Stimmungsbilder Malwida Von Meysenbug
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Brigham Young University BYU ScholarsArchive Prose Nonfiction Nonfiction 1905 Stimmungsbilder Malwida von Meysenbug Description This work is part of the Sophie Digital Library, an open-access, full-text-searchable source of literature written by German-speaking women from medieval times through the early 20th century. The oc llection, covers a broad spectrum of genres and is designed to showcase literary works that have been neglected for too long. These works are made available both in facsimiles of their original format, wherever possible, as well as in a PDF transcription that promotes ease of reading and is amenable to keyword searching. Follow this and additional works at: https://scholarsarchive.byu.edu/sophnf_nonfict Part of the German Literature Commons BYU ScholarsArchive Citation Meysenbug, Malwida von, "Stimmungsbilder" (1905). Prose Nonfiction. 61. https://scholarsarchive.byu.edu/sophnf_nonfict/61 This Article is brought to you for free and open access by the Nonfiction at BYU ScholarsArchive. It has been accepted for inclusion in Prose Nonfiction by an authorized administrator of BYU ScholarsArchive. For more information, please contact [email protected], [email protected]. Stimmungsbilder (Collection of Various Works, 1905) Stimmungsbilder von Malwida von Meysenbug Vierte und Vermehrte Auflage Schuster & Loeffler Berlin und Leipzig 1905 Titelseite Stimmungsbilder von Malwida von Meysenbug Vierte und Vermehrte Auflage Schuster & Loeffler Berlin und Leipzig 1905 This Text was Prepared and Edited by Alex Hachtman and Taylor Profita, Brigham Young University Vorwort VORWORT Als Malwida von Meysenbug im Jahre 1900 die dritte Auflage der Stimmungsbilder herausgab, fügte sie dem Text der früheren Auflagen etwa hundert Seiten hinzu, den Erinnerungen an Alexander Herzen geweiht. Die vierte Auflage, die wir heute der Lesewelt darbieten, ist durch nicht minder wichtige Stücke bereichert worden. Zuerst durch Erinnerungen an Richard Wagner, denen Briefe von Richard Wagner beigegeben sind, die er in der unruhigsten und schwierigsten Zeit seines Lebens geschrieben, in der Periode, die sich von seinem Aufenthalt in Paris 1859 bis zu seiner Verheiratung mit Cosima von Bülow erstreckt. 6 Weiter durch Auszüge aus einer Sammlung von Gedanken, die Malwida von Meysenbug von 1866 bis 1881 für die zweite Tochter von Alexander Herzen verfasste. Am 21. November 1866, an dem Tage, da Olga Herzen ihr sechzehntes Lebensjahr vollendete, unternahm Malwida von Meysenbug, für ihre Adoptivtochter unter dem Titel Ein neues Testament diejenigen Gedanken niederzuschreiben, die sie dem Geiste und dem Herzen der Jungfrau einzuprägen wünschte, damit sie ihr als leitende Lebensgrundsätze dienen sollten. Der erste Teil dieser Sammlung hört mit dem 6. März 1873 auf; es ist der Tag, an welchem ihre Tochter von ihr schied, um dem Gatten nach Frankreich zu folgen. Aber am 24. Dezember 1873, am Tage der Geburt des ersten Kindes von Olga Monod, greift sie wieder zur Feder, und bis 1881 fährt sie fort, Das neue Testament dann und wann durch neue Gedanken zu bereichern, wobei sie sich bisweilen neben der deutschen auch der französischen und sogar der italienischen Sprache bedient. Diese Blätter tragen zum grössten Teil 7 einen zu intimen Charakter, als dass wir sie der Öffentlichkeit übergeben könnten. Zahlreiche Stellen daraus sind jedoch von Malwida von Meysenbug selbst in dem Lebensabend einer Idealistin veröffentlicht worden, und wir sind der Meinung, dass andere bisher ungedruckt gebliebene Fragmente ihrer Natur nach ganz eigentlich in die Olga Herzen gewidmeten und zum grossen Teil für sie geschriebenen Stimmungsbilder gehören. Wir schliessen den Band mit einigen der letzten Gedichte, die Malwida von Meysenbug in Italien verfasst hat. Mit lebendig eindringendem Gefühl und hohem Geistesschwung bringen sie ihre leidenschaftliche Liebe zu dem Land der Sonne und der Schönheit zum Ausdruck, sie legen Zeugnis ab von ihrer immer idealistischer werdenden Auffassung des Lebens und des Universums, je mehr sie ihre Lebenstage zur Neige gehen sah, je mehr sie den Augenblick herannahen fühlte, wo sie der Welt der Erscheinung ein letztes Lebewohl zurufen würde. Diese verschiedenen Stücke schienen uns vorzüglich dazu geeignet, ein Buch von so 8 durchdringender Ursprünglichkeit zu ergänzen und die Stimmungsbilder sozusagen zu einem geistigen und sittlichen Bild einer der Frauen des XIXten Jahrhunderts zu gestalten, die ihrem Vaterlande, ihrem Geschlecht und der Menschheit zur höchsten Ehre gereichen. Gabriel Monod. Inhalt INHALT Seite An Olga . 11 Von ihr . 19 Für Bräute und Mütter . 35 Die Frau in der Gesellschaft . 49 Das Bedürfnis einer Philosophie. 71 Lebenspflicht (Capri) . 81 Von dem möglichen Einfluss der Frauen auf die Politik.. 95 Kirchhofsgedanken (Chiavenna) . 109 Der christliche Mythos . 119 Verstandesausbildung und Sittlichkeit . 133 Toleranz (Sorreut) . 143 Geschichte leben. 175 Vom jungen Italien . 215 Wirklichkeitsphilosophie des Todes . 245 Die brennende Frage von heute. 269 Unter Göttern wandeln . 295 Im Norden. 315 Erinnerungen an Alexander Herzen . 327 Genius und Welt (Briefe von Richard Wagner) . 439 Ein neues Testament (Bruchstücke) . 477 Nach dem Sturm (Gedicht) . 493 Heimwärts (Gedicht) . 494 Extase (Gedicht) . 496 Mein Glaube . 497 An Olga Stimmungsbilder Von Malwida von Meysenbug This Text was Prepared and Edited by Alex Hachtman and Taylor Profita, Brigham Young University An Olga Wenn mir ein geliebter Mensch starb, war das Erste, wonach ich verlangte: noch so viele Spuren seines geistigen Lebens aufzufinden als möglich. Der sonstige Nachlass war mir gleichgültig; aber ein Blatt, von der geliebten Hand beschrieben, ein Tagebuch, Zeugnisse des innersten Gedankenlebens, der Empfindungen, die auch selbst dem liebevollst beobachtenden Auge verborgen bleiben, - danach erfasste mich ein tiefes Verlangen, und wenn sich nichts der Art vorfand, war mir die Öde des Todes doppelt schrecklich. Ich warf mir dann noch bitterer jeden verlornen Augenblick vor, in welchem ich an dem Geistesleben der Geschiedenen hätte Teil nehmen können und welchen ich, im Leichtsinn des Besitzes, unbenutzt hatte entfliehen lassen; ich streckte noch sehnsüchtiger die Arme nach dem entfliehenden Schatten aus, welcher nun noch schneller, noch unhaltbarer in das dunkle Reich der Nacht hinab zu gleiten schien. Wenn ich aber etwas der Art fand: ein Gedicht, einen aufgezeichneten 14 Gedanken, oder was sonst erklärende Rückblicke in manche unverstandene Seite des beschlossenen Lebens gewährte - so war ich wie ein Geiziger über seinem Schatz; alles irdische Gut konnte verteilt werden wie es wollte, ich fragte kaum danach. Ein Blättchen, voll der bekannten Schriftzüge, mit Worten, in denen mir die innerste Musik aus der Seele der Freunde nachtönte, das war mein Erbteil; ich nahm es zu mir mit eifersüchtiger Liebe und hütete es wie das teuerste Geheimnis. Es war mir dann, als ob ein Band über die dunkle Schwelle hinüber führe, als ob eine Ergänzung eingetreten sei in dem, was der unersättlichen Liebe immer, trotz der grösstmöglichen Vollständigkeit, wie Stückwerk scheinen wird. Die Abgeschiedenen lebten mir wieder; ich fand neue, vervollständigende Seiten ihres Wesens auf, die mir vorher nicht gehört hatten, weil jede, auch die schönste menschliche Beziehung, unvollständig bleibt, uns nie den ganzen Menschen völlig erschliesst. Ich denke, dass es dir, meine Geliebte, ähnlich ergehen wird, wenn du mich, über kurz oder lang, nicht mehr unter Denen, welche im Lande des Scheins wandeln, zu suchen haben wirst. Darum kam mir der Gedanke, dir dies Vermächtnis zu schreiben, in welchem du ein Stück meines Lebens, das sich fern von dir zu Ende spinnen muss, finden wirst; in welchem ich, noch ausser in 15 unserer alten Liebe, mit dir fortlebe, wenn schon längst das vergängliche Bild sich zurückgegeben hat an den grossen Kreislauf des Lebens. Ist es nicht natürlich, dass ein Jeder sich unsterblich zu machen sucht in den Herzen Derer, die ihn lieben und die er liebt, um auf diese Weise fortzuwirken in der grossen Kette des geistigen Daseins der Menschheit? Wenn wir den Gedanken an die persönliche Fortdauer, an diese Forderung des sublimiertesten Egoismus, als einen Irrtum einsehen lernten, - sollte es nicht hingegen ein gerechtfertigtes Streben sein, persönlich mit in den geistigen Inhalt der Geschichte gehören zu wollen und dem Korallentierchen ähnlich zu arbeiten, um aus dem Ozean der Zeiten, durch den unendlich kleinen Beitrag des Individuums, endlich den herrlichen Kontinent der wahren Kultur aufzubauen? Ich habe dir früher, in unseren Gesprächen, oft den Gedanken geäussert, dass, wenn nur ein jeder Mensch sich zunächst selbst als seine eigne Aufgabe betrachtete und aus sich selbst das Höchste zu machen strebte, was er, seinen Fähigkeiten nach, werden kann, die Menschheit kaum anderes bedürfen und den vollkommensten Zustand nach jeder Richtung hin erreichen würde. Ebenso, wenn jeder Mensch trachtete, seinen Beitrag zu der allgemeinen Kultur zu liefern, wie viel rascher würde der Tempel wachsen, welcher sich, wie ein zweites Himmelsgewölbe, 16 über der Erde erheben sollte, das geistige Testament der Millionen, welche den kurzen Lebenstraum geträumt haben. Sich selbst zu idealisieren sollte das bestimmte Lebensziel jedes Individuums und ebenso der geschichtlichen Individuen, der Völker, sein. Hat die Natur nur im blinden Drange Bedingung zu Bedingung gefügt, chemische Kombinationen eintreten lassen, physische Vorgänge aufeinander gehäuft, welche das Erscheinen denkender Wesen