Fossile Brachiopoden Aus Der Sammlung Von Johann Jakob Scheuchzer (1672-1733) Auf Dem Hintergrund Der Frühneuzeitlichen Paläontologie
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Fossile Brachiopoden aus der Sammlung von Johann Jakob Scheuchzer (1672-1733) auf dem Hintergrund der frühneuzeitlichen Paläontologie Autor(en): Leu, Urs B. / Sulser, Heinz Objekttyp: Article Zeitschrift: Eclogae Geologicae Helvetiae Band (Jahr): 93 (2000) Heft 3 PDF erstellt am: 05.10.2021 Persistenter Link: http://doi.org/10.5169/seals-168839 Nutzungsbedingungen Die ETH-Bibliothek ist Anbieterin der digitalisierten Zeitschriften. Sie besitzt keine Urheberrechte an den Inhalten der Zeitschriften. Die Rechte liegen in der Regel bei den Herausgebern. Die auf der Plattform e-periodica veröffentlichten Dokumente stehen für nicht-kommerzielle Zwecke in Lehre und Forschung sowie für die private Nutzung frei zur Verfügung. Einzelne Dateien oder Ausdrucke aus diesem Angebot können zusammen mit diesen Nutzungsbedingungen und den korrekten Herkunftsbezeichnungen weitergegeben werden. 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Leu1 & Heinz Sulser2 Key words: Brachiopods. Joh. Jak. Scheuchzer. fossil collection, history of science Schlüsselwörter: Brachiopoden. Joh. Jak. Scheuchzer. lossilicnsammlung. Wissenschaftsgeschichte ZUSAMMENFASSUNG SUMMARY Die fossilen Brachiopoden aus der Sammlung von Johann Jakob Scheuchzer The fossil brachiopods from the collection of Johann Jakob Scheuchzer (1672- (1672-1733). in der sich die ältesten bekannten, noch vorhandenen Belegstücke 1733) were examined. This collection contains Ihe oldest known specimens zu Abbildungen befinden, wurden gesichtet. Dabei ergab sieh, dass die which are related to published reproductions. Il could be shown that most of Brachiopoden zum grössten Teil aus dem Malm und Dogger des nordöstlichen these brachiopods come from the Upper and Middle Jurassic of the northeastern und aus der Unterkreide des westlichen Schweizer Jura stammen und auch and the Lower Cretaceous of the western Jura Mountains of Switzerland. paläozoische Arten aus dem Perm und Devon der deutsehen Mittelgebirge Paleozoic species of Permian and Devonian age from the middle part of Ger- gut vertreten sind. Von den neun abgebildeten Brachiopoden in Scheuchzers manv are also well represented. From the nine brachiopods which Scheuchzer Werken konnten aufgrund der äusseren Morphologie fünf den Originalen illustrated in his works, five could be assigned to the original fossils and zugeordnet und bestimmt werden. Anhand seiner Beschreibungen und Interpretationen determined, based on external morphology. By considering the descriptions and wird deutlieh, dass Scheuchzer ein hervorragender Beobachter war interpretations of Scheuchzer's texts it became evident that he was an excellent und das palaonlologische Wissen, auch dasjenige über die Brachiopoden, observer and enriched the paleontological knowledge of his time, also in the bereicherte. Um dies /u verdeutlichen, werden seine Ergebnisse auf dem Hintergrund field of the brachiopods. To demonstrate this his results were placed in Ihe der frühneuzeitlichen Brachiopoden-Forschung beleuchtet. context of the brachiopod research of Ihe early modern period. 1. Einleitung Der Zürcher Arzt, Naturforscher und Universalgelehrte urteilte (dt. 1750. S. 112): «Dieser Schriftsteller hat mehr, als Johann Jakob Scheuchzer ging als Vater der Paläobotanik alle andere, den Fehler gehabt, die Naturlehre mit der Theologie (Mägdefrau 1992. S. 313-316) sowie als Bahnbrecher für das zu vermischen, und ohnerachtet er uns einige gute Verständnis eines organischen Ursprungs der Fossilien in die Beobachtungen mitgetheilet hat. so ist gleichwol der systematische Geschichte der Erdwissenschaften ein. Während seines ganzen Theil seiner Werke noch schlechter, als aller derer, die vor ihm Forscherlebens beschäftigte er sich mit paläontologischen gewesen sind. Er hat so gar hin und wieder Predigten und Fragestellungen und legte im Zeitraum von 1697-1733 verschiedene einen abgeschmackten Spaß ueber diese Materie angestellet. wichtige Arbeiten vor. Die Nachwelt mass ihn fälschlicherweise Man sehe die Klagen der Fische, piscium querelae etc. ohne immer wieder an seinem berühmten. 1726 publizierten von seinem großen Buche in verschiedenen Baenden in folio Irrtum: der Identifikation eines fossilen Riesensalamanders zu reden, das den Titel fuehret: Physica sacra, welches ein (Andrias scheuchzeri) mit dem Skelett eines in der Sintflut kindisches Werk ist. das nicht so wol geschrieben zu seyn scheint, ertrunkenen Menschen. Sein Biblizismus schliesslich war den erwachsene Personen zu beschaefftigen. als Kinder, durch französischen und deutschen Aufklärern ein Dorn im Auge, Kupferstiche und Bilder, die mit Fleiß und ohne Nothwendig- weshalb Georges Louis Leclerc. Comte de Buffon, im 1749 keit darinn angehaeufet sind, zum Zeitvertreibe zu belustigen.» erschienenen ersten Band seiner «Histoire Naturelle» über ihn Auf diesem «aufgeklärten» Hintergrund blieben Zentralbibliothek Zürich. Zähringerplatz 6. CH-X025 Zürich. Switzerland Paläontologisches Institut und Museum der Universität Zürich. Karl Schmid-Str. 4. CH-X006 Zürich. Switzerland Brachiopoden aus der Scheuchzer-Sammlung und die frühneuzeitliche Paläontologie 517 Scheuchzers wahre paläontologischen Leistungen (Leu 1999) vatmuseums. Erstaunlicherweise finden sich in beiden sowie die Qualität seiner naturwissenschaftlichen Arbeiten Verzeichnissen keine Hinweise auf seine beiden Handstücke von (Fischer 1972) vielfach unerkannt. Andrias scheuchzeri (Leu 1999. S. 39-41). weshalb davon Auch in der Geschichte der Brachiopoden-Forschung ausgegangen werden muss, dass er noch mehr Fossilien besass. wiederspiegelt sich dieses negative Urteil, wenn Leopold von Die Sammlung wird heute im Paläontologischen Institut und Buch in seinem Werk «Über Terebrateln» (1834, S. 5) über ihn Museum der Universität Zürich (Pimi /) aufbewahrt und schrieb: «Johann Jacob Scheuchzer. ein fleissiger Zusammentrager. besteht aus etwa 1400 Schachteln, die ein oder mehrere Fossilien dem aber nicht viel Eigenthümliches gegeben war. beinhalten. Etwa 100 dieser Behältnisse beherbergen Brachiopoden. vertraute sich ganz der Führung von Lange und verbreitete seine Diese liegen einerseits als Einzelstücke. andererseits in Meinungen und seine Ansichten durch Deutschland.» Abgesehen mehreren gleichartigen Individuen oder auch eingebettei in davon, dass der Luzerner Arzt und Naturforscher Karl Gesteinsbrocken vor. Eine Bearbeitung aller Objekte isl Nikolaus Lang und Scheuchzer geistige Antagonisten waren und wegen der lückenhaften Dokumentation nicht möglich. letzterer auch in der Erforschung der Brachiopoden andere Fundortangaben fehlen zumeist oder sind nicht eindeutig, und für Wege ging als Lang, beweist von Buch im zitierten Werk irgendwelche Hinweise stratigraphischer Art war wegen der selber, dass dem Zürcher offenbar doch mehr «Eigenthümliches fehlenden geologischen Grundlagen die Zeit noch nicht reif. gegeben war», als er wahrhaben wollte. Der erste Satz seines Ohne diese Basisdaten würde auch die Untersuchung der bei Terebrateln-Buches lautet nämlich: «Nicht ohne Geist hat man Brachiopoden diagnostisch so wichtigen inneren Strukturen die Muscheln, welche in Gesteinschichten umhüllt liegen, mit nicht immer zu sicheren Bestimmungen führen. Im Hinblick alten Münzen verglichen. Diese bestimmen oft mit grösster auf das gesamte Sammlungsgut beschränkten wir uns daher Sicherheit das Dasein und die Lage von Städten und Landschaften, auf einen allgemein gehaltenen Kommentar. sie unterrichten über Sitten und Gebräuche, über ungeah- Zu den hauptsächlichen Herkunftsgebieten der nete Verbindung der Länder: sie individualisiren einzelne Sammlungsstücke zählt der argovisch-schwäbische Weissjura, worauf Punkte im gleichförmig scheinenden Strome der Zeiten durch auch die häufigen Fundortangaben «Lägerberg/Randen», Vorführung von Helden und Königen, und durch diese wieder im Text oft nebeneinander erwähnt, hindeuten. Unter den erhalten wir nicht selten die, ohne sie wenig gekannte Terebratuliden befinden sich Arten der Gattungen Loboidothyris chronologische Folge der Begebenheiten.» Wenige Seiten später (S. Buckman (neuer Gattungsname pro parte: Colosia Cooper), 22) wiederholt von Buch den Vergleich von Fossilien mit antiken Nucleina Qt'LNSTEDT und der terebratelliden. kleinwüchsigen Münzen als historisch-chronologische Quellen: «Ohne Zittelina Rollier, unter den Rhynchonelliden sind es solche ihre [der Terebrateln] Abdrücke in den älteren Gesteinschichten von Lacunosella Wisniewska und Monticlarella Wisniewska, würden uns die merkwürdigen, für die Entwickelung der wohl bekannte und verbreitete Brachiopodengattungen der Kenntniss der Brachiopoden so nothwendigen Geschlechter Badener-Schichten