: Roccos Erzählung

Oper von mit Textintermezzi von Walter Jens

Freitag, 24. März 2006, 19.30 Uhr Sonntag, 26. März 2006, 18 Uhr Festspielhaus St. Pölten, Großer Saal

Intendanz: Prof. Michael Birkmeyer

Mit der freundlichen Unterstützung von

Ludwig van Beethoven (1770 – 1827) Walter Jens (*1923)

Fidelio Roccos Erzählung

Oper in zwei Akten nach einem Libretto Textintermezzi zu Beethovens «Fidelio» von Joseph Ferdinand von Sonnleithner, © RADIUS-VERLAG GmbH, Stuttgart 1985 Stefan von Breuning und Georg Friedrich Treischke

Dirigent: Kristjan Järvi Erzähler: Miguel Herz-Kestranek Regie: Katharina Strommer Lichtdesign: Herbert Baireder, Katharina Strommer Choreinstudierung: Heinz Ferlesch, Josef Hofbauer, Gottfried Zawichowski

Leonore: Gabriele Maria Ronge Florestan: Aki Alamikkotervo Rocco: Kurt Rydl Marzelline: Katharina Kovacˇicˇ Jaquino: Anton Graner Don Pizarro: Rainer Zaun Don Fernando: Ralf Sauerbrey Erster Gefangener: Roland Maderböck Zweiter Gefangener: Johannes Öhlinger

Tonkünstler-Orchester Niederösterreich a-cappella-chor tulln Chor Ad Libitum Männergesangsverein Ybbs 1850

Musikalische Assistenz und Korrepetition: Rossen Gergov Regieassistenz und Abendspielleitung: Julia Prack, Julia Zirkler

Produktionsleitung: Christa Redik Technische Leitung: Reinhard Hagen Bühne: Ferdinand Mikscha, Jürgen Westermayr Ton: Andreas Dröscher

Halbszenische Aufführung Pause nach dem ersten Akt Dauer: ca. 2 Stunden und 45 Minuten

Eine Produktion des Festspielhauses St. Pölten

3 ERSTER AKT

Als Opfer willkürlicher Gewalt hält Don Pizarro, der Gouverneur eines (spanischen) Staatsgefängnisses, politische Gefangene ver- borgen, unter ihnen seinen persönlichen Widersacher Florestan, einen Freiheits- kämpfer. Dessen Gattin Leonore hat sich, als Inhaltsangabe Mann verkleidet unter dem Namen Fidelio, bei dem Kerkermeister Rocco anstellen las- sen, um auf diese Weise Zugang zu den Gefangenen zu erhalten. Sie vermutet ihren Gatten unter ihnen. Marzelline, Roccos Tochter, hat sich in Fidelio verliebt und durchkreuzt damit die Heiratsabsichten des Schließers Jaquino, dessen hartnäckiges Werben sie heftig abweist. Sie träumt von einem kleinbürger- lichen Glück mit Fidelio. Leonore sieht sich konfrontiert mit dem Widerspruch zwischen ihrer angenommenen Rolle als Gehilfe des Kerkermeisters und ihrer wahren Absicht: Sie will Florestan unter den Gefangenen suchen und befreien. Es ist offensichtlich, dass Rocco ihren Diensteifer missdeutet als heimliche Liebe zu seiner Tochter Marzelline; er stellt bereits die Hoch- zeit in Aussicht und gibt Marzelline und Fidelio Ratschläge für ihr künftiges Eheglück. Im Gegenzug dazu gewinnt Leonore Roccos Vertrauen und erreicht, dass er sie, gegen den Willen Pizarros, mit in die unteren Gewölbe des Kerkers nimmt. Rocco gibt aber zu bedenken, dass es ein Gewölbe gäbe, in das niemand eintreten dürfe; dort befände sich ein Gefangener, der auf Befehl Pizarros seit einem Monat täglich weniger zu essen und zu trinken bekäme. Leonore versichert, sie werde den Anblick mutig zu ertragen wissen. Pizarro erscheint mit seinen Wachsoldaten und erfährt aus einem von Rocco übergebe- nen Brief, dass der Minister eine Unter- suchung des Gefängnisses angeordnet habe, da er Opfer willkürlicher Gewalt darin vermu- te. Er selbst werde diese Untersuchung leiten. Pizarro sieht sich zu raschem Handeln gezwungen: Er will Florestan so schnell wie möglich umbringen lassen und gibt die Anweisung, dass ein Trompetensignal

4 ZWEITER AKT ertönen solle, sobald der Wagen des Ministers Im untersten Kerker beklagt Florestan sein naht. Als er Rocco bestechen will, den Mord Los, tröstet sich aber damit, dass er seine auszuführen, stößt er auf Widerstand und Pflicht der Wahrheitsliebe erfüllt habe, und beschließt, selbst Hand an den Widersacher sieht in einer Halluzination Leonore als Engel Florestan zu legen, nachdem Rocco vorher der Freiheit; dann sinkt er völlig erschöpft das Grab ausgehoben hat. zusammen. Leonore, die weiß, dass Pizarro zu allem Rocco und Leonore steigen in seinen entschlossen ist, baut auf die Hoffnung, dass Kerker hinab und beginnen, das Grab auszu- es ihr doch noch gelingen möge, Florestan heben. Leonore ist entschlossen, den ausfindig zu machen und zu retten. Auf ihren Gefangenen, den sie im Dunkeln nicht (und Marzellines) Wunsch lässt Rocco eigen- erkennt, auf jeden Fall zu retten, auch wenn mächtig die Gefangenen für kurze Zeit in den es nicht Florestan sein sollte. Bevor Rocco Hof des Gefängnisses treten; Leonore ver- und Leonore dem Gefangenen aus Mitleid sucht vergeblich, Florestan unter ihnen zu Brot und Wein reichen, erkennt Leonore entdecken. Die Gefangenen betrachten die plötzlich das Gesicht ihres Gatten, als er sich unerwartet freie Luft als Vision der Freiheit, im Gespräch zu Rocco wendet. Er fragt auch fühlen sich aber zugleich belauscht. nach dem Gouverneur des Gefängnisses und Rocco kann Fidelio berichten, dass er ihn erfährt, dass es sein persönlicher Feind in den untersten Kerker begleiten dürfe, um Pizarro ist. Rocco weigert sich, Florestans dort das Grab für den Gefangenen zu graben, Bitte nachzukommen, dessen Gattin zu der durch Pizarro umgebracht werden soll. benachrichtigen, und beruft sich auf seine Leonore vermutet, dass sie am Ende noch das strikte Pflichterfüllung. Grab für den eigenen Gatten aushebt. Nachdem Florestan Rocco und Leonore, Jaquino und Marzelline stürzen herbei die er nicht erkennt, für Brot und Wein ge- und kündigen den wütenden Pizarro an, der dankt hat, gibt Rocco mit einem Pfiff das Rocco wegen der Freilassung der Gefangenen Zeichen für Pizarro, der nun vermummt im zur Rede stellt. Rocco entschuldigt sich mit Kerker erscheint. Als er sich Florestan zu dem Namenstag des Königs, den er auf diese erkennen gibt und ihn erstechen will, stürzt Weise hätte feiern wollen, und lenkt geschickt Leonore auf ihn zu, stellt sich vor Florestan den Zorn Pizarros auf Florestan. Die Gefan- und gibt sich ebenfalls zu erkennen. Sie genen nehmen Abschied vom Sonnenlicht schreckt nicht einmal davor zurück, auf und steigen wieder in die Gewölbe hinab. Pizarro die Pistole zu richten, und hätte ihn sogar erschossen, wenn nicht von oben in die- sem Augenblick das verabredete Trompeten- signal erklungen wäre. Der Minister Don Fernando erscheint als Retter aller Gefangenen; Leonore und Flores- tan sinken sich in die Arme. Marzelline muss einsehen, dass Fidelio sie getäuscht hat. Der Dank für Gottes Gerechtigkeit und eine Hym- ne auf Leonore bilden das emphatische Finale.

Quelle: www.impresario.ch/kk_opera.htm

5 Ludwig van Beethoven: Fidelio Oper in zwei Akten. Text: Joseph Ferdinand von Sonnleithner, Stefan von Breuning und Georg Friedrich Treischke nach dem Libretto von Jean Nicolas Bouilly für die Oper «Léonore ou L’amour conjugal» von Pierre Gaveaux

Walter Jens: Roccos Erzählung Copyright: RADIUS-VERLAG GmbH Stuttgart 1985 (Fassung der Brüsseler Oper mit Änderungen des Autors, September 1993)

6 ERSTER AKT MARZELLINE Wie macht seine Liebe mir bang, Wie werden die Stunden mir lang. Ich weiß, dass der Arme sich quälet, Ouvertüre Es tut mir so leid auch um ihn! Fidelio hab ich gewählet, Nr. 1 Duett Ihn lieben ist süßer Gewinn.

JAQUINO Jetzt, Schätzchen, jetzt sind wir allein, JAQUINO Wo war ich? - Sie sieht mich nicht an. Wir können vertraulich nun plaudern. MARZELLINE Da ist er – er fängt wieder an. MARZELLINE Es wird ja nichts Wichtiges sein, Ich darf bei der Arbeit nicht zaudern. JAQUINO Wann wirst du das Jawort mir geben? Es könnte ja heute noch sein. JAQUINO Ein Wörtchen, du Trotzige, du! MARZELLINE O weh! Er verbittert mein Leben. MARZELLINE So sprich nur, ich höre ja zu. Jetzt, morgen und immer, nein!

JAQUINO Wenn du mir nicht freundlicher blickest, JAQUINO Du bist doch wahrhaftig von Stein! So bring ich kein Wörtchen hervor. Kein Wünschen, kein Bitten geht ein.

MARZELLINE Wenn du dich nicht in mich schickest, MARZELLINE Ich muss ja so hart mit ihm sein, Verstopf ich mir vollends das Ohr. Er hofft bei dem mindesten Schein.

JAQUINO Ein Weilchen nur höre mir zu, JAOUINO So wirst du dich nimmer bekehren? Dann lass’ ich dich wieder in Ruh. Was meinst du?

MARZELLINE So hab ich denn nimmermehr Ruh; MARZELLINE Du könntest nun geh’n. So rede, so rede nur zu. JAQUINO Wie? Dich anzuseh’n willst du mir wehren? JAQUINO Ich habe zum Weib dich gewählet, Auch das noch? Verstehst du? MARZELLINE So bleibe hier steh’n! MARZELLINE Das ist ja doch klar. JAQUINO Du hast mir so oft doch versprochen – JAQUINO Und, wenn mir dein Jawort nicht fehlet, Was meinst du? MARZELLINE Versprochen? Nein, das geht zu weit!

MARZELLINE So sind wir ein Paar. JAQUINO Zum Henker, das ewige Pochen!

JAQUINO Wir könnten in wenigen Wochen – MARZELLINE So bin ich doch endlich befreit!

MARZELLINE Recht schön, du bestimmst schon die Zeit. JAQUINO Es ward ihr im Ernste schon bang, Wer weiß, ob es mir nicht gelang. JAQUINO Zum Henker, das ewige Pochen! MARZELLINE Das ist ein willkommener Klang, MARZELLINE So bin ich doch endlich befreit! Es wurde zu Tode mir bang.

JAQUINO Da war ich so herrlich im Gang, Und immer entwischt mir der Fang.

7 Roccos Erzählung, Teil 1 Wahnsinn nah durch dieses Poch und Poch und Poch, für einen Herrn SPRECHER Tagein, tagaus! Morgens und aus gutem Hause hielt, von Adel am abends und mittags Ende – Und, wenn’s Nacht war, erst DAS war mein Mann! Mein recht: Das hörte nie auf! Rocco! Mann: Ich Narr! Ich Dummkopf, der Teufel! Wo bleibst du? Rocco! Ein sein Kind – sein einziges! – für neuer Transport! Inspektion! einen wirren Wunschtraum opferte Begnadigung! Aufruhr! Auf Rocco! und sich in seinen selbstgeknüpften Komm mit dem Messer, der Stricken fing. Schaufel, dem Eimer, der Peitsche! Denn sie, mein Kind, sie liebte He! Willst du wohl hören? He! Rocco! diesen … Mann, den ich mit ihr ver- Der Schmied mit den Ketten! Der kuppeln wollte. Gott sei mir gnädig. Bäcker, der Zensor! Der Schließer Und dir auch mein armes Kind. zum Morgenrapport. Rocco! Roc! ER hat sich angesagt, ist auf dem Weg schon beinahe hier: Der Herr Gouver- Nr. 2 Arie neur! Roc! Roc! Roc! Ich konnts nicht mehr hören: zehn Jahre lang. MARZELLINE O wär ich schon mit dir vereint Dreitausend Tage! Weg, nur weg! Ich Und dürfte Mann dich nennen! musste raus! Raus! Untertauchen, Ein Mädchen darf ja, was es meint, irgendwo! Unter anderem Namen Zur Hälfte nur bekennen. ein neues Leben beginnen. Doch wenn ich nicht erröten muss Ich war schließlich geschickt, man Ob einem warmen Herzenskuss, lernt viel im Gefängnis, ist Verwalter Wenn nichts uns stört auf Erden – und Hausbursch, Die Hoffnung schon erfüllt die Brust Beichtkind und Pfarrer, Polizist Mit unaussprechlich süßer Lust, und Vertrauter zugleich – und reich Wie glücklich will ich werden! obendrein! Da ein Pfennig fürs Wegsehn, dort ein Groschen fürs In Ruhe stiller Häuslichkeit Zuhörn, für die Bestellung des Päck- Erwach ich jeden Morgen, chens ein Taler und für die Wir grüßen uns mit Zärtlichkeit, Konfiszierung hernach – deren zwei: Der Fleiß verscheucht die Sorgen. Das kommt rasch zusammen: Und ist die Arbeit abgetan, genug, um einen wie mich – einen Dann schleicht die holde Nacht heran, Dummkopf! – träumen zu machen Dann ruh’n wir von Beschwerden. eines Tages, in Cordoba, Salamanca, Die Hoffnung schon erfüllt die Brust Madrid, ein Geschäft zu eröffnen: Mit unaussprechlich süßer Lust, Rocco Castillo, Handelsmann mit Wie glücklich will ich werden! guter Adresse und erfahren in vielerlei Künsten. Nur einen Partner brauchte ich noch, einen Schwiegersohn am Besten, einen, der auftreten konnte und den Leuten mit flinkem Wort und behender Feder zu Dienst war. Ja, und dann kam er wirklich, eines Abends mein Mann – Mann! Dieser Fidelio, den ich, blind wie ich war, von meinem Traum genarrt, dem

8 Roccos Erzählung, Teil 2 Mir wird so wunderbar, Mir fällt kein Mittel ein. SPRECHER Armes Kind. Und alles meine Schuld. Du alter Esel du! Hieltst eine, die mit hoher Knabenstimme Nr. 4 Arie sprach, sich vor dem Spiegel wiegte, so und so und so, die hieltest du für ROCCO Hat man nicht auch Gold beineben, einen – Mann! Blind! Ja, wir sind Kann man nicht ganz glücklich sein; blind gewesen, alle drei, Jaquino, Traurig schleppt sich fort das Leben, Marzelline und ich. Mancher Kummer stellt sich ein. Blind. Traumgefangen. Doch wenn’s in der Tasche fein klingelt und rollt, Nirgendwo zu Haus. Da hält man das Schicksal gefangen, Seltsam. Wir waren frei, damals, Und Macht und Liebe verschafft dir das Gold und lebten doch im Gefängnis, stan- Und stillet das kühnste Verlangen. den auf seiten der Herren und tru- Das Glück dient wie ein Knecht für Sold, gen doch Ketten. Auf meinen Garten Es ist ein schönes Ding, das Gold. fiel der Schatten der riesigen Mauer, und die Zweige der Kirschbäume rag- Wenn sich nichts mit nichts verbindet, ten zu vergitterten Luken empor. Ist und bleibt die Summe klein; Was wir auch taten: singen und Wer bei Tisch nur Liebe findet, plaudern und pflanzen und harken Wird nach Tische hungrig sein. und säen und ernten: Drum lächle der Zufall euch gnädig und hold Die da, hinter ihren Gittern, Und segne und lenk euer Streben; schauten zu! Sie immer dabei! Das Das Liebchen im Arme, im Beutel das Gold, war die Wahrheit. Aber ich wollte sie So mögt ihr viel Jahre durchleben. nicht! Denn ich wollte ja leben! Das Glück dient wie ein Knecht für Sold, Vergessen! Darum – versteht ihr Es ist ein mächtig Ding, das Gold. jetzt? – der Traum vom kleinen Glück unter den Schatten: Roccos Erzählung, Teil 3

Nr. 3 Quartett SPRECHER Es war ein Abend im April, sehr warm schon, die Gefangenen saßen MARZELLINE Mir ist so wunderbar, an ihren Fenstern, einige sangen – Es engt das Herz mir ein; ehe es Nacht wurde und der Ser- Er liebt mich, es ist klar, geant auf dem Wachturm Ruhe Ich werde glücklich sein. gebot. Vier Jahre her ist das jetzt, auf einen Tag und doch erst gestern! LEONORE Wie groß ist die Gefahr, Und während sie sangen gab ich Wie schwach der Hoffnung Schein! dem Kind und dem fremden Mann Sie liebt mich, es ist klar, meinen Segen, und er wehrte sich O namenlose Pein! nicht, als ich ihre Hände vereinte. Fidelio – er schaute zu und sagte ROCCO Sie liebt ihn, es ist klar; kein Wort. Denn er misstraute uns. Ja, Mädchen, er wird dein. Und er tat gut daran. Ein gutes, junges Paar, Nein, verraten hätte ich ihn nicht, Sie werden glücklich sein. auf meine Ehre, das kann ich be- schwören. Aber ins Gefängnis gelas- JAQUINO Mir sträubt sich schon das Haar, sen, in die Gewölbe womöglich, wo Der Vater willigt ein; die Staatsgefangenen waren auf kei-

9 nen Fall. Und darum Fidelio, um ROCCO Ja, ihr werdet glücklich sein. meiner Schwäche willen, verzeihe ich dir. Hättest du mich ins Ver- Der Gouverneur soll heut erlauben, trauen gezogen, ich weiß, du hättest Dass du mit mir die Arbeit teilst. es ein paar Mal versucht. Ich hätte dich nie zu jenem Häftling geführt, LEONORE Du wirst mir alle Ruhe rauben, deinem Mann, der auf Befehl des Wenn du bis morgen nur verweilst. Gouverneurs in dem Gewölbe ange- kettet war, dass niemand außer mir MARZELLINE Ja, guter Vater, bitt’ ihn heute, betreten durfte. Mir, und den Ratten, In kurzem sind wir dann ein Paar. die den armen Mann von Tag zu Tag näher umkreisten. ROCCO Ich bin ja bald des Grabes Beute, Es war ein Abend im April. Ich brauche Hilf’, es ist ja wahr.

LEONORE Wie lang bin ich des Kummers Beute! Nr. 5 Terzett Du, Hoffnung, reichst mir Labung dar.

ROCCO Gut, Söhnchen, gut, MARZELLINE Ach, lieber Vater, was fällt Euch ein? Hab immer Mut, Lang’ Freund und Rater müsst Ihr uns sein. Dann wird’s dir auch gelingen; Das Herz wird hart ROCCO Nur auf der Hut, dann geht es gut, Durch Gegenwart Gestillt wird euer Sehnen. Bei fürchterlichen Dingen. Gebt euch die Hand und schließt das Band In süßen Freudentränen. LEONORE Ich habe Mut! Mit kaltem Blut LEONORE Ihr seid so gut, Ihr macht mir Mut, Will ich hinab mich wagen: Gestillt wird bald mein Sehnen! Für hohen Lohn Ich gab die Hand zum süßen Band, Kann Liebe schon Es kostet bittre Tränen. Auch hohe Leiden tragen. MARZELLINE O habe Mut! O welche Glut! MARZELLINE Dein gutes Herz O welch ein tiefes Sehnen! Wird manchen Schmerz Ein festes Band mit Herz und Hand, In diesen Grüften leiden; O süße, süße Tränen! Dann kehrt zurück Der Liebe Glück Und unnennbare Freuden. Roccos Erzählung, Teil 4

ROCCO Du wirst dein Glück ganz sicher bauen. SPRECHER Sehr still, alles, ringsum, nur die Rufe der Posten und der Wiederhall LEONORE Ich hab auf Gott und Recht Vertrauen. ihrer Schritte: Zehn Schritte vor, zehn Schritte MARZELLINE Du darfst mir auch ins Auge schauen zurück und jede Viertelstunde ein Der Liebe Macht ist auch nicht klein. Ruf: so haben wir die Zeit gemessen, Ja, wir werden glücklich sein. bei uns. Da! Die Gefangenen hinter den Luken, an jeder Tür statt eines LEONORE Ja, ich kann noch glücklich sein. Namens die Nummer, mit Kreide geschrieben: 311, 14. März 1793, 109, 20. November 1789, und da auf den Mauern, die Posten. Und wir: hier in

10 der Mitte! Hier! Im Niemandsland, Nr. 6 Marsch wo Traum in Tag und Tag in Traum überging. Da fiel Verlobungstag und Roccos Erzählung, Teil 5 Karneval auf einen Tag, da war der Bräutigam ein Weib, Brautvater SPRECHER «Schildwachen auf den Wall! hatte einen Eselskopf, und Braut Sechs Mann an die Brücke!» Ja, das und Nebenbuhler spielten Harlekin, liebte er, der Herr Gouverneur, die mit langen Nasen und verwirrtem Musik mitten im Takt zu beenden. Sinn, in einem Stück, das sie nicht Marsch! Marsch! Die die Gewehre! kannten. «Wachmannschaft auf ihre Fidelio, ich verstehe dich ja: jetzt, Posten! Rocco zum Rapport! Die nach so vielen Jahren. Mir konntest Depeschen!» Ich gab ihm die Briefe, du dich nicht anvertrauen, damals, ein Dutzend vielleicht, er überflog wenn du deinen Plan durchführen sie, Empfehlungen, Beschwerden, wolltest. Mir ganz gewiss nicht. Aber Bettelschreiben, Gesuche: «Endet das Kind Marzelline! Die hätte das nie»? geschwiegen, wäre zurückgekehrt zu Doch dann auf einmal stockte er, Jaquino und keine alter Jungfer gebot den Wachen, sich zu entfernen geworden, die ihren Vater versorgt. und winkte mich – das hatte er noch Marzelline! Jaquino! Die zählten nie getan – zu sich heran. «Ich habe nichts – arme Teufel, die niemand die Nachricht erhalten», sagte er mehr kennt, ein altes Fräulein und leise, «dass der Herr Minister uns ein Knecht, der als verschollen gilt, besuchen wird. Er könnte dich zur während Eleonores Name in jedem Verantwortung ziehen, weil du die- Lesebuch steht. sen Florestan, meinen Gefangenen, Heldenmut eines Weibs: Ich in einer Todeszelle versteckt hältst. kenne die Litanei gut. Nein, ich Der Herr Minister glaubt, dass beschuldige sie nicht. Wie könnte Florestan nicht mehr am Leben sei – ich auch? Sie hat ja gesiegt: Der und da – denke ich – sollten wir das Mann ist frei, die Zwingburg: ein Unsere tun, um Don Fernandos Museum, das an eine ferne Zeit erin- Ansicht zu bestätigen. Du verstehst nern soll, die – ist sie’s wirklich? – doch, nicht wahr?» überwunden ist? Aber mein Kind! Und dann, plötzlich, packte er Mein Kind! Nichts mehr davon. Du mich bei den Schultern und schrie: bist ungerecht, alter Mann. Jawohl, «Der Mann weiß zuviel. Du musst du! Mit deinem ewigen «Befehl ist mir helfen: Du! Er oder wir – und Befehl» und «Alles muss seine Ord- nur darum geht es jetzt.» Und dabei nung haben» und «Ich tue ja meine nahm er meine Hand und legte ein Pflicht». War es meine Pflicht, den Goldstück hinein und noch eins und Gefangenen da unten verhungern zu noch eins – und ich? Ach, ich: Was lassen? Meine Pflicht, ihn, wenn er sollte ich denn tun? um Brote bettelte, harsch anzufah- ren: «Tut mir leid. Der Herr Gouver- neur hat es verboten»? Der Gouver- neur! Pizarro! Wir glaubten schon, er käme nicht mehr, damals, an diesem Abend. Es ging schon auf Mitter- nacht zu – und da, auf einmal, kam von fernher Musik.

11 Nr. 7 Arie mit Chor Den bösen Untertan Schnell aus dem Weg zu räumen. PIZARRO Ha, welch ein Augenblick! Die Rache wird’ ich kühlen, ROCCO O Herr! Dich rufet dein Geschick! In seinem Herzen wühlen, PIZARRO Du stehst noch an? O Wonne, großes Glück! Er darf nicht länger leben, Schon war ich nah, im Staube, Sonst ist’s um mich geschehn. Dem lauten Spott zum Raube, Pizarro sollte beben? Dahingestreckt zu sein. Du fällst - ich werde stehn. Nun ist es mir geworden, Den Mörder selbst zu morden; ROCCO Die Glieder fühl’ ich beben, In seiner letzten Stunde, Wie könnt ich das bestehn? Den Stahl in seiner Wunde, Ich nehm’ ihm nicht das Leben, Ihm noch ins Ohr zu schrei’n: Mag, was da will, gescheh’n. Triumph! Der Sieg ist mein! Nein, Herr, das Leben nehmen, Das ist nicht meine Pflicht. CHOR DER Er spricht von Tod und Wunde! WACHE Nun fort auf unsre Runde, PIZARRO Ich will mich selbst bequemen, Wie wichtig muss es sein! Wenn dir’s an Mut gebricht; Er spricht von Tod und Wunde! Nun eile rasch und munter Wacht scharf auf eurer Runde, Zu jenem Mann hinunter – Wie wichtig muss es sein! Du weißt –

ROCCO Der kaum mehr lebt Nr. 8 Duett Und wie ein Schatten schwebt?

PIZARRO Jetzt, Alter, jetzt hat es Eile! PIZARRO Zu dem, zu dem hinab! Dir wird ein Glück zuteile, Ich wart’ in kleiner Ferne, Du wirst ein reicher Mann; Du gräbst in der Zisterne Das geb’ ich nur daran. Sehr schnell ein Grab.

ROCCO So sagt doch nur in Eile, ROCCO Und dann? Womit ich dienen kann. PIZARRO Dann werd’ ich selbst, vermummt, PIZARRO Du bist von kaltem Blute, Mich in den Kerker schleichen – Von unverzagtem Mute Ein Stoß – und er verstummt! Durch langen Dienst geworden. ROCCO Verhungernd in den Ketten ROCCO Was soll ich? Redet! Redet! Ertrug er lange Pein, Ihn töten, heißt ihn retten, PIZARRO Morden! Der Dolch wird ihn befrei’n.

ROCCO Wie? PIZARRO Er sterb’ in seinen Ketten, Zu kurz war seine Pein, PIZARRO Höre mich nur an! Sein Tod nur kann mich retten, Du bebst? Bist du ein Mann? Dann werd’ ich ruhig sein. Wir dürfen gar nicht säumen; Dem Staate liegt daran, Jetzt, Alter, jetzt hat es Eile! Hast du mich verstanden?

12 Du gibst ein Zeichen! Roccos Erzählung, Teil 6 Dann werd’ ich selbst, vermummt, Mich in den Kerker schleichen – SPRECHER Mut – das ist was für große Leute Ein Stoß – und er verstummt! und nicht für kleine wie uns. Wir müssen und ducken und uns auf die ROCCO Verhungernd in den Ketten Erde kauern, bis der Sturm vorbeige- Ertrug er lange Pein, zogen ist. Ja, Herr. Wie ihr befehlt. Ihn töten, heißt ihn retten, Euer Diener. Trotzdem, getötet hätte Der Dolch wird ihn befrei’n. ich Florestan nicht: bei meiner Selig- keit! Das kann ich beschwören. Aber PIZARRO Er sterb’ in seinen Ketten, zuschaun, dem Gouverneur ein Zu kurz war seine Pein. Zeichen geben: ja, dazu war ich Sein Tod nur kann mich retten, bereit. Wo Not nicht enden mag, Dann werd’ ich ruhig sein. kann selbst ein Mord der armen Seele Rettung bringen. Ja, so dachte ich: ein Kerkermeis- Nr. 9 Rezitativ und Arie ter, der, in langem Frondienst abge- stumpft, den Wunsch des Gouver- Rezitativ: neurs und den Befehl des Staats für die zwei Seiten einer Münze hielt. LEONORE Abscheulicher! Wo eilst du hin? Ach was, zwei Seiten. Gewäsch! Was hast du vor in wildem Grimme? Angst hatte ich, schlotternde Angst, Des Mitleids Ruf, der Menschheit Stimme – weiter nichts. Ein Wink von ihm, ein Rührt nichts mehr deinen Tigersinn? Nicken, eine Bewegung seiner Hand, Doch toben auch wie Meereswogen ein Scharren mit dem Fuß: und die Dir in der Seele Zorn und Wut, Soldaten hätten die Peitsche gezückt. So leuchtet mir ein Farbenbogen, Vierzig Hiebe, darunter tat er es Der hell auf dunkeln Wolken ruht: nicht. Und trotzdem: die Furcht, Der blickt so still, so friedlich nieder, dass sie zuschlagen würden, war Der spiegelt alte Zeiten wider, nicht das Schlimmste. Denn es gab Und neu besänftigt wallt mein Blut. noch etwas, das entsetzlicher war als die Furcht: Wenn er mir Geld gab, Arie: freundlich war, dann hab ich ihn gehasst, Don Pizarro, wie keinen LEONORE Komm, Hoffnung, lass’ den letzten Stern zuvor: ihn, diese Ausgeburt der Der Müden nicht erbleichen! Finsternis. Dann schlug ich zurück, O komm, erhell’ mein Ziel, sei’s noch so fern, wurde ein Mensch: ein Mensch! Ein Die Liebe, sie wird’s erreichen. ich! Ein Rocco, der Rocco war und Ich folg’ dem innern Triebe, kein kleiner Pizarro! – Einer, der frei Ich wanke nicht, war wie an jenem Abend, als Fidelio Mich stärkt die Pflicht mich bat, die Zellen zu öffen. Die Der treuen Gattenliebe! Riegel auf! Jetzt kommandiere ich! O du, für den ich alles trug, Und siehe sie kamen, einer hinter Könnt ich zur Stelle dringen, dem andern, Alte und Junge, viele Wo Bosheit dich in Fesseln schlug, an Krücken, Blinde dazwischen, Und süßen Trost dir bringen! manche mit Foltermalen an ihren Ich folg’ dem innern Triebe, Leibern: Vierhundert Männer! Was Ich wanke nicht, für ein Bild: Die Prozession der Mich stärkt die Pflicht Todgeweihten. Ihr Gesang: Wie eine Der treuen Gattenliebe! Litanei von einem fremden Stern.

13 Nr. 10 Finale ROCCO Zu jenem Mann hinab, Dem ich seit vielen Wochen CHOR DER O welche Lust, in freier Luft Stets weniger zu essen gab. GEFANGENEN Den Atem leicht zu heben! Nur hier, nur hier ist Leben! LEONORE Ha! – Wird er los gesprochen? Der Kerker eine Gruft. ROCCO O nein! ERSTER Wir wollen mit Vertrauen GEFANGENER Auf Gottes Hilfe bauen! LEONORE So sprich! Die Hoffnung flüstert sanft mir zu: Wir werden frei, wir finden Ruh ROCCO O nein, O nein! Wir müssen ihn, doch wie? – befrei’n! ALLE O Himmel! Rettung! Welch ein Glück! Denn nach Pizarros Wille ANDEREN O Freiheit! Kehrst du zurück? Muss er in aller Stille Von uns begraben sein! ZWEITER Sprecht leise! Haltet euch zurück! GEFANGENER Wir sind belauscht mit Ohr und Blick. – LEONORE So ist er tot?

ALLE Sprecht leise! Haltet euch zurück! ROCCO Noch nicht, noch nicht. Wir sind belauscht mit Ohr und Blick. – O welche Lust, in freier Luft LEONORE Ist ihn zu töten deine Pflicht? Den Atem leicht zu heben! Nur hier, nur hier ist Leben. ROCCO Nein guter Junge, zittre nicht, Sprecht leise! Haltet euch zurück! Zum Morden dingt sich Rocco nicht. Wir sind belauscht mit Ohr und Blick. – Der Gouverneur kommt selbst hinab, Wir beide graben nur das Grab.

Rezitativ: LEONORE Vielleicht das Grab des Gatten graben, Was kann fürchterlicher sein? LEONORE Nun sprecht, wie ging’s? ROCCO Ich darf ihn nicht mit Speise laben, ROCCO Recht gut, recht gut! Ihm wird im Grabe besser sein. – Zusammen rafft’ ich meinen Mut Wir müssen gleich zu Werke schreiten, Und trug ihm alles vor; Du musst mir helfen, mich begleiten; Und sollst du’s glauben, Hart ist des Kerkermeisters Brot. Was er zur Antwort mir gab? Die Heirat und dass du mir hilfst, will er erlauben; LEONORE Ich folge dir, wär’s in den Tod. Noch heute führ’ ich in den Kerker dich hinab. ROCCO In der zerfallenen Zisterne Bereiten wir die Grube leicht. Duett Ich tu es, glaube mir, nicht gerne; Auch dir ist schaurig, wie mich deucht? LEONORE Noch heute! Noch heute! O welch ein Glück! O welche Wonne! LEONORE Ich bin es nur noch nicht gewohnt.

ROCCO Ich sehe deine Freude; ROCCO Ich hätte gerne dich verschont, Nur noch ein Augenblick. Doch wird es mir allein zu schwer, Dann gehen wir schon beide – Und gar so streng ist unser Herr.

LEONORE Wohin? LEONORE O welch ein Schmerz!

14 ROCCO Mir scheint, er weine. ROCCO O Herr! Nein, du bleibst hier – ich geh alleine, Ich geh allein. PIZARRO Wohlan!

LEONORE O nein, O nein! ROCCO Des Frühlings Kommen, Ich muss ihn sehn; den Armen sehen, Das heitre warme Sonnenlicht, Und müsst ich selbst zugrunde gehen. Dann: habt Ihr wohl in Acht genommen, Was sonst zu meinem Vorteil spricht? ROCCO, O säumen wir nun länger nicht, Des Königs Namensfest ist heute, LEONORE Wir folgen unsrer strengen Pflicht. Das feiern wir auf solche Art. Der unten stirbt – doch lasst die andern MARZELLINE Ach, Vater, Vater, eilt! Jetzt fröhlich hin und wieder wandern; Für jenen sei der Zorn gespart. ROCCO Was hast du denn? PIZARRO So eile, ihm sein Grab zu graben, JAQUINO Nicht länger weilt! Hier will ich stille Ruhe haben. Schließ’ die Gefangnen wieder ein, ROCCO Was ist gescheh’n? Mögst du nie mehr verwegen sein!

MARZELLINE Es folget mir Pizarro nach! DIE Leb’ wohl, du warmes Sonnenlicht, Er drohet dir. GEFANGENEN Schnell schwindest du uns wieder; Schon sinkt die Nacht hernieder, ROCCO Gemach! Gemach! Aus der so bald kein Morgen bricht.

LEONORE So eilet fort! MARZELLINE Wie eilten sie zum Sonnenlicht Und scheiden traurig wieder. ROCCO Nur noch dies Wort: Die andern murmeln nieder: Sprich, weiß er schon? Hier wohnt die Lust, die Freude nicht.

JAQUINO Ja, er weiß es schon. LEONORE Ihr hört das Wort, drum zögert nicht, Kehrt in den Kerker wieder. MARZELLINE Der Offizier sagt ihm, was wir Angst rinnt durch meine Glieder. Jetzt den Gefangenen gewähren. Ereilt den Frevler kein Gericht?

ROCCO Lasst alle schnell zurücke kehren. JAQUINO Ihr hört das Wort, drum zögert nicht, Kehrt in den Kerker wieder. MARZELLINE Ihr wisst ja, wie er tobet, Sie sinnen auf und nieder! Und kennet seine Wut. Könnt ich versteh’n, was jeder spricht!

LEONORE Wie mir’s im Innem tobet! PIZARRO Nun, Rocco, zögre länger nicht, Empöret ist mein Blut. Steig’ in den Kerker nieder. Nicht eher kehrst du wieder, ROCCO Mein Herz hat mich gelobet, Bis ich vollzogen das Gericht. Sei der Tyrann in Wut. ROCCO Nein, Herr, ich zögre länger nicht, PIZARRO Verwegner Alter! Welche Rechte Ich steige eilend nieder. Legst du dir frevelnd selber bei? Mir beben meine Glieder; Und ziemt es dem gedungnen Knechte, O unglückselig harte Pflicht! Zu geben die Gefangnen frei?

15 ZWEITER AKT in diesem Beinhaus, wo nur Nacht und Dunkelheit und Kälte war. Da gab es keine Jahreszeiten, keinen Nr. 11 Rezitativ und Arie Wechsel zwischen Tag und Nacht – nur eine winzigkleine Ahnung, dass Rezitativ: auf weit entfernten Sternen immer noch die Sonne schien und Schnee FLORESTAN Gott! Welch Dunkel hier! O grauenvolle Stille! und Regen fiel, wenn wir in Mäntel Öd’ ist es um mich her. Nichts lebet außer mir. kamen, wussten die Gefangenen: O schwere Prüfung! - Draußen muss Winter sein, und Doch gerecht ist Gottes Wille! wenn wir Blusen unterm Umhang Ich murre nicht! Das Maß der Leiden steht bei dir. trugen, ahnten sie: die bringen Ernte ein, da oben, und daheim reift jetzt Arie: das Korn. Und doch, die konnten immerhin In des Lebens Frühlingstagen reden, die Männer. Nachrichten tau- Ist das Glück von mir gefloh’n! schen zwischen Zelle und Zelle, Wahrheit wagt ich kühn zu sagen, Klopfzeichen geben: Irgendeiner Und die Ketten sind mein Lohn. hörte sie schon und klopfte zurück. Willig duld’ ich alle Schmerzen, Aber den hier, den ich tief unten auf Ende schmählich meine Bahn; der letzten Bastion wo nur Schlamm Süßer Trost in meinem Herzen: war, Kot und Geröll, mit einer Eisen- Meine Pflicht hab’ ich getan! kette an den Brunnenrand ge- Und spür’ ich nicht linde, sanft säuselnde Luft? schmiedet hatte – Ja! Ja! Ja! Ich hab’s Und ist nicht mein Grab mir erhellet? getan! – den Einen, sag ich, den Ich seh’, wie ein Engel im rosigen Duft Edelsten unter allen: Den hat nie- Sich tröstend zur Seite mir stellet, mand gehört. Doch. Einer schon, Ein Engel, Leonoren, der Gattin, so gleich, sein Kerkermeister, der ihm mor- Der führt mich zur Freiheit ins himmlische Reich. gens ein Stück Brot und einen hal- ben Becher Wasser gab und abends noch mal. Roccos Erzählung, Teil 7 Er schien zu schlafen, als die Frau und ich – Fidelio, mein ich, ich SPRECHER Die Nacht verging, es wurde Tag, die sag jetzt: Frau –, … ich wollte sagen, Luft war kühl … dass er schlief wie tot, als wir die «Es wird ein heller Tag», hatte Hacke nahmen, um das Geröll aus Marzelline gesagt. Ein heller Tag! dem Brunnen zu räumen. Sie hielt Da oben vielleicht, wo’s Sterne das Licht, ich tat, was Männersache gab, den Mond und die Wolken – war, trug Lehm ab schleppte Steine: aber nicht hier. Nicht in den Staats- ein Totengräber, der, statt stumm zu gefängnissen tief in der Erde, wo die schaufeln, hätte schreien sollen. Rebellen eingepfercht waren, die Schreien! «Mann! Wach auf! Das ist Partisanen, Freiheitskämpfer, Män- für dich, das Grab!» Doch dann, auf ner aus dem Untergrund, vom Ge- einmal, hielt ich es nicht länger aus: heimdienst verfolgt, durch bestoche- Sie musste helfen – die da! ne Richter verurteilt, des schlimm- sten Verbrechens beschuldigt, das es für Pizarro gab: sie hatten die Wahr- heit gesagt. Und dafür mussten sie sterben: krepiert wie ein Stück Vieh

16 Nr. 12 Duett Roccos Erzählung, Teil 8

ROCCO Nur hurtig fort, nur frisch gegraben, SPRECHER Ein Totengräber, eine junge Frau, Es währt nicht lang’, er kommt herein. die, eh der Tag sich neigte, Witwen- kleider tragen sollte. Ein Häftling, LEONORE Ihr sollt ja nicht zu klagen haben, dessen Urteil unterschrieben war: Ihr sollt gewiss zufrieden sein. Tod durch Dolch! Nur einer fehlte noch: sein Mörder. ROCCO Komm, hilf doch diesen Stein mir heben – Ein Brunnen als Grab, ein kleiner Hab’ acht! – Hab’ acht! Pizarro als hilfreicher Bruder. Und Er hat Gewicht! dann seine Frau: Sie hat ihn erkannt, sein Gesicht, seine Stimme, sie war ja LEONORE Ich helfe schon – sorgt Euch nicht; bei ihm, als er erwachte. Aber gesagt Ich will mir alle Mühe geben. hat sie nichts. Nichts, nichts nichts! Sie taten gut daran, Madame ROCCO Ein wenig noch! Fidelio, sich zu verstellen: und zwar bis zuletzt! Auf Männer vom Schlag LEONORE Geduld! dieses Rocco – wie er früher einmal war! – ist nicht zu zählen. Und dabei ROCCO Er weicht. gab ich ihm doch Wein und speiste ihn und er hat mir dafür gedankt. LEONORE Nur etwas noch!

ROCCO Es ist nicht leicht! Nr. 13 Terzett

ROCCO Nur hurtig fort, nur frisch gegraben, FLORESTAN Euch werde Lohn in bessern Welten, Es währt nicht lang’, er kommt herein. Der Himmel hat euch mir geschickt. O Dank! Ihr habt mich süß erquickt; LEONORE Lasst mich nur wieder Kräfte haben, Ich kann die Wohltat, ich kann sie nicht vergelten. Wir werden bald zu Ende sein. Wer du auch seist, ich will dich retten, ROCCO Ich lab’ ihn gern, den armen Mann, Bei Gott! Du sollst kein Opfer sein! Es ist ja bald um ihn getan. Gewiss, ich löse deine Ketten, Ich will, du Armer, dich befrei’n. LEONORE Wie heftig pochet dieses Es wogt in Freud’ und scharfem Schmerz. ROCCO Was zauderst du in deiner Pflicht? FLORESTAN Bewegt seh’ ich den Jüngling hier, LEONORE Mein Vater, nein, ich zaudre nicht. Und Rührung zeigt auch dieser Mann. O Gott, du sendest Hoffnung mir, ROCCO Nur hurtig fort, nur frisch gegraben, Dass ich sie noch gewinnen kann. Es währt nicht lang, so kommt er her. LEONORE Die hehre, bange Stunde winkt, LEONORE Ihr sollt ja nicht zu klagen haben, Die Tod mir oder Rettung bringt. Lasst mich nur wieder Kräfte haben, Denn mir wird keine Arbeit schwer. ROCCO Ich tu, was meine Pflicht gebeut, Doch hass’ ich alle Grausamkeit.

LEONORE Dies Stückchen Brot – ja, seit zwei Tagen Trag’ ich es immer schon bei mir.

17 ROCCO Ich möchte gern, doch sag’ ich dir, Roccos Erzählung, Teil 9 Das hieße wirklich zu viel wagen. SPRECHER Ja, und dann hab ich es getan. Hab – LEONORE Ach! Ihr labtet gern den armen Mann. meinen – Dienst – getan. Hab dem Gouverneur ein Zeichen gegeben. ROCCO Das geht nicht an, das geht nicht an. Hab die Frau fortgeschickt. Hab den Gefangenen vom Stein losgeschlos- LEONORE Es ist ja bald um ihn getan. sen. Hab ihm die Ketten über die Schulter gelegt. Hab … gebetet hab ROCCO So sei es – ja, so sei’s – du kannst es wagen. ich! Gebetet zu der Jungfrau Maria, allen Heiligen im Himmel, gebetet LEONORE Da, nimm das Brot – du armer Mann! für die Gefangenen in unserem Land, gebetet zu meinem Herrn FLORESTAN O Dank dir, Dank! - O Dank! O Dank! Jesus. Hundert Gebete – und doch Euch werde Lohn in bessern Welten, nur eines: Für mich! Für mein Der Himmel hat euch mir geschickt. Leben. Ich wusste, der Gouverneur O Dank! Ihr habt mich süß erquickt, würde mich töten, und die Frau Ich kann die Wohltat nicht vergelten. dazu, sobald sein Opfer verscharrt war. «Der weiß zuviel» – das hieß LEONORE Der Himmel schicke Rettung dir, für Pizarro: «Der hat gelebt.» Du Dann wird mir hoher Lohn gewährt. Satan! Habe ich geschrien, Versucher, wie nie einer war! ROCCO Mich rührte oft dein Leiden hier, Seelenräuber! Doch Hilfe war mir streng verwehrt. Ich labt’ ihn gern, den armen Mann, Es ist ja bald um ihn getan. Nr. 14 Quartett

LEONORE O mehr, als ich ertragen kann! PIZARRO Er sterbe! – Doch er soll erst wissen, FLORESTAN O dass ich euch nicht lohnen kann! Wer ihm sein stolzes Herz zerfleischt. Der Rache Dunkel sei zerrissen, Sieh’ her! Du hast mich nicht getäuscht! Pizarro, den du stürzen wolltest, Pizarro, den du fürchten solltest, Steht nun als Rächer hier.

FLORESTAN Ein Mörder steht vor mir!

PIZARRO Noch einmal ruf ich dir, Was du getan, zurück; Nur noch ein Augenblick Und dieser Dolch –

LEONORE Zurück!

FLORESTAN O Gott!

ROCCO Was soll?

18 LEONORE Durchbohren PIZARRO Ha! Der Minister! Höll’ und Tod! Musst du erst diese Brust; Der Tod sei dir geschworen ROCCO O was ist das! Gerechter Gott! Für deine Mörderlust. [Man hört die Trompete stärker] PIZARRO Wahnsinniger! LEONORE, Es schlägt der Rache Stunde. ROCCO Halt ein! FLORESTAN Du (ich) soll(st) gerettet sein; Die Liebe wird im Bunde PIZARRO Er soll bestrafet sein! Mit Mute dich (mich) befrei’n.

LEONORE Töt’ erst sein Weib! PIZARRO Verflucht sei diese Stunde! Die Heuchler spotten mein; ROCCO, Sein Weib? Verzweiflung wird im Bunde PIZARRO Mit meiner Rache sein.

FLORESTAN Mein Weib? ROCCO O fürchterliche Stunde! O Gott, was wartet mein? LEONORE Ja, sieh’ hier Leonore ! Ich will nicht mehr im Bunde Mit diesem Wüt’rich sein. FLORESTAN Leonore!

LEONORE Ich bin sein Weib, geschworen Roccos Erzählung, Teil 10 Hab’ ich ihm Trost. Verderben dir! SPRECHER Die Trompete! Oben vom Turm! PIZARRO Welch unerhörter Mut! Immer lauter! – [Die Fanfare] – Vom Himmel herab, die Trompete, bis in FLORESTAN Vor Freude starrt mein Blut! die Hölle drang sie, zersprengte die Türen, ließ Mauern fallen, öffnete ROCCO Mir starrt vor Angst mein Blut. Kerker: Wir waren gerettet, meine Gebete erhört. Die Trompete! Botin LEONORE Ich trotze seiner Wut! des Himmels! Zeichen der Gnade und des Gerichts! Morgenröte, die PIZARRO Soll ich vor einem Weibe beben? bezeugte, dass die Welt, in dieser Stunde, hier, erneuert war: Einmal LEONORE Der Tod sei dir geschworen. und, mag geschehen, was will, unwi- derrufbar. Für einen winzigen PIZARRO So opfr’ ich beide meinem Grimm. Augenblick, die Morgenstunde irgendeines Tags in irgendeinem LEONORE Durchbohren musst du erst diese Brust! Land, waren Licht und Finsternis wie am Tag des Gerichtes geschieden. PIZARRO Geteilt hast du mit ihm das Leben, Seit dieser Stunde kehre ich, ein So teile nun den Tod mit ihm. kleiner Dienstmann jetzt, in Cordoba, in jedem Jahre am Be- LEONORE Noch einen Laut – und du bist tot! freiungstag hierher zurück, hierher [Man hört die Trompete auf dem Turm] in die Kapelle, wo ich eine Kerze opfere, und in die Zellen, die an eine Ach! Du bist gerettet! Großer Gott! ferne, nahe, schreckensvolle Zeit erinnern, die auch die meine war. FLORESTAN Ach! Ich bin gerettet! Großer Gott!

19 Nr. 15 Duett geduldig, klug und ohne Falsch, je- doch nicht ohne Schuld (Marzelline, LEONORE O namenlose Freude! mein Kind) … weil eine Frau, sag Mein Mann an meiner Brust! ich: nein, mehr ein Mensch, (sie war ja Mann und Frau zugleich) … ich FLORESTAN O namenlose Freude! fang noch einmal an: Weil eine Frau An Leonorens Brust! … verflucht! Ich pack es einfach nicht: Weil eine Frau, nein, weil die BEIDE Nach unnennbarem Leide Liebe einer Frau zu einem Einzigen So übergroße Lust! so mächtig war: so übergroß, dass sie in diesem Einen alle und in allen LEONORE Du wieder nun in meinen Armen1 Menschen nur den Einen sah: ihren geliebten Mann. FLORESTAN O Gott, wie groß ist dein Erbarmen! Wer du auch seist, ich will dich retten: Das, sag ich, ist für mich, so BEIDE Mein Weib, mein Weib, an meiner Brust! schlicht ich bin, (doch der Herr Mein Mann, mein Mann, an meiner Brust! Pfarrer sagt es auch) das Testament O dank dir, Gott, für diese Lust! des Neuen Bunds und die Ver- heißung der Vernunft und das FLORESTAN Du bist’s! Versprechen einer Zeit, in der es nicht mehr Herrn und nicht mehr LEONORE Ich bin’s! Knechte gibt, nur Menschen, frei und gleich. FLORESTAN O himmlisches Entzücken! Leonore! Ein Mittag im April, vier Jahre her, jetzt ist die Stunde da, als die LEONORE Florestan! Gefangenen, in einem Dankgebet, das Requiem und Jubellied in einem BEIDE O namenlose Freude! war, den Tag begrüßten – ihren zwei- Mein Weib, mein Weib, an meiner Brust! ten Schöpfungstag. Ja, meiner war Du wieder mein, an meiner Brust! es auch: ich habe nachgedacht: Ich O dank dir, Gott, für diese Lust! Rocco, Roc, der Kerkermeister, Häftling, Helfer, Spießgesell, der Totengräber, der die Fackeln trug: Roccos Erzählung, Teil 11 Ein kleiner Mann in einer bösen Zeit, die - helf uns Gott! Nein! SPRECHER Und dann kamen sie noch einmal, Helfen wir uns selbst! Nie wieder- wie in der Nacht zuvor, – zum letz- kehren darf. ten Mal nun! – von überall her, die Gefangenen in ihren Sträflingskitteln. Aber nun nicht mehr langsam und Nr. 16 Finale scheu, jeder für sich, die Augen ge- senkt und von den Wachen verhöhnt. CHOR DER Heil sei dem Tag, Nein! Jetzt winkten sie, lachten, hat- GEFANGENEN Heil sei der Stunde, ten sich untergehakt, schwenkten UND DES Die lang ersehnt, doch unvermeint, die Mützen. Sie waren frei! VOLKES Gerechtigkeit mit Huld im Bunde O Tag der Freiheit! Zukunfts und Vor unsres Grabes Tor erscheint! Versprechens Tag! Wir hatten ge- siegt. Die armen Leute – die Sklaven! FERNANDO Des besten Königs Wink und Wille Die Geknechteten! – hatten gesiegt, Führt mich zu euch, ihr Armen, her, weil eine Frau, die treu war und Dass ich der Frevel Nacht enthülle,

20 Die all’ umfangen schwarz und schwer. ROCCO Dort an mein Tor, Nein, nicht länger knieet sklavisch nieder, Und trat als Knecht in meine Dienste, Tyrannenstrenge sei mir fern. Und tat so brave, treue Dienste, Es sucht der Bruder seine Brüder, Dass ich – zum Eidam sie erkor. Und kann er helfen, hilft er gern. MARZELLINE O weh’ mir, was vernimmt mein Ohr! CHOR Heil sei dem Tag, Heil sei der Stunde! ROCCO Der Unmensch wollt’ in dieser Stunde Vollzieh’n an Florestan den Mord. FERNANDO Es sucht der Bruder seine Brüder, Und kann er helfen, hilft er gern. PIZARRO Vollzieh’n mit ihm!

ROCCO Wohlan, so helfet! Helft den Armen! ROCCO Mit uns im Bunde! Nur Euer Kommen rief ihn fort. PIZARRO Was seh’ ich? Ha! CHOR Bestrafet sei der Bösewicht, ROCCO Bewegt es dich? Der Unschuld unterdrückt. Gerechtigkeit hält zum Gericht PIZARRO Fort! Fort! Der Rache Schwert gezückt.

FERNANDO Nun, rede! [Pizarro wird abgeführt]

ROCCO All Erbarmen FERNANDO Du schlossest auf des Edlen Grab, Vereine diesem Paare Jetzt nimm ihm seine Ketten ab – Don Florestan – Doch halt! Euch, edle Frau, allein, Euch ziemt es, ganz ihn zu befrei‘n. FERNANDO Der Totgeglaubte, Der Edle, der für Wahrheit stritt? LEONORE O Gott! – Welch ein Augenblick!

ROCCO Und Qualen ohne Zahl erlitt. FLORESTAN O unaussprechlich süßes Glück!

FERNANDO Mein Freund! Mein Freund! Der Totgeglaubte? – FERNANDO Gerecht, O Gott, ist dein Gericht. Gefesselt, bleich steht er vor mir. MARZELLINE, Du prüfest, du verlässt uns nicht. ROCCO, Ja, Florestan, Ihr seht ihn hier. ROCCO LEONORE ALLE O Gott! O welch ein Augenblick! ROCCO Und Leonore – O unaussprechlich süßes Glück! Gerecht, O Gott, ist dein Gericht, FERNANDO Leonore? Du prüfest, du verlässt uns nicht!

ROCCO Der Frauen Zierde führ’ ich vor. CHOR Wer ein holdes Weib errungen, Sie kam hierher – Stimm’ in unsern Jubel ein! Nie wird es zu hoch besungen, PIZARRO Zwei Worte sagen – Retterin des Gatten sein.

FERNANDO Kein Wort! FLORESTAN Deine Treu’ erhielt mein Leben, Sie kam – Tugend schreckt den Bösewicht.

21 LEONORE Liebe führte mein Bestreben, Wahre Liebe fürchtet nicht.

CHOR Preist mit hoher Freude Glut Leonorens edlen Mut.

FLORESTAN Wer ein solches Weib Stimm’ in unsern Jubel ein! Nie wird es zu hoch besungen, Retterin des Gatten sein.

LEONORE Liebend ist es mir gelungen, Dich aus Ketten zu befrei’n. Liebend sei es hoch besungen – Florestan ist wieder mein!

CHOR Wer ein holdes Weib errungen, Stimm’ in unsern Jubel ein! Nie wird es zu hoch besungen, Retterin des Gatten sein.

LEONORE Liebend sei es hoch besungen: Florestan ist wieder mein!

ALLE Nie wird es zu hoch besungen, Retterin des Gatten sein.

Abdruck des Textes «Roccos Erzählung» mit freundlicher Genehmigung von RADIUS-VERLAG GmbH Stuttgart

22 Ludwig van Beethoven. Porträt von Joseph Karl Stieler, 1820. Beethoven-Haus Bonn

23 Fidelio, großes Musiktheater oder einfaches Singspiel? Fidelio, ein Hauptwerk Beethovens oder ein einzelner Versuch? Fidelio, die Vermittlung von Idealen oder eine Geschichte, wie sie das Leben schreibt? Fidelio, ein Synonym für Liebe und Hoff- nung oder für politische Freiheit? Fidelio, … entweder – oder? Fidelio, tiefgründige Texte oder verstaubte, holprige Dialoge? Anmerkungen der Regisseurin Fidelio, die Traumrolle jeder Sopranistin Katharina Strommer oder ein Härtetest? Fidelio, der Wunsch eines jeden Regis- seurs oder eine schwer lösbare Aufgabe? Fidelio, ein Stück der großen Gegensätze und ein Stück, das viele Fragen aufwirft. Aber eindeutig ein Stück Operngeschichte. * Wahrscheinlich ist dieses Werk gerade wegen seiner vielen Widersprüche so interessant und heute nicht mehr aus dem Repertoire eines renommierten Opernhauses wegzudenken. * All diese Widersprüche und Fragen machen es für einen Regisseur allerdings nicht gerade leicht, diese Oper in Szene zu setzen. Eigent- lich müsste er auf alle diese Fragen eine Antwort finden. Aber ist es wirklich möglich keine der Fragen offen zu lassen? Und ist es in einer halb-szenischen Aufführung nicht noch schwieriger? * Was bedeutet nun halb-szenisch? Eigentlich schließt es alles ein, was über eine konzertan- te Aufführung hinausgeht. Eine wirkliche Definition gibt es nicht. In meiner halb-szeni- schen Umsetzung gibt es kein Bühnenbild und keine Ausstattung, sondern nur einige wenige, einfache Requisiten. Außerdem tra- gen die Sänger keine Kostüme, sondern Kleider aus ihrem Privatbesitz, die allerdings mit dem Konzept des Abends abgestimmt sind. Auch wenn man bei einer halb-szenischen Realisierung nicht allzu viel Probenzeit zur Verfügung hat, war es von Anfang an mein Ziel, eine gut verständliche Geschichte zu er- zählen, die sich in erster Linie auf die Be- ziehungen zwischen den einzelnen Charak- teren und auf die menschliche Ebene be-

24 schränkt. Es gibt im Fidelio so viel starke Angst, Panik, Hoffnung und Liebe. Die Ideale Musik und starke Bilder, die es gar nicht nötig Hoffnung und Liebe stehen im Vordergrund. haben, durch zusätzliche Einfälle unterstri- Deshalb bin ich von konkreten Formen und chen zu werden. So gesehen kann die halb- Requisiten etwas weggegangen. Alles, was szenische Variante durchaus zum Vorteil wer- nun vorkommt, soll durch seine Symbolik den. verstanden werden. Es wird also weder einen * Dolch noch einen Stein noch Ketten geben. Auch wenn es schwer ist, ohne Ausstattung Gerade in der Szene zwischen Florestan, und Kostüme eine eigene Ästhetik zu entwi- Leonore und Rocco «Euch werde Lohn in ckeln, habe ich einen Ansatz versucht, in dem bess’ren Welten» steckt soviel Energie und die beiden konträren Ebenen der Oper ihren Zuneigung, dass es nicht nötig ist, den angemessenen Ausdruck finden. Gefangenen mit Brot zu laben, auch wenn es Über das Problem der Zweischneidigkeit im Text von Treitschke so vorkommt. Einen dieser Oper, zum einen deutsches Singspiel, Menschen, der seit zwei Jahren in einem zum anderen hochdramatisches Musiktheater Verließ gefangen gehalten wird und der ohne am Übergang zur Romantik, kann und muss menschliche Wärme und Nähe «leben» muss, man auch nicht hinwegsehen. Es stehen sich «labt» man sicher mit einer Berührung oder nicht nur Textpassagen unterschiedlichen einem freundlichen Wort am besten. Charakters gegenüber wie zum Beispiel «Hat Der musikalisch fulminante Abschluss der man nicht auch Gold beineben, kann man Oper, das große Finale, die Wiedervereini- nicht ganz glücklich sein» und «Des besten gung Leonores und Florestans, die Erfüllung Königs Wink und Wille führt mich zu euch der Hoffnung der Beiden und die Befreiung ihr Armen her. (…) Es sucht der Brüder seine aller Gefangenen – eingeleitet durch den Brüder und kann er helfen, hilft er gern.» «deus ex machina»-Effekt mit den Auftritt Hinzu kommt die teilweise völlig konträre Don Fernandos – steht im völligen Gegensatz Musik. Zum Beispiel der Kontrast der traditio- zum restlichen Abend. Erstmals herrscht eine nellen, singspielhaften Strophenform der ausgelassene Stimmung, weil etwas Einzig- Rocco-Arie zu den sphärisch schwebenden artiges geschehen ist: Florestan hat «ein hol- Holzbläserklängen im großen Finale «O Gott, des Weib errungen» und ihm sollen es noch welch’ Augenblick». viele gleichtun. Diese ausdruckstarke und Diese unterschiedlichen Passagen der geniale Musik Beethovens, die zwischen dem Oper habe ich versucht, durch drei Ebenen euphorischen Streicher-Allegro und den zum Ausdruck zu bringen. Die Geschichte Piano-Bläserklängen wechselt, gekoppelt mit beginnt in einem klar definierten Raum im einem fröhlichen, hellen Bild, sollen alle in Hause Roccos, in dem sich der Alltag des Erinnerung behalten, wenn sie den Saal am Gefängniswärters, seiner Tochter und seiner Ende des Abends wieder verlassen. beiden Gehilfen abspielt. Bis einschließlich dem Terzett Nr. 5 «Gut, Söhnchen, gut» wer- den konkrete Dinge bespielt und zum Aus- druck gebracht. Der zweite Teil des ersten Aktes, einschließlich dem gesamten Finale, markiert für mich den Übergang zur Ab- straktheit des zweiten Aktes, also eine Art Metaebene, in der ohne Requisiten und klare Formen ausgekommen und die gesamte Bühne bespielt wird, ohne dass sie einen bestimmten Raum darstellt. Im dritten Teil, dem Gefängnis, wechselt die Handlung vom Alltagsgeschehen zu inne- ren Vorgängen der einzelnen Personen wie

25 Oper der Sehnsucht Döhring) im Sinne eines «Epochenwerkes» auffasst, einer «summa dessen, was die Die Sinn stiftende Vermischung des Musikbühne damals an kompositorisch Lyrischen und Tragischen in «Fidelio» bedeutsamen Gattungsformen aufzuweisen hatte» (Heinrich W. Schwab). Auch Hector Der zentrale Stellenwert von Beethovens ein- Berlioz, der von der ersten Aufführung in ziger Oper im Repertoire wird zwar kaum französischer Sprache im Mai 1860 berichte- bestritten, wohl aber über die Qualität des te, empfand die Brüche als lobenswerte Viel- Werkes bis heute trefflich diskutiert. Die skep- falt: «Die 16 Nummern des tragen tischen Urteile richten sich fast ausschließlich fast alle ein schönes und edles Charakter- gegen das Textbuch (das war nicht immer so. gepräge. Aber ihre Schönheiten sind von sehr Beethovens kritische Zeitgenossen hatten verschiedener Art, und hierin scheint mir auch gegen die musikalische Verarbeitung gerade ihr hauptsächlicher Vorzug zu liegen.» des Stoffes ihre Einwände). Fragen der Werk- Ulrich Schreiber hält den ungewöhnlichen gestalt, die nach der komplizierten Entste- Verlauf der Handlung für einen logischen hungsgeschichte erledigt schienen, wurden Aufbau, eine «ungeheure Spannungskurve mehr als 100 Jahre später virulent. Die Ur- der Oper, von ihrer singspielhaft-harmlosen fassung der Oper, «Leonore», wurde zur Einleitung über die Befreiung eines politi- Diskussion gestellt und bestand ihre Bewäh- schen Gefangenen hin zur Feier der Gatten- rungsproben auf der Bühne, die gesproche- liebe als Symbol des Widerstands gegen eine nen Dialoge fielen tief greifenden Neufassun- tyrannische Herrschaft». gen teilweise oder gänzlich zum Opfer. Die Vermischung der niederen und hohen Die «Ur-Leonore» von 1805 hatte die Sphäre als wunder Punkt des «Fidelio» ist – Ebenen oder Sphären der Oper in dreiaktiger wie die politische Symbolik – immer auch Symmetrie geordnet: Den ersten Akt be- Antrieb zur Sinnstiftung gewesen. Das Ver- stimmte Roccos kleinbürgerliche Welt, der hältnis vom vermeintlichen Schließer Fidelio zweite Akt wurde durch den Tyrannen Pizarro und der Kerkermeisterstochter Marzelline dominiert, und im dritten Akt stand das hohe beruht auf einer doppelten Täuschung. Nicht Paar Leonore/Florestan im Mittelpunkt. nur die Gefühle der Figur Fidelio an sich sind Die Verdichtung zur zweiaktigen Version – wenn auch unter äußerstem moralischen von 1806 hob diese Symmetrie auf und schuf Zwang – geheuchelt. Vielmehr beruht die damit erst den Anlass zu der Frage, ob die Möglichkeit der Verbindung schon auf einer Vermischung der Welten von Singspiel und Verkleidung, auf Travestie, die hier nicht als Tragödie dem «Fidelio» auch in seiner letzten theatralisches Mittel eingesetzt ist, sondern Fassung von 1814 zum Nachteil gereiche. Zur eine Strategie innerhalb der Handlung bildet. Verwirrung trägt bei, dass das heitere Ge- Klaus Zehelein macht als «eigentliches plänkel im Eingangsduett «Jetzt, Schätzchen, Thema» der Oper die «Sehnsucht» fest, die jetzt sind wir allein» (Nr. 1), in Marzellines alle Figuren miteinander verbindet, vor allem Arie «Ach wär ich schon mit ihm vereint» das falsche Paar Leonore und Marzelline – (Nr. 2) und vor allem in Roccos Lob des wobei letzten Endes die größere, weil all- Goldes (Nr. 4) durch das gänzlich anders gear- gemein gültige Sehnsucht Leonores (die von tete, ernste und kontemplative Quartett «Mir der Gattenliebe zum humanistischen Auftrag ist so wunderbar» (Nr. 3) unterbrochen wird. ohne Ansehen der Person fortschreitet) jene Vom «Klischeelibretto» (Hans Mayer) ist von Marzelline zwangsläufig neutralisieren die Rede gewesen, von einem «befremdenden muss. Stilbruch» (Carl Dahlhaus), von «Rissen und Attila Csampai geht noch einen Schritt Brüchen» (Peter Gülke). Eine rein musik- weiter und bezeichnet die Figuren als historische Betrachtungsweise kann dem «Gleiche untereinander»: «Alle tragen die Problem beikommen, indem sie die «singulä- Hoffnung auf eine bessere Zukunft in sich, re Erscheinung» der Oper (Sabine Henze- selbst die Episodenfiguren Jaquino und Mar-

26 zelline und sogar der dämonische Pizarro. nenten Missverständnisses, das ihre «schreck- Alle streben nach Erfüllung, nach Verwirk- liche Wahrheit» (Hans Mayer) außen vor lichung ihrer selbst.» Auch Carl Dahlhaus lässt. Unbehagen haben besonders die Kol- betrachtet die Divergenz, das Miteinander der portage, die böse Eindeutigkeit des Pizarro traditionellen Gattungen comédie lyrique und und die gute des Ministers, die Wandlung des tragédie bourgeoise innerhalb des «Fidelio» Rocco und der Rekurs auf den «besten König» nicht als der Einheit hinderliches, sondern – der ja die autoritäre Staatsgewalt nicht weni- vielmehr als Sinn stiftendes Element: «Die ger verkörpert als es Pizarro tut – ausgelöst. Empfindsamkeit der comédie lyrique und das Einer der im «Fidelio» versteckten Wider- Pathos der tragédie bourgeoise zielten – und sprüche ist, dass das Trompetensignal als darum war eine Verschränkung der Gattun- Fanal der nahenden Befreiung ausgerechnet gen ohne Stilbruch möglich – in einer Drama- von einem der Schergen Pizarros abgegeben turgie, die primär Psychologie war, letztlich wird. Die Lektüre der vollständigen Dialoge auf ein und dasselbe: auf ein Gefühl, in dem gibt darüber Aufschluss, dass diesem zu- Mitleid und Sympathie oder sogar Bewunde- nächst nur dem Gouverneur verständlichen rung sich mischen.» Trompetensignal einige bange Augenblicke Um die Wende vom 18. zum 19. Jahrhun- für Leonore und Florestan folgen und sie ihre dert war der « Leonore»-Stoff in verschiede- «namenlose Freude» in einer noch immer als nen Librettovarianten nach einem Stück von gefährlich empfundenen Situation bekräfti- Jean Nicolas Bouilly mehrfach vertont worden gen. Dennoch haben sich diese Takte, die der (von Pierre Gaveaux 1798 und Ferdinando Philosoph Ernst Bloch zum Ausgangspunkt Paer 1804). Schon in diesen Fassungen wurde seines großen Buchs «Das Prinzip Hoffnung» die Spannung zwischen der privaten Sphäre nahm und die ihn kurz vor seinem Tode ein der Gattenliebe und dem politischen Akt letztes Mal zu Tränen rührten, zum Signal der einer Gefangenenbefreiung deutlich. Vor Freiheit verselbständigt. Es «vollzieht im allem durch die Aufwertung des Don Pizarro Blitzschlag eines Augenblicks, was versuchte Beethovens erster Librettist Joseph als Ganzes kennzeichnet. Von außen fällt die Sonnleithner diese Pole der Handlung ins revolutionäre Idee ein, im Bruch herkömm- Gleichgewicht zu bringen. Dass die politische licher Ordnungen wird die neue Wahrheit Aussage deutlich genug war, lässt sich an den sichtbar» (Gülke). Der Freudentaumel, die für Rangeleien Sonnleithners mit der Wiener den Augenblick erfüllte Hoffnung ertönt Zensur erkennen, die den Dichter u. a. zur jedoch auf einem brüchigen Resonanzboden. Verlegung der Handlung um rund 300 Jahre Hans Mayer hat zu Recht gewarnt: «Pizarro in die Vergangenheit nötigte. Nach dem mäßi- lebt, wir alle wissen es. Auch Alberich hat die gen Erfolg der «Leonore»-Uraufführung 1805 Götterdämmerung überlebt. Man hat stets ließ Beethoven das Libretto durch seinen Anlass zu Tränen, wenn man ihnen von Freund Stephan von Breuning umarbeiten. neuem ausgesetzt wird: Beethoven, dem Die Kürzungen dieser 1806 uraufgeführten Hohen Paar Leonore und Florestan, dem Fassung übernahm Beethoven größtenteils in Prinzip Hoffnung.» die «endgültige», musikalisch nochmals durchgreifend veränderte Version von 1814 Quelle: http://www.operundkonzert.de/oper.htm nach dem neuen Libretto von Georg Friedrich Treitschke, in deren Gestalt die Oper bis heute überwiegend gegeben wird. Das Schicksal des im Anschluss an Sonn- tagsreden wohlig genossenen Werkes für repräsentative Akte verbindet «Fidelio» mit Lessings «Nathan» und Goethes «Iphigenie», aber auch mit Wagners «Meistersingern» – und macht die Oper zum Opfer eines perma-

27 Von «Leonore» zu «Roccos Erzählung» gehalten, der Text ist unaufhörlich wiederholt, und endlich auch zuweilen die Charakteristik Derek Weber über «Fidelio» und auffallend verfehlt ...Die Chöre sind von kei- seine Deutungen im Spiegel der Zeit nem Effekte, und einer derselben, der die Freude der Gefangenen über den Genuss der Beethovens einzige Oper hat lange Zeit eine freyen Luft bezeichnet, ist offenbar missra- sehr geteilte Aufnahme gefunden. Dies drück- then. Auch die Aufführung war nicht vorzüg- te sich nicht zuletzt darin aus, dass der lich. Dem. Milder hat, trotz ihrer schönen Komponist selbst bereits unmittelbar nach Stimme, doch für die Rolle des Fidelio viel zu der – unter wenig glücklichen Umständen wenig Affekt und Leben, und Demmer into- über die Bühne des nierte fast immer zu tief. Alles das zusammen gegangenen – Uraufführung das starke genommen, auch wohl zum Teil die jetzigen Bedürfnis verspürte, das Werk zu überarbei- Verhältnisse, machten, dass die Oper nur ten. Aber auch mit dieser zweiten Fassung dreymal gegeben werden konnte.» war er nicht zufrieden. Daher arbeitete er die Die «jetzigen Verhältnisse» – die Beset- Oper für den dritten Turnus noch einmal um, zung Wiens durch die von Napoleon geführ- ehe sie am 23. Mai 1814 in ihrer definitiven ten französischen Truppen – dürften tatsäch- Version im Kärntnertor-Theater aufgeführt lich zu einem beträchtlichen Teil zum wurde. Die neue Ouvertüre allerdings, die Misserfolg der Uraufführung beigetragen Beethoven dafür schrieb, die «Fidelio»- haben. Die adeligen Gönner Beethovens Ouvertüre in E-Dur, die auch heute noch der waren zum größten Teil aus der Hauptstadt Oper vorangestellt wird, fand erst bei der geflohen. Im Publikum saßen vor allem fran- Aufführung vom 26. Mai zum ersten Mal zösische Soldaten. Dies wird nicht nur aus der Verwendung, vermutlich deshalb, weil Beet- Uraufführungskritik der Zeitung Der Frei- hoven mit ihrer Komposition nicht rechtzeitig müthige deutlich, die am 26. Dezember 1805 fertig geworden war. Diese neue Ouvertüre erschien, sondern auch in den Kritiken der war notwendig geworden, weil der neue, sing- Erstaufführung der zweiten Fassung hervor- spielartige Beginn der Oper – gewiss nicht gehoben, die Ende März 1806 am selben Ort, nur aus Gründen der tonalen Stimmigkeit – dem Theater an der Wien, aus der Taufe geho- eine andere orchestrale Einleitung als die ben wurde. Gleichzeitig gewinnt man daraus Dritte «Leonoren»-Ouvertüre erforderte. den Eindruck, dass die Umarbeitung, die Beethoven in der Zwischenzeit gemeinsam Das Schicksal der ersten beiden Fassungen mit seinem Jugendfreund Stefan von Breu- Die Aufnahme des «Fidelio» durch das ning am Libretto vorgenommen hatte (und Publikum war anfangs – wenn wir die heutige die im Wesentlichen in Kürzungen und in der Wertschätzung des Werkes in Betracht ziehen Komprimierung der Handlung in zwei an – beiläufig, wenn nicht negativ. So berichtete Stelle der ursprünglichen drei Akte bestand) der Korrespondent der Leipziger Allgemeinen mit zur nun freundlicheren Aufnahme des musikalischen Zeitung über die Urauffüh- Werks beitrug. rung vom 30. November 1805: «Sie erinnern sich», schrieb das Journal «Das merkwürdigste unter den musikali- des Luxus und der Moden, «dass Beethoven schen Produkten des vorigen Monats war wol mit seiner Oper Fidelio am 20. November, die schon lange erwartete Beethovensche also wenige Tage nach dem Einmarsche der Oper: Fidelio oder die eheliche Liebe. Sie Franzosen, zum erstenmale auftrat. Damals wurde am 20sten November zum ersten Male waren die Conjuncturen so ungünstig, als nur gegeben, aber sehr kalt aufgenommen. (...) immer möglich; die unbefangene Stimmung, Das Ganze ... ist weder durch Erfindung noch in der ein Kunstwerk beurtheilt werden muß, durch Ausführung hervorstechend. (...) Den fehlte jedem Zuschauer. Mit Ende des Monats Singstücken liegt gewöhnlich keine neue Idee März wurde Fidelio zum zweitenmale, und zum Grunde, sie sind grösstentheils zu lang zwar mit Veränderungen gegeben ... In dieser

28 Gestalt machte die Oper, ungeachtet mancher Spiel lassen kann. Ein werkgerechtes Ver- Kabalen, ihr entschiedenstes Glück ... Der ständnis der einen setzt die Kenntnis der Hauch des Genies belebt das ganze Werk.» anderen voraus. Dem Hörer wird es hier nicht Allerdings wurden auch nach der Umar- anders ergehen. Was er auf der einen Seite an beitung noch immer Bedenken gegen das genialen neuen Zügen vermissen wird, sieht Libretto, oder genauer: gegen die gestörte er wettgemacht durch manche nicht weniger Balance zwischen gesprochener Prosa und überzeugende Episoden, die der Bearbeitung gesungenem Text, vorgebracht. So bezeichne- und nicht selten der Verunklärung zum Opfer te die Wiener Theater-Zeitung den Text als fielen.» «gehaltlos», die Musik hingegen als «schön»: Wie die Fassungen der Oper, so haben die «Es fehlt Hrn B. gewiß nicht an hoher verschiedenen Ouvertüren zum «Fidelio» ästhetischer Einsicht in seiner Kunst, da er Anlass zu Überlegungen über deren Wertig- die in den zu behandelnden Worten liegende keit gegeben. Eine der interessantesten Stel- Empfindung vortrefflich auszudrücken ver- lungnahmen dazu stammt von Robert Schu- steht, aber die Fähigkeit zur Uebersicht und mann, der als Zeuge eines historischen Kon- Beurtheilung des Textes in Hinsicht auf den zertes im Jänner 1840 in Leipzig, bei dem Totaleffekt scheint ihm ganz zu fehlen. Die Felix Mendelssohn Bartholdy zum ersten Mal Musik ist jedoch meisterhaft ... Vorzüglich alle vier Ouvertüren hintereinander zur Auf- gefallen das erste Duett und die zwei führung brachte, in seiner Neuen Zeitschrift Quardetten, die Ouverture hingegen mißfällt für Musik eine enthusiastische Kritik schrieb: wegen der unaufhörlichen Dissonanzen und «Dank euch, Wiener von 1805, dass euch des überladenden Geschwirres der Geigen die erste (Ouvertüre) nicht ansprach, bis durchgehends ...» Beethoven in göttlichem Ingrimme eine nach Diese geteilte Aufnahme des Librettos der anderen hervorwühlte. Ist er mir je gewal- dauert – zumindest wenn man den deutschen tig erschienen, so an jenem Abend, wo wir Sprachraum als Maßstab nimmt – im Grunde ihn besser als je in seiner Werkstatt, – bil- bis heute fort: Kaum eine andere Oper hat so dend, verwerfend, abändernd, – immer glü- viele textliche Änderungen, Umstellungen, hend und heiß, bei seiner Arbeit belauschen Weglassungen und Hinzufügungen erfahren konnten. Am riesigsten zeigte er sich wohl im wie «Fidelio». Aber auch musikalische Ein- zweiten Anlauf. Die erste Ouvertüre wollte griffe sind nicht selten. Auf der anderen Seite nicht gefallen; halt, dachte er, bei der zweiten hat es in der Zeit nach 1805 durchaus auch soll euch das Denken vergehen, – und setzte Stimmen gegeben hat, die auf die dramaturgi- sich von neuem an die Arbeit ... und sang die sche Stimmigkeit der «Ur-Leonore» hin- großen Leiden und die große Freude seiner wiesen. So schrieb etwa der deutsche Musi- Geliebten noch einmal; sie ist dämonisch, kologe Harry Goldschmidt: diese zweite, im Einzelnen wohl noch kühner «Die Geschichte der Überarbeitungen des als die dritte, die bekannte große in C dur. ist nicht die Geschichte ihrer linea- Denn auch jene genügte ihm nicht, dass er sie ren Vervollkommnung. Als sie 1814 schließ- wieder beiseite legte und nur einzelne Stücke lich in ihrer endgültigen Version den lang ver- beibehielt, aus denen er, beruhigter schon sagten Erfolg errang, war in vielem eine ande- und künstlerischer, jene dritte formte. Später re Oper zustande gekommen. (...) Welcher folgte noch jene leichtere und populäre in E dramaturgische und möglicherweise musika- dur, die man gewöhnlich im Theater zur lische Preis dafür bezahlt wurde, kann nur Eröffnung hört.» aus dem Vergleich mit der sicht- Diese Vierzahl von Ouvertüren hat schon bar werden. (...) Im Grunde genommen stellt in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts die der von 1814 weitgehend eine zweite Idee hervorgebracht, zumindest eine davon Oper neben der von 1805 dar, wäh- an einer von Beethoven dafür nicht vorgese- rend man die ausschließlich auf Kürzungen henen Stelle in der Oper als Überleitungs- berechnete zweite Fassung von 1806 aus dem stück einzufügen. Otto Nicolai scheint der

29 erste gewesen zu sein, der die Dritte Leono- gespiegelt finden. Auch scheint ein Teil des ren-Ouvertüre in die szenische Aufführung Opernpublikums noch immer an dem un- des «Fidelio» integrierte. Er platzierte sie bei gewohnten Beethovenschen Melos wenig einer Wiener Aufführung der Oper im Jahr Gefallen gefunden zu haben. Das Resümee 1841 zwischen dem 1. und dem 2. Akt, also des Kritikers lautete jedenfalls: «Das Ganze unmittelbar vor der Szene, die den im Ge- bleibt aber interessant, und für einzelne fängnis schmachtenden Florestan zeigt. Carl Schwächen entschädigen den Kenner mehre- Anschütz spielte die Ouvertüre 1849 in Am- re wahre Meisterstücke, so dass jeder unein- sterdam und in London vor dem Schlussbild, genommene Zuhörer das Haus vergnügt also an genau jener Stelle, wo sie auch heute verläßt.» Vermerkt wurde darüber hinaus, noch in vielen Theatern eingefügt zu werden dass «Hrn. Van B. ... die Ehre zu Theil pflegt. (wurde), nach dem ersten und nach dem zweyten Aufzuge hervorgerufen zu werden». Die definitive, dritte Version der Oper Immerhin deutet die Zahl von 22 Auffüh- Doch kehren wir zurück zur Geschichte rungen (eine von ihnen wurde vom deutschen der Erstaufführung(en) der Oper. Nach der Komponisten und Geiger Louis Spohr be- wenig ermutigenden Aufnahme der überar- sucht) darauf hin, dass die Oper nun vom beiteten Fassung seiner Oper schien Beet- Publikum grundsätzlich akzeptiert wurde. hoven vorerst das «Fidelio»-Projekt ad acta Noch viel positiver fiel die Aufnahme der letz- gelegt zu haben. Als sich aber 1814 erneut die ten von Beethoven selbst miterlebten «Fide- Gelegenheit ergab, das Werk nunmehr im lio»-Aufführungsserie im Jahr 1822 am Kärtntertor-Theater aufzuführen, nahm der Wiener Kärntnertor-Theater aus, bei der aller- Komponist sofort mit neuer Energie (und mit dings nicht mehr der Komponist selbst, son- einem neuen Librettisten, Georg Friedrich dern H. Umlauf am Dirigentenpult stand Treitschke) eine zweite Überarbeitung in und bei der eine Sängerin in der Rolle der Angriff und stellte sie in nur wenigen Wo- Leonore auftrat, die den Zeitgenossen trotz chen fertig. ihrer Jugend – sie war, als sie in Wien die Die Allgemeine musikalische Zeitung hebt Leonore sang, gerade erst achtzehn (!) Jahre über die Erstaufführung der dritten und defi- alt – bald als die ideale Verkörperung dieser nitiven Fassung des «Fidelio» ausdrücklich Partie erscheinen sollte: Wilhelmine Schrö- hervor, dass «die meisten Stücke lebhaft, ja der-Devrient. «Die Rolle des Fidelio», schrieb tumultuarisch beklatscht» worden seien. die Allgemeine musikalische Zeitung, «wurde Wieder erfahren wir, dass Beethovens Oper von Dlle. Schröder mit einer ... überraschen- bei ihren ersten Aufführungen in den Jahren den Geschicklichkeit gegeben, denn sie trug 1805/06 «sich keineswegs einer günstigen die durch manche schwere Intonation und Aufnahme erfreuen konnte». Auch ist von reiche Figuren des edelsten Syils ausgezeich- Widerständen gegen das Sujet der Rettungs- nete Parthie nicht allein mit schöner, frischer oper im Jahr 1814 die Rede, die von einem Teil Stimme und besonderer Präcision vor, son- des Publikums damals offensichtlich schon dern sie wusste auch ihrem Spiele einen sol- als veraltet und «abgespielt» betrachtet wurde. chen Grad von Leben zu verleihen, dass Spiel Ob wir dieses (Vor)urteil dem Bedürfnis und Gesang in schöner Eintracht verschmol- zuschreiben sollen, in der Oper permanent zen erschienen, und die nicht leichte Aufgabe Neues dargestellt zu hören oder ob dies als der Darstellung dieses Charakters von ihr auf Begleiterscheinung der politischen Restau- eine recht genügende Weise gelöst wurde.» ration in Österreich am Ende der Napoleoni- Auch Claire von Glümer schildert in ihren schen Kriege interpretiert werden muss, ist 1862 erschienenen Erinnerungen an Wilhel- schwer zu entscheiden, weil sich solche mine Schröder-Devrient sehr plastisch den gesellschaftlichen und sozialpsychologischen tiefen Eindruck, den die Sängerin bei der Überlegungen in den uns zur Verfügung ste- Aufführung in einer der Schlüsselszenen henden Quellen nur sehr bedingt wider- hinterließ: «Leonore rafft sich auf; sie wirft

30 sich zwischen den Gatten und den Dolch des «Fidelio» in Berlin Premiere. 1816 kam es zu Mörders ... die Instrumente schweigen, aber einer Reihe weiterer Aufführungen: Am der Mut der Verzweiflung ist über sie gekom- 5. Februar spielte man die Oper in Graz, am men ... Noch einmal will Pizarro sie zurück- 10. März in Karlsruhe, am 22. Mai in Ham- schleudern, da reißt sie das Terzerol aus dem burg. 1817 folgten zwei weitere Erstauffüh- Busen und hält es dem Mörder entgegen. Er rungen in Brünn und in Stuttgart. 1818 spielte weicht zurück – sie bleibt unbeweglich mit man das Werk in Danzig und in Riga, 1819 in blitzenden Augen in ihrer drohenden Stel- Elbing und in Königsberg. In diesem Jahr ist lung. Aber jetzt erschallen die Trompeten ... auch die erste Aufführung in einer Stadt Kaum vermochte sie noch mit vorgestrecktem außerhalb des deutschen Kulturkreises zu Terzerol den Verbrecher dem Ausgange zuzu- verzeichnen: Im Frühjahr 1819 wurde die treiben, da entsank ihr die Waffe, – sie war Oper in Sankt Petersburg gegeben. Mit der todesmatt von der ungeheuern Anstrengung, Aufführung in München im Jahr 1821 war die ihre Knie wankten, sie lehnte sich zurück, erste Welle der Ausbreitung des «Fidelio» ihre Hände griffen krampfhaft nach ihrem beendet. Haupte und unwillkürlich entrang sich ihrer Verhältnismäßig spät – im Jänner 1834 – Brust jener berühmte unmusikalische Schrei, führte man die Oper (in konzertanter Form) den spätere Darsteller des Fidelio aufs un- auch in Zürich auf. Umso größeres Interesse glücklichste nachgeahmt haben.» brachte man Beethovens Bühnenwerk nun im Allerdings war es nicht allein das Verdienst nicht-deutschsprachigen Ausland entgegen: von Frau Schröder-Devrient, dass die Auffüh- Im November 1828 war Amsterdam an der rung von 1814 zu einem Erfolg geriet. In sei- Reihe; am 30. Mai 1829 spielte man sie im ner Geschichte der Wiener Oper aus dem Jahr Théâtre Italien in Paris. In diesem Jahr ist 1947 berichtet Franz Farga, dass Treitschke, auch die erste nicht-deutschsprachige Auf- der Librettist der 3. Fassung des «Fidelio», führung des «Fidelio» zu verzeichnen, die am «die Regie sehr einsichtsvoll beraten» hätte. 17. September in Kopenhagen in dänischer «Bei der ersten Fassung hatte sich der Schluß Übersetzung Premiere hatte. 1832 spielte man im Kellergewölbe abgespielt, was einen düste- die Oper in Stockholm in schwedischer Spra- ren Eindruck machte. Diesmal versanken die che und 1835 kam es zu jener denkwürdigen Dekorationen, und das erst gab der ... Befrei- Aufführung an der Londoner Covent Garden ungsmusik den würdigsten Rahmen.» Opera, bei der Maria Malibran die Titelrolle verkörperte. (Gespielt wurde eine englische «Fidelios» Siegeszug im 19. Jahrhundert Version des Librettos. Die deutschsprachige durch Europa und in die USA Erstaufführung des «Fidelio» in England Wilhelmine Schröder-Devrient war die hatte drei Jahre zuvor im Londoner Haymar- erste einer Reihe von Sängerinnen, die in der ket-Theater stattgefunden.) Rolle der Leonore internationales Aufsehen Auch in den Vereinigten Staaten setzte erregte. Sie trug nicht unwesentlich zur ver- sich «Fidelio» bald durch: Die ersten Premie- hältnismäßig raschen Durchsetzung des ren (in englischer Sprache) fanden im Herbst «Fidelio» außerhalb Wiens bei. Aber schon 1839 in New York und in Philadelphia statt. vor ihrem Auftreten war die Oper – soweit wir 1841 ging in Lyon die französischsprachige wissen, in der Regel in der von Beethoven als Erstaufführung des «Fidelio» (in der Überset- definitiv erachteten Fassung von 1814 – an zung von F.H.J. Castil-Blaze) über die Bühne. einer Reihe von deutschsprachigen Bühnen Diese Fassung war bereits 1825 am Pariser gezeigt worden: Die erste Aufführung außer- Odéon geprobt worden; zur öffentlichen halb Wiens fand am 27. November 1814 in Aufführung war es jedoch nicht gekommen. Prag statt. Leipzig und Dresden folgten im Von den dreißiger und vierziger Jahren des Februar bzw. April 1815, wobei in Dresden die 19. Jahrhunderts an wurde «Fidelio» immer erste Fassung der Oper von 1805 gespielt wieder in verschiedene Sprachen übersetzt. wurde. Am 11. Oktober desselben Jahres hatte Der Wunsch nach Übersetzung entsprang auf

31 der einen Seite dem Bestreben, den Inhalt der aufzuwühlen vermöchte wie dieser . Oper möglichst allgemeinverständlich einem (...) war das erste Meisterwerk, das Publikum zu vermitteln, in dem das bürgerli- nach der auf der deutschen che Element gegenüber dem aristokratischen Opernbühne erschienen ist. Spricht man immer mehr in den Vordergrund trat – ein jedoch von populären Meisterwerken, von Argument, das auf die traditionsreichen west- deutschen Opern, .... so folgt auf die europäischen Großstädte Paris und London erst der . Zwischen möglicherweise weniger zutrifft –, auf der diesen Lieblingsopern der Nation nimmt anderen Seite spiegelte sich in ihm – wenn eine viel exklusivere, aristokratische wir an das Beispiel Budapests (1839), Prags Stellung ein.» (1870) oder Zagrebs (1898) denken, wo In München erlebte «Fidelio» im 19. Jahr- «Fidelio» in der jeweiligen Nationalsprache hundert eine Reihe von Neuinszenierungen: aufgeführt wurde – die nationalen Emanzi- Nach der bereits erwähnten ersten Auffüh- pationsbestrebungen bzw. der neu erwachte rung vom 1. Juli 1821 folgten 1841 und 1851 Nationalstolz bestimmter Völkergruppen und neue Premieren. Weitere Neuinszenierungen Staaten wieder. (Unter diesem Aspekt sind gab es 1865 und 1868. Danach wurde das auch noch einige Aufführungen des 20. Jahr- Werk erst am 30. Mai 1901 wieder neu auf hunderts zu betrachten, wie jene in Warschau den Spielplan gesetzt. Bei dieser Premiere 1919 in polnischer, in Riga 1925 in lettischer, spielte man übrigens die 3. Leonoren- in Ljubljana 1927 in slowenischer und in Ouvertüre nach dem Ende der Oper. Erst bei Bukarest 1931 in rumänischer Sprache. der Neuinszenierung von 1923 (die vom jun- In Wien scheint «Fidelio» nach der Auf- gen Hans Knappertsbusch geleitet wurde) war führungsserie von 1822 für längere Zeit keine die Ouvertüre an jener Stelle eingefügt, die Neuinszenierungen mehr erlebt zu haben. Gustav Mahler 1904 dafür ausersehen hatte. Die Oper verschwand jedoch nicht völlig vom Im Jahr 1821 war es übrigens nur zu zwei Spielplan. Aufführungen sind belegt für die Aufführungen gekommen, weil die aus Jahre 1823, 1831 bis 1838 sowie 1841 bis 1845. Weimar als Gast engagierte Sängerin der Von 1849 an stand «Fidelio» kontinuierlich Leonore danach wieder abreiste. Immerhin auf dem Spielplan. Zu einer Neuinszenierung besitzen wir eine Kritik der Zeitschrift Flora, kam es am Kärntnertor-Theater allerdings erst in der das Neue der Beethovenschen Musik wieder im Juni 1869. 1876 folgte am gleichen recht genau getroffen wurde: Haus eine weitere Premiere, bei der zwar die «Die ganze Komposition», hieß es darin, Sänger der Hauptrollen – Leonore, Florestan, «ist charakteristisch gehalten, besonders Pizarro – gleich besetzt waren, die musikali- schön sind die Chöre, der harmonische Teil sche Leitung (mit Hans Richter) in anderen und die Instrumentierung sind mit Vorliebe Händen lag und das Bühnenbild (von dem vor den Melodien behandelt. Die Stimme der berühmten Carlo Brioschi) neu gestaltet Madame Eberwein ist nicht mehr ganz wurde. Bei dieser Aufführung wurde an Stelle jugendlich, ihre Methode gehört der alten der «Fidelio»-Ouvertüre die 3. Leonoren- Schule an, ihr Spiel ist feurig und lebendig.» Ouvertüre an den Beginn der Oper gesetzt. Besonders genaue Aufzeichnungen besit- 1870 gelangte «Fidelio» in Wien anlässlich zen wir auch über «Fidelio»-Aufführungen im des 100. Geburtstages des Komponisten im 19. Jahrhundert an der Dresdener Semper- Rahmen einer viertägigen Beethoven-Feier oper. Sie beziehen sich allerdings nicht auf zur Aufführung. Der bekannte Wiener Musik- die Premieren, sondern auf die Häufigkeit des kritiker Eduard Hanslick fasste damals sein Auftauchens der Oper im Repertoire und sie Urteil über die Stellung des Werkes im belegen, dass das Werk mit erstaunlicher Wiener Musikleben in den Worten zusam- Regelmäßigkeit immer wieder aufgenommen men: wurde. Nachdem in Dresden die erste Fas- «Ich wüßte ... keine Oper, die das Gemüt sung bereits 1815 zur Aufführung gekommen des Hörers so im Innersten zu packen und war, spielte man 1823 die zweite Fassung der

32 Oper. Dirigent dieser Aufführung war Carl die Rezeption gerade dieser Inszenierung Maria von Weber (der schon die erste Auffüh- sehr stark von den Auseinandersetzungen rung des «Fidelio» außerhalb von Wien im zwischen einer Pro- und einer Anti-Mahler- Jahr 1814 in Prag geleitet hatte); die Rolle der Fraktion geprägt. Paul Stefan zufolge betrach- Leonore wurde von Wilhelmine Schröder- tete Mahler Opernaufführungen generell als Devrient gesungen. Hatte es 1823 in Dresden Gesamtkunstwerk und räumte daher der vier Aufführungen des «Fidelio» gegeben, so Regie einen wichtigen Stellenwert ein. Offen- folgte nach einer Aufführung im Jahr 1824 sichtlich griff er auch selbst sehr stark in die eine Pause von fünf Jahren, ehe die Oper Belange der Regie ein. Es war im Zusammen- 1829 wiederaufgeführt wurde. Zwischen 1832 hang mit «Fidelio», dass das berühmte Wort und 1846 wurde das Werk jedes Jahr mindes- von der Tradition als «Schlamperei» fiel. tens einmal, in der Regel aber mehrere Male An der Hofoper überlebte Mahlers Re- gespielt. Nach einer Pause im Jahr 1847 folg- form-«Fidelio» nicht sehr lange. Nach Mah- ten je zwei Aufführungen 1848 und 1852. (Ob lers erzwungenem Rücktritt als Hofopern- die dazwischen liegende Pause zu den Nach- direktor stellte sein Nachfolger Felix Wein- wehen der gescheiterten Revolution gezählt gartner die Oper 1908 auch szenisch um, ver- werden muss, entzieht sich unserer Kennt- legte das Schlussbild in einen, wie Stefan nis.) 1854 jedenfalls wurde «Fidelio» wieder schreibt, «gleichgültigen Gefängnishof», eli- gezeigt. Und von 1863 an bis zum Jahr 1933 minierte die Dritte Leonoren-Ouvertüre und gab es kaum ein Jahr, in dem die Oper nicht spielte am Beginn der Oper statt der Fidelio- mehrere Male in Dresden auf dem Spielplan die Zweite Leonoren-Ouvertüre. Auch dafür gestanden wäre. Auch in Berlin scheint die gab es, wie Weingartners Lebenserinnerun- Gesamtzahl der «Fidelio»-Aufführungen im gen zeigen, gewichtige musikalisch-drama- 19. Jahrhundert hoch gewesen zu sein. Für turgische Argumente: die Zeit zwischen 1815 und 1927 werden rund «Es versteht sich von selbst, dass ich nur 600 Aufführungen referiert. diese eine Ouvertüre zum Anfang und sonst keine mehr spiele. Da ich eine Pause nach der Mahlers denkwürdige Produktion eröffnete Kerkerszene absolut nicht zulassen konnte, «Fidelio»-Aufführungen im 20. Jahrhundert sondern im Gegenteil die rascheste Verwand- Noch bevor Richard Strauss im November lung forderte, blieb mir kein anderes Aus- 1905 in Berlin mit der Aufführung der von kunftsmittel, als auf die Rollersche Schluss- Erich Prieger rekonstruierten ersten Fassung dekoration, gegen die ich sonst gar nichts ein- des «Fidelio» von 1805 der Diskussion über zuwenden hatte, zu verzichten. Aber Beet- Beethovens Oper neue Impulse versetzte, hoven stand mir höher als eine Dekoration.» kam es an der Wiener Staatsoper unter der Die nächste Neuinszenierung des «Fide- Direktion Gustav Mahlers zu jener denkwür- lio» an der Wiener Staatsoper – wie die Hof- digen Aufführung vom Oktober 1904 an der oper nach dem Ende der Donaumonarchie Wiener Hofoper, die von ihm selbst geleitet hieß – sollte noch mehr als zwei Jahrzehnte wurde und für die Alfred Roller das Bühnen- auf sich warten lassen: Erst im Beethoven- bild beisteuerte. Mahler dirigierte Beethovens Jahr 1927 – zum hundertjährigen Todestag Oper an der Wiener Hofoper keineswegs zum des Komponisten – verzeichnen die Bücher ersten Mal. Er hatte schon in Hamburg 1891 eine neue Premiere der Oper: Dirigent war die Opernsaison mit «Fidelio» eröffnet und Franz Schalk, die Inszenierung stammte von auch hier die Dritte Leonoren-Ouvertüre vor Lothar Wallerstein, die Bühnenbilder waren dem Schlussbild platziert. 1892 dirigierte er jene Alfred Rollers. In der Titelrolle war Lotte die Oper bei einem Gastspiel des Hamburger Lehmann zu sehen; den Florestan sang Alfred Opernhauses in London. Piccaver. Die Rolle des Pizarro war mit Alfred Die Kraft und Ernsthaftigkeit der Wiener Jerger besetzt; den Rocco sang Richard Mayr. Aufführung hat bei den Zeitgenossen einen Auch hier griff man wieder auf Mahlers Lö- tiefen Eindruck hinterlassen. Allerdings ist sung zurück und schob die Dritte Leonoren-

33 Ouvertüre vor dem Schlussbild ein. Wie sich ging an der Berliner Kroll-Oper über die diese Lösung in den zwanziger Jahren über- Bühne. Dirigent und Regisseur war Otto haupt allgemein durchsetzte, weil die meisten Klemperer. Die vom Bauhaus beeinflussten Dirigenten der neuen Generation – Hans kubischen und auf alle Schnörkel verzichten- Knappertsbusch, Bruno Walter, Wilhelm Furt- den Bühnenbilder stammten von Ewald Dül- wängler, nicht aber Otto Klemperer – die Drit- berg. Welche Zeit muss das gewesen sein: In te Leonoren-Ouvertüre als «eine Art höchst diesen Tagen konnte man «Fidelio» an den komprimierter, in der Sprache absoluter Mu- beiden anderen Berliner Opernhäusern unter sik vorgetragener Aussage des Sinnes des Bruno Walter und Erich Kleiber hören! Gesamtwerkes» betrachteten, wie Furtwängler «Die Besessenheit von Cerebralmenschen 1942 in dem Aufsatz «Die Ouvertüren des hat freie Bahn», schrieb ein Kritiker über » schrieb: «Wer jemals die Ouvertüre Klemperers Inszenierung. «Der Oper ist mög- an dieser Stelle ... erlebt hat, weiß, dass es we- lichster Sinn eingebläut. Das Ensemble wun- nige Momente in der gesamten Weltliteratur derbar gedrillt. (...) Der vollendete Sieg des gibt, wo die Musik mit so elementarer Gewalt Kapellmeisters und Regisseurs über Beet- zu uns spricht.» hoven hinterläßt den Eindruck einer gefühllo- Die Wiener «Fidelio»-Inszenierung wurde sen Kuriosität.» Ein anderer befand: «Herr noch im selben Jahr nach transfe- Otto Klemperer will uns mit einem Stab riert, wo sie bis 1937 im Rahmen der Som- künstlerischer Handlanger beweisen, dass wir merfestspiele in der Felsenreitschule mit 120 Jahre lang den falsch aufgeführt, wechselnder Besetzung und unterschied- falsch ausgelegt und falsch verstanden hätten. lichen Dirigenten ununterbrochen auf dem Er gebärdet sich als ... Testamentsvollstrecker Spielplan stand. Man kann diesen «Fidelio» – Beethovens.» der hier allerdings in dem Bühnenbild von Andere, wie der berühmte Oscar Bie, Clemens Holzmeister, dem späteren Archi- äußerten sich enthusiastisch: «Klemperers tekten des Neuen Festspielhauses in den strotzt von jugendlicher Kraft. Seine 1960er-Jahren, gezeigt wurde – mit Fug und strenge und unerbittliche Persönlichkeit ... Recht als eine der erfolgreichsten Produk- spiegelt sich in seiner Musik und seiner tionen der Salzburger Festspiele in der Regie. (...) Eine wundervolle Verbindung von Zwischenkriegszeit bezeichnen. Neben Franz Kühnheit und Fleiß.» Und der Korrespondent Schalk, Clemens Krauss und Richard Strauss der Thüringer Allgemeinen Zeitung bezeich- dirigierte ab 1935 Arturo Toscanini die Oper nete die Aufführung als «reformatorische und erntete begeisterte Kritiken, wie jene des Tat». «Sie wirkte reinigend. Sie fegte Schlam- Korrespondenten der Deutschen Zeitung perei und Mimenroutine hinweg, die seit Bohemia aus Prag, der schrieb, man habe Jahrzehnten das Kunstwerk überwucherten. geglaubt, «vieles zum ersten Mal zu hören». Ein ohne theatralisches Pathos, ohne Der deutsche Schriftsteller Thomas Mann, der bombastisches Geschluchze, ... ohne natura- Zeuge der Aufführung war, empfand die listische Peinlichkeiten. (...) Von seiner Aufführung als politisches Ereignis: «Das Mission erfüllt, ... wirft Klemperer alles Tradi- Schönste war der Fidelio unter Toscanini ... tionelle aus der Bühne. (...) Joaquino und Man hat heute wieder Sinn für dieses Werk, Marzelline sind bei ihm kein albernes Ope- und wir alle fanden, es sei wie geschaffen als rettenpärchen mehr ... Pizarro tobt nicht als Festoper für einen bestimmten Tag. (Der Tag, Theaterbösewicht ... Er ist der Typus des bru- an dem Hitler gestürzt würde.)» talen Unterdrückers. (...) Die Gefangenen nicht kettenrasselnd, mit Stoppelbärten: Klemperers kontroversielle Fassung schwarze und graue Gruppen, verwachsen im Beethoven-Gedenkjahr 1927 mit den starren Würfeln des Gefängnisses, Dem Beethoven-Jahr 1927 verdanken wir scheu, geduckt.» auch eine der kontroversiellsten «Fidelio»- Zu dieser Aufführung schrieb kein Gerin- Inszenierungen der Zwischenkriegszeit. Sie gerer als Ernst Bloch in den Blättern der

34 Staatsoper und der Städtischen Oper seinen Aufführungen davon gab, dass sich Sänger berühmten Beitrag mit dem Titel «Zu Fide- fanden, ihn zu singen, Musiker, ihn zu spie- lio», an dessen Schluss es – mit Bezug auf das len, ein Publikum, ihm zu lauschen. Denn rettende Trompetensignal in der Kerkerszene welchen Stumpfsinn brauchte es, in – heißt: «Dies Signal ist ein Morgenrot, des- Himmlers Deutschland zu hören, sen Tag noch nicht gekommen ist; im Ab- ohne das Gesicht mit den Händen zu bede- glanz des Fidelio ist er mit am genauesten cken und aus dem Saal zu stürzen!» verborgen.» Nach dem Ende des Nationalsozialismus wurde «Fidelio» zur Festoper mit demokrati- «Fidelio» als nationalsozialistische schen Vorzeichen. Kaum ein Opernhaus im und dann als demokratische Festoper zerstörten Deutschland und in Österreich, das Bloch und andere ahnten noch nichts von bei seiner Wiedereröffnung nicht Beethovens der Abendröte der Weimarer Republik und Werk auf den Spielplan setzte. Die Eröff- davon, wie bald schon der Inhalt von Beet- nungsvorstellung der Wiener Staatsoper im hovens Oper ins Pomphaft-Heroische und Theater an der Wien am 6. Oktober 1945 – Pseudo-Romantische verbogen werden sollte. das Gebäude der Staatsoper war durch einen Zum ersten Mal in der Geschichte wurde Bombenangriff zerstört worden und konnte «Fidelio» im nationalsozialistischen Deutsch- erst 1955 wieder seiner Bestimmung überge- land als Festoper institutionalisiert: Als 1937 ben werden – war «Fidelio», auf einer proviso- die Nazi-Reichskulturkammer in Berlin tagte, risch rekonstruierten Bühne zu sehen. Das gab man «Fidelio». Nachdem Österreich an- dürftige Bühnenbild war aus Überresten nektiert worden war, arrangierten die neuen anderer Inszenierungen gefertigt und gab den Machthaber am 27. März 1938 in der Wiener Blick auf die Feuermauer frei; die Requisiten Staatsoper eine «Fidelio»-Festvorstellung hatte man einer «Aida»-Produktion der Volks- unter der musikalischen Leitung von Hans oper entlehnt. Und die prunkvolle Wieder- Knappertsbusch, bei der Generalfeldmar- eröffnung des Staatsoperngebäudes selbst am schall Hermann Göring persönlich anwesend 5. November 1955 ging wiederum mit «Fide- war. «Reich geschmückt mit Hakenkreuz- lio» vor sich. Furtwängler brachte «Fidelio» fahnen ... bildet die Oper ein ... eindrucksvol- 1948 bei den Salzburger Festspielen heraus. les Bild», berichtete der Völkische Beobachter Im selben Jahr wurde auch in Dresden das über das Klima der Vorstellung. Im März wiedererrichtete Große Schauspielhaus – die 1942 gab man «Fidelio» als Festvorstellung Semperoper konnte erst Jahrzehnte später anlässlich des «Geburtstages des Großdeut- wiedereröffnet werden – mit einer «Fidelio»- schen Reiches»; am 25. Mai 1944 leitete Karl Vorstellung unter Joseph Keilberth inaugu- Böhm eine «Fidelio»-Festvorstellung aus An- riert. (Der 22. September 1948 war zugleich lass des 75-Jahr-Jubiläums des Staatsopernge- der 400. Jahrestag der Gründung der Säch- bäudes. Und auch, als die neu renovierte sischen Staatskapelle.) Die Dritte Leonoren- Wiener Volksoper am 28. Oktober 1938 ihre Ouvertüre war gestrichen. Der Regisseur Pforten nach dem Anschluss wiedereröffnete, (Heinz Arnold) hatte den ersten Akt in einem wurde schon «Fidelio» aufgeführt. einheitlichen, die Atmosphäre eines Gefäng- Thomas Mann hat rückblickend zu Ende nisses widerspiegelnden Bühnenbild gestaltet der vierziger Jahre die Frage gestellt, die sich und ließ das Schlussbild oratorienhaft in ei- einem angesichts dieses eklatanten Miss- nem kahlen Raum spielen. brauchs der Beethovenschen Rettungs- und Befreiungsoper aufdrängt: «Wie durfte denn «Fidelio» als gebrochene Rettungsoper Beethovens , diese geborene Festoper mit pessimistischen Untertönen für den Tag der deutschen Selbstbefreiung, Walter Felsenstein, der für seine exempla- im Deutschland der zwölf Jahre nicht verbo- rischen Aufführungen so vieler Opern be- ten sein? Es war ein Skandal, dass er nicht kannte DDR-Regisseur, inszenierte erstaunli- verboten war, sondern dass es hochkultivierte cherweise niemals Beethovens Oper an der

35 1947 eröffneten, von ihm geleiteten Komi- noren-Ouvertüre, die vor einem hellen Zu- schen Oper im Osten Berlins. Doch schrieb er schauerraum gespielt wurde, trat der Spre- – zusammen mit Kurt Weill – das Drehbuch cher auf und erklärte, dass mit dem Duett zu einem von ihm 1956 produzierten «Fide- Leonore-Florestan «der darstellbare Teil» der lio»-Film, in dem die Gefangenen am Schluss Oper beendet sei. aus einem nationalsozialistischen KZ befreit Eine späte Renaissance erlebten die Ver- wurden. An der Komischen Oper wurde suche, den Prosatext des «Fidelio» zu bearbei- «Fidelio» erst 1997 – also viele Jahre nach der ten, in einer Stuttgarter Inszenierung des «Wende» – zum 50-Jahr-Jubiläum des Hauses Jahres 1984, bei der die Dialoge durch die von zum ersten Mal gezeigt. Regisseur dieser auf Walter Jens geschriebenen Monologe Roccos ein Bühnenbild und auf naturalistische ersetzt waren, der in der Rückschau auf die Formen des Theaters weitgehend verzichten- Ereignisse seine eigene Rolle kritisch reflek- den Inszenierung war Harry Kupfer. tierte. Das Brüsseler Opernhaus nahm diese Eine der wichtigsten «Fidelio»-Nachkriegs- Textfassung «Roccos Erzählung» auf, die nun inszenierungen in der BRD kam 1954 in auch in St. Pölten zu erleben ist. Stuttgart heraus. Regie führte Wieland Wag- Im Beethoven-Jahr 1970 erlebte «Fidelio» ner. Dieser griff zum ersten Mal sehr stark in eine Reihe von Neuinszenierungen, die aber die Dramaturgie des Stückes ein: Am Beginn allesamt keine inszenatorischen Innovationen stand die Zweite Leonoren-Ouvertüre. Sämt- brachten. Auch bei den Wiener Festwochen liche Dialoge – mit Ausnahme des Melodram- wurde eine neue Produktion vorgestellt, bei textes im ersten Bild des zweiten Aktes – wa- der Otto Schenk Regie führte. Aufmerksam- ren gestrichen. Stattdessen trat ein Sprecher keit hat diese Produktion erregt, weil Leonard auf und trug Überleitungstexte vor. (In seiner Bernstein sie durch sein Dirigat adelte. Diese zweiten Inszenierung der Oper in Brüssel Inszenierung bildet auch heute noch Teil des retablierte Wagner die Dialoge wieder, unter- Repertoires der Wiener Staatsoper. zog sie jedoch einer sprachlichen Vier Jahre später wagte die Bremer Oper Modernisierung.) Szenisch basierten beide einen neuen Versuch, an die Experimente der Produktionen auf einer schräg gestellten sechziger Jahre anzuknüpfen: Regie führte Scheibe, die von Gittern umgrenzt war, Nikolaus Lehnhoff. Wiederum waren die wodurch die oratorienhaften Züge des Werkes Dialoge gestrichen; Hans Magnus Enzens- hervorgehoben wurden. berger verfasste neue Texte, die die Handlung Noch weiter gingen 14 Jahre später der kommentierten. Sie wurden von einem Spre- Regisseur Ulrich Melchinger und der Dirigent cher vorgetragen, der in der ersten Reihe des Gerd Albrecht in Kassel: Gestrichen wurden Publikums saß und im Schlussbild als Minis- in dieser Produktion nicht nur die Dialoge ter auf die Bühne trat, um sich mit dem in (samt dem von Wagner noch beibehaltenen Weiß gekleideten Chor zu vereinigen, der die Melodram der Kerkerszene), sondern auch utopische Menschheit repräsentierte. das Eröffnungsduett Marzelline-Jaquino und Mit Achim Freyers Frankfurter «Fidelio»- Roccos «Gold»-Arie. An die Stelle der Dialoge Inszenierung von 1976, die von Christoph traten politische Gedichte des 20. Jahrhun- von Dohnányi dirigiert wurde, begann eine derts, von Nelly Sachs, Apollinaire, Bert Zeit der pessimistischen Deutungen von Brecht und anderen. Ein Jahr darauf, 1969, Beethovens Rettungsoper. In Freyers eigenen strich Kurt Horres in seiner Wuppertaler Worten: «Das rote Tuch, das die Tristesse des «Fidelio»-Inszenierung zwar die Texte nicht, Kerkeralltags überdeckt, schlägt beim Auftritt er veränderte aber ihren Kontext: Manche des Ministers in die alte Welt um. Die Tat des Prosastellen wurden, von Schauspielern Einzelnen wird an ihm vorbei glorifiziert. gesprochen, als gleichsam «innere» Monologe Befremdung. Die neue alte Macht ist instal- von einem Tonband zugespielt. Auch hier trat liert.» ein Sprecher auf. Das Schlussbild wurde als 1977 führte Gottfried Wagner in Bonn Oratorium aufgeführt: Vor der Dritten Leo- Regie. Bei dieser Aufführung wurde – wie des

36 öfteren im 19. Jahrhundert – die Dritte Leo- noren-Ouvertüre am Schluss der Oper ge- spielt, um – wie Wagner betonte – «auf einer anderen Sprachebene klarzustellen, dass das Finale dieser Oper nicht etwas ist, was uns tat- sächlich in der gesellschaftlichen Praxis zuteil geworden ist». Eine der interessantesten Inszenierungen der letzten Zeit fand – nicht nur wegen der welthistorisch bedeutsamen Begleitumstände der Premiere am 7. Oktober 1989, einen Tag vor den großen Demonstrationen in den Straßen der Stadt – in Leipzig statt. Die Regisseurin dieser Aufführung, Christine Mielitz, hatte keine grundlegenden textlichen oder musikalischen Umstellungen an der Oper vorgenommen, aber den Versuch ge- wagt, zu zeigen, dass in einer als Gefängnis organisierten Gesellschaft Täter wie Opfer deformiert sind: Rocco ist als gemütlicher Handlanger charakterisiert, der «nur seine Pflicht» tut; der opportunistische Jaquino stellt gewalttätige Besitzansprüche an Mar- zelline. Der angereiste Minister geriert sich unter dem Zwang der Ereignisse als Befreier. Pizarro wird nicht verhaftet, sondern schleicht sich davon. Er könnte wiederkom- men. Hoffnung wird einzig von den beiden Frauen verkörpert. Wie ein Abgesang an die untergehende DDR-Gesellschaft mutet diese Inszenierung an. Sie war von der Regisseurin mit großem Mut zu einem Zeitpunkt konzipiert worden, als das rasche Ende des «realen Sozialismus» noch lange nicht absehbar war. Und doch ist ihr mehr gelungen: eine packende zeitgemä- ße Auseinandersetzung, die Beethovens Werk keine Gewalt antut, sondern – im Gegenteil – dem humanistischen Geist des Komponisten jene Treue bewahrt, die nur von den besten «Fidelio»-Inszenierungen der letzten 190 Jahre erreicht wurde.

37 Ludwig van Beethoven. Porträt von Willibrord Joseph Mähler, 1804/05. Historisches Museum der Stadt Wien

38 Vergangenheitsforscher mit Aktualitätssinn Ab 1950 gehörte Jens zur «Gruppe 47» und in diesem Jahr gelang ihm auch der Walter Jens, geboren 1923 in Hamburg, stu- Durchbruch als Erzähler mit dem Roman dierte klassische Philologie und Germanistik «Nein. Die Welt der Angeklagten». Ein in Hamburg und Freiburg/Breisgau. Er pro- Kennzeichen seines literarischen Werkes ist movierte mit einer Arbeit zur Sophokleischen es, durch Rückgriffe auf Probleme der Ver- Tragödie. 1962 bis 1989 war er Inhaber eines gangenheit das aktuelle Geschehen zu inter- Lehrstuhls für Klassische Philologie und all- pretieren. Zu seinen Werken zählen des gemeine Rhetorik in Tübingen. 1976 bis 1982 Weiteren: die Erzählungen «Der Blinde», führte Walter Jens als Präsident das PEN- «Das Testament des Odysseus» und «Der Fall Zentrum der Bundesrepublik Deutschland. Judas», die Romane «Vergessene Gesichter» Von 1989 bis 1997 fungierte er als Präsident und «Der Mann, der nicht alt werden wollte», der Akademie der Künste zu Berlin, deren das Drama «Die Friedensfrau» und der Essay Ehrenpräsident er inzwischen ist. «Statt einer Literaturgeschichte». Walter Jens verfasste zahlreiche belletristi- 1988 erhielt Walter Jens den Alternativen sche, wissenschaftliche und essayistische Georg Büchner-Preis. Jens setzte sich sein Bücher, Hör- und Fernsehspiele sowie unter ganzes Leben lang für seine politischen dem Pseudonym Momos in der Wochen- Standpunkte ein. So versteckte er während zeitung «Die Zeit» Essays und Fernsehkriti- des Golfkriegs 1990 in seinem Haus deser- ken. Er arbeitete außerdem als Übersetzer der tierte US-Soldaten. Er ist Mitglied im Beirat Evangelien und des Römerbriefes. der Humanistischen Union.

39 Gabriele Maria Ronge

zählt zu den bedeutenden dramatischen Sopranistinnen des deutschen Fachs. Die Leonore in «Fidelio», eine ihrer Paradepartien, sang sie an den größten Häusern wie der Wiener Staatsoper, der Deutschen Staatsoper Berlin, der Bayerischen Staatsoper München (unter der Leitung von Zubin Mehta), am Teatro Carlo Felice Genua (unter Lorin Maazel), an der Semperoper Dresden, am Teatro la Fenice Venedig sowie bei den Bregenzer Festspielen. Gabriele Maria Ronge wurde als Tochter deutsch- französischer Eltern in Hannover geboren, studierte Romanistik und Anglistik an der Universität Göttingen und begann gleichzeitig mit der Gesangsausbildung. Der Sender Freies Berlin wurde auf ihre stimmliche Begabung aufmerksam und produzierte mit ihr zahlreiche Aufnah- men wenig bekannter Opernkompositionen. Von Wolfgang Sawallisch wurde die Künstlerin an die Bayerische Staatsoper München berufen, wo sie in Partien wie der Agathe, Eva, Jaroslawna und der Freia zu hören war. Ihre internationale Opernkarriere führte die Sopranistin in Partien wie der Marschallin, Salome, Brünnhilde, Senta, Gutrune und Elisabeth unter anderem an die Mailänder Scala, die Staatsoper Hamburg, die Oper Zürich, die Grand Opéra de Paris und zum Festival in Orange. In einer Open Air-Produktion in der Regie von Werner Herzog sang sie die Senta. Als Konzertsängerin war Gabriele Maria Ronge im Herkulessaal und im Gasteig München, in den Philharmo- nien Berlin (u. a. in Mahlers 8. Sinfonie mit den Berliner Philharmonikern unter Bernard Haitink), Hamburg und Köln, im Gewandhaus Leipzig, in Madrid, Rom und Paris zu hören. Zu den Dirigenten, mit denen die Sängerin zusam- menarbeitete, zählen Riccardo Muti, Michael Gielen, Horst Stein, Sylvain Cambreling, Michel Plasson und Daniele Gatti. Auf CD ist die Sängerin als Sieglinde und Gutrune, mit dem Schlussgesang der Brünnhilde, in Zemlinskys «Traumgörge» und Mahlers 2. Sinfonie zu hören.

40 Kurt Rydl gilt als einer der herausragenden Bassisten unserer Zeit. Der geborene Wiener studierte in seiner Heimatstadt und in Moskau Gesang. Wettbewerbssiege in Barcelona und Paris lösten nach ersten Engagements in Linz und Stutt- gart eine erfolgreiche Laufbahn als Opern- und Konzert- sänger aus, die Rydl mit den wichtigsten Dirigenten, Orchestern und Sängerkollegen sowie an die bedeutend- sten Bühnen in aller Welt führte. Dabei singt er bis zu 100 Vorstellungen pro Saison. Seit 1976 ist Kurt Rydl ständi- ges Mitglied der Wiener Staatsoper, die ihn 1986 zum Kammersänger und 1999 zu ihrem Ehrenmitglied ernann- te. Kurt Rydl zählt zu den gern gesehenen und gehörten Künstlern der Festspiele von Salzburg, Bayreuth, Verona, Bregenz, Edinburgh und München. Das bemerkenswerte Opernrepertoire des Basses umfasst mehr als 80 Partien des deutschen, italieni- schen, französischen, russischen und tschechischen Fachs. Das Konzertrepertoire reicht von Werken Mozarts bis Pendereckis, Beethovens bis Mahlers. Als echter Wiener pflegt Kurt Rydl aber auch das Wiener Lied. Weiters ist er mit Musical-Songs zu hören. Auf mehr als 30 CD-Aufnahmen kann man sich von der Qualität von Kurt Rydls Stimme überzeugen. Mit den 3 Tenören und anderen Weltstars wurde auf seine Initiative hin die CD «Weihnachten der Weltstars» pro- duziert. Im Jahr 2001 wurde Kurt Rydl mit dem Österreichi- schen Ehrenkreuz 1. Klasse für Kunst und Wissenschaft ausgezeichnet.

41 Aki Alamikkotervo

singt als Mitglied der Finnischen Nationaloper Partien wie den Nemorino in Donizettis «Liebestrank», den Basilio in Mozarts «Hochzeit des Figaro», den Nick in Puccinis «Mädchen aus dem Goldenen Westen», den Pirelli in Sondheims «Sweeney Todd», den Bob Boles in Brittens «Peter Grimes», den Belfiore in Rossinis «Il viaggio a Reims» und den Florestan in Beethovens «Fidelio». Eine breite Öffentlichkeit wurde auf den Tenor aufmerksam, als er für seine Darbietung als Pedrillo in einer Produktion von Mozarts «Entführung aus dem Serail» im Opernhaus von Pori in Finnland zum Opern- solisten des Jahres 1997 gewählt wurde. Auftritte beim Savonlinna-Opernfestival als Beppo in Leoncavallos «Bajazzo» und als Pang in Puccinis «Turandot» schlos- sen sich an. Der am Konservatorium von Oulu, am Opernstudio der Finnischen Nationaloper und weiters in Italien bei Paolo Silveri ausgebildete Tenor tritt auch regelmäßig als Konzertsänger in Erscheinung. Dabei ist er u. a. in Aufführungen von Mozarts und Verdis Requiem, Orffs «Carmina burana», Beethovens Neunter Symphonie und in den Bach-Oratorien zu hören.

42 Rainer Zaun wurde in Wiesbaden geboren und studierte am Peter Cornelius-Konservatorium Mainz. Sein erstes Engage- ment führte ihn ans Hessische Staatstheater seiner Heimatstadt, anschließend war er Ensemblemitglied des Theaters Aachen. Gastverträge führten den Sänger an die Hamburgische Staatsoper, die Deutsche Oper am Rhein, an das Nationaltheater Mannheim, das Staatstheater Hannover sowie nach Antwerpen, Athen, Paris, Lissabon, Wien, Sevilla, Japan und in die USA, wo er an der San Francisco Opera debütierte. Die Partie des Don Pizarro sang Rainer Zaun erstmals bei den Festspielen von Bad Hersfeld und erhielt hierfür den Hersfelder Opernpreis. Zu seinen weiteren Partien gehören der Leporello in Mozarts «Don Giovanni», der Bartolo in Rossinis «Barbier von Sevilla», der Boris Godunow in Mussorgskis Oper, der Mephisto in Gounods «Faust», der Alberich in Wagners «Ring des Nibelungen» und der Escamillo in Bizets «Carmen».

43 Katharina Kovacˇicˇ

wurde als Tochter steirischer Eltern in Pfullendorf gebo- ren und wuchs in Sigmaringen auf. Nach der Schulzeit studierte sie Schauspiel und Gesang am Konservatorium der Stadt Wien. Weitere Studien führten sie zu Sebastian Vitucci, Jessica Cash, Adelheid Pillmann und Kammer- sängerin Hilde Zadek. Bereits während der Ausbildung spielte und improvisierte Katharina Kovacˇicˇ am Theater der Jugend, sang und bewegte sich mit dem Tanztheater Homunculus und unternahm mit dem Neuen Wiener Ensemble und den Rounder Girls Gastspielreisen. Die Sängerin konzertierte u.a. mit dem Ensemble Pierrot Lunaire und zusammen mit Musikern wie HK Gruber und Ernst Kovacic an Orten wie dem Wiener Musikverein, dem Wiener Konzerthaus, im Festspielhaus St. Pölten, im Schloss Grafenegg und im Arnold Schoenberg-Center. Als Opernsängerin war sie unter anderem in Purcells «Dido and Aeneas» und in der «Hochzeit des Figaro» bei der Oper Klosterneuburg. Gastengagements hatte sie unter anderem in Sankt Petersburg. Ihre Liederabende mit deutschem und französischem Lied umspannen ein Repertoire von der Barockmusik bis zu zeitgenössischer Musik.

44 Anton Graner ist ausgebildeter Koch und Konditor und finanzierte sich durch die Ausübung seines Berufes eine Ausbildung zum Sänger, die ihn an die Universität für Musik in Wien führ- te, wo er Gesangspädagogik studierte. Opernengagements brachten den Tenor an die Neue Oper Wien (Alfred Schnittkes «Faust»), das Wiener Schauspielhaus (Händels «Acis und Galathea» unter der Leitung von Martin Haselböck), zu den Grazer Festwochen (Tamino in Mozarts «Zauberflöte»), zu den Wiener Festwochen («Die Feuersbrunst» von Haydn im Odeon) und an das Wiener Konzerthaus (Belmonte in Mozarts «Entführung» in einer Kinderproduktion). 2003 wurde Anton Graner an das Stadttheater St. Gallen engagiert, wo er seither Partien wie den Basilio in Mozarts «Hochzeit des Figaro», den Cassio in Verdis «Otello», den Don Ottavio in Mozarts «Don Giovanni», den Fenton in Nicolais «Lustige Weiber von Windsor» und den Graf Zedlau in Strauß’ «Wiener Blut» sang. Als Konzertsänger hatte Anton Graner u. a. Auftritte bei der Silvestergala 2002 am Wiener Rathausplatz, im Wiener Konzerthaus mit Rossinis «Stabat Mater» und in Bratislava mit Haydns «Schöpfung».

45 Ralf Sauerbrey

studierte zunächst Romanistik, Musikwissenschaft und Klavier, verlagerte dann den Schwerpunkt aber auf die Ausbildung seiner Stimme. Seine Lehrer waren Gianni Raimondi, Carlo Bergonzi, Hans Hotter, Sherill Milnes und Kurt Rydl. Ralf Sauerbrey errang zahlreiche Wettbe- werbspreise, darunter den ersten Preis beim Gesangs- wettbewerb von Taranto/Italien. Seine Sängerkarriere führte Sauerbrey in Partien wie Scarpia, Escamillo, Amonasro, Nabucco, Vater Germont und Graf Luna an renommierte Opernhäuser wie die Staatsoper Prag, das Staatstheater Schwerin und das Ukrainische National- theater Odessa. Auch als Konzertsänger ist Ralf Sauerbrey mit einem Repertoire von Haydns Messen über Beethovens Neunte Symphonie bis zum Deutschen Requiem von Brahms und der Lyrischen Symphonie von Zemlinsky im internationalen Musikleben präsent.

46 Miguel Herz-Kestranek ist als Bühnen- und Filmschauspieler, Entertainer, Kabarettist, Schriftsteller und Filmemacher bei einem breiten Publikum bekannt und beliebt. Bisher hat der Schauspieler 120 internationale TV- und Filmrollen und mehrere Dutzend Theaterrollen gespielt. Der Absolvent des Reinhardt-Seminars trat unter anderem am Wiener , am Theater in der Josefstadt und bei den Salzburger Festspielen auf. Seit seinem Debüt als Prof. Higgins in «My fair Lady» ist Miguel Herz-Kestranek auch als Musicaldarsteller erfolg- reich. 1985 wurde Miguel Herz-Kestranek vom Publikum in einer Umfrage der größten österreichischen Tages- zeitung zum beliebtesten österreichischen «Tatort»- Kommissar gewählt. Er war auch in Dutzenden anderen TV-Serien wie «Goldene Zeiten», «SOKO», «Eurocop», «Klinik unter Palmen», «Schlosshotel Orth», «Der Bulle von Tölz» und «Kommissar Rex» zu sehen. Außerdem drehte er viele Fernsehspiele mit Regisseuren wie Xaver Schwarzenberger und Axel Corti und spielte in mehreren internationalen Produktionen wie zum Beispiel den Hans von Bülow in der internationalen Richard Wagner-Serie an der Seite von Richard Burton und Vanessa Redgrave. 1993 gründete er den Verband Österreichischer Film- schauspieler, den er aufbaute und als Präsident leitete. Als Autor und Herausgeber hat er acht Bücher veröf- fentlicht. Seit März 2000 ist Miguel Herz-Kestranek Vize- präsident des Österreichischen P.E.N. Club. Außerdem gehört er als Kuratoriumsmitglied dem Dokumentations- zentrums des Österreichischen Widerstandes und als Mitglied der deutschen und der österreichischen Gesell- schaft für Exilforschung an. Er gestaltete für ORF und 3sat die literarische Filmdokumentation über österrei- chische Emigranten in Israel («Vergiss das Wort, vergiss das Land»). Als engagierter Europäer ist Miguel Herz- Kestranek Beiratsmitglied der Österreichischen Gesell- schaft für Europa-Politik. Besonders beliebt sind Miguel Herz-Kestraneks Advent-Veranstaltungen in Bad Ischl und Wien. 2000 wurde der Künstler mit dem Österreichischen Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst ausgezeichnet.

47 Katharina Strommer

stammt aus Niederösterreich und studierte in Wien Publizistik und Musikwissenschaft. Bereits während ihrer Studienzeit arbeitete sie als Regieassistentin unter anderem für die Oper Klosterneuburg. Außerdem absol- vierte sie Praktika in verschiedenen Abteilungen der Wiener Staatsoper, wo sie seit der laufenden Saison als Regieassistentin und Abendspielleiterin tätig ist. Katharina Strommer arbeitete bisher mit Regisseur/ inn/en wie Marco A. Marelli, Karoline Gruber, Nikolaus Büchel, Matthias Lutz und mit Dirigent/inn/en wie Fabio Luisi, Daniele Gatti, Simone Young, Seiji Ozawa und Marco Armiliato zusammen. Ihr Regiedebüt gab sie 2004 mit einer Silvesterproduktion von Johann Strauß’ Operette «Die Fledermaus».

Herbert Baireder

aus Wien ist seit zwei Jahrzehnten im Bereich Licht- und Bühnentechnik tätig. An der Hochschule für Musik und darstellende Kunst Wien (Abteilung Oper, Operette, Musical) und am Reinhardt-Seminar war Baireder u. a. mit der Leitung Lichttechnik und Lichtgestaltung der Studien- produktionen betraut. Danach war er in der freien Theaterszene und als technischer Leiter der Theater m.b.H. Wien tätig. Er wirkte außerdem in Produktionen des Donaufestivals und des Festivals Glatt und Verkehrt, bei Filmen und bei freien Opernproduktionen als Techniker und Lichtgestalter mit. Seit 2003 ist Herbert Baireder leitender Beleuchtungsmeister des Festspiel- hauses St. Pölten. In seinen Aufgabenbereich fielen und fallen die Betreuung und Lichtgestaltungen für Tanz- produktionen der abcdancecompany (u. a. «Zauber- nacht») und internationaler Kompanien, Produktionen der Tonkünstler und zahlreicher U-Musik-Konzerte.

48 Kristjan Järvi, der Chefdirigent des Tonkünstler-Orchesters, wurde in Tallinn in Estland geboren, übersiedelte aber schon als Kind mit seiner Familie nach New York, wo er musikalisch in der vielfältigen Szene Manhattans aufwuchs. Er studierte an der Manhattan School of Music Klavier (bei Nina Swetlanowa) und Dirigieren, sein Interesse erstreckte sich aber über den klassischen musikalischen Bereich weit hinaus. Dank seiner europäischen Herkunft und seiner Ausbildung in Amerika verkörpert er in seinem musikalischen Wirken gleichzeitig die Alte und die Neue Welt. Diese Dualität kommt auch in seiner Doppelfunktion als Chefdirigent der Tonkünstler und des 1993 von ihm in New York gegründeten Absolute Ensembles zum Ausdruck. Mit dem Absolute Ensemble pflegt Järvi Musik vom Barock bis zum Rock und gastiert regelmäßig bei den wichtigsten Festivals und in den Musikzentren rund um die Welt. CD-Aufnahmen Järvis mit dem Absolute Ensemble wur- den für den Grammy Award nominiert und mit dem Preis der Deutschen Schallplattenkritik ausgezeichnet. Das neueste Album des Ensembles lau- tet «Arcanum». Als Orchesterdirigent wirkte Järvi drei Jahre als Assistent bei Los Angeles Philharmonic, mit dem er in der Hollywood Bowl debütierte, und vier Jahre lang als Chef des Norrlands-Opernhauses und -Symphonieor- chesters im schwedischen Umeå. Er konzertiert als Gastdirigent mit renommierten Klangkörpern wie dem Russischen Nationalorchester, den Bamberger Symphonikern, dem Leipziger Gewandhausorchester, dem Royal Philharmonic Orchestra London, dem BBC Philharmonic Orchestra, dem Hallé-Orchestra, dem Budapest Festival Orchestra und dem RSO- Berlin. Er dirigiert dabei Werke der Wiener Klassik ebenso wie große Symphonik der Romantik und des 20. Jahrhunderts sowie Neue Musik (er leitete Uraufführungen von Erkki-Sven Tüür, Peeter Vähi und Werke von Arvo Pärt). Als Operndirigent wird Järvi in nächster Zeit Produktionen bei den Bregenzer Festspielen und an der Cincinnati Opera («Nixon in China» von John Adams) sowie in der kommenden Saison auch wieder im Festspielhaus St. Pölten leiten. Die New York Times beschrieb Kristjan Järvi als «technisch gewandten Dirigenten mit Beweglichkeit, sprühender Bühnenpräsenz – mit einer Mähne blonder Haare – immer mit einem schelmischen Blick, der zu verra- ten scheint, wie sehr er es genießt, Konventionen zu sprengen.»

49 Das Tonkünstler-Orchester Niederösterreich

zählt zu den wichtigsten Institutionen der traditionellen österreichischen Musikkultur und geht gleichzeitig seit einigen Jahren unkonventionelle Wege in die Orchester- zukunft.

50 Traditionell ... Unkonventionell ... … ist an diesem Orchester allein schon der Name, der … sind nicht nur alternative Programmwege, sondern auf eine historische musikalische Einrichtung zurück- auch die Initiativen, neue Publikumsschichten einzube- geht: Die Tonkünstler-Sozietät war die älteste musikali- ziehen. Das Repertoire der Tonkünstler wird ständig sche Gesellschaft in Wien, die bereits zur Zeit Mozarts erweitert, sowohl um zeitgenössische Werke, als auch um und Haydns Konzerte veranstaltete. Der Name lebte in Raritäten vom 18. bis ins 20. Jahrhundert. Jedes Pro- dem Anfang des 20. Jahrhunderts gegründeten Verein gramm ist von einer bestimmten inhaltlichen Idee Wiener Tonkünstler-Orchester weiter. Das erste Konzert geprägt. Es werden neue Genres einbezogen, neue fand am 10. Oktober 1907 im Musikverein unter den Musizierformen in Zusammenhang mit außergewöhn- Dirigenten Oskar Nedbal, Hans Pfitzner und Bernhard lichen Solisten und Ensembles gesucht und kreative Stevenhagen mit Werken von Goldmark, Grieg, Liszt und Konzepte verwirklicht. Als erstes Orchester in Österreich Beethoven statt (ein Programm, welches im Rahmen des haben die Tonkünstler eine Abteilung für Musik-Ver- 100jährigen Bestandsjubiläums in der Saison 2007–08 mittlung eingerichtet. In Workshops bereiten Musiker- wieder zu erleben sein wird). Sehr beliebt wurden beim innen und Musiker des Orchesters Schulklassen auf Wiener Publikum die Sonntagnachmittagskonzerte des Konzerte und Musiktheateraufführungen vor. Tonkünstler-Orchesters. Doch während des Ersten Welt- kriegs mussten die Tonkünstler aus materiellen Gründen Die Residenzen ... mit dem Wiener Concertverein fusionieren. … des Orchesters liegen in Wien und Niederöster- An die Tonkünstler-Tradition anknüpfend, wurde reich. In Wien finden die Abonnementkonzerte der drei 1946 dem Niederösterreichischen Landes-Symphonie- Tonkünstler-Zyklen im Musikverein statt, wo das Orchester der Name Niederösterreichisches Ton- Orchester mit dem Gläsernen Saal auch über einen künstler-Orchester gegeben und die Reihe der Sonntag- exzellenten Probenraum verfügt. Ihre niederösterrei- nachmittagskonzerte wieder ins Leben gerufen. Den chische Residenz haben die Tonkünstler im zukunfts- Chefdirigenten Kurt Wöss (bis 1951), Gustav Koslik (bis weisenden Kulturbau des Festspielhauses St. Pölten mit 1964), Heinz Wallberg (bis 1975), Walter Weller (bis zwei eigenen Abonnementzyklen und Musiktheater- 1978), Miltiades Caridis (bis 1988), Isaac Karabtchevsky produktionen. 2007 beziehen die Tonkünstler ihre neue (bis 1994), Fabio Luisi (bis 2000) und Carlos Kalmar (bis Sommer-Residenz auf Schloss Grafenegg, wo das Areal 2003) folgte 2004 Kristjan Järvi. Michail Jurowski um eine Open Air-Bühne und einen Konzertsaal erwei- bekleidet die Position des Ersten Gastdirigenten. Als tert wird. Im Rahmen des Kulturauftrags als niederös- Gäste standen bedeutende Musiker wie Clemens Krauss, terreichisches Landesorchester gastieren die Tonkünst- Paul Hindemith, Arvid und Mariss Jansons, Zubin Mehta, ler in Baden und Wiener Neustadt und im Rahmen der Christoph von Dohnányi, HK Gruber und Jeffrey Tate am Serie von Neujahrskonzerten in zahlreichen Orten des Pult der Tonkünstler. Prominente Solistinnen und Landes Niederösterreich. Die internationale Tournee- Solisten wie Arthur Grumiaux, Leonid Kogan, Wolfgang tätigkeit wurde mit Konzertreisen nach Großbritannien, Schneiderhan, Mstislaw Rostropowitsch, Heinrich Schiff, Spanien und in die baltischen Staaten intensiviert. Alfred Brendel, Rudolf Buchbinder, Grigorij Sokolow, Edita Gruberova, Agnes Baltsa und Christa Ludwig kon- Aufnahmen ... zertierten mit dem Orchester. In der Programmgestal- … auf CD spiegeln die traditionelle wie unkonventio- tung bildet die Musik der klassischen Komponisten nelle Seite des Orchesters wider. So liegen Einspielungen Haydn, Mozart und Beethoven sowie der romantischen mit Werken von Schubert, Pleyel, Bruckner, Mahler, Epoche von Schubert über Brahms bis Bruckner und Richard Strauss und Johann Strauß vor. Mit Kristjan Järvi Mahler eine der Säulen. entstehen Neuaufnahmen mit Werken von Haydn, Beet- hoven, Mahler und Franz Schmidt, aber auch von HK Gruber, Steve Reich und Leonard Bernstein.

51 Der Chor Ad Libitum wurde 1993 von Heinz Ferlesch gegründet und besteht dieser Entwicklung waren eine Aufführung der e-moll derzeit aus ca. 60 Sänger/inne/n. 1995 erhielt der Chor Messe von Bruckner im Rahmen des Brucknerfestes Linz als erstes österreichisches Ensemble die Möglichkeit, im Alten Dom sowie Aufführungen der «Schöpfung» die Palmsonntagsliturgie am Petersplatz in Rom mitzuge- Haydns. stalten. Neben der Pflege klassischer Chorliteratur war Heinz Ferlesch erhielt seine musikalische Ausbildung und ist es dem Chor auch ein Anliegen, ausgefalleneres am Bruckner-Konservatorium Linz, an der Musikuniver- Repertoire zu pflegen. So führte er als erster Laienchor sität Wien und am Konservatorium der Stadt Wien. 1993 den «Canto General», ein Oratorium von Mikis Theodo- gründete er in seiner Heimatstadt St. Valentin den Chor rakis (u. a. auf Kreta und beim «Voestival» in Linz unter Ad Libitum und 1997 den Damenkammerchor Chorus dis- der Leitung des Komponisten) auf. Ebenfalls beim cantus. Seit 1998 leitet Heinz Ferlesch die Wiener Voestival begeisterte der Chor unter der Leitung von Singakademie. Weiters ist er Gründungsmitglied der Ennio Morricone mit weltbekannter Filmmusik. 2002 Vokalakademie Niederösterreich und Initiator der brachte der Chor im Brucknerhaus Linz zusammen mit Vokalwoche Melk. Seit 2002 unterrichtet er an der dem Bruckner-Orchester Linz eine Operette von Igor Universität für Musik Wien das Fach Vokalensemble. Hofstetter zur Aufführung. Heinz Ferlesch arbeitete mit international renommierten Darüber hinaus widmet sich der Chor besonders der Klangkörpern und mit bekannten Dirigenten wie Kent Pflege der A-Cappella-Literatur. Mit Meisterwerken wie Nagano, Franz Welser-Möst, Ton Koopman und Helmuth Händels «Messias», J. S. Bachs «Magnifikat», der c-moll- Rilling zusammen. Messe und dem Requiem Mozarts wurden in den letzten Jahren aber auch verstärkt oratorische Chor-Orchester- werke erarbeitet und dargeboten. Bisherige Höhepunkte

52 Der a-cappella-chor tulln wurde 1980 aus einer Gemeinschaft musikbegeisterter Der Chor hat erfolgreich an internationalen Wettbewer- Tullner Jugendlicher gegründet. Als Höhepunkte ragen ben wie in Tampere/ Finnland, beim Cork International aus der nun schon ein Vierteljahrhundert umspannenden Choral Festival/Irland, beim Wettbewerb Orlando di Lasso Konzerttätigkeit Aufführungen von Haydns Oratorien, in Rom und am Concorso Corale Internationale in Riva del Mozarts Requiem, Bachs Johannes-Passion und Weih- Garda teilgenommen und ersang dabei zahlreiche Gold- nachtsoratorium, Mahlers 8. Symphonie und Brahms’ und Silbermedaillen. Deutschem Requiem (beide im Festspielhaus St. Pölten), Gottfried Zawichowski aus Tulln studierte Musikpäda- Martins Messe für 2 vierstimmige Chöre (im Wiener gogik an der Hochschule für Musik in Wien. Seit 1983 lei- Stephansdom), Orffs «Carmina Burana» und Bernsteins tet er den a-cappella-chor tulln, seit 1984 ist er Referent «Chichester Psalms» (im Wiener Musikverein), Händels und Organisator zahlreicher Singwochen, Chorleiterkurse «Messias» (gemeinsam mit der Capella Leopoldina) und und Fortbildungsseminare für Musikerzieher. Er leitet die Pärts «Credo» (beim Donaufestival zusammen mit den Musikfabrik Edelhof, den größten niederösterreichischen Tonkünstlern) heraus. Mit der «Staatsoperette» von Otto Sommerkurs für vokales und instrumentales Musizieren, M. Zykan in Zusammenarbeit mit HK Gruber und den und die Musikfabrik NÖ, richtet das Festival «Musik Tonkünstlern ging der Chor auf Tournee. aktuell – neue Musik in NÖ» aus und gestaltet Musiksen- Der a-cappella-chor tulln, dessen Mitglieder alle Laien dungen im ORF («So singt man in Niederösterreich», sind, hat sich unter der Leitung von Gottfried Zawi- «Tonkünstler»). Zawichowski wurde mit dem Kulturpreis chowski der Vielfalt verschrieben. Es wird jede Art von des Landes NÖ und dem Bundesehrenzeichen der Repub- Chormusik gesungen. Besonders gern widmet man sich lik Österreich ausgezeichnet. der barocken Musik sowie der Chormusik des 20. Jahr- hunderts. So werden auch Kompositionsaufträge erteilt.

53 Der Männergesangsverein Ybbs 1850 ist der älteste aktive Männergesangsverein in Nieder- als Chorleiter beim Sängerbund für Wien und Nieder- österreich. In der langen Vereinsgeschichte gab es 1998 österreich sowie beim Kärntner Sängerbund. 1998 wurde durch die Bestellung von Josef Hofbauer zum Chorleiter ihm die Leitung des Männergesangsvereins Ybbs übertra- und von einem fünfköpfigen Management einen wichtigen gen. Zwölf Jahre lang leitete Josef Hofbauer auch das Schritt für die Weiterentwicklung des Chores. Viele neue Männerensemble XYZ, mit dem er CDs produzierte und Ideen, eine neu gewonnene Flexibilität und die Unter- Tourneen durch Europa und die USA (1992 im Rahmen der stützung aller Sänger führten den Männerchor zu neuen 500-Jahr-Feiern des Landes) unternahm. Erfolgen: So gewann der MGV Ybbs beim Internationalen Chorwettbewerb in Olmütz (Tschechien) eine Goldmedail- le und in der Kategorie Volkslieder eine Silbermedaille, beim Chorwettbewerb des Sängerbundes für Wien und Niederösterreich eine Goldmedaille, den 1. Preis und den Publikumspreis. Der Chor singt Lieder in acht verschiedenen Sprachen. Auftritte werden grundsätzlich ohne Notenunterlagen – auswendig – gestaltet. Den Sängern wird Stimmbildung kostenlos zur Verfügung gestellt. Josef Hofbauer aus Melk begann mit 16 Jahren als Kirchenchorsänger und wurde 1987 Sänger und Mitglied des Vorstandes beim Männergesangsverein Ybbs. Er absolvierte mehrere Jahre Ausbildung im Sologesang und

54 ABO_0607_TKO_A5_sw 21.03.2006 13:32 Uhr Seite 1

Funkenflug.

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55 T: (01) 586 83 83 | www.tonkuenstler.at 'LH'LH( (QWIXKUXQJQWIXKUXQJ 6HUDLODXVGHP £° q £Ó° Õ}ÕÃÌ ÓääÈ ÕÀ}>Ài˜> ,iˆ˜ÃLiÀ}

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Psyche im Kino

Tho mas Bal lhausen, Günter K renn, Ly dia Marin elli (Hg.) 6.4. bis 2.5.2006, Metro Kino

Thomas Ballhausen/Günter Krenn/Lydia Marinelli (Hg.) P Psyche im Kino. Sigmund Freud und der Film syche im Si Kin gmund F o reud und 416 Seiten, 200 Abbildungen, geb., E 24,90 der Film

Subskriptionspreis für die Dauer der Retrospektive E 19,90

57 www.filmarchiv.at .zDIUFO4JF*IS"CPWPOEFS4UBOHF PEFSMJFCFSNB‡HFTDIOFJEFSU

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pique dame Mi 31. Mai & Fr 2. Juni, 19.30 Uhr | So 4. Juni,18 Uhr OPER VON PETER ILJITSCH TSCHAIKOWSKI Tonkünstler-Orchester | Alexander Anissimow | Dietmar Pflegerl | Jewgeni Tarunzow | Karin Zimmermann

) bus-shuttle von Wien | 31. Mai, 17 Uhr: Abfahrt Operngasse 4 - Bonus : ltung ansta ng ver äßigu % Erm ten 25 onnen für Ab

Karten & Info: +43(0)2742/90 80 80-222 | [email protected] | www.festspielhaus.at 59 Festspielhaus St. Pölten

Intendanz Michael Birkmeyer Geschäftsführung Thomas Gludovatz, Albrecht Großberger Künstlerisches Betriebsbüro Karin Prinz (Leitung), Renate Bienert, Michael Krbecek, Christa Redik, Angelika & Dramaturgie Schopper, Andrea Zügel, Susanne Hofer (Kunstvermittlung) Marketing Monika Wunderer (Leitung), Astrid Bauer, Teresa Anna Rabus, Silvia Rohn Publikationen & Presse Rainer Lepuschitz, Edith Wolf Perez (Presse Tanz) Ticketing Eveline Nigisch (Leitung), Ingrid Gerlach, Marianne Holzer, Stefanie Kohaida, Sabine Liegle, Regina Lusskandl, Barbara Reithofer Abonnentenbetreuung Ulrike Roth Technik Reinhard Hagen (Leitung), Ahmet Bayazit (Hausorganisation & Vermietungen), Herbert Baireder (Beleuchtungsmeister), Norbert Blahous (Beleuchtungsmeister- Stellvertreter), Martin Kreienbühl (Beleuchter), Andreas Dröscher (Tonmeister), Ferdinand Mikscha (Bühnenmeister), Jürgen Westermayr (Bühnenmeister- Stellvertreter), Franz Hubauer & Herbert Kaminsky (Betriebstechnik) Sekretariat Geschäftsführung Barbara Sorgner Empfang Gülcan Simsek, Willibald Graf

Tonkünstler-Orchester Niederösterreich

Chefdirigent Kristjan Järvi Geschäftsführung Johannes Neubert, Paul A. Gessl Orchesterbüro Peter Roczek, Antonia Schmidt-Chiari, Joanna White Orchesterinspektor Igor Chomca Archiv und Dokumentation Wilfried Edlinger Musikvermittlung (Tonspiele) Bettina Büttner Marketing Edith Schweitzer, Pia Stimpfl-Abele, Rainer Lepuschitz (Publikationen)

Impressum: Herausgeber, Verleger und Medieninhaber: Niederösterreichische Kulturszene Betriebsges.m.b.H. Kulturbezirk 2, 3109 St. Pölten, T 02742 90 80 80 F 02742 90 80 81, www.festspielhaus.at. Für den Inhalt verantwortlich: Prof. Michael Birkmeyer. Redaktion: Rainer Lepuschitz. Fotos: Photonica (Titel), Getty-Images (S. 2), Reinhard Oehner (Tonkünstler), Pavel Antonov (Järvi), A TEMPO, Timo Mokkila, Luis Paterno, Joe Fish, die anderen unbenannt. Visuelles Konzept: fuhrer. Gesamtproduktion: WallaDruck Wien. Termin-, Programm- und Besetzungsänderungen vorbehalten. Fotografieren, Ton– und Videoaufzeichnungen nicht gestattet. Preis des Programmheftes: ¤ 3,30

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