gemeinsame sicherheit und zukunft der

23. mai 2000 gemeinsame sicherheit und zukunft der bundeswehr bericht der kommission an die bundesregierung

23. mai 2000

VORWORT 50 >

Die Kommission „Gemeinsame Sicherheit und Zukunft der Bundeswehr“ legt das Ergebnis ihrer Beratungen heute der Bundesregierung und damit zugleich der Öffentlichkeit vor. Sie war im Frühjahr 1999 zusammengetreten. Ihre Mitglieder hatten ihr Mandat auf Bitten der Bundesregierung übernommen. Die Arbeit vollzog sich im Zeichen völliger Unabhängigkeit. Die Kommission hat die lebhafte öffent- liche Diskussion zu ihren Themen aufmerksam verfolgt, ohne sich an ihr zu betei- ligen oder sie als Behinderung ihrer eigenen Arbeit je wirksam werden zu lassen.

Es ist eine Erneuerung der Bundeswehr von Grund auf, die die Kommission auf der Basis ihrer Erkenntnisse über unsere sicherheitspolitische Lage empfiehlt. Sie legt ihren Bericht gemeinsam und als Ganzes einschließlich abweichender Meinungen aus dem Kreis der Mitglieder zu einzelnen Passagen vor, die im Text unter Namens- nennung vermerkt und im Anhang mit Begründungen dokumentiert sind. Dabei erwies sich die künftige Wehrform als ein zentrales kontroverses Thema, das mit besonderer Intensität und Sorgfalt erörtert wurde.

In seiner rings von Partnern umgebenen Lage bedarf unser Land einer bündniskon- formen Bundeswehr, die mit einem umstrukturierten, nachhaltig verkleinerten Personalbestand grundlegend modernisiert werden muss. Gemeinsame Sicherheit in Europa ist Kernstück der Sicherheit Deutschlands. Ein stärkeres Europa wird das Atlantische Bündnis stärken. Die Einsatzfähigkeit der deutschen Streitkräfte muss derjenigen unserer wichtigsten europäischen Partner entsprechen.

Die Empfehlungen der Kommission lassen sich nur langfristig umsetzen. Sie zielen auf den Zeitraum der nächsten zehn bis fünfzehn Jahre. Sie erfordern ein hohes Maß an Planungssicherheit. Dazu ist ein verlässlicher Finanzrahmen für die erforderliche Modernisierung ebenso notwendig wie aus Gründen der Fürsorge für die betroffenen Soldaten und zivilen Mitarbeiter. Die Kommission lässt dabei nicht außer Acht, dass bei der Finanzierung der anstehenden Reform der Bundeswehr das Gesamtspektrum von Sicherheit berücksichtigt werden muss, nicht nur der militärischen Aufgaben.

Die Kommission ist für die Unterstützung ihrer Beratungen durch zahlreiche Persön- lichkeiten und Dienststellen aus dem In- und Ausland dankbar. Ihre besondere Aner- kennung gilt den Mitgliedern ihres Sekretariats für allzeit kompetenten und tatkräfti- gen Beistand.

Berlin, 23. Mai 2000 Der Vorsitzende

Richard von Weizsäcker Bundespräsident a.D. 3 DIE MITGLIEDER DER KOMMISSION 50 >

Dr. Richard v. Weizsäcker Prof. Dr. Knut Ipsen Bundespräsident a.D. Ruhr-Universität Bochum, Vorsitzender der Kommission Staats- und Völkerrecht Präsident des Deutschen Roten Kreuzes Peter-Heinrich Carstens a.D. Dr. Walter Kromm, M.S.P. Ehemaliger Chef des Stabes SHAPE Oberfeldarzt d.R. Stellvertretender Vorsitzender der Kommission Arzt für Allgemeinmedizin

Dr. Theo Sommer Hermann Lutz Herausgeber DIE ZEIT Ehemaliger Bundesvorsitzender Stellvertretender Vorsitzender der Kommission der Gewerkschaft der Polizei

Prof. Dr. Christian Bernzen Dr. Arno Mahlert Rechtsanwalt Mitglied der Geschäftsführung Vizepräsident des Zentralkomitees der Verlagsgruppe der Deutschen Katholiken Georg v. Holtzbrinck GmbH

Dr. Christoph Bertram Lothar de Maizière Direktor Stiftung Wissenschaft und Politik Rechtsanwalt Ministerpräsident a.D. Ignatz Bubis Präsident des Zentralrats Prof. Dr. Harald Müller der Juden in Deutschland Geschäftsführendes Vorstandsmitglied (verstorben am 13. August 1999) der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung Dr. Eckhard Cordes Mitglied des Vorstands der Dr. Jürgen Schmude DaimlerChrysler AG Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland Manfred Eisele Bundesminister a.D. a.D. Ehemaliger Beigeordneter Generalsekretär Waltraud Schoppe der Vereinten Nationen Ehemaliges Mitglied des Deutschen Bundestages Prof. Dr. Helga Haftendorn Ministerin a.D. Freie Universität Berlin, Politikwissenschaft Prof. Dr. Richard Schröder Humboldt Universität Berlin, Helge Hansen Evangelische Theologie General a.D. Ehemaliger NATO-Oberbefehlshaber Prof. Dr. Peter Steinbach Europa Mitte Freie Universität Berlin, Politikwissenschaft Agnes Hürland-Büning Parlamentarische Staatssekretärin a.D. (bis 20. Januar 2000)

5 inhaltsverzeichnis Gemeinsame Sicherheit und Zukunft der Bundeswehr

ERNEUERUNG VON GRUND AUF

Aufgabe der Kommission – 13; Erneuerung statt Anpassung – 13; Reformziele – 14; Militärischer Beitrag Deutschlands – 14; Wehrform und Streitkräfteumfang – 15; Schwerpunkte – 15; Erfordernisse – 16; Europäische Perspektive – 17

GEMEINSAME SICHERHEIT

I. RISIKEN UND INTERESSEN

Aufgaben der Sicherheitspolitik – 23; Risiken und Bedrohungen – 24; Deutsche Interessen – 26; Übergreifende Sicherheitsarchitektur – 28

II. DER EUROPÄISCHE IMPERATIV

Der politische Rahmen – 35; Streitkräfteplanung im europäischen Rahmen – 36; Möglichkeiten militärischer Zusammenarbeit – 37; Abbau von Duplizierungen – 38; Rüstungskooperation – 39; Stärkeres Europa gleich stärkere Allianz – 39

ZUKUNFT DER BUNDESWEHR

III. AUFTRAG UND FOLGERUNGEN

Auftrag – 47; Fähigkeiten – 49; Überkapazitäten – 51; Messgröße: zwei gleichzeitige Krisen – 52; Umfang der Einsatzkräfte – 53; Fazit – 54

IV. WEHRFORM UND PERSONAL

Ausgangserwägungen – 59; Leitlinien – 59; Option A: Streitkräfte ohne Wehrpflichtige – 62; Option B: Streitkräfte mit Wehrpflichtigen – 63; Abwägung – 68; Neue Personalstruktur – 70 (Militärisches Personal – Zivilpersonal – Attraktivität – Frauen in den Streitkräften)

V. FÜHRUNG, TRUPPE, WEHRVERWALTUNG

Leitung und Führung – 81 (Stäbe und Abteilungen im Ministerium – Analyse- und Auswertefähigkeiten – Dienst- sitz Berlin – Einsatzrat – Streitkräfteführungskommando – Einsatzführungskommando – Generalinspekteur – Rüs- tungsrat); Streitkräfte – 89 (Der Einsatz der Streitkräfte in der Krise – Gliederung der Teilstreitkräfte – Zentrale Militärische Dienste – Sanitätsdienst – Wehrverwaltung im Einsatz – Rechtspflege im Einsatz – Aufwuchsfähigkeit); Territoriale Wehrverwaltung – 105 (Abbau von Dienststellen – Verkleinerung des Wehrersatzwesens)

8 INHALTSVERZEICHNIS

VI. AUSRÜSTUNG UND BEWAFFNUNG

Planung und Entwicklung – 109 (Rüstungsplanung – Europäische Rüstungskooperation – Entstehungsgang Wehrmaterial – Rüstungsagentur – Projekt-Teams); Modernisierung – 111 (Beschaffung – Zentralisierung – Aussonderung); Technologie und Rüstungswirtschaft – 115 (Zukunftstechnologien – Industriestrukturen – Rüstungsexport)

VII. DAS UNTERNEHMEN BUNDESWEHR

Innere Führung – 123; Controlling – 125; Führungs- und Einsatzunterstützung – 126; Stationierung – 127; IT-Agentur – 128; Bildung und Ausbildung – 129; Militärische Studien- kapazität – 131

REFORM UND HAUSHALT

Programmgesetz – 135; Planung und Haushalt – 136; Ausrüstungsinvestitionen – 137; Personalkosten – 138; Betriebskosten – 139; Standortentscheidungen – 139; Zusammenfassung und Bilanz – 140 anhang

Anhang 1: Abweichende Voten – 147; Anhang 2: Die Arbeit der Kommission – 157; Anhang 3: Stichwortverzeichnis – 171

verzeichnis der abbildungen Abbildung 1: Einsatzkräfte heute und 2006 – 55; Abbildung 2: Spektrum der untersuchten Modelle – 61; Abbildung 3: Berufs- und Zeitsoldaten und Grundwehrdienstleistende heute und 2006 – 71; Abbildung 4: Dienstposten-Verteilung Soldaten heute und 2006 – 72; Abbildung 5: Personal der Bundeswehr heute und 2006 – 74 ; Abbildung 6: Gliederung des Bundesministeri- ums der Verteidigung – 82; Abbildung 7: Zivile Abteilungen des Bundesministeriums der Vertei- digung – 83; Abbildung 8: Einsatz deutscher Streitkräfte – 85; Abbildung 9: Rüstungsrat – 88; Abbildung 10: Truppendienstliche Führungsorganisation der Teilstreitkräfte – 91; Abbildung 11: Zentrale Militärische Dienste – 100; Abbildung 12: Sanitätsdienst der Bundes- wehr – 103; Abbildung 13: Kostenentwicklung im Übergang – 141

9 erneuerung von grund auf

ERNEUERUNG VON GRUND AUF 1 >

1. Zum ersten Mal in seiner Geschichte technologisch modern gehaltenen Ausrüstung ist Deutschland ringsum von Bündnis- und innerhalb eines (4) angemessenen Haushalts- Integrationspartnern umgeben und keiner äu- rahmens mittel- und langfristig am besten zu ßeren Gefährdung seines Territoriums durch verwirklichen ist. Ziel aller Bemühungen muss Nachbarn ausgesetzt. Diese neue Grund- eine einsatzfähige, moderne und bezahlbare gegebenheit deutscher Sicherheit ist nicht Bundeswehr sein. Die Reform wird ihre Zeit vorübergehender Natur, sondern hat Bestands- brauchen, aber das Ziel ist erreichbar. kraft für die vorhersehbare Zukunft.

ERNEUERUNG STATT ANPAS- AUFGABE DER KOMMISSION SUNG

2. Die von der Bundesregierung berufe- 4. Die Bundeswehr des Jahres 2000 ist ne unabhängige Kommission „Gemeinsame mit Blick auf die genannten Forderungen Sicherheit und Zukunft der Bundeswehr“ hat nicht im Gleichgewicht. Sie ist zu groß, falsch sich auf dieser Grundlage an ihre Aufgabe ge- zusammengesetzt und zunehmend unmodern. macht, die sicherheitspolitischen Risiken und In ihrer heutigen Struktur hat die Bundeswehr Interessen der Bundesrepublik Deutschland keine Zukunft. Die Wehrform produziert zu zu untersuchen und Empfehlungen zu geben, große Personalumfänge bei gleichzeitig zu wie die deutschen Streitkräfte künftig ihre schwachen Einsatzkräften. Veraltetes Materi- Aufgaben im Rahmen einer umfassenden Si- al schmälert die Einsatzfähigkeit und treibt cherheits- und Verteidigungspolitik wahrneh- die Betriebskosten in die Höhe. Die derzeiti- men können. Kernaufgabe war, Vorschläge gen Haushaltsansätze erlauben in der heuti- für die Grundstrukturen einer neuen Bundes- gen Struktur und Wehrform keine hinreichen- wehr zu entwerfen. Hierzu hat die Kommis- de Modernisierung. Die politisch zugesagten sion umfangreiche Analysen zu Wehrform, Beiträge zu den international vereinbarten Personal, Führung, Organisation, Ausrüstung, Aufgaben sind den deutschen Streitkräften Ausbildung und Finanzen angestellt. Zum nicht möglich, jedenfalls nicht auf längere Auftrag der Kommission gehörte vor allem, Sicht. Schon heute sind die Einsatzkräfte per- sich ein Urteil darüber zu bilden, welche mili- sonell und materiell überfordert. tärischen Fähigkeiten – quantitativ wie quali- tativ – Deutschland für seine Außen- und Si- 5. Die gegenwärtige Struktur der Bun- cherheitspolitik erhalten, verstärken oder neu deswehr ist während der vier Jahrzehnte poli- erwerben sollte. tischer und militärischer Block-Konfrontation in Mitteleuropa entstanden. In den letzten zehn 3. Vier Forderungen waren bei den Un- Jahren hat es Anpassungen gegeben, nicht tersuchungen der Kommission miteinander aber Reformen. Die politischen Verpflichtun- zu vereinbaren, nämlich wie eine (1) bedarfs- gen, die nationalen Interessen Deutschlands, gerecht zugeschnittene, bündnisfähige Bun- die Entscheidungen der Partnerländer in Euro- deswehr auf der Grundlage einer (2) gesell- pa und die Entwicklungen in den verbündeten schaftlich tragfähigen Wehrform mit einer (3) Streitkräften haben die Bedingungen deut-

13 Gemeinsame Sicherheit und Zukunft der Bundeswehr

scher Sicherheits- und Verteidigungspolitik in Streitkräften und Wehrverwaltung einem jedoch von Grund auf verändert. Für das Aus- betriebswirtschaftlichen Denken und Han- maß des Wandels reichen kleine Anpassungs- deln neuen Raum zu geben. schritte nicht mehr aus: Eine grundlegende Umgestaltung ist geboten.

Die Kommission empfiehlt deshalb, den mili- MILITÄRISCHER BEITRAG tärischen Beitrag Deutschlands zur Sicherheit DEUTSCHLANDS des Landes und seiner Verbündeten neu zu de- finieren, die überkommenen Strukturen grund- 7. Aus den Einsatzerfahrungen der ver- legend zu reformieren und den militärischen gangenen Jahre wie aus dem Vergleich mit Dienst in der Gesellschaft attraktiv und kon- unseren wichtigsten Partnern zieht die Kom- kurrenzfähig zu gestalten. mission den Schluss, dass Messgröße für die neue Bundeswehr die Fähigkeit zur gleichzei- tigen und zeitlich unbefristeten Beteiligung an bis zu zwei Kriseneinsätzen sein sollte – REFORMZIELE und zwar mit Einsatzkräften in folgender Größenordnung: 6. Die Bundeswehr kann im Lauf des Jahr- zehnts reformiert werden. Die wichtigsten Heer Ziele einer umfassenden Reform sind, Zwei Einsatzkontingente in Brigadestärke mit den jeweils notwendigen Unterstützungs- und die Bundeswehr nach Umfang, Struktur, Führungselementen (insgesamt bis zu 16.000 Bewaffnung und Ausrüstung auf die im Soldaten). Rahmen ihres Auftrags wahrscheinlichste Aufgabe vorzubereiten: Teilnahme an Ein- Luftwaffe sätzen der Krisenvorsorge und Krisenbe- Zwei Einsatzkontingente mit insgesamt 90 bis wältigung – zum Zwecke der Landes- und 100 Kampfflugzeugen, 10 Staffeln bodenge- Bündnisverteidigung und in der Erfüllung bundener Luftverteidigung; ferner Luftbetan- internationaler Verpflichtungen, kungs- sowie Lufttransportkomponenten.

die Streitkräfte zu wirksamer Zusammen- Marine arbeit mit den Partnern in NATO, EU, VN Zwei Einsatzkontingente aus Schiffen, U- und OSZE zu befähigen und die Sicher- Booten und Flugzeugen mit der Befähigung heits-, Verteidigungs- und Rüstungsbe- zur verbundenen Seekriegführung. schaffungspolitik soweit wie möglich zu europäisieren, Sanitätsdienst Zwei Einsatzkontingente mit mobiler Laza- die Haushaltsmittel so einzusetzen, dass für rett- und Verwundetentransportkapazität. Betrieb, Ausrüstung und Infrastruktur ge- nügend finanzieller Spielraum bleibt, Für diese Aufgaben einschließlich des an- gemessenen Austausches der eingesetzten

14 ERNEUERUNG VON GRUND AUF 6 >

Soldaten müssen die Einsatzkräfte der nerationsfähigkeit verfügen. Wehrpflichtige Bundeswehr von derzeit rund 60.000 Solda- werden weiterhin gebraucht – wenn auch ten auf etwa 140.000 Soldaten verstärkt in deutlich kleinerer Zahl als bisher. Die werden. Mit den so bereitgestellten Kräften – Friedensstärke der Bundeswehr sollte sich unterstützt von einer militärischen Grund- an einem Richtwert von 240.000 Soldaten organisation von etwa 100.000 Soldaten – orientieren. wird auch der deutsche Beitrag zur Bündnis- verteidigung geleistet werden können. Damit Die Kommission empfiehlt, einen Grund- entspricht der militärische Beitrag Deutsch- wehrdienst von 10 Monaten beizubehalten lands denen unserer wichtigsten europäischen und die Einberufung von Grundwehrdienst- Partnerländer. leistenden künftig am kleiner gewordenen Be- darf der Streitkräfte zu orientieren. In der Pra- 8. Die Ausrichtung der Streitkräfte auf xis bedeutet das einen Auswahl-Wehrdienst.1 Krisenvorsorge und Krisenbewältigung wird Wer diesen Dienst leistet, soll dafür eine hö- das Personalstärkeverhältnis der Teilstreitkräfte here Kompensation erhalten. verändern: Luftwaffe und Marine werden einen größeren Anteil als bisher einnehmen, das Heer wird absolut und relativ kleiner. Gemessen an den heutigen Umfängen und SCHWERPUNKTE Strukturen ist der Veränderungsbedarf dort am größten. 10. Damit die Bundesregierung den ge- nannten Zielen in der Sicherheits- und Vertei- digungspolitik näher kommen kann, emp- fiehlt die Kommission den folgenden Katalog WEHRFORM UND von Maßnahmen: STREITKRÄFTEUMFANG 1. Orientierung der Streitkräfte-Struktur an 9. Die Kommission hat die Vorteile und den wahrscheinlichsten Aufgaben der die Nachteile von Freiwilligen- und Wehr- Krisenvorsorge und Krisenbewältigung – pflicht-Streitkräften eingehend erörtert. Ihre zum Zwecke der Landes- und Bündnis- Empfehlung zur Wehrform beruht auf Prü- verteidigung und in der Erfüllung inter- fungen der staatsbürgerlichen, verfassungs- nationaler Verpflichtungen. rechtlichen und sicherheitspolitischen Voraus- setzungen. Eine drastisch verkleinerte Bundes- 2. Umgliederung der Streitkräfte zum Auf- wehr hätte den Übergang auf ein reines bau bedarfsgerechter und bündnisadä- Freiwilligensystem nahe gelegt. Die Kommis- quater Einsatzkräfte in der Stärke von sion ist aber der Meinung, dass sich die künf- 140.000 Soldaten. tige Bundeswehr nicht ausschließlich auf Freiwillige stützen kann. Angesichts andau- 3. Reduzierung der Friedensstärke der Streit- ernder äußerer Ungewissheiten sollte die kräfte auf einen Richtwert von 240.000 Struktur der Streitkräfte flexibel ausgelegt sein und über Aufwuchspotenzial und Rege- 1 Zu diesem Punkt gab es abweichende Meinungen (S. 147ff).

15 Gemeinsame Sicherheit und Zukunft der Bundeswehr

Soldaten einschließlich 30.000 Grund- Luft- und Seetransport, Aufklärung und wehrdienstleistender pro Jahr bei einer Luftverteidigung. Wehrdienstdauer von 10 Monaten. 11. Modernisierung vorhandener und Be- 4. Nutzung des Aufwuchspotenzials für schaffung neuer Ausrüstung zur Bewälti- einen Verteidigungsumfang von 300.000 gung der militärischen Zukunftsaufgaben Soldaten und für eine Personalreserve von in Kooperation mit den Partnerländern in 100.000 Soldaten. NATO und EU.

5. Abbau der Stellen für Zivilpersonal auf 12. Konzentration auf militärische Kernauf- rund 80.000 parallel zur gleichzeitigen gaben bei gleichzeitiger Privatisierung Reduzierung von Aufgaben, Leistungen von Dienstleistungen für Betrieb, Ent- und Standorten. wicklung, Beschaffung, Logistik und Aus- bildung. 6. Neuordnung und Straffung der Führungs- und Kommandostrukturen für eine effek- 13. Gleichberechtigte Zulassung von Frauen tive Einsatzführung; Stärkung der Verant- für den freiwilligen militärischen Dienst wortung des Generalinspekteurs in der in der Bundeswehr. Bundeswehrplanung, Einsatzführung und Beschaffung; Zentralisierung und Wahr- 14. Erhöhung der Attraktivität des Soldaten- nehmung aller ministeriellen Aufgaben in berufs und Förderung des freiwilligen Berlin. militärischen Dienstes aller Statusgruppen einschließlich der Reservisten mit Spezial- 7. Einrichtung des Controlling als Instru- ausbildung. ment der Leitung des Ministeriums. 15. Weiterentwicklung und Stärkung der 8. Zusammenfassung aller teilstreitkraft- Inneren Führung im Hinblick auf die neu- übergreifenden, territorialen und unter- en Aufgaben und Strukturen. stützenden Aufgaben in einem Organisa- tionsbereich Zentrale Militärische Dienste.

9. Zentralisierung des Sanitätsdienstes der ERFORDERNISSE Bundeswehr und Ausrichtung auf die Ein- satzaufgaben bei engerer Verzahnung mit 11. Die Kommission empfiehlt, mit der dem zivilen Gesundheitswesen. Reform der Bundeswehr alsbald zu beginnen und den Umbau in kontrollierten Schritten zu 10. Förderung der Multinationalisierung der realisieren. Das Vorhaben verlangt Energie Einsatzkräfte durch Integrationslösungen und Ausdauer. Es wird Jahre in Anspruch nach dem Vorbild des NATO-Frühwarn- nehmen. Die Belastungen für die betroffenen verbandes (AWACS) sowie durch Bünde- Menschen sind vorhersehbar groß. Zum lung der europäischen Ressourcen für grundlegenden Umbau der Bundeswehr gibt es indessen keine Alternative.

16 ERNEUERUNG VON GRUND AUF 11 >

Für den gesamten Zeitraum des Umbaus, also Die Kommission hält es aber für erreichbar, über den von der Mittelfristigen Finanzpla- dass den vorgeschlagenen notwendigen Mehr- nung abgedeckten Zeitrahmen hinaus, bedarf ausgaben langfristig Kosteneinsparungen in die Bundeswehr eines verlässlichen, dem etwa gleicher Höhe gegenüberstehen. Die Postulat der Stetigkeit genügenden, aufgaben- Verteidigungsausgaben dürften sich dann in gerechten Haushaltsrahmens. Die Verfas- der derzeitigen Größenordnung bewegen.2 sungsorgane müssen der Bundeswehr Pla- nungssicherheit geben. Die Kommission emp- fiehlt, mit einem Programmgesetz, das auch den Haushalt für mehrere Jahre bestimmt, die EUROPÄISCHE PERSPEKTIVE notwendige Voraussetzung für die Reform zu schaffen und die einzelnen Maßnahmen nach 13. Die Mitgliedsländer der Europäischen Art, Umfang und Reihenfolge zu bestimmen. Union haben ihre Absicht bekräftigt, eine ge- Das soll auch dazu dienen, die investiven An- meinsame Außen- und Sicherheitspolitik zu teile gegen Verdrängungseffekte – zum Bei- entwickeln und dafür auch Streitkräfte in der spiel verursacht durch steigende Personalkos- Größenordnung von 50.000 bis 60.000 Solda- ten – abzusichern. ten bereitzustellen. Der erfolgreiche Einsatz eines solchen Militär-Kontingents zur Krisen- 12. Im Übrigen ist der Wandel nicht ohne vorsorge und Krisenbewältigung verlangt ei- darüber hinaus gehende finanzielle Aufwen- ne Reihe militärischer Fähigkeiten, die kein dungen erreichbar: Sparen kostet. Das gilt Partner in Europa allein erwerben und unter- nicht nur für den sozialverträglichen Abbau halten kann. von Personal und Maßnahmen zur Steigerung der Attraktivität des Dienstes, um den not- Es wächst die Einsicht, bei den Streitkräfte- wendigen Nachwuchs zu gewinnen. Um Be- reformen näher zusammenzurücken und mehr triebsausgaben zu reduzieren oder zu begren- miteinander zu kooperieren. Die Kommission zen, sind kostspielige Modernisierungsmaß- empfiehlt der Bundesregierung eine politi- nahmen unumgänglich. sche Initiative mit dem Ziel, den in vielen Partnerländern betriebenen Umbau der Streit- Darüber hinaus werden Mittel gebraucht, um kräfte untereinander abzustimmen und – wo Ausrüstung und Material auf modernen Stand immer möglich – für die Zukunft gemein- zu bringen und diesen Standard kontinuierlich schaftliche europäische Vereinbarungen zu zu halten. Der Investitionsanteil muss dauer- treffen. haft erhöht werden. Gegenüber heute bedeutet das im Mittel jährlich 2 bis 3 Mrd. DM mehr.

Der zusätzliche Mittelbedarf wird nicht in je- dem Jahr in gleicher Höhe anfallen. Nach mo- deratem Beginn wird er mit den fortschreiten- den finanzwirksamen Planungen und Ver- tragsabschlüssen anwachsen. 2 Zu diesem Punkt gab es eine abweichende Meinung (S. 152f).

17 gemeinsame sicherheit

RISIKEN UND INTERESSEN I.

I. RISIKEN UND INTERESSEN 14 >

AUFGABEN DER rechnen die Fachleute dafür. Dies gäbe dem SICHERHEITSPOLITIK Westen ausreichend Warnzeit.

16. Sicherheit Deutschlands erschöpft sich nicht in Sicherheit vor jeglicher militäri- 14. Zum ersten Mal in seiner Geschichte schen Bedrohung. Mit Streitkräften gerüstet ist Deutschland ringsum von Bündnis- und zu sein ist ein Teil der Sicherheitspolitik, aber Integrationspartnern umgeben und keiner äu- eben nur ein Teil. Stabile internationale Be- ßeren Gefährdung seines Territoriums durch ziehungen und gefestigte innergesellschaftli- Nachbarn ausgesetzt. Diese neue Grundge- che Strukturen sind Voraussetzungen dauer- gebenheit deutscher Sicherheit ist nicht vor- hafter Sicherheit. übergehender Natur, sondern hat Bestands- kraft für die vorhersehbare Zukunft. 17. Die oberste Aufgabe einer jeden Bundesregierung muss es sein, für das Über- 15. Die Welt des Jahres 2000 unterschei- leben der Bürger und die Bewahrung der det sich grundlegend von der des Jahres 1990. staatlichen Ordnung Gewähr zu leisten. Dem Damals standen sich allein in Deutschland Zweck der Friedenserhaltung dienen unter an- 1,5 Millionen Soldaten gegenüber. Tausende derem Streitkräfte. In Abwesenheit einer un- Nuklearwaffen waren auf deutschem Boden mittelbaren Gefahr hat die Bundeswehr einen stationiert. Heute und auf absehbare Zeit ist dreifachen Sinn: Sie fungiert als militärische die Gefahr eines Atomkrieges und die eines Rückversicherung für den Fall, dass Gefahren groß angelegten konventionellen Angriffs auf sich in der Zukunft einstellen. Sie unterstützt unser Territorium nicht zu erkennen. die Diplomatie, wenn zentrale Interessen auf dem Spiel stehen. Sie lässt sich gegebenen- Jede realistische Sicherheitspolitik muss mit falls als Instrument zum Schutz oder zur der Möglichkeit einer abermaligen militäri- Wiederherstellung internationaler Ordnung schen Bedrohung des Atlantischen Bündnis- und Rechtssicherheit einsetzen, wenn diese mit ses und damit Deutschlands rechnen. Früher militärischen Mitteln in Frage gestellt werden. galt die Sowjetunion mit dem Warschauer Pakt als wahrscheinlichster Ausgangspunkt An zweiter Stelle steht die Aufgabe, auch in einer solchen Bedrohung. Heute hat der wich- solchen Situationen, in denen eine existenz- tigste Nachfolgestaat der Sowjetunion, die bedrohende Gefahr für das Land nicht be- Russische Föderation, hinlänglich Anlass, im steht, dafür zu sorgen, dass auch geringere, Sinne ihrer nationalen Interessen eher auf ei- doch gleichwohl ernste Gefährdungen abge- nen Kurs der Partnerschaft und Zusammenar- wendet werden. Daraus leitet sich das Interes- beit mit dem Westen zu setzen als erneut auf se zum Handeln her, wenn die innere und äu- Konfrontationskurs zu gehen; an einem durch ßere Stabilität in Europa bedroht ist. Dies Kooperation bewirkten Erstarken Russlands kann, wie in Bosnien-Herzegowina und im ist auch dem Westen gelegen. Im Übrigen lie- Kosovo, den Einsatz von Truppen verlangen. ße sich eine neue Bedrohungskulisse nur langfristig aufbauen. Acht bis zehn Jahre Schließlich gibt es die mühsame, aber grund- legende Aufgabe, Demokratie zu fördern und

23 Gemeinsame Sicherheit und Zukunft der Bundeswehr

humanitären Interessen zum Durchbruch zu Ethnische und religiöse Rivalitäten, Gebiets- verhelfen. Dieses Feld erstreckt sich vom streitigkeiten, das Scheitern von Reformen, Umwelt- und Katastrophenschutz über das Menschenrechtsverletzungen großen Ausma- Eintreten für Menschenrechte bis hin zu weit- ßes oder der Zerfall von Staaten können auch sichtiger Entwicklungshilfe. Hier kommt den in Zukunft regionale Spannungen, Krisen und Nichtregierungsorganisationen neben den Re- bewaffnete Konflikte auslösen, die unsägli- gierungen und internationalen Institutionen ches menschliches Leid heraufbeschwören eine bedeutsame Rolle zu. und unsere Sicherheit berühren.

18. Keine einzige der drei Aufgaben lässt sich zu Beginn des 21. Jahrhunderts noch im einzelstaatlichen Alleingang lösen. Heute und Nicht-militärische Risiken in Zukunft kann die Bundesrepublik Deutsch- land ihre nationalen Interessen daher nur noch 20. Unruhe und Not werden weiterhin gro- im Verbund mit anderen Staaten wahren. Den ße Teile der Erde erschüttern. Für die Mehr- Rahmen dafür geben in erster Linie die Atlan- heit der Menschen bedeutet Sicherheit nicht tische Allianz und die Europäische Union ab. nur die Abwesenheit militärischer Bedrohung, Die vertraglich begründeten Sicherheits- und sondern Schutz vor existenziellen Lebensrisi- Integrationsgemeinschaften bilden einen Raum ken: Massenmigration als Folge von Unter- verlässlicher Stabilität. Diesen Stabilitäts- entwicklung, Überbevölkerung und Hunger raum nach innen zu stärken und nach außen oder als Folge von Krieg im Kampf um Gren- zu erweitern ist vorrangiges deutsches Sicher- zen, Ackerland oder Wasser; die pandemische heitsinteresse. Ausbreitung von Krankheiten; Umweltzerstö- rung, Klimawandel.

Sicherheitsvorsorge bedeutet deshalb auch, eine Entwicklungspolitik zu treiben, die Kon- flikten vorbeugt, indem sie dem Übel dort RISIKEN UND BEDROHUNGEN entgegenwirkt, wo es entsteht. In diesem Sin- ne ist alle Entwicklungspolitik zugleich Si- cherheitspolitik. Deswegen darf auf diesem Felde der Rotstift ebensowenig Regie führen 19. Die existenzielle Bedrohung, die im wie auf anderen Feldern der Außen- und Si- Kalten Krieg für Deutschland bestand, hat cherheitspolitik. sich aufgelöst. Das Überleben der Nation steht nicht länger auf dem Spiel. Gleichwohl Grenzüberschreitende Kriminalität, Men- ist auch das neue Sicherheitsumfeld nicht ge- schen-, Waffen- und Rauschgifthandel unter- fährdungsfrei. An die Stelle der einen großen graben die innere Sicherheit. Ein Anwachsen Bedrohung ist eine Vielzahl kleinerer – nicht- dieser Risiken kann die Autorität und Inte- militärischer wie militärischer – Risiken und grität der demokratischen Institutionen in Fra- Herausforderungen getreten. Wir müssen sie ge stellen. Diese Gefahren zu bekämpfen, er- ernst nehmen. fordert verstärkte Zusammenarbeit in der

24 I. RISIKEN UND INTERESSEN 18 >

Aufklärung, Ermittlung und polizeilichen Ge- stören, sondern die Infrastruktur der moder- fahrenabwehr. nen Gesellschaft lahmlegen: Börsen und Ban- ken, Energieversorgung und Telekommunika- 21. Deutschland ist eng in das globale tion, Verkehrsnetze und die Luftverkehrskon- System gegenseitiger wirtschaftlicher Abhän- trolle; überhaupt alle Wirtschaftsunterneh- gigkeit verflochten. Es ist angewiesen auf die men. Die neuen technischen Möglichkeiten kontinuierliche Einfuhr vieler Güter, insbe- schaffen neue Verwundbarkeiten. Die Waffen sondere jener Rohstoffe, die für das Funktio- der Computer-Eindringlinge sind Logik-Bom- nieren unserer Wirtschaft und damit für das ben, Mutations-Viren, vergiftete Cookies und normale Leben unentbehrlich sind. Störungen digitale Trojanische Pferde. Die Abwehr einer sind am ehesten bei der Lieferung von Erdöl feindseligen „Infovasion“ gebietet verstärkte vorstellbar, da die Hälfte der Weltproduktion Sicherheitsanstrengungen – und zwar im en- und 60 Prozent der heute bekannten Ölvor- gen Zusammenwirken aller Ressorts der Bun- kommen in der geopolitischen Turbulenzzone desregierung. rund um den Persischen Golf konzentriert sind. Von innerstaatlichen Auseinandersetzungen wie von zwischenstaatlichen Konflikten im Nahen und Mittleren Osten werden die Inte- Militärische Risiken ressen Europas unmittelbar berührt. 23. Krisenprävention und Krisenbewälti- Als zweitgrößter Handelsstaat der Erde hat gung können von Fall zu Fall, wenn Gewalt die Bundesrepublik Deutschland ein elemen- eingedämmt oder verhindert werden muss, den tares Interesse am Funktionieren eines offe- Einsatz von Streitkräften erfordern. Zuweilen nen Weltwirtschaftssystems und eines freien kann das Militär stabilisierend, dämpfend Seeverkehrs. Das verpflichtet sie, alles zu oder abschreckend wirken. Militärische Macht, unternehmen, um die dafür eingerichteten von außen in eine Krisenregion eingebracht, internationalen Institutionen und Regime zu kann helfen, die Eskalation und Ausweitung stärken. Deutschland darf sich nicht scheuen, von Konflikten zu verhindern. Militärisches finanziell, personell und konzeptionell in die- Eingreifen wird jedoch nur eine Option im sen Institutionen Mitverantwortung zu über- Fächer der politischen Gesamtstrategie sein. nehmen. 24. Von außerhalb des euro-atlantischen 22. Die rasante Entwicklung der Kommu- Raums drohen ernst zu nehmende Risiken. nikationstechnik beschwört neuartige Gefah- Zwar hat sich trotz gegenteiliger Befürchtun- ren herauf. Sie bedrohen sowohl die private gen die Zahl der ABC-Waffen-Staaten in den wie die staatliche Sphäre. Nach den Massen- vergangenen Jahrzehnten nur geringfügig vernichtungswaffen (weapons of mass destruc- erhöht. Einige Staaten, darunter Südafrika, tion) gewinnen im Zeitalter der alle Lebensbe- Argentinien und Brasilien, haben frühere reiche durchdringenden elektronischen Vernet- Programme sogar beendet. Die Sicherheit zung „Massenverwirrungswaffen“ (weapons Deutschlands, der Europäischen Union und of mass disruption) Bedeutung. Sie können der NATO könnte aber langfristig durch den nicht nur das militärische Fernmeldewesen

25 Gemeinsame Sicherheit und Zukunft der Bundeswehr

rüstungstechnischen Fortschritt in einer Reihe DEUTSCHE INTERESSEN von Ländern spürbar beeinträchtigt werden.

Eine direkt gegen Deutschland gerichtete Be- drohung durch Massenvernichtungswaffen 26. Der Begriff „Gemeinsame Sicherheit“ besteht derzeit nicht. Doch arbeiten einige bedeutet, dass wir Risiken und Herausforde- Staaten an der Entwicklung von Trägerwaffen rungen nur Arm in Arm mit unseren Verbün- mittlerer und sogar interkontinentaler Reich- deten und Partnern meistern können. Soweit weite. Schreitet diese Entwicklung fort, so der Begriff sich auf militärische Sicherheit kann auch die Bundesrepublik wie das übrige bezieht, besagt er, dass deutsche Alleingänge Westeuropa in die Reichweite von Raketen ausgeschlossen sind. Alle denkbaren Einsätze oder Marschflugkörpern aus Staaten gelan- der Bundeswehr – mit Ausnahme allenfalls gen, die bisher für unsere Sicherheit ohne di- von Evakuierungs- und Rettungsaktionen – rekten Belang waren. Die Bundesrepublik werden nur gemeinsam mit Verbündeten statt- und ihre europäischen Verbündeten sollten finden, ob im Rahmen der NATO, der EU, der daher rechtzeitig Überlegungen anstellen, wie OSZE oder der Vereinten Nationen. Soweit dieser Gefahr gemeinsam zu begegnen ist. die nicht-militärische Dimension von Sicher- Der Fortgeltung und dem Ausbau der beste- heit betroffen ist – von wirtschaftlicher Stabi- henden Abrüstungs- und Rüstungskontroll- lität bis hin zur Geltung des Rechts – liegt die vereinbarungen gebührt dabei Vorrang. Gemeinsamkeit ohnehin seit langem zu Tage: Im Zuge der fortschreitenden europäischen 25. Völkerrechtlichen Verboten zum Trotz Integration wird deutsche Außen- und Sicher- werden chemische und biologische Waffen heitspolitik mehr und mehr ein Teil der ge- entwickelt und produziert. Nicht nur Staaten, meinschaftlichen europäischen Politik werden. auch terroristische Gruppen können in den Besitz hochzerstörerischer Waffen gelangen. Überdies sind Altbestände, wie die 40.000 Tonnen chemischer Kampfstoffe in Russland, Amerika noch eine Gefahr: Sie könnten in falsche Hän- de geraten. Biologische und chemische Waf- 27. Ohne die Vereinigten Staaten wäre fen stellen eine Gefahr nicht nur für Streit- Westeuropa während des Ost-West-Konflikts kräfte im Einsatz außerhalb des Bündnisge- schutzlos gewesen, zumal die Bundesrepublik biets dar. Sie bilden eine Bedrohung auch für mit der Frontstadt West-Berlin. Es liegt auch die zivile Bevölkerung auf dem eigenen künftighin im deutschen Interesse, die trans- Staatsgebiet. Nüchterne Überlegung legt den atlantischen Bindungen zu erhalten und das Schluss nahe, dass Terroristen im Allgemei- deutsch-amerikanische Verhältnis zu pflegen. nen Regierungen unter Druck setzen wollen; Ohne Amerika wäre Europa den globalen Ge- dafür brauchen sie ängstliche Zuschauer, fährdungen der Zukunft weit stärker ausge- nicht ungezählte Tote. Es ist jedoch kein Ver- setzt. Sicherheit für Deutschland und Europa lass darauf, dass alle Terroristen sich dieser gibt es weiterhin nur mit den Vereinigten Logik beugen. Staaten, nicht ohne sie.

26 I. RISIKEN UND INTERESSEN 25 >

Frankreich alles tun, damit Russland ein mit ihm koope- rierender demokratischer Staat wird. Es ent- 28. Deutschland und Frankreich waren spricht vitalem deutschen und europäischen von Anbeginn der Motor der europäischen In- Interesse, den Draht nach Moskau nicht abrei- tegration. Die Aussöhnung zwischen den bei- ßen zu lassen, die Kontakte intensiv zu pfle- den Ländern hat in Europa ein Modell für die gen und den russischen Transformationspro- Überwindung historischer Gegensätze ge- zess zu unterstützen. setzt. Auch die Vertiefung und Erweiterung der Europäischen Union wird nur im engen Zusammenwirken von Paris und Berlin vor- anzubringen sein. Die militärische Koopera- Mittel- und Osteuropa tion zwischen Deutschland und Frankreich ist Teil einer übergreifenden europäischen Si- 31. Deutschland und seine EU-Partner cherheitspolitik. müssen ein gesteigertes Interesse daran ha- ben, dass die mittel- und osteuropäischen Re- formstaaten sich stabilisieren. Um diesen Pro- zess wirksam zu stützen, ist es geboten, sie in Großbritannien die Solidaritäts- und Sicherheitsgemeinschaf- ten des Westens einzubeziehen. Desgleichen 29. Der Bundesrepublik muss daran gele- liegt es im deutschen wie im europäischen gen sein, dass Großbritannien am EU-Integra- Interesse, den Stabilitätspakt für den Balkan tionsprozess uneingeschränkt teilnimmt. Ein zu realisieren. durch dauerhaftes, verlässliches Engagement beglaubigter britischer Anspruch auf Mitge- staltung der europäischen Zukunft liegt im Interesse aller seiner Partner. Die aktive Rol- Mittelmeerraum le, die London neuerdings auf dem Felde der europäischen Sicherheits- und Verteidigungs- 32. Deutschland muss im europäischen politik spielt, ist von besonderer Bedeutung Rahmen auch Mitverantwortung dafür über- und verdient jede Unterstützung. nehmen, dass die Mittelmeer-Region langfris- tig stabilisiert wird. Wohl unterhalten EU und NATO, WEU und OSZE seit längerer Zeit verschiedene Foren, in denen der Dialog mit Russland den meisten südlichen Anrainern des Mittel- meers gepflegt wird. Erfolge, wie sie im Os- 30. Die Russische Föderation wird nach ten Europas durch die „Partnerschaft für den dem Zusammenbruch des kommunistischen Frieden“ (PfP) erzielt werden konnten, haben Systems und dem Zerfall der Sowjetunion sich im Mittelmeerraum noch nicht ein- Jahrzehnte brauchen, um ihre inneren gestellt. Die Herausforderung, auch dort ge- Schwierigkeiten zu überwinden. Dies kann meinsame Sicherheit zu schaffen, bleibt be- nicht gegen den Westen, sondern allenfalls stehen. mit dessen Hilfe gelingen. Der Westen muss

27 Gemeinsame Sicherheit und Zukunft der Bundeswehr

ÜBERGREIFENDE 35. Mit ihrem Programm „Partnerschaft SICHERHEITSARCHITEKTUR für den Frieden“ hat die NATO die Grundlage für die praktische militärische Zusammen- arbeit mit 25 Ländern in Europa und Asien geschaffen. Staaten, die einander in der Ver- 33. Der Nordatlantikpakt und die Europäi- gangenheit feindlich gegenüberstanden oder sche Union sind die wichtigsten Organisatio- sich als Neutrale militärischer Kooperation nen, in denen Deutschland seine nationalen enthielten, bereiten sich in diesem Rahmen Interessen im größeren Verbund aufgehoben gemeinsam auf friedensunterstützende Ein- sieht, doch sind es nicht die einzigen. Des sätze vor. Die politische Abstimmung zwi- Weiteren kommt den Vereinten Nationen und schen der NATO und den PfP-Partnern findet der Organisation für Sicherheit und Zusam- im Euro-Atlantischen Partnerschaftsrat (EAPR) menarbeit in Europa hohe Bedeutung zu. statt.

NATO Europäische Union

34. Für die militärische Abschreckung und 36. Durch ihre enge Verflechtung bilden Verteidigung ist die NATO nach wie vor ent- die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union scheidend: Sie verbürgt die überseeische Prä- heute schon einen Sicherheitsraum. Es liegt senz der Vereinigten Staaten und deren Mit- im deutschen Interesse und entspricht den be- wirkung an den Verteidigungsstrukturen Eu- reits eingegangenen Verpflichtungen, diesen ropas. Sie sichert mit ihrer militärischen Inte- Sicherheitsraum nachhaltig zu stärken. gration die in Artikel 5 des Nordatlantik- Vertrags festgelegte Beistandspflicht; dadurch Im Rahmen des nordatlantischen Bündnisses erst wird die gemeinsame Reaktion aller gewinnt neuerdings eine Europäische Sicher- Bündnispartner gewährleistet. heits- und Verteidigungsidentität (ESVI) schärfere Konturen. Desgleichen bildet sich Darüber hinaus orientiert sich die NATO auf in der EU zusehends eine Europäische Sicher- Kriseneinsätze im euro-atlantischen Raum. heits- und Verteidigungspolitik (ESVP) her- Sie will bereitstehen, „von Fall zu Fall und im aus. Sie soll den Europäern die Möglichkeit Konsens, im Einklang mit Artikel 7 des schaffen, auch ohne amerikanische Mitwir- Washingtoner Vertrags zu wirksamer Kon- kung, gegebenenfalls aber unter Rückgriff auf fliktverhütung beizutragen und sich bei Gerät, Fernmeldewesen, Aufklärungspotenzial der Krisenbewältigung aktiv einzusetzen, und Stäbe der NATO zu handeln. Beides, die auch mit Krisenreaktionseinsätzen“ (Gipfel- gemeinsame Sicherheitspolitik wie die euro- Deklaration vom 24. April 1999). Der „euro- päische Verteidigungsidentität, soll den Weg atlantische Raum“ wird allerdings nicht näher zu einer ausgewogenen und damit langfristig definiert. Die Deklaration, eine Absichts- stabilen transatlantischen Partnerschaft eb- erklärung der Regierungen, erweitert nicht nen. die Bündnisverpflichtung.

28 I. RISIKEN UND INTERESSEN 33 >

37. Dem selben Zweck dient auch die er- Herzegowina, in Kroatien, Albanien und im strebte Einschmelzung der Westeuropäischen Kosovo. Schwerpunkte der Feldpräsenz lie- Union in die Europäische Union. Die Union gen in Südosteuropa, im Kaukasus, in Zen- wird dadurch auch de jure zur Sicherheitsalli- tralasien und im Baltikum. An den Einsätzen anz. Das ist deswegen bedeutsam, weil die waren zu Beginn des Jahres 2000 auch etwa Beistandsklausel des WEU-Vertrags verbind- 100 deutsche Zivilisten beteiligt. licher ist als der Artikel 5 des Nordatlantik- pakts. Deutschland sollte darauf hinwirken, 40. Die OSZE kann die Stabilitätsstruktu- dass jene EU-Staaten, die der WEU nicht oder ren der NATO und der Europäischen Union nur assoziiert angehören, ihre Vorbehalte ergänzen, nicht jedoch ersetzen. Dennoch gegenüber der im WEU-Vertrag fixierten Bei- liegt es in unserem Interesse, friedenserhal- standsverpflichtung revidieren. tende Operationen der OSZE mit dem Einsatz von zivilem und militärischem Personal ins- besondere für Beobachter- und Überwa- chungsmissionen unterstützen zu können. Die Organisation für Sicherheit und Kommission hält eine intensivere Zusammen- Zusammenarbeit in Europa arbeit von OSZE, EU und NATO zum Zwe- cke der Früherkennung und Lageüberwa- 38. Als Regional-Organisation im Sinne chung für notwendig. Zugleich plädiert sie für der VN-Charta ermöglicht die OSZE ihren 55 eine bessere personelle und finanzielle Aus- Mitgliedern eine besondere Form sicherheits- stattung der OSZE-Organe. Sie fordert die politischer Zusammenarbeit. Sie ist eine Or- Bundesregierung auf, die angekündigten ganisation nicht kollektiver, sondern koopera- Initiativen zugunsten der OSZE in die Tat um- tiver Sicherheit. Zu ihren Aufgaben zählen zusetzen, um – wie es in der Koalitionsverein- Krisenfrüherkennung; präventive Diplomatie; barung heißt – deren „Handlungsfähigkeit auf Wahrung von Menschen- und Minderheits- dem Feld der Krisenprävention und Konflikt- rechten, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit; vorbeugung zu verbessern“. vertrauensbildende Maßnahmen; Konfliktnach- sorge; Rüstungskontrolle und Verifikation.

Es gilt, an dem von Deutschland bereits 1994 Vereinte Nationen entwickelten und von den übrigen Staaten ak- zeptierten politischen (nicht völkerrechtlichen) 41. Die Vereinten Nationen zu fördern und Grundsatz „OSCE first“ festzuhalten. Sein zu stärken, gehört zu unseren wichtigsten Leitgedanke ist es, zunächst zu prüfen, ob die Interessen und Aufgaben. Die Weltorganisa- Regional-Organisation OSZE einen Konflikt tion mit ihren heute 189 Mitgliedern hat in ih- bewältigen kann, bevor die Vereinten Natio- rer bisherigen Geschichte bedeutende Ent- nen eingeschaltet werden. wicklungen eingeleitet. Zum ersten Mal in der Menschheitsgeschichte hat sie die Menschen- 39. Derzeit unterhält die OSZE 18 Missio- rechte zum globalen Thema gemacht und die nen mit insgesamt 2.500 Personen im Feld. Einsicht in den Zusammenhang von Men- Vier große Missionen stehen in Bosnien- schenrechten und Demokratie befördert.

29 Gemeinsame Sicherheit und Zukunft der Bundeswehr

Blauhelm-Missionen wurden eingerichtet, die Die bereits vielerorts in Europa bestehenden in der Charta noch gar nicht vorgesehen wa- Ausbildungszentren für VN-Friedensopera- ren. Unterorganisationen setzen sich für die tionen sollten gemeinsam genutzt werden. Linderung der Flüchtlingsnot und für den ge- sundheitlichen Schutz einer rapide wachsen- 43. Der Kosovo-Einsatz im VN-Rahmen den Weltbevölkerung ein, für die Rechte der unterstreicht die Notwendigkeit, solche Unter- Frauen, für die Kinder dieser Welt, für Ernäh- nehmen international zu legitimieren. Es muss rung, Umwelt, Klimaschutz und Entwick- bei der erklärten Politik der Bundesregierung lungshilfe. bleiben, das Monopol der Vereinten Nationen zur Legitimation einer Friedenserzwingung Indessen haben die Vereinten Nationen ihren mit Waffengewalt (robust peacekeeping, peace zentralen Auftrag, „künftige Geschlechter vor enforcement) anzuerkennen und weiterzuent- der Geißel des Krieges zu bewahren“, bisher wickeln. Der erwähnten deutschen Zusage, nicht erfüllen können, zumal der Sicherheits- Stand-by Forces bereitzuhalten, sollten weite- rat, ihr bei weitem mächtigstes Organ, sich re Schritte folgen, die vor allem der Verbesse- häufig selbst blockiert. rung der Einsatzführung und dem Aufbau eines zivilen Friedenskorps dienen. 42. Wo die Weltorganisation Frieden nicht erzwingen kann, ist sie gleichwohl in der La- 44. Eine Reform der Weltorganisation, so ge, Frieden zu überwachen und zu konsolidie- schwer sie angesichts der Zurückhaltung ren, sofern die Konfliktpartner sich darauf wichtiger Mitgliedsländer, zumal der Verei- verständigen, die Waffen ruhen zu lassen. An- nigten Staaten, sein wird, ist von elementarer fang 2000 standen nahezu 27.000 Blauhelm- Bedeutung. Im Interesse der Bundesrepublik Soldaten und -Polizisten in 19 Missionen auf Deutschland liegt es, die unersetzliche Bedeu- Posten, um die Einhaltung prekärer Waffen- tung der Vereinten Nationen zu unterstrei- stillstände oder Friedensschlüsse zu kontrol- chen, die Stellung des Generalsekretärs zu lieren. Immer öfter werden Konfliktnachsorge stärken, die Wirksamkeit der Unterorganisa- und Friedenskonsolidierung durch den Auf- tionen nachhaltig zu fördern und den Miss- bau zivilgesellschaftlicher Strukturen (nation- brauch des Vetorechts im Sicherheitsrat ein- building) zur eigentlichen Aufgabe. zudämmen. Die Anwendung der Uniting for Peace Resolution aus dem Jahre 1950 könnte Soldaten der Bundeswehr waren im Auftrag diesem Ziel dienen. Vorschläge für den Re- der Vereinten Nationen in Kambodscha, Irak, formprozess und dessen politische Unterstüt- Kuwait, Somalia, Ost-Timor und stehen heute zung sollten uns Deutschen besonders am noch in Bosnien, Georgien und im Kosovo im Herzen liegen. Erst wenn wir hierzu substan- Einsatz. Deutschland hat dem VN-Generalse- zielle Beiträge leisten, wird unser Wunsch kretär zugesagt, sogenannte Stand-by Forces nach einem ständigen Sitz im Sicherheitsrat für Friedensmissionen bereitzuhalten, darun- glaubwürdig und aussichtsreich. ter vor allem Fernmeldekräfte, Pioniere und Feldjäger. Neben militärischen Kräften sollte Deutschland auch zivile Polizeikräfte für internationale Friedenseinsätze bereithalten.

30 I. RISIKEN UND INTERESSEN 42 >

Abkommen zur Rüstungskontrolle und Abrüstung

45. Rüstungskontrolle und Abrüstung blei- ben essenzielle Instrumente deutscher Sicher- heitspolitik. Deutschland hat ein starkes si- cherheitspolitisches Interesse daran, dass die bestehenden Abrüstungs- und Rüstungskon- trollabkommen eingehalten werden. Ebenso liegt der Bundesrepublik daran, weitere Ab- machungen über die Reduzierung konventio- neller und nuklearer Waffen zu erreichen. Die sicherheitspolitische Lage macht es besonders wichtig, verbindliche Regelungen für nicht- strategische Kernwaffen anzustreben, die bis- lang von Rüstungskontrollabkommen noch nicht erfasst sind. Im Zuge einer solchen Re- gelung stehen auch die in Deutschland statio- nierten taktischen Kernwaffen und die ver- bleibende nukleare Rolle der Luftwaffe zur Disposition. Auch die Stärkung und Erweite- rung der bestehenden Nichtverbreitungs- und Verbotsregime für nukleare, biologische und chemische Waffen sind von großer Bedeu- tung.

31

DER EUROPÄISCHE IMPERATIV II.

II. DER EUROPÄISCHE IMPERATIV 46 >

DER POLITISCHE RAHMEN Willen dieser Staaten zu einer schnellen Ein- greiftruppe fortentwickelt werden. 46. Zu Beginn der 60er-Jahre ventilierte Präsident John F. Kennedy als erster den Ge- Im Dezember 1999 entschied der Europäi- danken, das Atlantische Bündnis auf zwei sche Rat in Helsinki, dass die Mitglieds- Pfeiler zu stellen: einen starken europäischen staaten bis 2003 in der Lage sein müssen, ge- Pfeiler neben der tragenden amerikanischen meinsam binnen 60 Tagen 50.000 – 60.000 Säule. Aus dem two-pillar-Konzept Kenne- Soldaten, ergänzt durch See- und Luftstreit- dys ist während des Kalten Krieges nichts ge- kräfte, an einen Krisenherd jenseits des worden. Die Europäer waren in ihrer Haltung NATO-Gebiets zu entsenden und ein Unter- zur NATO gespalten; Frankreich zog sich nehmen dieses Umfangs mindestens ein Jahr 1966 aus der Militärorganisation des Bünd- lang aufrechtzuerhalten. Aufgabe dieser nisses zurück und hat sich ihr erst in jüngster Streitkräfte sind humanitäre Aktionen und Zeit wieder angenähert. Rettungsunternehmen, Krisenverhütung und Krisenbewältigung, friedensbewahrende und 47. Nach dem Ende des Ost-West-Kon- friedenserzwingende Operationen. flikts änderte sich die Lage. In der Präambel des Maastrichter Vertrages (1992) bekunde- 48. Die Planung muss sich schon heute ten die EU-Mitglieder ihre Entschlossenheit, darauf einstellen, dass die Verteidigungspoli- eine Gemeinsame Außen- und Sicherheitspo- tik nicht mehr länger aus der europäischen In- litik (GASP) zu verfolgen, „wozu auf längere tegration ausgeklammert wird. Neben dem Sicht auch die Festlegung einer gemeinsamen NATO-Bezug muss auch dieser EU-Rahmen Verteidigungspolitik gehört, die zu gegebener für die künftige Bundeswehr verbindlich sein. Zeit zu einer gemeinsamen Verteidigung füh- Den Weichenstellungen von 1999 werden wei- ren könnte, und so die Identität und Unabhän- tere Schritte folgen. Auf absehbare Zeit be- gigkeit Europas zu stärken“. Der Amsterda- deutet das kein Aufgehen der Streitkräfte der mer Vertrag bestätigte diese Absicht. „Die EU-Staaten in einer europäischen Armee. Union“, heißt es dort in Artikel 11, „erarbeitet Aber die Staats- und Regierungschefs der und verwirklicht eine Gemeinsame Außen- Union haben die Fähigkeit zu gemeinsamem und Sicherheitspolitik“. militärischen Handeln in Krisen zum ent- scheidenden Test für die internationale Glaub- Im Juni 1999 öffnete der Europäische Rat in würdigkeit der Union gemacht. Köln den Weg zur Stärkung der GASP. Er be- schloss, die Westeuropäische Union, die in den letzten Jahren zunehmend auf die Füh- rung eigenständiger Militäreinsätze in Kri- sensituationen ausgerichtet worden war, bis Ende 2000 in der Europäischen Union aufge- hen zu lassen. Das von Truppen aus Frank- reich, Deutschland, Spanien, Belgien und Lu- xemburg gebildete Eurokorps soll nach dem

35 Gemeinsame Sicherheit und Zukunft der Bundeswehr

STREITKRÄFTEPLANUNG IM schlossen Abhilfe geschaffen, in Zukunft un- EUROPÄISCHEN RAHMEN – möglich werden könnte. DIE SCHWERPUNKTE 50. In Helsinki haben die EU-Regierungen 49. Die Streitkräfte der EU-Staaten müssen erste Beschlüsse gefasst: Gemeinsame Füh- ihre militärischen Aufgaben als gemeinsame rungsmittel, strategische Aufklärung und stra- Aufgaben verstehen und neue Möglichkeiten tegischer Transportraum sollen bereitgestellt der Zusammenarbeit suchen. Die Profilierung werden. Vorarbeiten zur Errichtung eines eu- der eigenen sicherheitspolitischen Identität ropäischen Lufttransport-Kommandos wurden setzt allerdings voraus, dass die Europäer den bereits eingeleitet. Jede dieser Initiativen ver- von ihnen in der Allianz angestrebten Part langt neben den entsprechenden Mitteln in auch mit den dafür notwendigen militärischen den nationalen Verteidigungshaushalten auch Fähigkeiten untermauern. konkrete gemeinsame Bemühungen bei Be- schaffung, Ausbildung und Betrieb. Nachdruck wird dabei nicht auf große Streit- kräfteumfänge gelegt werden dürfen. Der Ak- Da die Krisenreaktions-Einsätze stets Koali- zent muss hinfort auf der raschen Einsatzfä- tions-Unternehmen sein werden, ist Interope- higkeit präsenter Verbände liegen; auf höch- rabilität das Gebot der Stunde. Interoperabili- stem technischen Standard bei der Bewaff- tät bedeutet die Fähigkeit von Streitkräften nung ebenso wie bei den Führungs- und aus verschiedenen Nationen, Kriseneinsätze Kommunikationsmitteln; auf Luftbeweglich- gemeinsam zu bewältigen. Das setzt voraus, keit, Verlegefähigkeit zur See, weltraumge- dass Ausbildungsstandards, Waffen und Ge- stützter Aufklärung. Zumal die Satellitenauf- rät, strategische Doktrin und taktische Grund- klärung lässt sich nur im europäischen Ver- sätze der EU-Partner zunehmend aufeinander – bund aufbauen. und zugleich auch mit den Vereinigten Staa- ten – abgestimmt sind. Der Weg dorthin wird nicht einfach sein. Das zeigen nicht zuletzt die Erfahrungen der Bal- 51. Zwei Forderungen ergeben sich da- kan-Konflikte und die fortwährenden Schwie- raus: Kooperation und Konvergenz. Für eine rigkeiten der Europäer bei der Truppengestel- immer engere Abstimmung der Potenziale lung. Im Gefolge des Kosovo-Krieges stieß sprechen nicht nur die Erfordernisse bei Ein- die Öffentlichkeit auch auf einen anderen sätzen, in denen meist mehrere europäische Sachverhalt, mit dem bis dahin nur die Fach- Länder zusammenwirken werden. Europäi- leute vertraut waren: Die europäischen sche Lösungen verbessern auch die Wirt- NATO-Partner sind, was die Ausrüstung ihrer schaftlichkeit. Unnötige Doppelentwicklun- Streitkräfte mit modernen Hochtechnologie- gen lassen sich nur in einem kollektiven Rah- Waffen, Führungsmitteln und Kommunika- men vermeiden. Für die Bundeswehr sollte tionssystemen anbelangt, weit hinter die Ame- daher gelten: Treten europäische und deut- rikaner zurückgefallen – so weit, dass das Zu- sche Lösungen in Konkurrenz, hat die europä- sammenwirken der europäischen Armeen mit ische Gemeinsamkeit Vorrang vor nationalen den US-Streitkräften im Einsatz schon jetzt Optimierungen. Schwierigkeiten macht und, würde nicht ent-

36 II. DER EUROPÄISCHE IMPERATIV 49 >

Den Rahmen dafür müssten aber eine gemein- rungssystem: Beschaffung und Wartung des same Streitkräfteplanung und koordinierte Systems, Ausbildung und Einsatz der Teams Reformanstrengungen abgeben. Es wäre zu werden gemeinsam betrieben. prüfen, ob sich dabei Konvergenzkriterien nicht ebenso harmonisierend auswirken könn- Die Übernahme dieses Modells für anderes ten wie die Maastricht-Kriterien auf dem Fel- Großgerät scheitert vorerst noch an der Zu- de der Wirtschafts- und Finanzpolitik vor dem rückhaltung der europäischen Nationen, wenn Inkrafttreten der Europäischen Währungsunion. es darum geht, ihre militärische Souveränität durch Abhängigkeit von Partnern einzuschrän- ken. Aber ein wichtiger Zwischenschritt könn- te in der Schaffung von Organisationsformen MÖGLICHKEITEN MILITÄRI- liegen, die die wirtschaftlichen Vorteile des SCHER ZUSAMMENARBEIT gemeinsamen Betriebs teurer Waffensysteme mit der souveränen Verfügungsgewalt einzel- 52. Die Europäer sollten den gemeinsa- ner Nationen verbinden. Die Idee eines ge- men, wahrscheinlich über viele Jahre erfor- meinsamen europäischen Lufttransport-Kom- derlichen Einsatz auf dem Balkan nutzen, um mandos, dem militärische Lufttransport- und ihre Möglichkeiten wirksamer Zusammen- Luftbetankungskräfte ständig unterstellt sind arbeit auszuweiten. Zur Zeit werden zum Bei- und das auch auf zivile Mittel zurückgreifen spiel nationale Einheiten überwiegend natio- kann, ist eine Möglichkeit; die Zusammenfas- nal versorgt. Die skandinavischen Truppen sung der Seefernaufklärer der europäischen zeigen, dass es auch anders geht. Sie nehmen Marinen in gemeinsamen Einsatzverbänden ihre Logistik gemeinsam wahr. Was spricht eine andere; der gemeinsame Betrieb von dagegen, dass andere EU-Staaten, die sich Einsatzbasen, Wartungseinrichtungen, Ersatz- sämtlich auf eine lange Balkan-Präsenz ein- teildepots und Ausbildungssimulatoren eine stellen müssen, es den Skandinaviern gleich dritte; die Einrichtung multinationaler Logis- tun? Gleiches gilt für die Ausbildung. Militä- tikzentren eine vierte. Die Einsatzmittel selbst risches und ziviles Personal, das jetzt noch na- blieben in nationaler Verfügungsgewalt. tional getrennt für den Einsatz auf dem Bal- kan vorbereitet wird, könnte durch gemeinsa- Solche Zusammenarbeit bietet sich grund- me Ausbildung besser auf die gemeinsame sätzlich für alle Großwaffensysteme wie Flug- Aufgabe eingestimmt werden. zeuge, Hubschrauber, Schiffe und U-Boote an. Beispielsweise werden ab 2002 fünf EU- 53. Die Begrenztheit der Mittel in allen Staaten, darunter Deutschland, zusammen EU-Staaten bedeutet, dass keiner allein sich mehr als 600 Kampfflugzeuge des Typs hinreichend mit komplexem Großgerät aus- EUROFIGHTER beschaffen. Hier sollten ge- rüsten kann. Das bekannteste erfolgreiche meinsame Lösungen für Ausbildungsorgani- Beispiel, wie die Zusammenfügung gemein- sation, Unterstützungseinrichtungen und Flug- samer Mittel für jeden teilnehmenden Staat betrieb angestrebt werden. Damit wäre sicher- sonst unerreichbaren militärischen Nutzen gestellt, dass sich die Typen nicht soweit aus- bringen kann, ist das AWACS-Programm der einander entwickeln, dass die Interoperabi- NATO, das luftgestützte Frühwarn- und Füh- lität nicht mehr gewahrt ist. So könnte die

37 Gemeinsame Sicherheit und Zukunft der Bundeswehr

europäische Zusammenarbeit in der integrier- sichergestellt, ohne die nationale Entschei- ten Luftverteidigung weiter verdichtet werden. dungsfreiheit zu beeinträchtigen.

54. Gemeinsame Ausbildung ist die beste Grundlage für die Bewältigung gemeinsamer Aufgaben. Noch gibt es nur wenige europäi- ABBAU VON DUPLIZIERUNGEN – sche Ausbildungszentren für spezifische Waf- CHANCEN DER PRIVATISIERUNG fensysteme oder Aufgaben. Ein ständiger ma- ritimer Ausbildungsverband der Ostsee-An- 56. Die Aufgabe, die Bundeswehr der Zu- rainer würde allen zugute kommen und zu- kunft am europäischen Rahmen zu orientie- gleich deutlich machen, dass sie ihre Sicher- ren, ergibt sich auch aus Gründen der Kosten- heitsinteressen gemeinsam wahrnehmen. Ei- effizienz. Nicht nur die tiefsitzende Abnei- ne EU-Sicherheitsakademie entspräche dem gung der Nationen gegen Souveränitätsver- künftigen Zuschnitt viel mehr als eine Fülle zichte auf dem Felde ihrer Verteidigung, auch derartiger nationaler Einrichtungen. Die Bei- die Sorge vor Überraschungsangriffen begüns- spiele lassen sich vermehren. Sie unterstrei- tigte im Kalten Krieg die Duplizierung der chen, wie vielfältig die Möglichkeiten militä- militärischen Fähigkeiten europäischer Part- rischer Verflechtung in der EU sind. ner. Jedes größere Land versuchte, nahezu das ganze Spektrum von Einsatzmöglichkeiten 55. Solange es keine europäische Exekuti- selbst bereitzuhalten. Ausbildung, Beschaf- ve gibt, die eigenverantwortlich Streitkräfte fung, Logistik und Aufklärung blieben trotz einsetzen kann, werden sich die Regierungen Bündnisintegration national. Die große Zahl und Parlamente stets die abschließende Ent- militärischer Standorte und Einsatzbasen be- scheidung über den Einsatz ihrer Streitkräfte deutete in ihrer Redundanz zwar auch einen vorbehalten. Die Zusage von Beiträgen zu ge- gewissen Schutz. Diese Rechtfertigung ist je- meinsamen Streitkräfte-Strukturen bleibt da- doch mittlerweile entfallen. Die alten Struktu- her unverbindlich. Das kann dazu führen, dass ren sind heute so überholt wie kostentreibend. im Bedarfsfall nicht alle zugesagten nationa- len Kontingente zur Verfügung stehen. Gäbe es schon gemeinsame europäische Streitkräfte, könnten Ausbildung und Be- Diesem Mangel wäre abzuhelfen, wenn zum schaffung, Logistik und Betrieb vereinheit- Beispiel der geplante europäische Eingreif- licht und zusammengefasst werden. Die Du- verband so organisiert würde, dass für jedes plizierung hätte ein Ende. Auch die Streitkräf- seiner nationalen Elemente ein Ersatzelement te könnten endlich aus dem großen europäi- aus einer anderen Nation bereitstünde. Da oh- schen Markt, dem Wettbewerb unter den An- nehin Ablöse-Kontingente benötigt werden, bietern von Rüstungsgütern und der weitge- könnte nach dem Prinzip verfahren werden: henden Privatisierung vieler Dienstleistungen Nimmt eine Nation an einem gemeinsamen Vorteil ziehen. Einsatz nicht teil, springt das Teilkontingent der nächsten Nation dafür ein. So wird die 57. Schon jetzt bietet der europäische Verfügbarkeit eines gemeinsamen Dispositivs Rahmen auch rein nationalen Streitkräften die

38 II. DER EUROPÄISCHE IMPERATIV 54 >

Chance erheblicher Einsparungen. Der Grund wehrtechnische Forschungs- und Technolo- liegt sowohl in der zunehmenden Verflech- giepolitik, schließlich gemeinsame Beschaf- tung europäischer Unternehmen wie in der fungsentscheidungen. Diese sind ein wesent- wachsenden Erkenntnis, dass auch bei Be- licher Schritt hin zu gemeinsamem Betrieb schaffung und Betrieb der Streitkräfte vieles, von Waffensystemen. was bisher von staatlicher Seite geleistet wur- de, von privaten Marktteilnehmern rascher, Es ist an der Zeit, dass sich die Rüstungsin- billiger und wirksamer erbracht werden kann. dustrie der EU-Mitglieder auf einen künftigen Überall in Europa ist eine relative Entstaatli- europäischen Markt hin organisiert. Die Eu- chung militärwirtschaftlicher wie militärorga- ropäer haben mit der Erfolgsgeschichte des nisatorischer Belange zu spüren. Wegen der Airbus wie der Ariane gezeigt, was sie auf grenzüberschreitenden Vernetzung vieler füh- diesem Felde zu leisten vermögen. Die sich render Unternehmen kann damit zugleich ei- abzeichnende Neuordnung der westeuropäi- ne Europäisierung verbunden werden. Die schen Industriestrukturen durch Fusionen und Anforderungen in vielen Tätigkeitsfeldern der Akquisitionen wird die künftige Zusammen- Streitkräfte – das deutlichste Beispiel ist die arbeit erleichtern. Die Industriezusammen- Informationstechnik – entsprechen denen im schlüsse der letzten Zeit – so der Zusammen- Privatsektor, und viele Produkte sind heute schluss von Unternehmen Frankreichs, militärisch wie privatwirtschaftlich einzuset- Deutschlands und Spaniens zur European zen. Diese Tendenz wird sich fortsetzen – sie Aeronautic Defense and Space Company eröffnet neue Perspektiven der Europäisie- (EADS) – weisen den richtigen Weg. rung.

STÄRKERES EUROPA GLEICH RÜSTUNGSKOOPERATION STÄRKERE ALLIANZ

58. Die Verträge von Maastricht und Ams- 59. Bei den Europäern wächst die Ein- terdam haben auch die rüstungspolitische Zu- sicht, dass sie bei den Streitkräftereformen sammenarbeit in die europäische Sicherheits- näher zusammenrücken und mehr miteinan- und Verteidigungspolitik einbezogen. Europä- der kooperieren müssen. Die Kommission rät ische Handlungsfähigkeit in Verteidigungs- der Bundesregierung zu einer politischen fragen und konkrete Schritte in der Rüstungs- Initiative mit dem Ziel, den in vielen Partner- zusammenarbeit sind zwei Seiten ein und der- ländern betriebenen Umbau der Streitkräfte selben Medaille. Die militärische Handlungs- aufeinander abzustimmen und – wo immer fähigkeit Europas setzt eine leistungsfähige möglich – für die Zukunft gemeinschaftliche europäische Verteidigungsindustrie voraus. europäische Vereinbarungen zu treffen.

Eine der wichtigsten Aufgaben ist es dabei, Der europäische Rahmen ist deutscher Si- Beschaffungen gemeinsam zu planen. Das cherheitspolitik und den deutschen Streit- verlangt eine Harmonisierung der militäri- kräften in einem Maße vorgegeben, wie dies schen Forderungen, ferner eine koordinierte vor wenigen Jahren noch undenkbar schien.

39 Gemeinsame Sicherheit und Zukunft der Bundeswehr

Heute wird die Europäische Union neben der NATO zu einer Institution europäischer Ver- teidigung. Die gemeinsame Aufgabe der Kri- senbewältigung erhöht den Grad, in dem die EU-Staaten militärisch aufeinander angewie- sen sind. Der Kostendruck moderner Verteidi- gung unterstreicht die Notwendigkeit gemein- schaftlicher Projekte. Beides bietet die Chan- ce, mehr Europa in der Sicherheits- und Ver- teidigungspolitik zu schaffen.

60. Die zunehmende Koordinierung euro- päischer Verteidigung in der Europäischen Union wird die NATO nicht untergraben. Wenn die Europäer sich jetzt mit vierzig Jah- ren Verzug daran machen, jenen zweiten Pfei- ler in der NATO zu errichten, von dem einst John F. Kennedy sprach, so tun sie das nicht, um das Atlantische Bündnis zu schwächen, sondern um es zu stärken. Heute zeichnet sich die Chance ab, jene Vision zu verwirklichen. Die Amerikaner werden die Europäer aber nur dann als ebenbürtige Partner betrachten, wenn die europäische Politik über Deklarationen hinausgeht und zu einer sichtbaren Verstär- kung militärischer Anstrengungen führt.

Eine Allianz, in der die Europäer sich nicht länger bevormundet und die Amerikaner sich nicht länger ausgenutzt fühlen, bildet das bes- te Fundament transatlantischer Partnerschaft.

40 II. DER EUROPÄISCHE IMPERATIV 60 >

41 zukunft der bundeswehr

AUFTRAG UND FOLGERUNGEN III.

III. AUFTRAG UND FOLGERUNGEN 61 >

61. Nach dem Grundgesetz dient die Bun- Doch auch dann, wenn alle völkerrechtlichen deswehr der Landes- und Bündnisverteidi- Bedenken gegen derlei Einsätze ausgeräumt gung und kann zur Friedenswahrung im Rah- sein sollten, wird nicht jede eklatante Men- men eines Systems gegenseitiger kollektiver schenrechtsverletzung dazu führen, dass an- Sicherheit eingesetzt werden. dere Staaten sich militärisch einmischen. Jedem Eingreifen wird eine genaueste Abwä- Während des Ost-West-Konflikts folgte da- gung vorausgehen müssen, ob deutsche und raus als Hauptaufgabe der Bundeswehr, in en- europäische Belange betroffen und die Ziele ger Tuchfühlung mit den NATO-Verbündeten klar und erreichbar sind. Die Europäer wer- einen Beitrag zur Kriegsverhinderung durch den vermutlich öfter Nein sagen müssen, als Abschreckung und zur gemeinsamen Vertei- sie Ja sagen können. Interventionsrecht heißt digung Westeuropas zu leisten. Bündnisver- nicht Interventionspflicht. teidigung hätte als Landesverteidigung auf deutschem Boden stattgefunden. Im Verteidi- gungsfall wäre die Bundeswehr durch Mobil- machung von Reservisten auf einen Kriegs- umfang von 1,3 Millionen Mann gebracht worden. AUFTRAG

Das ist heute anders. Die Aufgaben der Bundeswehr haben sich völlig verändert. Die Bundeswehr wird vornehmlich außerhalb 63. Im Jahre 1992 hat die Bundesregie- Deutschlands eingesetzt werden – entweder rung den Auftrag der Bundeswehr wie folgt zur kollektiven Verteidigung eines Bündnis- formuliert: partners oder – was wahrscheinlicher ist – zu regional begrenzten Einsätzen der Krisenvor- Die Bundeswehr sorge und Krisenbewältigung. schützt Deutschland und seine Staatsbür- 62. In diesem Zusammenhang gewinnen ger gegen politische Erpressung und äuße- Fragen der Rechtsordnung und des Mandats re Gefahr; an Bedeutung. Der NATO-Einsatz im Kosovo unter Beteiligung der Bundeswehr und die zu fördert die militärische Stabilität und die seiner Rechtfertigung geführte völkerrechtli- Integration Europas; che Debatte hat zum Aufbrechen traditionel- ler Rechtsinterpretationen und Denkweisen verteidigt Deutschland und seine Verbün- geführt. Nach dem in Wandlung befindlichen, deten; wiewohl noch umstrittenen Rechtsverständ- nis können Völkermord und ethnische Säube- dient dem Weltfrieden und der internatio- rungen Eingriffe in die Souveränität eines nalen Sicherheit im Einklang mit der Char- Staates und Verletzungen seiner territorialen ta der Vereinten Nationen; Unversehrtheit rechtfertigen.

47 Gemeinsame Sicherheit und Zukunft der Bundeswehr

hilft bei Katastrophen, rettet aus Notlagen sichts der veränderten Lage weit geringer sein und unterstützt humanitäre Aktionen. können, als es die gegenwärtigen Planungen vorsehen. Selbst bei einer – derzeit hypotheti- 64. Künftige Einsätze zur Krisenvorsorge schen – Verschlechterung der Sicherheitslage und Krisenbewältigung können sich in einem wird Zeit genug bleiben, die dann benötigten breiten Spektrum von Aktionen bewegen. zusätzlichen militärischen Fähigkeiten aufzu- Es reicht von humanitären Hilfsmaßnahmen bauen. über klassische friedenserhaltende Blauhelm- Missionen bis hin zu friedenserzwingenden Die Kommission empfiehlt, Fähigkeiten, Militäroperationen, an denen sich die Bundes- Strukturen und Umfänge der Bundes- republik Deutschland gemeinsam mit ihren wehr primär aus der Eignung zu Krisen- Verbündeten beteiligt. einsätzen abzuleiten. Mit den dafür be- reitgestellten Kräften wird auch die Bünd- Die Konflikte der jüngsten Vergangenheit ha- nisverteidigung geleistet werden können. ben gezeigt, dass sich die Grenzen zwischen den verschiedenen Einsatzarten verwischen. 66. Mit der vorrangigen Ausrichtung der Die unterschiedlichen Formen der friedens- Bundeswehr auf Kriseneinsätze wird eine unterstützenden Einsätze zählen nach allge- geographische Eingrenzung des künftigen Ein- meinem strategischen Verständnis zwar zur satzraums deutscher Soldaten schwierig. Die Aufgabe der Krisenbewältigung, können aber Fähigkeit, im kompletten Einsatzspektrum bis von Umfang, Dauer und Intensität her durch- hin zu Konflikten mit hoher Intensität handeln aus dem Kriegsbild der Bündnisverteidigung zu können, muss künftig über große Entfer- entsprechen. Der Luftkrieg gegen Jugoslawi- nungen glaubhaft und dauerhaft sichergestellt en verlangte beispielsweise Fähigkeiten, die werden. Diese Entwicklung markiert zugleich auch für Luftkriegsoperationen im Rahmen die Abkehr vom traditionellen Bild der Bun- der kollektiven Verteidigung erforderlich wären. deswehr als Instrument eines rein auf territori- ale Verteidigung orientierten Landes. In künf- 65. Bislang galt der Grundsatz, dass die tigen Einsätzen werden alle militärischen Fähigkeit zur Abwehr eines Angriffs auf das Kräfte enger als in der Vergangenheit zu- eigene Hoheitsgebiet auch die Fähigkeit ein- sammenwirken müssen. Notwendig ist streit- schloss, mit minderen Bedrohungen fertig zu kräftegemeinsames und bündnisgemeinsames werden. Zukünftig gilt der umgekehrte Grund- Denken, Planen und Handeln. satz: Die Fähigkeit zum regional begrenzten Kriseneinsatz schließt die Fähigkeit zur kol- lektiven Bündnis- und Landesverteidigung ein.

Ergänzende Vorsorge für den derzeit unwahr- scheinlichen Fall eines massiven, das Bünd- nisgebiet unmittelbar gefährdenden Angriffs muss zwar getroffen werden. Die Aufwuchs- fähigkeit der Streitkräfte wird jedoch ange-

48 III. AUFTRAG UND FOLGERUNGEN 64 >

FÄHIGKEITEN gebettet sein. Moderne technologische Syste- me ersetzen den Soldaten nicht, vervielfachen aber seine Wirkungsmöglichkeiten.

67. Die Orientierung auf Kriseneinsätze Für Kriseneinsätze bedarf es nach Ansicht der erfordert eine grundsätzlich neue Bundes- Kommission einer Anzahl wichtiger Fähig- wehr. Kern dieser Bundeswehr müssen schnell keiten: verfügbare, präsente Einsatzkräfte von Heer, Luftwaffe und Marine sein, die für die ganze Breite friedensunterstützender Einsätze und für jede Form der kollektiven Verteidigung im Krisenfrüherkennung Bündnis geeignet sind. Sie sollten von einer angemessenen Militärischen Grundorganisa- 69. Um krisenhafte Entwicklungen früh- tion unterstützt und bei Bedarf durch Reser- zeitig erkennen und lagegerechte Entschei- visten verstärkt werden. Das Personalstärke- dungen fällen zu können, benötigt die Bundes- verhältnis der Teilstreitkräfte verändert sich. regierung einen eigenen und ungefilterten Zu- Luftwaffe und Marine werden einen größeren gang zu aktuellen und umfassenden Informa- Anteil einnehmen als bisher. Das Heer wird tionen. Ein großer Teil der strategisch relevan- absolut und relativ kleiner. Gegenüber heuti- ten Daten ist offen zugänglich. Vonnöten ist gen Strukturen und Umfängen ist der Verän- jedoch eine Verbesserung der professionellen derungsbedarf dort am größten. Analyse und Bewertung der vorhandenen In- formationen. Die hierfür notwendigen Aus- 68. Streitkräfte müssen auch zukünftig in- wertekapazitäten sollten ressortübergreifend tensive konventionelle Kampfhandlungen füh- gebündelt und ausgebaut werden. ren können. Nur wer in Konflikten hoher In- tensität bestehen kann, bleibt auch bei ande- Gleichzeitig sollten Defizite in der Nachrich- ren Einsätzen militärisch glaubwürdig und tengewinnung durch neue technische Aufklä- politisch handlungsfähig. Dafür braucht die rungsmittel beseitigt werden. Dabei sind die Bundeswehr eine moderne materielle Ausstat- gemeinsame Beschaffung und ein Betrieb im tung, die gleichermaßen die Überlebensfähig- Verbund mit Partnern anzustreben. Die dort keit der Soldaten, die Wirksamkeit der militä- gewonnenen Informationen sollten allen Part- rischen Einheiten und die Interoperabilität mit nern zugänglich sein. Verbleibende nationale den Verbündeten und Partnern sicherstellt. Aufklärungskapazitäten, vor allem auf takti- Präzisionswaffen, aus der Distanz von See scher Ebene, sollten die der Partner ergänzen. oder aus der Luft zur Wirkung gebracht, kön- nen die Verluste an Menschenleben auf ein Minimum beschränken. Hochtechnologiesys- teme haben allerdings nicht nur in der strate- gischen Auseinandersetzung ihren Platz. Auch begrenzte Operationen müssen in ein komple- xes technologisches Umfeld von Aufklä- rungs-, Kampf- und Führungssystemen ein-

49 Gemeinsame Sicherheit und Zukunft der Bundeswehr

Verfügbarkeit als heute sollten die Einsatzkräfte dauerhaft so strukturiert und ausgestattet sein, dass die 70. Die künftige Beteiligung deutscher benötigten Elemente ohne organisatorische Streitkräfte an Einsätzen und der jeweils kon- Umgliederungen und ohne weitere Ausbil- krete militärische Beitrag richten sich nach dung auf den Weg gebracht werden können. politischen und operativen Erwägungen. Die Art, die vermutliche Dauer und der Ort des Einsatzes bestimmen, welche Kräfte mit wel- cher Ausrüstung den politischen Zweck am Mobilität besten erreichen können. 71. Reaktionsfähigkeit für Einsätze im In einer Krise wird ein Teil der Einsatzkräfte euro-atlantischen Raum setzt ausreichende Trans- in kurzer Zeit, der weitaus größere Anteil als portkapazitäten voraus. Während in Mitteleu- Ablöse- und Verstärkungskräfte zu einem ropa wie in der Vergangenheit der Großteil vom Einsatzrhythmus bestimmten späteren der Truppen auf Straße und Schiene verlegt Zeitpunkt verfügbar sein müssen. Militär- werden kann, ist das bei Einsätzen in anderen beobachter und Verifikationsteams, Rettungs- Regionen nicht oder nur sehr eingeschränkt und Evakuierungskräfte sowie Führungs-, möglich. Strategische Luft- und Seetransport- Unterstützungs- und Sicherungselemente zur kapazitäten sollten gemeinsam mit den euro- Einsatzvorbereitung werden in kürzester Zeit päischen Partnern aufgebaut werden. Die Mög- nach schneller Verlegung ins Einsatzgebiet lichkeit, zivile Transportleistungen in Anspruch ihre Aufgaben wahrzunehmen haben. Luft- zu nehmen, muss genutzt werden. bewegliche Kräfte des Heeres und Teile der Luft- und Seestreitkräfte werden in Tagen, das Gros der Einsatzverbände in Wochen ihre Einsatzbereitschaft herstellen und für eine Bündnisfähigkeit Verlegung bereitstehen müssen. 72. Alle vorstellbaren Kriseneinsätze der Einsätze zur Krisenbewältigung, deren Schwer- Bundeswehr werden Koalitionseinsätze sein. punkt auf Sicherung und Überwachung von Daraus folgt, dass die deutschen Streitkräf- Grenzen und Räumen oder auf einer Tren- te bündnisfähig sein müssen. Der Beitrag nung von Konfliktparteien liegt, verlangen Deutschlands muss die militärischen Mittel andere Kräfte als friedenserzwingende Ein- der wahrscheinlichsten Einsatzpartner – USA, sätze. Zur Friedenskonsolidierung muss die Frankreich und Großbritannien – verlässlich Bundeswehr dazu fähig sein, einen Beitrag ergänzen, damit notwendige Fähigkeiten durch zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ord- das modulare Zusammenfügen verschiedener nung und zum Wiederaufbau der Infrastruktur nationaler Potenziale und auch durch Spezia- zu leisten. lisierung und Arbeitsteilung erreicht werden können. Nicht alle vorhandenen Fähigkeiten werden jeweils in gleichem Umfang benötigt. Anders

50 III. AUFTRAG UND FOLGERUNGEN 70 >

Zusammenwirken und verlegbar sein wie die übrigen Einsatz- kräfte. Mobilmachungsabhängig sollten nur 73. Künftige Einsätze werden mehr als jene Unterstützungs- und territorialen Siche- bisher geprägt sein durch Multinationalität rungskräfte sein, die im Falle der Bündnisver- und einen streitkräftegemeinsamen Ansatz. teidigung die Operationsfreiheit von deut- Daraus erwächst die doppelte Anforderung an schem Boden aus sichern. die Bundeswehr, einerseits deutsche Kontin- gente in multinationalen Verbänden national und streitkräftegemeinsam zu führen, und auch als lead nation die Einsatzführung multi- nationaler Kräfte zu übernehmen. ÜBERKAPAZITÄTEN Besonders in Kriseneinsätzen sind die militä- rischen Aspekte eines Einsatzes stets nur ein Element in der politischen Gesamtstrategie. Allein das enge Zusammenwirken aller mili- 75. Den neuen Anforderungen entspricht tärischen Kräfte und die Zusammenarbeit mit die heutige Bundeswehr immer weniger. Die zivilen Organisationen kann die jeweiligen Planung hält an hoher Aufwuchsfähigkeit von Stärken zum Tragen bringen. Personal und Material fest und nimmt dafür Mängel bei der Krisenreaktionsfähigkeit in Kauf. Der teure Unterhalt vorhandener, aber großenteils nicht mehr benötigter Fähigkeiten Unterstützung drückt die Investitionsquote und verhindert die für Kriseneinsätze notwendige Moderni- 74. Gemeinsamer Einsatz verlangt eine sierung von Ausrüstung und Bewaffnung. gemeinsame Unterstützung der Streitkräfte, und zwar auch mit zivilen Mitteln. Führungs-, Die während des Kalten Krieges aufgebauten Einsatz- und sanitätsdienstliche Unterstüt- Fähigkeiten zur Abwehr einer großangelegten zung sind vorrangig auf Einsätze außerhalb Aggression nach kurzer Warn- und Vorberei- des Bundesgebiets auszurichten. Solche Kräf- tungszeit sind für Aufgaben der Krisenreak- te müssen verstärkt und organisatorisch zu- tion und der Bündnisverteidigung außerhalb sammengefasst werden. Die neue Organisa- Deutschlands nur noch beschränkt nutzbar. tion sollte sich militärischer und ziviler Mittel Vorrangig auf den Einsatz in spezifischen Re- bedienen können. Die unmittelbar einsatzbe- gionen optimierte Kräfte – Beispiel Ostsee – zogenen Unterstützungsleistungen müssen oder quantitativ und qualitativ zum Bekämp- allerdings in militärischer Verantwortung blei- fen einer großen Zahl gepanzerter Großver- ben. Alle anderen Aufgaben sollten, wenn das bände ausgelegte Hauptverteidigungskräfte wirtschaftlicher ist, zivilen Anbietern übertra- werden nicht mehr gebraucht. Gleiches gilt gen werden. für eine unbewegliche, am Depotsystem orien- tierte Logistik oder für die auf die Versorgung Die logistischen und sanitätsdienstlichen Ein- einer großen Zahl von Verwundeten in Deutsch- satzkräfte sollten in gleichem Maße verfügbar land ausgerichtete Lazarettorganisation.

51 Gemeinsame Sicherheit und Zukunft der Bundeswehr

Viele Einrichtungen und Verbände, die als möglicher Risiken lassen sich zwingende Rahmen für einen großen Aufwuchs vorgese- Größenbestimmungen daraus nicht ableiten. hen waren, haben keinen Sinn mehr. Ange- sichts der neuen sicherheitspolitischen Lage, Auch die aktuellen NATO-Planungen offerie- in der Landesverteidigung ausschließlich als ren keine konkreten Messgrößen für einen zu- Verteidigung im Bündnis außerhalb Deutsch- künftigen deutschen Militärbeitrag. Die Ent- lands vorstellbar ist, wird eine große Mobil- scheidung über den Umfang der deutschen machungsreserve überflüssig. Sie bindet nur Streitkräfte ergibt sich nicht mehr aus einem Kräfte und Mittel, die an anderer Stelle drin- im NATO-Bündnis verabredeten Bedarf. Ein gend benötigt werden. gemeinsames europäisches Verständnis über notwendige europäisierte Fähigkeiten und 76. Reservisten verlieren dennoch nicht an Streitkräfteumfänge beginnt sich erst langsam Bedeutung. Für die personelle Ergänzung der zu entwickeln. präsenten Einsatzkräfte und für Spezialaufga- ben bei der Versorgung der Zivilbevölkerung 78. Die Zahl der Soldaten in präsenten und der Wiederherstellung der öffentlichen Einsatztruppen und damit der künftige Perso- Ordnung in Krisengebieten werden sie sogar nalumfang der Bundeswehr hängt davon ab, wichtiger. Bei den letztgenannten Aufgaben welches Gewicht Deutschland künftig bei der kann sich ihre zivilberufliche Qualifikation Krisenbewältigung in die Waagschale werfen als besonders hilfreich erweisen. Dafür müs- will. Die Streitkräfteplanung unserer wichtig- sen die Verfahren für die Beorderung und sten Partner spiegelt die Absicht wider, zu- Einberufung von Reservisten konsequent auf mindest zwei Krisen gleichzeitig begegnen zu Kriseneinsätze ausgerichtet werden. können. Dies entspricht der NATO-Planung, aber auch den Vorstellungen, die sich über die künftigen Eingreifkräfte der Europäischen Union abzeichnen. Die Reaktionsfähigkeit in zwei gleichzeitigen Krisen schafft der politi- schen Führung ausreichende Handlungsfrei- MESSGRÖSSE: heit. ZWEI GLEICHZEITIGE KRISEN 79. Die Bundeswehr sollte bei der Planung ihres Umfangs, ihrer Bewaffnung und ihrer Ausrüstung die konventionellen Streitkräfte 77. In der Vergangenheit lieferte die kon- Frankreichs und Großbritanniens als Ver- krete Bedrohung durch den Warschauer Pakt gleichsgrößen heranziehen. Das deutsche Mi- den Maßstab, nach dem Art und Umfang der litärpotenzial sollte dem der wichtigsten euro- deutschen Streitkräfte bestimmt wurden. Die- päischen Verbündeten im Großen und Ganzen se bezifferbare Bestimmungsgröße ist wegge- entsprechen. fallen. An ihre Stelle rückt eine nicht näher definierbare Risikovorsorge. Wegen der Viel- So ist Großbritannien gegenwärtig dabei, sei- zahl, Komplexität und Unvorhersehbarkeit ne Streitkräfte (Präsenzumfang rund 204.000 Soldaten) nach den Vorgaben des Strategic

52 III. AUFTRAG UND FOLGERUNGEN 76 >

Defence Review von 1998 umzustrukturieren. UMFANG DER EINSATZ- Dabei strebt es die Fähigkeit an, entweder in KRÄFTE einem großen regionalen Konflikt wie dem Golf-Krieg (hohe Intensität, kürzere Dauer) angemessen handeln zu können, wofür es eine Heeresdivision, rund 26 Kriegsschiffe und 80. Aus den Einsatzerfahrungen der ver- über 80 Kampfflugzeuge bereitstellt; oder gangenen Jahre und aus dem Vergleich mit aber sich an zwei mittleren Operationen – je- den wichtigsten Partnern zieht die Kommis- doch nicht länger als sechs Monate gleichzeitig sion den Schluss, dass folgende Kräfte erfor- – mit maximal je einem Brigade-Äquivalent derlich sind, wenn die Bundeswehr in der La- zu beteiligen; davon eine Operation mit ge sein soll, zwei Kriseneinsätze gleichzeitig Schwerpunkt peacekeeping, die andere als zu bewältigen: Kriegsoperation mit entsprechenden Luft- und Seestreitkräften.

Frankreich unterzieht seine Streitkräfte (ge- Heer planter Präsenzumfang von 2002 an: 247.000 Soldaten, ohne Gendarmerie) seit 1997 eben- Zwei Einsatzkontingente in Brigadestärke, falls einer radikalen Umstrukturierung. Bis ferner die jeweils notwendigen Aufklärungs-, 2003 wird die Wehrpflicht abgeschafft und Kampfunterstützungs-, Einsatzunterstützungs- die Umstellung auf eine Berufsarmee vollzo- und Führungselemente (insgesamt bis zu gen. Die Streitkräfte streben dabei die Fähig- 16.000 Soldaten); beide müssen zum Einsatz keit an, in zwei räumlich getrennten Opera- im gesamten Aufgabenspektrum und zum tionsgebieten an der Peripherie und außerhalb selbstständigen Führen des Gefechts der ver- Europas 30.000 Soldaten mit entsprechender bundenen Waffen befähigt sein. Ablösung für die Dauer eines Jahres und zu- sätzlich 5.000 Soldaten einzusetzen – oder aber in einem großen Konflikt 50.000 Solda- ten ins Feld zu stellen. Luftwaffe

Gegenwärtig kann die Bundeswehr derartige Zwei Einsatzkontingente mit insgesamt 90 bis Anforderungen nicht erfüllen. 100 Luftfahrzeugen (Luftangriff, Luftvertei- digung, Elektronischer Kampf, Aufklärung); Die Kommission empfiehlt, die deutschen außerdem Luftbetankungskapazitäten, 10 Staf- Streitkräfte auf schnelle Reaktion in zwei feln bodengebundener Luftverteidigung (Flug- gleichzeitigen Krisen hin auszurichten. abwehrraketensysteme) und Elemente zur Die Bundeswehr konzentriert sich darauf, Führung und Unterstützung; alle Elemente Kräfte für multinational geführte Einsät- verlegbar zur Unterstützung zweier Einsätze; ze und gemeinsame europäische Kontin- ferner Lufttransportkomponenten zur Verle- gente bereitzustellen. Sie richtet sich auch gung von Einsatz- und Einsatzunterstützungs- auf die Führung solcher Verbände ein. kräften und für andere Aufgaben.

53 Gemeinsame Sicherheit und Zukunft der Bundeswehr

Marine tärischen Dienste ist in diesen Zahlen anteilig enthalten. Daraus leitet sich als Gesamtstärke Zwei Einsatzkontingente zur Seezielbekämp- der Einsatzkräfte ein Umfang von etwa fung, Flugabwehr, U-Bootbekämpfung, Minen- 140.000 Soldaten ab (bei einem Präsenzum- abwehr, für strategischen Seetransport, Unter- fang von 240.000 Soldaten; siehe Abbildung 1 stützung von Kräften an Land, Seeraumüber- und Ziffer 87). wachung, Aufklärung sowie Einsatzunterstüt- zungselemente; je Verband bedeutet das: Die Kommission empfiehlt, die Stärke der 1 Fregattengruppe, 1 Korvettengruppe, 1 Mi- Einsatzkräfte der Bundeswehr von zur- nenabwehrgruppe, 1 bis 2 U-Boote, Marine- zeit etwa 60.000 Soldaten auf etwa fliegerkräfte gegen Schiffe und U-Boote, Trans- 140.000 Soldaten zu erhöhen. port- und Unterstützungsfahrzeuge.

Sanitätsdienst FAZIT Zwei Einsatzkontingente mit mobiler Laza- rettkapazität; je Verband bedeutet das: ein Einsatzlazarett mit daraus modular bereitzu- stellenden Rettungszentren und -stationen und 82. Nach Ansicht der Kommission kann entsprechenden Mitteln für den Verwundeten- nur mit Verbänden dieser Stärke die geforder- transport. te Fähigkeit zum zeitlich unbefristeten, gleich- zeitigen Einsatz in zwei Krisen erreicht wer- den. Aus diesem Umfang lassen sich die für den Fall der kollektiven Verteidigung erfor- Gesamtstärke derlichen Einsatzverbände nach Bedarf zu- sammenstellen. Ihre Struktur und Ausrüstung 81. Der personelle Umfang der künftig be- muss beiden Anforderungen gleichermaßen nötigten präsenten Einsatzkräfte leitet sich genügen: der Krisenbewältigung wie der Bünd- aus diesen Einsatzkontingenten ab. Das be- nisverteidigung. deutet beispielsweise für das Heer, dass beim bisherigen Austauschrhythmus – 6 Monate Einsatz, 2 Jahre Heimatverwendung – ange- sichts des Rotationsfaktors 5 etwa 80.000 Sol- daten den Einsatzkräften zugeordnet werden müssen. Ähnliche Rechnungen, allerdings mit anderen Rotationsfaktoren, führen bei der Luftwaffe zu Einsatzkräften in Stärke von etwa 45.000 Soldaten und bei der Marine zu etwa 15.000 Soldaten. Das Personal des Zen- tralen Sanitätsdienstes und der Zentralen Mili-

54 III. AUFTRAG UND FOLGERUNGEN 81 >

Abbildung 1: Einsatzkräfte heute und 2006

338.000

240.000

Soldaten insgesamt

140.000

Einsatzkräfte 60.000

heute 2006

55

WEHRFORM UND PERSONAL IV.

IV. WEHRFORM UND PERSONAL 83 >

AUSGANGSERWÄGUNGEN Schon heute – und wohl noch mehr in Zu- kunft – verlangen die militärischen Aufgaben kleinere, bewegliche und einsatzbezogene Streitkräfte. Eine Reihe von Ländern – darun- 83. Die Wehrform ist Produkt geschicht- ter viele unserer wichtigsten Verbündeten, mit licher Entwicklung. Die deutschen Streitkräf- denen deutsche Soldaten in Zukunft noch te sind in einer Epoche massiver konventio- enger zusammenarbeiten müssen – haben des- neller Bedrohung als Wehrpflicht-Armee ge- halb die Wehrpflicht ruhen lassen und für ein plant und aufgebaut worden. Anders wäre ein reines Freiwilligensystem optiert. Die Kom- Friedensumfang von fast 500.000 Mann nicht mission ist jedoch zu dem Schluss gekom- erreichbar gewesen. Nur die Wehrpflicht er- men, dass angesichts vieler Ungewissheiten möglichte derart große Streitkräfteumfänge jede neue Struktur für die Streitkräfte bei der und die Ausbildung einer hohen Zahl von Re- Ausrichtung auf die wahrscheinlichste Auf- servisten für den Verteidigungsfall. gabe der Krisenreaktion – zum Zwecke der Landes- und Bündnisverteidigung und in der Die anfängliche Kritik an Wiederbewaffnung Erfüllung internationaler Verpflichtungen – und Wehrpflicht verstummte bald. Die Wehr- hinreichend flexibel sein muss, um auf uner- pflicht gewann an politischer wie gesell- wartete Entwicklungen angemessen reagieren schaftlicher Anerkennung. Mit der Einfüh- zu können. rung des Zivildienstes 1961 entstand auf der Grundlage der allgemeinen Wehrpflicht ein System wichtiger, von der Bevölkerung ge- schätzter sozialer Dienste. Die Wehrpflicht erleichterte nicht nur die Rekrutierung von Berufs- und Zeitsoldaten, sie schuf auch An- LEITLINIEN reize für die – von der Wehrpflicht ausgenom- menen – Berufe und Hilfsdienste bei Polizei, Bundesgrenzschutz, Feuerwehr und Katastro- phenschutz. Da die starken Geburtsjahrgänge 85. Die gegenwärtige Wehrform ist eine der fünfziger und sechziger Jahre nur gut Mischung aus freiwilligen und wehrpflichti- zur Hälfte ausgeschöpft werden konnten, gen Soldaten. Jede Veränderung muss den wurde auf Vorschlag der ersten Wehrstruktur- neuen Aufgaben der Bundeswehr gerecht Kommission 1971 der Grundwehrdienst ver- werden. Dafür hat die Kommission folgende kürzt. Seither ist die Dauer von Wehrdienst Leitlinien entwickelt, die nach ihrer Überzeu- und Zivildienst ständig weiter verringert gung die künftige Wehrform bestimmen soll- worden. Derzeit werden fast alle wehr- ten: fähigen jungen Männer zu einem Dienst her- angezogen. ein Gesamtbedarf von 140.000 Soldaten in Einsatzkräften. Dieser Umfang ist erfor- 84. Das Ende der Block-Konfrontation be- derlich, um den künftigen Aufgaben ge- deutete auch das Ende der Massenarmeen. recht zu werden und der Bundesrepublik

59 Gemeinsame Sicherheit und Zukunft der Bundeswehr

angemessenes Gewicht und Mitsprache im Streitkräfte von 220.000 Soldaten aus- Bündnis zu sichern; schließlich aus Freiwilligen bei ausgesetz- ter Wehrpflicht, oder eine dieser Truppenstärke angemessene Militärische Grundorganisation; Streitkräfte von 240.000 Soldaten und ei- nem Auswahl-Wehrdienst von 6 beziehungs- ein Reservistenpotenzial, das bei Vorhalten weise 10 Monaten. entsprechender Strukturen einen Verteidi- gungsumfang von mindestens 400.000 Sol- Beide Alternativen sehen Einsatzkräfte von rund daten ermöglichen würde; 140.000 Soldaten vor. Bei beiden sind in der neuen Struktur beträchtlich verminderte Perso- ein geringstmöglicher Personalkostenauf- nalkosten zu erwarten. Die freiwerdenden wand bei Erfüllen der vorgenannten Leit- Mittel werden für Investitionen dringend benö- linien. tigt. Beide sind kompatibel mit den Streitkräf- ten der wichtigsten Verbündeten der Bundesre- 86. Anhand dieser Leitlinien hat die Kom- publik. Damit wird das Zusammenwirken in mission eine Reihe möglicher Modelle mit Krisenoperationen und der enge Zusammen- Personalumfängen zwischen 190.000 und schluss europäischer Armeen erleichtert, wie 350.000 Soldaten mit und ohne Wehrpflichti- von der Bundesregierung gefordert. ge untersucht und bewertet. Die Kommission empfiehlt, die Gesamt- Die Modelle mit Wehrpflicht wurden zum ei- stärke der präsenten Streitkräfte bis zum nen differenziert nach der Dauer des Grund- Jahre 2006 auf eine Richtgröße von wehrdienstes (4, 6, 10 Monate), zum anderen 240.000 Soldaten zurückzuführen und da- aufkommensbezogen (alle verfügbaren Wehr- bei den Personalumfang der Einsatzkräf- pflichtigen werden einberufen) und bedarfs- te auf 140.000 Soldaten zu erhöhen. bezogen (nur so viele Wehrpflichtige werden einberufen, wie die Streitkräfte für militärisch Die Kommission empfiehlt, die Wehr- relevante Aufgaben benötigen – Auswahl- pflicht zu erhalten. Die Wehrdienstdauer Wehrdienst). Für Wehrpflichtige, die zu einem beträgt weiterhin 10 Monate. Die Auswahl Auswahl-Wehrdienst herangezogen werden, der Wehrpflichtigen richtet sich nach dem kommen etwa 25.000 Dienstposten in Frage. Bedarf der Streitkräfte. In der neuen Das bedeutet bei einem zehnmonatigen Wehr- Struktur sollen jährlich nur noch rund dienst etwa 30.000 Einberufungen pro Jahr 30.000 Wehrpflichtige eingezogen werden. (Abbildung 2). Sie erhalten eine Sondervergütung.3

87. Die Bewertung der möglichen Mo- delle hat die Kommission veranlasst, die künf- 3 Die Kommissionsmitglieder Cordes, Hansen, Lutz, Müller, tige Gesamtstärke der Streitkräfte auf etwa Schoppe und Steinbach optieren für die Freiwilligen-Armee 220.000 bis 240.000 Soldaten festzulegen. bei Aussetzen der Einberufung zum Grundwehrdienst. Das Die Kommission ist ferner der Ansicht, dass Kommissionsmitglied Ipsen hält den vorgeschlagenen Aus- lediglich zwei Optionen den von ihr formu- wahl-Wehrdienst für verfassungswidrig. Die abweichenden lierten Leitlinien entsprechen: Auffassungen sind im Anhang (Seite 147ff) beigefügt. 60 IV. WEHRFORM UND PERSONAL 86 >

Abbildung 2: Spektrum der untersuchten Modelle

Dienstposten Bewertung für Soldaten gemäß Leitlinien

Freiwilligenstreitkräfte

190.000 weniger als 140.000 Einsatzkräfte 220.000 Kriterien erfüllt 250.000 erhebliche Personalmehrkosten gegenüber heute

aufkommensbezogene Wehrpflichtmodelle

Wehrpflichtmodelle mit 210.000 weniger als 140.000 Einsatzkräfte 4 Monaten Wehrdienstdauer 240.000 weniger als 140.000 Einsatzkräfte (rund 50.000 Stellen für GWDL ; rund 150.000 Einberufungen/Jahr) 270.000 keine signifikante Personalkosten- ersparnis gegenüber heute 300.000 erhebliche Personalmehrkosten gegenüber heute

Wehrpflichtmodelle mit 240.000 weniger als 140.000 Einsatzkräfte 6 Monaten Wehrdienstdauer 270.000 weniger als 140.000 Einsatzkräfte (rund 75.000 Stellen für GWDL ; rund 150.000 Einberufungen/Jahr) 300.000 Personalmehrkosten gegenüber heute

Wehrpflichtmodelle mit 290.000 weniger als 140.000 Einsatzkräfte 10 Monaten Wehrdienstdauer 320.000 weniger als 140.000 Einsatzkräfte (rund 130.000 Stellen für GWDL ; rund 150.000 Einberufungen/Jahr) 350.000 erhebliche Personalmehrkosten gegenüber heute

bedarfsbezogene Wehrpflichtmodelle – Auswahl-Wehrdienst –

Wehrpflichtmodell mit 240.000 Kriterien erfüllt 6 Monaten Wehrdienstdauer (rund 25.000 Stellen für GWDL ; rund 50.000 Einberufungen/Jahr)

Wehrpflichtmodell mit 240.000 Kriterien erfüllt 10 Monaten Wehrdienstdauer (rund 25.000 Stellen für GWDL ; rund 30.000 Einberufungen/Jahr)

61 Gemeinsame Sicherheit und Zukunft der Bundeswehr

Im Folgenden werden die Vorteile und die ihrer umfangreichen Ausbildung und ihrer Nachteile der beiden in die engere Wahl gezo- größeren militärischen Erfahrung sind Frei- genen Optionen diskutiert, gegeneinander ab- willige auch als Reservisten länger und besser gewogen und die Empfehlung der Kommis- einsetzbar als Wehrpflichtige. sion begründet: 89. Auch eine Freiwilligen-Armee von 220.000 Soldaten kann somit einen mobilisie- rungsfähigen Verteidigungsumfang von min- destens 400.000 Soldaten erreichen. Im Übri- gen hat die Wehrpflicht bis heute genügend OPTION A: STREITKRÄFTE Reservisten erzeugt, um auch im Fall ihrer so- OHNE WEHRPFLICHTIGE fortigen Aussetzung bis zum Jahre 2015 den zurzeit noch geltenden Verteidigungsumfang von 680.000 Soldaten zu ermöglichen. Recht- 88. Wenn Streitkräfte eingesetzt werden, lich würde sich das als Beibehaltung der dann sehr wahrscheinlich in Krisenoperatio- Wehrpflicht ohne neue Einberufungen dar- nen. Ihr Einsatz ist nur zu verantworten, wenn stellen. die Soldaten fähig sind, die verlangten Aufga- ben auf professionellem Niveau zu erfüllen. Wegen der künftig deutlich geringeren Zahl Eine Freiwilligen-Armee ohne Wehrpflicht- jährlich auszubildender Soldaten (rund 30.000 komponente ist in vollem Umfang operativ. statt bisher rund 160.000) kann die Ausbil- Sie entspricht den neuen militärischen He- dungsorganisation erheblich verschlankt wer- rausforderungen und erfüllt den Bedarf von den. Die Wehrersatzorganisation würde zwar, 140.000 Einsatzkräften. Ihre Soldaten können wenn die Wehrpflicht lediglich ausgesetzt, sowohl zur Bündnis- und Landesverteidigung aber nicht abgeschafft wird, nicht gänzlich als auch in Krisen jenseits der Bündnisgren- entfallen. Sie könnte jedoch wesentlich klei- zen eingesetzt werden. ner werden.

Auch dem Erfordernis ausreichender Auf- 90. Das Konzept der Freiwilligen-Armee wuchsstärke entspricht dieses Modell zur Ge- kann auch in der politischen und gesellschaft- nüge. Nicht nur Wehrpflicht-Armeen, auch lichen Diskussion, die mit der Aufrechterhal- aus Freiwilligen rekrutierte Streitkräfte kön- tung der Wehrpflicht verbunden ist, bestehen. nen Reservisten hervorbringen. Vorausset- Die große Zahl der Kriegsdienstverweigerer zung dafür sind stabile vertragliche oder ge- belegt die schwindende Akzeptanz der Wehr- setzliche Regelungen, die den ausgeschiede- pflicht bei denen, die davon unmittelbar be- nen Soldaten zu weiterem Dienst im Einsatz- troffen sind. Die früher offensichtliche Not- fall verpflichten und für diesen Fall sein Ar- wendigkeit für die Streitkräfte, auf eine große beits- oder Dienstverhältnis auflösen oder Zahl wehrpflichtiger junger Männer zurück- zum Ruhen bringen. Je kürzer die Verpflich- zugreifen, ist entfallen. Die strategische Recht- tungsdauer der Freiwilligen, desto höher ist fertigung der Wehrpflicht wird angesichts im Übrigen die Zahl der Reservisten. Wegen des Fehlens einer sichtbaren militärischen

62 IV. WEHRFORM UND PERSONAL 88 >

Bedrohung immer schwieriger, ebenso die OPTION B: STREITKRÄFTE operative Rechtfertigung für die Einberufung MIT WEHRPFLICHTIGEN von Wehrpflichtigen in Streitkräfte, die nicht mehr zur Landesverteidigung im engeren Sin- ne eingesetzt werden. 92. Auch das zweite Modell beruht zum Anders als gelegentlich befürchtet, würde ei- großen Teil auf freiwilligen Soldaten. Es sieht ne Freiwilligen-Armee die Bereitschaft der aber zugleich einen Anteil von Wehrpflichti- deutschen Politik zu militärischen Abenteuern gen vor. Nach dem Verständnis des Grundge- schwerlich erhöhen. In der gefestigten Demo- setzes ist die Wehrpflicht eine Entscheidung kratie der Bundesrepublik blieben die Streit- von grundlegender staatspolitischer Bedeu- kräfte in die Gesellschaft integriert und unter tung. Sie wirkt auf wesentliche Bereiche des dem Primat der Politik. Eine nur auf Freiwil- staatlichen und gesellschaftlichen Lebens ein. ligkeit beruhende Armee könnte in der Ge- Dabei haben neben verteidigungspolitischen sellschaft auf längere Sicht mit mehr Rück- Gesichtspunkten auch solche allgemeinpoliti- halt rechnen, wenn die Zweifel an der Wehr- scher, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher pflicht zunehmen sollten. Art Gewicht. Eine Wehrform auf der Grundla- ge der allgemeinen Wehrpflicht ist gegenüber 91. Zugleich ist sich die Kommission über einer Freiwilligen-Armee kein bloßes „Mehr“, die Folgen im Klaren, die sich bei der Ab- das allein nach der quantitativen Belastung schaffung oder Aussetzung der Wehrpflicht der jungen Staatsbürger beurteilt werden darf, ergeben könnten. Bei einer dramatischen Ver- sondern ein grundsätzlich „Anderes“. änderung der Sicherheitslage wäre eine ra- sche Wiedereinführung der Wehrpflicht innen- 93. Die Wehrpflicht ist ein tiefer Eingriff politisch schwierig und außenpolitisch eska- in die Freiheitsrechte des Staatsbürgers. Sie lierend. Nicht weniger schwer wiegt die Un- findet ihre Rechtfertigung darin, dass der Staat gewissheit, ob ohne Wehrpflicht der Bedarf seiner Pflicht zum Schutz der Grund- und an Berufs- und Zeitsoldaten gedeckt werden Freiheitsrechte nur mit Hilfe der Bürger nach- könnte. Dass die Bundeswehr Freiwillige in kommen kann. Dienst aufgrund der Wehr- der für die Berufsarmee erforderlichen An- pflicht und individueller Grundrechtsanspruch zahl und Qualität gewinnen könnte, kann stehen so in einem engen Zusammenhang. Da nicht garantiert werden. Die Rekrutierungs- die Wehrpflicht nicht einen Dienst schlecht- probleme verbündeter Freiwilligen-Armeen hin, sondern den Wehrdienst zum Inhalt hat, sind insofern eine ernstzunehmende War- fordert eine verfassungsmäßig gestaltete nung: Trotz oft intensiver und kostspieliger Wehrpflicht, dass die eingezogenen Soldaten Bemühungen gelingt es ihnen heute nur ein- tatsächlich eine militärisch sinnvolle Funktion geschränkt, ihren Bedarf an Freiwilligen mit für die Landesverteidigung haben. Bei der dem unerlässlichen Maß an Qualifikation zu Festlegung der militärischen Funktion haben decken. die politisch Verantwortlichen einen weiten Handlungsspielraum. Auch eine mögliche, zeitlich in weiter Ferne vermutete Gefahr

63 Gemeinsame Sicherheit und Zukunft der Bundeswehr

kann zur Rechtfertigung genügen. Der Staat Fertigkeiten in die Armee hinein. Die Beteili- ist seinen Bürgern gegenüber zu weitsichtiger gung von Wehrpflichtigen an der Verteidi- Risikovorsorge verpflichtet. gungsaufgabe stärkt die Identifikation der Gesellschaft mit den Streitkräften und fördert 94. Als militärisch sinnvolle Funktionen ihre Transparenz. für wehrpflichtige Soldaten, Grundwehrdienst- leistende ebenso wie freiwilligen zusätzlichen Die Bundeswehr hat ein erhebliches Interesse Wehrdienst Leistende (FWDL), kommen nach an der Gewinnung Wehrpflichtiger für den Einschätzung der Kommission in Betracht: Dienst als Berufs- und Zeitsoldaten. Zurzeit macht der Anteil derjenigen, die sich aus dem die Verwendung in der militärischen Grundwehrdienst heraus als Zeitsoldaten ver- Grund- und Ausbildungsorganisation zur pflichten, etwa 40 Prozent des jährlichen Er- Freisetzung von Berufs- und Zeitsoldaten gänzungsbedarfs von etwa 22.800 Soldaten für Einsatzaufgaben; aus. Das sind rund 9.000 Soldaten.

die Verwendung in Einsatzverbänden, ge- Allerdings hat in den letzten Jahren selbst die gebenenfalls in Form einer freiwilligen Einberufung von bis zu 150.000 Wehrpflichti- Teilnahme an friedensunterstützenden Ein- gen pro Jahr den Bedarf an Längerdienern sätzen; nicht decken können; das Fehl beläuft sich gegenwärtig auf rund 10.000 Soldaten. Wenn der Einsatz außerhalb Deutschlands im künftig drastisch weniger Grundwehrdienst- Bündnisfall; leistende einberufen werden, reduziert sich gegenüber heute auch das Potenzial für die die Bereitstellung als mobilisierungsfähige Gewinnung von Zeit- und Berufssoldaten. Reserve, damit im unwahrscheinlichen, Das Problem der Freiwilligengewinnung kann aber nicht gänzlich undenkbaren Fall eines daher zukünftig noch weniger durch Ver- Bündnis und Land gefährdenden Angriffs pflichtung von Grundwehrdienstleistenden die Streitkräfte zu einem hinreichenden gelöst werden als schon bisher. Verteidigungsumfang aufwachsen. 96. Deswegen sind schon bei der heutigen In Streitkräften mit etwa 240.000 Soldaten Bundeswehrstruktur finanzielle Anreize un- können in der Militärischen Grundorganisa- umgänglich, um genügend Freiwillige zu ge- tion und in den Einsatzverbänden etwa 30.000 winnen: Die Besoldungsgruppen für Mann- Wehrpflichtige, davon etwa 5.000 FWDL, schaften müssten auf das Niveau von Unterof- sinnvoll verwendet werden. fizieren ohne Portepee angehoben werden.

95. Darüber hinaus sind weitere Vorteile Für Zeitsoldaten mit zwei- bis vierjähriger mit der Wehrpflicht verbunden: Die Praxis Verpflichtungszeit ist die heutige, den Grund- des Grundwehrdienstes konfrontiert junge sätzen des öffentlichen Dienstes entsprechen- Männer, die einen breiten Querschnitt von de Besoldung unattraktiv, weil bei der Bundes- Begabungen und Fähigkeiten aufweisen, mit wehr überwiegend kein lebenslanges Dienst- den militärischen Aufgaben und bringt zivile verhältnis angeboten wird. Deshalb muss ein

64 IV. WEHRFORM UND PERSONAL 94 >

Verfahren gefunden werden, das die Aussich- 98. Deshalb ist die Kommission zu der ten für die Anwerbung geeigneten Personals Überzeugung gelangt, dass für den Fall der erheblich verbessert. Beibehaltung der Wehrpflicht eine grundsätz- liche Umorientierung unumgänglich ist: Nicht Maßnahmen zur Steigerung der Attraktivität die Stärke der Geburtsjahrgänge, sondern der des Soldatenberufs sind also schon in der heu- Bedarf der Streitkräfte muss künftig darüber tigen Wehrpflicht-Armee dringend notwen- entscheiden, wie viele zum Wehrdienst ver- dig. Das gilt um so mehr bei Streitkräften mit fügbare und bereite junge Männer tatsächlich einem verringerten Anteil an Grundwehr- einberufen werden. Das bedeutet, dass künf- dienstleistenden oder gar bei solchen, die nur tig jährlich sehr viel weniger Wehrpflichtige aus Freiwilligen bestehen. ihren Dienst in den Streitkräften ableisten werden als heute – nach den Berechnungen der Kommission je nach Wehrdienstdauer rund 30.000 Soldaten bei 10-monatigem Praxis der Einberufung Grundwehrdienst oder etwa 50.000 Soldaten bei 6-monatigem Grundwehrdienst. 97. Bereits heute liegt der militärische Be- darf der Bundeswehr an Wehrpflichtigen nied- Bei einem solchen Auswahl-Wehrdienst wird riger als die Zahl der verfügbaren jungen das Gebot der Wehrgerechtigkeit nicht des- Männer; mit den kommenden Jahrgängen halb verletzt, weil andere junge Männer des- wird sich diese Entwicklung noch verstärken. selben Jahrgangs weder Wehr- noch Zivil- Mit der Begründung, nur durch die möglichst dienst leisten. Auch wenn als Folge einer be- vollständige Ausschöpfung eines Jahrgangs darfsorientierten Einberufung künftig nur ein könne die Wehrgerechtigkeit gewahrt werden, kleiner Teil der für den Wehrdienst verfügba- wird die Lösung zumeist darin gesucht, die ren jungen Männer herangezogen wird und Wehrdienstausnahmen auszuweiten und die viele andere womöglich überhaupt keinen Wehrdienstdauer zu verkürzen, damit alle ver- Dienst leisten, ändert das nichts an der Gel- fügbaren jungen Männer zum Wehrdienst tung der allgemeinen Wehrpflicht. Sie enthält oder zum Zivildienst einberufen werden können. die Verpflichtung aller Männer in den in Be- tracht kommenden Altersgruppen, einer Ein- Die Kommission hält es für bedenklich, an berufung zu folgen und Wehrdienst zu leisten, dieser Praxis festzuhalten. Das Verfahren läuft soweit nicht gesetzlich bestimmte Ausnahmen entweder darauf hinaus, den Umfang der bestehen. Eine Pflicht des Staates, diese jun- Streitkräfte nicht nach militärischem Erfor- gen Männer nach Maßgabe ihrer Jahrgangs- dernis, sondern nach der Stärke der Geburts- stärke alle einzuberufen, ist mit der allgemei- jahrgänge zu bestimmen, oder aber das Auf- nen Wehrpflicht nicht verbunden. Nur die all- kommen durch möglichst viele Wehrdienst- gemeine Schulpflicht korrespondiert mit der ausnahmen zu begrenzen. Mit dem einen wird staatlichen Pflicht zur Bereitstellung der für die Wehrpflicht ihres Sinnes entleert, mit dem alle ausreichenden Schulkapazitäten. Die Ein- anderen wird die Wehrgerechtigkeit zum berufung zum Wehrdienst aber erfolgt nicht Schein. Wer an der Wehrpflicht als Institution im Interesse der Wehrpflichtigen, sondern festhalten will, kann beides nicht wollen.

65 Gemeinsame Sicherheit und Zukunft der Bundeswehr

richtet sich ausschließlich nach dem militäri- angestrebt werden. Eine Sonderbelastung für schen Bedarf für ihren Dienst. Nichteinberufene lehnt die Kommission ab. Sie befürwortet statt dessen, die Attraktivität 99. Diesen Bedarf durch Einberufung nur des Grundwehrdienstes zu erhöhen, Wehr- eines Teils der verfügbaren Wehrpflichtigen dienstleistenden bessere Einstiegsmöglichkei- zu decken, verstößt nicht gegen den Grund- ten in Studium und Beruf zu eröffnen, und satz der Wehrgerechtigkeit. Zwar werden die den Wehrsold so zu bemessen, dass er dem Herangezogenen ihre Beanspruchung als be- heutigen Sold für FWDL entspricht. Dieser sonders belastend empfinden, wenn sie erle- Weg, Wehrgerechtigkeit anzustreben, erscheint ben, dass viele andere der Wehrpflicht tat- angemessener als die militärisch nicht be- sächlich nicht genügen müssen. Diese Situa- gründbare Belastung eines gesamten Jahr- tion aber kann den Staat nicht verpflichten, gangs. Er wird bereits erfolgreich bei einigen entweder seinen Bedarf an Wehrpflichtigen Bündnispartnern praktiziert. zu ignorieren und alle vom Dienst freizustel- len oder ohne Rücksicht auf diesen Bedarf al- le einzuziehen. In diesem Falle wäre hinter dem ersten, an Jahrgangszahlen orientierten Dauer des Grundwehrdienstes Anschein einer Gerechtigkeit die tatsächlich allen Betroffenen zugefügte Wehrungerech- 101. Die Kommission hat eine sechsmona- tigkeit deutlich greifbar. Die Praxis ihres tige wie eine zehnmonatige Grundwehrdienst- Dienstes würde nämlich den Einberufenen zeit geprüft. Sollen Wehrpflichtige lediglich die Überzeugung vermitteln, dass sie nicht zur Mobilisierung im Verteidigungsfall befä- wirklich gebraucht werden, sondern ihre Zeit higt sein, kommen sie mit einer recht kurzen und Kraft der Wahrung eines bloßen Prinzips Wehrdienstdauer und gelegentlichen Reserve- opfern. Eine solche Lösung müsste das Ge- übungen aus. Je länger der Grundwehrdienst rechtigkeitsempfinden der Wehrdienstleisten- dauert, desto mehr Zeit- und Berufssoldaten den in denkbar gröbster Weise verletzen und lassen sich im Austausch durch Wehrpflichti- zugleich die Akzeptanz der Wehrpflicht in der ge zur Stärkung der Einsatzkräfte aus militäri- Gesellschaft zerstören. Es kommt vielmehr schen Daueraufgaben herauslösen. Nur bei ei- darauf an, dem Empfinden ungerechter Be- ner zehnmonatigen Wehrdienstdauer können nachteiligung bei den Eingezogenen dadurch die Wehrpflichtigen zum Einsatz in der Mili- vorzubeugen, dass die Auswahlentscheidun- tärischen Grundorganisation und – bei kurz- gen ersichtlich am quantitativen und qualitati- fristiger zusätzlicher Ausbildung von zwei bis ven Bedarf der Streitkräfte orientiert sind und vier Monaten – zur Verwendung in der Bünd- von jeglichen sachfremden Erwägungen frei- nisverteidigung und gegebenenfalls zur Mit- gehalten werden. wirkung bei Krisenreaktionsaufgaben befä- higt werden. Die rechtliche Zulässigkeit ist, 100. Das Gebot der Wehrgerechtigkeit soweit erforderlich, durch ihre Zustimmung bleibt bestehen. Es sollte jedoch nicht länger sicherzustellen. als Durchschleusen möglichst vieler Wehr- pflichtiger verstanden, sondern auch durch Als Reservisten kommen Soldaten, die we- Vergütung und Vergünstigung für Dienende nigstens 10 Monate Wehrdienst geleistet

66 IV. WEHRFORM UND PERSONAL 99 >

haben, für eine Vielzahl von Aufgaben in Be- Zivildienst tracht: als personelle Ersatzreserve für prä- sente Truppen, zur Ergänzung von Kräften im 103. Die Kommission ist sich bewusst, Einsatz, wenn spezielle zivilberufliche Quali- dass sowohl ein vollständiger Fortfall der fikationen benötigt werden, und schließlich Wehrpflicht als auch die Einführung eines als Reservoir im Falle einer sicherheitspoli- Auswahl-Wehrdienstes schwerwiegende Kon- tisch gebotenen Vergrößerung der Streitkräfte. sequenzen für den Zivildienst haben. Deren Ausmaß wird bei einer Entscheidung für den Gerade weil die militärische Relevanz der Auswahl-Wehrdienst davon abhängen, wie Wehrpflicht die wesentliche Bedingung für das Verfahren für die Anerkennung von Kriegs- ihre Beibehaltung ist, muss die Grundwehr- dienstverweigerern künftig gestaltet wird. dienstdauer so bemessen sein, dass sie eine ausreichende Grundlage für die militärische Die Wehrpflicht kann aber weder mit der Nutzbarkeit der Wehrpflichtigen bietet. Das Nützlichkeit des Zivildienstes noch über die kann nach Überzeugung der Kommission nur Einführung einer allgemeinen Dienstpflicht erreicht werden, wenn die Grundwehrdienst- gerechtfertigt werden. Es mögen mancherlei dauer nicht unter zehn Monaten liegt. Gründe für die Einführung einer solchen Dienstpflicht vorgebracht werden, die als eine 102. Die Einführung von Grundwehrdienst- Möglichkeit dann auch den Dienst in der zeiten unterschiedlicher Länge kann die Kom- Bundeswehr vorsehen könnte. Als Stütze für mission wegen der damit verbundenen recht- die Wehrpflicht kann sie aber nicht herhalten. lichen und organisatorischen Schwierigkeiten nicht empfehlen. Schon bisher bestehen aus- Seit 1961 haben junge Männer als Kriegs- reichende Möglichkeiten zur freiwilligen Ver- dienstverweigerer Zivildienst geleistet. Sie längerung der Grundwehrdienstzeit; auch wer haben Alte betreut, Kranke gepflegt, Essen Auswahl-Wehrdienst leistet, kann sich dafür auf Rädern ausgefahren, in Behindertenwerk- entscheiden. Die Option, neben einem Grund- stätten und Jugendhilfeeinrichtungen gearbei- wehrdienst von 10 Monaten einen kürzeren tet. Seit Jahren hat der Zivildienst geholfen, Dienst in Verbindung mit zusätzlichen Wehr- dringend benötigte soziale Dienste zu leisten, übungen ableisten zu können, würde vermut- und jungen Menschen vielfältige Möglichkei- lich zur Folge haben, dass sich die tatsächli- ten sozialen Lernens geboten. Er hat damit che Dauer des Grundwehrdienstes auf die auf vielfältige Weise zur Gestaltung zivilge- kürzeste Wehrdienstzeit einpendelt. In einigen sellschaftlicher Solidarität beigetragen. Die- Teilstreitkräften könnten dann überhaupt kei- ser Beitrag wird nach Überzeugung der Kom- ne Wehrpflichtigen mehr eingesetzt oder nur mission auch künftig gebraucht. Die zu seiner zu militärisch irrelevanten Aufgaben herange- Erhaltung auch nach einer grundlegenden zogen werden. Veränderung beim Wehrdienst erforderlichen Strukturen und Möglichkeiten sollten Gegen- stand einer besonderen, umfassenden Unter- suchung sein.

67 Gemeinsame Sicherheit und Zukunft der Bundeswehr

ABWÄGUNG turen – erheblichen Veränderung der Zahl der einberufenen Wehrpflichtigen. Das kann durch Einrichten von Dienstposten im vorgeschla- genen Umfangsrahmen geschehen; es kann 104. Beide Optionen, sowohl die reine Frei- außerdem durch Aufstockung und durch Aus- willigen-Armee wie Streitkräfte mit Wehr- weisung zusätzlicher Stellen für freiwilligen pflichtigen, erfüllen nach Überzeugung der zusätzlichen Wehrdienst Leistende und für Kommission die an die künftige Bundeswehr Wehrübende ermöglicht werden. zu stellenden Anforderungen. Sie empfiehlt dennoch, an einer Wehrform mit ergänzender 106. Es mag eine Zeit kommen, in der an- Wehrpflichtigen-Komponente festzuhalten. gesichts anhaltend günstiger internationa- Entscheidend für dieses Votum ist der Um- ler Entwicklungen eine Freiwilligen-Armee stand, dass die Beibehaltung einer solide be- allein angemessen ist. Für diesen Fall bietet gründeten Wehrpflicht den Unwägbarkeiten, die empfohlene Wehrform, die einen hohen die jeder Neustrukturierung der Bundeswehr Freiwilligen-Anteil mit einer flexibel hand- innewohnen, am besten Rechnung trägt. habbaren Wehrpflicht verbindet, ein geeigne- tes Übergangsmodell. Wenn die vorgeschla- 105. Die Unwägbarkeiten sind zum einen gene Struktur als eine auf zehn bis fünfzehn äußerer Natur. Die Sicherheit der Bundesre- Jahre bemessene Erprobungsphase genutzt publik Deutschland und ihrer Verbündeten hat wird, verlieren rechtliche Bedenken, die ge- sich im vergangenen Jahrzehnt erfreulich ver- gen den Auswahl-Wehrdienst vorgebracht wer- bessert. Ob sich diese positiven Entwicklun- den könnten, weiter an Gewicht. Die in der gen in den kommenden Jahren weiter fortset- neuen Struktur praktizierte Wehrgerechtig- zen, lässt sich indessen nicht zweifelsfrei vor- keit, die die bisher übliche Interpretation un- hersagen. Eine solche Gewissheit sollte aber ter veränderten Umständen weiterentwickelt, gegeben sein, bevor Entscheidungen getroffen wäre nicht von vornherein zeitlich unbegrenzt werden, die eine Rückkehr zu einer durch zur Geltung gebracht, sondern würde in einer Wehrpflichtige verstärkten Verteidigungskraft Übergangsphase gelten, an die sich weitere nur unter erheblichen Risiken erlauben. Entscheidungen auf der Grundlage inzwi- schen gewonnener Erfahrungen anschlössen. Gegenwärtig kann nicht empfohlen werden, bei der Organisation der künftigen Bundes- 107. Der Bundeswehr ermöglicht die Bei- wehr sich der Vorteile zu begeben, die von der behaltung der Wehrpflicht, aus dem Bestand Wehrpflicht garantiert werden – und zwar der Grundwehrdienstleistenden weiterhin Be- auch von einem zahlenmäßig beschränkten rufs- und Zeitsoldaten zu gewinnen. Diese „Auswahl-Wehrdienst W 10“. Vielmehr wird Rekrutierung aus dem Binnenbereich ist für gerade dieser Auswahl-Wehrdienst den Un- die Nachwuchsgewinnung nicht unbedeu- wägbarkeiten gerecht. Er erlaubt eine den je- tend. Bei einer reinen Freiwilligen-Armee ist weiligen militärischen Erfordernissen ent- selbst bei hohem Rekrutierungsaufwand nicht sprechende flexible Einberufung und eröffnet sicher, ob eine ausreichende Zahl qualifizier- damit Handlungsvarianten von der geringfü- ter Soldaten angeworben werden kann – und gigen bis zu einer – bei entsprechenden Struk- ist sie erst einmal eingeführt, ist die Rückkehr

68 IV. WEHRFORM UND PERSONAL 104 >

praktisch verbaut. Zwar schmälert der am Be- besteht, Wehrgerechtigkeit durch Ausschöp- darf der Streitkräfte orientierte Auswahl- fung der Jahrgangsstärken zu gewährleisten, Wehrdienst die Basis für die Gewinnung von müsste darlegen und begründen, von welchem Wehrpflichtigen für längere Verpflichtungs- Prozentsatz der Nichtausschöpfung an eine zeiten. Er stellt aber die militärische Bedeu- Einberufungspraxis verfassungsrechtlich un- tung der Wehrpflicht nicht infrage, die ihr zulässig wird. Dass die volle Ausschöpfung allein Bestand und Glaubwürdigkeit verleiht. bisher zumeist nicht gelungen ist, hat niemals dazu geführt, den Einberufungsbescheiden 108. Der Umfang der Streitkräfte kann fle- die Rechtswirksamkeit abzusprechen. Setzte xibel einer sich ändernden strategischen Situ- man einen Prozentsatz als Mindestgrenze für ation angepasst werden. Die Politik gewinnt die Ausschöpfung fest, wäre damit die Rechts- damit Eskalationskontrolle und Krisenstabi- auffassung „Ganz oder gar nicht!“ verbunden. lität. Stiege die äußere Gefährdung, könnte Das Ergebnis aber, dass der Staat sich nicht ohne politisch dramatische und möglicher- nach seinem geringeren Bedarf an Wehr- weise destabilisierende Mobilisierungsent- pflichtigen richten darf, sondern entweder ei- scheidungen die Zahl der Wehrpflichtigen er- nen Mindestanteil des jeweiligen Jahrgangs höht werden. Fiele die Zahl der freiwilligen ohne Rücksicht auf den militärischen Nutzen Soldaten, könnte dies wenigstens teilweise einziehen oder auf Wehrpflichtige ganz ver- durch die erhöhte Einberufung von Wehr- zichten muss, kann von der Rechtsordnung pflichtigen ausgeglichen werden. Das System nicht gewollt sein. ist außerdem offen für neue Erfahrungen. Der Gesetzgeber könnte im Lichte günstiger Ent- Natürlich ist die Vorstellung, nur auf einen wicklungen auf Einberufungen von Wehr- Teil eines Jahrgangs, sogar nur auf eine Min- pflichtigen ganz verzichten und schließlich derheit, zurückzugreifen, neu und gewöh- auf eine reine Freiwilligen-Armee übergehen. nungsbedürftig. Sie ist die ehrliche und in- Das sind nicht zu vernachlässigende Vorzüge haltlich überzeugende Alternative zu einer in einer von Ungewissheiten geprägten Welt- Einberufungspraxis, bei der nicht die Erhal- situation. tung der Funktionsfähigkeit der Bundeswehr, sondern lediglich die Bewältigung einer ver- 109. Das Modell „240.000 mit Auswahl- fügbaren Zahl von Wehrpflichtigen als Aufga- Wehrdienst W 10“ bietet damit einen erheb- be verstanden wird. lichen Vorteil gegenüber einem reinen Frei- willigen-Modell: Es verfügt über strategische, personelle und gesellschaftliche Flexibilität und vermindert die Risiken einer ungewissen Zukunft. Es genügt am ehesten der Notwen- digkeit, der Bundeswehr eine Struktur zu ge- ben, die langfristig Bestand haben kann.

110. Die Kommission ist überzeugt, dass diese Art, den Wehrdienst zu organisieren, mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Wer darauf

69 Gemeinsame Sicherheit und Zukunft der Bundeswehr

NEUE PERSONALSTRUKTUR 112. In der neuen Struktur steigt die Zahl der Zeitsoldaten (bis zu einer Verpflichtungs- dauer von höchstens 20 Jahren) und der Be- rufssoldaten von 203.000 auf etwa 210.000 Militärisches Personal – unter Einschluss von Wehrübungsplätzen – geringfügig an. Gleichzeitig verändert der 111. Die Umstellung der Bundeswehr von wesentlich geringere Umfang an Grundwehr- ihrer jetzigen auf die hier vorgeschlagene dienstleistenden das Personalgefüge der Zeit- künftige Struktur wird nicht von heute auf soldaten. Etwa 100.000 dieser Zeitsoldaten morgen erfolgen können. Der Umfang der werden in einer neu zu schaffenden Personal- Streitkräfte wird voraussichtlich erst ab 2006 kategorie, zumeist ohne Führungsverantwor- die Richtzahl von 240.000 Soldaten errei- tung, Funktionen wahrnehmen, die heute von chen, der Wechsel von der aufkommensbezo- Grundwehrdienstleistenden, von Zeitsoldaten genen zur bedarfsbezogenen Wehrpflicht im Mannschaftsdienstgrad oder von Unterof- dann erst abgeschlossen sein. Die Jahre der fizieren ohne Portepee besetzt werden. Die Umstellung werden, sofern tatkräftig genutzt, Dotierung dieser Dienstposten sollte derjeni- einen Lernprozess ermöglichen. Das wird gen von Unteroffizieren ohne Portepee heute wiederum der künftigen Struktur und Ent- entsprechen. Ziel einer neuen Personalstruk- wicklung der Bundeswehr zu Gute kommen. tur muss es sein, die schon heute bestehende Allerdings müssen die Weichen für den Um- Forderung nach einem verbesserten Zahlen- bau rasch und eindeutig gestellt werden. verhältnis zwischen Offizieren und Feldwe- beln einerseits und den übrigen Zeitsoldaten Der neue Umfang von 240.000 Soldaten um- und Grundwehrdienstleistenden andererseits fasst die Einsatzkräfte in Stärke von etwa zu erreichen. Bei einem Personalstrukturmo- 140.000 Soldaten und die rund 100.000 Sol- dell 240.000 wären demnach etwa 34.000 daten, die in der militärischen Grundorganisa- Dienstposten für Offiziere und rund 65.000 tion überwiegend Daueraufgaben überneh- Stellen für Feldwebel auszuplanen. Zusätzlich men. In den verkleinerten Streitkräften wer- werden unter den neuen strukturellen Bedin- den künftig nicht mehr als 25.000 Grund- gungen voraussichtlich bis zu 2.000 Wehr- wehrdienstleistende eingesetzt werden kön- übungsplätze benötigt (Abbildung 4, Seite 72). nen, ein kleiner Teil in den Einsatzkräften, der weitaus größere in der militärischen Grundor- 113. Für die Einnahme der Personalstruktur ganisation. Bei einer Wehrpflichtdauer von 10 und die damit erforderliche Steigerung der Monaten müssen demzufolge ab dem Jahr Attraktivität des Dienstes in der Bundeswehr 2006 statt wie zuletzt 135.000 nur noch etwa kommt die Kommission zu folgendem Ergebnis: 30.000 Grundwehrdienstpflichtige jährlich einberufen werden. Aus dem Bestand an Die Kommission empfiehlt, ein an den Grundwehrdienstleistenden dürften nach heu- neuen Umfängen der Streitkräfte ausge- tigen Erfahrungen jährlich etwa 5.000 Solda- richtetes Personalstärke- und Strukturan- ten gewonnen werden, die als FWDL freiwil- passungsgesetz zu erlassen und die erfor- lig länger Wehrdienst leisten (Abbildung 3). derlichen Umfangsreduzierungen durch eine gesetzliche Regelung abzusichern.

70 IV. WEHRFORM UND PERSONAL 111 >

Abbildung 3: Berufs- und Zeitsoldaten und Grundwehrdienstleistende heute und 2006

338.000

Berufs- und 240.000 Zeitsoldaten 203.000

Soldaten insgesamt

210.000 FWDL 23.000

GWDL 112.000 5.000 25.000

heute 2006

FWDL: freiwilligen zusätzlichen Wehrdienst Leistende GWDL: Grundwehrdienstleistende

Moderne und auf Einsatzfähigkeit optimierte führt haben. Diese Überhänge werden auch Streitkräfte müssen jung sein. Deshalb ist ei- ohne den notwendigen Personalabbau vorerst ne Personalstruktur mit einem zu großen An- noch weiter ansteigen und zu einem enormen teil älterer Berufssoldaten verfehlt. Auch aus Verwendungs- und Beförderungsstau führen, diesem Grund sollte der Anteil der Berufssol- von dem insbesondere die jüngeren Soldaten daten von heute rund 60.000 auf künftig nicht bis zum Jahr 2020 betroffen sein werden. Die mehr als 40.000 zurückgeführt werden. Auswirkungen auf Attraktivität und Nach- wuchsgewinnung sind damit erheblich. 114. Die Personalsituation der Streitkräfte ist schon heute durch strukturelle Verwerfun- 115. Bereits im Zuge früherer Streitkräfte- gen gekennzeichnet, die sich in nahezu allen reduzierungen wurden wiederholt gesetzliche Geburtsjahrgängen manifestieren und insbe- Regelungen geschaffen, die eine vorzeitige sondere bei den Offizieren und Unteroffizie- Beendigung eines Dienstverhältnisses ermög- ren zu Personalüberhängen in einer Größen- lichen sollten. Allerdings konnten sie den er- ordnung von etwa 8.000 Berufssoldaten ge- forderlichen strukturgerechten Personalabbau

71 Gemeinsame Sicherheit und Zukunft der Bundeswehr

Abbildung 4: Dienstposten-Verteilung Soldaten heute und 2006

338.000

Offiziere 38.000

Führungs- personal

Feldwebel 72.000

240.000 110.000 225.000 34.000 Offiziere

Unteroffiziere 50.000 ohne Portepee Führungs- personal

65.000 Feldwebel

Mannschaften 40.000

99.000 139.000 FWDL 23.000

109.000 neue Personal- kategorie* GWDL 112.000

5.000 FWDL

25.000 GWDL WüPl 3.000 2.000 WüPl

heute 2006

FWDL: freiwilligen zusätzlichen Wehrdienst Leistende WüPl: Wehrübungsplätze GWDL: Grundwehrdienstleistende *siehe Ziffer 112

72 IV. WEHRFORM UND PERSONAL 116 >

nicht leisten, da sie nicht auf Dauer angelegt halten, wenn frei gewordene Dienstposten waren und der Dienstherr über kein Regulativ nicht mehr nachbesetzt werden. verfügte, das den gewünschten proportionalen Personalabbau in ausgewählten Geburtsjahr- Ein dauerhafter Verjüngungseffekt der Streit- gängen ermöglicht hätte. Um die von der kräfte ließe sich auch erzielen, wenn ein Teil Kommission empfohlene Personalreduzierung der Berufssoldaten in bestimmten Laufbah- auf einen Umfang von 240.000 Soldaten bis nen durch vorgezogene Altersgrenzen früher zum Jahr 2006 bewältigen zu können, ist ein aus den Streitkräften ausscheiden könnte. Bei neues Personalstärke- und Strukturanpassungs- Gewährung von Versorgungsbezügen wäre ei- gesetz erforderlich, das den Soldaten einen ne solche Maßnahme auch ohne zusätzliche sozialverträglichen Ausstieg aus den Streit- finanzielle Anreize ausreichend attraktiv. Im kräften erlaubt. Fliegerischen Dienst der Bundeswehr gibt es bereits eine entsprechende Musterregelung, Der Übergang in eine zivile Erwerbstätigkeit die es Piloten nach Vollendung ihres 41. Le- sollte in einem Lebensalter möglich sein, das bensjahres ermöglicht, mit Versorgungsbezü- den Aufbau einer zweiten beruflichen Karrie- gen aus dem aktiven Dienst auszuscheiden. re noch zulässt. Zurruhesetzungen auf Antrag Diesem Beispiel folgend, ließen sich eine Rei- der Soldaten müssen daher bereits ab dem he von Fachverwendungen oder Speziallauf- 45. Lebensjahr zulässig und hinsichtlich der bahnen identifizieren, in denen vergleichbare zu gewährenden Versorgungsleistungen oder Regelungen möglich wären. Abfindungen so attraktiv und flexibel sein, dass die für den Personalabbau erforderliche Akzeptanz bei den potenziellen Antragstellern bewirkt wird. Zivilpersonal

116. Ergänzend oder als Teil eines Personal- 117. Die Verkleinerung der Streitkräfte um stärke- und Strukturanpassungsgesetzes wäre ein knappes Drittel wird dazu führen, dass auch die Einführung einer Vorruhestandsteil- auch der Dienstpostenbedarf für das sie unter- zeit geeignet, dauerhaft zur Bereinigung struk- stützende zivile Personal entsprechend sinkt. tureller Verwerfungen in den älteren Geburts- Darüber hinaus gehendes Einsparpotenzial jahrgängen beizutragen. Die große Bereit- ergibt sich aus einer vorrangig an wirtschaft- schaft der zivilen Mitarbeiter, diese Regelung lichen Kriterien ausgerichteten Stationierung anzunehmen, lässt vermuten, dass vergleich- und der Privatisierung der Aufgaben, die nicht bare Modelle auch für Soldaten interessant zu den Kernaufgaben der Streitkräfte oder der sein können. Der Arbeitgeber Bundeswehr Bundeswehrverwaltung gehören. Die Kom- würde bereits kurzfristig von einer solchen mission hält eine überproportionale Reduzie- Regelung profitieren, da mit Beginn der Vor- rung der Stellen für Zivilpersonal von 124.000 ruhestandsteilzeit eine der Dauer der Rest- auf rund 80.000 für möglich (Abbildung 5, dienstzeit entsprechende Absenkung der Be- Seite 74). Wie bei den Soldaten sollte der Per- züge zu kurzfristigen Einsparungen führt. sonalabbau von gesetzlichen und tarifvertrag- Diese lassen sich langfristig allerdings nur lichen Maßnahmen sozialverträglich flankiert

73 Gemeinsame Sicherheit und Zukunft der Bundeswehr

werden. Das führt – analog zu den Soldaten – beim Zivilpersonal zu folgendem Resultat:

Die Kommission empfiehlt, das zivile Per- sonal der Bundeswehr in dem Maße zu re- duzieren, wie es der strukturelle Abbau und Umbau der Streitkräfte und die wei- testmögliche Ausschöpfung des Privatisie- rungspotenzials zulassen. Der Personal- abbau ist ebenfalls durch eine gesetzliche Regelung zu unterstützen.

Abbildung 5: Personal der Bundeswehr heute und 2006

462.000

Zivilpersonal 124.000

320.000

Stellen 80.000 insgesamt

Soldaten 338.000

240.000

heute 2006

74 IV. WEHRFORM UND PERSONAL 118 >

Attraktivität währt wird. Nachwuchs in ausreichender An- zahl wird nur zu gewinnen sein, wenn die 118. Die Kommission ist der Auffassung, Ausbildung innerhalb von drei Jahren ver- dass die Anzahl des Führungspersonals in den mittelt, mit Blick auf eine verbesserte zivilbe- Verbänden und Stäben mit Blick auf die ver- rufliche Integration reformiert und mit einer änderte Personalstruktur und die erweiterten staatlich anerkannten Prüfung und anschlie- Einsatzaufgaben der Streitkräfte einer Über- ßender Beförderung zum Feldwebel abge- prüfung bedarf. Künftig muss ausgeschlossen schlossen werden kann. Eine auf drei Jahre werden, dass – wie bisher – die laufbahnrecht- verkürzte Feldwebelausbildung entspräche im lich vorgeschriebene Ausbildung für Unterof- Übrigen der Ausbildungsdauer ziviler Lehrbe- fiziere und Offiziere zu Abwesenheiten in den rufe und wäre damit insbesondere für Bewer- Verbänden führt, die nicht kompensiert wer- ber mit Mittlerer Reife ohne berufliche Vor- den können. Das wäre mit dem Erfordernis kenntnisse interessant. Für einen langfristigen präsenter Einsatzkräfte nicht vereinbar. Attraktivitätsgewinn sollte ein eigenständiges Berufsbild ‚Feldwebel' geschaffen werden. Es Die Kommission schlägt vor, die Anzahl der müsste neben militärfachlichen Kompetenzen Schülerstellen als eigenständigen Stellenum- auch Schlüsselqualifikationen ausweisen, die fang auszuweisen und so zu bemessen, dass dem soldatischen Führungspersonal eigen und die regelmäßige Nachbesetzung von ausbil- für einen zukunftsorientierten Arbeitsmarkt dungsbedingt vakanten Dienstposten möglich interessant sind. wird. Der hierfür erforderliche Schülerbedarf würde nach überschlägigen Berechnungen 120. Längerdienende Mannschaften werden künftig bei etwa 25.000 Stellen liegen. künftig einen Großteil der heute noch vorhan- denen Wehrpflichtigen ersetzen. Die Zahl der 119. Feldwebel-Anwärter werden heute im Zeitsoldaten im Mannschaftsdienstgrad wird Regelfall frühestens nach vier Jahren mit be- sich bis zum Jahr 2006 mehr als verdoppeln. standener Laufbahnprüfung zum Feldwebel Um den damit verbundenen gestiegenen Be- befördert. Anwärter im Polizeidienst oder darf quantitativ und qualitativ decken zu kön- beim Bundesgrenzschutz erreichen die ver- nen, muss die Attraktivität der gegenwärtigen gleichbaren Dienstgrade der Besoldungsgrup- Mannschaftslaufbahn erheblich gesteigert wer- pe A 7 bereits nach zweieinhalb beziehungs- den. Hierzu ist es unbedingt erforderlich, weise nach drei Jahren und besitzen zudem ei- Zeitsoldaten im Mannschaftsdienstgrad wie ne Lebensstellung als Beamter. Das macht heutige Unteroffiziere ohne Portepee zu be- deutlich, dass die Feldwebellaufbahn aus solden. Zeitsoldaten mit einer Gesamtver- Sicht möglicher Bewerber im Vergleich zu pflichtungsdauer bis zu 8 Jahren sollten eine den entsprechenden Anwärterlaufbahnen der steuerfreie Verpflichtungsprämie erhalten. Da- Polizei bei Bund und Ländern nicht sonder- rüber hinaus sind Berufsbildungs- und Be- lich attraktiv ist. Das Defizit wird auch nicht rufsförderungsmaßnahmen anzubieten, die dadurch ausgeglichen, dass Polizei und Bun- – abhängig von der Verpflichtungszeit – den desgrenzschutz die kürzere Ausbildung nur Abschluss einer zivilberuflichen Ausbildung, mit Anwärterbezügen vergüten, während mindestens aber den Erwerb von arbeits- Unteroffizier-Anwärtern eine in dieser Phase marktorientierten Zusatzqualifikationen er- höhere, dienstgradbezogene Besoldung ge- möglichen. 75 Gemeinsame Sicherheit und Zukunft der Bundeswehr

121. Ein weiterer Attraktivitätsgewinn wäre Frauen in den Streitkräften durch die Besoldungsanhebung Ost auf 100 Prozent des Westniveaus zu erzielen. Die hier- 123. Angesichts der gesellschaftlichen Ent- für zu veranschlagenden Haushaltsmittel be- wicklung bestehen keine Gründe mehr für die laufen sich – einschließlich Zivilpersonal – Beschränkung der Zulassung von Frauen zum nach heutigem Stand auf etwa 240 Mio DM freiwilligen beruflichen Soldatendienst. Mehr- jährlich. fach haben Frauen nachdrücklich Chancen- gleichheit durch Eröffnung beruflicher Betäti- 122. In Freiwilligenstreitkräften mit einem gungsmöglichkeiten im Soldatendienst gefor- Auswahl-Wehrdienst müssen 90 Prozent der dert. Die Erfüllung dieser Forderung ist durch Soldaten über eine Organisation zur Nach- den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 GG ge- wuchsgewinnung geworben werden. Die boten, besonders seit seiner 1994 im Art. 3 Konzeption der Nachwuchswerbung muss Abs. 2 S. 2 GG erfolgten Ergänzung um die sich deshalb auf die veränderten Bedingun- staatliche Verpflichtung zur Beseitigung be- gen, zu denen auch die Öffnung der Streit- stehender Nachteile für Frauen und Männer. kräfte für Frauen zählt, einstellen und im Zum gleichen Ergebnis kommt im Übrigen Wettbewerb mit anderen Arbeitsplatzanbie- auch der Europäische Gerichtshof in seinem tern bestehen können. Das macht auch organi- Urteil von 11. Januar 2000. Ob der uneinge- satorische Anpassungen bei der Nachwuchs- schränkte soldatische Dienst für Frauen ge- werbung notwendig, die unter Berücksichti- genwärtig nach dem Grundgesetz ausge- gung der Stationierungsentscheidungen und schlossen ist oder ob Art. 12a Abs. 4 S. 2 GG des regionalen Bewerberaufkommens zu tref- die Heranziehung von Frauen nur für einen fen sind. Pflichtdienst ausschließt, ist umstritten, aber von nachrangiger Bedeutung. Ob im Einzel- Nach den Vorstellungen der Kommission ist fall Frauen oder Männer für bestimmte militä- eine Vielzahl von Anreizen nötig, um den rische Aufgaben eingesetzt werden, muss Dienst in den Streitkräften wettbewerbsfähig nach Eignung, Befähigung und Leistung ent- zu machen. Nachstehend sind die wichtigsten schieden werden. Generelle Ausschlüsse, et- Aktionen wie folgt zusammengefasst: wa vom Dienst mit der Waffe oder von Kampfeinsätzen, hält die Kommission nicht Die Kommission empfiehlt, die Attrakti- für stichhaltig. vität des Dienstes in den Streitkräften durch Maßnahmen zu erhöhen, die auch 124. Für die Wehrpflicht sieht das Grund- mehr Effektivität bewirken. Dazu gehört, gesetz in Abweichung vom Gleichheitsgrund- das zahlenmäßige Verhältnis von Führern satz ausdrücklich eine Verpflichtung nur für und Geführten zu verbessern, die dreijäh- Männer vor. Diese Regelung wird durch die rige Feldwebelausbildung einzuführen, Zulassung von Frauen zum freiwilligen Sol- die Besoldung der Soldaten deutlich an- datenberuf nicht berührt. Im Gegenteil spricht zuheben und mehr Haushaltsmittel und der neugefasste Art. 3 Abs. 2 S. 2 GG, nach Personal für die Nachwuchswerbung be- dem der Staat die tatsächliche Durchsetzung reitzustellen. der Gleichberechtigung zu fördern und auf

76 IV. WEHRFORM UND PERSONAL 121 >

die Beseitigung bestehender Nachteile hinzu- wirken hat, dafür, Frauen auch weiterhin kei- nen Pflichtdienst aufzuerlegen. Diese Ände- rung des Grundgesetzes ist vor wenigen Jah- ren in der allgemeinen Überzeugung be- schlossen worden, dass weiterhin Benachteili- gungssituationen für Frauen in einem Umfang vorhanden sind, der eine solche Verfassungs- änderung zur Verbesserung der Lage erforder- lich machte. Die Nachteile für Frauen, vor al- lem beim beruflichen Aufstieg, bestehen in den meisten gesellschaftlichen Bereichen fort. Diesen Nachteilen wird wenigstens in gewis- sem Umfang dadurch Rechnung getragen, dass Frauen von Dienstleistungspflichten aus- genommen sind und bleiben.

Die Kommission empfiehlt, den freiwilli- gen Dienst von Frauen in allen Bereichen und allen Einsatzformen der Streitkräfte zuzulassen.

77

FÜHRUNG, TRUPPE, WEHRVERWALTUNG V.

V. FÜHRUNG, TRUPPE, WEHRVERWALTUNG 125 >

LEITUNG UND FÜHRUNG tung, auch wenn für die Logistik künftig ge- meinsame europäische Konzepte verwirklicht werden. Damit sind größere Anforderungen an die entsprechenden nationalen Führungs- 125. Neue Aufgaben stellen neue Anforde- strukturen verbunden. Diese müssen so aus- rungen an die Bundeswehr. Die bestehende gelegt sein, dass streitkräftegemeinsame Ein- Struktur stammt aus den Zeiten des Kalten sätze in nationaler Verantwortung geplant und Krieges. Sie ist bislang nur ansatzweise ver- ausgeführt werden können. Dafür bedarf es ändert worden. Den neuen Anforderungen an einer neuen Organisation, die auf alle benö- Streitkräfte im Kriseneinsatz entspricht sie tigten Kräfte zentral zugreifen kann und dazu nicht. in der Lage ist, streitkräftegemeinsame Ope- rationen modular zusammengestellter Kon- Struktur und Organisation der Bundeswehr tingente über Landes- und Bündnisgrenzen sind noch immer auf ein Szenario ausgelegt, hinweg zu führen. das eine grenznahe Verteidigung zusammen mit den Bündnispartnern vorsah und sich da- 127. Auch die Bundeswehrverwaltung, die für auf umfangreiche teils präsente, teils mo- den Aufgaben des Personalwesens und der bilmachungsabhängige Truppenkörper stützte. unmittelbaren Deckung des Sachbedarfs der Für den Einsatz im Verteidigungsfall waren die Streitkräfte dient, muss den tiefgreifenden deutschen Verbände weitestgehend bestimm- Veränderungen der Streitkräfte-Strukturen ten alliierten Kommandobehörden dauerhaft angepasst werden. Das gilt für die Wehrver- zugeordnet. Die Einsatzplanungen lagen fest waltung insgesamt, angesichts eines künftig und waren im Bündnis abgestimmt. erheblich verringerten Anteils an Wehrpflich- tigen und mobilzumachenden Reservisten Für die Wahrung der Operationsfreiheit und aber im Besonderen für die Wehrersatzorga- die Unterstützung der eigenen wie der alliier- nisation. ten Truppen auf deutschem Territorium war in der Vergangenheit das mobilmachungsabhän- 128. Notwendig sind an erster Stelle Refor- gige Territorialheer zuständig. Logistik, Sani- men im Führungsinstrument der Leitung: tätsdienst und die Wehrverwaltung mit ihrer dem Bundesministerium der Verteidigung Wehrersatzorganisation waren auf Landes- (Abbildung 6, Seite 82). verteidigung mit umfassender Mobilmachung von Reservisten ausgelegt.

126. Künftig wird die Einsatzführung deut- Stäbe und Abteilungen scher Streitkräftekontingente im Einsatzge- biet multinationalen Kommandobehörden je- Die Kommission empfiehlt, die Organisa- weils nur zeitlich begrenzt übertragen. Die tion des Ministeriums zu verändern: nationale politische Kontrolle des Einsatzes (1) Für Haushalts- und Controlling-Auf- gewinnt an Bedeutung. Die truppendienstli- gaben sollte ein Staatssekretär Finanzen che Führung einschließlich der logistischen mit einem ihm unmittelbar zugeordneten Versorgung verbleibt in nationaler Verantwor- Arbeitsstab installiert werden.

81 Gemeinsame Sicherheit und Zukunft der Bundeswehr

(2) Der Stellvertreter des Generalinspek- Haushalt einschließlich des „Beauftragten für teurs sollte als Inspekteur „Zentrale Mili- die Verbesserung der Wirtschaftlichkeit beim tärische Dienste“ einen eigenen Füh- Einsatz von Haushaltsmitteln in der Bundes- rungsstab erhalten. wehr", der bisherige „Sonderbeauftragte für (3) Die zivilen Abteilungen sollten von Rationalisierung“ und Teile des Organisa- derzeit fünf auf künftig drei reduziert tionsstabes auf. werden. (4) Für die Überwachung und Steuerung Auf Leitungsebene wird ein IT-Direktor ein- der Informationstechnologie (IT) in der gesetzt. Er hat die zentrale Kompetenz für Bundeswehr sollte ein IT-Direktor einge- sämtliche in der Bundeswehr beschaffte und setzt werden. betriebene Informationstechnik (siehe Emp- fehlung „IT-Agentur“ – Ziffer 227). 129. Im Stab des neu zu berufenden Staats- sekretärs Finanzen (siehe Empfehlung „Con- 130. Der Inspekteur „Zentrale Militärische trolling“ – Ziffer 216ff) gehen die Abteilung Dienste“ erhält einen eigenen Stab, um die

Abbildung 6: Gliederung des Bundesministeriums der Verteidigung

Bundesminister der Verteidigung

Parlamentarischer Planungsstab Staatssekretär

Staatssekretär IT-Direktor

Presse- und Staatssekretär Informationsstab

Staatssekretär Finanzen Parlament- Ermittlung und in Sonder- Stab Haushalt Kabinett- Protokoll fällen und Controlling referat Leitung

Inspekteur Inspekteur Inspekteur Inspekteur General- Inspekteur Abteilungs- Abteilungs- Abteilungs- des der der des inspekteur Zentrale leiter leiter leiter Heeres Luftwaffe Marine Sanitäts- der Militärische Personal-, Rüstung Wehr- dienstes Bundes- Dienste und Sozial- verwaltung der wehr Stellvertreter und Bundes- des Zentral- wehr General- angelegen- inspekteurs heiten

82 V. FÜHRUNG, TRUPPE, WEHRVERWALTUNG 129 >

vorgeschlagene neue Organisation führen zu herige Abteilung Recht und Teile des bisheri- können (siehe Empfehlung „Zentrale Militäri- gen Organisationsstabs zusammenfassen. Der sche Dienste“ – Ziffer 168ff). Unterabteilungsleiter Recht fungiert dann als Justiziar des Bundesministeriums der Vertei- 131. In den zivilen Abteilungen des Minis- digung. Die Abteilung Wehrverwaltung, In- teriums gibt es Rationalisierungspotenzial. So frastruktur und Umweltschutz wird nach den findet man etwa in anderen Ministerien Haus- Vorstellungen der Kommission auf drei Unter- halts- und Rechtsabteilungen nur dort, wo abteilungen reduziert. Die bisherige Hauptab- diese ressortübergreifende Aufgaben haben. teilung Rüstung wird um drei Unterabteilun- Dies ist im Bundesministerium der Verteidi- gen verkleinert und als Abteilung weiterge- gung nicht der Fall. Aufgaben der zivilen Ab- führt (Abbildung 7). teilungen können delegiert oder neu zugeord- net werden. So kann die neu strukturierte Ab- teilung Personal-, Sozial- und Zentralangele- genheiten mit je einer Unterabteilung die bis-

Abbildung 7: Zivile Abteilungen des Bundesministeriums der Verteidigung

Abteilung Abteilung Abteilung Personal-, Sozial- und Rüstung Wehrverwaltung Zentralangelegenheiten

Grundsatz und Grundsatz und Zentrales Zivilpersonal Wehrverwaltung

Militärisches Rüstungsplanung Infrastruktur Personal

Soziales und Forschung und Betrieb und Militärseelsorge Technologie Umweltschutz

Recht Internationale Rüstungs- Leiter ist Justiziar des BMVg zusammenarbeit

Organisation Rüstungswirtschaft

83 Gemeinsame Sicherheit und Zukunft der Bundeswehr

Analyse- und Auswertefähigkeiten Dienstsitz Berlin

Die Kommission empfiehlt, die nationale Die Kommission empfiehlt, das Bundes- Fähigkeit zur Auswertung, Analyse und ministerium der Verteidigung an einem Beurteilung des Nachrichtenaufkommens Dienstsitz in Berlin zusammenzuführen. durch Zusammenfassung und Qualitäts- steigerung der vorhandenen Organe (Bun- 133. Einsätze der Bundeswehr zur Konflikt- desnachrichtendienst, Amt für Nachrich- prävention und Krisenbewältigung können tenwesen der Bundeswehr, Nachrichten- nur im Rahmen einer politischen Gesamtstra- wesen der Teilstreitkräfte) zu stärken und tegie, die militärische und nichtmilitärische die so entstehende Organisation in räum- Mittel einbezieht, erfolgreich geführt werden. licher Nähe zu Berlin unterzubringen. Vor allem während solcher Einsätze, aber auch darüber hinaus ist kontinuierliche res- 132. Krisenmanagement braucht frühzeiti- sortübergreifende Abstimmung und Koordi- ge, umfassende und unverfälschte Informa- nierung unerlässlich. Das bedarf der Präsenz tion. Rechtzeitiges politisches oder militäri- des Ministers, seiner Berater und der sie sches Handeln muss sich auf verlässliche Ent- unterstützenden Stäbe und Abteilungen am scheidungsgrundlagen stützen können. Neben Sitz von Bundesregierung und Parlament. den bereits erwähnten technischen Defiziten bei den Systemen für Nachrichtengewinnung Mit einer auf zwei weit auseinanderliegende und Aufklärung mangelt es derzeit an der not- Dienstsitze verteilten Spitzenorganisation wendigen professionellen Auswertung, Ana- können die Anforderungen nationalen und lyse und Aufbereitung der Daten. multinationalen Krisenmanagements nicht bewältigt werden. Auch die Möglichkeiten Es gibt keine zentrale Instanz, die das vielfäl- moderner Informations- und Kommunika- tige Nachrichtenaufkommen sortiert, bündelt, tionstechnik ersetzen nicht Verhandlung und bedarfsgerecht aufbereitet und die Entschei- Abstimmung, Gespräch und Gedankenaus- dungsträger in Politik und Bundeswehr ver- tausch an einem Ort. zugslos informiert. Die vorhandenen Kapa- zitäten sind zersplittert, die Zuständigkeiten auf mehrere Ressorts verteilt. Die räumliche Distanz zwischen Auswertern und Adressaten Einsatzrat erweist sich als außerordentlich hinderlich. Bundeswehreigene Potenziale für Sammlung Die Kommission empfiehlt, im Ministe- und Auswertung von Nachrichten leiden an rium einen Einsatzrat mit allen Inspek- mangelhafter Koordinierung. Die Dienstwege teuren und zivilen Abteilungsleitern als sind lang und verschlungen. Eine Bündelung zentrales zivil-militärisches Beratungs- der Kräfte könnte nach Auffassung der Kom- und Abstimmungsgremium für die Füh- mission Abhilfe schaffen. Ein nationales Aus- rung von Einsätzen zu bilden. Den Vorsitz werte- und Analysezentrum muss auf jeden führt der Generalinspekteur. Fall in der Nähe von Parlament und Regie- rung angesiedelt sein.

84 V. FÜHRUNG, TRUPPE, WEHRVERWALTUNG 132 >

134. Die kontinuierliche Führung von Ein- Unter Vorsitz des Generalinspekteurs bereitet sätzen außerhalb Deutschlands verlangt ande- der Einsatzrat die wesentlichen politischen re Leitungsmechanismen, als sie für die alte und strategischen Entscheidungen des Bun- Bundeswehr vorgesehen waren. Entscheidun- desministers als des Inhabers der Befehls- gen betreffen selten nur eine Teilstreitkraft und Kommandogewalt vor und steuert deren oder Abteilung. Nicht sämtliche Einzelfragen Umsetzung. Mit der Übernahme des Vorsitzes müssen von der politischen Leitung koordi- im Einsatzrat wird der Generalinspekteur ver- niert und entschieden werden. Das ist Angele- antwortlicher Stabschef des Ministers für Ein- genheit des Einsatzrats. Er übernimmt auch satzfragen. Bei unterschiedlichen Auffassun- die Aufgaben des bisherigen Koordinierungs- gen im Einsatzrat legt der Generalinspekteur stabes für Einsatzaufgaben (Abbildung 8). seinen Entscheidungsvorschlag dem Minister zur Billigung vor.

Abbildung 8: Einsatz deutscher Streitkräfte

Planung und Führung Inhaber der Befehls- Beratung und Kommandogewalt

EINSATZRAT Befehlshaber des Streitkräfteführungskommandos

Generalinspekteur (Vorsitz) Streitkräfteführungs- kommando Inspekteure Abteilungsleiter

Nationaler Befehlshaber im Einsatzland

Einsatzführungs- Stabsabteilung Operation kommando

Deutsche Kontingente

85 Gemeinsame Sicherheit und Zukunft der Bundeswehr

Streitkräfteführungskommando Einsatzführungskommando

Die Kommission empfiehlt, für die opera- Die Kommission empfiehlt, für Bundes- tive Führung von Einsätzen der Bundes- wehreinsätze im Ausland ein Einsatzfüh- wehr ein Streitkräfteführungskommando rungskommando einzurichten. aufzustellen. 136. Das Einsatzführungskommando unter- 135. Bislang gibt es kein streitkräftege- stützt den Nationalen Befehlshaber im Ein- meinsames Führungselement unterhalb der satzland und nimmt die in nationaler Verant- Ebene des Ministeriums. Heer, Luftwaffe und wortung verbleibenden Führungsaufgaben wahr. Marine haben eigenständige Führungskom- Der Nationale Befehlshaber vertritt die Be- mandos, von denen jeweils eines fallweise lange der Bundeswehr gegenüber den multi- auch die deutschen Kräfte im Kriseneinsatz nationalen Befehlshabern vor Ort, den Verbün- führt. Bei Bedarf wird Personal der anderen deten und dem Aufenthaltsstaat. Er stellt zu- Kommandos integriert, um die notwendige dem die weitgehend in nationaler Zuständig- streitkräftegemeinsame Expertise zusammen- keit verbleibende Einsatzunterstützung für das zuführen. Bislang hat das Heeresführungs- deutsche Kontingent im Einsatzraum sicher. kommando den größten Teil der Auslandsein- sätze geführt. Das Einsatzführungskommando muss außer- dem zur streitkräftegemeinsamen Einsatzfüh- Mit dem Streitkräfteführungskommando wird rung deutscher Truppenteile in nationaler Ver- eine ständige streitkräftegemeinsame Einsatz- antwortung befähigt sein – beispielsweise zur führungsinstanz unterhalb des Ministeriums Führung deutscher Kräfte, die das Einsatzge- geschaffen. Das Streitkräfteführungskomman- biet unter Feindeinwirkung verlassen müssen. do erhält seine Befehle für den Einsatz direkt Zusätzlich muss es – nach lead nation-Muster – vom Bundesminister der Verteidigung als auch multinationale Verbände führen können. dem Inhaber der Befehls- und Kommandoge- walt. Es verbindet die politische Führung mit dem nationalen Befehlshaber im Einsatzraum und gewährleistet so auch die Interoperabi- Generalinspekteur lität mit den Führungsstrukturen der NATO, der EU und anderer Nationen, die vergleich- Die Kommission empfiehlt, zur Wahrneh- bare Hauptquartiere haben. Das Streitkräfte- mung der teilstreitkraft-übergreifenden führungskommando wird auch die Einsatz- Aufgaben die Kompetenzen des General- führung multinational und teilstreitkraft-ge- inspekteurs der Bundeswehr zu stärken. meinsam zusammengesetzter Kräfte im EU- Rahmen oder für die OSZE und die Vereinten 137. Als militärischer Berater des Ministers Nationen übernehmen können (lead nation- und der Bundesregierung und als Gesamtver- Funktion). antwortlicher für die konzeptionelle und pla- nerische Gestaltung der Bundeswehr besitzt der Generalinspekteur zwar schon heute weit- reichende Kompetenzen. Seinem Stab fehlt es

86 V. FÜHRUNG, TRUPPE, WEHRVERWALTUNG 135 >

aber an ausreichenden Arbeitskapazitäten, um 140. Die Kommission sieht die Notwendig- übergreifend zu planen, zu steuern und zu keit, auch bei der Rüstungsplanung die streit- kontrollieren. Dafür muss vor allem die Pla- kräftegemeinsamen Belange in Zukunft stär- nungsabteilung seines Führungsstabes perso- ker zur Geltung zu bringen. Die jetzigen Re- nell verstärkt werden. gelungen sind nicht geeignet, die Rüstungs- planung im Sinne der notwendigen Gesamtfä- 138. Zur Unterstützung des Generalinspek- higkeiten der Streitkräfte zu optimieren. Die teurs in seiner Eigenschaft als Vorsitzender Bundeswehrplanung muss zudem mehr als des Einsatzrats und als Stabschef des Minis- bisher auf Wirtschaftlichkeit achten. Deshalb ters für Einsatzfragen sollte sein Führungs- sollte ein Rüstungsrat geschaffen werden. stab um eine Operationsabteilung ergänzt Dem Rüstungsrat gehören neben dem General- werden. Im Auftrag des Inhabers der Befehls- inspekteur und dem Abteilungsleiter Rüstung und Kommandogewalt werden dort die Ent- die Inspekteure sowie der künftige Chef- scheidungen zu politisch-strategischen Ein- Controller (aus dem Stab des Staatssekretärs satzbedingungen vorbereitet, national und Finanzen) und der künftige IT-Direktor an. international abgestimmt und danach wei- Themenabhängig können weitere Abteilungs- sungsgemäß umgesetzt. leiter hinzugezogen werden (Abbildung 9, Seite 88). 139. Wesentliche Teile des bisherigen Füh- rungsstabes der Streitkräfte werden nach den Kernaufgabe des Rüstungsrates ist es, Ausrüs- Vorstellungen der Kommission den neuen tungsplanung teilstreitkraft-übergreifend zu Führungsstab des Inspekteurs „Zentrale Mili- koordinieren, Leitlinien zu formulieren und tärische Dienste“ bilden. Der künftige Füh- die Konzeptionen und Forderungen der Teil- rungsstab des Generalinspekteurs sollte daher streitkräfte mit der Gesamtplanung zu verein- aus den Abteilungen Planung, Operation, Mi- baren. Bei unterschiedlicher Auffassung im litärpolitik sowie Personal und Innere Füh- Rüstungsrat legt der Generalinspekteur seinen rung bestehen. Die vorgeschlagene personelle Entscheidungsvorschlag der Leitung zur Bil- Verstärkung der Planungsabteilung sollte oh- ligung vor. Gleiches gilt in der Entwicklungs- ne zusätzliche Personalkosten durch Einspa- phase und in der Beschaffungsphase für den rungen in den anderen militärischen Abteilun- Abteilungsleiter Rüstung. gen des Ministeriums erreicht werden. 141. Der Rüstungsrat wird durch einen Ar- beitsstab unterstützt. Hierfür wird eine in ih- ren Aufgaben erweiterte Stabsabteilung Pla- Rüstungsrat nung beim Generalinspekteur und eine neue Unterabteilung Rüstungsplanung für den Ab- Die Kommission empfiehlt, im Ministe- teilungsleiter Rüstung eingerichtet. Beide ge- rium einen regelmäßig tagenden Rüs- meinsam bilden ein Sekretariat, das die Sit- tungsrat zu schaffen. Den Vorsitz führt zungen des Rüstungsrats vor- und nachberei- der Generalinspekteur. tet. Die Abteilung Planung der Streitkräfte sollte zu rund 25 Prozent mit zivilem, die

87 Gemeinsame Sicherheit und Zukunft der Bundeswehr

Unterabteilung Rüstungsplanung zu rund 25 gemeinsamen Aspekt stärker als in der Ver- Prozent mit militärischem Personal besetzt gangenheit zur Geltung zu bringen. Die übri- werden, um den ständigen Transfer von Sach- gen Studiengruppen verbleiben in der Zustän- verstand zu institutionalisieren. Die Planungs- digkeit der Inspekteure und werden in die abteilung des Generalinspekteurs wird in ihrer Ämter eingegliedert. Vom Rüstungsrat einge- erweiterten Aufgabe durch Studiengruppen setzte Integrierte Projekt-Teams (IPT) sind für unterstützt. Sie haben die Aufgabe, funktional die praktische Verwirklichung bedeutender zu beschreiben, welche Fähigkeiten die Streit- Rüstungsvorhaben verantwortlich (siehe Emp- kräfte aufweisen müssen. Ein Teil der Stu- fehlung „Integrierte Projekt-Teams“ – Ziffer diengruppen ist im zentralen militärischen 190). Bereich anzusiedeln, um den teilstreitkraft-

Abbildung 9: Rüstungsrat

RÜSTUNGSRAT

Generalinspekteur (Vorsitz) Abteilungsleiter Rüstung Controller IT-Direktor Inspekteure

Sekretariat Unter- Stabs- abteilung abteilung Rüstungs- Planung planung

Ministerium

Studiengruppen IPT (Zuarbeit nach Richtlinien (Integrierte Projekt Teams) des Rüstungsrats) Vertreter der • Streitkräfte • Bundeswehrverwaltung • Industrie

88 V. FÜHRUNG, TRUPPE, WEHRVERWALTUNG 142 >

STREITKRÄFTE jederzeit problemlos beendet werden. Soll sie hingegen erhöht werden, gewährleisten Luft- und Seestreitkräfte durch ihre Reaktions- schnelligkeit, ihre Mobilität und ihre Reich- Der Einsatz der Streitkräfte in der Krise weite den Schutz und die Unterstützung der im Krisengebiet zu stationierenden Kräfte. Das Aufgabenspektrum, auf das sich die Streitkräfte künftig einstellen müssen, wird Viele Krisenregionen sind von Zentraleuropa am möglichen Verlauf einer Krise deutlich: aus nur über See oder per Lufttransport zu er- reichen. Während das Personal der Einsatz- Prävention und Präsenz kräfte im Regelfall eingeflogen wird, muss der Großteil des Materials über See transpor- 142. Bereits bevor in einer Krise über mili- tiert werden. Nur wenn eigene Kräfte die Zu- tärisches Eingreifen entschieden wird, können gänge zum Einsatzgebiet beherrschen, kön- Luft- und Seestreitkräfte weiträumig und sich nen Kriseneinsätze verantwortet werden. gegenseitig ergänzend aufklären. Sie leisten damit schon im Vorfeld einer krisenhaften Militärisches Eingreifen Entwicklung wesentliche Beiträge zur Ur- teilsfähigkeit der politischen und militäri- 143. Gelingt es nicht, eine Krise mit politi- schen Führung. Durch ihre sichtbare Aufklä- scher und militärischer Prävention zu been- rungstätigkeit tragen sie zum präventiven Kri- den, kann eine Konfliktbewältigung mit mili- senmanagement bei. Mit einer frühzeitigen tärischen Mitteln erforderlich werden. Das Verlegung von Luft- und Seestreitkräften kann damit beginnen, dass präsente Kräfte kann das Bündnis Einigkeit und Entschlos- das Krisengebiet abriegeln und ein Embargo senheit demonstrieren, ohne dabei die territo- durchsetzen. Bei Kampfhandlungen kann es riale Integrität eines Staates zu verletzen. sich zunächst anbieten, zur Verringerung des Luftstreitkräfte ermöglichen auch aus der Verlustrisikos nur Luft- und Seestreitkräfte Entfernung den raschen Aufbau wirksamer einzusetzen. Luftstreitkräfte können bei ge- militärischer Präsenz. Seestreitkräfte können ringer eigener Gefährdung über weite Entfer- die Hohe See zur demonstrativen Anwesen- nungen hinweg schnell und nachhaltig wir- heit vor den Küsten von Spannungsgebieten ken. Seestreitkräfte operieren vor den Küsten nutzen. des Einsatzlandes und unterstützen von dort die eigenen Truppen. Eingeschiffte Landstreitkräfte können in der Nähe eines Einsatzorts zum raschen Eingrei- Beim Beginn von Landoperationen haben ins- fen bereit gehalten werden. Auch ist ihre prä- besondere die luftbeweglichen und luftme- ventive Stationierung in einer Krisenregion chanisierten Verbände des Heeres die Aufga- möglich. Landstreitkräfte wirken durch Prä- be, die Operationsbasis im Einsatzland zu ge- senz vor Ort abschreckend und stabilisierend. winnen, die Zugänge zu sichern und die logis- Präsenz in der Luft und auf See birgt nur ein tischen, sanitätsdienstlichen und sonstigen geringes Risiko, tiefer als beabsichtigt in einen Einrichtungen zu schützen. Nur Landstreit- Konflikt hineingezogen zu werden. Sie kann kräfte können Gebiete dauerhaft kontrollieren

89 Gemeinsame Sicherheit und Zukunft der Bundeswehr

und notfalls gewaltsam besetzen und schüt- Gliederung der Teilstreitkräfte zen. Sie überwachen Waffenstillstände, si- chern Demarkationslinien, wehren subversive 145. Die neuen Aufgaben und der verrin- Attacken ab und schützen die Zivilbevöl- gerte Gesamtumfang von 240.000 Soldaten kerung gegen Übergriffe. Sie können nach erfordern eine neue Struktur der Teilstreit- einem Kampfeinsatz die öffentliche Ordnung kräfte, der Zentralen Militärischen Dienste schnellstmöglich wiederherstellen und auf- und des Sanitätsdienstes. rechterhalten. Landstreitkräfte beseitigen Kampfmittel, räumen Minen und unterstützen Die Kommission empfiehlt, die Teilstreit- zivile Hilfsorganisationen bei der Versorgung kräfte einsatzorientiert neu zu gestalten. der Bevölkerung. Um Krisengebiete dauer- haft zu befrieden, müssen Landstreitkräfte 146. Die Entwicklung von Fähigkeiten für nötigenfalls über lange Zeiträume hinweg die Bewältigung von Kriseneinsätzen im Aus- dort stationiert bleiben. land und die Verringerung der Truppenstärke betreffen in besonderer Weise das Heer. Dort Sollte es erforderlich werden, eine Operation wird die Zahl der Soldaten von derzeit noch abzubrechen und die eigene Truppe unter 230.000 auf etwa 150.000 sinken. Die Luft- Feindeinwirkung zu evakuieren, ist gemeinsa- waffe wird nur um etwa 10.000 Soldaten auf mes Handeln aller Kräfte besonders wichtig. dann rund 65.000 Männer und Frauen verklei- Landstreitkräfte sichern den Abzug der Trup- nert. Die Marine wird geringfügig auf einen pen und erforderlichenfalls auch der zivilen Umfang von künftig etwa 25.000 Soldaten Organisationen und werden dabei von Luft- reduziert. und Seestreitkräften unterstützt. 147. Diese Verkleinerung der Streitkräfte, Bündnisverteidigung die Reorganisation der Einsatzführung und die Zusammenfassung zentraler Einsatzunter- 144. Sollte sich eine Krise zur Bündnisver- stützungsaufgaben erlauben es, die truppen- teidigung ausweiten, haben die Streitkräfte dienstlichen Führungsstrukturen in den Teil- zusammen mit den verbündeten Armeen die streitkräften zu straffen. Aufgabe, die territoriale Unversehrtheit des Bündnisgebiets zu bewahren oder wieder- Hierzu empfiehlt die Kommission, beim Heer herzustellen. Land-, Luft- und Seestreitkräfte die Korpsstäbe und bei der Luftwaffe die Stä- wirken in diesem Fall gemäß bündnisgemein- be der Luftwaffenkommandos Nord und Süd samer Planungen zusammen. Für die Bünd- aus der truppendienstlichen Führung heraus- nisverteidigung werden Reservisten vor allem zunehmen. Diese Stäbe sollten in Zukunft nur für den Personalersatz bei den präsenten Ver- noch Funktionen im Rahmen nationaler und bänden benötigt und nur in geringem Umfang multinationaler Einsatzführung wahrnehmen. für den Aufwuchs gekaderter Einheiten.

90 V. FÜHRUNG, TRUPPE, WEHRVERWALTUNG 144 >

148. Wesentliche Unterstützungsaufgaben ganisation der Teilstreitkräfte mit drei höheren und Unterstützungskräfte werden aus den Kommandobehörden (Führungskommando, Unterstützungskommandos der Teilstreitkräfte Amt, Unterstützungskommando) wird aufga- in die Zentralen Militärischen Dienste, in den benorientiert angepasst und in eine zweiglied- Zentralen Sanitätsdienst und den Rüstungsbe- rige Struktur überführt (Abbildung 10). reich verlagert. Die in den Teilstreitkräften verbleibenden Aufgaben und Kräfte der bis- Für die neue Struktur der Teilstreitkräfte gel- herigen Unterstützungskommandos rechtfer- ten die folgenden Überlegungen der Kommis- tigen deren Erhalt als Höhere Kommandobe- sion: hörde nicht mehr. Die bisherige Führungsor-

Abbildung 10: Truppendienstliche Führungsorganisation der Teilstreitkräfte

Bundesminister der Verteidigung

Inspekteur Inspekteur Inspekteur des der der Heeres Luftwaffe Marine

Führungsstab des Führungsstab der Führungsstab der Heeres Luftwaffe Marine

Ministerium

Heeres- Heeres- Luft- Luftwaffen- Marine- Flotten- amt führungs- waffen- führungs- amt kommando kommando amt kommando

Ämter Divisionen Ämter Divisionen Ämter Flottillen Schulen Heeres- Schulen Kommandos Schulen ... truppen- ...... kommando

Brigaden Verbände Geschwader

91 Gemeinsame Sicherheit und Zukunft der Bundeswehr

Heer dos müssen deshalb von Personal und Ausrüs- tung her in der Lage sein, multinationale Kom- 149. Die Fähigkeit zur dauerhaften Beteili- mandos für Landstreitkräfte oder Sektor- gung an zwei gleichzeitigen Kriseneinsätzen hauptquartiere im Einsatzgebiet zu stellen. in dem in Kapitel III beschriebenen Umfang Unter Berücksichtigung des fünffachen Rota- bestimmt im Wesentlichen die zukünftige tionsfaktors erachtet die Kommission deshalb Struktur des Heeres. fünf Divisionskommandos für die Einsatzfüh- rung als erforderlich. Einsatzbrigaden Die Einsatzbrigaden werden in ihrer organisa- 150. Die Forderung, zwei parallele Krisen- torischen Grundstruktur nicht alle im Einsatz einsätze jeweils in Brigadestärke dauerhaft zusätzlich notwendigen Elemente der Ein- führen zu können, verlangt bei einem fünffa- satz- und Führungsunterstützung enthalten chen Rotationsfaktor eine Truppenstärke von können. Die hierfür erforderlichen Kräfte, zehn Einsatzbrigaden. Aus der Grundstruktur beispielsweise Aufklärungs-, Fernmelde- und dieser Brigaden müssen Ausrüstung und Per- Logistiktruppen, sind auf Divisionsebene zu- sonal lageabhängig so ausgewählt und zu Ein- sammenzufassen. satzkontingenten zusammengestellt werden können, dass unterschiedlichste Operationen Korpskommandos bis hin zum mechanisierten Gefecht hoher In- tensität möglich sind. Darüber hinaus sollte 152. In der neuen Struktur entfallen rein sich die Bundeswehr weiterhin mit einer luft- oder weitgehend nationale Korpskommandos. beweglichen Einsatzbrigade an der Multina- Deren Personal kann zum Aufbau des Streit- tionalen Division für Mitteleuropa beteiligen. kräfteführungskommandos und des Einsatz- Wegen ihrer Eignung für besondere Einsätze führungskommandos herangezogen werden. sollte zudem an einer Gebirgsjäger- oder Jä- Den verbleibenden multinationalen Korpskom- gerbrigade festgehalten werden. Somit bilden mandos werden ausschließlich operative Auf- künftig zwölf präsente Einsatzbrigaden den gaben zugewiesen. Für den Einsatz können Kern der Einsatzkräfte des Heeres – darin ein- ihnen unter anderem auch deutsche Großver- geschlossen die deutsch-französische Brigade. bände zugeordnet werden. Das Ausmaß deut- scher Beteiligung an multinationalen Kom- Divisionskommandos mandos sollte parallel zur Verminderung der Anzahl deutscher Divisionen und Brigaden 151. Für die truppendienstliche Führung zurückgeführt werden. der Einsatzbrigaden im normalen Dienst- betrieb und für die Führung multinationaler Heeresführung Verbände im Einsatz sind weiterhin Divi- sionskommandos erforderlich. Mit Blick auf 153. Die truppendienstliche Führung der rein europäisch geführte Operationen sollte Divisionen und der deutschen Heeresanteile Deutschland als eine der großen Nationen in bi- und multinationalen Großverbänden ob- auch militärische Führungskapazitäten bereit- liegt dem Heeresführungskommando. stellen können. Deutsche Divisionskomman-

92 V. FÜHRUNG, TRUPPE, WEHRVERWALTUNG 149 >

Besonders spezialisierte Kräfte sind als Hee- gen Divisionstruppen und den zugeordneten restruppen zusammenzufassen. Sie unterstüt- Ausbildungsverbänden übernehmen. zen die Divisionen und Brigaden des Heeres in Ausbildung und Einsatz. Operationen, mit Bündnisbeitrag denen ein Einsatzgebiet vor Eintreffen der Hauptkräfte gewonnen und gesichert werden 155. Mit den für Kriseneinsätze vorgesehe- soll und das Erfordernis schneller Reaktion nen präsenten Kräften kann das Heer seinen gegenüber Kräften, die nicht in unmittelba- der NATO zugesicherten Beitrag in Stärke ei- rem Kontakt mit eigenen Bodentruppen ste- ner Division zur Bündnisverteidigung außer- hen, verlangen den beschleunigten Aufbau ei- halb Mitteleuropas leisten. Die Ausbildungs- ner luftmechanisierten Brigade. Die Heeres- verbände stehen für den mobilmachungsab- fliegerbrigade führt den Lufttransport für die hängigen Aufwuchs von Kräften im Umfang Kräfte des Heeres durch. Die Spezialkräfte von zwei bis drei weiteren Brigaden zur Ver- des Heeres für Rettung, Evakuierung, Abwehr fügung, die im Falle eines großen militäri- terroristischer Bedrohung und Aufklärung schen Konflikts den vorhandenen Divisions- zählen ebenfalls zu den Heerestruppen. Bei kommandos unterstellt werden können. Die der Führungsunterstützung, der Fernmelde- dafür erforderliche materielle Ausstattung ist und Elektronischen Aufklärung, der Operati- bereitzuhalten. ven Information, der Zivil-Militärischen- Zusammenarbeit und der Logistik muss Unter Rückgriff auf alle präsenten Kräfte des untersucht werden, welche Kräfte und Mittel Heeres und nach Aufwuchs der zusätzlichen im Heer verbleiben und welche den zentralen Brigaden kann Deutschland Landstreitkräfte Diensten zugeordnet werden sollten. im Umfang von fünf Divisionen mit 15 Ein- satzbrigaden zur kollektiven Verteidigung in Um das Heeresführungskommando zu entlas- Mitteleuropa bereitstellen. Das sind ungefähr ten, sollte die Einrichtung eines Heerestrup- 100.000 Soldaten. penkommandos geprüft werden. Es hätte die Größe eines Divisionskommandos. Ihm wä- Ausrüstung ren alle Heerestruppen unterstellt. 156. Für die einsatz- und aufwuchsfähigen Ausbildung Brigaden und ihre Unterstützungsanteile er- scheint nach Auffassung der Kommission ein 154. Die Notwendigkeit eines regelmäßigen Umfang von 3.500 gepanzerten Waffenträ- Austauschs von Personal zwischen Ausbil- gern und 2.000 gepanzerten Transportfahr- dungsverbänden und Einsatzkräften spricht zeugen als angemessen. Das bedeutet nahezu für eine Verknüpfung von Einsatz- und Aus- eine Halbierung der gegenwärtig vorhande- bildungsstrukturen auf Brigade- und Divi- nen Hauptwaffensysteme. Die Zahl an Hub- sionsebene und gegen die Aufstellung reiner schraubern sollte wegen der gesteigerten Be- Ausbildungsbrigaden. Im Inland können da- deutung der Luftmechanisierung und Luftbe- her die fünf Divisionskommandos die trup- weglichkeit weiterhin bei etwa 500 bis 600 pendienstliche Führung von den für Einsatz- Stück liegen. brigaden vorgesehenen Kräften, den jeweili-

93 Gemeinsame Sicherheit und Zukunft der Bundeswehr

Luftwaffe Einsatzführung

157. Die Grobstruktur für die Einsatzkräfte 159. Für Führung und Führungsunterstüt- der Luftwaffe leitet sich direkt aus den in Ka- zung werden über die Wahrnehmung der Na- pitel III für die deutschen Luftstreitkräfte de- tionalen Lufthoheit hinaus nationale Einsatz- finierten Einsatzkontingenten ab. führungskräfte mit der Befähigung zum mo- bilen Einsatz aufzubauen sein. Diese Kräfte Einsatzverbände werden zugleich die geforderte Führungsfä- higkeit für multinationale Luftkriegsoperatio- 158. Die Luftwaffe soll Kräfte für bis zu nen gewährleisten. Mit der Einführung mo- zwei unabhängige und dauerhafte Krisenein- derner und mobiler Führungssysteme können sätze mit einem Einsatzumfang von insge- die heutigen, auf eine weitgehend ortsfeste samt 90 bis 100 Luftfahrzeugen sowie Luftbe- Einsatzführung in Mitteleuropa ausgerichte- tankungskapazitäten, zehn Staffeln bodenge- ten Strukturen und Umfänge trotz gestiegener bundener Luftverteidigung mit Elementen zur Anforderungen um etwa 30 Prozent reduziert Führung und Unterstützung sowie zur Ver- werden. legung von Einsatz- und Einsatzunterstüt- zungskräften bereitstellen. Das bedeutet nicht, Aufklärung – Luftverteidigung – dass an zwei getrennten Schauplätzen über Luftangriff Jahre hinweg Kampfeinsätze mit der Inten- sität des Golfkrieges oder der Kosovo-Inter- 160. Bei der Nachrichtengewinnung und vention geführt werden können. Vielmehr Aufklärung müssen vor allem für satellitenge- müssen aus einem dauerhaft zur Verfügung stützte abbildende Aufklärung und für weit- stehenden Dispositiv variabel Kräfte bis zur räumige luftgestützte, sowohl abbildende als Höhe der vorgegebenen Einsatzkontingente auch signalerfassende Lageaufklärung neue abgerufen werden können. Fähigkeiten aufgebaut werden. Darüber hi- naus sind die personelle Verfügbarkeit und Die Zusammensetzung dieser Kräfte und die die Durchhaltefähigkeit der Kräfte für die Gewichtung der Teilkomponenten (Führung signalerfassende Aufklärung zu stärken. und Führungsunterstützung, Nachrichtenge- winnung und Aufklärung, Luftverteidigung, Für das Aufgabenspektrum Aufklärung, Luft- Luftangriff, Lufttransport und Luftbetankung, verteidigung und Luftangriff werden etwa bewaffnete Such- und Rettungsaufgaben, un- 400 Kampfflugzeuge gegenüber heute 437 mittelbare Einsatzunterstützung) leiten sich nötig sein, um die geforderten 90 bis 100 dabei aus der jeweiligen Aufgabe im multina- Luftfahrzeuge in der jeweils geforderten Zu- tionalen Kontext und aus den in nationaler sammensetzung im Einsatz halten oder für Verantwortung verbleibenden Aufgaben ab. den Einsatz bereitstellen zu können. Damit Die Kräfte der Luftwaffe werden meist als in können zugleich die notwendige Einsatzaus- multinationale Strukturen eingebettete Kon- bildung der nicht im Einsatz befindlichen Be- tingente zum Einsatz kommen. satzungen betrieben und die nationale Luftho- heit gesichert werden. Berücksichtigt ist hier

94 V. FÜHRUNG, TRUPPE, WEHRVERWALTUNG 157 >

auch die Zahl der Kampfflugzeuge, die sich Bündnisbeitrag ständig im technischen und logistischen Kreislauf (Industrieinstandsetzung, Nach- 162. Mit dem für die Aufgabe der Krisen- und Umrüstung) befinden. bewältigung veranschlagten Kräftedispositiv wird die Luftwaffe in der Lage sein, auch ihre Bei den Kräften der bodengebundenen Luft- Aufgaben im Rahmen der Landes- und Bünd- verteidigung wird sich die Zahl der notwendi- nisverteidigung zu erfüllen. Kräfte werden gen Flugabwehrraketen-Staffeln zwischen 40 gemäß der jeweiligen NATO-Eventualfallpla- und 50 einpendeln (gegenüber 86 Staffeln nungen als nationales und bündnisgemeinsa- heute). So können die je Einsatzkontingent mes Potenzial bereitgestellt. Die Aufgaben im benötigten fünf Flugabwehrraketen-Staffeln Rahmen der Erweiterten Luftverteidigung in einer durchhaltefähigen Organisation be- können wahrgenommen werden. Die nationa- reitgestellt werden. Allerdings müssen sie le Lufthoheit, der Schutz der eigenen Bevöl- dringend modernisiert werden. kerung und die Nukleare Teilhabe, solange Deutschland an ihr festhält, sind sicherge- Einsatzunterstützung stellt.

161. Für eine nachhaltige Einsatzunterstüt- Organisation und Führungsstruktur zung im Einsatzraum werden die verlegbaren logistischen Kräfte verstärkt werden müssen. 163. Die Anzahl der Geschwader und Regi- Neue Technologien werden den Materialer- menter der Luftwaffe in der Zielstruktur leitet haltungsaufwand reduzieren. Die im Inland sich im Wesentlichen aus den für die Groß- verbleibenden logistischen Aufgaben können waffensysteme veranschlagten Stückzahlen zusammengefasst und die Kooperation mit ab. Wo immer möglich sollten reduzierte der Industrie intensiviert werden. So kann die Stückzahlen auch zum Abbau von Strukturen Logistik ohne zusätzliches Personal mittel- genutzt werden. und langfristig gestärkt werden. In der neuen Struktur werden die Luftwaffen- Bei Lufttransport und Luftbetankung gibt es kommandos Nord und Süd aus der truppen- Defizite. Die gestiegenen Anforderungen kön- dienstlichen Führung herausgelöst und mit nen nicht erfüllt werden. Leistungsfähigere kleinerem Personalbestand zu einem operati- Systeme müssen in diesem Jahrzehnt be- ven Luftwaffenkommandostab zusammenge- schafft werden. Womöglich können die Stück- fasst. Mit diesem Stab, der im Einsatzfall na- zahlen geringfügig sinken. Für den bewaffne- tionaler oder multinationaler Verstärkung be- ten Such- und Rettungsdienst muss ebenfalls darf, wird eine Kernfähigkeit für die operative besser vorgesorgt werden. Führung von Luftstreitkräften im nationalen oder im europäischen und multinationalen Rahmen bereitgestellt. Die vier Luftwaffen- divisionen und das Lufttransportkommando unterstehen zukünftig direkt dem Luftwaffen- führungskommando.

95 Gemeinsame Sicherheit und Zukunft der Bundeswehr

Die Kommandeure der Luftwaffendivisionen nationalen Einsatzverbänden angehören, die können mit ihren Stäben zusätzlich als natio- bei Bedarf einem internationalen Hauptquar- nale Luftwaffen-Kontingentführer im Ein- tier unterstellt werden. Die Verbände größerer satzland agieren. Die notwendige Durchhalte- Nationen bilden den Kern von im Einsatz auf- fähigkeit wird dadurch sichergestellt, dass wachsenden multinationalen Verbänden. Sie vier Divisionskommandos im Wechsel einge- verfügen über die wichtigsten Seekriegs-, setzt werden können. Auch deshalb sollte je- Führungs- und Unterstützungsmittel, und sie der Division ein ausgewogener Mix von Luft- nehmen Teilverbände und Schiffe kleinerer waffen-Einsatzverbänden unterstellt werden. Marinen in ihre Strukturen auf. Ihre zunächst Das Luftwaffenamt wird zukünftig für Auf- nationale Führung wird durch Angehörige an- gaben der teilstreitkraftspezifischen Einsatz- derer Marinen ergänzt, die sich dem jeweili- unterstützung sowie für die Wahrnehmung gen Verband anschließen. von zentralen Aufgaben und von Daueraufga- ben im Streitkräftebetrieb der Luftwaffe ver- Die Fähigkeit, auch unter Bedrohung vor den antwortlich. Hierzu gehören auch Aufgaben Küsten von Krisengebieten zu operieren, er- der konzeptionellen und planerischen Weiter- fordert ein breites Spektrum von Aufklä- entwicklung der Luftwaffe. Die dem Luftwaf- rungs- und Reaktionsmöglichkeiten. Damit fenamt nachgeordnete Führungsstruktur ist Seestreitkräfte den Einsatzerfordernissen über, dabei im Wesentlichen abhängig von Art und auf und unter Wasser genügen können, müs- Anzahl der unterstellten Schulen, Ämter und sen sie aus Schiffen, U-Booten und Flugzeu- Verbände. gen bestehen.

Die deutschen Einsatzverbände sollten sich aus je einer Fregattengruppe, einer Korvetten- Marine gruppe und einer Minenabwehrgruppe, aus ein bis zwei U-Booten zuzüglich Marine- 164. Die Marine muss wie die anderen Teil- flieger-, Transport- und Unterstützungskräf- streitkräfte in der Lage sein, für zwei gleich- ten samt den notwendigen Führungsele- zeitige Kriseneinsätze jeweils einen Einsatz- menten zusammensetzen. verband zu stellen. Seekriegsmittel Einsatzverbände 166. Bis zu 40 Prozent der Seestreitkräfte 165. Flottenverbände werden regelmäßig können für einen sofortigen Einsatz bereitge- unter Führung eines Bündnisses und meist in halten werden. Daraus errechnet sich die not- Kooperation mit anderen Teilstreitkräften ein- wendige Anzahl von Waffensystemen für die gesetzt. Die deutsche Marine ist an den meis- geforderten Einsatzverbände. Abhängig da- ten multinationalen Verbandsstrukturen betei- von, wie sich ein multinationaler Verband in ligt. Da es jedoch in den Bündnissen nur in einer Operation durch Kräfte anderer Marinen geringem Umfang feste oder vorgeplante ergänzt, kann der eigene Anteil reduziert wer- Strukturen von Seestreitkräften gibt, wird die den, damit ein realistischer Ablöserhythmus Mehrzahl aller verbündeten Seestreitkräfte erreicht wird.

96 V. FÜHRUNG, TRUPPE, WEHRVERWALTUNG 164 >

Die derzeitigen Planungen der Marine sind den deutschen Häfen zu sichern, und sie muss darauf bereits abgestellt: Die Zahl der Minen- dazu beitragen, den Zugang zu den Einsatzge- kampfeinheiten, der U-Boote und der See- bieten der verbündeten Streitkräfte zu ge- fernaufklärer wird verringert, die Schnellboo- währleisten. Das sind Teile der Ostsee für die te werden abgeschafft und ein Teil der Unter- Verteidigung Mitteleuropas und bei anderen stützungsfahrzeuge wird durch eine kleinere Konflikten die Europa umgebenden Rand- Zahl größerer und leistungsfähigerer Schiffe meere. Deutschland hat keine nationalen über- ersetzt. Als neue Seekriegsmittel sind Kor- seeischen Verpflichtungen wie andere europä- vetten und Transportfahrzeuge vorgesehen. ische Bündnispartner, die deshalb eine erheb- Insgesamt sind 16 Fregatten, 15 Korvetten, lich größere Marine unterhalten. Der Beitrag 12 U-Boote, 22 Minenkampfeinheiten, der Deutschen Marine für das Bündnis ist im 11 Unterstützungseinheiten, 3 Flottendienst- geplanten Umfang noch angemessen. Er soll- boote, 12 Seefernaufklärungsflugzeuge, min- te aber nicht weiter verringert werden. destens 38 Marinehubschrauber und 50 Mari- nejagdbomber geplant.

Die neuen Aufgaben, vor allem die Unterstüt- Zentrale Militärische Dienste zung anderer Teilstreitkräfte, und die Ent- wicklungen bei den Verbündeten verlangen Die Kommission empfiehlt, die Verant- eine weiter reichende Neuorientierung als bis- wortung für Einsatzführung und Einsatz- her beabsichtigt. Vordringlich erscheint, die unterstützung zusammenzulegen. Dazu Führungsfähigkeit zu verbessern und militäri- sind die Unterstützungskräfte und die sche Transportschiffe zu beschaffen, mit de- Territorialen Streitkräfte zusammenzu- nen Streitkräfte auch unter Bedrohung ins fassen und dem Stellvertreter des Gene- Einsatzland gebracht, dort unterstützt und ge- ralinspekteurs als Inspekteur „Zentrale gebenenfalls zurückverlegt werden können. Militärische Dienste“ zu unterstellen. Das erfordert zusätzliche Hubschrauber und Umschlagtruppen. Zu prüfen ist hingegen, ob Kräfte die Aufgaben der Jagdbomber künftig durch andere Seekriegsmittel hinreichend erfüllt 168. Der gemeinsame Einsatz von Verbän- werden können. Auch sollten Waffensysteme den aller Teilstreitkräfte außerhalb Deutsch- wie etwa Seefernaufklärungsflugzeuge, die lands erfordert eine gemeinsame Unterstüt- einen großen Unterstützungsaufwand erfor- zungsorganisation. Die hierfür benötigten Ein- dern, künftig nicht mehr national, sondern im satzunterstützungs- und Führungsunterstüt- europäischen Verbund betrieben werden. zungsaufgaben müssen, wie im Kapitel „Das Unternehmen Bundeswehr“ näher erläutert, Bündnisbeitrag aus den Teilstreitkräften herausgelöst und in einem zentralen Bereich zusammengefasst 167. Mit den vorgesehenen Kräften kann werden. die Marine auch die Aufgaben bewältigen, die im Bündnisfall auf sie zukommen werden. Sie Außerdem sollten hier künftig auch die terri- muss dann in der Lage sein, die Seewege zu torialen Aufgaben wahrgenommen werden.

97 Gemeinsame Sicherheit und Zukunft der Bundeswehr

Sie galten in der Vergangenheit vor allem der Dem Inspekteur „Zentrale Militärische Diens- Aufrechterhaltung der Operationsfreiheit der te“ unterstehen das Streitkräfteamt und das NATO-Truppen in Deutschland. Das hat sich Streitkräfteführungskommando. In den vom grundlegend geändert. In der neuen strategi- Streitkräfteamt geführten Ämtern, künftigen schen Lage werden die territorialen Kräfte im Agenturen und Ausbildungseinrichtungen wer- Wesentlichen aus Deutschland heraus Streit- den Leistungen für alle Teilstreitkräfte und kräfte bei Einsätzen unterstützen. Dies schließt darüber hinaus für die gesamte Bundeswehr die Unterstützung der Verbündeten (Host Na- nach standardisierten Verfahrensregeln er- tion Support) ein. Wegen der Verkleinerung bracht. Außerdem unterstehen ihm die heute der Streitkräfte kann auch die Anzahl der vorhandenen Zentralen Militärischen Dienst- Wehrbereichskommandos von derzeit sieben stellen. Dem Streitkräfteführungskommando auf nicht mehr als vier verringert werden. werden die für Führungs- und Einsatzunter- stützung vorgesehenen Kräfte und die Territo- Organisation rialen Streitkräfte truppendienstlich unter- stellt. Damit wird – wie bei den Teilstreitkräften 169. Dem Stellvertreter des Generalinspek- – eine übersichtliche zweigliedrige Organisa- teurs unterstehen bereits jetzt die Zentralen tionsform geschaffen. Sie gibt die Verantwor- Militärischen Dienststellen: eine Anzahl tung für Einsatzführung, Führungsunterstüt- unterschiedlicher Ämter, Ausbildungseinrich- zung und Einsatzunterstützung in eine Hand tungen, Attachéstäbe und andere Dienststel- und trägt damit der operativen Bedeutung der len im In- und Ausland, jedoch keine Truppen. Unterstützung bei Auslandseinsätzen Rech- Er verfügt über keinen eigenen Führungsstab, nung. sondern bedient sich wie der Generalinspek- teur des Führungsstabes der Streitkräfte. Die Unterstützungsverband für zivile Aufgaben empfohlene Zusammenfassung verändert Auf- gaben und Struktur des bisherigen Zentralbe- Die Kommission empfiehlt, einen im Be- reichs. darfsfall mit Reservisten aufzufüllenden Verband zur Unterstützung der Einsatz- Um die neue Organisation führen zu können, kräfte in Krisengebieten bei der Versor- wird aus jenen Elementen des bisherigen Füh- gung der Zivilbevölkerung und bei der rungsstabes der Streitkräfte, die künftig nicht Wiederherstellung der öffentlichen Ord- Teil des Führungsstabes des Generalinspek- nung aufzustellen. teurs werden, ein Führungsstab „Zentrale Mi- litärische Dienste“ gebildet. Der Inspekteur 170. Die Versorgung der Zivilbevölkerung „Zentrale Militärische Dienste“ hat die glei- ist die Voraussetzung, um eine Krisenregion chen Befugnisse wie die anderen Inspekteure zu stabilisieren. Sie schafft Vertrauen und und ist in Personalunion der Stellvertreter des trägt zur Krisenbewältigung bei. Erst nach Generalinspekteurs. Ihm sollte ein Vertreter Beendigung der Kampfhandlungen und Ge- beigegeben werden. walttaten wird diese Aufgabe nach und nach an zivile Organisationen übergehen können. Vorher müssen sich meist die Soldaten der

98 V. FÜHRUNG, TRUPPE, WEHRVERWALTUNG 169 >

Friedenstruppen darum kümmern, dass die Gesamtübersicht größte Not gelindert und das zivile Leben wieder in geregelte Bahnen gelenkt wird. Die- 171. Aus den angestellten Überlegungen er- se humanitären Aufgaben können die Mittel gibt sich für den Organisationsbereich „Zen- und Möglichkeiten von Einsatzkräften in er- trale Militärische Dienste“ folgendes Gliede- heblichem Umfang binden und gelegentlich rungsbild (Abbildung 11, Seite 100): übersteigen. Sie müssen durch spezielle Kräf- te entlastet werden.

Die Rolle als öffentliche Ordnungsinstanz er- fordert zudem Fähigkeiten, die Soldaten für ihren militärischen Einsatz nicht benötigen und deshalb auch nicht trainieren. Dazu rech- nen etwa die Reparatur von Versorgungssyste- men oder die Wiederherstellung einer funk- tionierenden örtlichen Verwaltung. In bisheri- gen Einsätzen haben sich für solche Arbeiten Reservisten mit entsprechenden zivilen Qua- lifikationen bewährt. Daher sollte ein beson- derer Verband für Aufgaben der zivil-militäri- schen Unterstützung aufgestellt werden. Die- ser Verband sollte aus einem kleinen Anteil aktiver Soldaten bestehen und bei Bedarf mit freiwilligen Reservisten aufgefüllt werden, die über die benötigten Kenntnisse und Fähig- keiten verfügen.

Die Stärke der in den Einsatz zu entsenden- den Kräfte hängt vom Bedarf ab. Vielfalt und Umfang möglicher Aufgaben und die Not- wendigkeit, unter Umständen über längere Zeit in einem Krisengebiet tätig zu sein, macht für diese Aufgabe ein großes Reservis- tenpotenzial erforderlich. Der Unterstützungs- verband für zivil-militärische Aufgaben kann nur dann in hinreichendem Maße für Krisen einsatzfähig werden, wenn neue gesetzliche Grundlagen und Verfahren für die Beorde- rung und Einberufung von Reservisten deren Verfügbarkeit gewährleisten. Der neue Ver- band sollte ebenfalls dem Streitkräftefüh- rungskommando unterstehen.

99 Gemeinsame Sicherheit und Zukunft der Bundeswehr

Abbildung 11: Zentrale Militärische Dienste

Inspekteur Zentrale Militärische Dienste und Stellvertreter des Generalinspekteurs Führungsstab Zentrale Militärische Dienste

Ministerium

Streitkräfte- Streitkräfteamt führungskommando

Einsatzunter- Führungsunter- Ämter stützungskräfte stützungskräfte

Ausbildungs- Einsatzführungs- Territoriale Kräfte einrichtungen kommando

Zivil-militärischer Agenturen Unterstützungsverband

Sanitätsdienst 172. Die Bundeswehr betreibt schon heute ein international beispielgebendes und aner- Die Kommission empfiehlt, den Sanitäts- kannt leistungsfähiges Behandlungs- und Ret- dienst der Bundeswehr in einem Organi- tungskonzept, das weiter ausgebaut werden sationsbereich „Zentraler Sanitätsdienst“ sollte. Gleichwohl entspricht der Sanitäts- zusammenzuführen; Heer, Luftwaffe, dienst nicht mehr den Anforderungen, die Marine und Zentrale Militärische Dienste sich aus den neuen Aufgaben der Streitkräfte behalten nur noch das für die truppen-, ergeben. Seine organisatorische Zersplitterung flieger- und schiffsärztliche Versorgung verhindert sowohl eine an einheitlichen Qua- ihrer Einsatzkräfte unmittelbar notwen- litätsvorgaben ausgerichtete Ausbildung aller dige Sanitätspersonal. Sanitätssoldaten als auch den Zugriff auf die

100 V. FÜHRUNG, TRUPPE, WEHRVERWALTUNG 172>

Gesamtheit der für bestimmte Einsatzaufgaben Sanitätsdienst selbst erbracht, wie es für die benötigten Spezialisten und eine geschlossene Einsatzbereitschaft der Streitkräfte erforder- Einsatzvorbereitung. lich ist oder unter Kosten-Nutzen-Gesichts- punkten begründet werden kann. Im Rahmen Aus geänderten politischen Rahmenbedin- der fachärztlichen und stationären Versorgung gungen, der Weiterentwicklung im zivilen der Soldaten in Deutschland wird es ange- Gesundheitswesen, steigendem Versorgungs- sichts des dynamischen Fortschritts von Me- und Ausstattungsstandard und einem gewach- dizin und Technik mit zunehmender Speziali- senen medizinischen Anspruch der Soldaten sierung von Teildisziplinen immer schwieri- resultiert für den Sanitätsdienst ein erheb- ger, den zivil-medizinischen Leistungsum- licher Optimierungs- und Investitionsbedarf. fang selbst uneingeschränkt aufrechtzuerhal- Es ist daher unabdingbar, stärker als bisher ten. Deshalb sollte der Sanitätsdienst, wo im- Leistungsschwerpunkte zu bilden, nicht ein- mer möglich und sinnvoll, auf vorhandene zi- satzrelevante Strukturen abzubauen und Kräf- vile Kapazitäten zurückgreifen können. Da- te und Mittel zu zentralisieren. raus ergibt sich zwangsläufig auch die Not- wendigkeit einer engeren Verzahnung mit Versorgung dem zivilen Gesundheitswesen.

173. Die Kommission misst einer qualitativ 174. Der Betrieb von Bundeswehrkranken- hochstehenden medizinischen Versorgung der häusern und Instituten des Sanitätsdienstes Soldaten im Einsatz eine besondere Bedeu- dient hinfort nicht mehr primär der klinischen tung zu. Sie muss so bemessen sein, dass Versorgung der Soldaten. Bundeswehrkran- durch die Behandlung der Soldaten noch am kenhäuser haben in Zukunft vor allem den Einsatzort ein dem Standard der Versorgung Zweck, Fachpersonal zu qualifizieren, in in Deutschland entsprechendes Ergebnis – Übung zu halten und auf Einsätze vorzuberei- entweder sofort oder in späteren Behand- ten. Hierfür sollten die heutigen acht Bundes- lungsschritten – erzielt werden kann und bei wehrkrankenhäuser umgegliedert und zu fünf notwendiger Repatriierung zusätzliche Schä- großen, überregionalen unfall- und rettungs- den vermieden werden. medizinisch ausgerichteten Kliniken der höch- sten Versorgungsstufe zusammengeführt wer- Die Kommission hält es deshalb für geboten, den. Parallel hierzu ist die Zahl der Einsatzla- den Sanitätsdienst nicht in die neue gemeinsa- zarette von derzeit zwei auf künftig vier zu er- me Unterstützungsorganisation einzugliedern, höhen. sondern umfassend zu restrukturieren und in einem Organisationsbereich „Zentraler Sani- Wenn es weniger Bundeswehrkrankenhäuser tätsdienst“ zusammenzuführen. Der Umfang gibt, müssen in manchen Regionen noch mehr dieses neuen Zentralen Sanitätsdienstes richtet Soldaten in zivile Krankenhäuser überwiesen sich im Wesentlichen nach den Erfordernis- werden. Zum Ausgleich sollten in den verblei- sen, die sich aus den Einsatzoptionen der benden klinischen Großeinrichtungen des Sa- Streitkräfte außerhalb Deutschlands ergeben. nitätsdienstes in stärkerem Maße als bisher Daraus folgt: Die medizinische Versorgung in Kassenpatienten behandelt werden dürfen, da Deutschland wird nur noch in dem Maße vom die fachliche Expertise des Sanitätspersonals

101 Gemeinsame Sicherheit und Zukunft der Bundeswehr

nur durch ein breites Patientenspektrum um- zentralen Unterstützungsorganisation bedie- fassend erhalten werden kann. Dafür müssen nen. die Bundeswehrkrankenhäuser im Sozialge- setzbuch V verankert werden. Dies trägt im Die Schnittstelle zwischen Zentralem Sani- Übrigen auch dem öffentlichen Interesse an tätsdienst und den anderen Organisationsbe- der ungefährdeten Einsatzbereitschaft des Sa- reichen muss neu gestaltet werden. Bei Heer, nitätsdienstes Rechnung. Luftwaffe, Marine und den Zentralen Militä- rischen Diensten ist nur noch das für die sani- Die Institute des Sanitätsdienstes sollten von tätsdienstliche Unterstützung ihrer Einsatz- klinischen Untersuchungsleistungen entlastet kräfte unmittelbar notwendige Sanitätsperso- und so restrukturiert werden, dass Wissen- nal auf truppen-, flieger- und schiffsärztlicher schaft und Forschung im Vordergrund stehen. Ebene truppendienstlich unterstellt. Alle übri- Um Kosten bei der Verwaltung der Bundes- gen sanitätsdienstlichen Einrichtungen und wehrkrankenhäuser und Institute zu sparen, Kräfte werden dem Zentralen Sanitätsdienst bietet es sich an, die Aufgaben der Träger- zugeordnet. Die fachdienstliche Verantwor- schaft der Sanitätseinrichtungen gemeinsam tung für den gesamten Sanitätsdienst liegt an zentraler Stelle und unter Berücksichti- beim Inspekteur des Sanitätsdienstes der Bun- gung zivil-militärischer Kooperationsmög- deswehr, der auch für die Personalführung lichkeiten wahrzunehmen. und Ausbildung des Sanitätspersonals verant- wortlich ist. 175. Die unentgeltliche allgemeinmedizini- sche Versorgung durch Truppenärzte bleibt in 177. Für den Einsatz werden sanitätsdienst- Form des auch vom zivilen Gesundheitswesen liche Einsatzverbände dem Streitkräftefüh- angestrebten Primärarztsystems dort erhalten, rungskommando unterstellt. Außerhalb von wo sie wirtschaftlicher ist als die Abstützung Einsätzen unterstehen sie in der neuen Struk- auf zivile Einrichtungen. Dies wird vor allem tur einem Sanitätsführungskommando, dem – in Großstandorten der Fall sein, an denen Be- entsprechend der Anzahl der künftigen Wehr- handlungszentren mit entsprechender Auslas- bereiche – nicht mehr als vier Regionalkom- tung eingerichtet werden können. Soldaten, mandos nachgeordnet sind. Diese führen die die nicht in der Nähe einer Sanitätseinrich- in ihrer Region stationierten Bundeswehrkran- tung der Bundeswehr stationiert sind, werden kenhäuser und Einsatzlazarette mit den daraus nach militärmedizinischen Vorgaben zivil ver- modular bereitzustellenden Rettungszentren sorgt. und Rettungsstationen und auch die in der Re- gion angesiedelten Behandlungszentren. Organisation Neben dem Sanitätsführungskommando bleibt 176. Der neue „Zentrale Sanitätsdienst“ das Sanitätsamt als weitere Kommandobehör- steht unter truppen- und fachdienstlicher de für die fachlichen und öffentlich-recht- Verantwortung des Inspekteurs des Sanitäts- lichen Belange des Sanitätsdienstes zustän- dienstes der Bundeswehr. Um Parallelstruktu- dig; es führt die Institute und Ausbildungsein- ren zu vermeiden, wird sich der Sanitätsdienst richtungen. Die neu zu schaffenden Stäbe – wie Heer, Luftwaffe und Marine auch – der

102 V. FÜHRUNG, TRUPPE, WEHRVERWALTUNG 175 >

– Sanitätsführungskommando und Regional- 178. Wenn der Sanitätsdienst in der be- kommandos – gehen im Wesentlichen aus be- schriebenen Art konsequent zentralisiert und stehenden sanitätsdienstlichen Stabs- und Füh- auf Einsatzerfordernisse ausgerichtet wird, rungselementen in den Teilstreitkräften und können die militärischen Dienstposten von aus Anteilen des heutigen Sanitätsamtes her- heute rund 26.700 auf etwa 24.000 reduziert vor. Die neuen Behandlungszentren werden werden. Dabei werden sich allerdings in den durch Zusammenlegung von Standortsanitäts- Personalkategorien Verschiebungen ergeben, zentren und Facharztzentren geschaffen (Ab- die insbesondere bei Unteroffizieren mit ge- bildung 12). sundheitsberuflicher Qualifikation und bei Sanitätsoffizieren gegenüber heute zu einem Aufwuchs führen können.

Abbildung 12: Sanitätsdienst der Bundeswehr

Inspekteur des Sanitätsdienstes der Bundeswehr Führungsstab des Sanitätsdienstes Ministerium

Sanitätsamt Sanitätsführungs- der Bundeswehr kommando

3–4 Regional- Institute Kommandos

Ausbildungs- Bundeswehr- einrichtungen krankenhäuser

Einsatz- lazarette

Behandlungs- zentren

103 Gemeinsame Sicherheit und Zukunft der Bundeswehr

Wehrverwaltung im Einsatz zen. Viele mit dem Einsatz von Streitkräften zusammenhängende Rechtsprobleme, insbe- Die Kommission empfiehlt, im Hinblick sondere völkerrechtliche Fragen, können nur auf die Auslandseinsätze der Streitkräfte dann in angemessener und vor Ort umsetzba- die Aufgaben der Truppenverwaltung in rer Weise beantwortet werden, wenn die Bear- den Einsatzkräften durch Soldaten wahr- beiter über solide militärische Kenntnisse ver- nehmen zu lassen. fügen. Das gilt beispielsweise für die militäri- sche Einsatzdoktrin und für die nationalen 179. Verwaltungsaufgaben im Auslandsein- und multinationalen Führungsgrundsätze und satz werden derzeit von zivilen Mitarbeitern Einsatzverfahren. Rechtsberater mit Kombat- der Bundeswehr wahrgenommen, die als Wehr- tantenstatus sind überdies leichter und vielsei- übende eingezogen werden. Sie besitzen damit tiger einsetzbar. Sie können selbst für ihren Kombattantenstatus und können an Kampf- Schutz sorgen. handlungen teilnehmen. Auch wenn das nur zur Selbstverteidigung erfolgt, muss dem eine gründliche militärische Ausbildung vorange- hen. Das ist derzeit nicht gewährleistet. Außer- Aufwuchsfähigkeit dem ist nicht sicher, dass die in Einsatzkräften dienenden Truppenverwaltungsbeamten ihrem Die Kommission empfiehlt, das Reservis- Truppenteil als Wehrübende auch zur Verfü- tenpotenzial zur Herstellung eines Vertei- gung stehen, wenn sie gebraucht werden. Für digungsumfangs von etwa 300.000 Solda- Verwaltungsaufgaben in den Einsatzkräften ten und darüber hinaus zur Bildung einer sollten daher grundsätzlich Soldaten vorgese- Personalreserve von etwa 100.000 Solda- hen und entsprechend ausgebildet werden. Sie ten zu verwenden. müssen einer eigenen Laufbahn angehören. 181. Im Rahmen der Neuorganisation der Teilstreitkräfte, der Zentralen Militärischen Dienste und des Zentralen Sanitätsdienstes Rechtspflege im Einsatz wird eine gegenüber heute deutlich vermin- derte Aufwuchsfähigkeit benötigt. Für die Die Kommission empfiehlt, für die einsatz- Bundeswehr werden künftig gebraucht: bezogene, insbesondere völkerrechtliche Rechtsberatung bei Auslandseinsätzen Ausbildungsverbände des Heeres in Stärke Soldaten mit entsprechender juristischer von zwei bis drei Brigaden, die im Bünd- Ausbildung einzusetzen. nisfall mobilmachungsabhängig zu Einsatz- verbänden aufwachsen können; 180. Derzeit werden auch die mit Auslands- einsätzen zusammenhängenden Aufgaben der Ein mobilmachungsabhängiger Unterstüt- Rechtsberatung ausschließlich durch zivile zungsverband für zivile Aufgaben im Ein- Angehörige der Bundeswehr wahrgenommen. satzland; Die Kommission regt an, dem Beispiel wich- tiger Partner zu folgen und dafür künftig Sol- Personalersatz für präsente Verbände, um daten mit juristischer Ausbildung einzuset- deren Durchhaltefähigkeit zu verbessern. 104 V. FÜHRUNG, TRUPPE, WEHRVERWALTUNG 179 >

Insgesamt sollte für die detaillierte Auspla- waltungen geben. Künftig sollte eine Stand- nung von Strukturen und Ausrüstung ein ortverwaltung 4.000 bis 6.000 Soldaten und Richtwert von etwa 300.000 Soldaten für den Zivilbedienstete in einem Umkreis von etwa Verteidigungsumfang angestrebt werden. Da- 50 Kilometern betreuen. Damit könnte die mit kann den absehbaren militärischen Risi- Zahl der Standortverwaltungen nahezu hal- ken wirksam begegnet werden. Jede höhere biert werden. Aufwuchszahl hätte zudem eine beträchtliche Erhöhung des Präsenzumfangs und einen er- Struktur und Zahl der Wehrbereichsverwaltun- heblichen materiellen und finanziellen Mehr- gen muss sich an funktionalen Aspekten orien- bedarf zur Folge. Die Personalreserve sollte tieren. Bei weniger Standortverwaltungen rund 100.000 Reservisten umfassen und für wird es möglich, die Zahl der Wehrbereichs- die Aufgabe des Personalersatzes angemessen verwaltungen wie bei den Wehrbereichskom- strukturiert sein. mandos von derzeit sieben auf drei oder vier abzusenken. Die verbleibenden Wehrbereichs- verwaltungen werden künftig für mehr Bun- desländer zuständig sein als bisher. Ihre Perso- nalausstattung sollte sich daran bemessen.

TERRITORIALE WEHRVERWALTUNG Verkleinerung des Wehrersatzwesens

Die Kommission empfiehlt, die Wehrer- Abbau von Dienststellen satzorganisation der modifizierten Wehr- form und der verminderten Personalstär- Die Kommission empfiehlt, die Territoria- ke der Streitkräfte anzupassen. le Wehrverwaltung den Veränderungen in den Streitkräften anzupassen und die An- 183. Die mit der Entscheidung für einen zahl der Dienststellen zu vermindern. Auswahl-Wehrdienst einhergehende verän- derte Einberufungspraxis wird den adminis- 182. Die zukünftige Stationierung der trativen Aufwand in der Wehrersatzorganisa- Streitkräfte (siehe Empfehlung „Stationie- tion – zumal in den Kreiswehrersatzämtern – rung“ – Ziffer 224ff) wird in der Territorialen beträchtlich verringern. Auch die Aufgaben Wehrverwaltung erhebliches Rationalisie- der personellen und materiellen Mobilma- rungspotenzial freisetzen. Ebenso wenig wie chungsergänzung werden wegen des deutlich die militärische Stationierung darf die Ein- verkleinerten Verteidigungsumfangs der Streit- richtung von Dienststellen der Territorialen kräfte zukünftig weniger Personal binden. Wehrverwaltung ein Instrument der Regional- Eine Verminderung der Zahl der Kreiswehr- politik sein. Vielmehr muss auch hier das Kri- ersatzämter ist möglich. Erhalten bleiben soll- terium der Wirtschaftlichkeit der Bundeswehr te aber eine angemessene räumliche Nähe zu im Vordergrund stehen. Bei sinkender Zahl den Wehrpflichtigen. und organisatorischer Zusammenfassung von Standorten kann es auch weniger Standortver- 105 106 AUSRÜSTUNG UND BEWAFFNUNG VI.

VI. AUSRÜSTUNG UND BEWAFFNUNG 184 >

PLANUNG UND nung vorgeben. Er ist damit gesamtverant- ENTWICKLUNG wortlich für eine teilstreitkraft-übergreifende, bundeswehr-gemeinsame Rüstungsplanung.

184. Die Kommission hat in ihren Untersu- chungen festgestellt, dass wirtschaftliche As- Europäische Rüstungskooperation pekte in der Rüstungsplanung zu oft als zweit- rangig angesehen werden. Zwischen den Teil- Die Kommission empfiehlt, den Ausrüs- streitkräften mangelt es an der notwendigen tungsbedarf der Streitkräfte mit den eu- Abstimmung. Die Zeiten von der Planung bis ropäischen Partnern abzustimmen und zur Realisierung eines Vorhabens sind zu militärisches Großgerät gemeinschaftlich lang. Die Erfahrung lehrt, dass sich Kosten zu beschaffen und zu nutzen. proportional zu den Entwicklungs- und Be- schaffungszeiten erhöhen. Weitere Kostentrei- 186. Die rüstungspolitische Zusammenar- ber sind unausgereifte Technologien, ein star- beit in Europa ist hinter dem Tempo der euro- res Haushaltsrecht und das spätere Nach- päischen Integration zurückgeblieben. Die schieben von Forderungen. Schließlich wech- europäischen Mittel und Möglichkeiten müs- seln bei Planung und Realisierung von Vorha- sen besser gebündelt und gemeinsam genutzt ben die Zuständigkeiten zu oft. Diese Mängel werden. Regierungen und wehrtechnische gilt es künftig zu beseitigen. Unternehmen in Europa sind gleichermaßen gefordert, die Voraussetzungen dafür zu schaf- fen, dass aus den zersplitterten europäischen Rüstungsmärkten ein einheitlicher europäi- Rüstungsplanung scher Markt hervorgeht.

Die Kommission empfiehlt, die Priori- Deutschland und die europäischen Partner tät wichtiger Beschaffungsvorhaben unter sollten den veränderten und zugleich vermin- teilstreitkraft-übergreifenden Gesichts- derten Bedarf der Streitkräfte möglichst ge- punkten zu bestimmen. meinsam definieren und diesen Bedarf über eine europäische Rüstungsindustrie decken. 185. Faktisch obliegt es bislang den Inspek- So könnten unnütze Doppel- oder gar Mehr- teuren, die Dringlichkeit großer Rüstungspro- fachentwicklungen von Systemen vermieden jekte innerhalb ihrer Planungen festzulegen. werden. Angesichts der gemeinsamen Aufga- Welches Gewicht Rüstungsvorhaben zukommt ben der europäischen Streitkräfte ist es nicht und in welcher Reihenfolge sie verwirklicht länger zu verantworten, dass in mehreren eu- werden, muss sich hingegen nach Meinung ropäischen Staaten Hauptwaffensysteme wie der Kommission zwingend aus den Bedürf- Flugzeuge und Panzer parallel entwickelt und nissen der Streitkräfte insgesamt ergeben. Um produziert werden. das in Zukunft zu erreichen, muss der Gene- ralinspekteur als Vorsitzender des Rüstungs- Es gibt mittlerweile hoffnungsvolle Ansätze rats jährliche Leitlinien für die Rüstungspla- zu einer europäischen Gemeinsamkeit auf

109 Gemeinsame Sicherheit und Zukunft der Bundeswehr

dem Rüstungssektor: Die von Deutschland, Die Vorphase ersetzt den bisherigen Phasen- Frankreich, Italien und Großbritannien ge- vorlauf. In ihr werden bis zu 15 Prozent (bis- gründete Rüstungsorganisation OCCAR (Or- lang weniger als 5 Prozent) der für das Ge- ganisation Conjointe de Coopération en Ma- samtvorhaben vorgesehenen Mittel eingesetzt, tière d'Armement) koordiniert, beaufsichtigt um Entwicklungsrisiken klein zu halten. Wehr- und verantwortet Rüstungsprogramme ihrer technische Forschung und Technologie erlan- Mitgliedstaaten. Der von den Verteidigungs- gen erhöhte Bedeutung. Die Anwendung von ministern der Western European Armaments Simulationsverfahren, die Herstellung von Group (WEAG) verabschiedete Gesamtplan Prototypen und der Bau von Demonstratoren soll die Voraussetzungen für eine Europäische können das technische Risiko verringern und Rüstungsagentur von dreizehn Ländern schaf- den langwierigen Beschaffungsprozess von fen. Die Absichtserklärung (Letter of Intent) Rüstungsmaterial erheblich beschleunigen. der Verteidigungsminister von Deutschland, Am Ende der Vorphase wird über die Ent- Frankreich, Großbritannien, Italien, Spanien wicklung entschieden. Die Vorphase kann auch und Schweden sieht vor, die erforderlichen direkt in die Realisierungsphase übergehen, rechtlichen Rahmenbedingungen einer Um- falls geeignetes Material auf dem Markt ver- strukturierung und Zusammenarbeit der Rüs- fügbar ist. Die Entwicklungsphase ersetzt die tungsindustrien ihrer Länder zu schaffen und bisherige Definitions- und Entwicklungspha- in Regierungsvereinbarungen umzusetzen. Die se. Sie wird durch die Risikominimierung in Kommission ermuntert die Bundesregierung der Vorphase verkürzt. Nachforderungen der nachdrücklich, den eingeschlagenen Weg kon- Teilstreitkräfte werden grundsätzlich nicht sequent weiter zu gehen. mehr zugelassen und in Ausnahmefällen be- sonders kritisch examiniert. Industrie und Auftraggeber erproben gemeinsam. Am Ende der Entwicklungsphase wird auch über die Entstehungsgang Wehrmaterial Beschaffung entschieden. Die Realisierungs- und Nutzungsphase bleibt im Wesentlichen Die Kommission empfiehlt, die standardi- unverändert. sierten Verfahrensabläufe bei der Entste- hung und Beschaffung von Wehrmaterial 188. In allen Phasen hat der Rüstungsrat be- zu straffen. sondere Bedeutung: Er betreibt ein überge- ordnetes Forderungs- und Konzeptionscon- 187. Der Entstehungsgang Wehrmaterial trolling. Das bedeutet: Forderungen der Trup- sollte vereinfacht werden. Das bisherige pe werden unter den Gesichtspunkten Mach- Mehrphasensystem kann nach den Vorstel- barkeit und Wirtschaftlichkeit untersucht; alle lungen der Kommission auf drei Phasen (Vor- Vorhaben werden kontinuierlich auf Stimmig- phase, Entwicklungsphase, Realisierungs-/ keit und Vereinbarkeit mit der Gesamtkonzep- Nutzungsphase) und zwei vom Rüstungsrat tion Bundeswehr überprüft. zu treffende Stufenentscheidungen (Entschei- dung zur Entwicklung, Entscheidung zur Be- schaffung) verkürzt werden.

110 VI. AUSRÜSTUNG UND BEWAFFNUNG 187 >

Agentur Der Vorhabenverantwortliche steuert das Pro- jekt. Ihm muss finanzielle und personelle Die Kommission empfiehlt, zur Beschaf- Kompetenz eingeräumt werden. Integrierte fung von Wehrmaterial eine Rüstungs- Projekt-Teams arbeiten nach Weisung und un- agentur einzurichten. Sie wird im Kern ter Kontrolle der Rüstungsagentur. aus dem Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung gebildet und erhält eine pri- vatrechtliche Organisationsform.

189. Ein wirtschaftlicher Erwerb von Wehr- material wird bislang von zahllosen Vor- MODERNISIERUNG schriften behindert und durch bürokratische Hemmnisse erschwert. Deshalb empfiehlt sich die Einrichtung einer Rüstungsagentur. Nach Überzeugung der Kommission lässt nur 191. Die Kommission hat untersucht, wel- eine privatrechtliche Organisation erwarten, che Ausrüstung die Streitkräfte für ihre neuen dass der Beschaffungsgang für Wehrmaterial Aufgaben und die dafür nötigen Fähigkeiten beschleunigt und auf diese Weise ein höheres im nächsten Jahrzehnt brauchen. Die Überle- Maß an Effizienz, Flexibilität und Wirtschaft- gungen der Kommission hierzu berücksichti- lichkeit erreicht wird. gen sowohl die Erfahrungen der Bundeswehr aus den bisherigen internationalen Einsätzen wie auch die Initiativen in der NATO und in der EU zur Stärkung des europäischen sicher- Projekt-Teams heits- und verteidigungspolitischen Potenzials.

Die Kommission empfiehlt, Rüstungsvor- Streitkräfte brauchen eine moderne materielle haben in Zukunft durch Integrierte Pro- Ausstattung, die gleichermaßen die Überle- jekt-Teams zu realisieren. bensfähigkeit der Soldaten, die Wirksamkeit der militärischen Kräfte und das Zusammen- 190. Die Verwirklichung bedeutender Rüs- wirken mit Verbündeten und Partnern sichert. tungsvorhaben ist künftig Aufgabe von Inte- Die im Kalten Krieg aufgebauten Potenziale grierten Projekt-Teams (IPT). Sie werden waren dazu gedacht, eine großangelegte Ag- vom Rüstungsrat eingesetzt und beginnen ih- gression nach nur kurzer Warn- und Vorberei- re Arbeit, wenn ein Vorhaben konzeptionell tungszeit abzuwehren. Einige dieser Fähig- beschrieben und verabschiedet ist. Integrierte keiten sind indessen für Aufgaben der Krisen- Projekt-Teams bestehen aus Vertretern der reaktion und der Bündnisverteidigung außer- Streitkräfte (Bedarfsträger), der Bundeswehr- halb Deutschlands kaum zu gebrauchen. verwaltung (Bedarfsdecker) und der Indust- Vorrangig auf den Einsatz in spezifischen Re- rie. Letztere wird damit enger als bislang in gionen (etwa der Ostsee) optimierte Kräfte den Entstehungsgang für Wehrmaterial einge- oder quantitativ und qualitativ zum Kampf bunden. In allen Phasen der Realisierung gegen gepanzerte Großverbände ausgelegte muss die Verantwortung klar zugeordnet sein. Waffensysteme entsprechen nicht den neuen

111 Gemeinsame Sicherheit und Zukunft der Bundeswehr

Anforderungen oder sind in ihrer Stückzahl Nachrichtengewinnung und Aufklärung überdimensioniert. Sie binden Mittel und Kräfte, die andernorts dringend benötigt 193. Die Bundesregierung braucht umfas- werden. sende, aktuelle, wetter- und tageszeitunabhän- gige Aufklärungsergebnisse, um krisenhafte Die Ausrüstungsplanung ist immer noch ge- Entwicklungen frühzeitig zu erkennen und prägt durch ein lineares Fortschreiben der bis- einseitige Abhängigkeiten von Aufklärungs- herigen Planungen der Teilstreitkräfte. Sie ist erkenntnissen Dritter zu vermeiden. Die Defi- nur unzureichend ausgerichtet an den neuen zite der nationalen und europäischen Auf- Aufgaben und an den künftig benötigten Fä- klärung sind zuletzt im Kosovo-Konflikt higkeiten der Streitkräfte. Sie berücksichtigt offenkundig geworden. Bei der strategischen zudem nicht, dass die für die Realisierung Aufklärung durch Satellitensysteme und bei notwendigen Mittel in der geforderten Höhe der operativen Aufklärung durch fliegende, kaum zur Verfügung stehen werden. Somit ist weiträumig abbildende Aufklärung verfügt die derzeitige Ausrüstungsplanung nicht hin- Deutschland über keine oder keine ausrei- reichend an den neuen Herausforderungen chenden Kapazitäten. Bei der taktischen Auf- orientiert, unterfinanziert und wenig realis- klärung einschließlich der Ziel- und Wir- tisch. kungsaufklärung bestehen qualitative Defizite – vor allem wegen fehlender Abstands- und Echtzeitfähigkeit.

Beschaffung Diese Ausrüstungslücken müssen geschlossen werden. Bei strategischen und operativen Sys- 192. Angesichts mehrerer Dutzend von temen sind europäische Lösungen für Be- Rüstungs-Großvorhaben, die von der Bundes- schaffung und Betrieb schon aus Kostengrün- wehr gegenwärtig betrieben werden, sind kon- den anzustreben. Darüber hinaus muss Sorge krete Aussagen zu Einzelprojekten nicht mög- getragen werden, dass diese Systeme im Ver- lich. Die Kommission hat sich aber auf Leitli- bund wirken können. Während Heer, Luft- nien verständigt und kommt zu folgenden waffe und Marine bei der Entwicklung inter- Empfehlungen: ner Informationsnetze Fortschritte gemacht haben, besteht in der streitkräftegemeinsamen Die Kommission empfiehlt, bei der Neu- echtzeitnahen Zusammenführung aller Infor- beschaffung von Wehrmaterial der Füh- mationen ein erheblicher Nachholbedarf. Auf rungs- und Aufklärungsfähigkeit, der Mo- ungefilterte Daten von Aufklärungssystemen bilität der Truppe, dem Schutz der Streit- muss ein uneingeschränkter nationaler Zu- kräfte im Einsatz sowie der Abstands- griff möglich sein. und Präzisionsfähigkeit der Bewaffnung den Vorrang zu geben. Die Kommission regt deshalb an, entspre- chende Vorhaben mit höchster Priorität auf den Weg zu bringen. Das sind vor allem Auf- klärungssatelliten, Systeme zur allwetterfähi- gen, weiträumigen, abbildenden Aufklärung

112 VI. AUSRÜSTUNG UND BEWAFFNUNG 192 >

und die Herstellung der Abstands- und Echt- ische Lufttransportkommando, müssen kon- zeitfähigkeit. sequent verfolgt und um See- und Landkom- ponenten erweitert werden. Für die anstehen- Führungsunterstützung den umfangreichen Beschaffungsprogramme sind europäische Lösungen unabdingbar. 194. Die jeweiligen Führungssysteme der Teilstreitkräfte sind bisher weithin als Insellö- Nach den Vorstellungen der Kommission soll- sungen realisiert worden. Zusammenarbeit te die Entwicklung und Beschaffung von verlangt aber Interoperabilität zwischen Heer, Transportflugzeugen, von Transporthubschrau- Luftwaffe und Marine. Ziel muss sein, ein bern, von Einsatzunterstützungs- und Trans- Führungssystem Bundeswehr aufzubauen. Zu- portschiffen und zwei weiteren verlegefähi- gleich muss die Bundeswehr mit den Streit- gen, modularen Einsatzlazaretten vorange- kräften der Partnerländer zusammenwirken trieben werden. Ergänzend sind zivile Leis- können. Führungsunterstützung ist zwar ein tungen vertraglich zu fixieren und zu nutzen. Bestandteil deutscher Truppenkontingente Logistische Kapazitäten sollten in europäi- und daher vorrangig national bereitzustellen. scher Abstimmung betrieben werden. Nicht Deutsche Streitkräfte werden jedoch künftig jedes Land muss alles im eigenen Inventar ha- auch vermehrt multinationale Kontingente im ben. Aber alle sollten die Fähigkeiten nutzen Einsatz zu führen haben. Es liegt daher im können. deutschen Interesse, die Interoperabilität mit den Partnerländern sicherzustellen. Wo im- Kampf und Kampfunterstützung mer möglich, sollten Kooperationslösungen gefunden werden. 196. Die vorhandenen Waffensysteme der Bundeswehr werden den veränderten Einsatz- Verlegefähigkeit und Mobilität Szenarien nur noch zum Teil gerecht. Der Schwerpunkt künftiger Ausrüstung muss auf 195. Während in Mitteleuropa weiterhin die Präzisionsbewaffnung mit Abstandsfähigkeit Masse der Streitkräfte auf Straße und Schiene unter Allwetter-Bedingungen liegen. Die verlegt werden kann, ist das bei Einsätzen in Kommission befürwortet eine Abstands- und anderen Regionen nicht oder nur sehr einge- Präzisionsbewaffnung für den Jagdbomber schränkt möglich. Für großräumige Verlege- TORNADO, Luft-Luft-Flugkörper mittlerer aktionen in Kriseneinsätzen fehlt der Bundes- und kurzer Reichweite für das europäische wehr die nötige Ausrüstung. Über strategische Jagdflugzeug EUROFIGHTER, Präzisions- Transportkapazitäten verfügt sie überhaupt munition für den Artillerieverbund, Panzerab- nicht. Mit Blick auf das neue Aufgabenspek- wehrraketen für den Unterstützungshub- trum sind eine strategische Lufttransportka- schrauber sowie Lenkflugkörper für die Kor- pazität (einschließlich der Fähigkeit zur Luft- vetten. Diese Rüstungsmaßnahmen sollten betankung) und leistungsfähige Seetransport- hohe Priorität haben. Vorhandene Ausrüstung kapazitäten in enger Abstimmung mit den eu- und Bewaffnung sollte modernisiert werden, ropäischen Partnern aufzubauen. Bereits er- wenn damit Präzisions- und Abstandsfähig- griffene Initiativen, zum Beispiel das Europä- keit erreicht werden kann.

113 Gemeinsame Sicherheit und Zukunft der Bundeswehr

Luftverteidigung und die Ausrüstung zum Aufspüren und Be- stimmen von B- und C-Waffen optimiert wer- 197. Die Einsatzkräfte der Bundeswehr den. Moderne Dekontaminationsverfahren sind müssen sich auch bei Einsätzen zur Krisen- überfällig. vorsorge und Konfliktbewältigung gegen Be- drohungen aus der Luft wirksam schützen Im Übrigen hat die Kommission festgestellt, können. Das verlangt eine mobile erweiterte dass der Schutz der zivilen Bevölkerung vor Luftverteidigung. Dabei handelt es sich um terroristischen Angriffen mit B- und C-Waf- technisch hochentwickelte Verteidigungssys- fen auf deutschem Territorium nicht ausreicht. teme, deren Komplexität weiter wächst, wenn Als erster Schritt für eine bessere Risikovor- damit auch ballistische Flugkörper abgewehrt sorge sollte die Zuständigkeit zwischen den werden sollen. Das birgt überdurchschnittli- Ressorts der Bundesregierung präzise gere- che technische und finanzielle Risiken. Die gelt werden. Kommission hält es daher für nötig, Beschaf- fungsentscheidungen auf dem Sektor der er- weiterten Luftverteidigung davon abhängig zu machen, ob und inwieweit ein sinnvoller Zentralisierung Schutz zu vertretbaren Kosten erreicht wer- den kann. Solche Systeme sind für Einsatz- Die Kommission empfiehlt,Ausrüstung zur aufgaben vorgesehen, an denen die Bundes- Wahrnehmung teilstreitkraft-gemeinsamer wehr stets gemeinsam mit Verbündeten teil- Aufgaben bei einer einzigen Teilstreitkraft, nimmt. Die Entwicklung einer Konzeption für bei den Zentralen Militärischen Diensten die integrierte erweiterte Luftabwehr ist daher oder beim Zentralen Sanitätsdienst zu- eine zentrale Aufgabe europäischer Verteidi- sammenzufassen. gungspolitik in enger Verbindung mit der NATO. Wegen der hohen Kosten ist eine ge- 199. Die Kommission hat festgestellt, dass meinsame, nach Möglichkeit arbeitsteilige Heer, Luftwaffe und Marine ihre Ausrüs- Entwicklung und Beschaffung geboten. Dies tungsplanung zu wenig aufeinander abge- gilt für die Anstrengungen aller Teilstreitkräf- stimmt haben und teilstreitkraft-gemeinsame te. Im übrigen wird darauf zu achten sein, Aufgaben nicht hinreichend berücksichtigt dass sich die Entwicklungen land- und seege- wurden. Das hat zum Teil zu Parallelplanun- stützter Luftverteidigungssysteme im Sinne gen und zu Überschneidungen geführt. Die eines Waffensystemverbundes ergänzen. Folge war eine duplizierte und nicht komple- mentäre Ausrüstung. Beispiele finden sich bei 198. Die Bedrohung der Streitkräfte aus der Aufklärung, Kampf in der Tiefe, Hubschrau- Luft lenkt den Blick auch auf eine mögliche bertransport und beim bewaffneten Such- und Bedrohung durch atomare, biologische und Rettungsdienst (CSAR). Diese Aufgaben und chemische Kampfmittel. Die ABC-Abwehr die entsprechende Ausrüstung sind künftig sollte auf Streitkräfte im Einsatz konzentriert vorrangig einer einzelnen Teilstreitkraft, dem werden. Der passive Schutz muss verstärkt neu zu schaffenden Organisationsbereich

114 VI. AUSRÜSTUNG UND BEWAFFNUNG 197 >

Zentrale Militärische Dienste oder dem Zen- Nachfolgesysteme zu dienen, schnellstmög- tralen Sanitätsdienst zuzuordnen. lich ausgesondert werden. Zumindest sind die Bestände entscheidend zu verkleinern. Hierzu zählen unter anderem der Mannschaftstrans- porter M 113 und das Flugabwehrraketensys- Aussonderung tem HAWK. Schließlich bezweifelt die Kom- mission, dass es unter NATO- und EU- Die Kommission empfiehlt, das in der Gesichtspunkten sinnvoll ist, Marinejagd- künftigen Struktur nicht mehr benötigte bomber weiter im Dienst zu halten. Dafür oder bereits überzählige militärische Groß- fehlt eine stichhaltige Konzeption. gerät so schnell wie möglich zu verringern oder gänzlich auszusondern.

200. Viele der im Kalten Krieg angelegten Waffenbestände zur Abwehr einer großange- legten Aggression entsprechen in der Qualität TECHNOLOGIE UND nicht mehr den neuen Anforderungen und in RÜSTUNGSWIRTSCHAFT der Quantität nicht mehr den künftigen Struk- turen. Der strukturelle und organisatorische Umbau der Bundeswehr wird vor allem das militärische Großgerät des Heeres erheblich 201. Eine in modernen Schlüsseltechnolo- verringern. Nach einer groben Schätzung gien leistungsstarke und innovationsfähige können die Bestände an Kampf- und Schüt- europäische Rüstungsindustrie ist ein notwen- zenpanzern sowie an gepanzerter Artillerie et- diger Bestandteil der gemeinsamen europäi- wa halbiert werden. Ebenso stark können die schen Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Stückzahlen des Flugabwehrraketenpanzers Als wirtschaftlich stärkstes Land der Europäi- ROLAND und des Flugabwehrkanonenpan- schen Union hat Deutschland hierzu einen an- zers GEPARD schrumpfen. Da in Krisen- gemessenen Beitrag zu leisten. Angesichts einsätzen die Fähigkeit zum Sperren von des Wettbewerbsdrucks vor allem aus den Gelände oder von Seeabschnitten an Bedeu- USA lassen sich in den entscheidenden Indust- tung verliert, kann die Anzahl der Minen und riebereichen die notwendigen Betriebsgrößen Minenleger ebenfalls verringert werden. nur durch transnationale Zusammenschlüsse Eine vorgezogene Reduzierung der Zahl der erzielen. Diese Umstrukturierung der euro- Kampfflugzeuge MIG 29 und PHANTOM päischen Rüstungswirtschaft ist auf Initia- sowie der Schnellboote ist erstrebenswert. tive der Unternehmen in vollem Gang. Die Politik muss ihre Forschungs-, Entwicklungs- Aus allen Teilstreitkräften sollten zahlreiche und Beschaffungspolitik – ausgerichtet am veraltete Systeme, deren Betrieb unwirt- Zukunftsbedarf der Streitkräfte und unter schaftlich geworden ist und deren Funktion Beachtung strenger Wirtschaftlichkeitskrite- nur noch darin besteht, als Platzhalter für rien – als flankierende Maßnahme für diesen

115 Gemeinsame Sicherheit und Zukunft der Bundeswehr

Prozess anlegen. Es geht darum, die deut- Zukunftstechnologien schen Unternehmen durch die gezielte, unter den europäischen Partnern abgestimmte För- Die Kommission empfiehlt, die Schwer- derung von Kernfähigkeiten in die Lage zu punkte militärischer Forschung und Ent- versetzen, ihren Beitrag zur rüstungswirt- wicklung auf diejenigen Zukunftstechno- schaftlichen Europäisierung zu erbringen. logien zu legen, die neue Fähigkeiten für Streitkräfte erschließen und Entwicklungs- Solche Kernfähigkeiten können vom öffent- risiken verringern. lichen Auftraggeber allein weder auf nationa- ler noch auf europäischer Ebene gewährleistet 203. Wie bereits beschrieben, liegen die werden. Zum einen finden spitzentechnologi- deutschen wehrtechnischen Prioritäten auf sche Innovationen heute im Wesentlichen auf den Feldern strategische Aufklärungs-, Über- dem zivilen Sektor statt. Zum anderen trägt wachungs- und Führungsfähigkeit, operative das Bundesministerium der Verteidigung nur Mobilität und Verlegefähigkeit, Schutz der rund ein Prozent zu den in Deutschland für Streitkräfte im Einsatz und Fähigkeit zur Forschung und Entwicklung insgesamt aufge- Punktzielbekämpfung über große Entfernung. wandten Mitteln bei. Der Anteil der von der Deshalb bilden die Technologiefelder Sensor- Wehrtechnik abhängigen Arbeitsplätze an der technik, Optronik, Elektronische Kampffüh- Gesamtbeschäftigung beträgt in Deutschland rung, Radartechnik, Aufklärungstechnik, Präzi- kaum mehr als zwei Promille. Die Industrie sions- und Abstandswaffen und zielsuchende ist mehr denn je gefordert, selbst die Initiative Waffensysteme die Grundlage für eine mo- zu ergreifen. Sie wird künftig früher und en- derne Ausrüstung der Streitkräfte. Diese ger in den Entstehungsgang Wehrmaterial Technologien müssen bei der wehrtechni- eingebunden. Die Verzahnung mit den Streit- schen Industrie gezielt gefördert werden. Die kräften und der Rüstungsagentur über die In- deutsche Rüstungsindustrie sollte sich aller- tegrierten Projekt-Teams gewährleistet eine dings mehr als bisher an der Finanzierung von intensivere Zusammenarbeit mit dem öffent- Forschungs- und Entwicklungsvorhaben be- lichen Auftraggeber. teiligen.

202. Rüstungskooperation ist ein integraler Bestandteil jeder gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik. Deutschland hat wie seine Industriestrukturen EU-Partner ein elementares politisches und ökonomisches Interesse daran, den künftigen Die Kommission empfiehlt, nur solche in- Bedarf der Streitkräfte gemeinsam oder zu- dustriellen Kernfähigkeiten zu fördern, mindest in enger Abstimmung zu definieren die sich aus den Schwerpunkten künftiger und durch eine leistungs- und wettbewerbsfä- Ausrüstung im europäischen Rahmen be- hige europäische Technologie- und Rüstungs- stimmen lassen. basis zu decken. Daran sollte die deutsche In- dustrie angemessen beteiligt sein. 204. Die Ausrüstung der Streitkräfte muss den geänderten Aufgaben, Fähigkeiten und neuen Strukturen angepasst werden. Die Stück-

116 VI. AUSRÜSTUNG UND BEWAFFNUNG 202 >

zahlen einzelner Waffensysteme werden sich Entfaltung der gemeinsamen europäischen zum Teil drastisch verringern. Die Industrie Außen- und Sicherheitspolitik ist es unerläss- hat daraus schon Konsequenzen gezogen und lich, auch für den Rüstungsexport einver- ihre Kapazitäten der verminderten Nachfrage nehmliche Richtlinien und Verhaltensmaßstä- angepasst. Dennoch sind in einzelnen Sparten be zu entwickeln. Mit dem europäischen Ver- weiter Überkapazitäten vorhanden. Die Bun- haltenskodex ist ein Verfahren eingerichtet deswehr kann die freien Kapazitäten mangels worden, um Grundsätze und Praxis der Mit- Bedarf und finanzieller Mittel als Auftragge- gliedsstaaten allmählich einander anzunähern. ber nicht durchgehend auslasten. Deshalb Langfristig muss der Artikel 296 des Vertrags müssen noch vorhandene Überkapazitäten ab- über die Europäische Gemeinschaft entfallen. gebaut werden. Wehrtechnische Sektoren, auf Er nimmt die gesamte Wehrwirtschaft von der denen Deutschland führend ist, so bei Pan- Gemeinschaftsregelung aus und überlässt sie zern, Fahrzeugen, Rohrartillerie und Muni- bislang nationaler Entscheidung. tion, müssen in europäischer Kooperation umstrukturiert werden. Konsolidierte Kern- 206. Solange dieser Rechtszustand anhält, fähigkeiten sollten national nur noch dann steht der Rüstungsexport unter dem Primat erhalten werden, wenn sich das mit künftigem nationaler außenpolitischer Grundsätze. Die Ausrüstungsbedarf begründen lässt, also bei deutschen Prinzipien zum Export von Rüs- Sensortechnik, Optronik, Elektronischer tungsgütern sind im Januar 2000 neu formu- Kampfführung, Radartechnik, Aufklärungs- liert worden. Die Kommission begrüßt den technik und bei Präzisions- und Abstands- Ansatz, die Achtung der Menschenrechte als waffen und zielsuchenden Waffensystemen. wichtigen Prüfstein festzuschreiben. Dennoch Andere wehrtechnische Kapazitäten, deren sind die Grundsätze noch immer in hohem vollständiger Abbau aus industriepolitischen Maße auslegungsfähig. Für eine weitere Mo- Gründen vermieden werden soll, könnten wo- difizierung schlägt die Kommission folgende möglich durch vermehrte Nachfrage von Kriterien vor: Dienstleistungen – beispielsweise durch Ver- gabe von Instandsetzungsaufträgen – in ver- Rüstungsexportanträge in Staaten der kleinertem Umfang erhalten werden. NATO, der Europäischen Union und in zweifelsfrei demokratische Staaten sind grundsätzlich genehmigungsfähig.

Rüstungsexport Rüstungsexport kommt nicht in Frage in Staaten, die Menschenrechte gravierend Die Kommission empfiehlt, die nationalen verletzen. Richtlinien zum Rüstungsexport zu ergän- zen und eine Harmonisierung der operati- Der Export von schwimmendem Gerät ven Bestimmungen des Verhaltenskodexes kann grundsätzlich genehmigt werden, der EU für Waffenausfuhren anzustreben. wenn keine schwerwiegenden Gründe da- gegen sprechen. Die Beweislast liegt bei 205. Rüstungsexportpolitik ist Teil der Au- der Genehmigungsbehörde. ßen- und Sicherheitspolitik. Im Rahmen der

117 Gemeinsame Sicherheit und Zukunft der Bundeswehr

Wenn der Empfängerstaat Partei des Nuk- learen Nichtverbreitungsvertrages, der Konvention zum Verbot biologischer und bakteriologischer Waffen und der Chemie- waffenkonvention ist und kein Verdacht ei- nes Vertragsverstoßes bekannt ist, sollte ABC-Schutzgerät grundsätzlich geliefert werden können.

Im Übrigen gelten für den Export konven- tionellen Wehrmaterials die Grundsätze des europäischen Verhaltenskodexes für Rüs- tungsexporte, des Abkommens von Wasse- naar, des Raketentechnologie-Kontrollregi- mes, ferner die Bestimmungen von Waf- fenembargos der Vereinten Nationen und der Europäischen Union.

207. Vor dem Hintergrund der sich europäi- sierenden Rüstungsindustrie sollten sich die EU-Staaten bald auf eine einheitliche Inter- pretation der Durchführungsbestimmungen verständigen. Grundsätzlich darf eine deut- sche Beteiligung an gemeinschaftlichen euro- päischen Rüstungsprogrammen durch eine nationale Sonderposition beim Rüstungsex- port nicht gefährdet oder gar unmöglich ge- macht werden.

118 VI. AUSRÜSTUNG UND BEWAFFNUNG 207 >

119

DAS UNTERNEHMEN BUNDESWEHR VII.

VII. DAS UNTERNEHMEN BUNDESWEHR 208 >

208. Die Bundeswehr ist keine Firma. Ihr lernen können. Sie braucht dabei aber die Auftrag setzt der Vergleichbarkeit mit Wirt- flankierende Hilfe des Gesetzgebers. schaftsunternehmen eine enge Grenze. Streit- kräfte und Verwaltung können aber von der 210. Im Folgenden werden einige Empfeh- Wirtschaft lernen. Hier wie dort geht es da- lungen ausgesprochen, bei denen die Kom- rum, die Organisation effizienter und flexib- mission überzeugt ist, dass sie für den Dienst- ler zu machen. Aufgaben müssen zusammen- betrieb in einem modernen „Unternehmen gefasst, Überlappungen beseitigt, Mittel ge- Bundeswehr“ erhebliche Bedeutung haben. bündelt und Verfahren vereinheitlicht werden. Dazu gehören ein wirksames Controlling, Ini- Das Wirtschaften der Bundeswehr wird bis- tiativen zur Privatisierung, neue Richtlinien her durch kameralistische Verfahren bestimmt. für Stationierung ebenso wie eine angemesse- Ökonomisches Denken und Handeln müssen ne Wissens- und Informationsversorgung, ein jedoch in Streitkräften und Bundeswehrver- gut ausgebautes militärisches Bildungssystem waltung größeres Gewicht bekommen. Die und vor allem die bewährten Grundsätze der Betriebs- und Beschaffungsabläufe müssen Inneren Führung. wirtschaftlicher gehandhabt werden, damit mehr Geld für Investitionen bleibt. Wie in der Wirtschaft üblich sollte sich auch die Bundes- wehr auf ihre Kernaufgaben beschränken und Innere Führung alle übrigen Aufgaben an zivile Partner ver- geben. Moderne Methoden des Managements Die Kommission empfiehlt, die Praxis der und Controllings, der Beschaffung und der Inneren Führung nach den Erfahrungen Logistik sowie der Aus- und Weiterbildung im Einsatz weiterzuentwickeln und zu stär- sind in der Bundeswehr ebenso vonnöten wie ken. Die Grundsätze der Inneren Führung im Unternehmen. stehen auch in der neuen Bundeswehr nicht zur Disposition. 209. Der Umbau von Streitkräften und Ver- waltung sollte als eine große und einmalige 211. Berufsbild und Selbstverständnis des Chance verstanden werden. Eine Bundes- deutschen Soldaten werden seit Jahrzehnten wehr, die sich dort beschränkt, wo das mög- von der Inneren Führung geprägt. Wehrrecht lich ist, schwächt sich nicht, sondern steigert und Innere Führung haben dafür gesorgt, dass ihre Leistungsfähigkeit. Wertvollstes Gut der eine Bundeswehr entstehen konnte, die mit Bundeswehr sind ihre Soldaten und zivilen den Grundsätzen der Verfassung und mit dem Mitarbeiter. Nur mit ihnen kann die Reform Lebensgefühl der Zivilgesellschaft vereinbar gelingen. war.

Der notwendige Personalabbau verlangt sozi- Der „Staatsbürger in Uniform“ ist der Kern- alverträgliche Übergänge. Große, ehemals begriff der Inneren Führung. Er sagt aus, dass staatliche Unternehmen wie Bahn und Post Führung, Ausbildung, Bildung und Erziehung haben das in den vergangenen Jahren vorge- in den Streitkräften den Soldaten zu Selbst- macht. Auch daraus wird die Bundeswehr verantwortung und Selbstdisziplin, zu mit- denkendem Gehorsam und persönlicher

123 Gemeinsame Sicherheit und Zukunft der Bundeswehr

Initiative, zu individueller Leistungsbereit- 213. Die Innere Führung ist das Markenzei- schaft und zu kameradschaftlicher Zusam- chen der deutschen Streitkräfte. Sie ist alltäg- menarbeit ermuntern sollen. So ausgebildete liche Führungspraxis, nicht immer fehlerfrei, und so handelnde Soldaten sind Vorausset- aber gänzlich unbestritten. Die Innere Füh- zung für eine Truppenführung nach Auftrags- rung macht die Bundeswehr leistungsfähig, taktik. Verfassungs- und gesellschaftspoli- demokratiekonform und gesellschaftsverträg- tisch bringt das Leitbild zum Ausdruck, dass lich. Die Grundideen von Freiheit und Recht, der Soldat ein freier Staatsbürger ist, auch zeitgemäßer Menschenführung, politischer wenn er Beschränkungen seiner Grundrechte Bildung und Fürsorge verschafften der Bun- hinnehmen muss. Er ist Bürger unter Bürgern. deswehr schon bei ihrer Gründung einen Mo- dernitätsvorsprung. 212. Die Zulassung von Frauen zum frei- willigen militärischen Dienst wird das innere 214. Das erweiterte Aufgabenspektrum er- Gefüge der Streitkräfte verändern. Weibliche höht die Bedeutung der Inneren Führung Soldaten werden die gesellschaftliche Veran- noch. Innere Führung gewährleistet, dass kerung der Bundeswehr festigen. Im Unter- auch die Soldaten, die auf Kampfeinsätze schied zu vielen Verbündeten existiert in außerhalb des Bündnisgebiets vorbereitet wer- Deutschland keine in Gesellschaft und Streit- den oder in solchen Einsätzen stehen, fest in kräften wirksame Tradition weiblicher Solda- der demokratischen Gesellschaft verankert ten. Der Truppe fehlt damit bislang ein Ele- bleiben. Die Innere Führung ist unerlässliches ment gesellschaftlicher Normalität. In einer Mittel, um bei deutlich sinkendem Wehr- durch männliche Verhaltensmuster geprägten pflichtigen-Anteil die gesellschaftliche Inte- Institution wie der Bundeswehr wird die Inte- gration der Bundeswehr zu erhalten. Sie ist gration von Frauen voraussichtlich nicht ohne auch Grundlage dafür, dass Minderheiten in Schwierigkeiten gelingen. Männer und Frau- den Streitkräften akzeptiert werden. Damit en werden künftig auch im militärischen bleibt sie das Modell für die Zukunft. Dienst miteinander um Berufschancen und Beförderungen konkurrieren. Das stellt die 215. Probleme könnten entstehen, wenn die Innere Führung vor eine neue Bewährungs- multinationale Einbindung der Bundeswehr probe. Sie muss im täglichen Dienstbetrieb weitergeht. Führungsphilosophien und Solda- dafür sorgen, dass Ungleichbehandlungen tenrecht unterscheiden sich im Bündnis durch- vermieden werden. aus. Manche rechtlichen Aspekte des Führens in multinationalen Verbänden sind ungeklärt. Im Zuge der weiteren Öffnung der Streitkräfte Unbeschadet notwendiger Anpassungen sollte für Frauen sollten die Erfahrungen der 1995 die Bundeswehr am Konzept der Inneren Füh- geschaffenen ministeriellen Ansprechstelle für rung als ihrer besonderen Führungsphiloso- spezifische Probleme weiblicher Soldaten ge- phie auch künftig festhalten. nutzt werden. Diese Einrichtung sollte perso- nell verstärkt und gegebenenfalls weiter aus- gebaut werden.

124 VII. DAS UNTERNEHMEN BUNDESWEHR 212 >

Controlling 217. Die Einführung eines effektiven Con- trollings ist nach Ansicht der Kommission ei- Die Kommission empfiehlt, Controlling ne Voraussetzung für das Gelingen der Bun- zur Leitungsaufgabe zu machen und deswehrreform. Controlling gewährleistet die die bisherigen dezentralen Controlling- Wirtschaftlichkeit der Aufgabenerfüllung. Elemente in ein umfassendes Steuerungs- Das Verfahren stellt durch die Vorgabe opera- und Führungsinstrument einzubinden. tionalisierbarer Ziele die Transparenz der Ent- scheidungsabläufe sicher. Das fördert bei 216. Das Führungs- und Steuerungssystem Mitarbeitern und Führungskräften das Be- der Bundeswehr weist derzeit trotz erheb- wusstsein für mehr Eigeninitiative und den licher Fortschritte in den letzten Jahren noch wirtschaftlichen Umgang mit den anvertrau- wesentliche Schwachstellen auf: ten Ressourcen. Im Einzelnen sind folgende Maßnahmen erforderlich: Die Leitung des Ministeriums wird bei ih- ren Steuerungsaufgaben nicht wirksam ge- Einrichtung eines zentralen Controllings, nug unterstützt. Die Kontrollspanne des das die dezentralen Interessen der militäri- Ministers und seine Letztverantwortung für schen und zivilen Bereiche systematisch eine große Anzahl von Detailentscheidun- auf einen Nenner bringt und alle auf die gen aus sehr unterschiedlichen Aufgaben- Ziele der Leitung ausrichtet. bereichen ist sehr groß. Entscheidungs- unterlagen sind häufig nicht ausreichend Übertragung der zentralen Controllingfunk- quantifiziert, zu wenig durch Fakten unter- tion an einen neu zu berufenden beamteten mauert und nicht nach betriebswirtschaft- „Staatssekretär Finanzen“, der außerdem lichen Kriterien überprüft. Es fehlt an aus- für die Aufstellung und Überwachung des reichender Transparenz. Leitungsentschei- Haushalts zuständig ist und einen eigenen dungen kommen überwiegend im Konsens- Arbeitsstab erhält (siehe Ziffer 129). Dafür verfahren durch vorherige Abstimmung auf kann eine der beiden Stellen für Parlamen- unterer Ebene zustande. Es mangelt an kri- tarische Staatssekretäre entfallen. tischer Diskussion und Bewertung aller entscheidungsrelevanten Fakten im Rah- Disziplinare Unterstellung der Controlling- men der Entscheidungsfindung. instanzen in den nachgeordneten Bereichen unter den jeweiligen Leiter. Fachlich unter- Controllinginstrumente werden gegenwär- stehen die Controller dem Staatssekretär tig nur in den der Führung nachgeordneten Finanzen. Ebenen entwickelt und angewandt. Eine Harmonisierung und Koordination dieser 218. Zielbildung, Kontrolle und Nachsteue- Maßnahmen steht noch aus. Controlling rung müssen auf allen Führungsebenen erfol- setzt erst auf der zweiten und nicht bereits gen. Nur mit übergreifendem Controlling bei auf der ersten Ebene ein. Damit ist eine der Leitung wird jedoch sichergestellt, dass wirksame Steuerung übergreifender Sach- übergeordnete Zielsetzungen für das Gesamt- verhalte nur eingeschränkt möglich. system Bundeswehr konsequent erarbeitet, Alternativen formuliert und nach Zeit,

125 Gemeinsame Sicherheit und Zukunft der Bundeswehr

Kosten, Spezifikationen bewertet, die Zielbil- des Controllings als begleitendes Führungs- dung in allen Organisationsbereichen hieran und Steuerungsinstrument über alle Ebenen. ausgerichtet und die Zielerreichung zentral Gleichzeitig bleiben die nachgeordneten Con- kontrolliert werden. troller durch ihre disziplinare Einbindung Teil des jeweiligen Führungsteams. 219. Um der Controllingfunktion die ge- wünschte Wirksamkeit zu verleihen und die Für die bundeswehrweiten Controllingaufga- erforderliche Veränderung kraftvoll herbeizu- ben ist hinreichend Personal auszubilden und führen, sollte diese Aufgabe einem zusätz- in einem sinnvollen Verwendungsaufbau zu lichen Staatssekretär übertragen werden. Oh- qualifizieren. nehin erscheint die Ausstattung der Führungs- spitze mit nur zwei Staatssekretären ange- 220. Die Umsetzung der Reformziele in die sichts der Größe und Komplexität der Organi- strategische und operative Planung der Bundes- sation und auch im Vergleich zur Führung von wehr und die ständige Überwachung dieses Großunternehmen als zu knapp bemessen. Entwicklungsprozesses wird eine der künfti- gen Hauptaufgaben des Controlling sein. Die Zusammenfassung von Controlling und Hierzu sollte innerhalb des Arbeitsstabes des Haushalt in einer Hand hat den Vorteil, dass Staatssekretärs Finanzen ein eigenes Organi- die Ordnungssystematiken des Haushalts und sationselement vorgesehen werden. der Kosten- und Leistungsrechnung besser zusammengeführt werden können und dass Die Kommission empfiehlt, dass der Staats- damit auch die Abstimmung mit dem Parla- sekretär Finanzen über den Fortschritt ment erleichtert wird. Beim Staatssekretär der Bundeswehrreform in regelmäßigen Finanzen sollte außerdem die Zuständigkeit Abständen berichtet. für alle betriebswirtschaftlichen System- und Methodenfragen liegen.

Die Verankerung des Controllings in der Füh- Führungs- und Einsatzunterstützung rung schafft darüber hinaus die notwendige Aufwertung der strategischen Planung inner- Die Kommission empfiehlt, Führungs- halb der Bundeswehr, für die der Generalin- und Einsatzunterstützung nach folgenden spekteur verantwortlich ist und bleibt: Die Grundsätzen zu organisieren: (1) Ausrich- bisher überwiegend qualitativ gefasste „Kon- tung auf Einsätze im Ausland; (2) Aufga- zeption der Bundeswehr“ sollte um einen ben sind streitkräftegemeinsam und – wo quantitativen Teil ergänzt werden, der vom immer möglich – bundeswehr-gemeinsam Bereichscontrolling der Teilstreitkräfte zusam- wahrzunehmen; (3) was nicht zu den mili- men mit dem Staatssekretär Finanzen zu erar- tärischen Kernfähigkeiten gehört, wird beiten ist. privatisiert; (4) europäische Kooperatio- nen sind wichtiger als nationale Lösungen. Die fachliche Anbindung aller nachgeordne- ten Controlling-Ebenen beim Staatssekretär Finanzen gewährleistet die Durchgängigkeit

126 VII. DAS UNTERNEHMEN BUNDESWEHR 219 >

221. Die Einsatzerfordernisse entscheiden werblichen Wirtschaft entwickelt werden. Kon- darüber, was zentralisiert und was privatisiert kurrieren nationale Modelle mit europäischen werden kann oder was bei den Teilstreitkräf- Alternativen, sollten letztere Vorrang haben. ten, dem Zentralen Sanitätsdienst oder bei den Für die Vergabe privater Leistungen sollte ei- Zentralen Militärischen Diensten verbleiben ne privatrechtliche Logistik-Agentur einge- muss. Die logistischen Aufgaben der Material- richtet werden. bewirtschaftung, der Informationsversorgung sowie Transport und Verkehr werden zentral 223. Im Übrigen gibt es bei den durch die wahrgenommen. Die Funktionen des Nut- Territoriale Wehrverwaltung zu erbringenden zungsmanagements und der Materialerhal- Unterstützungsleistungen weitere Privatisie- tung komplexer Waffensysteme sind wegen rungsmöglichkeiten. Das betrifft auch die Auf- der erforderlichen Fachkenntnisse in erster gaben der Geländebetreuung, die Leistungen Linie dezentral zu erbringen. Das kann auch für Bekleidung und Verpflegung und den in Pilotfunktion geschehen. Unterstützungs- Technischen Betriebsdienst. kräfte müssen Bestandteil von Einsatzverbän- den bleiben, wenn sie ihre Leistungen in Kampfgebieten zu erbringen haben. Das Wirt- schaftlichkeitsprinzip gilt hier ebenso; es ist Stationierung den Einsatzerfordernissen allerdings nachge- ordnet. Wer Funktionen in rückwärtigen Ge- Die Kommission empfiehlt, die Streitkräf- bieten wahrnimmt, hat seinen Platz in einer te nach folgenden Kriterien zu stationie- teilstreitkraft-gemeinsamen oder bundeswehr- ren: (1) Militärische Erfordernisse, insbe- gemeinsamen Organisation. sondere personelle Regenerationsfähigkeit, (2) Wirtschaftlichkeit, (3) angemessene 222. Zentrale Führung, Steuerung und Kon- Lebensqualität und (4) bestehende Infra- trolle sowie unmittelbare Unterstützung im struktur. Die Stationierung ist künftig Einsatz sind militärische Kernaufgaben. Sie nicht mehr an struktur- und regionalpoli- bestimmen Umfang und Struktur der Unter- tischen Erwägungen auszurichten. stützungskräfte. Militärische Unterstützungs- kräfte, die sich nicht im Einsatz befinden, tra- 224. Die Stationierungsplanung der Ver- gen zur Routineversorgung im Inland bei. Sie gangenheit war ausgerichtet auf die militäri- müssen dennoch jederzeit für Einsatzaufga- schen Erfordernisse der grenznahen Landes- ben verfügbar sein, ohne dass deshalb der In- verteidigung und der weitgehenden Dislozie- landsbetrieb beeinträchtigt wird. rung in der Fläche. Unter den veränderten strategischen Rahmenbedingungen können und Außerhalb des unmittelbaren Einsatzgebiets müssen Wirtschaftlichkeitsaspekte in den werden die Streitkräfte von gewerblichen Dienst- Vordergrund treten. Bei den Stationierungs- leistern unterstützt, sofern das militärisch ver- entscheidungen der 90er-Jahre wurden die tretbar, ökonomisch sinnvoll und dauerhaft Chancen und Rationalisierungspotenziale, die gewährleistet ist. Dafür sollten gemeinsame sich aus einem konsequenten Rückzug der europäische Lösungen zusammen mit der ge- Streitkräfte aus der Fläche ergeben hätten, nur

127 Gemeinsame Sicherheit und Zukunft der Bundeswehr

unzureichend genutzt. Um Standorte zu erhal- Reduzierung der Zahl der für Unter- ten, wurde vielfach lediglich die Personalstärke kunftszwecke genutzten Liegenschaften; verringert. So verfügt die Bundeswehr heute Zusammenfassung von Dienststellen und in mehr als 700 Standorten noch über rund Truppenteilen in wirtschaftlich sinnvollen 3.100 Liegenschaften mit einer Fläche von Liegenschaftsgrößen (Richtwert: 1.000 Per- etwa 350.000 ha. sonen);

225. Die Kommission ist überzeugt, dass Reduzierung der Zahl der Standorte, alle Maßnahmen zur Schaffung einer neuen keine Klein- und Kleinststandorte; Bundeswehr sozialverträglich sein müssen und in einen gesamtgesellschaftlichen Kontext zu Zusammenfassung der Standorte zu aus- stellen sind. Die Bundeswehr kann jedoch reichend großen Standortbereichen, die von nicht Werkzeug der Struktur-, Sozial- und In- einer Standortverwaltung betreut werden – dustriepolitik sein, wie dies häufig in der Öf- über Gemeindegrenzen hinweg; fentlichkeit erwartet wird und in der Vergan- genheit der Fall war. Auch ist die Stationie- regionale Zuordnung von Dienststellen rung für die Bundeswehr kein Instrument der der Territorialen Wehrverwaltung zu militä- Regionalpolitik, sondern muss zuvörderst in- rischen Dienststellen und Truppenteilen; terne Effizienz im Rahmen begrenzter Res- sourcen gewährleisten. Reduzierung der Zahl der Übungsplätze.

Für die Stationierung der Streitkräfte sind zu- Die Kommission empfiehlt, als Richtgröße künftig entscheidend: eine Halbierung der Standorte und Lie- genschaften anzustreben. Berücksichtigung der regionalen Rekrutie- rungsmöglichkeiten (Stationierung bevor- 226. Bei den anstehenden Entscheidungen zugt in wirtschaftsschwachen, aber bevöl- zur Stationierung der Streitkräfte in Deutsch- kerungsreichen Regionen); land können die Interessen und Ziele der Län- der und Kommunen nur insoweit Berücksich- Gewährleistung eines reibungslosen Dienst- tigung finden, als sie mit den oben genannten betriebs; Kriterien in Einklang zu bringen sind.

Angemessene Lebensqualität für die Fami- lien der Bundeswehrangehörigen (Wohn- raum, Arbeits- und Ausbildungsmöglich- IT-Agentur keiten für Familienangehörige, Verbindun- gen zur Gesellschaft); Die Kommission empfiehlt, Entwicklung und Beschaffung von Informationstech- Grundsätzliche Ausrichtung am Wirtschaft- nologie (IT) einer zentralen Management- lichkeitsprinzip: Agentur zu übertragen.

128 VII. DAS UNTERNEHMEN BUNDESWEHR 225 >

227. Die Innovationszyklen der IT sind so Die überragende Bedeutung eines qualifizier- kurz (derzeit etwa 18 Monate), dass auch bei ten Bildungsangebots für Effektivität, Attrak- den strafferen Verfahren zur Realisierung von tivität und Zukunftsfähigkeit der Bundeswehr Wehrmaterial, wie sie die Kommission vor- steht außer Frage. Investitionen in die Men- schlägt, den besonderen Bedingungen der IT schen sind mindestens ebenso wichtig wie die nicht Rechnung getragen werden kann. Nur Aufwendungen für Waffen- und Wehrtechnik. eine Agentur, die bereichsübergreifend die Das Bildungssystem der Bundeswehr besteht Verantwortung dafür erhält, die Bundeswehr nicht nur aus der akademischen Ausbildung unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten mit der Offizierbewerber. Dennoch zieht dieser moderner IT zu versorgen und den ungehin- Teil große Aufmerksamkeit auf sich. derten Datenaustausch zu ermöglichen, kann mit eigenen Verfahren diese Aufgabe erfüllen. Die Kommission empfiehlt, am wissen- Hierzu müssen ihr genügend Ressourcen zur schaftlichen Studium als Bestandteil der eigenen Verfügung gestellt werden. Die Agen- Ausbildung zum längerdienenden Offi- tur berichtet an einen IT-Direktor. Dieser ist zier festzuhalten und das bundeswehr- der Leitung des Bundesministeriums der eigene Hochschulwesen auf der Grundla- Verteidigung unmittelbar unterstellt. ge des novellierten Hochschulrechts fort- zuentwickeln. Zur Zeit existiert in der Bundeswehr eine Vielzahl von Informationssystemen, die klas- 229. Die Universitäten der Bundeswehr sische Insellösungen darstellen und nur unge- sind wichtige Ausbildungseinrichtungen für nügend miteinander kommunizieren können. den militärischen Führungsnachwuchs. Zu- Aufgabe der Agentur ist es, die Bundeswehr gleich erhöht das Studium die Attraktivität so mit Hardware und Software auszustatten, der Bundeswehr für Zeit- und Berufsoffiziere. dass die eklatanten Mängel rasch beseitigt Karriereanalysen von Absolventen der Bun- werden. deswehr-Universitäten belegen, dass es den ausgeschiedenen Offizieren gelingt, ohne größere Schwierigkeiten in einem adäquaten Zivilberuf Fuß zu fassen. Bildung und Ausbildung Die Bilanz der Bundeswehr-Hochschulen 228. Kriseneinsätze verlangen nicht nur mili- nach einem Vierteljahrhundert Lehr- und For- tärische Kenntnisse, sondern zusätzliche Qua- schungsbetrieb ist durchweg positiv. Das Kon- lifikationen wie Denken in Zusammenhän- zept der universitären Ausbildung mit straffer gen, politisches Bewusstsein, historische und Regelstudienzeit, fachübergreifenden Studien- geografische Kenntnisse, Sprachfertigkeiten, anteilen einschließlich Fremdsprachen-Aus- soziale und kommunikative Kompetenz, Team- bildung und zivil anerkanntem Abschluss hat fähigkeit, Organisations- und Entscheidungs- sich bewährt. Ein derartiges Kompaktstudium 1 fähigkeit und ganz allgemein Lernfähigkeit. über 10 Trimester (= 3 ⁄4 Jahre) wird nirgend- Gefragt ist der gebildete Generalist mit Team- wo sonst angeboten. Beide Universitäten ha- geist und Führungsqualitäten. ben interne Reformen eingeleitet, um ihr An- gebot den neuen Entwicklungen in Wirtschaft,

129 Gemeinsame Sicherheit und Zukunft der Bundeswehr

Wissenschaft und im militärischen Berufsfeld Nach Meinung der Kommission sollten die anzupassen. beiden letzten Lösungen weiter verfolgt wer- den. Eine Öffnung der Universitäten der Bun- 230. Um den Offizieren auf Zeit den Wech- deswehr und ihre Internationalisierung bieten sel in einen Zivilberuf zu erleichtern, müssen sich als Möglichkeiten an, eine höhere Aus- die Studienabschlüsse der Universitäten der lastung und damit auch mehr Wirtschaftlich- Bundeswehr denen an öffentlichen Univer- keit zu erreichen. Für die künftig an Bundes- sitäten entsprechen. Das könnte einen Über- wehr-Universitäten studierenden zivilen Stu- gang zu Bachelor-/Master-Graden erfordern. denten könnte eine Kostenerstattung durch Offizieren auf Zeit sollte unmittelbar vor oder Patenunternehmen vorgesehen werden. Bei- nach ihrem Ausscheiden ein „Refresher-Stu- spiele sind die Berufsakademien in Baden- dium“ als Fern- oder Präsenzstudium angebo- Württemberg oder Berlin. Für Ansehen und ten werden. Die Fachhochschulstudiengänge Betriebsklima wäre indessen nicht förderlich, sollten ein stärkeres eigenes Profil erhalten wenn die Öffnung der Bundeswehr-Universitä- und um einen Studiengang „Informatik“ er- ten nur für besonders zahlungskräftige Stu- weitert werden. Das könnte die Bundeswehr dentinnen und Studenten erfolgen würde. In für Fachoberschüler attraktiver machen. Absprache mit den Verbündeten sollte eine Internationalisierung und Europäisierung ei- 231. Kleinere Streitkräfte benötigen weni- ner oder beider Bundeswehr-Universitäten ge- ger Zeit- und Berufsoffiziere. Bleibt das Ver- prüft werden. Partnerländer könnten ein Inte- hältnis zwischen Berufs- und Zeitsoldaten an- resse daran haben, ihren Offizier-Nachwuchs nähernd gleich, werden auch die Einstellungs- zusammen mit dem der Bundeswehr auszubil- zahlen der Offizieranwärter und damit die den. Auf diese Weise könnte die Bundeswehr Studentenzahlen sinken. Dennoch wäre es auch zur Streitkräftereform und zur weiteren wünschenswert, an zwei Universitäten festzu- Demokratisierung dieser Länder beitragen. halten. Gleichwohl sind die technikwissen- schaftlichen Fakultäten schon heute nicht aus- gelastet. Die Kommission hat deshalb die fol- genden vier Optionen geprüft: Weiterbildung

Zusammenlegung der beiden Bundeswehr- Die Kommission empfiehlt, die Weiter- Universitäten; bildung der zivilen und militärischen Führungskräfte stärker miteinander zu Ausgliederung aus den Streitkräften und verzahnen, bundeswehr-gemeinsame und ihre Privatisierung; teilstreitkraft-übergreifende Aspekte von wirtschaftlichem Planen und Handeln, Öffnung für zivile Studenten; Betriebs- und Operationsführung sowie Controlling in der Lehre vermehrt zu Europäisierung. berücksichtigen und eine bundeswehr- gemeinsame Konzeption für Weiterbildung und Personalentwicklung zu erlassen.

130 VII. DAS UNTERNEHMEN BUNDESWEHR 230 >

232. Die bisherige starre Trennung der Fort- Militärische Studienkapazität und Weiterbildung von zivilem und militäri- schem Führungspersonal entspricht nicht der Die Kommission empfiehlt, an der Füh- Notwendigkeit ganzheitlicher Unternehmens- rungsakademie der Bundeswehr ein militä- steuerung und Organisationsentwicklung. Ein- risches Studieninstitut aufzubauen. sätze und Operationen werden zukünftig fast ausschließlich streitkräftegemeinsam und multi- 233. Die Bundeswehr bedarf einer geeigne- national mit Rückgriff auf zivile Leistungen ten Studienkapazität, um künftige militärisch der Bundeswehr und privater Anbieter geplant relevante Entwicklungen bewerten zu können, und geführt werden. Bundeswehr- und streit- aus denen sich Konsequenzen für Konzeption kräftegemeinsame Aspekte von Planung, Be- und Einsatzgrundsätze der Streitkräfte erge- triebs- und Operationsführung, Controlling ben. Diese Funktion sollte an der Führungs- und wirtschaftlichem Verwaltungshandeln soll- akademie in wahrgenommen wer- ten deshalb in der Lehre stärker berücksichtigt den, um die dort vorhandenen Kapazitäten werden. Auch für zivile Kräfte bedarf es einer einzubeziehen und Ergebnisse direkt in die Führungsausbildung vergleichbar der militä- Fortbildung der Führungskräfte der Bundes- rischen. Zudem sollten gemeinsame Lehrgän- wehr einfließen zu lassen. Das Institut sollte ge für höhere zivile und militärische Füh- über einen festen, wenn auch sehr begrenzten rungskräfte an der Bundesakademie für Wehr- Kern von Mitarbeitern verfügen. Darüber verwaltung und Wehrtechnik und der Füh- hinaus sollte intensiv von der Möglichkeit rungsakademie der Bundeswehr eingerichtet Gebrauch gemacht werden, projektbezogen werden. Die Curricula beider Akademien sind Lehrgangsteilnehmer und freie Mitarbeiter, inhaltlich aufeinander abzustimmen. wie zum Beispiel ehemalige Offiziere oder Beamte, einzusetzen. Dies erlaubt Flexibilität Veränderte Berufsfelder für Führungskräfte und Wirtschaftlichkeit im Betrieb des Insti- der Bundeswehr, steigende Bedeutung inter- tuts. disziplinärer Aspekte und streitkräftegemein- samer Aufgaben und die rasche Entwicklung des Wissens und seine hohe Alterungsge- schwindigkeit verlangen im Übrigen ständige Weiterbildung und eine an diesen Prämissen orientierte Personalentwicklung. Die Abtei- lung Personal-, Sozial- und Zentralangelegen- heiten sollte im Rahmen ihrer Zuständigkeit mehr Verantwortung für eine bundeswehr- gemeinsame Führungskräfteentwicklung über- nehmen.

131 132 reform und haushalt

REFORM UND HAUSHALT 234 >

234. Der Kommissionsbericht enthält Emp- PROGRAMMGESETZ fehlungen von unterschiedlichem Gewicht. Gleichwohl ist der Bericht ein geschlossenes 236. Zur Umsetzung der Empfehlungen der Ganzes – die Empfehlungen sind aufeinander Kommission wird alsbald über abgestimmt. Die Bundesregierung wird sich womöglich nicht alle Vorschläge zu Eigen die neuen Personalumfänge und Personal- machen; der große Reformerfolg wird sich strukturen, indessen nur einstellen, wenn das Konzept in seinen Grundlinien insgesamt verwirklicht die neuen Organisationsstrukturen von wird. Während des Übergangs müssen die Er- Streitkräften und Wehrverwaltung, fahrungen mit dem Wandel kontinuierlich ausgewertet werden. die in den nächsten Jahren zu beginnenden Modernisierungsvorhaben in der Rüstung 235. Die angestrebte Reform wird die und Bundeswehr kleiner, aber moderner und – im Hinblick auf gewandelte Anforderungen – die erforderlichen Haushaltsmittel leistungsfähiger machen. Die Kommission hält einen Zeitraum von sechs Jahren für die zu befinden sein. Das kann zuverlässig nur Umstrukturierung der Bundeswehr für not- auf der Basis einer gesetzlichen Grundlage wendig und realistisch. Dazu ist es nötig, bald erreicht werden, mit der sich Regierung und zu bestimmen, in welcher Reihenfolge Emp- Parlament langfristig und verbindlich über fehlungen realisiert werden können. Die Re- die Grundlinien des Reformkonzepts verstän- form kann nur gelingen, wenn gleichzeitig digen, sich mit ihm identifizieren und gleich- folgende Schritte eingeleitet werden: zeitig Planungssicherheit für die Bundeswehr über mehrere Haushaltsjahre hinweg schaffen. Soldaten und zivile Mitarbeiter sollten von allen Aufgaben entlastet werden, die private Die Kommission empfiehlt, mit einem Anbieter ebenso gut, aber wirtschaftlicher Programmgesetz die notwendigen Voraus- wahrnehmen können. setzungen für die Reform zu schaffen und die einzelnen Maßnahmen nach Art, Um- Die offenkundigen Ausrüstungslücken sind fang und Reihenfolge zu bestimmen. zu schließen und die notwendigen Moder- nisierungsmaßnahmen rasch einzuleiten. 237. Das Programmgesetz soll für die Jahre von 2001 bis 2006 gelten, so dass der Umbau Die gesetzlichen Grundlagen für eine dau- der Bundeswehr am Jahresende 2006 abge- erhafte Attraktivität des Soldatenberufs so- schlossen ist. Neben der kontinuierlichen wie für einen sozialverträglichen Personal- Kontrolle sollte der Stand der Bundeswehr- abbau müssen geschaffen werden. reform zur Mitte des Zeitraums formell über- prüft werden. Das Parlament kann auf diese Weise die Voraussetzung für einen gestaf- felten Reformprozess schaffen, finanziellen Einbrüchen vorbeugen und Planungssicher- heit gewähren. 135 Gemeinsame Sicherheit und Zukunft der Bundeswehr

PLANUNG UND HAUSHALT unvorhergesehene Einsätze die Kosten in die Höhe treiben, ohne dass andere Haus- 238. Die langfristige Planung für die Fort- halte in Anspruch genommen werden kön- entwicklung der Bundeswehr wird maßgeb- nen; lich durch den Haushalt des jeweiligen Jahres und die Mittelfristige Finanzplanung für die durch Lohn- und Gehaltserhöhungen die darauf folgenden vier Kalenderjahre beein- Personalkosten real ansteigen, ohne dass flusst. Andererseits muss für die Planung ein dafür zusätzliche Finanzmittel bereitgestellt weit längerer Zeitraum betrachtet werden. Die werden. Kommission hat für ihre Arbeit den Zeitrah- men bis 2010 gesetzt. Für ihn sind aber ver- Welche Folgen allein die Einkommenssteige- lässliche Haushaltsannahmen nicht möglich. rungen haben, belegt die Tatsache, dass beim Sicher ist: Personal der Bundeswehr seit 1990 nahezu 200.000 Stellen eingespart wurden, eine no- Der Anteil der Personalkosten am Verteidi- minale Senkung der Personalkosten aber nicht gungshaushalt liegt mit gegenwärtig 51,1 eingetreten ist. Prozent zu hoch. 239. Der Verteidigungshaushalt hat im Ver- Der Anteil bei den Rüstungsinvestitionen gleich der Einzelpläne des Bundes mit mehr (ohne Investitionen in militärische Anlagen als 23 Milliarden DM jährlich den mit Ab- und sonstige Investitionen) liegt mit 20,7 stand höchsten Personalkostenanteil. Tarif- Prozent im laufenden Haushaltsjahr zu nie- liche oder besoldungsbedingte Einkommens- drig. verbesserungen für Soldaten und Zivilbediens- tete führen regelmäßig zu erheblichen Ausga- Die gegenwärtige Mittelverteilung erlaubt bensteigerungen, die – wie zuletzt üblich – es nicht, die Armee zu modernisieren und aus dem eigenen Haushaltsansatz zu erwirt- modern zu halten. Die Kommission hält schaften sind. Jedes Prozent Besoldungserhö- ein Verhältnis von 45 Prozent Personalkosten, hung bedeutet derzeit einen Mehrbedarf von 25 Prozent anderen Betriebskosten und 30 230 Mio DM. Da bei den Betriebskosten Prozent Investitionsausgaben für angemessen. kurzfristig nur wenig eingespart werden kann, Das entspricht auch internationalen Maßstä- gehen die Personalmehrkosten bei vorgegebe- ben. nem Finanzrahmen überwiegend zu Lasten des Investitionsvolumens. Die notwendige Balance wäre auch bei sorg- fältiger Planung nicht zu erreichen und zu hal- Die Kommission hält es deshalb für geboten, ten, wenn – wie in der Vergangenheit häufig den Personalhaushalt innerhalb des Einzel- geschehen – plans 14 zu verselbstständigen und auf der Grundlage jährlich festzulegender Schritte auf in den Haushalt oder in die Finanzplanung dem Weg zu einer neuen Personalstruktur unerwartet eingegriffen wird; langfristig zu dotieren. Vorsorge für Lohn- und Gehaltsverbesserungen sollte außerhalb des Verteidigungshaushalts getroffen werden.

136 REFORM UND HAUSHALT 238 >

Die Kommission empfiehlt, den Personal- Die Kommission empfiehlt, für nicht plan- haushalt der Bundeswehr im Verteidi- bare internationale Einsätze deutscher gungshaushalt gesondert auszuweisen. Das Streitkräfte oder Polizeikräfte eine Finan- ist erforderlich, um investive Ausgaben ge- zierung außerhalb der Einzelpläne des gen Verdrängungseffekte abzusichern. Bundesministeriums der Verteidigung und des Bundesministeriums des Innern vor- 240. Bei einer insgesamt kontinuierlichen zusehen. Die Haushaltsmittel für andau- Absenkung des Verteidigungshaushalts und ernde und damit planbare internationale gleichzeitigen einsatzbedingten Mehrausga- Einsätze sind in den ressortbezogenen ben im Betrieb musste der oben beschriebene Einzelplänen auszuweisen. Mechanismus immer wieder zu kurzfristigen Eingriffen in Beschaffungsvorhaben führen. Das hat nicht nur den bekannten Investitions- stau hervorgerufen, sondern führte überdies AUSRÜSTUNGSINVESTITIONEN auch immer wieder zu Kostensteigerungen bei Einzelvorhaben. Die Finanzierung von Ent- 242. In den neunziger Jahren wurde der wicklungs- und Beschaffungsvorhaben muss Verteidigungshaushalt wiederholt und zum daher neu gestaltet werden. Hierzu ist es er- Teil außerplanmäßig gekürzt. Während das forderlich, einem Vorhaben spätestens mit der Personal um etwa ein Drittel reduziert wurde, Entwicklungsentscheidung ein Gesamtbudget sind die Investitionen annähernd halbiert wor- zuzuweisen, das nicht überschritten werden den. So standen in den letzten Jahren lediglich darf und mit dem das Projekt zu verwirk- rund 8 Mrd. DM jährlich für Forschung und lichen ist. Das macht Anpassungen des Haus- Entwicklung und militärische Beschaffungen haltsrechts notwendig. zur Verfügung, was zu den bekannten Ausrüs- tungslücken und mangelnder Modernität des Die Kommission empfiehlt, im Rahmen Wehrmaterials führte. Im Haushaltsjahr 2000 des Entstehungsgangs von Wehrmaterial sind es circa 9,3 Mrd. DM. den Großvorhaben ein Gesamtbudget zu- zuweisen (Vorhabenbudgetierung). 243. Die Kommission hat den Ausrüstungs- bedarf für die nächsten zehn Jahre geschätzt. 241. Aus Gründen der Wahrheit und Klar- Sie hat sich dazu einen Überblick über den heit des Haushaltsrechts ist es erforderlich, al- Umfang der bestehenden Rüstungsvorhaben le von der Bundeswehr in Anspruch genom- des Verteidigungsministeriums und die damit menen Haushaltsmittel in einem einzigen Ein- verbundenen Kostenschätzungen verschafft: zelplan auszuweisen. Dieser Grundsatz findet Für den Zehnjahreszeitraum hat sie eine Sum- dort seine Grenze, wo ein unvorhergesehener me von etwa 140 Mrd. DM für Planungen Einsatz einen nicht geplanten Aufwand nach unterschiedlicher Verbindlichkeit vorgefunden, sich zieht. Das Prinzip der Planungssicherheit also etwa 14 Mrd. DM pro Jahr. erfordert in diesem Ausnahmefall eine Seiten- finanzierung. Die Kommission ihrerseits hält vor dem Hin- tergrund der vorgeschlagenen Verkleinerung der Streitkräfte und der von ihr festgestellten

137 Gemeinsame Sicherheit und Zukunft der Bundeswehr

Ausrüstungsprioritäten erhebliche Einsparun- bau von etwa 100.000 Soldaten reduziert die gen für möglich. Diesen Einsparungen stehen Personalkosten nach heutigem Kostenstand in geringerem Umfang solche Investitionen um etwa 3 Mrd. DM pro Jahr. Mit der Redu- gegenüber, die der Kommission für neue Auf- zierung des Zivilpersonals um etwa 40.000 gaben der Streitkräfte erforderlich erscheinen, Stellen kommen weitere etwa 2 Mrd. DM hin- wie zum Beispiel Transportschiffe und Trans- zu. Diesen Summen stehen Mehrkosten zur portflugzeuge. Attraktivitätssteigerung des Dienstes in der Bundeswehr, zur Freiwilligenwerbung und Auf dieser Grundlage schätzt die Kommis- zum sozialverträglichen Personalabbau ge- sion den investiven Finanzbedarf vom Jahre genüber. Der jährliche Rekrutierungsbedarf 2001 bis zum Jahre 2010 auf etwa 120 Mrd. von heute etwa 22.800 Freiwilligen steigt auf DM, das heißt im Durchschnitt 12 Mrd. DM rund 30.000 Soldaten an. Sie müssen weitge- pro Jahr. Die Kosten der Verteidigungsinitiati- hend über eine Organisation zur Freiwilligen- ve der NATO für die Bundeswehr sind darin werbung gewonnen werden. Die Kommission weitgehend enthalten. Rein rechnerisch wür- schätzt bei einer Prämie von DM 2.500 pro den im Vergleich zum Haushaltsansatz des Verpflichtungsjahr den zusätzlichen Finanz- Jahres 2000 jährlich rund 2,7 Mrd. DM fehlen. bedarf auf etwa 300 Mio DM pro Jahr. Hinzu kommen Besoldungs- und Laufbahnverbesse- 244. Die Kommission hält es für geboten, rungen. Sie könnten insgesamt eine Größen- den Anteil der Rüstungsinvestitionen am ordnung von rund 2,1 Mrd. DM pro Jahr er- Verteidigungshaushalt zu erhöhen. Sie kann reichen, wenn jedoch keine konkrete Rüstungsplanung vorschlagen. Es ist vielmehr Aufgabe des Grundwehrdienstleistende eine Sonderver- Bundesministers der Verteidigung, den Mehr- gütung von monatlich DM 1.200 erhalten, bedarf über die Jahre aufzuteilen. Die Höhe wie sie heute die FWDL bekommen (schät- des Mehrbedarfs bemisst sich im Übrigen vor zungsweise 360 Mio DM pro Jahr); allem danach, welche Konsequenzen aus der vorgeschlagenen tiefgreifenden Strukturre- FWDL wie die heute als Zeitsoldaten dienst- form der Streitkräfte entstehen. Der zusätzli- tuenden Mannschaften besoldet werden che Mittelbedarf wird dabei wegen der unver- (schätzungsweise 100 Mio DM pro Jahr); meidbaren Vorlaufzeit nicht sofort in voller Höhe entstehen. künftig als Zeitsoldaten diensttuenden Mannschaften das heutige Besoldungsni- veau der Unteroffiziere ohne Portepee zu- gebilligt wird (schätzungsweise 1,65 Mrd. PERSONALKOSTEN – DM pro Jahr). EINSPARUNGEN UND MEHRKOSTEN 246. Bei Zeitsoldaten ist der Personalumbau wegen der begrenzten Verpflichtungszeiten 245. Die vorgeschlagene Struktur der künf- leichter zu schaffen als bei Berufssoldaten, tigen Bundeswehr führt zu einem erheblich Beamten auf Lebenszeit und anderem unkünd- niedrigeren Personalumfang: Ein Stellenab- baren Personal. Für diese Personenkreise

138 REFORM UND HAUSHALT 244 >

dürften Anreize zum vorzeitigen Ausscheiden 249. Für die Bewirtschaftung der Grundstü- aus dem Dienst notwendig werden. Solche cke, Gebäude und Räume, die Unterhaltung Programme verursachen indessen im Vertei- der Infrastruktur und die Absicherung werden digungshaushalt nur dann zusätzliche Kosten, jährlich etwa 2,3 Mrd. DM aufgewendet. wenn sie finanzielle Abfindungen enthalten. Durch die Auflösung von Verbänden und die damit zugleich mögliche Reduzierung von 247. Insgesamt dürfte die Nettoentlastung Standorten und Liegenschaften können diese bei den Personalkosten am Ende der Um- Kosten erheblich gesenkt werden. Bei einer strukturierung mithin 2,5 – 3 Mrd. DM pro anvisierten Halbierung der Anzahl der Stand- Jahr betragen. Es bleibt aber festzuhalten, orte und Liegenschaften erscheint eine Ein- dass die attraktivitätssteigernden Mehrkosten sparung von schätzungsweise 1 Mrd. DM pro schon früh, die Einsparungen mit fortschrei- Jahr als realistisch. tendem Personalabbau erst später und in vol- lem Umfang erst am Ende der Umstrukturie- 250. Hinzu kommen Rationalisierungsge- rung eintreten werden. winne aus der Anwendung wirtschaftlicherer Verfahren, wie die Kommission sie vorge- schlagen hat. Aus Verkäufen sind auch Erlöse, aus Dienstleistungen Einnahmen zu erwarten, BETRIEBSKOSTEN – die dem Verteidigungshaushalt zufließen müs- EINSPARUNGEN UND sen. Ihnen werden allerdings Mehrkosten für MEHRKOSTEN den Übergang in neue Organisationsformen und Strukturen, für eine Verlegung und Zu- 248. Die Betriebskosten hängen von Um- sammenführung von Verbänden und Dienst- fang und Struktur der Streitkräfte und der An- stellen der Bundeswehr und für die einsatz- zahl der Standorte ab. Hierfür gibt die Bundes- nahe Ausbildung gegenüberstehen. wehr im Jahr 2000 rund 11 Mrd. DM aus.

Die Kommission hat tiefe Eingriffe in Um- fang und bestehende Strukturen empfohlen. STANDORTENTSCHEIDUNGEN Die damit einhergehende Außerdienststellung von militärischem Großgerät und die damit 251. Rasche Entscheidungen über die Stand- verbundenen Einsparungen wurden nur bei- orte und die künftige Stationierung der Bundes- spielhaft betrachtet. Aber allein durch die Vor- wehr sind nur möglich, wenn unverzüglich schläge, die Bestände an Kampf- und Schüt- mit der Ausplanung der Grob- und Feinstruk- zenpanzern sowie gepanzerter Artillerie in et- turen der Streitkräfte und der Bundeswehrver- wa zu halbieren, werden die Betriebskosten waltung und der Zuordnung des dafür benö- signifikant absinken. Der Betrieb eines Pan- tigten Personals begonnen werden kann. Ob zers LEOPARD 1 kostet 70.000 DM pro Jahr. und vor allem wie schnell Kostenreduzierun- Für den Betrieb eines Fahrzeugs M 113, von gen erreicht werden, hängt davon ab, wie weit dem es im Bestand der Bundeswehr noch et- wirtschaftliche Gesichtspunkte bei den Statio- wa 3.500 Stück gibt, müssen rund 20.000 DM nierungsentscheidungen berücksichtigt werden pro Jahr aufgewendet werden.

139 Gemeinsame Sicherheit und Zukunft der Bundeswehr

und wie rasch nicht mehr benötigte Verbände 254. Der Mehrbedarf wird nicht in jedem aufgelöst oder stillgelegt werden. Jahr in gleicher Höhe anfallen. Er wird nach moderatem Beginn mit den fortschreitenden Die Kommission empfiehlt, binnen eines finanzwirksamen Planungen und Vertragsab- Jahres über die künftigen Standorte und schlüssen anwachsen. Die Kommission hält die Stationierung der Bundeswehr zu ent- es aber für erreichbar, dass den vorgeschlage- scheiden. nen notwendigen Mehrausgaben langfristig Kosteneinsparungen in etwa gleicher Höhe gegenüberstehen (Abbildung 13).

ZUSAMMENFASSUNG UND 255. Die Bundeswehr wird sich auch in der BILANZ Reformphase ständig im Einsatz befinden. Das kann zu Verzögerungen und Friktionen 252. Die prognostizierten Kosteneinsparun- während der Umgliederung führen. Die Orga- gen lassen sich in voller Höhe erst nach Ein- nisations- und Strukturreform muss daher so nahme der neuen Personalstruktur und Ab- gestaltet werden, dass das innere Gefüge der schluss aller organisatorischen Veränderun- Streitkräfte intakt bleibt und ihre Führungs- gen bis hin zur Stationierung erzielen. Bis da- und Einsatzfähigkeit den gesamten Reform- hin sind lediglich – je nach Geschwindigkeit prozess hindurch garantiert ist. des Umbaus – Teileinsparungen zu erwirt- schaften. Sie können bereits zur Erhöhung des 256. Die Bundeswehr bedarf eines ver- Investitionsanteils genutzt werden. Vorausset- lässlichen, dem Postulat der Stetigkeit ge- zung ist, dass diese Mittel im Einzelplan 14 nügenden, aufgabengerechten Haushalts- verbleiben. rahmens für den gesamten Zeitraum der Neuausrichtung, also über den von der 253. Für eine Übergangszeit bis zur Ein- Mittelfristigen Finanzplanung abgedeck- nahme der neuen Bundeswehr-Struktur sind ten Zeitrahmen hinaus. Dieser Rahmen zusätzliche Haushaltsmittel erforderlich. Die dürfte sich in der Größenordnung der Mittel werden zum einen gebraucht, um damit derzeitigen Verteidigungsausgaben bewe- zu beginnen, die beschriebene Ausrüstungslü- gen. Für den Übergang werden zusätz- cke zu schließen und die im Rahmen der Neu- liche Mittel gebraucht (Anschubfinan- ausrichtung der Bundeswehr erforderlichen zierung).4 Nur so kann die Reform erfolg- Großprojekte und organisatorischen Verände- reich angegangen werden. Die Verfas- rungen zu finanzieren. Es muss jetzt in die sungsorgane müssen der Bundeswehr die langfristige Effizienz investiert werden. notwendige Planungssicherheit für den vor ihr liegenden schwierigen Weg geben. Zum anderen werden zusätzliche Mittel benö- tigt, um den Dienst in der Bundeswehr so at- traktiv auszugestalten, dass der notwendige 4 Die Kommissionsmitglieder Müller und Steinbach Nachwuchs gewonnen werden kann und zu- optieren dafür, den Rahmen der Mittelfristigen Finanz- gleich das vorzeitige Ausscheiden nicht mehr planung nicht zu verlassen. Die abweichende Auffassung benötigten Personals ermöglicht wird. ist im Anhang (S. 152f) beigefügt.

140 REFORM UND HAUSHALT 252 >

Abbildung 13: Kostenentwicklung im Übergang

Ausrüstungs- investitionen

+ ca. 3 Mrd DM heutige pro Jahr Höhe ≈

Zeit Personal- und Betriebs- kosten +

heutige + Höhe – ca. 3 Mrd DM pro Jahr ≈

Zeit =

Summe aller Verteidigungs- Zusätzliche Mittel ausgaben für den Übergang + heutige Höhe verstetigter ≈ Haushaltsrahmen

Zeit

141 anhang

ABWEICHENDE VOTEN – ANHANG 1

ABWEICHENDE VOTEN – ANHANG 1

Abweichendes Votum der Kommissions- qualitativen und quantitativen Bedarf einge- mitglieder Cordes, Hansen, Lutz, Müller, zogen würden, während die weit überwiegen- Schoppe und Steinbach zur Wehrform de Mehrheit wehrfähiger Wehrpflichtiger da- von ausgenommen bliebe. Nur derjenige Wehrpflichtige würde künftig überhaupt ei- nen Dienst leisten, der zum Grundwehrdienst Wir können uns der Empfehlung der Kom- tatsächlich aufgerufen wird: Entweder als mission nicht anschließen, den künftigen Grundwehrdienstleistender, oder aber, im Falle Friedensumfang der Streitkräfte auf 240.000 der Anerkennung als Kriegsdienstverweige- Soldaten mit einem Wehrpflichtigenanteil von rer, als Ersatzdienstleistender. Die breite Mehr- ca. 30.000 Mann festzulegen und Wehrpflich- heit aller Wehrpflichtigen würde zu keinerlei tige zu einem zehnmonatigen Grundwehr- Diensten herangezogen. dienst entsprechend dem Streitkräftebedarf nach dem Prinzip des Auswahlwehrdienstes Die berechtigte Forderung nach größtmög- einzuziehen. Statt dessen plädieren wir für licher Wehrgerechtigkeit könnte so keinesfalls den Übergang zu einer Freiwilligenarmee, die verwirklicht werden. Statt dessen würde im die konsequente Umsetzung des veränderten Ergebnis eine massive Wehrungerechtigkeit Einsatzprofils der Streitkräfte in die Praxis entstehen. Die staatspolitische Bedeutung der darstellt. Allgemeinen Wehrpflicht würde unterlaufen, indem sie zwar nicht de jure, aber faktisch Das Prinzip des Auswahlwehrdienstes soll si- durch eine Auswahlwehrpflicht ersetzt würde. cherstellen, daß nur so viele Wehrpflichtige künftig Grundwehrdienst leisten, wie nach Auch der durch die Allgemeine Wehrpflicht Auffassung der Kommissionsmehrheit sicher- angestrebten Integration der Streitkräfte in heitspolitisch benötigt werden. Damit soll die die Gesellschaft wäre nicht gedient. Über die personelle Regeneration des Freiwilligenan- Wehrdienstleistenden wäre die Verankerung teils, eine ausreichende Zahl von Soldaten für der Truppe in der Gesellschaft ohnedies nur den Dienst in der Grundorganisation der noch bedingt möglich; dazu wird ihre Ge- Streitkräfte, für einen begrenzten Aufwuchs samtzahl und ihr relativer Anteil an den der Streitkräfte im Verteidigungsfall sowie für Streitkräften zu gering sein. Zudem dürfte den Personalersatz im Einsatz sichergestellt sich die genannte Ungerechtigkeit negativ auf werden. Diesem sehr begrenzten jährlichen die Integration auswirken. Die Versuche, der Bedarf von ca. 30.000 Grundwehrdienstleis- Einberufung in letzer Minute noch zu entge- tenden stünde ein jährlich verfügbarer Ge- hen, würden zunehmen, bei den tatsächlich samtumfang von ca. 250.000 wehrfähigen Einberufenen würde sich Unmut über die als Wehrpflichtigen gegenüber, von denen gegen- nachteilig empfundenen Lebensumstände äu- wärtig ca. 120.000 einberufen werden. ßern. Bei jedem Einberufungszyklus würde eine neue Debatte über die Wehrpflicht unter Somit würde die Nutzung eines nur geringen der Perspektive gesellschaftspolitischer Unge- Teils des Gesamtbestandes zu einer gravie- rechtigkeit entfacht. Dem Ruf der Bundes- renden Benachteiligung derjenigen führen, wehr kann dies nicht gut tun. die von den Streitkräften entsprechend dem

147 Gemeinsame Sicherheit und Zukunft der Bundeswehr

Damit gründet sich die Empfehlung auf ein einen weitreichenden Eingriff in die freie Le- Prinzip, das verfassungsrechtlich kaum halt- bensgestaltung eines jungen männlichen Bür- bar, gesellschaftspolitisch nicht akzeptabel gers darstellt, der nur mit den unabdingbaren und somit auch politisch nicht durchsetzbar Sicherheitserfordernissen unseres Staates zu sein dürfte. Die Bestandskraft dieser Lösung rechtfertigen ist, ist gesellschaftspolitisch nicht ist infolgedessen ungesichert. Dadurch aber vertretbar und scheidet damit ebenso aus wie verliert diese Empfehlung vorhersehbar ihren die Option eines Auswahlwehrdienstes auf der Sinn als politische Handlungsgrundlage. Grundlage einer nur noch als Rechtsprinzip bestehenden, in der Einberufungspraxis aber Auch die möglichen Alternativen zu diesem nicht mehr realisierten Allgemeinen Wehr- Ansatz, die in der öffentlichen Diskussion pflicht. vorgeschlagen worden sind, tragen nicht: nämlich größtmögliche Wehrgerechtigkeit Beide Ansätze zur künftigen Wehrform – der durch einen über den eigentlichen Streitkräf- Auswahlwehrdienst wie die willkürliche Er- tebedarf hinausgehenden Wehrpflichtigenan- höhung des Bedarfs an Wehrpflichtigen – mit teil zu erreichen, oder aber durch eine gestaf- dem Ziel, die Allgemeine Wehrpflicht zu er- felte Ableistung eines verkürzten Grundwehr- halten, sind eher geeignet, dieses hohe Verfas- dienstes eine größtmögliche Zahl von wehrfä- sungsgut zu untergraben. Sie sind daher als higen Wehrpflichtigen einziehen zu können, Modelle einer künftigen Wehrform untauglich. sowie eine mögliche Kombination beider Al- ternativen. Gegenüber diesen grundlegenden Überlegun- gen sind die praktischen Vorteile des W-10- In allen diesen Fällen wäre nicht der zur Si- Modells marginal. Für die personelle Regene- cherheitsvorsorge für unseren Staat notwendi- ration von Längerdienenden beläuft sich das ge Bedarf der Streitkräfte an Wehrpflichtigen vermutliche zusätzliche Rekrutierungsperso- ausschlaggebend für die Anzahl einzuziehen- nal auf lediglich 10 % (3.000 Soldaten/Jahr). der Wehrpflichtiger, sondern die in diesem Für die verbleibenden 90 % bleibt auch das Zusammenhang sachfremde Erwägung größt- W-10-Modell darauf angewiesen, Kräfte auf möglicher Wehrgerechtigkeit. Vereinfacht aus- dem Arbeitsmarkt zu gewinnen. gedrückt: Die Mehrzahl unserer wehrfähigen Wehrpflichtigen würde nicht etwa deshalb Die strukturellen Aufwuchsmöglichkeiten lie- Wehrdienst leisten, weil sie für die Sicherheit gen bei W-10- und Freiwilligenmodell glei- unseres Staates gebraucht werden, sondern le- chermaßen bei 3 Brigaden; der Unterschied diglich, um angesichts eines sehr begrenzten besteht hier nur darin, daß die Auffüllung die- Bedarfs der Streitkräfte dennoch dem Prinzip ser Struktur durch die Einberufung einer grö- der Wehrgerechtigkeit Geltung zu verschaffen ßeren Zahl von Wehrpflichtigen unkompli- und damit ein Festhalten an der Allgemeinen zierter erscheint als durch die Einberufung Wehrpflicht zu ermöglichen. von (freiwilligen) Reservisten zu Übungen oder durch Mobilmachung. Die Durchsetzung dieses Prinzips ohne Rück- sicht auf die Tatsache, daß der Wehrdienst

148 ABWEICHENDE VOTEN – ANHANG 1 50 >

Auch die Möglichkeit, in Krisenlagen durch entsprechender Attraktivitätsmaßnahmen zu- die zusätzliche Einberufung einer höheren verlässiger beurteilt werden kann. Wehrpflichtigenzahl die Präsenzkräfte zu ver- stärken, besteht mangels der Strukturen, in der Vollzug des Grundwehrdienstes erst mit die diese Wehrpflichtigen eingegliedert wer- dem Abschluß der Übergangsphase ausge- den könnten, nur in begrenztem Maße. Im setzt werden bei gleichzeitiger Aufrechter- Übrigen ist seit 1968 von der Möglichkeit, die haltung der allgemeinen Wehrpflicht gem. Präsenzkräfte durch die Verfügungsbereitschaft Art. 12a GG. in einer Krisensituation zu verstärken, kein Gebrauch mehr gemacht worden. Ein deut- die Allgemeine Wehrpflicht ausgesetzt, aber licher sicherheitspolitischer Vorteil für das als grundrechtlich verankertes Rechtsprin- Modell des Auswahlwehrdienstes ergibt sich zip bis zu einem Zeitpunkt aufrechterhalten hieraus somit nicht. Keinesfalls werden die werden, zu dem die Sicherheitsvorsorge im Sondervotum des Kommissionsmitglieds dies nicht mehr erfordert und die Konsoli- Prof. Ipsen genannten verfassungsrechtlichen dierung der Freiwilligenstreitkräfte den Ver- und verfassungspolitischen Bedenken aufge- zicht darauf erlaubt. wogen. bis zu diesem Zeitpunkt die Wehrerfassung Ihnen kann nur durch die klare Zielsetzung auf der Grundlage einer fortbestehenden, begegnet werden, in einem absehbaren Zeit- aber zweckgerecht verkleinerten Wehrer- raum auf eine vollständig von Freiwilligen satzorganisation aufrechterhalten werden. getragene Wehrform überzugehen. Für den Übergang gibt es dann – bei sinkendem Wehr- pflichtigenanteil – freilich auch einen Aus- wahlwehrdienst. Er ist jedoch nicht bedenk- lich, da das Ende dieses Zustands festgelegt und der Übergangszeitraum kurz ist.

Hierzu sollte:

der Übergang von der gegenwärtigen Wehr- form zu Freiwilligenstreitkräften in einem Zeitraum von 4–6 Jahren nach Schaffung entsprechender legislativer Grundlagen voll- zogen werden.

ein Präsenzumfang von 220.000 als Ziel- größe angestrebt, der endgültige Umfang dieser Streitkräfte erst im Zuge des Über- ganges festgelegt werden, wenn das Frei- willigenaufkommen nach Wirksamwerden

149 Gemeinsame Sicherheit und Zukunft der Bundeswehr

Abweichendes Votum des Kommissions- der Minderheit von einem Viertel der wehr- mitglieds Ipsen zum Auswahl-Wehrdienst pflichtigen und tauglichen Bürger, die zur Ableistung des Grundwehrdienstes ausge- wählt und einberufen wird.

Die Entscheidung der Kommission, einen Aus- 4. Wenn also die Wehrpflicht in ihrer verfas- wahlwehrdienst zu empfehlen, nach dem nur sungsmäßigen Verankerung wie bisher als noch allenfalls ein Viertel der tauglichen Wehr- allgemeine Wehrpflicht erhalten bleibt, pflichtigen eines Geburtsjahrgangs zum Grund- dann ist keine tragfähige Begründung er- wehrdienst einberufen wird, halte ich aus fol- sichtlich, mit der man den Auswahlwehr- genden Gründen für verfassungswidrig: dienst als verfassungsmäßig kennzeichnen könnte. 1. Unser Grundgesetz enthält in seinem Art. 12a nach Wortlaut, Sinnzusammenhang 5. Die Feststellung, daß sich die Auswahl und Zweck – so die einhellige Rechtsauf- der Wehrpflichtigen nach dem Bedarf der fassung – die verfassungsrechtliche Grund- Streitkräfte richtet, ist eine rechtliche Selbst- lage für die allgemeine Wehrpflicht. Diese verständlichkeit, seitdem es das Wehr- schließt einen auf maximal ein Viertel der pflichtgesetz gibt. So bestimmt sich nach tauglichen Wehrpflichtigen beschränkten jahrzehntelang einheitlicher höchstrich- Auswahlwehrdienst von vornherein aus. terlicher Rechtsprechung die Auswahl der Dies folgt zwingend daraus, daß die allge- einzuberufenden aus den an sich verfüg- meine Wehrpflicht zugleich eine Ausprä- baren Wehrpflichtigen nach § 21 WPflG gung des im Grundgesetz verankerten all- allein nach dem Interesse der Bundeswehr gemeinen Gleichheitsgedankens ist. Des- an der optimalen Deckung ihres Personal- halb steht die Wehrpflicht, ihre Umset- bedarfs anhand der konkret gegebenen zung durch den Bundesgesetzgeber und Wehrersatzlage. ihre Handhabung durch die vollziehende Gewalt eindeutig und von niemandem be- 6. Aus der geltenden Verfassungs- und Ge- stritten unter dem Verfassungsgebot der setzeslage folgt daher: Bleiben verfügbare staatsbürgerlichen Pflichtengleichheit in Wehrpflichtige vom Wehrdienst verschont, Gestalt der Wehrgerechtigkeit. weil die Streitkräfte sie wegen vollständi- ger Deckung ihres Personalbedarfs nicht 2. Ein Auswahlwehrdienst, der von den wehr- benötigen, ist dies eine faktische Begüns- pflichtigen und tauglichen Staatsbürgern tigung, die dem verfassungsrechtlichen rund Dreiviertel gar nicht in Anspruch Gebot der Wehrgerechtigkeit und dem auf nimmt, verstößt gegen dieses Verfassungs- deren Verwirklichung gerichteten System gebot der staatsbürgerlichen Pflichten- des Wehrpflichtrechts zuwiderläuft. gleichheit. 7. Daraus folgt: Eine erhebliche und andau- 3. Damit verstößt der Auswahlwehrdienst zu- ernde Abnahme des Bedarfs der Streit- gleich gegen das Gleichheitsgrundrecht kräfte an Wehrpflichtigen (wie nach dem

150 ABWEICHENDE VOTEN – ANHANG 1

von der Kommission bevorzugten Modell ches gilt natürlich, falls der Auswahlwehr- bis auf ein Viertel des einberufbaren Jahr- dienst allein durch verwaltungsmäßige gangs) muß dem Gesetzgeber – sofern er Einberufungshandhabung verwirklicht wer- die allgemeine Wehrpflicht weiterhin auf- den soll. In diesem Fall wäre der Auswahl- rechterhalten will – unter dem Blickwin- wehrdienst darüber hinaus wegen Versto- kel des Gebots der Wehrgerechtigkeit ßes gegen den aus dem Rechtsstaatsgrund- zwingenden Anlaß geben, die Wehrdienst- satz folgenden Vorbehalt des Gesetzes ausnahmen und zugleich das Verhältnis verfassungswidrig. von Wehr- und Zivildienst neu zu regeln, um die von der Verfassung gebotene und 10. Der Auswahlwehrdienst erschiene mir al- gleichmäßige Heranziehung aller Wehr- lein als zeitlich klar begrenzte Lösung pflichtigen zu einer Dienstleistung sicher- und unter der Voraussetzung annehmbar, zustellen, wie der Wehrdienstsenat des daß er explizit als Erprobungs- und Über- Bundesverwaltungsgerichts 1993 richti- gangslösung gekennzeichnet wird, die mit gerweise festgestellt hat. einem terminierten Entwicklungsplan ver- bunden ist, der seinerseits auf eine verfas- 8. Die Absicht der Kommission, Wehrge- sungsmäßige Lösung ausgerichtet ist. Ein rechtigkeit dadurch anzustreben, daß die Auswahlwehrdienst auf unabsehbare Zeit Attraktivität des Grundwehrdienstes er- aber verstößt gegen die Wehrgerechtigkeit. höht wird, Wehrdienstleistenden bessere Einstiegsmöglichkeiten in Studium und Beruf eröffnet werden und der Wehrsold angehoben wird, entspricht bei allem lobenswerten Bemühen nicht der Wehr- gerechtigkeit im Sinne des Verfassungs- gebots der staatsbürgerlichen Pflichten- gleichheit und kann diese Pflichtengleich- heit weder rechtlich noch tatsächlich her- stellen.

9. Die Kommission hat sich zur rechtstech- nischen Umsetzung ihres Auswahlwehr- dienst-Modells nicht geäußert. Sollte aber die Einberufung nach Bedarf ohne Be- rücksichtigung des Verfassungsgebots der staatsbürgerlichen Pflichtengleichheit durch entsprechende Ergänzung des Wehrpflicht- gesetzes erfolgen, dann wäre das Wehr- pflichtgesetz angesichts der gem. Art. 12 a GG fortgeltenden allgemeinen Wehrpflicht insoweit eindeutig verfassungswidrig. Glei-

151 Gemeinsame Sicherheit und Zukunft der Bundeswehr

Abweichendes Votum der Kommissions- festgehalten. Mittel für die Stärkung der Zi- mitglieder Müller und Steinbach zum vilgesellschaft in Krisenregionen sind gering Kapitel „Reform und Haushalt“ und über mehrere Ressorts verstreut. Für die Abwehr des gegenwärtig größten Sicherheits- risikos, nämlich für Demontage der Massen- vernichtungswaffen Rußlands, leistet Deutsch- Die Arbeit der Kommission vollzog sich im land bislang nur einen marginalen Beitrag. Rahmen eines erweiterten Sicherheitsbegriffs. Im ersten Kapitel des Berichts ist dieser Be- Aus dieser Gesamtbetrachtung ergibt sich die griff mit den entsprechenden praktischen Kon- Notwendigkeit, alle sicherheitspolitisch rele- sequenzen entfaltet worden. Empfehlungen vanten Einzelhaushalte ausgewogen zu ge- zur Finanzierung der anstehenden Reform der wichten. Bundeswehr müssen dieses Gesamtspektrum von Sicherheit einbeziehen. Der Bedarf für den Umbau der Streitkräfte ist keine feste Größe. Er richtet sich vielmehr Sicherheit und Stabilität Deutschlands hängen nach dem Tempo, mit dem der Umbau ausge- in erster Linie von der Stärke des Wirtschafts- führt werden soll. Wie schnell er vor sich ge- standortes Deutschland ab. Die Konsolidie- hen soll, kann nur im Rahmen der Prioritäten rung der öffentlichen Haushalte bei gleichzei- des Gesamthaushalts endgültig entschieden tiger Steuerreform ist somit eine vorrangige werden. Die Entscheidung ergibt sich nicht Aufgabe auch unter sicherheitspolitischer Per- automatisch aus der Analyse des Zustands der spektive. Die Zukunftsfähigkeit Deutschlands Bundeswehr und den Empfehlungen für ihren beruht des Weiteren auf der Qualifikation sei- Umbau, sondern aus der Abwägung dieses ner Arbeitskräfte und den Leistungen seiner Belangs gegen die übrigen staatspolitischen Forschung. Die Sektoren Bildung und For- Notwendigkeiten, einschließlich der oben an- schung sind gegenwärtig im internationalen geführten Belange erweiterter Sicherheits- Vergleich unterfinanziert. Für die innere Sta- politik. bilität bleibt der Aufbau Ost wichtigste Auf- gabe. Hierfür sind weiter erhebliche Finanz- Innerhalb der Haushaltsteile des Einzelplans 14 mittel erforderlich. ergeben sich erhebliche Einsparungsmöglich- keiten, die im Kommissionsbericht nicht voll- Im engeren Bereich der Sicherheitspolitik ist ständig quantifiziert werden konnten. Einspa- an erster Stelle die Erweiterung der Europäi- rungen im Personalhaushalt werden durch die schen Union zu nennen. Die Ausdehnung ih- Einberufung einer geringeren Zahl von Wehr- res Stabilitätsraums nach Osten dient der Si- pflichtigen und den Abbau der Zahl von Be- cherheit keines anderen Landes so sehr wie rufssoldaten und Zivilbediensteten unmittel- der unseren. Sie wird viel Geld kosten. bar wirksam. Auch die Möglichkeiten, im Be- trieb mit geringeren Mitteln wirksamer zu Dies gilt auch für die nicht-militärische Kri- wirtschaften, liegen im Milliardenbereich. senprävention, insbesondere die Entwick- Selbst im investiven Haushaltsteil – der er- lungshilfe, wie im ersten Kapitel des Berichts höht werden muß – lassen sich durch einen

152 ABWEICHENDE VOTEN – ANHANG 1 50 >

gestrafften Beschaffungsgang erhebliche Mittel sondern um Sozialausgaben. Sie sind erfor- freisetzen; insofern scheint uns der von der derlich, damit die angestrebten Einsparungen Kommissionsmehrheit auf 120 Mrd DM be- bei den Personalausgaben schnellstmöglich zifferte Investitionsbedarf nicht endgültig ge- realisiert werden können und die Reform an sichert. Dynamik gewinnt.

Haushaltszwänge erzeugen Reformdruck. Um Dies kann bedeuten, daß der Umbau der daraus die erforderlichen Anreize zu formen, Streitkräfte langsamer vorankommen wird, als um das vorhandene Einsparungspotential zu die Kommissionsmehrheit sich dies wünscht. verwirklichen, hat die Kommission eine Reihe Mit dem Blick auf die Gesamtaufgaben des von Vorschlägen erarbeitet, die wir voll mit- Staates muß diese Verzögerung gegebenen- tragen. Hierbei geht es um die Umstellung falls in Kauf genommen werden. In der Über- von kameralistischem auf betriebswirtschaft- gangszeit ist darauf zu achten, daß der liches Wirtschaften. Sie soll Mittel freisetzen, Bundeswehr nur solche Aufgaben – vor allen die zugunsten des Investivhaushaltes umge- Dingen im Einsatz – zugemutet werden, die schichtet werden. Dies setzt voraus, daß dieje- sie aufgrund der jeweils bereits erreichten nigen erwirtschafteten Beträge, die über den Leistungssteigerungen realistischerweise er- in der mittelfristigen Finanzplanung geforder- füllen kann. ten Beitrag des BMVg zur Konsolidierung des Bundeshaushaltes hinausgehen, in der Verfügung des Ministeriums verbleiben müs- sen. Die genannten Anreize können aber nur dann wirksam werden, wenn nicht gleichzei- tig die Garantie einer Fehlbedarfsfinanzierung gegeben wird; hierauf laufen die Empfehlun- gen der Kommissionsmehrheit für die „An- schubfinanzierung“ jedoch mit großer Wahr- scheinlichkeit hinaus. Der unbedingt notwen- dige Reformdruck wird dadurch aufgehoben.

Aus diesen Gründen sollte sich der Verteidi- gungshaushalt in dem von der mittelfristigen Finanzplanung vorgegebenen Rahmen be- wegen und sich in den nachfolgenden Jahren vergleichbar zum Gesamthaushalt entwickeln. Notwendig ist in erster Linie Planungssicher- heit. Zusätzliche Mittel sind lediglich bereit- zustellen, um das vorzeitige Ausscheiden von Soldaten und Zivilbediensteten im Zuge der Verkleinerung der Streitkräfte bereitzustellen. Es handelt sich hier nicht um Verteidigungs-,

153

DIE ARBEIT DER KOMMISSION – ANHANG 2

DIE ARBEIT DER KOMMISSION – ANHANG 2

Die Arbeit der Kommission Die Arbeitsgruppen konnten sich auf eine Reihe von externen Studien, Zuarbeit des Die Kommission „Gemeinsame Sicherheit und Ministeriums, Anhörungen von ausgewählten Zukunft der Bundeswehr“ nahm am 3. Mai Sachverständigen und Vorbereitungen des Sek- 1999 ihre Arbeit auf. Am selben Tag legte das retariats stützen. Sie stimmten ihre Ergebnisse Bundesministerium der Verteidigung eine Be- untereinander ab und trugen im Plenum der standsaufnahme vor, in der die aktuellen per- Kommission regelmäßig vor. Damit war die sonellen, finanziellen, organisatorischen und Kommission als Ganze in der Lage, den Ar- materiellen Bedingungen der Bundeswehr zu- beitsfortschritt zu begleiten, sich die Einzel- sammengetragen und bewertet wurden. Sie ergebnisse zu Eigen zu machen, sie zu harmo- diente der Kommission als Einstieg in ihre nisieren und zu Empfehlungen zusammenzu- Beratungen. fassen.

Zunächst wandte sich die Kommission den Auf dieser Grundlage entstand bis Anfang sicherheitspolitischen und völkerrechtlichen März 2000 ein erster Berichtsentwurf. Die Entwicklungen zu. Unter Heranziehung von folgenden Kommissionssitzungen dienten der Experten untersuchte sie die internationale inhaltlichen und redaktionellen Überarbei- Rolle und die Interessen der Bundesrepublik tung des Gesamtberichts. Die Schlusslesung Deutschland und analysierte vor diesem Hinter- fand am 11. Mai 2000 statt. grund die Risiken. Anschließend verständigte sie sich auf Arbeitshypothesen zu den künfti- gen Fähigkeiten der Bundeswehr und legte damit den Grundstein für die weiteren vertei- Anlage 1 Die Gäste der Kommission und digungspolitischen und streitkräftespezifischen ihrer Arbeitsgruppen Beratungen. Anlage 2 Gutachten Aufgrund der Entscheidung der Kommission, ihre Empfehlungen über die Zukunft der Bun- Anlage 3 Die Mitglieder des Sekretariats deswehr nicht wie im Auftrag vorgesehen im der Kommission September, sondern bereits im Mai 2000 der Bundesregierung zu übergeben, hätte nicht je- des Detail im Plenum untersucht werden kön- nen. Deshalb wurden im Herbst 1999 drei Ar- beitsgruppen gebildet: zu den Themenfeldern Wehrform und Personal, Organisation und Struktur sowie Ausrüstung und Beschaffung berieten sie die jeweils sehr komplexen Unter- suchungsgegenstände bis Ende Februar 2000.

157 Gemeinsame Sicherheit und Zukunft der Bundeswehr

158 DIE ARBEIT DER KOMMISSION – ANHANG 2

Anlage 1 – Die Gäste der Kommission und ihrer Arbeitsgruppen

1. Gäste der Kommission 2. Gäste der Arbeitsgruppen

General Wesley K. Clark Konteradmiral Jörg Auer Oberster Befehlshaber der NATO-Streitkräfte Chef des Stabes, Führungsstab der Streit- in Europa kräfte

Hans Eichel Ministerialdirektor Walter Biederbick Bundesminister der Finanzen Abteilungsleiter Personal-, Sozial- und Zentralangelegenheiten im Bundesminis- Prof. Dr. Antonius Eitel terium der Verteidigung Ehemaliger deutscher Botschafter bei den Vereinten Nationen Christian Bieling Sonderbeauftragter für Rationalisierung François Heisbourg im Bundesministerium der Verteidigung Direktor des Genfer Zentrums für Sicher- heitspolitik Erster Direktor beim Bundesamt für Wehr- technik und Beschaffung Hans Birner Dr. Wilhelm Höynck Abteilungsleiter Kraftfahrzeug und Geräte- Ehemaliger Generalsekretär der Organisation technik im Bundesamt für Wehrtechnik und für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa Beschaffung

Wolfgang Ischinger Dr. Manfred Bode Staatssekretär des Auswärtigen Amts Firma Kraus Maffei-Wegmann

General Hans Peter von Kirchbach Franz H.U. Borkenhagen Generalinspekteur der Bundeswehr Stellvertreter des Leiters Planungsstab im Bundesministerium der Verteidigung Rudolf Scharping Bundesminister der Verteidigung Dr. Axel Born McKinsey&Company, Inc. Otto Schily Bundesminister des Innern Manfred Braitinger Industrieanlagen-Betriebsgesellschaft

Oberst i.G. Hanspeter Broekelschen Referatsleiter Planung, Organisation und Angelegenheiten der truppendienstlichen Führung der Zentralen Militärischen Dienst- stellen der Bundeswehr; Führungsstab der Streitkräfte

159 Gemeinsame Sicherheit und Zukunft der Bundeswehr

Dr. Günther Crostack Frank Goldammer KPMG Unternehmensberatung GmbH Bundesverband der Deutschen Industrie

Generaloberstabsarzt Dr. Karl W. Demmer Direktor beim Bundesamt für Wehrtechnik Inspekteur des Sanitätsdienstes der und Beschaffung Dr. Wilhelm Gräper Bundeswehr Unterabteilungsleiter Technische Ablauf- verfahren im Bundesamt für Wehrtechnik Generalmajor Heinz-Peter Dicks und Beschaffung Direktor, NATO C3 Agentur Ministerialrat Theodor Grewenig Dr. Peter Ebeling Referatsleiter Revision, Org-Prüfung, Industrieanlagen-Betriebsgesellschaft Personalbemessung; Organisationsstab im Bundesministerium der Verteidigung Rolf Ebing Stute Verkehrs-GmbH Fregattenkapitän Uwe C. Günther Referent beim Sonderbeauftragten für Ministerialdirigent Dirk Ellinger Rationalisierung im Bundesministerium Unterabteilungsleiter Forschung und der Verteidigung Technologie, Allgemeine Wehrtechnik im Bundesministerium der Verteidigung Philip von Haehling Kienbaum Management Consultants Benno Ertmann Stellvertreter des Inspekteurs der Luftwaffe Generalstabsarzt Dr. Bernhard Häfner Stellvertreter des Inspekteurs des Sanitäts- Erster Direktor beim Bundesamt für Wehr- dienstes der Bundeswehr und Chef des technik und Beschaffung Stabes der Inspektion des Sanitätsdienstes Dr. Hans-Werner Fieweger Abteilungsleiter Fernmeldetechnik und Erster Direktor beim Bundesamt für Wehr- Elektronik im Bundesamt für Wehrtechnik technik und Beschaffung Dirk Hager und Beschaffung Abteilungsleiter Zentrale Verwaltungs- angelegenheiten im Bundesamt für Wehr- Horst Gade technik und Beschaffung Knight Wendling Consulting GmbH Ministerialrat Tjark Happach Jürgen Galla Leiter Zentrales Controlling Rüstung im Deutsche Telekom AG Bundesministerium der Verteidigung

Vizepräsident Elmar Göbel Werner Heinzmann Vizepräsident (Technik) im Bundesamt für Mitglied des Vorstands der DaimlerChrysler Wehrtechnik und Beschaffung Aerospace AG

160 DIE ARBEIT DER KOMMISSION – ANHANG 2 50 >

Konteradmiral Bernd Heise Dr. Melanie Kuns Stellvertreter des Inspekteurs der Marine und Kienbaum Management Consultants Chef des Stabes Führungsstab der Marine Dr. Gerhard Kunz Dr. Axel Homburg KPMG Unternehmensberatung GmbH Vorsitzender des Arbeitskreises Vertei- digungswirtschaft beim Bundesverband Kapitän z.S. Heinrich Lange der Deutschen Industrie Referatsleiter Konzeption und planerische Vorgaben, Internationale Zusammenarbeit; Jürgen Hugo Führungsstab der Marine St. Gallen Consulting Group i.G. Manfred Lange Ministerialdirektor Dr. Karl Johanny Referatsleiter Konzeption der Bundeswehr; Abteilungsleiter Wehrverwaltung, Infrastruk- Führungsstab der Streitkräfte tur und Umweltschutz im Bundesministerium der Verteidigung Brigadegeneral a.D. Franz Ferdinand Lanz Präsident des Förderkreises Deutsches Heer Ministerialdirektor Dr. Joerg Kaempf e.V. Hauptabteilungsleiter Rüstung im Bundes- ministerium der Verteidigung Ministerialdirigent Matthias Leckel Unterabteilungsleiter Wehrverwaltung und Karl Otto Kindinger Wehrersatzwesen im Bundesministerium Referent beim Sonderbeauftragten für der Verteidigung Rationalisierung im Bundesministerium der Verteidigung Oberst i.G. Eckhard Lisec Referatsleiter Fernmeldeversorgung der Kapitän z.S. Dr. Horst-D. Kolletschke Bundeswehr, Fermeldesystem der Bundes- Referatsleiter Rüstung/Nutzung Schwimmen- wehr, Fernmeldesysteme internationaler de Waffensysteme; Führungsstab der Marine Organisationen; Führungsstab der Streitkräfte

Dr. Ernst Otto Krämer Ministerialdirigent Heinrich Lohmann Vorstandsvorsitzender der Vereinigung Beauftragter für die Verbesserung der Wirt- Wehrtechnisches Gerät schaftlichkeit beim Einsatz von Haushalts- mitteln in der Bundeswehr im Bundesminis- Oberst i.G. Eckehard Kügler terium der Verteidigung Referatsleiter Planungskontrolle, Rüstung; Führungsstab der Streitkräfte Michael Lorenz Kienbaum Management Consultants Generalleutnant Harald Kujat Leiter Planungsstab im Bundesministerium Friedrich Lürßen der Verteidigung Firma Lürssen Werft

161 Gemeinsame Sicherheit und Zukunft der Bundeswehr

Vizeadmiral Hans Lüssow General a.D. Klaus Naumann Inspekteur der Marine Ehemaliger Generalinspekteur der Bundes- wehr Brigadegeneral Ernst Lutz Stabsabteilungsleiter Planung; Ministerialdirektor Hanspeter Oelmeier Führungsstab der Streitkräfte Abteilungsleiter Haushalt im Bundesminis- terium der Verteidigung General a.D. Ulrich de Maizière Ehemaliger Generalinspekteur der Bundes- Brigadegeneral Jan Oerding wehr Stabsabteilungsleiter Führung, Konzeption, Einsatzgrundsätze; Führungsstab des Heeres Dr. Ferdinand Graf Wolff Metternich St. Gallen Consulting Group Erster Direktor beim Bundesamt für Wehr- technik und Beschaffung Generalleutnant Hartmut Moede Rolf-Rüdiger Petereit Stellvertreter des Generalinspekteurs der Abteilungsleiter Waffen und Flugkörper- Bundeswehr und Inspekteur der Zentralen systeme im Bundesamt für Wehrtechnik Militärischen Dienststellen der Bundeswehr und Beschaffung

Erster Direktor beim Bundesamt für Wehr- Präsident Detlev Petry technik und Beschaffung Hans-Josef Molitor Präsident des Bundesamtes für Wehrtechnik Abteilungsleiter Betriebsstoffe und Aus- und Beschaffung stattung im Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung Generalleutnant Rolf Portz Inspekteur der Luftwaffe Rudolf Müller KPMG Unternehmensberatung GmbH Oberst i.G. Karl-Heinz Quast Referatsleiter Grundsatzangelegenheiten Leitender Baudirektor Dr. Ulrich Möllhoff Rüstung/Nutzung Heer einschl. internatio- Leiter Zentralcontrolling im Bundesamt für naler Zusammenarbeit; Führungsstab des Wehrtechnik und Beschaffung Heeres

Brigadegeneral Karl-Heinz Münzner Ministerialdirigent Gerhard Quiske Stabsabteilungsleiter Planung, Rüstung Leiter Organisationsstab im Bundesminis- und Nutzung, Logistik, Sanitätsdienst; terium der Verteidigung Führungsstab des Heeres Brigadegeneral Egon Ramms Generalarzt Dr. Bernhard Nakath Stabsabteilungsleiter Logistik und Infra- Unterabteilungsleiter Sanitätswesen, struktur; Führungsstab der Streitkräfte Inspektion des Sanitätsdienstes

162 DIE ARBEIT DER KOMMISSION – ANHANG 2 50 >

Generalmajor Walter Rasimowitz Dr. Jürgen Schrader Stellvertreter des Abteilungsleiters Personal-, McKinsey&Company, Inc. Sozial- und Zentralangelegenheiten im Bundesministerium der Verteidigung Ministerialrat Reinhard Schütte Referatsleiter Organisation des Rüstungs- Dr. Felix Rehder bereichs; Hauptabteilung Rüstung im KPMG Unternehmensberatung GmbH Bundesministerium der Verteidigung

Brigadegeneral Eckhard Rieger Erster Direktor beim Bundesamt für Wehr- Stellvertreter des Kommandeurs Luftwaffen- technik und Beschaffung Heinrich Schütz unterstützungskommando; im Auftrag Abteilungsleiter Schiffe, Schiffsgerät und Inspekteur der Luftwaffe Unterwasserwaffen im Bundesamt für Wehr- technik und Beschaffung Brigadegeneral Peter Röhrs Stabsabteilungsleiter Militärisches Nachrich- Ministerialdirigent Dr. Fredy Schwierkus tenwesen; Führungsstab der Streitkräfte Unterabteilungsleiter Allgemeine Rechts- angelegenheiten im Bundesministerium der Flottillenadmiral Karl-Wilhelm Rosberg Verteidigung Stabsabteilungsleiter Logistik, Material und Rüstung; Führungsstab der Marine Oberstarzt Dr. Hartmut Siebertz Referatsleiter Konzeption, Führung und Ein- Oberst i.G. Gero L.K. Schachthöfer satz des Sanitätsdienstes, Internationale fach- Referatsleiter Konzeption, Weiterentwick- dienstliche Beziehungen, Sanitätsdienstlicher lung der Luftwaffe; Führungsstab der Beitrag zur Bundeswehrplanung; Inspektion Luftwaffe des Sanitätsdienstes

Vizepräsident Dr. Knut Schloenbach Oberstarzt Dr. Thorsten Sohns Vizepräsident (Wirtschaft) im Bundesamt für Stellvertreter des Kommandeurs und Leiter Wehrtechnik und Beschaffung des Bereichs Studien und Wissenschaft der Sanitätsakademie der Bundeswehr; im Auf- Helmut Schmidt trag Führungsstab der Streitkräfte Bundeskanzler a.D. Stephan K.W. Stamm Erster Direktor beim Bundesamt für Wehr- St. Gallen Consulting Group technik und Beschaffung Volker Schmitt Abteilungsleiter Luftfahrzeuge und Luft- Antje Steffen fahrtgerätetechnik im Bundesamt für Wehr- KPMG Unternehmensberatung GmbH technik und Beschaffung Ministerialdirigent Wolfgang Stolp Generalmajor Wolfgang Schneiderhan Unterabteilungsleiter Rüstung und Planung Stabsabteilungsleiter Militärpolitik und Rüs- im Bundesministerium der Verteidigung tungskontrolle, Führungsstab der Streitkräfte

163 Gemeinsame Sicherheit und Zukunft der Bundeswehr

Ministerialdirektor Michael Streffer Oberst i.G. Rüdiger Wolk Abteilungsleiter Recht im Bundesminis- Referatsleiter Bundeswehrplanung/Realisie- terium der Verteidigung rungskontrolle; Führungsstab der Luftwaffe

Dr. Walther Stützle Staatssekretär, Bundesministerium der Verteidigung

Generalleutnant Edgar Trost Stellvertreter des Inspekteurs des Heeres

Peter Vondung Zentralverband Elektrotechnik- und Elektro- industrie e.V.

Ministerialdirektor Dr. Hans-Heinrich Weise Abteilungsleiter Rüstung im Bundesminis- terium der Verteidigung

Direktor beim Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung Hans-Heinrich Weske Unterabteilungsleiter Zentrale Grundsatz- angelegenheiten auf wirtschaftlichem Gebiet im Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung

Erster Direktor beim Bundesamt für Wehr- technik und Beschaffung Heinz Weßling Abteilungsleiter Informationstechnik im Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung

Dr. Uwe Wiemken Fraunhofer-Institut für Naturwissenschaft- liche Trendanalysen INT

Generalleutnant Helmut Willmann Inspekteur des Heeres

Professor Dr. Michael Winkels Knight Wendling Consulting GmbH

164 DIE ARBEIT DER KOMMISSION – ANHANG 2 50 >

Anlage 2 – Gutachten

Themen Gutachter

1. Neuordnung der Führungsorganisation SCG St.Gallen Consulting Group in Frank- furt am Main GmbH, Frankfurt

2. Abbau von Redundanzen in der Arthur Andersen Managementberatung Ausbildungsorganisation GmbH, Hamburg

3. Optionen für mehr Effizienz in der Rüstung Industrieanlagen-Betriebsgesellschaft mbH, Ottobrunn

4. Optionen für mehr Effizienz Knight Wendling Consulting GmbH, des logistischen Systems der Bundeswehr Düsseldorf

5. Optionen für mehr Effizienz a. KPMG, Hamburg des Sanitätsdienstes der Bundeswehr b. Kienbaum Management Consultants (Studie wurde zweimal vergeben) GmbH, Düsseldorf

6. Reformkonzepte für die Deutsche Dr. Hans-Georg Ehrhart Bundeswehr: Eine Synopse

7. Parametrische Untersuchungen zu Personal- Prof. Dr. Reiner K. Huber umfängen und Verteidigungsausgaben

8. European National Security Capabilities Dr. Robbin F. Laird in 2010: An American Perspective on Alternative Scenarios

165 Gemeinsame Sicherheit und Zukunft der Bundeswehr

166 DIE ARBEIT DER KOMMISSION – ANHANG 2 50 >

Anlage 3 – Die Mitglieder des Sekretariats der Kommission

Ministerialdirigent Dr. Hilmar Linnenkamp

Oberst i.G. Hartwig Tarnowski

Regierungsdirektor Hubert Blahnik

Oberstleutnant i.G. Dr. Henning Hars

Oberstleutnant i.G. Walter Huhn

Fregattenkapitän Karsten Schneider

Regierungsdirektor Dr. Andreas Struzina

Baudirektorin Dr. Irmtraud Taufer-Knöpfel

Oberfeldarzt Dr. Michael Zallet

Direktor und Professor Bernhard Fleckenstein (Januar–Mai 2000)

Heinz-Willy Draut

Angelika Kessel

Waltraud Klöckner

Ute Mormina

Maria Seehusen

Caterina Terranova

167

STICHWORTVERZEICHNIS – ANHANG 3

Bei den Stichworten wird auf die Ziffern des Berichts verwiesen.

STICHWORTVERZEICHNIS – ANHANG 3 A >

Auswahl-Wehrdienst · 9, 86, 87, 98, 102, 103, 105, 106, A 107, 109, 122, 183 ABC-Abwehr · 198 Auswerte- und Analysezentrum · 132 ABC-Waffen-Staaten · 24 AWACS · 10, 53 Abfindungen · 115, 246 Ablöse- und Verstärkungskräfte · 70 B Abrüstung · 24, 45 Abstands- und Präzisionsfähigkeit · 192, 196 B- und C-Waffen · 198 Abteilung Haushalt · 129, 131 Balkan · 31, 49, 52 Abteilung Personal-, Sozial- und Zentralangelegenheiten · Bedarf der Streitkräfte · 9, 87, 98, 99, 107, 186, 202 131, 232 bedarfsbezogen · 86, 111 Abteilung Recht · 131 Bedarfsdecker · 190 Abteilung Wehrverwaltung, Infrastruktur und Umwelt- Bedarfsträger · 190 schutz · 131 Bedrohung · 15, 16, 19, 20, 24, 25, 65, 77, 83, 90, 153, Abteilung Rüstung · 131 165, 166, 197, 198 Abteilungsleiter Rüstung · 140, 141 Behandlungszentren · 175, 177 Agentur · 189, 227 Beitrag zur Bündnisverteidigung · 7 Aggression · 75, 191, 200 Berlin · 10, 27, 28, 132, 133, 231 allgemeine Dienstpflicht · 103 Berufs- und Zeitsoldaten · 83, 91, 94, 95, 96, 101, 107, alliierte Truppen · 125 112, 113, 114, 116, 120, 231, 245, 246 Amerika · 27 Berufsbildungs- und Berufsförderungsmaßnahmen · 120 Amt für Nachrichtenwesen der Bundeswehr · 132 Beschaffung · 10, 50, 53, 56, 57, 69, 187, 189, 192, 193, Anschubfinanzierung · 256 195, 197, 208, 227 Anwärterbezüge · 119 Beschaffungsvorhaben · 185, 240 Atlantische Allianz · 18 Besoldung · 96, 119, 121, 122, 239 Atlantisches Bündnis · 15 Betrieb · 6, 10, 50, 53, 56, 57, 58, 69, 174, 193, 200, atomare, biologische und chemische Kampfmittel · 198 240, 248 Attraktivität · 10, 12, 96, 100, 113, 114, 118, 120, 122, Betriebskosten · 4, 12, 238, 239, 248 228, 229, 235 bewaffneter Such- und Rettungsdienst (CSAR) · 199 Aufgabe der Kommission · 2 Bewaffnung · 6, 49, 75, 79, 184, 192, 196 Aufklärung · 10, 20, 49, 50, 56, 68, 69, 80, 132, 153, Bildung · 181, 211, 213, 228 158, 160, 193, 199, 203, 204 Blauhelm-Mission · 41, 64 Auftrag der Bundeswehr · 6, 63, 85, 208 Block-Konfrontation · 5, 84 Aufwuchs · 9, 10, 65, 75, 144, 155, 178, 181 Bosnien-Herzegowina · 17, 39, 42 Ausbildung · 2, 10, 50, 52, 53, 54, 56, 70, 83, 88, 101, Bundesakademie für Wehrverwaltung und Wehrtechnik · 118, 119, 120, 153, 154, 172, 176, 179, 180, 211, 232 228, 229, 250 Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung · 189 Ausbildungsbrigaden · 154 Bundesministerium der Verteidigung · 128, 131, 133, Ausbildungsorganisation · 53, 89, 94 201 Auslandseinsätze · 135, 169, 179, 180 Bundesnachrichtendienst · 132 Ausrüstung · 2, 3, 6, 10, 12, 49, 70, 75, 79, 82, 150, 151, bundeswehr-gemeinsam · 185, 221, 232 156, 181, 184, 186, 191, 195, 196, 198, 199, 203, Bundeswehrkrankenhäuser · 174 204, 243 Bundeswehrplanung · 10, 140 Ausrüstungsinvestitionen · 242 Bundeswehr-Struktur · 253 Ausrüstungslücken · 193, 235, 242 Bundeswehrverwaltung · 117, 127, 190, 208, 251 Ausrüstungsplanung · 140, 191, 199 Bündnis · 1, 14, 46, 60, 65, 67, 75, 77, 85, 88, 94, 125, Ausrüstungsprioritäten · 243 142, 167, 215 Ausschöpfung · 97, 110, 117 Bündnis- und Landesverteidigung · 65, 88 Außerdienststellung · 248 Bündnisbeitrag · 155, 162, 167 Aussetzung der Wehrpflicht · 89, 91 Bündnisfähigkeit · 72 Aussonderung · 200 Bündnisverteidigung · 6, 10, 61, 64, 65, 74, 75, 82, 84, 101, 144, 155, 162, 191

171 Gemeinsame Sicherheit und Zukunft der Bundeswehr

Erprobungsphase · 106 C erweiterte Luftverteidigung · 197 Charta der VN · 38, 41, 63 Eskalationskontrolle · 108 Chef-Controller · 140 Euro-Atlantischer Partnerschaftsrat (EAPR) · 35 chemische und biologische Waffen · 25 euro-atlantischer Raum · 24, 34, 71 Controlling · 10, 128, 129, 210, 216, 217, 218, 219, 220, EUROFIGHTER · 53, 196 232 Eurokorps · 47 Europa · 5, 13, 27, 28, 33, 35, 38, 42, 57, 59, 167, 186 europäische Armee · 48 D europäische Integration · 26, 28, 48, 186 Dauer des Grundwehrdienstes · 86, 101, 102 europäische Kooperation · 221 Dekontaminationsverfahren · 198 europäische Rüstungskooperation · 186 Demonstratoren · 187 Europäische Sicherheits- und Verteidigungsidentität Depotsystem · 75 (ESVI) · 36 deutsches Kontingent · 136 Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik deutsch-französische Brigade · 150 (ESVP) · 29, 36, 58, 201 Dienstposten · 86, 105, 116, 118, 178 Europäische Union · 6, 10, 13, 18, 24, 26, 28, 29, 31, 32, Dienstsitz · 133 33, 36, 37, 40, 47, 48, 49, 50, 52, 53, 54, 58, 59, 60, Divisionskommandos · 151, 153, 154, 155, 163 78, 135, 191, 200, 201, 202, 206, 207 Duplizierungen · 56 europäische Verteidigung · 59, 60 europäischer Eingreifverband · 55 Europäischer Gerichtshof · 123 E Europäischer Rat · 47 Effizienz · 189, 225, 253 europäischer Verhaltenskodex für Rüstungsexporte · 206 Einberufung · 9, 76, 86, 87, 89, 90, 97, 98, 99, 105, 108, Europäisches Lufttransportkommando · 195 170 Europäisierung · 57, 231 Einsatzbrigaden · 150, 151, 154, 155 European Aeronautic Defense and Space Company Einsätze im Ausland · 136, 221 (EADS) · 58 Einsatzfähigkeit · 4, 49, 113, 255 EU-Sicherheitsakademie · 54 Einsatzführung · 10, 43, 73, 126, 135, 136, 147, 151, Eventualfallplanungen · 162 159, 168, 169 Einsatzführungskommando · 136 F Einsatzkontingente · 7, 80, 158 Einsatzkräfte · 4, 7, 10, 67, 70, 74, 76, 80, 81, 82, 85, 87, fachärztliche Versorgung · 173 88, 101, 111, 118, 142, 150, 154, 157, 170, 172, 176, fachdienstliche Verantwortung · 176 179, 197 Fähigkeiten · 2, 13, 49, 56, 64, 65, 67, 68, 70, 72, 75, 77, Einsatzlazarette · 174, 177, 195 95, 141, 160, 170, 191, 195, 203, 204 Einsatzplanungen · 125 Fahrzeuge · 204 Einsatzrat · 134 Feldwebelausbildung · 119, 122 Einsatzraum · 66 Feldwebellaufbahn · 119 Einsatzunterstützung · 74, 136, 147, 158, 161, 163, 168, Finanzen · 2, 128, 129, 216, 219, 220 169, 221 Flexibilität · 109, 189 Einsparungen · 57, 116, 139, 243, 245, 247, 248 Flugkörper · 197 Elektronische Kampfführung · 203 Forderungen · 3, 4, 51, 58, 140, 184, 188 Embargo · 143 Forschung und Entwicklung · 203 Entstehungsgang Wehrmaterial · 187, 190, 201 Frankreich · 28, 46, 47, 72, 79, 186 Entwicklungs- und Beschaffungszeiten · 184 Frauen · 10, 41, 122, 123, 124, 146, 212 Entwicklungshilfe · 17, 41 Freiheitsrechte des Staatsbürgers · 93 Entwicklungsphase · 140, 187 freiwilligen zusätzlichen Wehrdienst Leistende Entwicklungspolitik · 20 (FWDL) · 94, 105, 245 Entwicklungsrisiken · 187, 203 Freiwilligen-Armee · 87, 88, 89, 90, 92, 104, 106, 107, 108

172 STICHWORTVERZEICHNIS – ANHANG 3 C >

Freiwilligensystem · 9, 84 Heeresfliegerbrigade · 153 Freiwilligenwerbung · 245 Heeresführungskommando · 135, 153 Fremdsprachen-Ausbildung · 229 Heerestruppen · 153 Frieden · 32, 35, 42 Hohe See · 142 friedenserzwingende Einsätze · 43, 64, 70 Host Nation Support · 168 Friedenskonsolidierung · 42, 70 humanitäre Aktionen · 47, 63 Friedensstärke der Bundeswehr · 9 friedensunterstützende Einsätze · 67 I Führung von Einsätzen · 134, 135 Führungs- und Aufklärungsfähigkeit · 192 Industrie · 161, 187, 190, 201, 202, 203, 204 Führungs- und Kommandostrukturen · 10 Informationstechnik · 57, 129 Führungsakademie der Bundeswehr · 232 Infrastruktur · 6, 22, 70, 224, 249 Führungskräfte · 118, 119, 232 Inhaber der Befehls- und Kommandogewalt · 134, 135, Führungsstab · 128, 137, 138, 139, 169 138 Führungsunterstützung · 74, 151, 153, 158, 159, 169, Innere Führung · 10, 210, 211, 212, 213, 214, 215 194, 221 Inspekteur „Zentrale Militärische Dienste“ · 128, 130, 139, 168, 169 G Inspekteur des Sanitätsdienstes der Bundeswehr · 176 Instandsetzungsaufträge · 204 Gefährdung · 1, 14, 108, 143 Institute des Sanitätsdienstes · 174 Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) · Integrierte Projekt-Teams · 141, 190, 201 13, 47, 202, 205 Interessen · 2, 5, 14, 15, 17, 18, 26, 33, 41, 226 gemeinsame europäische Streitkräfte · 56 Interoperabilität · 50, 53, 68, 135, 194 Gemeinsame Sicherheit · 2, 26, 32 Interventionspflicht · 62 Generalinspekteur · 10, 128, 134, 137, 138, 139, 140, Interventionsrecht · 62 141, 168, 169, 185, 219 Investitionen · 87, 208, 228, 238, 242, 243 gepanzerte Großverbände · 191 Investitionsanteil · 11, 12, 75, 238, 252 GEPARD · 200 investiver Finanzbedarf · 243 Gesamtbudget · 240 IT-Agentur · 129, 227 Gesamtstärke der präsenten Streitkräfte · 87 IT-Direktor · 128, 129, 140, 227 gewerbliche Dienstleister · 222 Gleichheitsgrundsatz · 123, 124 J Großbritannien · 29, 72, 79, 186 Großgerät · 53, 186, 200, 248 Justiziar · 131 großräumige Verlegeaktionen · 195 Großvorhaben · 240 K Großwaffensysteme · 53, 163 Grundwehrdienst · 9, 83, 87, 98, 101, 102 Kalter Krieg · 19, 56, 191, 200 Grundwehrdienstleistende (GWDL) · 9, 94, 95, 96, 107, Kampf und Kampfunterstützung · 196 111, 112, 245 Kampf- und Schützenpanzer · 200, 248 Katastrophenschutz · 17, 83 H kollektive Verteidigung · 61, 64, 67, 82, 155 Kombattantenstatus · 179, 180 Harmonisierung · 58, 205, 216 Kommunikationstechnik · 22, 133 Hauptabteilung Rüstung · 131 Konflikte hoher Intensität · 68 Hauptverteidigungskräfte · 75 Konfliktnachsorge · 38, 42 Haushalt · 3, 11, 219, 234, 238, 256 Konfliktverhütung · 34 Haushaltsmittel · 6, 121, 122, 236, 241, 253 Konfliktvorbeugung · 40 Haushaltsrecht · 240, 241 konsolidierte Kernfähigkeiten · 204 HAWK · 200 Kontingente · 55, 73, 79, 126, 158, 194 Heer · 7, 8, 67, 80, 81, 135, 146, 147, 149, 153, 155, Konvergenz · 51 172, 176, 193, 194, 199 Koordinierungsstab für Einsatzaufgaben (KSEA) · 134

173 Gemeinsame Sicherheit und Zukunft der Bundeswehr

Korpsstäbe · 147 Korvetten · 166, 196 M Kosovo · 17, 39, 42, 43, 49, 62, 158, 193 Mandat · 62 Kosten- und Leistungsrechnung · 219 Mannschaften · 96, 120, 245 Kosteneinsparungen · 12, 252, 254 Mannschaftstransporter M 113 · 200 Kriegsdienstverweigerer · 90, 103 Marine · 7, 8, 67, 80, 81, 135, 146, 164, 165, 166, 167, Kriminalität · 20 172, 176, 193, 194, 199 Krisenbewältigung · 6, 8, 10, 13, 23, 34, 47, 59, 61, 64, Massenvernichtungswaffen · 22, 24 70, 78, 82, 133, 162, 170 Material · 4, 12, 75, 187 Kriseneinsätze · 7, 34, 50, 64, 65, 66, 67, 68, 72, 73, 75, materielle Ausstattung · 68, 155, 191 76, 80, 125, 135, 142, 146, 149, 150, 155, 158, 164, medizinische Versorgung · 173 195, 200, 228 Mehrausgaben · 12, 240, 254 Krisenfrüherkennung · 38, 69 Mehrbedarf · 181, 239, 244, 254 Krisenprävention · 23, 40 Menschenrechte · 17, 19, 41, 206 Krisenreaktion · 50, 75, 84, 191 Menschenrechtsverletzung · 62 Krisenverhütung · 47 MIG 29 · 200 Krisenvorsorge · 6, 8, 10, 13, 61, 64, 197 militärische Grundorganisation · 7, 67, 85, 101, 111 militärische Kernaufgaben · 10, 222 L militärische Kernfähigkeiten · 221 militärische Prävention · 143 Länder und Kommunen · 226 Militärischer Beitrag Deutschlands · 5, 7 Landesverteidigung · 6, 10, 61, 65, 75, 88, 90, 93, 125, Minen · 143, 200 224 Minenleger · 200 Landstreitkräfte · 142, 143, 151, 155 Mittel- und Osteuropa · 31 Lazarettorganisation · 75 Mittelbedarf · 12, 244 lead nation · 73, 135, 136 Mittelfristige Finanzplanung · 11, 238, 256 Lenkflugkörper · 196 Mittelmeerraum · 32 Letter of Intent · 186 Mobilisierung · 101 Liegenschaften · 224, 225, 249 Mobilität · 71, 142, 192, 195, 203 Logistik · 10, 52, 56, 75, 125, 126, 153, 161, 195, 208 Mobilmachung · 74, 75, 125, 183 Logistik-Agentur · 222 Modernisierung · 4, 10, 12, 75, 191, 235 Lohn- und Gehaltserhöhungen · 238 Modernität · 242 Luft- und Seetransport · 10, 195 Multinationale Division · 150 Luftangriff · 80, 158, 160 Multinationalisierung · 10 Luftbetankung · 80, 158, 161, 195 Multinationalität · 73 Luftbewegliche Kräfte · 70 Luftkrieg · 64 Luft-Luft-Flugkörper · 196 N Luftstreitkräfte · 47, 70, 79, 142, 143, 144, 157, 163 Nachbarn · 1, 14 Lufttransport · 50, 53, 142, 153, 158, 161 Nachrichtengewinnung · 69, 132, 158, 160, 193 Lufttransportkommando · 163 Nachrichtenwesen · 132 Luftverteidigung · 7, 10, 53, 80, 158, 160, 162, 197 Nachwuchs · 12, 119, 231, 253 Luftwaffe · 7, 8, 45, 67, 80, 81, 135, 146, 147, 157, 158, Nachwuchsgewinnung · 107, 114, 122 162, 163, 172, 176, 193, 194, 199 nationale Lufthoheit · 159, 160, 162 Luftwaffenamt · 163 nationaler Befehlshaber im Einsatzraum · 135 Luftwaffendivisionen · 163 nation-building · 42 Luftwaffenführungskommando · 163 NATO · 6, 10, 24, 26, 32, 34, 35, 36, 40, 46, 47, 48, 49, Luftwaffenkommandos · 147, 163 53, 59, 60, 61, 62, 77, 78, 135, 155, 162, 168, 191, 197, 200, 206 Nukleare Teilhabe · 45, 162 Nuklearer Nichtverbreitungsvertrag · 206

174 STICHWORTVERZEICHNIS – ANHANG 3 L >

O R

OCCAR · 186 Radartechnik · 203, 204 öffentliche Auftraggeber · 201 Raketentechnologie-Kontrollregime · 206 Offiziere · 112, 114, 118, 228, 229, 230, 233 Rationalisierungsgewinne · 250 Operationsabteilung · 138 Reaktionsfähigkeit · 71, 78 Operativer Luftwaffenkommandostab · 163 Realisierungs- und Nutzungsphase · 187 Optronik · 203, 204 Realisierungsphase · 187 Organisation · 2, 33, 38, 74, 105, 122, 125, 126, 128, Rechtsberatung · 180 130, 132, 160, 163, 169, 176, 186, 189, 208, 219, Rechtspflege · 180 221, 245 Reform · 3, 6, 11, 44, 209, 234, 235, 236, 256 Organisationsstab · 129, 131 Reformziele · 6, 220 Ost-West-Konflikt · 27, 47, 61 Regenerationsfähigkeit · 9, 224 OSZE · 6, 26, 32, 33, 38, 39, 40, 135 Regionalkommandos · 177 Rekrutierung · 91 P Rekrutierungsbedarf · 245 Reservisten · 10, 61, 67, 76, 83, 88, 89, 101, 125, 127, Panzer · 204 144, 170, 181 Panzerabwehrraketen · 196 Reservistenpotenzial · 85 Partnerschaft für den Frieden (PfP) · 32, 35 Ressorts der Bundesregierung · 22, 132, 198 peace enforcement · 43 ressortübergreifend · 69, 131, 133 Personal · 2, 12, 40, 52, 75, 81, 83, 85, 111, 117, 122, Rettungsstationen · 177 135, 139, 141, 142, 150, 151, 152, 154, 161, 183, Rettungsunternehmen · 47 219, 238, 242, 246 Rettungszentren · 80, 177 Personalabbau · 114, 115, 117, 209, 235, 245, 247 Risiken · 2, 14, 19, 20, 23, 24, 26, 77, 105, 109, 181, 197 Personalersatz · 144, 181 Risikovorsorge · 77, 93, 198 Personalhaushalt · 239 robust peacekeeping · 43 Personalkategorie · 112 Rohrartillerie · 204 Personalkosten · 11, 87, 139, 238, 245, 247 Rohstoffe · 21 Personalreserve · 181 ROLAND · 200 Personalstärke- und Strukturanpassungsgesetz · 113, 115 Rotationsfaktor · 81, 150, 151 Personalstruktur · 111, 112, 113, 118, 236, 239, 252 Russische Föderation · 15, 30 Personalüberhänge · 114 Russland · 25, 30 Personalumfänge · 4, 8, 86, 236 Rüstungsagentur · 186, 189, 190, 201 PHANTOM · 200 Rüstungsbasis · 202 Phasenvorlauf · 187 Rüstungsexport · 205, 206, 207 Pilotfunktion · 221 Rüstungs-Großvorhaben · 192 Planung · 48, 75, 78, 79, 139, 141, 184, 219, 220, 232, Rüstungsindustrie · 58, 201, 203, 207 238 Rüstungsinvestitionen · 238, 244 Planungssicherheit · 11, 236, 237, 241, 256 Rüstungskontrolle · 38, 45 Politische Gesamtstrategie · 23, 73, 133 Rüstungskooperation · 58, 202 präventive Diplomatie · 38 Rüstungsplanung · 140, 141, 184, 185, 244 präventive Stationierung · 142 rüstungspolitische Zusammenarbeit · 186 präventives Krisenmanagement · 142 Rüstungsprogramme · 186, 207 Präzisions- und Abstandswaffen · 203, 204 Rüstungsrat · 140, 141, 185, 187, 188, 190 Präzisionsmunition für den Artillerieverbund · 196 Rüstungsvorhaben · 141, 185, 190, 243 Primärarztsystem · 175 Rüstungswirtschaft · 201 Privatisierung · 10, 56, 117, 210, 231 rüstungswirtschaftliche Europäisierung · 201 privatrechtliche Organisationsform · 189 Programmgesetz · 11, 236, 237 Prototypen · 187 Punktzielbekämpfung · 203

175 Gemeinsame Sicherheit und Zukunft der Bundeswehr

strukturgerechter Personalabbau · 115 S Strukturreform · 244, 255 Sanitätsamt · 177 Studiengruppen · 141 Sanitätsdienst · 7, 10, 80, 81, 125, 145, 148, 172, 173, Studieninstitut der Bundeswehr · 233 174, 176, 177, 178, 181, 199, 221 Studium · 100, 228, 229, 230 Sanitätsdienstliche Unterstützung · 176 Such- und Rettungsaufgaben · 158 Sanitätsführungskommando · 177 Satellitensysteme · 193 T Schlüsseltechnologien · 201 Schnellboote · 166, 200 Technologie · 161, 184, 201, 202, 203 Schülerstellen · 118 Teilstreitkräfte · 67, 132, 140, 145, 148, 164, 166, 168, Schutz · 17, 20, 41, 56, 93, 142, 162, 180, 192, 197, 198, 169, 181, 187, 191, 194, 197, 219 203 teilstreitkraft-übergreifend · 10, 137, 185, 232 seegestützte Luftverteidigungssysteme · 197 territoriale Aufgaben · 168 Seestreitkräfte · 70, 79, 142, 143, 144, 165, 166 Territoriale Streitkräfte · 168, 169 Seewege · 21, 167 territoriale Verteidigung · 66 Sensortechnik · 203, 204 Territoriale Wehrverwaltung · 182 Sicherheit · 1, 5, 14, 16, 19, 20, 24, 26, 27, 32, 33, 38, Territorialheer · 125 61, 63, 105 Terroristen · 25 Sicherheits- und Verteidigungspolitik · 2, 5, 10, 59 TORNADO · 196 Sicherheitsrat · 41, 44 Trägerwaffen · 24 Sonderbeauftragter für Rationalisierung · 129 transatlantische Partnerschaft · 60 Sondervergütung · 87, 245 transnationale Zusammenschlüsse · 201 Souveränität · 53, 62 Transportflugzeuge · 195 Souveränitätsverzicht · 56 Transporthubschrauber · 195 Sowjetunion · 15, 30 Transportkapazitäten · 71, 195 Sozialgesetzbuch V · 174 Transportschiffe · 166, 195, 243 sozialverträglich · 12, 115, 117, 225, 235, 245 truppendienstliche Führungsstrukturen · 147 Spezialkräfte · 153 Truppenverwaltung · 179 Staatsbürger in Uniform · 211 two-pillar-Konzept · 46 Staatssekretär · 128, 129, 217, 219, 220 Staatssekretär Finanzen · 217 U Stabilitätspakt · 31 Stabsabteilung Planung · 141 Übergangszeit · 253 Stand-by Forces · 42, 43 Überkapazitäten · 75, 204 Standorte · 56, 224, 225, 248, 249, 251 Umbau der Streitkräfte · 13, 59, 117 Standortverwaltungen · 182 Umfang · 6, 11, 64, 65, 70, 77, 80, 81, 82, 85, 88, 97, Stationierung · 117, 182, 210, 224, 225, 226, 251, 252 108, 111, 112, 115, 124, 144, 146, 149, 155, 156, Stellvertreter des Generalinspekteurs · 169 159, 165, 167, 170, 173, 204, 222, 236, 243, 247, Strategic Defence Review · 79 248 strategische Transportkapazitäten · 195 unentgeltliche truppenärztliche Versorgung · 175 Streitkräfteamt · 169 Uniting for Peace Resolution · 44 Streitkräfteführungskommando · 135, 169, 170, 177 Universitäten der Bundeswehr · 229, 230, 231 streitkräftegemeinsam · 66, 73, 126, 135, 140, 193, 221, Unteroffiziere · 96, 114, 118, 120, 178, 245 232 Unterstützungskommandos · 148 Streitkräfteplanung · 49, 51, 78 Unterstützungsorganisation · 168, 173, 176 Streitkräftereformen · 13, 59 Unterstützungsverband für zivile Aufgaben · 170, 181 Streitkräfteumfang · 9, 49, 77, 83 USA · 72, 201 Struktur · 4, 5, 6, 8, 9, 10, 16, 42, 56, 65, 67, 82, 84, 85, 87, 105, 106, 109, 111, 112, 125, 145, 148, 149, 152, 158, 159, 163, 165, 169, 172, 177, 181, 182, 200, 204, 222, 225, 245, 248, 250

176 STICHWORTVERZEICHNIS – ANHANG 3 S >

Wehrübende · 105, 179 V Wehrübungsplätze · 112 Verbündete Streitkräfte · 5 Wehrungerechtigkeit · 99 Vereinte Nationen · 6, 26, 33, 38, 41, 42, 43, 44, 63, 135, Wehrverwaltung · 6, 125, 127, 179, 182, 223, 225, 236 206 Weiterbildung · 208, 232 Verfassung · 93 Weltwirtschaftssystem · 21 Verfügbarkeit · 55, 70, 160, 170 Western European Armaments Group (WEAG) · 186 Verhaltenskodex der EU für Waffenausfuhren · 205 Westeuropäische Union (WEU) · 37, 47 Verlauf einer Krise · 142 Wirtschaftlichkeit · 51, 129, 140, 182, 188, 189, 217, Verlegefähigkeit · 49, 195, 203 224, 231 Verpflichtungen · 5, 84, 167 Verpflichtungsdauer · 88, 112 Z Verpflichtungsprämie · 120 Versorgungsleistungen · 115 Zentrale Militärische Dienste · 10, 128, 130, 145, 168, Verteidigungsausgaben · 12, 256 169, 171, 172, 199 Verteidigungsfall · 61, 83, 101, 125 Zentraler Sanitätsdienst · 172, 173 Verteidigungshaushalt · 238, 239, 240, 242, 244, 246, Zentralisierung · 10, 199 250 zielsuchende Waffensysteme · 203, 204 Verteidigungsinitiative der NATO · 243 Zivilbedienstete · 182, 239 Verteidigungspolitik · 47, 48, 197 Zivilberuf · 76, 119, 229, 230 Verteidigungsumfang · 85, 89, 94, 181, 183 Zivilbevölkerung · 76, 143, 170 Verwendungs- und Beförderungsstau · 114 Zivildienst · 83, 103 VN-Friedensoperationen · 42 zivile Anbieter · 74 vorgezogene Altersgrenzen · 116 zivile Hilfsorganisationen · 143 Vorhabenbudgetierung · 240 ziviles Friedenskorps · 43 Vorphase · 187 ziviles Gesundheitswesen · 10, 172, 173, 175 Vorruhestandsteilzeit · 116 zivil-militärische Kooperation · 174 Zivil-Militärische-Zusammenarbeit · 153 Zivilpersonal · 10, 117, 121, 245 W Zukunftstechnologien · 203 Waffensysteme · 54, 166, 191, 196, 204, 221 Zurruhesetzung · 115 Waffensystemverbund · 197 Warn- und Vorbereitungszeit · 15, 75, 191 Warschauer Pakt · 15, 77 Washingtoner Vertrag · 34 Wassenaar, Abkommen von · 206 Wehrbereichskommandos · 168, 182 Wehrbereichsverwaltungen · 182 Wehrdienstausnahmen · 97 Wehrdienstdauer · 10, 87, 97, 98, 101 Wehrersatzorganisation · 89, 125, 127, 183 Wehrform · 2, 3, 4, 9, 83, 85, 92, 104, 106, 183 Wehrgerechtigkeit · 97, 98, 99, 100, 106, 110 Wehrmaterial · 189, 192, 227, 240 Wehrpflicht · 9, 79, 83, 84, 86, 87, 88, 89, 90, 91, 92, 93, 95, 96, 97, 98, 99, 101, 103, 104, 105, 106, 107, 108, 111, 124 Wehrpflichtige · 9, 86, 87, 88, 98, 101, 105, 110 Wehrtechnik · 201, 228 Wehrtechnische Forschung und Technologie · 58, 187 wehrtechnische Unternehmen · 186

177 178 Herausgeber Kommission „Gemeinsame Sicherheit und Zukunft der Bundeswehr“ Berlin/, Mai 2000

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