Das Partheland im Leporello

1 2 Diese Broschüre ist im Rahmen des Forschungsprojektes stadt PARTHE land entstanden.

Fördermaßnahme: „Förderung von transdisziplinären Innovationsgruppen zur Entwicklung und Umsetzung neuer Systemlösungen im nachhaltigen Landmanagement“.

Fördermittelgeber: Bundesministerium für Bildung und Forschung Projektträger: Projektträger Jülich GmbH Projektbeginn: 01.09.2014 Vorhabenslaufzeit: 5 Jahre Förderkennzeichen: 033L119AN weitere Informationen: www.stadtpartheland.de www.leipziggruen.de/Partheland www.innovationsgruppen-landmanagement.de

3 4 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung ...7 2. Ablauf der Sommerschule ...11

3. Interviews zum Partheland ...17 3.1. Dr. habil. Frank Junge ...19 3.10. Axel Weinert ...37 3.2. Bernd Hoffmann ...21 3.11. Heike König ...39 3.3. Felix Körner ...24 3.12. Brigitte Süptitz, 3.4. Detlef Porzig ...26 Detlef Anders ...41 3.5. Maria Bienert ...28 3.13. Ronald Schiller ...44 3.6. Roland Gasch ...30 3.14. Sandro Möbius ...46 3.7. Thomas Schade ...32 3.15. André Wolf ...47 3.8. Angela Neubert ...34 3.16. Sylvia Raubold ...49 3.9. Sascha Fritzsch ...35 4. Leporello ...53 4.1. Kurz und Knapp ...54 4.15. Stau auf dem 4.2. Flächenverbrauch ...58 Jakobsweg ...96 4.3. Triebwerkslandschaft ...60 4.16. Zugang zum Wasser...100 4.4. Ausgleichslandschaft?...64 4.17. Baden an der Parthe ...102 4.5. Von Bienchen und 4.18. Die Parthenaue und Blümchen ...66 ihre Feuchtwiesen ...106 4.6. Gesetzeskonflikte im 4.19. Das kuriose Leben des Partheland ...70 Wiesenknopf- 4.7. Goldener Tritt und Ameisenbläulings ...108 silberner Biss ...72 4.20. Abgetaucht ...112 4.8. Dazwischen ...76 4.21. Eisenfracht ...114 4.9. Schwarzpappeln 4.22. Regenwurm ...118 in der Parthenaue? ...78 4.23. Arbeitgeber & 4.10. Peak Parthe ...82 Arbeitnehmer ...120 4.11. Wie der Vulkan den 4.24. Fluch & Segen ...124 Porphyr schuf ...84 4.25. Tauchas Kampf für 4.12. Wie der Findling ins Unabhängigkeit ...126 Partheland kam & die 4.26. Müll ...130 Parthe fand ...88 4.27. Neophyten ...132 4.13. Lehm-Kies-Porphyr- 4.28. Was fehlt ...136 Abbau ...90 4.14. Beuchaer Granit- Porphyr ...94

5. Schlusswort und Danksagung ...139 5 6 1. Einleitung 7 8 1. Einleitung Die Landschaft – eine Synthese aus Landschaftskonvention, wodurch Agrarflächen, Siedlungen, Infrastruk- die Augen und Sinne der Menschen tur, Wasser, Wald und Himmel. Ver- mehr für ihr Lebensumfeld geöffnet schiedenste Elemente wie beispiels- werden sollen. weise Flora und Fauna, Fahrzeuge Wer könnte schließlich besser wissen, sowie leider auch Müll charakterisie- was das Partheland auszeichnet, die ren erste Eindrücke weiter. Ganz ähn- spezifischen Qualitäten benennen, lich lässt sich auch die Kulturland- aber auch Konflikte aufzeigen, als die schaft des Parthelandes im Osten Menschen, die das Partheland be- Leipzigs im Spannungsfeld zwischen wohnen, beplanen oder sich damit Stadt und Land umschreiben, doch identifizieren? blickt man tiefer, so wird offenbar, So wurden Interviews mit verschie- dass diese einfache Einschätzung densten Akteuren in der Landschaft dem Partheland nicht gerecht wird. durchgeführt, um das vorhandene Wissen ans Licht zu bringen und Im Mai 2018 verbrachten Studierende handhabbar zu bündeln. Denn das der Landschaftsarchitektur (Bachelor Ziel der Sommerschule lag nach und Master) der Technischen Univer- der notwendigen Systematisierung sität Dresden eine Woche im Parthel- und Filterung in einer Reflektion für and. Im Kontext der Landschaftlichen das Partheland, die Interessierten Bildung entdeckten sie zusammen die maßgeblichsten Aspekte dieser mit Schüler*innen einer 12. Klasse der besonderen Kulturlandschaft näher- Freien Waldorfschule Leipzig die Kul- bringen soll: ein imposantes turlandschaft des Parthelandes auf Leporello. neuen Wegen: bei der Landschaftli- chen Bildung handelt es sich um ein Diese Broschüre umfasst neben den Programm, welches im Jahre 2011 Zusammenfassungen der durchge- durch die Akademie für Landschafts- führten Interviews auch Kurzinter- kommunikation in Zusammenarbeit pretationen der jeweiligen Autoren mit den Lehrstühlen der Technischen zu jeder Leporelloseite - Viel Spaß Universität Dresden und der Hoch- beim Erkunden des Parthelandes im schule Osnabrück ins Leben gerufen Schnelldurchlauf! wurde. Dieses Programm versteht sich als eine Umsetzung der Europäischen

9 10 Bild Ablauf

2. Ablauf der Sommerschule 11 12 2. Ablauf der Sommerschule Die Sommerschule startete am zu bringen und Lust auf die kom- Sonntag, dem 13. Mai 2018 und menden Tage zu machen. Mittels dauerte fünf Tage. Untergebracht Spielen, interaktiven Tafelbildern und wurden Studenten und Betreuer im gemeinsamen Diskussionsrunden Naturfreundehaus Grethen. wurde so eine freundschaftliche At- Die Anreise erfolgte am Sonntag- mosphäre geschaffen und erstes Eis nachmittag und die Sommerschule gebrochen. startete noch am selben Tag mit Am Nachmittag fand man sich dann einer einleitenden Runde. Die Stu- in Kleingruppen zusammen, in denen denten wurden nicht nur in das The- man auch die nächsten Tage zusam- ma eingeführt, sondern arbeiteten men arbeitete. Jede Kleingruppe außerdem eine Unterrichtsstunde­ hatte mehrere Termine mit Interview- aus, um diese am nächs­ten Tag in partnern im ganzen Partheland, vom der 12a der Waldorfschule Leipzig zu BMW-Werk über Bauernhöfe und halten. Heimatvereine bis hin zum Zweck- Ziel war es, den Schülern dieser verband. Klasse das Thema Landschaft näher

Tafelbild zur Einführung mit den Waldorfschülern

13 2. Ablauf der Sommerschule

Heraus kamen nicht nur zwei interes- sante Tage, sondern auch jede Menge an gesammelten Informationen und Gegenständen. Denn nach dem Motto: „Pack ein oder mach ein Foto davon!“ wurde alles von den befrag- ten Personen Erwähnte mitgenom- men oder abfotografiert. An zwei Abenden wurden die Ge- genstände dann in der Runde der Studenten und Betreuer einander vorgestellt.

Abendliche Auswertungsrunde im Naturfreunde- haus Grethen Am Mittwoch wurde es dann kreativ. Denn Ziel war es nicht nur, Wissen zusammen zu tragen, sondern die- ses auch darzustellen, um das Thema Landschaft zugänglicher und ver- ständlicher zu machen. So entstand das Leporello mit 30 Einzelseiten, die jeweils einzelne Aspekte der Land- schaft im Partheland aufzeigten. Die Plakate wurden in kleinen Zweier- Teams der Studenten und Schüler entwickelt, erstellt und gezeichnet.

Erstes Sammeln der Entwurfsideen für das Le­ porello 14 2. Ablauf der Sommerschule

Am Donnerstagabend wurde das Werk der vergangenen Woche in einer öffentlichen Parthelandküche mit geladenen Gästen, Eltern, Leh- rern, Betreuenden, Schülern und Stu- denten vorgestellt und präsentiert. Nach getaner Arbeit wurde der abendliche Abschluss am Lagerfeuer in geselliger Runde verbracht. Die Sommerschule 2018 endete am Freitag mit einer abschließenden Auswertung.

Präsentation in der Aula der Waldorfschule

15 16 3. Interviews im Partheland 17 18 3. Interviews im Partheland 3.1 Interview mit Dr. habil. Frank W. Junge - Geologe Herr Dr. Junge ist Geologe, hat in schaft sorgte. Durch zwei Vorstöße Freiberg Mineralogie studiert, in der Eiszeit bildeten sich zwei End- Leipzig gelehrt und ist seit 2010 moränen und daraus folgend zwei freiberuflich tätig. Seit 30 Jahren Hügelketten in West-Ost-Aus­ beschäftigt er sich mit Geologie. breitung. Die -Eiszeit brachte Er erklärte uns auf einer Exkursion außerdem Findlinge und Feuerstein durch und Umgebung die aus dem Norden mit ins Partheland. Entstehung der Landschaft des Par- In der nachfolgenden Eem-Warmzeit thelandes. Durch Vulkanismus ent- suchten sich die Flüsse einen neuen stand vor mehr als 280 Millionen Weg in der Landschaft, eine Zeit, in Jahren das Nord-West-Sächsische der auch die Parthe entstand. Ihren Vulkanitbecken. Besonders bedeu- heutigen Verlauf bekam sie zum ei­ tend ist im Partheland der Porphyr, nen durch das Gefälle, Porphyrberge ein Festgestein, welches in diesem aus der Zeit des Vulkanismus und Becken entstand. Der Beuchaer Todeisblöcke, um die sie herum- Granit-Porphyr wurde bei vielen Bau- fließen musste. werken verwendet. Bei Leipzig fin- In den nachfolgenden Warmzeiten det man hingegen keinen Porphyr, schnitt sich der Fluss in die Land- sondern Grauwacke. schaft ein. In den Kaltzeiten sam- melten sich wieder neue Sedimente Zur Zeit der Braunkohlemoore an. Der Wechsel von diesen Pro­ entstand Kohle, zur Zeit der zessen führte zur Entstehung von Meeresüberflutungen und meeres- Flussterrassen. nahen Braunkohlemoore wurde die durch Vulkanismus entstandene In- Auf unserer Wanderung kamen wir sellandschaft mit Sedimenten und an einem Steinbruch vorbei, dem Kohle aufgefüllt. Graßdorfer Steinbruch. Bis in die In den darauffolgenden Eiszeiten 70er Jahre war dieser in Betrieb und wurde die Landschaft, wie wir sie wurde danach bis in die 90er Jahre heute sehen, geprägt. Besonders be- als See genutzt. Anschließend wurde deutend ist hierbei die Saale-Eiszeit, er zugeschüttet, wobei chromlastige die für die heutige Endmoränenland- Stoffe in die Grube gelangten.

19 3. Interviews im Partheland

Tongrube bei Taucha In der Tongrube bei Taucha wurde eine hohe Eisenfracht in der Parthe, hochwertiger, weißer Ton abgebaut, welche einen natürlichen Ursprung welcher zum Hochwasserschutz und durch den eisenhaltigen Porphyr zum Export genutzt wurde. hat, aber auch einen unnatürlichen Die Grube soll demnächst saniert durch erhöhte Grundwasserspiegel werden und nebenan ein neues Ab- und Si­ckerwasser. Das sich so gebil- baugebiet entstehen. Zur Verarbei- dete Raseneisenerz kann abgebaut tung der abgebauten Stoffe gab es werden. zwei nahegelegene Ziegeleien, an deren Stelle sich heute ein Gewer- Am Rande erwähnte er auch seine bepark befindet. Meinung zum Klimawandel: Wir sol- len uns an den Klimawandel anpas- Die nahegelegene Kiesgrube ist sen, denn das Klima ändert sich un- heute noch in Betrieb. abhängig von uns und schwankt zum Weiterhin erklärte uns Herr Dr. Ende einer Warmzeit immer stark hin Junge, welchen Einfluss es auf die und her. In ca. 2000 Jahren wird die Parthe gibt. Früher gab es eine nächste Eiszeit erwartet. starke Chrombelastung durch die Industrie. Auch heute noch gibt es Verfasserin: Theresa Lasch

20 3. Interviews im Partheland

3.2 Interview mit Bernd Hoffmann -ehem. Leiter der Naturschutzstation Plaussig Die Exkursion am Montagvormittag Wir begleiteten ihn auf einer 4km führte uns nach Plaussig-Portitz, ei­ langen Strecke Richtung Seegeritz nem kleinen Stadtteil im Nord-Osten und durch das südlich gelegene von Leipzig. Dort erwartete uns Waldstück auf das Gelände der ehe- Bernd Hoffmann, ein ehemaliger maligen Werksanlage der MiMo Landwirt und Naturschützer. Durch (Mitteldeutsche Motorenwerke). Die seine langjährige Berufserfahrung Route orientierte sich am Verlauf betrachtet er die Landschaft aus der Parthe, meist war diese jedoch ­Sicht der Landwirtschaft und be- nur durch ihre Auengehölze und wertet gleichzeitig die nachhaltige lineare Baumreihen erkennbar, da Nutzung und Naturschutzprojekte in die Parthe in einigen Abschnitten der Region. gänzlich im Boden versinkt. Grund

Herr Hoffmann in Plaussig-Portitz

21 3. Interviews im Partheland

hierfür ist ein sinkender Grundwas- und ausdauernde Gräser die Fläche. serspiegel und die im Boden be- Heckengehölze und Pappelalleen findlichen Schwämmsande, welche strukturieren das Landschaftsbild. Uns dem Fluss das Wasser entziehen. wurde erklärt, dass die ursprüngli- Die Landschaft ist hier vor allem von che Schwarz-Pappel (Populus nigra) der Landwirtschaft geprägt. Auf Teil- kaum noch anzutreffen ist und zune- stücken des Luther- und Jakobsweges hmend durch die kanadische Hybrid- erlebten wir einen fließenden Über- form ersetzt wird. Nördlich des Wan- gang von weitläufigen Grünflächen derwegs erhasch­ten wir noch einen in landwirtschaftlich genutzter Blick auf die großen Windkraftanla- Fläche, auf denen Raps und Getreide gen des BMW-Komplexes. Langsam angebaut wird. Dort sahen wir auch und harmonisch­ drehten sich die einen neu angelegten Blühstreifen Rotorblätter am Horizont und wirk- mit Rittersporn, Sonnenblumen und ten doch irgendwie befremdlich in Malven. In den ersten Jahren sorgen dieser Landschaft. Herr Hoffmann diese Sorten für ein schnelles und verwies darauf, dass die Anlage am dichtes Blütenbild. Langfristig do- Wochenende aufgrund der geringen minieren dann mehrjährige Stauden Einspeisevergütung stillsteht.

Im Blühstreifen

22 3. Interviews im Partheland

Bevor wir in Richtung Wald abbogen, Standort verschiedene Libellenarten passierten wir noch den Rüdgengra- beobachtet werden. ben, welcher zur Entwässerung des BMW-Geländes dient, und mehrere Abschließend kamen wir an einem Kopfweiden, die jährlich von der Brutkasten für unterschiedliche Wald- NABU-Kindergruppe „Parthefrösche“ vögel vorbei. Zu dieser Jahreszeit gepflegt werden. waren die Brutkästen größtenteils leer – einzig ein Kasten war gefüllt Im Waldstück begaben wir uns mit Nestmaterial und zwei Eiern. Zum auf einen Lehrpfad. Dieser ­dient Ende des Rundwegs überquerten wir hauptsächlich der Umweltbildung noch einmal die Parthe. Auch hier und erklärt die historischen Bezüge wirkte diese sehr unscheinbar und der Waldfläche. In der Ruine der Mi- fiel vielmehr durch die umliegenden Mo-Werkanlage hat sich heute ein Auengehölze und Uferpflanzen auf. artenreicher Mischwald entwickeln­ können. Die sandigen und war- Zu diesem Zeitpunkt am Nachmit- men Steinstandorte sind optimale tag kamen uns sehr viele Autos auf Lebens ­orte für Orchideen. der Brücke entgegen und das ruhige Eins der wenigen Gebäude, welches Landschaftsbild verwandelte sich bis heute erhalten geblieben ist, ist plötzlich zu einem Stau. Dies waren das alte Funkhäuschen. Viele Graffitis Arbei­ter des BMW-Werks, welche und Sticker verweisen darauf, dass nach dem Schichtwechsel zurück in dies wohl ein Treffpunkt von ver- den städtischen Bereich fuhren. schiedenen Gruppen ist. Herr Hoffmann erwies sich als kom- Weiter im Wald öffnet sich ein kleines petenter Führer durch die Land- Stillgewässer direkt an der Parthe. schaft. Mit seinem breitgefächerten Die Uferzone wurde während der Landschaftswissen konnte er zu Nutzung im 20 Jhd. teilweise kom- jeder Zeit und Situation interessante plett verbaut und ermöglichte es so- Informationen weitergeben. mit, die Fahrzeuge im Gewässer zu reinigen. Heute können an diesem Verfasser: Benedikt Taiber

23 3. Interviews im Partheland 3.3 Interview mit Felix Körner - BMW Group Werk Leipzig Am Montag, dem 14.05.18, trafen speziellem Substrat gepflanzt. Zu- wir uns mit Felix Körner am Tor 1 des dem wurden Eingriffe durch den Bau BMW Werkes im Industriepark Nord des Werkes mit Entsiegelungsmaß- vor den Toren der Stadt Leipzig. Fe- nahmen in Leipzig, Auffor- lix Körner ist Mitarbeiter in der Ab- stungen und nahgelegenen Ausglei- teilung Arbeitssicherheit, Ergonomie chsflächen bilanziert. Wir erfuhren, und Umweltschutz und führte uns dass zukünftige Eingriffe und Neu- über das Werksgelände. bauten direkt auf dem Werksgelände ausgeglichen werden sollen. BMW ist mit etwa 5300 Mitarbeitern einer der größten Arbeitgeber der Im Laufe der Führung sahen wir uns Region und ein wichtiger Wirtschafts- verschiedene Naturschutzprojekte faktor für die Stadt Leipzig. Das an. So zum Beispiel ein Insekten- Gelände ist ca. 230 ha groß und weist hotel, Nistkästen für verschiedene einen Versiegelungsgrad von etwa Vogelarten wie den Steinschmätzer, 61% auf. Turmfalken,­ Dohlen, Mauersegler und den Star. Wir sahen zwei Find- Wir erfuhren, dass das 2005 eröffnete lingsbiotope aus im Gebiet gefun- Werk seit dem Beginn der Produk- denen Findlingen und einen Tot- tion verstärkt auf ökologische Aspek­ holzhaufen, welcher als zusätzliches te achtete und in diesem Zusam- Habitat einen ökologischen menhang auf dem Werksgelände Mehrwert bietet. Bei der Aufschich- 550.000m² extensive Grünflächen tung der Findlingsbiotope entdeck- anlegte, welche heute einen ten wir einen besonderen Stein. Es Magerrasencharakter aufweisen und handelte sich um einen Paläoporel- deren eingesäte Kräuterarten (u.a. lenkalk in der Größe eines Volleyballs. viele Kleearten) durch ihre späte Dieses Gestein ist sehr weich und Blüte ein Nahrungsangebot für gelangte mit der letzten Eiszeit von Bienen schaffen. Außerdem wurden Norden kommend in den Leipziger über 3000 Bäume gepflanzt. Durch Raum. Meist wurden diese Steine auf den nötigen Ausgleich des natürli- Grund ihrer Beschaffenheit im Laufe chen Reliefs wurde während des der Zeit zerrieben, sodass es fast an Bauens Boden aufgeschüttet und mit ein Wunder grenzt, dass er bis heute Kalk stabilisiert, was eine Erhöhung erhalten geblieben ist. Heutzutage­ des Boden-pH-Wertes zur Folge ist das Werksgelände Habitat von hatte. Aufgrund dessen wurden und einer Vielzahl von Lebewesen, so werden alle Bäume auf dem Gelände zum Beispiel für den Turmfalken, den in 9-13m² großen Baumgruben mit Wendehals, Mauersegler, Rebhühner, 24 3. Interviews im Partheland

Fasane und den Feldhasen, zusätz­ Aspekten rund um Flora und Fauna lich für eine Vielzahl von Insekten, geht das Werk auch andere Wege, wie Bienen und dem Himmelblauen um nachhaltig zu produzieren. So Bläuling. Allerdings ist auch ein Fuchs gilt bei der Herstellung von Autos in gesichtet worden, welcher eine Be­ Leipzig das Abfallkonzept “reduce, drohung für die Rebhühner darstellt. reuse, recycle”. Für werksinterne Bei der Besichtigung des Totholz­ Transporte werden vermehrt E-Mo- haufens entdeckten wir eine Vielzahl bile verwendet. Auch wir bewegten an Bienenkästen. Felix Körner eklärte uns auf dem Gelände mit einem uns, dass es eine Kooperation mit der elektrisch angetriebenen BMW fort. örtlichen Imkerei Beer gibt. Auf dem Die Straßen auf dem Werksgelände Werksgelände gibt es ins­gesamt 20 verfügen über Versickerungsmulden Bienenvölker. Der so produzierte Ho- und im Süden befinden sich zwei Re- nig wird den Mitarbeitern des Werkes genrückhaltebecken. zum Kauf angeboten. Jedes Jahr im Herbst können die Mitarbeiter auch Gegen Ende unserer Führung ging es auf der werkseigenen­ Streuobstwi- hoch hinaus. Wir bestiegen ein Hal- ese, welche mit alten lendach, welches weiß gestrichen ist, Apfelsorten bestückt ist, Äpfel ernten um eine möglichst hohe Albedo zu und an einer mobilen Saftpresse erreichen. Von hier oben hatten wir Apfelsaft abfüllen. Seit kurzem einen guten Blick auf die vier Wind- werden auch öffentliche Führungen kraftanlagen des Werkes, welche im BMW Werk angeboten, welche Strom für die Autoherstellung pro- sich mit dem Thema Naturschutz duzieren. und Nachhaltigkeit beschäftigen. Zum Abschluss der Führung über- reichte uns Felix Körner Samen- Auch mit dem Naturschutzbund bomben, welche eine spezielle Saa- (NABU) führt das Werk verschiedene tgutmischung des BMW Werkes Projekte durch. Die NABU Sachsen enthalten. Regionalgruppe Parthe­land enga- giert sich zudem bei der Betreuung Verfasserin: Reni Duschik der Nistkästen und führt regelmäßig ein Monitoring auf dem Gelände durch. Ein weiterer externer Partner ist die Lebenshilfe Leipzig. Sie küm- mert sich um die Pflege und den Er- halt der Außenflächen. Neben den

25 3. Interviews im Partheland 3.4 Interview mit Detlef Porzig - Heimatverein Taucha Am 14.05.2018 trafen wir Herrn burt bevorstand, holte der Nixer die Porzig (Heimatverein Taucha) auf örtliche Hebamme herab in die Nix- dem Taucher Marktplatz. Der Markt enwohnung. Als nun schließlich das ist eines der drei Zentren dieser kleine Nixlein gesund und munter Kleinstadt – neben der Kirche und entbunden wurde, sagte die Nixe der dem Schloss. Auf unserem Spazier- Hebamme, sie solle sich den Kehricht gang folgten wir dem Lauf der ehe- vom Boden in die Schürze stecken. maligen Parthe und hörten die Sage Die Hebamme ging nach Hause, von der Glockentiefe: lehr ­te ihre Schürze aus und siehe da: Aus dem Kehricht war blankes Gold Als das Schloss mit seiner Kirche im geworden. Jahr 1280 geschliffen wurde, bekam der Kaplan der Kirche Angst, dass Anschließend gingen wir eine An- die Glocke seines Gotteshauses dem höhe hinauf und sahen das Tauchaer feindlichen Heer in die Hände fallen Schloss sowie den sich davor erstreck- könnte. Daher nahm er die Kirchen- enden Schlossgarten. Das Schloss ist glocke ab, rollte sie vom Schlossberg das Dritte der Stadt Taucha. Das Ers­te aus hinab zur Parthe und vergrub sie wurde am selben Ort etwa um 1120 anschließend. Doch seit seinem Tod erbaut und im Laufe der Zeit durch weiß niemand mehr, wo diese Glocke kriegerische Auseinandersetzun- zu finden ist und so bleibt sie in der gen zerstört – lediglich eine Kapelle Tiefe begraben. blieb bestehen. Das zweite Schloss wurde von Wilhelm von Haugwitz Im alten Flussbett der Parthe gibt dem Älteren erbaut und befand es zudem einen besonderen Stein, sich vermutlich im heutigen Stadt- wie uns Herr Porzig berichtete: Er park. Doch dieser setzte sein Schloss wird Hunger- oder auch Nixenstein aufgrund von Streitigkeiten mit der genannt. Hungerstein, weil die Sicht­ Stadt Leipzig selbst in Brand. Er floh barkeit dieses Steines von einem und wurde anschließend be­gnadigt. trockenen Sommer und somit einer Haugwitz durfte jedoch nicht nach schlechten Ernte zeugte. Nixenstein, Taucha zurückkehren und starb da sich hier die Sage vom Nix in Tau- schließlich auf einem Schlachtfeld. Im cha abspielt: Jahr 1642 wurde das heutige Schloss an der Stelle des ersten durch Wil- Die Nixen, welche sich gerne auf die- helm von Haugwitz den Jüngeren sem Stein sonnten, lebten unter dem erbaut. Doch auch dieses Schloss er- Tauchaer Schloss. Beizeiten wurde lebte einige Kriege, sodass beispiels- die Nixe schwanger und als die Ge- weise seit 1820 der Schlossturm fehlt. 26 3. Interviews im Partheland

So entwickelte sich das Schloss zu zum Tauchaer Schlosswein verarbe- einem ökonomischen Betrieb – dem itet werden. Einige Reben mussten heutigen Rittergut, welches daher jedoch wieder zurückgebaut werden, da eine gewisse Flächenzahl über- schritten wurde.

An der St. Moritz Kirche erzählte uns Herr Porzig von der Bezie­hung zwischen der Stadt Taucha und Leipzig. Diese war schon immer sehr stark, sodass auch 1569 der letzte Haugwitzer das Gut mit den Lände- reien an die Stadt Leipzig verkaufte. Um 1570 mussten die Tauchaer schließlich einen Eid auf Leipzig able- gen.

Einige Meter von der Kirche entfernt, befindet sich ein Gymnasium. Auf der Rückseite dessen, dem Schulplatz, sahen wir uns den Parthebrunnen von 1919 an. Diesen ziert eine Nixe, aus deren Muschel Wässer läuft. Auf- grund einer Schulerweiterung wird Herr Porzig vor dem Rittergutsschloss diese Fläche inklusive des Brunnens in Zukunft der Schule zugesprochen. auch Rittergutsschloss genannt wird. Unser Spaziergang endete auf dem Direkt gegenüber dem Verwaltungs- Marktplatz. Hier verabschiedete sich gebäude der Stadt Taucha, welches Herr Porzig und wir bedankten uns sich neben dem Schloss befindet, für die interessante Führung durch liegt der Schlossweinberg. Hier kul- seine Heimatstadt. tiviert der Schlossverein seit 2000 wieder Dornfelder Trauben, welche Verfasserin: Verena Zapf

27 3. Interviews im Partheland 3.5 Interview mit Maria Bienert - Demeter-Hof Bienert & Hänsel GbR Wir trafen Frau Bienert während der Arbeit auf einem ihrer Felder. Sie und ihre Mitarbeiter*innen sammelten gerade Kartoffelkäfer (Leptinotarsa decemlineata) von den Kartoffel­ pflanzen ein und schon im ersten Mo- ment wurde uns vor Augen geführt, wie aufwendig eine ökologische Landwirtschaft ist. Denn anstatt die Schädlinge auf dem schnellsten Weg mit Chemie zu bekämpfen, wird in Frau Bienerts Demeterbetrieb der Acker fast täglich abgegangen, um alle Kartoffelkäfer von den Pflanzen zu sammeln und zu zerdrücken. Doch die demeter-Landwirtschaft Frau Bienert erklärt die Bedeutsamkeit von Boden nach dem Prinzip der Biodynamik ist weitaus mehr, als nur der Verzicht weise hält der Landwirt Tiere, die er auf den Einsatz von Pestiziden und mit seinem Land ernähren kann und Insektiziden, wie uns Frau Bienert nutzt deren Mist wiederum für die erklärte. Es ist vielmehr eine Ein- Boden ­aufbereitung des Ackers. Da stellung zur Landwirtschaft und das Frau Bienert jedoch nur Gemüse- Zusammenspiel zwischen Mensch, anbau betreibt, hat sie mit einem Tier, Pflanze und Boden. benachbarten Bauer ein Tauschsys- tem etabliert. Sie tauscht das Gras Besonders der Boden spielt für Frau oder Heu von ihren Grünflächen Bienert eine essentielle Rolle, da gegen den Mist der Rinder, welchen dieser die Lebensgrundlage für alle sie später als Dünger auf die Acker­ Pflanzen sei, von denen sich der flächen bringen kann. Sie achte Mensch und das Tier ernährten. Die außerdem auf Ruhephasen für den Aufbereitung des Bodens ist in der Boden, in welchen sie die Flächen biodynamischen Landwirtschaft ein mit stickstoffbindenden Pflanzen wie Teil eines Kreislaufs. Allerdings fin- Luzerne (Medicago sativa), verschie- det Frau Bienert den Begriff “Kreis- dene Wicken-, Bohnen- oder Erb- lauf” nicht ganz passend aufgrund senarten bepflanzt. Auf diese Weise des Einflusses des Menschen auf habe Frau Bienert bereits einen Hu- den natürlichen Prozess. Idealer- musaufbau von 2% auf ihren Acker-

28 3. Interviews im Partheland flächen erreicht, was trotz der gering theland seien zwar fruchtbar, doch erscheinenden Prozentzahl eine be- umso näher das Feld zur Parthe merkenswerte Steigerung ist. liege, desto feuchter sei auch der Boden und sie in ihrem Anbau einge­ Bei einem Rundgang über ihr Gelän- schränkt. Frau Bienert hat einen Weg de erzählte sie von den Schwierig- gefunden, mit diesen Einflüssen und keiten, mit denen sie als Biolandwir- Gegebenheiten umzugehen, indem tin zu kämpfen hat. Zum Beispiel sie sehr im Einklang mit der Land- seien die Vorgaben zum Anbau oder schaft wirtschaftet und ihre Arbeit an in Bezug auf das Pachtverhältnis sehr die Veränderungen in der Natur und streng. Seien im Pachtvertrag ledig­ Umwelt anpasst. Sie verfolge das lich Ertragsflächen festgeschrieben, Prinzip des Austausches: wenn sie könnten auf Restflächen nicht selbst- eine Ernte erzielen möchte, müsse bestimmt Blühstreifen oder ähnliche sie einen eigenen Beitrag leisten. Sei ökologisch wertvolle Maßnahmen es, ob es die Nutzpflanze an sich, angelegt werden. den Boden oder die Tiere betreffe, Aber auch die Landschaft, in der die mit ihr im Partheland leben. sie lebt, bereite ihr einige wenige Schwie­rigkeiten. Die Böden im Par- Verfasserin: Marlen Felbrich

Auf einem der Felder des Demeter-Hofes 29 3. Interviews im Partheland 3.6 Interview mit Roland Gasch - Stadtrat in Taucha Am 14.05.2018 trafen wir Herrn von ihm in Kooperation mit der Stif- Gasch an einer von ihm vorgenom- tung Partheland in Sehlis gepflanzte menen Heckenpflanzung im Umland Hecke auf. Die Fläche gehört der Tauchas. Stiftung Partheland und wurde zu Herr Gasch ist Bürger der Stadt einem symbolischen Preis an Herrn Taucha und hier auch Stadtrat. Als Gasch verpachtet. Hobby nannte er die Imkerei. Hierbei Gefördert wurde die Pflanzung, achte er darauf, den Bienen genü- Fertigstellungs- und Entwicklungs- gend Honig im Stock zu belassen, pflege durch das Förderprogramm damit diese sich über den Winter Natürliches Erbe. Die Hecke wurde selbst versorgen könnten. Sein An- vor fünf Jahren angelegt. liegen an diesem Nachmittag war es vor allem, auf die Notwendigkeit Auf die Frage nach der Pflege der von He­ckenpflanzungen in der Land- Heckenpflanzung verwies Herr Gasch schaft hinzuweisen. auf den Nutzen der umstehenden Wiesengräser und -blumen. Diese Heckenpflanzungen an großen würden die jungen Gehölze vor Wind Flächen ohne vergleichbare Struk- und zu starker Sonneneinstrahlung turelemente, wie beispielsweise auf schützen. Daher mähe er nicht den landwirtschaftlich genutzten Flächen, gesamten Wiesenaufwuchs, sondern böten Schutz vor Bodenerosion und nur in einem bestimmten Radius um -austrocknung, was im Falle einer die Strauchsetzlinge. Dadurch bekä- Landwirtschaftsfläche einen Vorteil men diese zwar Platz zur Entwick- in Bezug auf den Ertrag darstelle. lung, könnten aber weiterhin von Eben­so aus der Sicht des Bodens, den positiven Effekten der umliegen- wie Herr Gasch betonte, sei dies ein den Pflanzen profitieren. ganz elementares Argument, wenn es um die Notwendigkeit einer He­ Am Beispiel eines in der Nähe ange- ckenpflanzung gehe. Darüber hinaus legten Teiches erklärte Herr Gasch, sei es für Bodenlebewesen wichtig, dass abwechslungsreiche Elemente Bereiche vorzufinden, in welchen in der Landschaft für die Tierwelt nur wenig Bearbeitung stattfinde. wichtig seien. Libellen, Frösche, aber Daran anschließend fänden sich in auch Rehe und Wildschweine würden He ­ckenpflanzungen auch zahlreiche den Teich als Lebensraum oder Was- Insekten und Vogelarten, die Nah- serstelle nutzen. rung oder Zuflucht in diesen suchten. Als Beispiel führte Herr Gasch eine Im gesamten Gespräch wurde Herrn

30 3. Interviews im Partheland

Gaschs persönliches Anliegen sehr deutlich, mehr Gehölze in die Land- schaft einzubringen. Daher begrüße er auch jeden spontanen und nicht- spontanen Aufwuchs, wie er mit ei- nem Augenzwinkern sagte.

Verfasserin: Linda Wilhelm

31 3. Interviews im Partheland 3.7 Interview mit Thomas Schade - Parthelandwiesen e.V. Am 15.05.18 um 9:00 Uhr erwar­tete in regelmäßigen Abständen durch uns Herr Schade an der Koppel sei­ den Bullen decken. Dabei achtet er ner Rinderfarm in Taucha. Momen- darauf, dass die Kühe, nachdem sie tan ist er mit zwei weiteren Familien getragen haben, eine angemessene gemeinsam im Besitz von vier Gallo- Pause bekommen. way-Rindern. In der Regel handelt es sich nur um zwei Kühe und einen Bul- Wenn das Jungtier das Alter von len, aber zur Zeit besitzen sie zusätz­ achtzehn Monaten erreicht hat, lässt lich einen Jungbullen, welcher noch er es schlachten. Dabei ist es ihm nicht im schlachtfähigen Alter ist. Die wichtig, dass die Herde die Schlach- Rinder befinden sich seit 2015 im Be- tung möglichst stressfrei erlebt. sitz der drei Familien und stehen dort Um dies zu erreichen, lässt er das auf einer 5,5 ha großen Weidefläche Jungtier direkt auf der Weide erle- in direkter Nähe zur Parthe. gen, während die anderen Rinder ge ­trennt von dem Jungtier auf der Die Wiesenfläche ist sehr feucht, Wiese verbleiben. Pro Tier erreicht zeitweise stehen die Tiere knietief er dabei ca. 160 bis 180 kg verwert- im Wasser, weshalb die Bewirtschaf- bare Masse. Das Fleisch wird privat tung der Wiese nicht mit allen Tier- verkauft, in Zukunft wäre allerdings arten möglich ist. Das ist auch der auch ein Verkauf über das System Grund, weshalb die Wiese vorher zur der Weidepatenschaft denkbar. Haltung von Wasserbüffeln genutzt wurde. Laut Herrn Schade eignen Herr Schade sowie die beiden an- sich Galloway-Rinder hervorragend deren Familien, mit denen er sich die zur Haltung auf Feuchtwiesen, da sie Arbeit mit den Rindern teilt, arbei­ weniger anfällig für Krankheiten und ten ehrenamtlich. Finanziert wird durch ihre schottische Herkunft kaum er über Fördergelder, wobei diese witterungsanfällig sind. Die Rinder laut ihm manchmal zu Ärgernissen haben auf dem 5,5 ha großen Grund­ führen können. Zum Beispiel erhält stück viel Platz, wobei sie sich von er nur für ein Viertel seiner Weide- dem reichlich auf der Weide vorhan- fläche eine Prämie, da die Weide, denen Schilf ernähren. Das selek- sobald sie einen Schilfanteil aufweist, tive Abfressen von Wiesenkräutern nicht mehr als Wiese förderfähig ist. der Rinder fördert die Artenvielfalt Darüber ist Herr Schade enttäuscht, und Biodiversität. Außerdem stärkt denn er sieht, wie Nachbarn ihre För- es die Durchwurzelung des Bodens derung, trotz geringerem Aufwand und vebessert somit die Bodenqua­ ihrerseits und geringerem Nutzen für lität. Herr Schade lässt seine Kühe die Natur, erhalten. 32 3. Interviews im Partheland

Außerdem betont er, dass er häufig rum andere Ämter einschalten. Herr im Konflikt mit den unterschiedli- Schade legte uns ans Herz, dass die chen Ämtern steht, bzw. diese im Kommunikation der Ämter unterein- Konflikt miteinander, was ihn oft ander vorausgesetzt werden muss, in seinem Handeln einschränkt. Es um Probleme erfolgreich zu lösen. wird beispielsweise von ihm erwar- Im Gespräch mit Herrn Schade fiel uns tet, dass er seinen Rindern einen immer wieder auf, wie viel Herzblut ausreichenden Unterstand gewährt. er in die Arbeit mit seinen Rindern Für den Bau be­kommt er allerd- steckt und wir verstanden, wie ent- ings strenge Auflagen. So wurde es täuschend es sein kann, wenn man ihm nur genehmigt einen einfachen trotz guter Absichten und leiden- Unterstand auf vier Pfosten zu err- schaftlicher Hingabe immer wieder ichten. Hierbei gelangen allerdings, Steine in den Weg gelegt bekommt. durch den Kot der Tiere, Schadstoffe in den Boden, wodurch sich wiede- Verfasserin: Paulin Dörsching

Auf der Rinderweide in der Parthenaue

33 3. Interviews im Partheland 3.8 Interview mit Angela Neubert - Reiterhof „Panitzscher Ponyreiter“ Frau Neubert ist die Leiterin eines ebenfalls mit Umkleiden ausgestattet Pferdehofes mit 28 Pferden in Pa- waren, seien von Frauen und Män- nitzsch. Entlang ihrer Grundstücks- nern bis in die 20er Jahre intensiv grenze verläuft die Parthe, deren genutzt worden. Nach der Eröff- Wasser einen sehr hohen Stickstoff- nung des Bades in Taucha seien die gehalt aufweist. Frau Neubert er- Besucherzahlen allerdings stark ge- läuterte uns, dass dadurch die Parthe sunken und die Badeplätze wurden sehr stark verkrauten würde und fol- geschlossen. In der DDR konnte die glich beschattet werden müsse, um Parthe nicht zum Baden genutzt die Wasserqualität zu verbessern. werden, da die Lederfabriken das Als Reaktion darauf wurden viele Abwasser in diese einleiteten. Laut Bäume in Ufernähe gepflanzt. Doch Aussage von Frau Neubert hätte auf ­grund verlorengehender Bewei- man tagtäglich an dem Wasser der dungsfläche erfolgte die Pflanzung Parthe ablesen können, welche Farbe zu dicht am Wasser, weswegen der in der Lederfabrik zum Färben ge- Wind die aufgeweichten Wurzeln nutzt wurde. schnell entreißen kann. Frau Neubert führte uns ebenfalls zu Am Rande der Pferdekoppel liegt einem Regenrückhaltebecken eine abgetrennte Wiesenfläche mit direkt neben der Parthe, dessen Was- einer Rastbank, von der man eine ser aufgrund starker Verschmutzung weite Aussicht auf die Koppel, die und Verschlammung eine schlechte Parthe und das Umland genießen Wasserqualität aufweist. Dennoch kann. Trotz starker Vermüllung im bestätigte sie, dass hier die Existenz Umland betonte Frau Neubert, dass des Eisvogels nachgewiesen wurde. dieser Rastplatz von allen Nutzern Neben dem Regenrückhaltebecken (vor allem Wanderer aus Leipzig) fanden wir eine Streuobstwiese vor, stets sauber gehalten wurde. Sie ver- welche vom NABU gemeinsam mit wies auf den Jakobsweg, welcher in dem Gymnasium Taucha gepflanzt direkter Nähe durch die Region führe worden sei. und der von Wanderern aus vielen umliegenden Regionen genutzt Zurück auf dem Pferdehof fütterten werde. wir die Pferde und verabschiedeten uns von Frau Neubert, die schon Früher hätte man zahlreiche Bade- wieder alle Hände voll zu tun hatte. plätze an der Parthe nutzen kön- nen – einer davon direkt neben dem Verfasserin: Lilly Tank Pferdehof. Diese Badestellen, welche 34 3. Interviews im Partheland 3.8 Interview mit Angela Neubert - Reiterhof „Panitzscher Ponyreiter“ 3.9 Interview mit Sascha Fritzsch - Prof.-Hellriegel-Institut e.V. Am Dienstag, dem 15.05.18, trafen nenarten. wir uns mit Sascha Fritzsch, Mitar- Auf einer normalen Ackerfläche sind beiter am Professor Hellriegel Insti- es mit ca. zwei bis drei Arten nicht tut. e. V in Bernburg. Der Treffpunkt ansatzweise so viele. Um zu über- lag mitten im Grünen am Dorfrand leben brauchen Wildbienen einer- von Plaußig, ganz in Sichtweite der seits viel flüssigen Blütenpollen und Parthe. andererseits unbewachsenen Roh- boden, denn die Wildbienenkapseln Sascha ist im Bereich Landschafts- befinden sich 30 – 50cm tief in der ökologie und Faunistik tätig und eine Erde. seiner Aufgaben ist das Monitoring, welches mehrmals im Jahr auf Unter- Neben den Bienen sind blühende suchungsflächen im Partheland statt- Wiesen auch der Lebensraum von findet. Dabei wird auf verschiedenen Tagfaltern. Früher waren die Wie­ Flächen die Vielfalt der vorhandenen sen wesentlich artenreicher, heute Tier- und Pflanzenarten aufgenom- ist nicht mehr viel davon zu sehen. men, um einen guten Rundumblick­ Durch streifenweises Übertragen von zu erhalten. Von insgesamt ca. 48.000 Mahdgut artenreicherer Flächen aus Tieren sind zurzeit über 36% ge- dem Abtnaundorfer Park und zu- fährdet. Gerade Fließgewässerarten sätzlicher Einsaat sollen Arten etabli- sind extrem anfällig gegen kleins­te ert werden, welche Tagfalter und In- Veränderungen der Wasserqualität. sekten anlocken können. Da Kräuter Um ein paar dieser Lebewesen ein- später wachsen als Gräser, ist eine mal genauer unter die Lupe zu neh­ Mahd der Flächen zum richtigen men, fassten wir den Beschluss, in Zeitpunkt wichtig. Typische Arten der Parthe zu keschern. Also ging im Landschaftsraum der Parthe sind es mit Wathosen und viel zu kleinen neben verschiedenen Gräsern die Gummistiefeln bewaffnet in Richtung Wild-Glockenblume, Margeriten und Parthe. Hafer. Die Schwierigkeit bei dieser Methode liegt neben dem mühsa- Unterwegs durchquerten wir einen men Sammeln der Samen auch in Blühstreifen, welcher ein paar Jahre der Tatsache, dass Wildpflanzensa- zuvor mittels Mahdgutübertrag an- men Frost brauchen, um in der Folge gelegt wurde. Hier fühlen sich Bienen auszutreiben. Daher treiben die Sa- besonders wohl, denn wie wir direkt men oft zunächst nur punktuell aus. zu Anfang erfuhren, tummeln sich An der Parthe angekommen blieben hier über 40 verschiedene Wildbie­ dann doch nicht bei allen die Füße

35 3. Interviews im Partheland

trocken. Ziemlich schnell hatten wir können. eine große Schale voll mit kleinsten Lebewesen aus dem Wasser gesam­ Zudem gab es einige Wasserpflan- melt. Der Tipp, vor allem unter den zen zu entdecken, wie zum Beispiel Wasserpflanzen und Steinen zu den Flutenden Hahnenfuß. suchen, hat dabei sehr geholfen. Ne- ben Steinfliegenlarven, welche von Der größte Fund, welcher uns auch guter Wasserqualität zeugen, haben immer im Gedächtnis bleiben wird, wir Bachflohkrebse, Egel, Schnecken war ein ziemlich übelriechender und Köcherfliegenlarven gefunden. Schwei­nekopf. Wären wir im Herbst gekommen, hätten wir noch Libellenlarven finden Verfasserin: Reni Duschik

Beim Keschern in der Parthe

36 3. Interviews im Partheland 3.10 Interview mit Axel Weinert - Zweckverband Parthenaue Axel Weinert ist Landschaftsgärtner, ist ein Eingriff? Was sind Kompensa- Dipl. Landschaftsarchitekt und Mitar- tionsflächen?), auch um die Waldorf- beiter im Zweckverband Parthenaue. schüler in die Thematik einzufüh- Sein Aufgabenfeld in stadt PARTHE ren. Besonders deutlich wurde, dass land umfasst die naturschutzkon- wirklich alles in der Landschaft vom forme Grünlandbewirtschaftung Menschen beeinflusst ist (Kultur- sowie den Teilbereich der Pflege landschaft). Darüber hinaus versucht und des Umbaus von Flurgehölzen. man über Rechensysteme Eingriffe Gemeinsam mit ihm fuhren wir von in die Natur zu bewerten und zu der Freien Waldorfschule bis nach kompensieren. Herr Weinert legt dar, Plaußig. dass dies in der Praxis meist zu Auf- forstungen führe. 1.Stopp: an der Parthe (Zugang auf Des Weiteren wurde auf die Entste- den Parthe-Mulde-Radweg von der hungsgeschichte von Landschaften, Ossietzkystraße) wie wir sie heute kennen, eingegan- Hier gab uns Herr Weinert eine kurze gen und der Raseneisenstein bzw. Einführung zur Parthe: Sie entspringt das Raseneisenerz vorgestellt. Dieses im Glastener Forst, ist 56,7 km lang entsteht in moorigen, eisenhaltigen und mündet in Leipzig in die Weiße Gewässern unter Redoxvorgängen Elster. Entstanden ist sie nach der und ist ein typisches Gestein der Par- letzten Eiszeit. Der Eingriff in den thenaue, was aus den Überschwem- natürlichen Parthelauf hat bereits mit mungsfeldern gegraben wird. Es gibt der ersten Besiedlung stattgefunden mitunter Vermutungen, dass auch und sich bis in die heutige Zeit gezo- die Schienen für den Zugverkehr von gen - ursprünglich war sie 160km Leipzig nach Dresden aus Rasen­ lang. Im Leipziger Stadtgebiet ist sie eisenerz hergestellt wurden. größtenteils kanalisiert. Beispielar- ten in der Parthe sind der Flutende 3.Stopp: Feuchtwiesen im Abtnaun- Hahnenfuß und das Leichkraut. Wir dorfer Park fuhren entlang des Parthe –Mulde- Hier bestimmten wir folgende Pflan- Radwegs, der ca. 51km lang ist. zen mit dem Rothmaler-Bestim- mungsbuch: Plantago lanceolata, 2.Stopp: Feuchtwiese Sanguisorba officinales, Polygonum Hier hielten wir erneut, wie am Vor- bistorta, Ranunculus acris, Trifolium tag mit Sylvia Raubold. Wir machten pratense. uns zunächst Begriffe und Problema- tiken des Naturschutzes klar (z.B. 4.Stopp: Dorfkirche in Thekla Was sind Kulturlandschaften? Was Herr Weinert erläuterte die Entste­ 37 3. Interviews im Partheland

hung des Parthelands durch eiszeitli- Wir hatten Glück, dass ein Friedhofs­ che Gletscher. Der Verlauf entstand gärtner vor Ort war, der uns die durch die Eisschichten, die langsam Kirche aufschloss, sodass wir sie besi- wegschmolzen und das verblei­ chtigen konnten. bende Eis umflossen. Zudem ent- An der Kirchmauer, die aus verschie- stand eine eiszeitliche Moränen- denen Findlingsgesteinen besteht, kuppenlandschaft, deren höchste versuchten wir die Gesteinsarten zu Erhebung heute der Schwarze Berg erkennen. ist. In zahlreichen Gruben wurde und Herr Weinert erklärte uns weiterhin, wird Kies abgebaut wird. dass der Friedhof früher durch Be- weidung bewirtschaftet wurde. Da- Herr Weinert brachte uns Fossilien bei wurden die Gräber mit kleinen und Versteinerungen mit, die bei Zäunen vor Verbiss geschützt, was dem Abbau ans Tages­licht kamen. sich meist nur wohlhabende Men- Aus der Form lassen sich urzeitliche schen leisten konnten. Noch heute Pflanzen und Tiere (Korallen, Sch- gibt es daher die rechteckigen Felder necken, Seeigel) erkennen. vor den Gräbern.

Verfasserin: Johanna Bunte

38 3. Interviews im Partheland 3.11 Interview mit Heike König - Grüner Ring Leipzig Heike König vom Grünen Ring Leipzig Das Konzept hat die folgenden fünf erklärte im Interview, dass der Name Handlungsschwerpunkte: „Parthe“ einen slawischen Ursprung habe und „die Schmutzige“ bedeute. 1. Die Parthe als Fluss erleben. 2. Entfesseln und Überschwemmen. Die Parthe ist ein Gewässer 1. Ord- 3. Inszenieren/ Wachküssen. nung. Der Freistaat Sachsen, genau- 4. Räume qualifizieren. er die Landestalsperrenverwal- und die tung, sorgt also dafür, dass sich das 5. Wassertouristische Nutzung der Gewässer ständig in einem soge- Parthe. nannten “guten Zustand” befindet. Die Landestalsperrenverwaltung ist Der Grüne Ring ist eine freiwillige für den Erhalt und die Sicherung der Vereinigung von 14 Kommunen Parthe und des Hochwasserschutzes und zwei Landkreisen, welche einen verantwortlich und duldet daher kei­ Konzeptplan zur Entwicklung und Er- ne festen Einbauten an der Parthe. lebbarkeit der Parthenaue entwick- Deshalb sind viele Punkte des Kon­ elt haben. Dieser hat zum Ziel, die zeptes nicht umsetzbar. Parthe mehr in die Öffentlichkeit zu Zudem hat die Umsetzung des Kon­ rücken, da sie zurzeit kaum zugäng­ zepts in den Kommunen noch keine lich und wahrnehmbar ist. hohe Priorität.

Betrachten des Konzeptplanes für die Parthenaue

39 3. Interviews im Partheland

Ein weiteres Problem bei der Umset- Für die Umsetzung des Konzeptes zung sind der große Anspruch auf wäre eine Steuerungsgruppe/ ein die Flächen und ein hoher Flächen- Umsetzungsmanager sinnvoll, der druck. Dadurch werden alle Flächen, die Umsetzung koordinieren und die im Flächennutzungsplan nicht zwischen Konfliktpartnern vermitteln für Naturschutz freigehalten werden, könne. Diese wären allerdings finan- anders genutzt und stehen nicht zur ziell abhängig von Bund und För- Verfügung. derprogrammen. Diese Möglichkeit bestehe zurzeit leider noch nicht. Zum Thema der wassertouristisch- Eine Möglichkeit, um das Bewusst- en Nutzung sagte Frau König, dass sein für die Parthe in den Gemein- Bootfahren auf der Parthe prinzipiell den zu stärken, wäre, den Fluss in möglich sei, aber erst ab Thekla sinn­ den Ortsnamen zu integrieren, zum voll wäre - empfehlen könne sie es Beispiel „Taucha an der Parthe“. allerdings nicht. Verfasserin: Theresa Lasch

Wasserrastplatz N°1 in Panitzsch

40 3. Interviews im Partheland

3.12 Interview mit Brigitte Süptitz, Detlef Anders - Heimatverein Beucha Wir trafen uns am 15.05.2018 am aber auch die sogenannten „Knack- Kirchbruch in Beucha. Dies ist ein frauen“ oder „Knackschlägerinnen“ ehemaliger Steinbruch, in welchem im Steinbruch, welche die restlichen Granitporphyr gewonnen wurde. Gesteins ­brocken zu Schotter verar- Die oberen Schichten dieses Steines beiteten. Sie nahmen ihre Kinder sind orange-braun und bilden einen einfach mit zur Arbeit und legten sie besonders guten Werkstein, welcher im Schatten der Steinmetzhütten ab. weich und somit leicht zu bearbeiten ist. Dort wo wir uns befanden, stehen zwei massive Stelen, welche mit ver- Neben dem Völkerschlachtdenkmal schiedenen Gesteinen aus Beucha, von 1913 wurde dieser Stein auch der Lausitz, Arnsdorf, dem Harz, in vielen wichtigen Gebäuden in Meissen, Halle, Aue, usw. verklei­ Leipzig verbaut: Im Neuen Rathaus, det sind. Unter dieser Verklei­dung dem ehemaligen Reichsgericht sowie befinden sich alte Stahlbetonsäulen, der Hauptpost, aber auch im Haupt- welche früher zum Betrieb eines bahnhof oder am ehemaligen Ge- Kranes zum Heben der Lohren not- wandhaus. wendig waren. Als sie dann nach Beenden des Steinbruchbetriebes Die Steinbrüche sind generell sehr entfernt werden sollten, stellte sich wichtig für Beucha – welches auch heraus, dass ihr Abbau sehr kom- Dorf der Steine genannt wird – so- pliziert wäre, weshalb sie mit den dass sie sich neben der Parthe, den verschiedenen Gesteinen zu einem Dorflinden und der Kirche im Wap- Denkmal aufgewertet wurden. pen der Stadt finden. Zudem wird der Kirchsteinbruch durch diverse Festivitäten wie den Steinbruchlauf oder Steinbruch in Flammen insze- niert. Für den Bau eines Steinbru- chrundweges wurden außerdem Fördermittel beantragt.

Der Kirchsteinbruch wurde bis in die 60er Jahre bewirtschaftet: Für den Abbau wurden zuerst Löcher ge- bohrt um anschließend den Stein gewollt abbrechen zu lassen. Ne- ben den Steinmetzen arbeiteten Denkmal zur Steinbrucharbeit im Parheland 41 3. Interviews im Partheland

Den Abbrucharbeiten wäre beinahe Neben dem Kirchsteinbruch stehen auch die Bergkirche zum Opfer ge- noch drei weitere Brüche unter Was- fallen. Doch der sehr resolute Pfar- ser: Der Hausbruch und der Dollert- rer Eduard Stephani wehrte sich um bruch, welche auch zum Baden ge- 1860 zusammen mit seinem Sohn nutzt werden sowie der Spittlbruch, in gegen einen bevorstehenden Ab- welchem jedoch viel Müll und Schutt bruch und rettete somit die Kirche. abgelagert wurden. Da für die di- An sein Engagement erinnert heute versen Steinbrüche viele Steinmetze­ noch ein Gedenkstein neben der benötigt wurden, kamen auch viele Kirche. Damit die Kirche nun weiter Arbeiter aus Süddeutschland nach bestehen bleiben konnte, wurde um Beucha. Da diese dem katholischen sie herum abgebaut und es entstand Glauben folgten, wurde für sie die ein herzförmiger Steinbruch, welcher katholische Kapelle St. Ludwig erbaut heute über sauberes und tiefes Was- – welche nun die einzige katholische ser verfügt. An einigen Stellen füh- Kirche in der näheren Umgebung ist. ren Treppen herab, sodass man dort auch baden gehen kann.

gerettete Bergkirche in Beucha 42 3. Interviews im Partheland

Schließlich beendeten wir unseren doch ihren Marktplatz neugestaltete, Spaziergang und fuhren mit dem verwendeten sie aus Kostengründen Auto zum letzten noch aktiven Stein- allerdings keinen heimischen Granit, bruch des Dorfes: dem Steinbruch sondern eine günstigere Variante aus Sorge. China.

Woher genau der Name stammt, ist Wir verabschiedeten uns von unseren nicht überliefert, aber es könnte von Gästeführer*innen und fuhren auf ihr den Lebenssorgen der Steinmetze Anraten noch zum Kohlenberg. Auch um das Überleben und Ernähren ihrer hier wurde ehemals in zwei nach den Familie abstammen. An diesem kann Himmelsrichtungen Ost und West man gut sehen, dass sich im oberen benannten Steinbrüchen Granit ab- Teil die rötlichen, weichen Steine be- gebaut. Inzwischen werden diese je- finden, welche auch für die Renovier- doch zum Tauchen und zum Klettern ung des Völkerschlachtdenk­mals ge- genutzt. Wir erklommen den Gipfel nutzt wurden, und im unteren Teil des Kohlenbergs und fanden dort die härteren, grau-bläulichen Steine. einen Wasserturm vor, welcher auf- Dieser Steinbruch wurde früher wie grund seiner Lage auf dieser Anhöhe auch der Kirchbruch, durch eine Seil- für einen stetig guten Wasserdruck in bahn erschlossen, inzwischen werden Beucha sorgte. die Steine jedoch mit Radladern ab- transportiert. Als die Stadt Brandis je- Verfasserin: Verena Zapf

Steinbruch Sorge 43 3. Interviews im Partheland 3.13 Interview mit Ronald Schiller - Naturkundemuseum Leipzig Mit Ronald Schiller vom Naturkun- jedoch jetzt völlig verschwunden. Ein demuseum Leipzig trafen wir uns am möglicher Grund dafür ist die Än- Dienstag, dem 15.05.18, im Abtnaun- derung des Verlaufes der Parthe im dorfer Park im Nordosten Leipzigs. Abtnaundorfer Park. Dadurch hat Er ließ uns an seiner Begeisterung für sich das Feuchtigkeitsklima verän- Tagfalter teilhaben. dert und die Ameisen haben „nasse Füße“ bekommen. Das Verschwin- Ein ganz besonderer Tagfalter, der den einer Art festzustellen ist jedoch auf den Wiesen im Abtnaundor- viel schwie­riger als eine neue Art zu fer Park vorkommt, ist der Wiesen- finden, erklärte uns Ronald Schiller. knopf-Ameisenbläuling. Er hat ganz spezielle Anforderungen an seinen Durch die weiten Bergbaufolgeland- Lebensraum, wie man auch schon schaften mit Steppenarten und Le- an seinem langen Namen erkennen guminosen breiten sich zurzeit viele kann. Zuerst benötigt der Schmet- Arten aus Thüringen aus. terling die Blüte des Wiesenknopfs, Jedoch muss man vorsichtig sein und auf welcher er seine Eier ablegt. Der Erkenntnisse aus anderen Ländern Wiesenknopf blüht im Abtnaundor- oder Regionen können nicht immer fer Park von Mitte Juli bis August. übertragen werden. Zum Beispiel Die Schmetterlingseier fallen dann der Trauerrasenkäfer, welcher ur- hinunter und signalisieren einer sprünglich aus Thüringen kam, ist bestimmten Ameisenart durch dort jetzt ausgestorben. Im Parthe- Geruchsstoffe, dass sie ihre Brut sind. land hat er sich jedoch angesiedelt Deshalb tragen die Ameisen sie in und auch in Berlin/ Brandenburg gibt ihren Bau. Dort ernähren sich die es mehrere Funde. Schmetterlingslarven von den Ei- Durch große Klimaereignisse wie die ern der Ameisen, bis sie schließlich Eiszeit haben sich weitere Arten hier schlüpfen. Fehlt nur eine dieser Kom- angesiedelt, so auch das Schachbrett ponenten, so kann der Wiesenknopf- und das Landkärtchen. Ameisenbläuling nicht überleben. Letztlich mussten wir den Ausflug Man unterscheidet zwischen dem relativ zügig beenden, da ein Gewit- hellen und dem dunklen Wiesen- ter heraufzog. Trotzdem haben wir knopf-Ameisenbläuling. in der kurzen Zeit viele interessante Der dunkle ist in den 90er-Jahren und besondere Arten kennengelernt. im Leipziger Raum aufgetaucht, der helle kam früher recht häufig vor, ist Verfasserin: Reni Duschik

44 3. Interviews im Partheland

Ronald Schiller mit zwei Studenten

45 3. Interviews im Partheland 3.14 Interview mit Sandro Möbius - Lindenwerkstätten In den Lindenwerkstätten, einer Ein- Flächen für drei Jahre brach. Weiterhin richtung des Diakonischen Werkes werden die Flächen zur Heuproduk- Innere Mission Leipzig e.V., wird ge- tion oder zum Beweiden verwendet. meinsam mit behinderten Menschen Die 720 Freiland-Legehennen pro- Tierhaltung und Landwirtschaft be- duzieren Eier, welche verkauft, aber trieben. Die Produkte werden im auch zu Nudeln und Eierlikör verar- ange­schlossenen Hofladen verkauft. beitet werden. Hähne, Gänse, Auf kleineren Feldern, welche frei zur Schweine und Kaninchen werden zur Verfügung gestellt wurden, werden Fleischproduktion gehalten. Kartoffeln, Rote Beete, Möhren und Futtermais für die Gänse angebaut. Verfasserin: Theresa Lasch Nach einem Anbaujahr liegen die

Freiland-Legehennen der Lindenwerkstätten

46 3. Interviews im Partheland 3.15 Interview mit André Wolf - Schäfer André Wolf ist Umweltjurist, Geograf pfindet er es, dass er seine Schafe und hält sich als Hobby und als Ne- nicht von einer Weide auf die nächs­ benerwerb Leineschafe, eine Rasse te treiben kann, da es keine Triftwege mit besonders guter Wolle, und gibt und die Weideflächen zu weit Skudden. auseinander liegen. Deshalb muss er sie mit dem Auto von einer Weide Seine 70 Schafe stehen in der Nähe zur nächsten fahren. Besser wäre es, der Parthe auf einer Streuobstwiese. wenn er große, zusammenhängende Dort grasen sie und pflegen gleich­ Flächen an der Parthe mit seinen zeitig die Landschaft. Schafen beweiden könnte.

Allerdings kommt es auch vor, dass Der Vorteil einer Beweidung mit sich ein Schaf durch das Schutzgitter, Schafen ist, dass sie Stellen abgrasen welches um die Bäume angebracht und somit pflegen können, an denen wurde, beißt und die Rinde abreißt. Maschi­nen kei­ne Chance haben. Mit Das führt dazu, dass Herr Wolf den ihrem goldenen Tritt und silbernem Baum auf eigene Kosten ersetzen Biss können sie einen hohen Beitrag muss, da er viele seiner Weideflächen zur Landschaftspflege leisten. Sie nur gepachtet hat. Nachteilig em­ treten horstig wachsende Pflanzen

Leineschafe der Herde von André Wolf

47 3. Interviews im Partheland

nieder, wodurch diese wieder flach langläuft, versetzt das die Tiere in werden. Nach einiger Zeit wäre da- Panik. Durch den hohen Stress kann durch auch die Bearbeitung mit Mas- es zu Fehlgeburten kommen, welche chinen wieder möglich. Außerdem einen großen finanziellen Verlust für haben so lichtbedürftigere Pflanzen den Schäfer darstellen. Bisher sind wieder mehr Möglichkeiten zu wach- Wölfe im Partheland jedoch noch sen und die Artenvielfalt kann auf nicht gesichtet worden. diese Weise erhöht werden. Auch die Wurmbehandlung der Tiere war ein wichtiges Thema, denn diese Weiterhin erzählte Herr Wolf viel ist sehr teuer und aufwendig. über die Wolfsproblematik, die für Schäfer eine sehr schwierige Situa- Alle diese Faktoren führen zu einem tion darstellt. Persönlich ist er nicht hohen finanziellen Aufwand in der gegen den Wolf, er sagt aber, dass Schafhaltung, weshalb sich Herr Wolf die Rahmenbedingungen für den noch nicht sicher ist, wie lange er Schäfer nicht stimmen. Denn selbst damit fortfahren kann. wenn der Wolf nicht auf die Weide gelangt, sondern nur am Zaun ent- Verfasserin: Claudia Tautenhahn

Wir testen, wie schwer die körperliche Arbeit von Schäfern sein kann

48 3. Interviews im Partheland

3.16 Interview mit Sylvia Raubold - Amt für Stadtgrün und Gewässer, Stadt Leipzig Sylvia Raubold ist Dipl. Geografin zwischen Schilf und umgeben von und arbeitet im Amt für Stadtgrün Mücken, die Parthe zu sehen. Hier und Gewässer der Stadt Leipzig. verläuft auch die Parthe-Mulde- Gemeinsam mit ihr fuhren wir mit Radroute und der Parthe-Wander- dem Fahrrad von der Freien Wal- weg. Für den Mariannenpark wird dorfschule bis zum Naturbad aktuell eine denkmalpflegerische Nordost (“Bagger”). Zielstellung erarbeitet. Diese Erarbei- tung im Kontext aktueller Nutzung- 1. Stopp: Mariannenpark sansprüche war auch Gegenstand Der Mariannenpark ist ein Volkspark, einer Parthelandküche. Die Diskus- der um 1900 von Leberecht Migge sion um die zukünftige Entwick- konzipiert und bis 1928 fertiggestellt lung soll auf Basis der Zielstellung wurde. Besonderheiten der denk- weitergeführt werden. malgeschützten Parkanlage sind eine große Tummelwiese, eine Stauden- 2. Stopp: Feuchtwiesen der Parthen­ Mulde, ein Rondell aus Rot-Eichen aue und ein Rosengarten. Trotz der Entlang des Parthe-Mulde-Radwegs großzügigen Tummelwiese herrscht ging es weiter zu den Feucht- hier kein so großer Nutzungsdruck wie­sen der Parthenaue südlich des wie z.B. im zentral gelegenen Clara- Zetkin-Park. Der Park ist eher Frei- und Erho- lungsraum für die Bewohner*innen des angrenzenden Stadtteils Schönefeld und macht einen etwas verschlafenen und noch unentdeck- ten Eindruck. Das historische Parkgebäude wird von der Stadtreinigung als Be- triebshof genutzt. Diese pflegt auch den Park.

Der direkte Zugang zur Parthe ist wegen einer Kleingartenanlage, die zwischen Parthe und dem Park liegt, nicht möglich. Nur in Höhe des Schlosses Schönefeld ist, versteckt Auf dem Parthe-Mulde-Radweg 49 3. Interviews im Partheland

Abtnaundorfer Parkes, die über eine Behörden wird ggf. die Mahd an- Brücke zu erreichen sind. Die Wiesen gepasst und Bereiche mit hohem hier sind sehr feucht und bieten als Aufkommen des Wiesenknopfes bei Biotope einen wichtigen Lebensraum der Mahd ausgespart. für verschiedenste Pflanzen und Außerdem wird eine manuelle Pflege Tiere. der Feuchtwiesen mit dem Frei­ Darunter auch die seltene Schmet- schneider aus Naturschutzgründen terlingsart Wiesenknopf-Ameisen- bevorzugt. Dies ist jedoch sehr arbe- bläuling: Zum Leben benötigt er itsintensiv und somit teuer. Mitten in eine bestimmte Ameisenart (Rote einer Feuchtwiese­ befinden sich meh- Kno­tenameise) und eine bestimmte­ rere mit Wasser gefüllte Krater, die Pflanzenart (Großer Wiesenknopf). eine absurde Geschichte haben. Sie Er legt seine Eier auf dem Großen entstanden nach einer Kampfmittel- Wiesenknopf ab, die Larven schlüp- beräumung. Während die Behörden fen aus den Eiern und fallen zu noch darüber diskutierten, inwieweit Boden. Dort werden sie von der die wassergefüllten Aushublöcher Ameise eingesammelt und in ihren den naturschutzfachlichen Entwick- Bau gebracht („Die Raupen haben lungszielen für die Flächen dienten, eine ähnliche chemische Ober- hatten sich dort schon neue natur- flächenstruktur wie die Ameisenbrut, schutzfachliche Werte entwickelt, deshalb behandeln die Arbeiterin- denn es hatten sich schützenswerte nen der Knotenameise die Tiere und Pflanzen angesiedelt. So Schmetterlingsraupen wie ihre ei- entschied man, die Biotope zu be- gene Brut.“ LfULG). Dort entwickeln lassen. Dies ist zwar aus Sicherheits- sich die Larven zum ausgewach- gründen leicht bedenklich, da man senen Falter weiter. Gepflegt werden nachts nicht mit den Kratern rechnet, die Wiesen vom Zweckverband Par- aber dennoch eine Bereicherung der thenaue. Unter bestimmten Auflagen Wiesen. wird die Pflege der Wiesenbiotope durch das LfULG gefördert. Diese 3. Stopp: Abtnaundorfer Park Auflagen stehen aber im Konflikt (Feuchtwiesen) zum Lebenszyklus des Wiesenknopf­ Der Weg führte weiter durch den Ameisenbläulings (Wie­senknopf Abtnaundorfer Park. Er ist ca. 15,8 blüht erst im Juli, gemäht werden soll Hektar groß und wurde zwischen aber schon im Mai, dadurch kommt 1752 und 1755 durch Dr. Traugott keine Blüte zustande und der Fal- Thomasius als Rittergutspark ange- ter kann seine Eier nicht ablegen). legt. In den 1920er-Jahren wurde In Absprache mit den zuständigen der Park an einen Sägewerksbesitzer 50 3. Interviews im Partheland verkauft, der viele alte Gehölze fällen zu ausgedehnten Spaziergängen ließ und stattdessen schnell wach- nutzte. sende Pappeln pflanzte. 2014 entnahm man die Pappeln auf- 5.Stopp: Endpunkt am Naturbad grund von Krankheit bzw. zur Verkeh- Nordost (“Bagger”) rssicherung im Park und baute aufgr- Der Bagger ist ein Natur- und des schlechten Wegezustandes schwimmbad, entstanden in den die Parthe-Mulde-Radroute aus. 1960er-Jahren durch Kiesabbau und Verdeutlicht wurde uns bei all den Wiederverfüllung mit Grundwasser. erforderlichen Pflegearbeiten, wie Er ist besonders für den angrenzen- wichtig es ist, hier die verschieden- den Stadtteil Thekla ein Naherhol- sten Belange wie die des Denkmal-, ungsgebiet. Vor zwei Jahren machte Hochwasser- und Naturschutzes er Schlagzeilen aufgrund zweier mit den Nutzungsansprüchen der Leichenfunde. Das tat seiner Beliebt- Bevölkerung in Einklang zu brin- heit jedoch keinen Abbruch. gen. Zukünftig soll der Parkteich entschlammt und das bestehende Verfasserin: Johanna Bunte Grabensystem reaktiviert werden, um die Vernässungserscheinungen im Park zu regulieren und somit auch die Wiesenpflege zu erleichtern.

4. Stopp: Abtnaundorfer Park (Teich- insel) Im hinteren Teil des Abtnaundorfer Parks befindet sich eine Teichinsel mit einem klassizistischen Pavillon in der Mitte. Zwei historisch anmutende Figuren aus Drahtgeflecht von der Künstlerin Franziska Möbius stehen über dem Wasser, nahe der Teichin- sel. Sie wurden im Auftrag des Zweck- verbands Parthenaue im Jahr 2007 angefertigt und stellen zwei lustwan- delnde Damen zur Zeit der Entste- Drahtgeflecht-Figuren der Künstlerin Franziska hung des Parks dar. Zudem erinnern Möbius nahe der Teichinsel sie an Clara Schumann, die den Park 51 52 Leporello Deckblatt

4. Leporello 53 4. Leporello 4.1 Kurz und Knapp Das Plakat „Kurz und knapp“ be- Ackerflächen aufgegeben wurden schäftigt sich mit dem Gewässerver- und man den Platz vielmehr zum lauf der Parthe und soll verdeutli- Bau von Gebäuden benötigte. chen, wie viele Kilometer des Flusses Viele Uferzonen wurden komplett durch diverse Umstände verloren verbaut und natürliche Auenbe- gegangen sind. reiche gingen verloren. Da jedes Gewässer die umliegende Auch die geringe Wasserführung Landschaft prägt und sich in das führte zu der heute recht unschein- Landschaftsbild einflechtet, sollen im baren Parthe. Vielerorts kam es auf Plakat eingewebte Schnüre diesen Grund der hohen Flächennutzung Zusammenhang verdeutlichen. Da- zum Absinken des Grundwasser- bei stellt die dunkelblaue Schnur den spiegels. Dies entzog auch dem ehemaligen Gewässerverlauf dar – Gewässer einen großen Teil des stark geschwungen bis mäandrie­rend Wassers. Zusätzlich zu diesem Ef- zog sich das Gewässer von Parthen- fekt sorgen die örtlich vorhandenen stein bis in das Leipziger Stadtzen- Schwämmsande im Boden dafür, trum. Konträr dazu verläuft eine dass die Parthe abschnittsweise hellblaue Schnur und repräsentiert oberflächlich komplett trocken fällt. den heutigen Verlauf. Fast gestreckt Das Plakat wirft somit einen kriti­schen und nur selten geschwungen ­nimmt Blick in Richtung Gewässerverbau das Wasser seinen Lauf durch die und hinterfragt die anthropogene Landschaft. Die ehemals 140km Überprägung unserer Landschaft. schrumpften auf derzeitige 60km. Neben der haptischen Verdeutli­ Bearbeiter: Benedikt Taiber chung dieser Tatsachen verweist das Plakat zudem auf die Ursachen für Quellen: Interviews mit Detlef Porzig, diese Entwicklung. Bernd Hoffmann, Mai 2018 Insbesondere verlor die Parthe im 20 Jhd. an Länge, da die umliegenden

54 55 Dort unten in der Mühle Saß ich in süßer Ruh Und sah dem Räderspiele Und sah den Wassern zu.

Sah zu der blanken Säge, es war mir wie ein Traum, die bahnte lange Wege in einen Tannenbaum…

(Justinius Kerner, Der Wanderer in der Sägemühle) lyrische Resonanz zu: Kurz und Knapp

56 Siehe, der Frühling währet nicht lang: Bald verhallt ist der Nachtigall Sang. Blühen noch heute die Blumen im Feld, morgen ist öd und traurig die Welt, aber der Liebe selige Lust ist sich des Wandels immer bewusst.

Alles auf Erden hat seine Zeit, Frühling und Winter, Freuden und Leid, Hoffen und Fürchten, Ruhn und Sich-Mühn, Kommen und Scheiden, Welken und Blühn, aber der Liebe selige Lust ist sich des Wandels immer bewusst.

(Aus: August Heinrich Hoffmann v. Fallersleben, Dauer im Wechsel) lyrische Resonanz zu: Flächenverbrauch

57 4. Leporello 4.2. Flächenverbrauch Das Plakat „Flächenverbrauch“ stellt Gewerbeflächen. Auch Ausgleichs- auf eine grafische Art und Weise maßnahmen werden häufig auf land- die Probleme des Parthelandes wirtschaftlichen Flächen angelegt. durch den zunehmend steigenden Das Plakat soll auf eine kritische Art Flächenbedarf dar. und Weise vermitteln, unter welchem Die wachsende Stadt Leipzig stellt Druck das Partheland steht und wie den größten Faktor des Flächenver­ immer mehr Flächen für verschie- brauchs dar. Durch den Suburba­ dene Vorhaben gebraucht werden. nisierungsdruck wandert der Dabei wird selten Rücksicht auf die Stadtrand Leipzigs immer weiter Typiken und Eigenschaften der ur- in das Partheland. Neue Flächen sprünglichen Landschaften rund um werden versiegelt und bebaut, das Flüsschen Parthe genommen, neue Siedlungen entstehen und wodurch immer mehr Eigenarten die Eigenarten des Parthelandes verloren gehen. rücken dadur­ ch immer weiter in den Hintergrund. Weiter­ e Faktoren Bearbeiterin: Reni Duschik des Flächenverbrauches sind der Ausbau der Infrastruktur sowie die Quellen: Zusammenfassung der In- Erweiterung und Neuanlage von terviews mit den Akteuren, Mai 2018

58 59 4. Leporello 4.3 Triebwerkslandschaft Einen nicht zu unterschätzenden zungswandel von wirtschaftlichen Einflussbereich auf Landschaft stellt Unternehmen steht das Gelände der die Wirtschaft dar. Das BMW-Werk ehemaligen Mitteldeutschen Mo- vor den Toren der Stadt Leipzig ist torenwerke (MiMo-Werke) an den in diesem Zusammenhang eine Ufern der Parthe. In den 30er Jahren bestimmende Größe. Zum einen sind des vergangenen Jahrhunderts wur- die großen Werkshallen und die vier den in den großen Werks­hallen, Windkraftanlagen als weithin sicht- ebenso wie heutzutage bei BMW, bare bauliche Dominanten prägend Triebwerke für die Fahrzeugindustrie für das Landschaftsbild. Zum an- gefertigt. Nach dem Zweiten Welt- deren ist das Werk ein wichtiger Ar- krieg gelangten Teile des Werkes als beitgeber in der Region und nimmt Reparationsleistungen in die somit aktiven Einfluss auf das Leben Sowjetunion, andere Teile der bauli- der Bevölkerung. Die große Zahl chen Anlagen und Werkshallen wur- der Beschäftigten führt zudem zu den gesprengt. verkehrstechnischen Herausforde­ Zur Zeit der DDR wurde das Gelände rungen, da sich regelmäßig auf den als Ausbildungsstätte für die Volks­ Straßen rings um das Werk erhebli- polizei genutzt. Nach der politischen che Staus bilden. Ein anderer Aspekt Wende verfiel das Gelände zuneh­ bei der Einflussnahme auf die Land- mend und die Natur fing an, die schaft ist die im Zuge der Errichtung Flächen zurückzuerobern. Heut­ des Werkes entstehende Ausgleichs- zutage bietet das Gelände eine landschaft. Um die negativen Aus- Vielzahl an Biotopen für zum Teil wirkungen des Werksneubaus im geschützte Arten und es wurde ein Partheland zu kompensieren, wur- Naturlehrpfad angelegt. Aufgrund den im großen Stil neue Biotope der bewegten Geschichte und seiner angelegt, Flächen in der Umgebung Bedeutung in der Zeit des National- aufgewertet und Entsiegelungen sozialismus ist es zudem ein Ort für vorgenommen. Dies veränderte inoffizielle politisch motivierte Aus- nicht nur das Gesicht einiger Teilab- einandersetzungen, die sich in Form schnitte entlang der Parthe, sondern von Graffiti und Aufklebern wider- veränderte zudem die Flora und spiegeln. Fauna des Gebietes. Dieser enorme Einfluss auf die Land- Bearbeiter: Maximilian Hertel schaft ist jedoch nicht zwingend eine Konstante der Zukunft. Beispielhaft Quellen: Interviews mit Bernd Hoff- für die Veränderung dieses Einflus- mann, Felix Körner, Philipp Herr­ ses und den Bedeutungs- und Nut- mann, Mai 2018 60 61 Du siehst, wohin du siehst, nur Eitelkeit auf Erden. Was dieser heute baut, reißt jener morgen ein; Wo jetzund Städte stehn, wird eine Wiese sein, auf der ein Schäferskind wird spielen mit den Herden….

(Aus: Andreas Gryphius, Es ist alles eitel) lyrische Resonanz zu: Triebwerkslandschaft

62 Es reden und träumen die Menschen viel von bessern künftigen Tagen, nach einem glücklichen goldenen Ziel sieht man sie rennen und jagen, die Welt wird alt und wird wieder jung, doch der Mensch hofft immer Verbesserung!

(Aus: Friedrich Schiller, Hoffnung) lyrische Resonanz zu: Ausgleichslandschaft

63 4. Leporello 4.4 Ausgleichslandschaft Ausgleichslandschaft – was ist das rechtfertigen versucht und welches eigentlich? Der Begriff Ausgleichs- die geschaffenen Ausgleichsflächen fläche definiert eine Fläche, auf der beschönigt. Denn wie sollen sich Maßnahmen des Naturschutzes Flora und Fauna naturnah entwick- nicht vermeidbare Eingriffe in die eln, wenn beispielsweise ein großer Natur ausgleichen sollen (Quelle 1). Zaun die geschaffene „Ausgleichs- Der Begriff „Ausgleichslandschaft“ landschaft“ umgrenzt? Ein Austausch könnte die Masse und die daraus von beispielsweise Säugetieren, die entstehende Größe der Ausgleichs­ weder durch Klettern noch durch flächen beschreiben und verdeut­ Fliegen diese Barriere überwinden lichen, die BMW im Zuge der können, werden von dem Leben auf Bebauung und der daraus folgen- der Ausgleichsfläche ausgeschlossen. den Versiegelung der Flächen ge- Und was symbolisieren eigentlich die schaffen hat. Die Realisierung des Gebäude der Ver- und Entsorgungs­ Konzerngeländes indes ist zu hinter- anlagen, welche laut Flyer im Kon- fragen, da diese einige Kritikpunkte trast zur umgebenen Landschaft in mit sich führt und die Meinungen einem Orientrot verputzt wurden? in der Gesellschaft spaltet. Zum ei­ Hätten sich die Werksgebäude nicht nent schaff BMW viele Arbeitsplät­ bestmöglich in die Landschaft einfü- ze in der Region und beschäftigt gen müssen? viele Arbeiter*innen. In Bezug auf Das Plakat „Ausgleichslandschaft?“ die Flora konnten sich einige aus- zeigt neben der Masse an Nutzungs­ gewählte Pflanzen entwickeln und änderungen vor allem Zitate, die kri- durchsetzen, was durchaus ein posi- tisch mit der realisierten Ausgleichs­ tiver Aspekt ist. Allerdings versucht landschaft umgehen. Die Betrachter BMW mit Begriffen und Formulie­ sind aufgefordert, die Zitate rungen ein Statement zu setzen, gründlich zu lesen und sich eine ei- welches scheinbar die Bebauung zu gene Meinung zu bilden.

Bearbeiterinnen: Lilly Tank, Paulin Dörsching

Quellen: 1: https://www.arl-net.de/de/lexica/de/ausgleichs- und-ersatzma%C3%9Fnahmen [zuletzt auf- gerufen am 09.06.2018] 2: Zweckverband Parthenaue und NABU-Schüler- gruppe „Parthenfrösche“, 2006, 3: Flyer: Ausgleichslandschaft Plaußig, Leipzig

64 65 4. Leporello 4.5 Von Bienchen und Blümchen Das Plakat „Von Bienchen und Blüm- Mahdgut weitere Samen auf der chen“ befasst sich mit der Arten- Fläche ausgesät. vielfalt auf den Äckern und Wiesen Neben der Artenvielfalt und den im Partheland. Auf einem normalen Etablierungsmethoden zeigt das Acker leben ungefähr vier verschie- Plakat die Unterschiede zwischen dene Arten von Wildbienen, das- der Honigbiene und der Wildbiene. selbe gilt für das Vorkommen von Die Honigbiene nistet beim Imker im Tagfaltern. Kasten und ist relativ flexibel bei der Auf Blühstreifen hingegen sind es Wahl ihrer Futterpflanzen. Dadurch zehnmal so viele. Blühstreifen werden hat sie einen relativ großen Leben- zum Beispiel als Ausgleichsmaßnah- sraum. Viele der Wildbienenarten men angelegt. Durch die Einsaat von hingegen bevorzugen spezielle Kul- Kulturpflanzen und Wildkräutern turpflanzen bei der Futterwahl, was wird der Blühreichtum erhöht und ihren Lebens­raum stark einschränkt. bietet dadurch vielen Arten einen Eine weitere Besonderheit von Wild- Lebensraum. Typische verwendete bienen ist, dass sie Kapseln bevor- Wildarten sind z.B. der Hahnenfuß, zugt in Rohboden in 30-50cm Tiefe die Kuckucks-Lichtnelke, Margeriten, bauen. der Wiesenknopf sowie Glockenblu- Insgesamt wirft das Plakat einen hin- men und Gräser. terfragenden Blick auf die heutige Eine Art der Etablierung ist die Me­ Situation der Artenvielfalt von Pflan- thode des Mahdgutübertrags. Dabei zen und Tieren auf Äckern und Wie­ wird der Wiesenschnitt von Flächen sen im Partheland. mit natürlichem Blühreichtum strei- fenförmig auf eine Fläche gebracht. Bearbeiterin: Reni Duschik Dort können die Samen aufgehen und sich in den folgenden Jahren auf Quellen: Interviews mit Sascha die gesamte Fläche ausbreiten. Meist Fritzsch, Bernd Hoffmann, Ronald werden zusätzlich zum Schiller, Mai 2018

66 67 Im Garten sah ich frisch und schön, die aufgeblühte Rose stehn; und wer sie sah, und wer sie fand, gleich mir entzücket vor ihr stand.

Der Gärtner kam in raschem Gang; Da ward mir für die Rose bang. Ich stand und sah, wie plötzlich – ach! Des Gärtners Hand die Rose brach.

„Du harter Mann, was machest du?“ Rief ich, dem Gärtner zürnend zu; „die Rose, die so herrlich stand, bricht ohn Erbarmen deine Hand!“

„Der Sturm könnt sie entblättern hier“, sprach drauf der Gärtner mild zu mir. „Für sie, die hier gefährdet stand, weiß ich ein sichres, beßres Land.

In jenes Land versetz ich sie; denn dort erreicht der Sturm sie nie. Wirst du sie einst dort wiedersehn, so blüht sie hundertmal so schön!“

(Johann Peter Hebel, Die Rose, Beim Tod eines jungen Mädchens) lyrische Resonanz zu: Von Bienchen und Blümchen

68 Palmström steht an einem Teiche Und entfaltet groß ein rotes Taschentuch: Auf dem Tuch ist eine Eiche Dargestellt sowie ein Mensch mit einem Buch.

Palmström wagt nicht, sich hineinzuschneuzen. Er gehört zu jenen Käuzen, die oft unvermittelt-nackt Ehrfurcht vor dem Schönen packt.

Zärtlich faltet er zusammen, was er eben erst entbreitet. Und kein Fühlender wird ihn verdammen, weil er ungeschneuzt entschreitet.

(Christian Morgenstern, Palmström) lyrische Resonanz zu: Gesetzeskonflikte im Partheland

69 4. Leporello 4.6 Gesetzeskonflikte im Partheland Im Partheland gibt es unterschiedli- ab. Aufgrund einer Meldung von che Flächen mit verschiedensten Bürgern, dass unter den Feuchtwie­ Nutzungen, wie zum Beispiel land- sen noch Bomben aus dem 2.Welt- wirtschaftlich genutzte Flächen, krieg liegen, fand eine Kampfmittel- Siedlungs-, Naturschutz-, Industrie- beräumung statt. Jedoch stellte sich und Nah­erholungsgebiete. Aufgrund heraus, dass es eher Kühlschränke dessen sind verschiedene Behörden und alte Fahrräder waren, die sich involviert und unterschiedlichste An- unter der Erde angesammelt hatten. sprüche werden geltend gemacht, Nachdem die Löcher ausgehoben was Konflikte herbeiführen kann. Das waren, fing der Konflikt zwischen den Plakat zeigt drei absurde Geschich- Behörden an. ten, die im Zusammenhang mit den Die Behörden diskutierten solange Gesetzen stehen. über den weiteren Umgang mit den Löchern, dass sich in der Zwischen- Der erste Comic beschäftigt sich mit zeit kleine Biotope in den Kratern dem BMW-Werk und den dazu ge- entwickelten. Somit hatte die Natur hörigen Windkrafträdern. entschieden und die Biotope blieben Eigentlich ist es nicht erlaubt, Wind- bestehen. krafträder in einer so geringen Ent- fernung an die Stadt zu bauen. Je- Auf dem ehemaligen Weinberg des doch brachte BMW, auf Basis seiner Schlosses Tauchau spielte sich eine großen Kraft als Arbeitgeber, Argu- weitere absurde Geschichte ab. Denn mente der Erneuerbaren Energien der Weinberg wurde nicht richtig an, die sich schlussendlich auch angemeldet. Das hatte zur Folge, durchsetzen konnten. dass der schöne und üppige Wein- berg zurückgebaut werden musste. Die zweite Geschichte spielte sich Es durften nur ein paar wenige auf dem FFH-Gebiet, welches un- Reben stehen bleiben, damit die- weit vom Abtnauendorfer Park liegt, ser nicht weiter gewerblich genutzt werden konnte.

Bearbeiterinnen: Johanna Krämer, Johanna Bunte

Quelle: Interview mit Sylvia Raubold und Axel Weinert, Mai 2018

70 71 4. Leporello 4.7 Goldener Tritt und silberner Biss Das Nutztier Schaf ist im ländlichen Tier hat für den Schäfer einen großen Raum nicht wegzudenken, prägt es Wert und stellt einen finanziellen doch unser Landschaftsbild und un- Gewinn dar. Schäfer in Deutschland ser Verständnis von ländlicher Idylle. arbeiten unter dem Mindestlohn. Außerdem pflegt es diese durch den Somit stellen diese Herausforderun- „Goldenen Tritt und den silbernen gen eine finanzielle Gefährdung dar, Biss“. Golden ist der Tritt, da Schafe an vor allem da die staatliche Entschä- Stellen eine Mahd durchführen kön- digung bei Wolfsangriffen nicht den nen, an die große Maschinen nicht entstandenen Schaden ausgleicht. In gelangen. Dort treten sie zudem den letzten zwei Jahren haben daher Grashorste nieder und ebnen so die 11,2% der Schäfereien in Deutschland Wiesen. Auf diese Weise sind jene geschlossen. wieder besser zu bewirtschaften. Der Schwierigkeiten ergeben sich außer- Biss fördert außerdem das Wurzel- dem durch das Fehlen zusammen- wachstum und stellt eine ökologische hängender Weideflächen und Trift- Variante der Mahd ohne Schnittgut wege, sodass das Umsetzen der dar. Der Biss ist jedoch nur silbern, da Tiere einen großen Zeitaufwand auch Fressschäden an Bäumen ent- darstellt. Häufig muss der Schäfer stehen können, die zum Absterben seine Weiden selbst pachten und viel dieser führen und damit den Schäfer Geld dafür zahlen und das, obwohl in finanzielle Schwierigkeiten bringen er die Flächen pflegt. können. Insgesamt ist die Schafhaltung in Bearbeiterin: Carolin Weidenhagen Sachsen und Deutschland kein leich- tes Feld, egal ob Krankheiten, Würmer Quelle: Interview mit André Wolf, Mai oder Fressfeinde, wie der Wolf. Jedes 2018

72 73 Da droben auf jenem Berge, da steh ich tausendmal, an meinem Stabe gebogen, und schaue hinab in das Tal.

Dann folg ich der weidenden Herde, mein Hündchen bewahret mir sie. Ich bin herunter gekommen Und weiß doch selber nicht wie….

(Aus: Johann Wolfgang v. Goethe, Schäfers Klagelied) lyrische Resonanz zu: Goldener Tritt und silberner Biss

74 Bei einem Wirte wundermild, da war ich jüngst zu Gaste; ein goldner Apfel war sein Schild an einem langen Aste.

Es war der gute Apfelbaum, bei dem ich eingekehret; mit süßer Kost und frischem Schaum hat er mich wohl genähret.

Es kamen in sein grünes Haus Viel leichtbeschwingte Gäste; Sie sprangen frei und hielten Schmaus Und sangen auf das beste.

Ich fand ein Bett zu süßer Ruh Auf weichen grünen Matten; Der Wirt, er deckte selbst mich zu mit seinem kühlen Schatten.

Nun fragt ich nach der Schuldigkeit, da schüttelt er den Wipfel. Gesegnet sei er allezeit Von der Wurzel bis zum Gipfel.

(Ludwig Uhland, Einkehr) lyrische Resonanz zu: Dazwischen

75 4. Leporello 4.8 Dazwischen Das Plakat „DAZWISCHEN“ ist durch turen in der Landschaft. Das Säu- das Interview mit Herrn Gasch ins­ men von Wegen mit Obstgehölzen piriert. Herr Gasch ist Bürger der (Am Wegesrand ein Apfelbaum), Stadt Taucha und auch Stadtrat. Ne- das zahlreiche Anpflanzen von Pap- ben seinem Hobby, der Imkerei, ist peln (PAPPELPROGRAMM) sowie es ihm ein großes Anliegen, mehr die invasive Baumart der Robinie Gehölze in die Landschaft zu inte- (gekommen, um zu bleiben) ver- grieren. Zum Zeitpunkt des Inter- bildlicht den Ansatz, den Herr Gasch views bestand­ ein großer Teil seiner vertritt: zwischen zwei unterschiedli- Zeit darin, sich um eine von ihm und chen Flächen oder als Teilung einer der Stiftung Partheland angelegten großen monotonen Nutzung böten Heckenpflanzung zu kümmern. Ne- solche Strukturen vielfältige Vorteile. ben der Pflege der Hecke erfreue Und was einmal angewachsen sei, so er sich jedes Mal an spontanen und Herr Gasch, sei meist für eine lange nicht-spontanen Gehölzaufwüchsen Zeit dort, wo es Wurzeln fasse. in der Landschaft. Der Eindruck, dass das Anlegen einer Hecke ein hohes Bearbeiter*innen: Johannes Dötsch, Maß an Interesse sowie Initiative be- Linda Wilhelm deutet und Herr Gasch in dieser Rolle aufzugehen scheint, konzentriert Quellen: sich in der Überschrift zu Hecken- 1: Interview mit Roland Gasch, Mai 2018 2: Etterer, Florian, Axel Weinert, Ronny Wirkner pflanzungen: REBELLISCHE HECKEN. (2016): Pflege und Umbau von kleinflächigen und Die drei weiteren Überschriften und linearen Gehölzstrukturen. Texte nehmen Bezug auf vergan- 3: Zwischenbericht 2016, Dresden gene sowie aktuelle Gehölzstruk-

76 77 4. Leporello 4.9 Schwarzpappeln in der Parthenaue? Die Schwarzpappel (Populus nigra) Arten auch gezielt gekreuzt, um fühlt sich in den Weichholzauen Bäume zu gewinnen, welche schnell von Flüssen wohl und ist auch ent- geerntet werden können. Hoffmann lang der Parthe ein prägendes Ge- erklärte, dass die ersten Hybrid-Pap- hölz. Sie wird jedoch immer mehr peln entstanden, da zurückkehrende von der Bastard-Schwarzpappel Amerika-Auswander die Art Populus (Populus x canadensis) verdrängt. deltoides mit nach Europa brachten Da die beiden Arten nur genetisch und so eine Kreuzung möglich wurde. zu unterscheiden sind, ist unklar, Da die Hybride mit ihren Elternarten wie viele reine Schwarzpappeln es weiter uneingeschränkt kreuzbar ist, deutschlandweit noch gibt und ob verdrängt die Bastard-Schwarzpap- die Art überhaupt noch existiert. pel langsam alle reinen Schwarzpap- Bernd Hoffmann, dem ehemaligen peln. In einigen Ländern Europas Leiter der Naturschutzstation Plauss- gilt Populus x canadensis als invasiv, ig, liegt dieses Thema sehr am Her- während sie in anderen Ländern als zen. Er machte bei der Wanderung unbedenklich eingestuft wird. Es gibt entlang der Parthenaue eindringlich bisher keine nachweisbaren nega- auf den Sachverhalt aufmerksam. tiven Effekte auf die Umwelt. Aus diesem Kontext entstand ein Das Plakat wertet dabei die Ent- Plakat, welches erklären soll, warum wicklung nicht, sondern soll den Be- es zu einer Hybridisierung der trachter zu einer eigenen Meinungs- Schwarzpappel kam. Auch die damit bildung anregen. Die collagenartige entstehende Problematik wird aufge­ Darstellungsart mit den comichaften griffen. Die Basis für den dargestellten Elementen soll darauf hinweisen, Pfad gab dabei die Erzählung Hoff- dass die Debatte oft absurde Züge manns. Ergänzt wird das Plakat annimmt und teilweise eher auf durch recherchierte Fakten. emotionaler als auf wissenschaftli- Die Hybridiserung der Pappel kann cher Ebene diskutiert wird. spontan entstehen, wenn die Eltern- arten am gleichen Standort vorkom- Bearbeiterin: Lena Rasche men. Jedoch wurden die beiden

Quellen: 1: Interview mit Bernd Hoffmann 2: http://www.schwarzpappel-sachsen.de/ 3: http://baumdoctor.com/baum-des-jahres-2006.html 4: https://www.biologie-seite.de/Biologie/Bastard-Schwarz-Pappel 5: http://www.lwf.bayern.de/mam/cms04/boden-klima/dateien/w52-01-schwarzpappel-populus-nigra- zur-biologie-bedrohten-baumart-1.pdf 6: https://neobiota.bfn.de/handbuch/gefaesspflanzen/populus-x-canadensis.html 78 79 Wie ferne Tritte hörst Du’s schallen, doch weit umher ist nichts zu sehn, als wie die Blätter taumelnd fallen und rauschend mit dem Wind verwehn.

Es dringt hervor wie leise Klagen, die immer neuem Schmerz entstehn, wie Wehruf aus entschwundnen Tagen, wie stetes Kommen und Vergehn.

Du hörst, wie durch der Bäume Gipfel Die Stunden unaufhaltsam gehen, der Nebel regnet in die Wipfel, du weinst und kannst es nicht verstehn.

(Martin Greif, Herbstgefühl) lyrische Resonanz zu: Schwarzpappeln in der Parthenaue?

80 Auf diesem Hügel überseh ich meine Welt! Und könnt ich Paradiese überschauen, ich sehnte mich zurück nach jenen Auen, wo deines Daches Zinne meinem Blick sich stellt, denn der allein umgrenzet meine Welt.

(Aus: Bettina v. Arnim, Auf diesem Hügel überseh ich meine Welt) lyrische Resonanz zu: Peak Parthe

81 4. Leporello 4.10 Peak Parthe Das Partheland ist durch seine so die Machtposition der Kirche her- Entstehungsgeschichte Teil einer vorzuheben. Im Partheland gibt es Moränenlandschaft. Das Relief ist drei dieser Kirchen, die die „Drei hier abwechslungsreicher als in der Hohepriester“ genannt werden. Zu restlichen sogenannten Leipziger ihnen gehören die Kirche in Thekla Tieflandsbucht. Die Hügel nahmen (125 m ü. NN), sowie die Bergkirche in der Vergangenheit eine beson- in Beucha (140 m ü. NN) und die dere Rolle im Leben der Menschen Kirche von Panitzsch (142 m ü. NN). ein. Der Schwarze Berg ist mit 177 m Neben diesen natürlichen Erhebun- ü. NN der höchste aller natürlichen gen im Partheland hat der Mensch Erhebungen im gesamten Gebiet. inzwischen neue Wege gefunden, Archäologische Funde beweisen, um luftige Höhen zu erreichen und dass hier schon zur Bronzezeit Men- für seine Zwecke zu nutzen: Die schen siedelten. Sie nutzten den Windkrafträder des BMW-Werkes Hoch­punkt, um wilde Tiere oder fallen mit ihren knapp 190 m Höhe andere Feinde rechtzeitig erspähen besonders ins Auge und prägen das und sich dementsprechend schützen Landschaftsbild des Parthelandes auf zu können. Auch in Kriegszeiten wur- ganz andere Weise, als alle bisher den die Hügel strategisch genutzt. genannten Erhebungen. So besetzte man zur Völkerschlacht 1813 die Kirche in Thekla, die auf ei­ Bearbeiterin: Judith Loewe ner Anhöhe steht, und funktionierte den Kirchturm zum Ausguck um. Quellen: Interviews mit Axel Weinert, Kirchen wurden im Allgemeinen gern Brigitte Süptitz, Felix Körner, Mai 2018 an höher gelegene Orte gestellt, um

82 83 4. Leporello 4.11 Wie der Vulkan den Porphyr schuf Die geologische Ursprungsform un- nit aus den tiefer­ en Schichten durch serer Landschaft entstand schon vulkanische Aktivität in die oberen vor 280 Millionen Jahren. Damals Schichten gebracht. Anschließend schufen Vulkane Ablagerungsberge, vermischt sich diese Schmelze mit an deren Hängen Absetzungen aus den oberen Schichten und es ent- Glutwolken erkalteten. steht ein neues Gesteinsgemisch mit In den Glutwolken verschmolzen vielen eingeschlossenen Gesteins­ verschiedene Gesteinsarten, die sich arten und teilweise großen Ein- in unterschiedlichen Stadien und schließungen von Granit. Härtegraden auf der Oberfläche ab- Durch die vulkanischen Aktivitäten setzten. So entstanden verschiedene entstand im Partheland ein riesiges Porphyr-Arten, zum Beispiel Quarz- Gebiet, welches mit Porphyr bedeckt Porphyr oder Quarz-Porphyr-Tuff. ist - das Nord-West-Sächsische Vul- Porphyr ist ein Sammelbegriff für ein kanitbecken. Dieses ist eines der Gesteinsgemisch aus unterschied- größten Porphyr-Vorkommen in Eu- lichen Gesteinsarten mit Kristallen in ropa. Die Gesteinsschicht ist bis zu einer Grundmasse. Dieses Gemisch einem Kilometer tief. entsteht nur durch vulkanische Ak- tivitäten. Aber nicht nur durch Glut- Bearbeiterinnen: Carolin Weidenha- wolken, sondern auch im Erdinneren gen, Theresa Lasch wird Porphyr gebildet, zum Beispiel der Granit-Porphyr. Dieser entsteht Quelle: Interview mit Dr. habil. Frank durch das Vermischen von zwei W. Junge, Mai 2018 Schmelzen. Zuerst wird der Gra-

84 85 Wenn der uralte heilige Vater mit gelassener Hand aus rollenden Wolken segnende Blitze über die Erde sät, küss ich den letzten Saum seines Kleides, kindliche Schauer treu in der Brust.

(Aus: Johann Wolfgang v. Goethe, Grenzen der Menschheit) lyrische Resonanz zu: Wie der Vulkan den Porphyr schuf

86 Ach, was soll der Mensch verlangen? Ist es besser, ruhig bleiben? Klammernd fest sich anzuhangen? Ist es besser, sich zu treiben? Soll er sich ein Häuschen bauen? Soll er unter Zelten leben? Soll er auf die Felsen trauen? Selbst die festen Felsen beben.

(Aus: Johann Wolfgang v. Goethe, Beherzigung) lyrische Resonanz zu: Wie der Findling ins Partheland kam & die Parthe Leipzig fand

87 4. Leporello 4.12 Wie der Findling ins Partheland kam & die Parthe Leipzig fand Das vulkanisch entstandene Re- Feuersteine, die der Gletscher aus lief blieb nicht so, wie es war. Täler dem Norden mitgebracht hat. und Hügel, entstanden durch die Durch das Zurückziehen des Vulkane, wurden von Mooren und Gletschers mussten die Flüsse einen Meeren überschwemmt und Sedi- neuen Weg finden. Schmelzwas- mente lagerten sich an. So entstan- serseen, Todeis und das neue Re- den verschiedene Schichten von lief spalteten große Flüsse auf und Kohle, Ton und Kiesen, die noch zwangen Andere auszuweichen. So heute in der Gegend der Parthe ab- entstand auch die Parthe, die bis gebaut werden. dato nicht existent war und nun im Doch damit war es nicht genug, denn neuen Relief den Weg nach Leipzig mit der Saale-Eiszeit schoben sich die fand. Gletscher bis ins Partheland vor und schufen so eine Endmoränenland- Bearbeiterinnen: Carolin Weidenha- schaft mit neuen Tälern und Hügeln. gen, Theresa Lasch Die alten Vulkanhügel sind heute kaum noch wahrnehmbar. Überreste Quelle: Interview mit Dr. habil. Frank sind Hügel wie der Schwarze Berg, W. Junge, Mai 2018 aber auch die vielen Findlinge und

88 89 4. Leporello 4.13 Lehm-Kies-Porphyr-Abbau Das Plakat zeigt den Verlauf der Kleine Begleitbilder zeigen Ansichten Parthe von Thekla bis . verschiedener Steinbrüche und einer Entlang des Flusses sind die Ab- Lehmgrube im Partheland sowie die baugebiete für Lehm, Kies und Por- Nutzung der gewonnenen Rohstoffe phyr verzeichnet. Diese Materialien im Umland. Ein Querschnitt des Un- sind während des Vulkanismus und tergrundes zeigt, wie alt die einzel- der Saaleeiszeit entstanden. Blau nen Boden- und Gesteinsschichten bzw. grün schraffiert sind jene Ab- sind. baugruben/Steinbrüche, die heute nicht mehr aktiv und mit Wasser ge- Bearbeiterinnen: Zoe Bratschke, füllt bzw. mit Erde verfüllt und gras- Claudia Tautenhahn bewachsen sind. Darüber hinaus findet sich ein Abbaugebiet für Quellen: Interview mit Dr. habil. Frank Rasen­eisenerz in der Nähe von Bors- W. Junge, Brigitte Süptitz, Detlef An- dorf direkt an der Parthe. ders, Mai 2018

90 91 …Heilge Ordnung, segensreiche Himmelstochter, die das Gleiche Frei und leicht und freudig bindet, die der Städte Bau gegründet, die herein von den Gefilden rief den ungesellgen Wilden, eintrat in der Menschen Hütten, sie gewöhnt zu sanften Sitten, und das teuerste der Bande wob, den Trieb zum Vaterlande!

Tausend fleißge Hände regen Helfen sich in munterm Bund Und in feurigem Bewegen Werden alle Kräfte kund…

(Aus: Friedrich Schiller, Das Lied von der Glocke) lyrische Resonanz zu: Lehm-Kies-Porphyr-Abbau

92 Zum Werke, das wir einst bereiten, geziemt sich wohl ein ernstes Wort; wenn gute Reden sie begleiten, dann fließt die Arbeit munter fort. So lass uns jetzt mit Fleiß betrachten, was durch die schwache Kraft entspringt, den schlechten Mann muss man verachten, der nie bedacht, was er vollbringt. Das ist`s ja, was den Menschen zieret, und dazu ward ihm der Verstand, daß er im innern Herzen spüret, was er erschafft mit seiner Hand.

(Aus: Friedrich Schiller, Das Lied von der Glocke) lyrische Resonanz zu: Beuchaer Granit-Porphyr

93 4. Leporello 4.14 Beuchaer Granit-Porphyr Auf diesem Plakat wird der Zusam- aufgezeigt. Denn während die evan- menhang zwischen dem Ortsteil gelische Kirche nur gerade so nicht Beucha der Stadt Brandis und wich- dem Granitabbau zum Opfer fiel, tigen Bauwerken in Leipzig, wie dem wurde die Kapelle für die katholisch- Völkerschlachtdenk­mal, dargestellt. en Steinmetze gebaut, welche im Es ist der Beuchaer Granit-Porphyr Steinbruch arbeiteten. – ein leicht rötlicher und leicht zu bearbeitender Werkstein. Zudem Bearbeiterin: Verena Zapf wird die Beziehung zwischen Gran- itabbau, evangelischer Bergkirche Quelle: Interview mit Brigitte Süptitz und katholischer Kapelle St. Ludwig und Detlef Anders, Mai 2018

94 95 4. Leporello 4.15 Stau auf dem Jakobsweg Man kann auf unterschiedlichste Art Was ist nun aber, wenn der Auto- und Weise das Partheland durch- fahrer auf seinem Weg im Stau queren, zu Fuß, mit dem Fahrrad, zu stecken bleibt und sich mit einer ähn- Pferd oder mit dem Auto, und jedes lichen Geschwindigkeit wie der Wan- Mal ist die Wahrnehmung der Land- derer bewegt. Er wird nun nicht auf schaft eine andere. Durchfährt man einmal die Mohnblume am Straßen- die Landschaft mit dem Auto, wird rand entdecken und sich an diesem die Umgebung nur in groben Zü- Anblick erfreuen, sondern genervt gen wahrgenommen. Das Relief, die auf den Verkehr achten. Deshalb Struktur oder markante Orte. Jedoch muss es noch eine zweite Kompo- werden wohl kaum Einzelheiten der nente geben, welche unsere Wah- Tier- oder Pflanzenwelt beachtet. rnehmung beeinflusst – der Kontext, Wandert man hingegen, beispiels- in welchem man zur Landschaft steht. weise auf dem Pilgerweg, durch das So ist der Wanderer zur Erholung in Partheland, wird man die Landschaft der Landschaft und ist aufmerksam viel näher im Detail betrachten und und bereit die Natur zu entdecken. sieht die Besonderheiten, welche sie Der Autofahrer hat jedoch nicht die zu bieten hat. Absicht, die Landschaft zu erleben, Es stellt sich die Frage: Warum neh­ sondern will auf dem schnellsten men wir die Landschaft so unter- Weg von A nach B gelangen. schiedlich wahr? - Die Geschwin­ digkeit ist die Antwort. Ein Wande­rer Bearbeiterinnen: Marlen Felbrich, bewegt sich deutlich langsamer durch Henriette Schaarenberg, Elisa Seruky die Landschaft als ein Autofahrer. Er hat dementsprechend mehr Zeit, auf Quellen: Zusammenführung von al- Kleinigkeiten und verborgene len Akteuren, besonders Felix Körner Schätze zu achten. und Heike König

96 97 So hab ich die Stadt verlassen; Wo ich gelebet lange Zeit; Ich ziehe rüstig meiner Sttraßen, es gibt mir niemand das Geleit.

Man hat mir nicht den Rock zerissen, es wär auch schade für das Kleid. Noch in die Wange mich gebissen Vor übergroßem Herzeleid.

Auch keinem hat´s den Schlaf vertrieben, daß ich am Morgen weitergeh; sie konnten’s halten nach Belieben – von einer aber tut`s mir weh.

(Ludwig Uhland, Abreise) lyrische Resonanz zu: Stau auf dem Jakobsweg

98 Er liegt so still im Morgenlicht, so friedlich wie ein fromm Gewissen; wenn Weste seinen Spiegel küssen; des Ufers Blume fühlt es nicht; Libellen zittern über ihn, blaugoldne Stäbchen und Karmin, und auf des Sonnenbildes Glanz die Wasserspinne führt den Tanz; und horcht des Schilfes Schlummerliede; ein lindes Säuseln kommt und geht, als flüstr´ es: Friede! Friede! Friede!

(Annette von Droste-Hülshoff, Der Weiher) lyrische Resonanz zu: Zugang zum Wasser

99 4. Leporello 4.16 Zugang zum Wasser Das Plakat „Zugang zum Wasser“ ist Baden geeignet ist. Um die Umset- durch das Interview mit Heike König zung des Konzepts dennoch zu er- vom Grünen Ring Leipzig inspiriert. reichen, ist es wichtig, die Parthe in In diesem haben wir erfahren, dass das Bewusstsein der Menschen zu es ein Konzept gibt, welches sich mit rücken. Dies könnte zum Beispiel den Zugängen an die Parthe befasst. durch die Aufnahme des Flussna- Die möglichen Wasserplätze sind auf mens in den Stadtnamen geschehen: dem Plakat markiert. Leider kann das Taucha an der Parthe. Konzept aus diversen Gründen noch nicht umgesetzt werden, eine große Bearbeiterinnen: Theresa Lasch, Car- Rolle spielt dabei der Hochwasser- olin Weidenhagen schutz. Die Parthe bietet großes Po- tential für die Nutzung am Wasser, Quellen: Interview mit Heike König besonders da sich die Wasserqua­ und Axel Weinert, Mai 2018 lität so verbessert hat, dass sie zum

100 101 4. Leporello 4.17 Baden an der Parthe Das Plakat ‘Baden an der Parthe’ bahnsee oder in Steinbruchseen wie beschäftigt sich, wie bereits der Titel z.B. dem Kirchbruch in Beucha oder verrät, mit dem Thema Baden an und dem Westbruch auf dem Kohlenberg in der Parthe. Sowohl aus historisch- gebadet. Nicht unweit des damali- er Sicht, als auch aus Heutiger besitzt gen Flussbades in Taucha befindet die Parthe verschiedene Nutzungen. sich heute das sogenannte Parthe- In der Vergangenheit zählte dazu die bad. Pferdeschwemme (z.B. in Taucha), Nachdem die Parthe einige Zeit auf- in die die Kutscher ihre Pferde nach grund ihrer Wasserqualität nicht zum getaner Arbeit trieben. Außerdem Baden geeignet war, ist dies nun wie- das Badehaus in Taucha, in dem die der ohne jegliche Bedenken möglich Menschen neben ihrem wöchentli- und auch zu empfehlen. Denn wie chen Bad auch dem Friseur einen kann der Mensch sonst so direkt Be- Besuch abstatten konnten, oder das zug zur Landschaft aufneh­men und ehemalige Tauchaer Flussbad. Eine sich in diesem Maße mit ihr identi- Badestelle zwischen Beucha und Tau- fizieren? cha war vor allem in den 20er Jahren ein beliebtes Ausflugsziel. Während Bearbeiterin: Rebecca Krause sich die historische Nutzung auf die direkte Nutzung der Parthe beläuft, Quelle: Interviews mit Brigitte Süp- erfolgt die heutige hingegen eher titz, Detlef Anders, Angela Neubert, indirekt. So wird im Bagger, Auto- Mai 2018

102 103 O sieh doch! Siehst du nicht die Blumenwolke da drüben in dem tiefsten Weiherkolke? O! Das ist schön! Hätt ich nur einen Stecken, schmalzweiße Kelch mit dunkelroten Flecken, und jede Glocke ist frisiert so fein wie unser wächsern Engelchen im Schrein. Was meinst du, schneid ich einen Haselstab, und wat ein wenig in die Furt hinab? Pah! Frösch und Hechte können mich nicht schrecken – Allein, ob nicht vielleicht der Wassermann Dort in den langen Kräutern hocken kann? Ich geh, ich geh schon – gehe nicht – Mich dünkt, ich sah am Grunde ein Gesicht – Komm, lass uns lieber heim, die Sonne sticht.

(Annette von Droste-Hülshoff, Kinder am Ufer) lyrische Resonanz zu: Baden an der Parthe

104 Auf den Wald und auf die Wiese, mit dem ersten Morgengrau, träuft ein Quell vom Paradiese, leiser frischer Maientau; was den Mai zum Heiligtume jeder süßen Wonne schafft, Schmelz der Blätter, Glanz der Blume, Würz und Duft ist seine Kraft.

(Ludwig Uhland, Maientau) lyrische Resonanz zu: Die Parthenaue und ihre Feuchtwiesen

105 4. Leporello 4.18 Die Parthenaue und ihre Feuchtwiesen Das Plakat „Die Parthenaue und ihre neut durch die teilweise überfluteten Feuchtwiesen“ zeigt die Schönheit Bereiche deut­lich. Die Wiesen behei- entlang der Parthe, die Auenbe- maten wei­tere Pflanzen, die feuchte reiche mit ihren Feuchtwiesen und Standorte bevorzugen, zum Beispiel sumpfigen Gebieten. Diese Flächen den Wie­senknöterich (Polygonum sind von der regelmäßigen Über- bistorta), den Scharfen Hahnenfuß schwemmung der Parthe abhängig. (Ranunculus acris) und den Rotklee Betrachtet man den Parthe-Mulde- (Trifolium pratense). Auch einige ty­ Radweg von Leipzig Richtung Abt- pische Gehölze der Weich- und naundorfer Park, fallen erstmals Hart­holzaue sind hier vorzufinden: kurz nach dem Mariannenpark die die Schwarzpappel (Populus nigra), Feuchtwiesen auf. Sie sind die Heimat die Schwarzerle (Alnus glutinosa) des Dunklen Wiesenknopf-Ameisen- und die Silberweide (Salix alba). bläulings (Phengaris nausithous), der europaweit gefährdet und deshalb Bearbeiter*innen: Johanna Krämer, besonders geschützt ist, sowie seiner Jurek Roth Futterpflanze, dem großen Wiesen- knopf (Sanguisorba officinalis). An- Quelle: Interview mit Sylvia Raubold gekommen im Abtnaundorfer Park und Axel Weinert, Mai 2018 wird die Anwesenheit der Parthe er-

106 107 4. Leporello 4.19 Das kuriose Leben des Wiesenknopf-Ameisenbläulings Auf den Wiesen entlang der Parthe wiederum transportieren die Larven ist eine Tagfalterart heimisch, die in ihre eigenen Nester, in denen die aufgrund ihres kuriosen Werdegan- Larven den Winter verbringen kön- ges zu den besonders gefährde- nen und die ganze Zeit über ver- ten Arten gehört. Die Rede ist vom pflegt sind. Zu ihrer Nahrung gehören Wiesenknopf-Ameisenbläuling. Des- auch die Larven der Ameisen. Die sen Le­bensweg – vom Ei bis zur Schmetterlingslarven durchlaufen Entwicklung zum ausgewachsenen hier ihr Verpuppungsstadium, bis Falter – ist auf dem folgenden Plakat sie sich schlussendlich zum eigentli- dargestellt. Für seine Fortpflanzung chen Schmetterling entwickelt ha- benötigt er zwei Dinge: Den großen ben und aus dem Ameisennest Wiesenknopf (Sanguisorba officina- flüchten. Sie leben danach ledig­ lis) und die Rote Knoten- oder auch lich nur noch zwei Wochen und Rote Gartenameise (Myrmica rubra). nutzen die Zeit zur Fortpflanzung. Auf den Großen Wiesenknopf legt Dadurch, dass der Falter auf diese der Schmetterling seine Eier ab, aus zwei speziellen Dinge angewiesen denen nach kurzer Zeit - ungefähr ist, um weiterhin sein Fortbestehen im Juli - die Larven schlüpfen. Dort zu sichern, ist seine Art bedroht. ernähren sie sich von den Blütenstän- Hinzukommen erschwerende Bedin- den und verbringen ihre ersten drei gungen, z.B. wird durch eine Mahd Larvenstadien. Um auch im Winter zwischen Juni und September das versorgt zu sein, haben die Larven Bruthabitat zerstört. eine geschickte Taktik entwickelt. Sie lassen sich von der Pflanze auf den Bearbeiterin: Judith Loewe Boden fallen und sondern dort Duft- stoffe aus, die die Arbeiterinnen der Quellen: Interviews mit Ronald Schil- Roten Garten­ameise anlocken. Diese ler und Sylvia Raubold, Mai 2018

108 109 Farbenstäubchen auf der Schwinge sommerlicher Schmetterlinge, flüchtig sind sie, sind vergänglich wie die Gaben, die ich bringe, wie die Kränze, die ich flechte, wie die Leider, die ich singe: Schnelll vorüber schweben alle, ihre Dauer ist geringe, wie ein Schaum auf schwanker Welle, wie ein Hauch auf blanker Klinge. Nicht Unsterblichkeit verlang ich, sterben ist das Los der Dinge: meine Töne sind zerbrechlich wie das Gals, an das ich klinge.

(August Graf v. der Platen, Farbenstäubchen auf der Schwinge) lyrische Resonanz zu: Das kuriose Leben des Wiesenknopf-Ameisenbläulings

110 Die Lotosblume ängstigt sich vor der Sonne Pracht, und mit gesenktem Haupte erwartet sie träumend die Nacht.

Der Mond, der ist ihr Buhle, er weckt sie mit seinem Licht, und ihm entschleiert sie freundlich ihr frommes Blumengesicht. … Die schlanke Wasserlilie Schaut träumend empor aus dem See, da grüßt der Mond herunter mit lichtem Liebesweh.

Verschämt senkt sie das Köpfchen wieder hinab zu den Well’n - da sieht sie zu ihren Füßen den armen blassen Gesell’n.

(Heinrich Heine, Lotosblume und Wasserlilie) lyrische Resonanz zu: Abgetaucht

111 4. Leporello 4.20 Abgetaucht Die Parthe ist nicht nur ein land- allzu oft auf die Wasserpest reduzi- schaftliches Element, sondern auch ert. In der Parthe gibt es jedoch eine Lebensraum für eine Vielzahl an Vielzahl an verschiedenen Wasser­ Pflanzen und Tieren. Auf den ersten pflanzen. Vor allem der Flutende Blick erscheint dieses Fließgewässer Hahnenfuß (Ranunculus fluitans) nicht sonderlich spannend. Doch ist ein typisches und prägendes ein zweiter und dritter Blick lässt Gewächs dieses Gewässers. den Betrachter die verborgenen Diese Vielfalt ist jedoch einer stän- und unscheinbaren Besonderheiten digen Bedrohung ausgesetzt. der Parthe erkennen. Viele Tierchen Aquatische Lebensformen reagieren verstecken sich beispielsweise un- sehr sensibel auf Veränderungen ter Steinen und in den Blättern der ihres Lebensraumes. Schon gering- aquatischen Flora. Neben kleinen fügige Beeinträchtigungen der Was- Schnecken und Egeln verdecken sergüte zeigen zumeist einen nega- Stei­ne und Auenlehm auch Stein- tiven Einfluss auf Flora und Fauna. und Köcherfliegenlarven. Sowohl Illegale Müllablage an den Ufern der Steinfliegen als auch Köcherfliegen Parthe oder in ihr selbst stören das lassen Rückschlüsse auf die Wasser- sensible Gleichgewicht dieses Habi- qualität der Parthe zu. Beide Arten tats. kommen nur in Gewässern mit den Güteklassen 1 bis 2 vor. Bearbeiter: Maximilian Hertel Betrachtet man nun die Flora der Parthe etwas näher, so ist man er- Quelle: Interviews mit Ronald Schiller staunt, was hier alles wächst. Allge- und Sylvia Raubold, Mai 2018 mein wird die aquatische Flora nur

112 113 4. Leporello 4.21 Eisenfracht Das Plakat behandelt die Entstehung Wasser der Parthe, welches sich rot der Eisenfracht in der Parthe. Zum verfärbt. Dies ist zwar ästhetisch we- hohen Eisengehalt trägt einerseits niger ansprechend, jedoch unbe- das Grundgestein aus Porphyr bei, denklich beim Baden. zum anderen der Raseneisenstein, der durch einen schwankenden Bearbeiterin: Claudia Tautenhahn Grundwasserspiegel entsteht. Eisen- teilchen werden sowohl aus dem Quelle: Interview mit Dr. habil. Frank Porphyr als auch aus dem Rasen­ W. Junge, Mai 2018 eisenstein gelöst und gelangen ins

114 115 Der Zwölf-Elf hebt die linke Hand: Da schlägt es Mitternacht im Land.

Es lauscht der Teich mit offnem Mund. Ganz leise heult der Schluchtenhund.

Die Dommel reckt sich auf im Rohr. Der Moosfrosch lugt aus seinem Moor.

Der Schneck horcht auf in seinem Haus; Desgleichen die Kartoffelmaus.

Das Irrlicht selbst macht Halt und Rast Auf einem windgebrochnen Ast.

Sophie, die Maid, hat ein Gesicht: Das Mondschaf geht zum Hochgericht.

Die Galgenbrüder wehn im Wind. Im fernen Dorfe schreit ein Kind.

Zwei Maulwurf küssen sich zur Stund Als Neuvermählte auf den Mund.

Hingegen tief im finstern Wald Ein Nachtmahr seine Fäuste ballt:

Derweil ein später Wanderstrumpf Sich nicht verlief in Teich und Sumpf.

Der Rabe Ralf ruft schaurig: >Kra! Das End ist da! Das End ist da!<

Der Zwölf-Elf senkt die linke Hand: Und wieder schläft das ganze Land.

(Christian Morgenstern, Der Zwölf-Elf) lyrische Resonanz zu: Eisenfracht

116 Kein Wesen kann zu nichts zerfallen! Das Ewge regt sich fort in allen, am Sein erhalte dich beglückt! Das Sein ist ewig: Denn Gesetze bewahren die lebendgen Schätze, aus welchen sich das All geschmückt.

(Aus: Johann Wolfgang v. Goethe, Vermächtnis) lyrische Resonanz zu: Regenwurm

117 4. Leporello 4.22 Regenwurm Das Plakat „Der Regenwurm“ stellt ein Stickstoff für die Pflanze aufbe- Porträt von Frau Bienert, demeter- reiten und gleichzeitig Wasser von Landwirtin, dar. Genau wie in ihrem der Pflanze beziehen. Pflanze und landwirtschaftlichen Handeln steht Bakterien leben demnach in ei­ner auch in der Gestaltung der Boden im Symbiose. Fokus, denn er ist die Lebensgrund- Ein wichtiger Protagonist bei der lage der Pflanze und letztlich auch Bodenaufbereitung ist der Regen- für den Menschen, der vom Boden- wurm, welcher für Frau Bienert ihr ertrag profitiert. Die Pflanzen sind al- „persönliches Nutztier“ ist. Einerseits len Einflüssen der Natur ausgesetzt, lockert der Regenwurm den Boden sei es ein Unwetter oder extreme auf, andererseits stellt er den Pflan- Trockenheit, und nur mit der Grund­ zen Nährstoffe zur Aufnahme bereit, lage des Bodens können sie diese welche er durch Zersetzen von alten überstehen. Deswegen steht der Pflanzenteilen verarbeitet. Mensch, welcher die Nutzpflanzen Das Plakat soll die Aufmerksam- bewusst für seine Zwecke anbaut, in keit auf die Bodenprozesse und der Verantwortung, die Boden- das Zusammenspiel der einzelnen qualität für die Pflanze zu verbessern Wirkungen lenken, welche oftmals und ihr gute Bedingungen zu bieten. in ihrer Bedeutung unterschätzt Die Aufwertung der Bodenqualität werden. kann durch Dünger in Form von Tiermist oder über stickstoffbindende Bearbeiterinnen: Marlen Felbrich und Pflanzen geschehen. Die Stick- Henriette Schaarenberg stoffbinder besitzen an den Wurzeln kleine Wurzelbakterien, welche den Quelle: Interview mit Maria Bienert, Mai 2018

118 119 4. Leporello 4.23 Arbeitgeber & Arbeitnehmer Oder sind die Arbeitgeber die Arbeit­ Menschen auch aus weiterer Umge- nehmer? bung anzieht. Eine direkte Identifika- Diese Frage stellt das Plakat zu die- tion mit dem Arbeitsort ist als Arbei­ sem Thema. Während es früher in den ter bei BMW nicht notwendig. So umliegenden Orten noch vielfältige verlieren die Dörfer ihren ursprüngli- Berufe wie Metzger, Bäcker­ , Schuster chen Charakter und die Menschen oder Schmiede gab, fällt heute auf, ziehen vermehrt in die Städte. dass vermehrt Läden schließen und viele Dörfer einen Bevölkerungsrück- Bearbeiterin: Johanna Bunte gang verzeichnen. Stattdessen gibt es einen monopolisierten Arbeitge- Quellen: Interviews mit Felix Körner ber: BMW, der ­gleich viele verschie- und Bernd Hoffmann, Mai 2018 dene Berufsfelder abdeckt und die

120 121 Vor seiner Hütte ruhig im Schatten sitzt Der Pflüger, dem Genügsamen raucht sein Herd. Gastfreundlich tönt dem Wanderer im friedlichen Dorfe die Abendglocke.

Wohl kehren jetzt die Schiffer zum Hafen auch, in fernen Städten, fröhlich verrauscht des Markts geschäftiger Lärm; in stiller Laube glänzt das gesellige Mahl den Freunden.

Wohin denn ich? Es leben die Sterblichen Von Lohn und Arbeit; wechselnd in Müh und Ruh Ist alles freudig; warum schläft denn Nimmer nur mit der Brust der Stachel?...

(Friedrich Hölderlin, Abendphantasie) lyrische Resonanz zu: Arbeitgeber & Arbeitnehmer

122 Der Mondenschein verwirret Die Täler weit und breit, die Bächlein, wie verirret, gehen durch die Einsamkeit.

Da drüben sah ich stehen Den Wald auf steiler Höh, die finstren Tannen sehen in einen tiefen See.

Ein Kahn wohl sah ich ragen, doch niemand, der es lenkt, das Ruder war zerschlagen, das Schifflein halb versenkt,

Eine Nixe auf dem Steine Flocht dort ihr goldnes Haar, sie meint’ sie wäre alleine, und sang so wunderbar. …

(Aus: Joseph Freiherr v. Eichendorff, Der stille Grund) lyrische Resonanz zu: Fluch & Segen

123 4. Leporello 4.24 Fluch & Segen Das Plakat “Fluch & Segen” thema- stein. Dieser befindet sich in einer tisiert den Existenzkampf der früh- Parkanlage in Taucha. Zu sehen ist er eren Bevölkerung und somit ihren nur bei sehr geringem Wasserstand ständigen Balanceakt zwischen Glück der Parthe, wodurch er den Namen und Pech. In der einen Waagschale „Hungerstein“ erlangte. So symbo­ liegt der Fluch, denn in der Vergan- lisierte er die Trockenzeiten - den genheit hatten die Menschen an der Fluch. Jedoch ist er auch unter dem Parthe unterschiedliche Probleme Namen „Nixenstein“ bekannt. Diese zu bewältigen. Ständig rangen sie Bezeichnung beruht auf folgender um ihre Existenz. Naturkatastro- Sage: phen stellten große Gefahren dar Ein Nixer bat um die Hilfe einer und drängten sie oft an die Grenzen Tauchaer Hebamme, als die Nixe mit ihrer Möglichkeiten. Große Brände seinem kleinen Nixlein in den We- zerstörten Städte und Dörfer, nah- hen lag. Die Hebamme unterstützte men zahlreichen Menschen das die Geburt mit all ihrer Kraft und half Dach über dem Kopf und machten der Nixe ein gesundes Nixlein zu ge- ihre Ernten zunichte. Die Hochwas- bären. Diese forderte daraufhin die ser, die durch die Parthe entstanden, Hebamme auf, ihre Schürze mit dem beschädigten wichtige Gebäude, wie Kehricht vom Boden zu füllen. Zu- wir es in Taucha erlebten. Jedoch gab hause bemerkte sie, dass aus dem es auch Zeiten, in denen die Parthe Kehricht pures Gold geworden war. kaum Wasser führte. Trockenzeiten Somit steht der Nixenstein zugleich sorgten dann für Missernten. für das Glück und den Segen. In der anderen Waagschale befindet sich der Segen, welcher Reichtum Bearbeiterin: Rebecca Krause und ertragreiche Ernten brachte. Das Bindeglied zwischen beiden Extre- Quelle: Interview mit Detlef Porzig, men bildet der Hunger- und Nixen- Heimatverein Taucha, Mai 2018

124 125 4. Leporello 4.25 Tauchas Kampf für Unabhängigkeit Dieses Plakat zeigt auf, wie die und zum anderen das identitätsstif- Städte Leipzig und Taucha zuein- tende Rittergutsschloss. anderstehen. Während es früher hauptsächlich um Macht ging, übt Bearbeiterinnen: Verena Zapf und heutzutage Leipzig einen starken Hanna Enke Suburbanisierungsdruck auf Tau- cha aus. Doch was kann Taucha von Quelle: Interview mit Detlef Porzig, Leipzig unterscheiden? Zum einen Heimatverein Taucha, Mai 2018 die starke Verbindung zur Parthe

126 127 Ich träum als Kind mich zurücke Und schüttle mein greises Haupt; Wie sucht ihr mich heim, ihr Bilder, die lang ich vergessen geglaubt?

Hoch ragt aus schattigen Gehegen ein schimmerndes Schloß hervor, ich kenne die Türme, die Zinnen, die steinerne Brücke, das Tor.

Es schauen vom Wappenschilde Die Löwen so traulich mich an, ich grüße die alten Bekannten und eile den Berghof hinan.

(Adalbert von Chamisso, Das Schloß Boncourt) lyrische Resonanz zu: Tauchas Kampf für Unabhängigkeit

128 Brüder lasst uns lustig sein, weil der Frühling währet und der Jugend Sonnenschein unser Laub verkläret. Grab und Bahre warten nicht; Wer die Rosen jetzo bricht, dem ist der Kranz bescheret...

(Aus: Johann Christian Günther, Studentenlied) lyrische Resonanz zu: Müll

129 4. Leporello 4.26 Müll Wie in der Illustration ‘Müll’ darge­ Umgebung: „Ist das Kunst oder kann stellt, begegnen uns die Themen das weg?“. Keiner von uns kann sich Müll und Vandalismus tagtäglich in eine Landschaft vorstellen, die nicht unserem Alltag und beeinträchtigen betreten werden darf oder in der das Erscheinungsbild unserer Land- eine Vielzahl von Einschränkungen schaften deutlich. Dennoch greift berücksichtigt werden müssen. Den- das Plakat nicht nur die Thematik noch muss sich das Bewusstsein än- ‘Müll’ an sich auf, sondern soll vor al- dern, denn ebenso wenig vertretbar lem den schmalen Grad aufzeigen, ist eine verschmutzte Landschaft und auf dem sich die Gemeinden bewe- vor allem: Wer soll die Säuberungs- gen, um mit der Verunreinigung der kosten tragen, die andere Menschen Landschaft umzugehen. Die große verur­sacht haben? Frage stellt sich bei jedem einzelnen Graffiti und lässt die Meinungen der Bearbeiter*innen: Lilly Tank, Simon Betrachter weit auseinandergehen - Luckner ob an Hauswänden, Brücken oder gar an natürlichen Steilhängen in der Quelle des Fotos: Kenneth Anders, Ortsbegehung Mai 2018

130 131 4. Leporello 4.27 Neophyten Neophyten sind Adventivpflanzen, den Neophyten, sondern tatsächlich die erst nach dem 16. Jahrhundert zu den heimischen Gewächsen zählt. Teil der heimischen Flora wurden. Dennoch hat er eine Gemeinsamkeit Sie verhalten sich invasiv, bilden gern mit der Robinie, der Lupine und dem Monokulturen und breiten sich mit Japanischen Staudenknöterich: er ist Höchstgeschwindigkeit aus, wobei eben­falls ein Einwanderer. Seine Rei- sie heimische Arten manchmal ver- se war allerdings nicht so weit, wie die drängen. So passiert es auch vieler- der Neophyten. Laut Legende soll orts im Partheland. Vor allem die ein Pfarrer und Arzt namens David Lupine und der Japanische Stauden- Rebentrost dem sächsischen Kurfürst knöterich brei­ten sich großflächig Johann Georg II nach einem Jagdun- aus. Selbst bei der Robinie, die so fall ärztliche Hilfe geleistet haben fest in der heimischen­ Flora etabliert und durfte sich daraufhin zum Dank ist und von den meisten Menschen drei Pflanzen aus dem botanischen als heimisch wahr­genommen wird, Garten in Dresden mitnehmen. Eine handelt es sich um einen Neophyten. davon war der Milchstern, welchen Das Plakat soll anhand eines Gedich- er daraufhin ins Partheland brachte. tes thematisieren, welche ökolo- gische Gefahr Neophyten trotz ihres Bearbeiterinnen: Paulin Dörsching vermeintlich attraktiven Aussehens und Hedwig Schaarenberg bergen können. Wer genau aufpasst, bemerkt, dass der Milchstern nicht zu Quelle: Ortsbegehung, Mai 2018

132 133 Kennst du das Land, wo die Zitronen blühn, im dunklen Laub die Gold-Orangen glühn, ein sanfter Wind vom blauen Himmel weht, die Myrte still und hoch der Lorbeer steht, kennst es wohl? Dahin! Dahin möchte ich mit dir, o mein Geliebter, ziehn.

(Aus: Johann Wolfgang v. Goethe, Mignon) lyrische Resonanz zu: Neophyten

134 135 4. Leporello 4.28 Was fehlt Das Plakat „Was fehlt?“ entstand und zu verstehen. Die Illustration soll mit der Intention zu zeigen, dass die Betrachter des Leporellos dazu die Landschaft natürlich viele weit- auffordern, ihre Gedanken darauf ere Aspekte umfasst. In der kurzen festzuhalten und Dinge zu ergänzen, Zeitspanne von fünf Tagen war es die aus ihrer Sichtweise fehlen. uns jedoch nicht möglich, die Land- schaft in all ihrer Fülle zu analysieren Bearbeiterin: Linda Wilhelm

136 137 138 5. Schlusswort und Danksagung Schlussendlich kann man feststel- ihres Handelns diese prägen. Es wur- len, dass Landschaft ein sehr kom- den verschiedene Perspektiven­ und plexes System abgibt. Im Rahmen Sichtweisen kennenge­lernt. Zudem dieser Sommerschule hat sich der konnten Erfahrungen im Hinblick auf Blick, Landschaft zu erfahren, ge- die Landschaftliche Bildung gesam- weitet. Es wurden neue Wege und melt werden, denn die Student*innen Möglichkeiten aufgezeigt diese zu stellten sich der Herausforderung, erleben. Die Studierenden erkann­ das Partheland mithilfe mehrerer ten, wie umfangreich das Wissen der Poster dem Betrachter des angefer- Akteure über ihre Landschaft sein tigten Leporellos zu vermitteln. kann und wie sehr die Auswirkungen

Wir danken...... allen Interviewpartner*innen, die sich die Zeit nahmen, um uns ihre Land- schaft vorzustellen: Dr. habil. Frank W. Junge, Bernd Hoffmann, Felix Körner, Detlef Porzig, Maria Bienert, Roland Gasch, Thomas Schade, Angela Neubert, Sascha Fritzsch, Jens Götz, Axel Weinert, Heike König, Brigitte Süptitz, Detlef Anders, Ronald Schiller, Sandro Möbius, André Wolf und Sylvia Raubold ... den Betreuer*innen: Prof. Dr.-Ing. Catrin Schmidt, Dr. Kenneth Anders, Dipl.-Ing. Florian Etterer, M. Sc. Philipp Herrmann und Dipl.-Ing. Maxim von Gagern ... den Teilnehmer*innen Freie Waldorfschule Leipzig, Klasse 12a: Zoe Bratschke, Johannes Dötsch, Hanna Enke, Ilsabe Lehmann, Simon Luck- ner, Franka Murzik, Tom Palmer, Jurek Roth, Henriette Schaarenberg, Hedwig Schaarenberg, Ian Schönherr, Elisa Seruky, Antonia Taraba und Lea Weber ... den Teilnehmer*innen Technische Universität Dresden: Marlen Felbrich, Benedikt Taiber, Reni Duschik, Johanna Christina Krämer, Claudia Tautenhahn, Verena Zapf, Lena Rasche, Judith Charlott Loewe, Maxi- milian Hertel, Carolin Weidenhagen, Johanna Bunte, Rebecca Krause, The- resa Lasch, Paulin Marie Dörsching, Lilly Tank und Linda Wilhelm

139 Außerdem erschienen: Auf der Basis von Interviews haben die Autoren 32 gut lesbare Berichte über Leben und Arbeit in der Par- thenaue erarbeitet. Sie führen nach Leipzig und in die Par­thedörfer, in Ämter, Betriebe und Pensionen und stellen den Lesern eine reiche Kul- turlandschaft am Rande eines rasant wachsenden Ballungsraums vor. Naturschutz, Kunst und Land- wirtschaft, bürgerschaftli­ches En- gagement, Kleingärtnerei und Pla- nung, Naher­holung, Obstbau und neue Wertschöpfungen sind hier auf engstem Raum ineinander ver- schränkt. Soll diese Region in ihrer Vielfalt eine Chance haben, sind die Be­ziehungen der Menschen zu ihrem Landschaftsraum wichtig. Das Buch ist eine Einladung, das Partheland kennenzulernen und es zwischen Wertschätzung und Wertschöpfung zu entwickeln.

272 Seiten mit SW-Fotografien Pa- perback ISBN 978-3-944249-17-9

Erscheinungsjahr 2016 Preis: 10.00 € zzgl. Versandkosten

Bestellbar bei: http://auflandverlag.de/onlineshop/ textbuecher.html http://culturshop.de/shop/produk- te/garten/stadt-land-flu­esschen. php?page=

140 “Sich wundern im Partheland“ - Exkursionsführer zur Sommerschule 2016 der TU Dresden im Rahmen des Forschungsprojektes stadt PARTHE land

96 Seiten mit Farbfotografien

Bestellbar bei http://www.culturshop. de/shop/produkte/ partheland/ exkursionsfuehrer.php?page=

“Landschaftskunst fürs Partheland? Brücken über die Parthe“ - Broschüre zur Sommerschule 2017 der TU Dres- den im Rahmen des Forschungspro- jektes stadt PARTHE land

54 Seiten mit Farbfotografien

Online verfügbar unter: https:// stadtpartheland.de/wp-content/up- loads/2017/10/Broschuere_Sommer- schule_2017.pdf

141 142 143 144