Die Rettung Der Metropolitan Opera Eine Sendung Von Katharina Eickhoff
Total Page:16
File Type:pdf, Size:1020Kb
SWR2 Klassiker Die Rettung der Metropolitan Opera Eine Sendung von Katharina Eickhoff Sendung: Dienstag, 30. März 2021, 20.05 Uhr Redaktion: Bernd Künzig SWR2 können Sie auch im SWR2 Webradio unter www.SWR2.de und auf Mobilgeräten in der SWR2 App oder als Podcast hören: Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. Kennen Sie schon das Serviceangebot des Kulturradios SWR2? Mit der kostenlosen SWR2 Kulturkarte können Sie zu ermäßigten Eintrittspreisen Veranstaltungen des SWR2 und seiner vielen Kulturpartner im Sendegebiet besuchen. Mit dem Infoheft SWR2 Kulturservice sind Sie stets über SWR2 und die zahlreichen Veranstaltungen im SWR2-Kulturpartner-Netz informiert. Jetzt anmelden unter 07221/300 200 oder swr2.de Die SWR2 App für Android und iOS Hören Sie das SWR2 Programm, wann und wo Sie wollen. Jederzeit live oder zeitversetzt, online oder offline. Alle Sendung stehen mindestens sieben Tage lang zum Nachhören bereit. Nutzen Sie die neuen Funktionen der SWR2 App: abonnieren, offline hören, stöbern, meistgehört, Themenbereiche, Empfehlungen, Entdeckungen … Kostenlos herunterladen: www.swr2.de/app …Heute mit Katharina Eickhoff – und einem Besuch in einem der berühmtesten Opernhäuser der Welt: der Metropolitan Opera in New York. So ein Opernabend in der MET gehört im Moment zu den Dingen, von denen wir in der unsanften Corona-Realität nur träumen können. Das Haus hat pandemiebedingt bis auf Weiteres den Betrieb eingestellt – zum ersten mal in seiner Geschichte. Und die Mitarbeitenden, die seit Monaten ohne Gehalt sind, müssen sich auf radikale Lohnkürzungen einstellen, wenn überhaupt wieder aufgemacht werden soll. Vor neunzig Jahren wären die Lichter der MET beinahe schon mal ausgegangen – aber damals waren es die Sängerinnen und Sänger, die das Haus gerettet haben. Am 24. Oktober 1929 eröffnet die Metropolitan Opera glanzvoll ihre neue Spielzeit und - freut sich auf einen Rekord: Dank der spendablen Abonnentinnen und Aktionäre und dem enormen Publikumszuspruch kann man schon im Voraus sagen, dass das Haus in dieser Saison die höchsten Einnahmen seit seiner Gründung einfahren wird. Oder sagen wir besser: einfahren sollte. Am selben 24. Oktober 1929 nämlich bricht an der Börse Panik aus, und in den dann folgenden Tagen fällt das weltweite Finanzmarktsystem in sich zusammen. Die Wirtschaftskrise setzt mit Verzögerung ein, aber dann rollt sie wie ein Tsunami auch über die MET hinweg. Die lebte ja bis dahin von den Geldern jener reichen Leute, die bis eben noch den „Diamond Horseshoe“, das von Diamanten glitzernde Halbrund der teuren Logen im Opernhaus bevölkert haben, und die jetzt mit ihren wertlosen Geldscheinen nur noch die Villen tapezieren können, die ihnen schon bald nicht mehr gehören werden… Luigi Arditi, “Il Bacio”, Konzertwalzer – 1‘ Lucrezia Bori, Sopran Die hier im Jahr 1927 so fröhlich den Kuss-Walzer zwitschert, das ist Lucrezia Bori – die spanische Sopranistin ist seit Carusos Zeiten eines der Zugpferde der Metropolitan Opera, aber ihre ganz große Stunde schlägt in den Jahren der Krise, als der MET das Geld ausgeht und die Bori zur begnadeten Spenden-Eintreiberin wird: Der „Freundeskreis der MET“ wird unter ihrer tatkräftigen Hilfe ins Leben gerufen, und zusammen mit anderen Sängerinnen und Sängern gründet sie ein „Komitee zur Rettung der Metropolitan Opera“. Dessen Mitglieder sind ständig bei der NBC auf Sendung, Lucrezia Bori selbst verteilt Flyer und schreibt Briefe an mögliche Wohltäter, hält nonstop flammende Reden mit Spendenaufrufen und kleinen Gesangseinlagen, und organisiert Benefizkonzerte, bei denen Superstars wie Rosa Ponselle und Lauritz Melchior Apachen-Tänze und andere Zirkuskunststücke aufführen. Mit dieser gemeinsamen Anstrengung treiben die leidenschaftlichen Sänger und Sammler tatsächlich mehrere hunderttausend Dollar ein, - das Weiterspielen ist fürs Erste gesichert, und Rosa Ponselle kann mit ihrer Jahrhundert-Stimme weiterhin als „Norma“ über die Bühne schweben und ihr Publikum in Trance singen: Vincenzo Bellini, Norma „Casta Diva“ - 4‘47 Rosa Ponselle, Sopran Rosa Ponselle 1928 als Bellinis Norma – die „Casta Diva“-Arie war eins ihrer Paradestücke... William James Henderson, damals der bedeutendste New Yorker Opernkritiker, schreibt nach Rosa Ponselles allererstem Auftritt als einundzwanzigjährige Opern-Novizin an der Metropolitan Opera in seinem Bericht für die New York Sun: „Die Oper hat in Rosa Ponselle 2 einen dramatischen Sopran von glänzenden Gaben. Es ist eine der üppigsten dramatischen Stimmen, die ich gehört habe. Sicher wird sie eines Tages auch noch lernen, wie man singt.“ Nun ja, sie hat es gelernt, wie man eben in dieser Aufnahme von 1928 hören konnte, auch wenn sie immer Angst vor den ganz hohen Tönen hat und deshalb zum Beispiel bei ihren legendären Auftritten als Norma den Kammerton im Orchester von 440 auf 435 Herz runterstimmen lässt – was in Wahrheit gar keinen so großen Unterschied macht, aber für Rosa Ponselle, die immer unter panischer Auftrittsangst gelitten hat, war es offenbar ein beruhigendes Gefühl. Rosa Ponselle hat mit ihrer einzigartigen, auch im tiefen Register herrlich vollen Stimme fast zwanzig Jahre lang völlig zu Recht unvorstellbare Triumphe gefeiert an der Metropolitan Opera - bis sie sich 1935 mit all ihrer beträchtlichen Leidenschaft in die Rolle der Carmen stürzt und dafür eine schallende Ohrfeige kassiert. Nicht vom Publikum, wohlgemerkt, sondern von der Kritik… Georges Bizet, Carmen, 0‘30 „Près des remparts de Séville” Rosa Ponselle, Sopran Orchester der Metropolitan Opera, LTG Gennaro Papi Die Besprechung der „Carmen“-Premiere durch den Kritikerpapst Olin Downes vom 28. Dezember 1935 kann man heute noch im Online-Archiv der New York Times nachlesen – es ist eine frauenverachtende, respektlose Hinrichtung. „Nie, heißt es da, „haben wir Miss Ponselle so schlecht singen hören. Es scheint als habe sie um jeden Preis auf Tonqualität, Intonation und vokalen Stil verzichtet, um stattdessen „dramatisch“ zu sein.“ Sie habe, behauptet Downes, sich über Takt und Rhythmus hinweggesetzt, nur um sich als Schauspielerin zu profilieren, die sie als Sängerin ja nun mal nicht sei, tanzen könne sie auch nicht– und die Kritik gipfelt dann in der unappetitlich misogynen Feststellung, dass die Frau ja im Vorfeld ein paar Kilo abgespeckt hätte und insofern wenigstens optisch ein bisschen was hergemacht hätte…Und das über Rosa Ponselle, eine der allezeit schönsten Frauen, die je an der MET gesungen haben. Der Mitschnitt einer dieser Aufführungen bestätigt Downes insofern, als die Ponselle hier tatsächlich mit einer anderen, nicht, ihrer Rosa-Ponselle-Stimme, singt. Aber die Publikumsreaktionen legen nahe, dass die Ponselle als grandiose Sängerschauspielerin einfach nur ihrer Zeit um Jahrzehnte voraus war und eine riskant expressive Interpretation der Carmen geliefert hat, auch wenn das auf Kosten der Stimmschönheit ging – sie war eben nicht umsonst das große, das einzige Vorbild für Maria Callas. Georges Bizet, Carmen “Les tringles des sistres tintaient” – 3’20 Rosa Ponselle, Thelma Votipka, Helen Olheim Orchester der Metropolitan Opera, LTG Gennaro Papi „Carmen“ ist dann das Ende von Rosa Ponselles Karriere – die brutalen Kritiken haben sie damals derart verletzt, dass sie sich Knall auf Fall ins Privatleben zurückgezogen hat. Aber sie hat Spuren hinterlassen - Burt Lancaster zum Beispiel hat sich, als alter Hollywood- Veteran, an seine Anfänge in New York in jenen Zeiten der Wirtschaftskrise erinnert: „Als Student in New York City hatte ich einen Stehplatz, um Rosa Ponselles „Carmen“ zu hören….Es war ihre stimmliche Kunst und ihr interpretatorisches Genie als singende Darstellerin, die eine immerwährende Inspiration für mich als Schauspieler waren.“ 3 In die Glanzzeit von Rosa Ponselle fällt auch die ganz große mediale Revolution an der MET, - am ersten Weihnachtstag 1931 kommt sie über die beglückten Opernfans in ganz Amerika, und diese Neuerung entpuppt sich als ein ungeheures Geschenk für die von der Depression niedergedrückten, sorgenvollen Amerikaner, sie vervielfacht den Ruhm der Metropolitan Opera im ganzen Land: Die Oper, die in der Wirtschaftskrise Geld braucht, verkauft die Rechte zur regelmäßigen Radio-Übertragung an die Rundfunkgesellschaft NBC. Und mit Rosa Ponselle als „Norma“ beginnt dann eines schönen Samstagnachmittags das, was als „Saturday afternoons at the Metropolitan“ in die Geschichte eingehen wird. Es sind Sternstunden des Radios: Jeden Samstag sitzen in den kommenden Jahrzehnten Abertausende an den Geräten und lauschen, wenn die Ponselle oder Lucrezia Bori die italienische Oper zum Strahlen bringen, wenn sich Elisabeth Rethbergs oder Frida Leiders schöne Stimmen mit dem Superhelden-Tenor von Lauritz Melchior kreuzen, und wenn unten am Pult Tullio Serafin oder Arthur Bodanzky das Orchester zu Höchstleistungen antreiben. Alle sorgfältig angekündigt und abgesagt vom legendären Milton Cross, der unglaubliche 44 Jahre lang, von 1931 bis zu seinem Tod 1975, die Radioübertragungen als Moderator begleitet hat. 17 000 Menschen haben im Jahr 1939 begeisterte Briefe geschrieben auf eine Umfrage mit dem Titel „Was mir die Metropolitan Opera-Übertragungen bedeuten“, - ein Telefonist aus Cleveland, Ohio schreibt da zum Beispiel: „An Samstagnachmittagen wird ein Apartment im 3. Stock zum Siebten Himmel, wo man lauscht, lebt und wächst.“ Giuseppe Verdi, Otello New York 1938 „Una vela!“ – „Esultate!“