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Ausbreitung von isoceles der Rheinebene an 34 Stellen nachge- in der südlichen Oberrheinebene wiesen, die sich auf 12 Messtischblätter (: ) (MTB25) verteilen. An mindestens acht dieser Fundorte war A. isoceles auch sicher Franz-Josef Schiel1 & Holger Hunger2 bis sehr wahrscheinlich bodenständig. Die Ergebnisse werden mit der landes- 1INULA, Turenneweg 9, D-77880 Sasbach und bundesweiten Bestandsentwicklung [email protected] verglichen und bezüglich eines mögli- 2INULA, Wilhelmstraße 8, D-79098 Freiburg chen Zusammenhangs mit der derzeitigen [email protected] Klimaerwärmung diskutiert.

Einleitung

Abstract Die Keilflecklibelle (Aeshna isoceles) (Abb. 1) pflanzt sich vorwiegend in som- Expansion of Aeshna isoceles into the merwarmen Stillgewässern mit ausge- southern part of the Upper Rhine valley prägter Röhricht-Verlandungszone fort. (Odonata: Aeshnidae) – We report an Außer in größeren Seen und Weihern apparent range expansion of A. isoceles mit breiten Uferröhrichten kommt die in the German part of a 150 km long sec- Art auch in sehr seichten Gewässern und tion of the Upper Rhine valley ranging Sümpfen vor (Höppner & Sternberg 2000, from Rastatt in the north to Basel in the Wildermuth & Martens 2014), die nach south. Only five records of this species eigenen Beobachtungen auch im Abstand are documented from the whole 20th mehrerer Jahre zeitweise trockenfallen century. Since 2006, however, the species können. In Baden-Württemberg zählte has been reported from 34 waters. Aeshna A. isoceles bis vor kurzem zu den selte- isoceles reproduced in at least eight of nen Arten, deren wenige Vorkommen these waters. We compare our data with sich bis zur Jahrtausendwende auf die the development in the German land of Rheinniederung zwischen Karlsruhe und Baden-Württemberg and in Germany and Mannheim einerseits sowie auf wär- discuss the findings shortly in the context mebegünstigte Bereiche des südlichen of current climate warming. Alpenvorlands andererseits beschränkten (Höppner & Sternberg 2000). Historische Nachweise lagen darüber hinaus aus Zusammenfassung dem Raum Stuttgart um 1900 und von Strohm aus dem Jahr 1922 vom süd- Wir berichten über eine starke lichen Oberrhein bei Weisweil vor Ausbreitung von Aeshna isoceles seit 2006 (Höppner & Sternberg 2000). Bis 2005 in die Rheinebene zwischen Rastatt und (Hunger et al. 2006) hatte sich an der Basel, von wo aus dem 20. Jahrhundert Verbreitungssituation von A. isoceles in lediglich fünf Nachweise dokumentiert der südlichen Oberrheinebene gegenüber sind. Seit 2006 wurde die Art innerhalb dem bei Höppner & Sternberg (2000) doku- dieses rund 150 km langen Abschnitts mentierten Stand nichts verändert und

37 Band 17 Mercuriale - Libellen in Baden-Württemberg 2017 eilflec k li b elle K der us b reitung : A eiträge B

Abb. 1: Ruhendes Männchen von Aeshna isoceles aus der Rheinebene. 25.05.2009, Foto: FJS.

es gab nach wie vor keine aktuellen Methodik Nachweise südlich von Rastatt. Wie sich in der Verbreitungskarte im Atlas der Die folgende Zusammenstellung ba- Libellen Deutschlands bereits andeutet siert im Wesentlichen auf eigenen (Lohr et al. 2015), wird die Art seit 2008 Beobachtungen im Rahmen verschiede- auch in zunehmender Häufigkeit wieder ner libellenkundlicher Aktivitäten sowie in der südlichen Oberrheinebene inner- auf der Auswertung von Nachweisen aus halb des Regierungsbezirks Freiburg nach- der SGL-Datenbank. Eine systematische gewiesen, was wir zum Anlass nehmen, Kartierung von Aeshna isoceles erfolgte den aktuellen Kenntnisstand zusammen- nicht. Neben den eigenen gehen Daten zufassen. von Willy Bühler, Peter Doyle, Birgit Frosch, Gerd Heinze, Daniel Küry, Peter

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Pfitzner, Martin Salcher sowie eines unbe- jüngste konkret zuzuordnende Nachweis kannten Erhebers in die Auswertung mit sich auf ein einzelnes Männchen bezieht, A : ein, dessen Meldung von Andreas Braun das Fritz Saumer (Datenbestand der SGL, us b reitung übermittelt wurde. mit Fotobeleg) am 19.07.1971 in einer Buschzone im Taubergießen (MTBQ 7712NW) beobachtete. Darüber hinaus

Ergebnisse gibt es in der aktuellen SGL-Datenbank der

dokumentierte Beobachtungen durch K

Aeshna isoceles wurde in der Rheinebene Elisabeth und Karl Westermann 1983 am eilflec k li b elle von Rastatt im Norden bis Merdingen Roßwert Leutesheim (7313SW) sowie des im Süden sowie – mit einer dazwischen WWF-Aueninstituts aus dem Jahr 1990 von liegenden Lücke von 48 km Luftlinie – einem Kieswerk in Lichtenau (7213NO) Basel zwischen 2006 und 2017 an 34 und einem Altrhein in Söllingen (7214NW), Stellen nachgewiesen, die sich auf 12 die bei Höppner & Sternberg (2000) nicht Messtischblätter verteilen (Tab. 1, berücksichtigt worden waren. Trotz Abb. 2). Von zehn dieser Fundorte lie- relativ intensiver Erhebungen – z.B. im gen Nachweise von oder Hinweise auf Rahmen verschiedener Diplomarbeiten – zumindest zeitweise – Bodenständigkeit (z.B. Hunger 1998a,b, Rademacher 1998a,b, anhand von Exuvienfunden, wiederhol- Schiel 1998a,b) während der 1990er ten Beobachtungen über mehrere Jahre Jahre gab es keinerlei Nachweise der und/oder Eiablagebeobachtungen vor. An auffälligen und daher wohl kaum über- 15 Stellen handelt es sich lediglich um sehenen Keilflecklibelle südlich Rastatt, Be­obachtungen einzelner patrouillierender obwohl geeignet erscheinende Gewässer Männchen ohne Fortpflanzungshinweise. mit hinreichend breiten Uferröhrichten vorhanden waren; rund ein Drittel der aktu- ellen Fundgewässer waren in den Jahren Diskussion 1994 und 1995 im Rahmen der oben ange- führten Diplomarbeiten mit untersucht Bereits in der ersten libellenkundlichen worden. Aus den beiden Fundgewässern Dokumentation für Baden (Fischer 1850) auf Gemarkung Meißenheim liegen wird A. iscoceles erwähnt: "Mannheim, durchgehende Datenreihen seit 1987 mit Karlsruhe... selten." Diese Angabe deckt jeweils mindestens zwei Begehungen zur sich mit den Fundkarten aus libellenkund- Schlupf-/Flugzeit von A. isoceles vor (Schiel lich aktiveren Zeiten (Höppner & Sternberg et al. 1997, Mauersberger et al. 2003, unpu- 2000, Hunger et al. 2006), die ein durch- blizierte eigene Daten), ohne dass dort gehendes Auftreten der Art von Rastatt jemals eine Exuvie der Art gefunden oder bis Mannheim und das weitestgehende eine Imago beobachtet worden wäre. Es Fehlen in der sich südlich anschließenden ist zwar unwahrscheinlich, jedoch nicht Oberrheinebene zeigen. vollständig ausgeschlossen, dass die Art Bei Höppner & Sternberg (2000) wird die auch in der südlichen Hälfte der baden- Art für den Zeitraum zwischen 1901 und württembergischen Oberrheinebene kon- 1979 lediglich von drei Messtischblättern tinuierlich vorkam, weil sie in unmittel- (7712, 7812, 7911) innerhalb der südlichen barer Nähe der Fundorte von F. Saumer Oberrheinebene gemeldet, von denen der aus dem Jahr 1971 im Taubergießen-Gebiet

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Tab. 1: Aktuelle Nachweise (Zeitraum 2006 bis 2017) von Aeshna isoceles in der Oberrheinebene zwi- schen Rastatt und Basel. Es bedeuten: MTBQ = Messtischblatt-Quadrant; B = Beobachtung von vorwie- gend patrouillierenden Männchen, Ex = Exuvien, E = Eiablage. eilflec k li b elle

K Fundort MTBQ Fundjahre Nachweise Erheber der

Rheinseitengraben N Rheinfähre Greffern 7213NO 2015 B FJS Rubenkopfkehle Helmlingen 7213SO 2010 B FJS Altarm im Schollengrund, Stollhofen 7214NW 2015 B FJS Roßwert Altwasser Süd Leutesheim 7313SW 2012 B, Ex FJS us b reitung Baggersee "Mittelgrund" Leutesheim 7313SW 2012 B FJS : A Roßwert Baggersee, Leutesheim 7313SW 2012 B Braun A Ersatzgewässer Altenheim 7512NO 2012 B FJS eiträge

B Helle Kehle Meißenheim 7512SO 2015 Ex FJS Hüttenwasser Meißenheim 7512SO 2016 Ex FJS Angelsee Ichenheim 7512SO 2017 B, Ex FJS Kiesteich SW Ottenheim 7612NW 2015-2017 B, Ex FJS, Pfitzner P Kiesgrube beim Sportplatz Wittenweier 7612SO 2017 B FJS Elz-Altarm 7612SO 2017 B FJS Schlute Elzkopf 7612SW 2008-2017 Ex FJS, HH Rheinseitengraben 7711SO 2012 B Salcher M Flache Schlut am Alten Großkopfweg 7711SO 2012 B HH, Salcher M Schlute Blauwasser 7712NW 2008-2017 B FJS, HH Teichanlage Ettenheimweiler 7712SO 2015 B Heinze G Unterer Hackgraben NSG Elzwiesen 7712SW 2011 B HH Breitgießen Ostteil 7712SW 2012 B,E Salcher M Kleingewässer nördl. Quelltopf Burkheim 7811SO 2012 B Salcher M Baggersee W Teningen 7812SO 2013 B Doyle P Kalmus-See Teningen 7812SO 2017 B FJS Altarm Waldlochschlut / Jägerhofgießen 7911NO 2012 B HH Entenlochwinkel Ostteil 7911NW 2012 B HH Entenlochwinkel Westteil 7911NW 2012 B HH Altrheinarmende S Rappennest 7911NW 2012 B HH Bach bei NSG Mooswald, Seematten 7912NO 2012 B Bühler W Wiesengraben bei Nimburg 7912NO 2014 B Bühler W Teich und Tümpel N B31 7912NW 2014 B Bühler W Angelsee im Murr W Gottenheim 7912NW 2008-2017 B, Ex Bühler W Hochwasserrinne Gottenheim 7912SW 2010 B, Ex Bühler W Panzergraben Merdingen 7912SW 2013-2014 B, Ex HH, Bühler W Kiesgrube bei Weil am Rhein 8411NO 2011-2013 B Frosch B, Küry D

40 Band 17 Mercuriale - Libellen in Baden-Württemberg 2017 B eiträge : A : us b reitung

der K eilflec k li b elle

Abb. 2: Verteilung der Fundorte von Aeshna isoceles in der Oberrheinebene seit 2006. Es bedeuten: schwarze Quadrate = Nachweiszeitraum 2006-2010, graue Kreise = Nachweiszeitraum 2011-2015, weiße Dreiecke = Nachweiszeitraum 2016 / 2017. In den hellgrau hinterlegten Quadranten gab es im Zeitraum zwischen 1970 und 1990 einzelne Nachweise.

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bzw. von E. & K. Westermann aus dem gemeldet worden als im Zeitraum zwi- Jahr 1983 am Roßwert in Leutesheim in schen 1970 und 2005; bei derzeitig unbe- den Jahren 2008 und 2012 jeweils sicher stätigten Quadranten innerhalb der eilflec k li b elle bodenständig gefunden wurde. Kerngebiete der Art in Alpenvorland und K Mit Sicherheit hat A. isoceles sich aber nördlicher Oberrheinebene fehlen wahr- der in der südlichen Oberrheinebene seit scheinlich lediglich aktuelle Kartierdaten. 2006 sehr deutlich ausgebreitet oder ihr Insbesondere im Hauptnaturraum Areal verdichtet; dieser Befund korres- Neckar-Tauberland-Hochrhein, aus dem pondiert mit Daten aus der elsässischen ein historischer Nachweis aus 1900 von us b reitung Rheinebene, wo die Art bis 2010 extrem Höpfigheim nördlich Stuttgart (Höppner & : A selten beobachtet worden war, nach 2010 Sternberg 2000) vorlag, scheint sich die Art jedoch auf 25 Messtischblattquadranten nach ihrer Wiederentdeckung 2000 durch

eiträge nachgewiesen wurde und eindeutig häufi- J. Mayer (Hunger et al. 2006) mittlerweile B ger geworden ist (Association IMAGO 2016; fest etabliert zu haben. Salcher (2007) über den Link im Literaturverzeichnis suchte 2006 im Landkreis Konstanz gezielt lässt sich ein Atlas im pdf-Format mit nach der Keilflecklibelle, um zu über- Verknüpfungen zu den jeweils aktuellen prüfen, ob das in der Verbreitungskarte Nachweiskarten aufrufen). Aufgrund der bei Hunger et al. (2006) auffallende dort verzeichneten Nachweise lässt sich Fehlen aktueller Nachweise an zahlrei- auch feststellen, dass es linksrheinisch chen älteren Fundgewässern auf feh- (etwa auf Höhe der MTB 8111 und 8311) lenden Kontrollen oder auf einem tat- Nachweise von A. isoceles gibt, welche die sächlichen Rückgang beruhte. Er konnte 48 km Luftlinie lange Nachweislücke auf zwar die meisten älteren Vorkommen der baden-württembergischen Seite über- auf MTB 8220 bestätigen, hielt aber fest, brücken und die Verbindung zum in dieser dass die Art „an anderen Gewässern des Arbeit genannten Vorkommen in einer MTB 8118 Engen, die 2006 zum ersten Kiesgrube bei Weil am Rhein sowie weite- Mal auf ein Vorkommen dieser Art hin ren Vorkommen auf Schweizer Seite rund untersucht wurden“, nicht nachgewiesen um Basel (CSCF 2018) herstellen. Die baden- werden konnte und dass auf dem Blatt württembergischen Oberrheinebene zwi- 8219 Singen, von dem ältere Nachweise schen Breisach und Basel ist von star- (ab 1980) von fünf Gewässern vorlagen, ken Grundwasserabsenkungen aufgrund lediglich ein Nachweis gelang. Interessant der Tullaschen Rheinkorrektion betroffen ist auch seine Feststellung, dass die Art (u.a. Tittizer & Krebs 1996) und wird zu in seinem Untersuchungsgebiet, „wie großen Teilen von der an naturnahen bereits bei Höppner & Sternberg (2000) Stillgewässern armen „Trockenaue“ ein- angegeben, eine hohe Affinität zu genommen, wo sich kaum Gewässer fin- Schneidröhricht (Cladietum marisci)“ den, die für die Keilflecklibelle geeignet besitzt, einer Pflanzengesellschaft, die sind. als Reliktgesellschaft der postglazialen Die Zunahme betrifft nicht nur die südli- Wärmezeit gilt (Wilmanns 1998). che Oberrheinebene, sondern ganz Baden- Bundesweit konstatieren Lohr et al. Württemberg (Abb. 3). So ist die Art seit (2015) bei einer insgesamt lückigen 2006 in allen Hauptnaturräumen in einer Besiedlung „vom Alpenrand bis zu den höheren Zahl an Messtischblattquadranten Küsten“ eine regional unterschiedliche

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der K eilflec k li b elle

Abb. 3: Aktuelle Rasterkarte (Messtischblattquadranten) von Aeshna isoceles in Baden-Württemberg auf Grundlage von Daten der SGL. Es bedeuten: grau hinterlegte Rasterfelder = Nachweiszeitraum 1971-2005, schwarze Schraffur = Nachweiszeitraum 2006-2017, rote Punkte = Nachweise am südlichen Oberrhein gemäß Tab. 1 und Abb. 2 in dieser Arbeit; ein Teil dieser Daten wurde noch nicht in die SGL- Datenbank eingegeben.

Bestandsentwicklung mit Rückgängen Roten Liste (Ott et al. 2015) wird die im atlantisch geprägten Nordwesten zuvor bundesweit (Ott & Piper 1998) und einer deutlichen Zunahme der (ebenso wie in der aktuellen Roten Liste Rasterfrequenz im kontinentaler gepräg- Baden-Württembergs, Hunger & Schiel ten Osten. In der neuen deutschen 2006) als „stark gefährdet“ eingestufte

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Keilflecklibelle nunmehr als „ungefähr- fach in der nordbadischen Rheinebene det“ geführt, was folgendermaßen kom- zu beobachten war. Hierdurch kam es mentiert wird: „Meist handelt es sich zum – zumindest zeitweiligen – Erlöschen eilflec k li b elle bei den „Gewinnern“ um Arten, die in mehrerer A. isoceles-Populationen (eigene K irgendeiner Form vom Klimawandel profi- Daten). der tieren, z.B. thermophile Arten oder Arten Darüber hinaus stellt sich die astatischer Gewässer wie Aeshna isoceles Frage, weshalb sich die Art in der und Lestes barbarus.“ Aus baden-württem- Oberrheinebene erst in jüngster Zeit bergischer Sicht halten wir eine solche von Nord nach Süd ausgebreitet hat. us b reitung Aussage für zu pauschal oder zumindest Südlich Karlsruhe war der Rhein vor : A nicht ausreichend belegt. seiner Begradigung, Schiffbarmachung In den Niederlanden, Dänemark und und seines abschnittsweisen Aufstaus

eiträge Großbritannien ist A. isoceles in jün- zur Elektrizitätsgewinnung im 19. und B gerer Vergangenheit auch häufiger 20.Jahrhundert bei einem Gefälle von geworden (Kalkman et al. 2015). Auch 0,07 % ein sehr dynamischer Wildfluss in England (Pickwell et al. 2012) hat sie mit zahlreichen Armen und starkem sich zwischen 1970 und 2009 deutlich Geschiebe (z.B. Tittizer & Krebs 1996). ausgebreitet, und zwar in vorwiegend Deshalb gab es in diesem Abschnitt sicher südwestlicher Richtung. Als Gründe für ursprünglich kaum größere Altwasser mit die Ausbreitung nehmen die Autoren breiten Röhrichten, wie sie von A. iso- eine Kombination der folgenden drei celes als Lebensräume benötigt wer- Faktoren an: Habitatwiederherstellungen den. Ab Rastatt ging die Furkationszone und -aufwertungen, Verbesserungen des Rheins bei geringerem Gefälle von der Wasserqualität und bessere durchschnittlich nur noch 0,01 % in eine Datengrundlagen aufgrund erhöh- weniger dynamische Mäanderzone über ter Beobachteraktivitäten. Klimatische (Tittizer & Krebs 1996), in der es sicher- Gründe werden nicht als mögliche Ursache lich in größerer Ausdehnung geeignete genannt. Dennoch lässt sich die offen- Entwicklungsgewässer für die Art gab. sichtliche Vergrößerung und Verdichtung Dies könnte die historische Verbreitung ihres Areals wohl am schlüssigsten mit von A. isoceles erklären. Es bleibt aber Auswirkungen des Klimawandels in auch dann rätselhaft, warum die Art sich Zusammenhang bringen. Ob direkte oder nach der Rheinkorrektion nicht weiter indirekte Effekte maßgeblich sind, müsste ausbreiten konnte und dies erst in den näher untersucht werden. So könnten letzten Jahren geschah, obwohl südlich wärmere und trockenere Sommer den Rastatt die Gewässer mit geeigneten Reproduktionserfolg und die Ausbreitung Strukturen bereits vorhanden waren. An fördern und mildere Winter das Überleben den Lufttemperaturen kann dies kaum der Larven in bisher zu kalten Gewässern gelegen haben. Möglicherweise sind die erlauben. Der Klimawandel bringt ande- Stillgewässer in der Aue im Süden stär- rerseits ausbleibende oder sehr ungleich ker durch Grundwasser geprägt als jene übers Jahr verteilte Niederschläge und in weiter nördlich und waren erst nach der Folge häufigeres Trockenfallen seich- Erhöhung der Durchschnittstemperaturen terer Entwicklungsgewässer mit sich, zur Entwicklung geeignet? wie es in den vergangenen Jahren mehr- Es bleibt jedoch festzuhalten, dass auf

44 Band 17 Mercuriale - Libellen in Baden-Württemberg 2017 B eiträge die Keilflecklibelle weiterhin geachtet und der Naturräume, Stand November 2005 alle Funddaten an die SGL gemeldet wer- (Odonata). Libellula Supplement 7: 3-14. A : den sollten. Anhand einer verbesserten Hunger, H., F.-J.Schiel & B. Kunz (2006): us b reitung Datenbasis aus einem längeren Zeitraum Verbreitung und Phänologie der Libellen können im Anschluss fundierte Analysen Baden-Württembergs. – Libellula versucht werden. Supplement 7: 15-188.

Kalkman, V.J., L.L. Iversen & E. Nielsen der

(2015): Aeshna isoceles (Müller, 1767). K

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45 Band 17 Mercuriale - Libellen in Baden-Württemberg 2017

Untersuchungen zur Habitatpräferenz der Fledermaus-Azurjungfer (Coen- agrion pulchellum). Naturschutz am eilflec k li b elle südlichen Oberrhein 2: 119-128. K Salcher, M. (2007): Bestandsänderungen der von Aeshna isoceles, Anax parthenope und Libellula fulva an Gewässern im Landkreis Konstanz. Mercuriale 7: 4-7. Schiel, F.-J., M. Rademacher, A. Heitz & us b reitung S. Heitz (1997): Leucorrhinia caudalis : A (Charpentier) (Anisoptera: Libellulidae) in der mittleren Oberrheinebene

eiträge – Habitat, Bestandsentwicklung, B Gefährdung. Libellula 16: 85 -110. Schiel, F.-J. (1998a): Zur Habitatbindung des Großen Granatauges (Erythromma najas Hansemann 1823) am südlichen Oberrhein. Naturschutz am südlichen Oberrhein 2: 129-138. Schiel, F.-J. (1998b): Zur Habitatbindung der Becher-Azurjungfer (Enallagma cya- thigerum Charpentier 1840) am südli- chen Oberrhein. Naturschutz am südli- chen Oberrhein 2: 139-147. Tittizer, T. & F. Krebs (Hrsg.) (1996): Ökosystemforschung: Der Rhein und seine Auen – eine Bilanz. Springer, Berlin u.a. Wildermuth, H. & A. Martens (2014): Taschenlexikon der Libellen Europas – Alle Arten von den Azoren bis zum Ural im Porträt. Quelle & Meyer, Wiebelsheim. Wilmanns, O. (1998): Ökologische Pflan- zensoziologie – Eine Einführung in die Vegetation Mitteleuropas. 6., neu bearbeitete Auflage, Quelle & Meyer, Wiesbaden.

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