht hat, ist dieses Buch gewidmet. Münster, im Mai 2005 Marcus Termeer 7 Einleitung »Die Soziologie hat sich im Kern als Wissenschaft der modernen Industriege- sellschaft diszipliniert, womit praktische wie normative Prämissen und Basis- gewißheiten des gesellschaftlichen Modernisierungsprozesses in das fachliche Selbstverständnis übernommen wurden. Natur ¤ gedeutet als gesellschaftlich unberührte Außen- oder naturalisierte Innenwelt, als Reservoire und Ressource ¤ blieb in den Bezugsrahmen soziologischer Theoriebildung weitgehend aus- gespart bzw. als unhinterfragte Selbstverständlichkeit vorausgesetzt.«1 Angelika Poferl spricht von der Wichtigkeit einer Suche nach neuen »Zugängen, neuen Unterscheidungen und Verknüpfungen, mithilfe derer es erst gelingen kann, Leerstellen und ¯blinde Flecken® zu erhellen sowie nicht Wahrgenommenes sichtbar und Unverstandenes begreifbar zu machen«.2 Matthias Groß untersucht die Scheu der Mainstream-Sozio- logie der letzten fünfzig Jahre gegenüber der materiellen Umwelt unter dem Diktum des Antinaturalismus. Ihm geht es darum nachzuweisen, dass in der klassischen Soziologie diese ¯Naturvergessenheit® nicht be- stand, so verweist er auf Marx© Begriff der Natur als unorganischem Körper des Menschen, Émile Durkheims Auffassung der Dinge als so- ziale Gegenstände oder Max Webers Überlegungen zum Zusammen- hang von protestantischer Ethik und Naturausbeutung.3 1 Poferl, Angelika: Doing Gender, Doing Nature? Einführende Bemerkun- gen zur Intention des Bandes, in: Nebelung, Andreas et al. (Hg.): Ge- schlechterverhältnisse ¤ Naturverhältnisse Feministische Auseinanderset- zungen und Perspektiven der Umweltsoziologie. Opladen: Leske + Bu- drich 2001, S. 14. 2 Ebda., S. 10 f. 3 Vgl. Groß, Matthias: Die Natur der Gesellschaft. Eine Geschichte der Umweltsoziologie. Weinheim, München: Juventa 2001. 9 VERKÖRPERUNGEN DES WALDES Der Anspruch, Soziales mit Sozialem zu erklären, widerspricht einer Untersuchung der belebten und unbelebten Dinge in der Natur tat- sächlich nicht. So sollen im Folgenden mit einer Soziologie des Waldes gesellschaftliche Einschreibungen in den Natur-Dingen aufgespürt wer- den. Naturorte und ihr Inventar sind soziale Orte. Sie umfassen soziale Projektionen und Rückprojektionen. Dass dabei die Zurichtungen der ¯inneren Natur® des Menschen den Umgang mit ¯äußerer Natur® prägen, ist in unterschiedlicher Weise in den letzten dreißig Jahren untersucht und nachgewiesen worden, so hat etwa Rudolf zur Lippe den frühneu- zeitlich beginnenden Prozess gezeigt, in dem »die äußere Natur zum Projektionsfeld der Unterdrückung von innerer« wird.4 Desgleichen aber wirkt diese äußere Natur auf die innere zurück. »In Wahrheit wird das Naturbild der gesellschaftlich bedingten Auffassung des Menschen nachgebildet und diese letztere dann, im Zirkel, wiederum aus dem Na- turbild erschlossen«, wie schon Franz Borkenau 1934 schreibt.5 Ich untersuche gesellschaftliche Naturverhältnisse als ¤ um es mit Norbert Elias zu sagen ¤ »Interdependenzgeflechte«,6 und damit auch die ¯äußere Natur® als historischen Prozess. Anders als die Zivilisations- theorie von Elias fasse ich den Prozess allerdings als qualitativen, dia- lektischen auf, nicht als strikt lineare »große Zivilisationskurve«, verlau- fend von weitgehender Unbefangenheit ¤ und desgleichen Desintegra- tion ¤ hin zu weitgehender Befangenheit ¤ und Integration (s.u.). Das bedeutet für mich genauer, die Zu- und Einschreibungen von ¯Geschlecht® in ihren historisch je unterschiedlichen Ausprägungen zu verfolgen. Naturorte werden damit abgebildet als »Topographien der Geschlechter« (Sigrid Weigel),7 etwa in der Konstruktion ¯weiblicher Wildnis® (Sabine Schülting)8 als der ¯Anderen®, der Bedrohung bzw. In- 4 Lippe, Rudolf zur: Naturbeherrschung am Menschen II. Geometrisierung des Menschen und Repräsentation des Privaten im französischen Absolu- tismus. Frankfurt/M: Syndikat 1979 (1914), S. 436 f. 5Borkenau, Franz: Der Übergang vom feudalen zum bürgerlichen Welt- bild, S. 304; zit. n. Lippe, a.a.O., S. 210f. 6 Vgl. Elias, Norbert: Über den Prozess der Zivilisation. Soziogenetische und psychogenetische Untersuchungen. Bd. 1: Wandlungen des Verhal- tens in der weltlichen Oberschicht des Abendlandes. Bd. 2: Wandlungen der Gesellschaft. Entwurf einer Theorie der Zivilisation. Frankfurt/M: Suhrkamp 199518 (Basel 1939). Im Folgenden zit. als PDZ 1 bzw. 2. 7 Vgl. Weigel, Sigrid: Topographien der Geschlechter. Kulturgeschichtliche Studien zur Literatur. Reinbek: Rowohlt 1990. 8. Schülting, Sabine: Wilde Frauen, fremde Welten. Kolonisierungsge- schichten aus Amerika. Reinbek: Rowohlt 1997 10 EINLEITUNG version männlich definierter Ordnung (Monika Wehrheim-Peuker),9 aber auch konträr in der Konstruktion ¯männlicher Wildnis® als ¯Eige- ner® innerhalb eines Musters, dieser männlichen Ordnung eine ¯kämpfe- rische Ewiggültigkeit®