Theodor Lessing und .

Diesseits des Völkermords. Ein Essay.

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Frau Felicitas Deubel gewidmet.

1 / 38 „Lessing hat bis zum Ende für ein besseres Deutschland gekämpft, er unterlag wie viele nach ihm unterlagen, doch sollte sein Opfer nicht vergeblich sein.“

Ekkehard Hieronimus

2 / 38 1. „Ludwig Klages dessen Jugendgeschichte ich mitschreiben musste, wenn ich die meine schreiben wollte.“ Theodor Lessing

„Die Sphäre der Mathesis, der eherne Fels der Logik und Ethik, ist uns Richte und Pol. Wir erobern sie Schritt um Schritt gemäss der wachsenden Bedrängnis. Denn aller Wert, alles Werk ist Ausgleich. Anders gesagt: Die Gemeinschaft, je mehr sie zerstückelt, vereinheitet sich als Gesellschaft. Die Nationen retten sich in den übernationalen Staat. Den Reichtum der Landschaften verbürgt die Einerleiheit in Recht und Wirtschaft. Je bindender der Oberbau, um so gelöster mag die Seele schalten. Je anar- chischer die Seele, um so rationaler die Maschine.“ (1)

Besinnen wir uns: Franziska zu Reventlow hat sich im Lauf der Jahrzehnte zu einem Zentrum der historischen Schwabinger Bohéme gemausert. Sie soll die Brisanz der anti- semitischen Angriffe Alfred Schulers und Ludwig Klages auf den Darmstädter Dichter und deutschen Juden Karl Wolfkehl als erste erkannt haben. Stefan George war es demnach, der wegen nämlicher Vorfälle die beiden Schwabinger Kosmiker aus seinem Dichterkreis verbannte. Dies ist ein eher beiläufiges Ergebnis, welches der Bayerische Rundfunk zum 30. Januar 2005 über die Radiowelle sendete: „Die Gräfin und der schöne Wahnsinn. Franziska zu Re- ventlow und Bogdan von Suchocki“, ein Feature von Ulrike Voswinkel. Zuvor erreichte den Leser der Süddeutschen Zeitung die Nachricht vom 1. Juli 2003, in der Tobias Schneider erklärte, dass Klages den einen ein gefährlicher Antisemit und Präfaschist, den anderen wiederum ein Prophet und Vordenker der Ökologiebewegung ist. Gewiss, einfach liegt die Sache nie, wenn Vor- und Nachdenker sich im öffentlichen Raum bewegen. Der Titel des Beitrags in der Süddeutschen Zeitung: „Ich Tarzan, Du Seele“, suggerierte dem Leser ein pop- artiges Zerrbild und stiess ins Nebelhorn derer, die Klages in die Nähe der Hitler-Faschisten rücken möchten. Im Dritten Reich soll derselbe eine Auseinandersetzung mit dem NS Chef-Ideo- logen Alfred Rosenberg riskiert haben. Trotz prominenter Fürsprache Baldur von Schirachs, dem Reichsjugendführer, soll ihm die Aktion nicht gelungen sein. 1941 gar, glaubte Klages, wenn man Schneider wiederum Glauben schenken will, in Stefan Georges Dichterkreis eine jüdische Weltverschwörung aufgedeckt zu haben. Womit der Autor, wie ich meine, nur die Einführung des

3 / 38 von Klages herausgegebenen Schuler-Nachlasses (1940) gemeint haben kann. Darüber wird ein Wort zu reden sein. Zu einer Weltverschwörung größeren Stils oder einer jüdischen Weltverschwörung, war der Georgekreis zu keinem Zeit- punkt seines Bestehens in der Lage, wenn man einmal davon absieht, dass der Kronzeuge des BRD-Widerstands gegen Hitler, Klaus Graf Schenck von Stauffenberg, sich in jungen Jahren dem Georgekreis zugehörig fühlte. Der im September 2008 verstorbene Günter Rohrmoser, Sozialphilosoph und ehemals Professor an der Uni Hohenheim, hat sich dahingehend geäussert. Ich halte das für eine realistische Einschätzung. Damit nicht genug, fürchtete Schneider eine sich abzeichnende Klages-Renais- sance, die aktuell aus drei Quellen gespeist würde: der National Alliance, einem Sammelbecken von US-Rechtsextremisten, der rechtskonservativen Berliner Wochenzeitung Junge Freiheit und nicht zuletzt der Klages-Gesellschaft Mar- bach e.V., deren Mitglieder sich der Bewahrung des Klagesschen Gedankenguts verschrieben haben. Wenn deren Mitgliedern explizit nichts Rechtslastiges vorgeworfen werden könne, so läge das Problem dennoch bei der Person von Klages und damit bei einem Philosophen und Denker, der während des Dritten Reichs zum Modephilosophen und Apostel wider Demokratie und die Juden avancierte. Beweise legte Schneider nicht bei. Der Kürzel „bmal“ (ich konnte nicht eruieren, wer dahinter steckt) veröffent- lichte in der Frankfurter Allgemeinen vom 25. Juli 2001 den Artikel: „Klages und die NS-Philosophen: Anpassungsversuche eines Irrlehrers“. Dies lässt darauf schliessen, dass Klages nicht zum Kernbestand der Philosophen um den NS gezählt wurde. Schneider behauptete nämlich, dass der von ihm ange- sprochene Konflikt (Klages/Rosenberg) von den Mitgliedern der Klages- Gesellschaft eingesetzt würde, um dessen Nähe zum NS herunterzuspielen. Der Chronologie nach steht zu vermuten, dass Schneider den Artikel von „bmal“ kannte und in dem Sinne davon beeinflusst wurde, uns mit der Verbohrtheit der BRD-Vergangenheitsbewältiger bekannt zu machen. Sind es doch „weitgehend dieselben Mächte, die die Auswirkung meines Schaffens und die den großen Gedanken und Taten derer sich widersetzen, welche das neue Deutschland erstehen zu lassen berufen waren“, wurde Klages dort zitiert. Den Tatsachen nach verhielt es sich gerade umgekehrt. Rosenberg sah sich veranlasst gegen Klages vorzugehen. Es gibt eine Schrift von Rosenbergs Abneigung gegen dessen Widersacher-Lehre. Lehrender an einer Hitler-Uni war Klages ebenfalls nie. Man würde gerne wissen, woher das Zitat stammt. Wahrscheinlich von einem der vielen tausend Briefe aus dem Nachlass des Marbacher Literatur-Archivs. Demnach wäre der Leser geneigt, Klages in die Zunft derer einzureihen, die das NS-Regime begrüßten. „bmal“ wird mit dem Gedanken gespielt haben. Woher also bezogen „bmal“ und Schneider ihre Information, wenn nicht aus dem Nachlass des Marbacher Archivs. Dass der Nachlass zu Klages Lebzeiten ge-

4 / 38 sperrt wurde und somit zwar zugänglich, nicht aber öffentlich publizierbar war. Klages hatte dies ausdrücklich untersagt. Für Teile des Nachlasses war dies gültig bis ins Jahr 2006. Biographisches wurde kategorisch für alle nahe Zu- kunft aus dem Verkehr gezogen. Aus welchem Anlass pilgern die Vergangen- heitsbewältiger ins Marbacher Archiv? Ich denke, dass es die schiere Unzulänglichkeit ist mit der Vergangenheit umzu- gehen, welche die Leute dorthin treibt. Es bleibt zudem der Eindruck als wol- lten sie, sich rechtfertigend, Persönliches bewältigen und nicht die Vergangen- heit. Aus „bmals“ Artikel lässt sich ein Satz Walter Benjamins dem von Klages zur Seite stellen: „Die Auseinandersetzung mit Bachofen und Klages ist unumgänglich - freilich spricht vieles dafür, dass sie gänzlich stringent nur aus der jüdischen Theologie zu führen ist, in welcher Gegend denn also diese bedeutenden Forscher nicht umsonst den Erbfeind wittern.“ Die Existenz dieses Satzes in besagtem Artikel ist Beweis genug dafür, das es nicht ganz so einfach sich verhält, wie es manche haben möchten. Dass es der Völkische Beobachter war, das Herrn Rosenbergs Amt unterstehende NS-Parteiorgan, das Klages als einen Irrlehrer abzukanzeln suchte, tut ein Übriges. Dies scheinen harmlose Episoden einer überschäumenden Praxis, die mit der Aufarbeitung so mancher Biographie unserer jüngeren Geschichte einhergeht. Wie konnte der Eindruck entstehen, als stünden die Heiden auf der Selektions- Rampe von Auschwitz? Nun, es sind jene Bilder, die wir aus dem TV kennen. Nur zu gut kennen wir diese Film-Sequenzen. Karl Jaspers, die gute Seele von Heidelberg, hat sich 1946 mit der „Schuld- frage“ des Lärmens erinnert, welches Geschichte verursacht: „So war der preussisch-deutsche Lärm nach 1866 und 1870, der den Schrecken Nietzsches erregte; - so war der noch viel wildere Lärm des NS seit 1933“, der den Schre- cken in Karl Jaspers Gemüt erregte, zumal der Leidgeprüfte ein kritischer Zeit- genosse der jungen Bundesrepublik wurde. Eine wirkliche Sonderheit des Lärmens wurde in der Radaumetropole Berlin, August 1933, faktisch und durch kaltblütigen Mord vertuscht und tauchte in den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts wieder auf. Der große Schwabinger Krach nach der Jahrhundertwende 1904, in den Schuler, Klages, Wolfskehl und Geor- ge verwickelt waren, - sowie Theodor Lessings Engagement für die deutsche Sektion des Anti-Lärmvereins (Anti-Rüpel). Zwei etwas spinnerte Unter- nehmungen, die aber mit durchaus ernstem Hintergrund in der Sache behaftet. Ging es zunächst um die Jugendfreunschaft von Lessing und Klages, dann sol- lte sich dies rasch ändern, nachdem nicht mehr nur die Graphologen, sondern auch die Literaturwissenschaftler die Hoheit des Falles für sich reklamierten. Wobei der „Fall Lessing“, das Wort stammt von dem philosophierenden Päda- gogen August Messer, ein ebenso brisanter als politischer Fall war. Nicht dass ich auf die 68er inhaltlich eingehen möchte, das ist nicht erklärtes Ziel meines Essay.

5 / 38 Lessing - den Rosenberg verächtlich „Lessing-Lazarus“ nannte, wohl nach der Gestalt des kranken Lazarus im Neuen Testament oder in Anspielung vermut- lich auf unseren Klassiker des „gleichen Stammes“ (Eugen Dühring), mög- licherweise aber auch wegen einer Passage Lessings gegen führende Anti- semiten der damaligen Zeit - war in den späten zwanziger Jahren neben Hindenburg sicherlich der exponierteste Bürger Hannovers. Klages, wie wir hörten, soll sich späterhin und lange, nachdem er nicht mehr in München, sondern in der Schweiz lebte, dem NS angedient haben. Sicherlich wird dies auf die eine oder andere Weise geschehen sein. Hier geht es um „die verfluchte Kultur“, wie es Lessing so einfühlsam prägnant formulierte und dessen im Eismeer der Geschichte treibende Flaschenpost an das Gewissen rührt. Es geht um unser Selbstverständnis, wenn es an so mancher Biographie sich entzündet, die in die jüngere Geschichte fällt und die Welt in Hälften spaltet: in die gute Hälfte der Widerständler und die böse Hälfte der Antidemokraten. Eine Zustandsbeschreibung der von Lessing verfluchten Kultur und also dem, was uns mit ihm verbindet, liegt darin, dass die Geschichte Gefahren birgt. So schreibe ich diesen Essay nicht der Vergangenheitsbewältiger wegen, die, wie stets bei der Gelegenheit, uns Klagesianern latenten Antisemitismus unterstel- len. Ich hege eher den Verdacht, dass mit dem Skalpell des Grabenkriegs der Fortschritt auf diesem Gebiet der Literatur verhindert werden soll. Ich bin mit Rainer Marwedel sehr wohl der Ansicht, dass Lessing ein Schöpfer gewichtiger Literatur ist. Zudem, und das machte Lessings Epoche gegen die unsere aus, ohne den im Staatsdienst üblich gewordenen Gebrauch von Netz und doppeltem Boden der militärischen als auch professoralen Hierarchien. Man hatte ihn sich auf die Kategorie des Autobiographen zurechtgestutzt. Der Anachronismus freilich passte gut in die Magazine und Literatur-Zeitschriften. Dem Gedenken galt unser Wort. Der Andacht und der Erinnerung. Wir liebten es Psychogramme zu schreiben. Als ein solcher Anachronismus an geronnener Zeit ist uns der Holocaust. Ich möchte nicht falsch verstanden werden: Eine Film-Biographie wäre jeder finanziellen Ausstattung wert, weil man in einem solchen halb-dokumentarischen Film vornehmlich das intellektuelle Überleben Lessings zu schildern vermöchte. Wer ersehnte es nicht, ein einziges Mal im Leben Kontrapunkt zu sein, anstatt des moralischen Elends, das unsere abge- lebte Form von Geschichte fortwährend schreibt? Dass Lessing zu jenen zählte, die uns ihr Leben noch mehr hinterliessen als das Werk, dies hat uns Klages in seiner Charakterstudie „Ahasver, ein Dichter und Beitrag zur Psychologie des Idealismus“ zwar noch recht wage ausgesprochen, aber er hat es ausgesprochen. Klages konnte zu diesem Zeitpunkt unmöglich wissen, dass Lessing eines gewaltsamen Todes sterben würde. Klages ging in jungen Jahren denselben Leidensweg, wie sein Jugendfreund: den Weg der Dra- men-Dichtung und des Pathos im Gedicht, und letztlich den Weg des Verzichts

6 / 38 auf die Gestaltung in einem Kunstwerk. Nicht verschweigen darf man Lessings Vorliebe für die verqueren Typen und Außenseiter. Denkt man an den Fall , kommt man nicht umhin, dass er maßgebliches bewirkt hat. Man sollte sich im Klaren darüber sein, dass die Haarmann-Geschichte das Politikum der damaligen Zeit schlechthin war. Joseph Goebbels, der Hitler-Intimus, besaß die Tollkühnheit, in Umlauf zu setzen, Lessing hätte den greisen Hindenburg mit dem Knabenschlächter gleichgesetzt. Goebbels betrieb Demagogie. Referierte er im „Nazi-Sozi“ doch über Fragen und Antworten für den Volksgenossen. Es ist nie verwunderlich, wenn der Claqeur politique die Graphologen und Charakterkundler als die praktischen Psychologen, die sie sind, behandelt, wie es weiland Lessing passierte. Man schloss ihn von den Prozess-Verhandlungen kurzerhand aus und war den Intellektuellen los. Souverän im Denken war er stets dem jüdischen Element gegenüber. Er war nicht einfach nur der Jude. Wie bringt man den Juden und Sozialisten, den Deutschen und Zionisten - denn nur so werden wir seiner Schriften zur Judenfrage ansichtig - unter die plausible Vorstellung von dem, was bei ihm das Humane ausmachte. Gewiss, das Auto-Biographische ist ohne sein Judesein nicht zu haben. Das Jüdische ohne sein Deutschsein aber ebenso wenig. Lessing deutete einmal mehr an als das er es konkret beschrieben hätte, dass die Religion als eine vormoderne Gesellschaft am Verschwinden begriffen sei. Dass der moderne Staat sie hat überflüssig werden lassen. Wenn also Jude- und Christsein nicht verschiedene Weisen des lebendigen Ausdrucks ein und derselben menschlichen Natur wären, sondern nur der private Sachverhalt dessen, was in der Gesellschaft von der Religion nach außen hin isoliert erscheint (Individuum), dann würde im Zentrum unsrer Gesellschaft kein gemeinsamer Nenner über dem Bruch stehen. Die bürgerliche Gesellschaft ist der Ort, an dem das Leben der Religion unter dem Begriff der Zivil- Gesellschaft ausbalanciert wird. Und in der Regel ist der jüdische Teil nicht die Mehrheits-Gesellschaft. Gehen wir diesem Phänomen nach, dann entdecken wir die erschöpfte Lebenskraft der Religion, welche sich in der bürgerlichen Welt in Wertethik umwandelte. Es ist demnach die Verankerung des Wertbegriffs in der bürgerlichen Gedankenwelt, welche die Ethik zu einer Stütze der Sittlichkeit hat werden lassen. Und wenn die Religion selbst historisch geworden ist, lässt sich auch angemessen von der zivilbürgerlichen Gesellschaft sprechen. Dachte Lessing überdies in bio-zentrischen Kategorien, wie sein Jugendfreund Klages? Nun, - ich denke dies ablehnen zu können durch den Hinweis darauf, was ihm unverwechselbarer Ausdruck der Religion war: unverwechselbar war ihm zumindest das religiöse, d.h. autonome Subjekt und zwar das einzelne den- kerische ebenso, wie das große allgemeine Subjekt der Geschichte. Ich kann mir lebhaft vorstellen, dass Lessing ein Zusammengehen mit den zuweilen ambitionierten Bürgern der Wilhelminischen Reichseinigungs-Gesell-

7 / 38 schaft oft unangenehm und manchmal verbittert gewesen ist und der Konflikt mit darin seine Ungnade fand, dass Lessings Widerwille gegen das Christentum-der-Existenzen gerichtet war, welches sich erkennbar vor dem Weltkrieg schon gegen die Judeneindringlinge aus dem Osten wandte. In einem Schreiben an die philosophische Fakultät der LMU-München, datiert am 1. Juni 1919, bittet er um die Zulassung als Privatdozent. Wenige Tage später, den 14. Juni, erließ der Dekan des Fachbereichs, Freiherr zu Bis- sing, folgendes persönliche Schreiben an das Rektorat: „Der unterzeichnende Dekan hat es für seine Pflicht gehalten namentlich auch auf Grund einer privaten Äusserung des Kollegen Baeumker, Herrn Dr. Lessing von dem Bestehen auf einen Gesuch abzuraten. Auf keinen Fall scheint es angängig Charakterforschung zu einem für die Umhabilitation genügenden Sonderfach zu machen. Der Vorschlag klingt wie eine bewusste Umgehung und Verhöhnung der auf Umhabilitierungen sich beziehenden Senats- und Fakultätsbeschlüsse.“ Die beigegebene Drucksache, die Lessing der Fakultät zuspielte, nahm dieselbe in Verwahrung. Es gibt einen Aktenvermerk, den ich eingesehen habe. Wo die abgeblieben ist, weiss niemand. Möglicherweise wurde sie nach Ab- lagerung des Bestands von der Fachbereichsverwaltung vernichtet. Insofern könnte die bekannte Kontroverse mit dem Wahl-Münchner Thomas Mann nach- träglich zu Ungunsten für den Herrn Prof. Lessing aus Hannover ausgegangen sein. Das soll nicht gegen Thomas Mann sprechen. Wir sehen hierbei nur, unter welch dunklem Stern dessen Sache vor als nach dem Krieg gestanden ist. Dieselbe Erniedrigung, um eine Zulassung zum Lehramt an der Berliner Universität, ist „Herrn Eugen Dühring“ (Friedrich Engels) passiert. Ich erin- nere, dass Dühring die Zielscheibe zweier persönlich gehaltener Betrachtungen geworden ist. Diese könnten wiederum entstanden sein, weil er ein Mitgefühl für den „blinden Hasser“ (Lessing) empfand. Für ihn dürften die Schriften Dührings aus einem gewissen Eigeninteresse und als Jude belangvoll gewesen sein. Ich meine, man sollte anerkennen, dass von Dührings Erzeugnissen eine gewisse, der Epoche entsprechende Anziehungskraft ausging. Was aber noch viel stärker wirkte als Dührings positiver Radikalismus in der Sache, das war vor allem Dührings Eintreten für seine Selbständigkeit und Unabhängigkeit in den sozial-politischen Wissenschaften. Zwischen der Herausgabe von „Dührings Hass“ (1922) und dem „Jüdischen Selbsthass“ vor seinem gewaltsamen Tod, August 1933, liegen die Jahre be- schlossen, die er mit den Aufzeichnungen der Lebenserinnerungen verbringt und wir wissen, das ein berechtigter Anteil Intention hinter all dem steckte. Die wenigsten haben zudem den Anteil bemerkt, den Dührings Weltschematik (Me- chanik) in der Gedankenwelt Lessings hinterlassen hat. Es versteht sich, dass ich nicht vom Positivismus Dührings rede. Stellt man sich zwei Kreise auf gleicher Höhe vor, die sich in der Horizontalen überschneiden, dann hat man zwischen den Kreisachsen eine sich überlappende Mitte geschaffen, welche die

8 / 38 Radikalen zwar nicht einschließt, aber berührt. Die Radikalen repräsentieren die äussersten Enden unserer bewussten Vorstellungswelt (Leiblichkeit - Idee). Die Sphäre in der Mitte ist das Sein, welches wir im Begriff der uns bewussten Wirklichkeit zusammenfassen. Warum auch sollten die Verstandeskategorien verschieden sein von dem Gebrauch, den wir von ihnen machen. Was die Verstandeskategorien in immer höhere Formen gießen, das findet in der Natur seine Entsprechung. Dies zumindest wäre der positive Optimismus Dührings, während Lessing die Verstandeskategorien keineswegs als grenzüberschreitende Formen unseres bewussten Seins begreift. Lessing lässt die Kategorien antreten im Raum seiner Sphären-Theorie: der Leiblichkeit - des bewussten Seins - der Ideen. Die Lessingsche Theorie hat keine andere Funktion, außer diesem Abwägen der Kategorie. Wohin gehört welche Kategorie: beispielsweise in die Medizin? und wie muss ich sie ein- ordnen? Die Sphären-Theorie ist darüberhinaus Bestandteil der Wahrnehmungs- lehre, nicht mehr, aber auch nicht weniger. Dass er ein Bewunderer Arthur Schopenhauers war und er über Schopenhauer referierte, ist bekannt. Schopenhauer liefert denn auch ein Stück weit das zu- reichende Kriterium für Lessings Philosophie. Durch die Bekanntschaft mit Paul Deussen, der den Vorsitz der Schopenhauer-Gesellschaft inne hatte, dürfte er in den Besitz von Schopenhauers Spazierstock gelangt sein. Wertschätzung durch persönliche Bekanntschaft mit dem Menschen seiner Verehrung war ein sehr geistvoller Charakterzug. Es erliegt aber der Selbsttäuschung, wer annim- mt, dass in Schopenhauer auch der Widersacher zu Hegel gefunden sei. Der historische Widersacher Hegels - denn Schopenhauer ist bloß der populäre - auf den Universitäten Heidelberg, Berlin, Jena, war kein Geringerer als der grandiose Jakob Friedrich Fries, Teilnehmer am Wartburgfest und Vater der deutschen gesinnungs-ethischen Tradition. Mit Fries und Hegel haben wir die Radikalen, die das universitäre Geistesleben konstituieren beisammen. Hegel wird zum Hauptopponenten von Fries, weil ihm dieser für die Auflösung des objektiven Geistes stand. Fries bevorzugte die wissenschaftlich- empirische Orientierung im Gegensatz zur spelulativ-idealistischen Natur- philosophie der Herren Schelling und Hegel. Für Fries war Hegel ein Restaurativer wie eine Briefnotiz belegt, die, nicht ganz ohne Sympathie für die Linkshegelianer der deutschen Jahrbücher, diese im Irrtum wähnte damit, wenn sie sich auf Hegel beriefen: „... sie haben sich selbst einen absoluten liberalen Renomisten fertig gemacht, den sie Hegel nennen“. Seitdem war es gängige Praxis, dass die Philosophen sich ermaßen von den exakten Wissenschaften auszugehen, worunter man weniger die Mathematik und Mechanik (Dühring), als vielmehr die genetischen Naturwissenschaften verstanden wissen wollte, welche die Darwin-Schule populär machte. Für Les- sing war das sozusagen der Anfang vom Ende des beginnenden Psychologis- mus, der durch Theodor Lipps, in München, kulminieren sollte. Ich denke aber,

9 / 38 es bleibt ein Fehler Lessings in der Friesschen Schule auch den „Ahnherrn“ zu vermuten für die gleichnamige Richtung des Psychologismus, für die Theodor Lipps zeichnete.

10 / 38 2. Die psychologische Implikation. Die Befähigung.

Der Begriff des Bewusstseins-Ich wurde von Theodor Lipps konstruiert und in die Psychologie eingefügt. Diesen Begriff nenne ich die Selbst-Biographie oder das Menschsein unter personaler Befähigung. Und unter Befähigung verstehe ich hierbei das Subjekt. Bewusstseins-Ich heisst das Phänomen, welches wir an den äußeren Dingen oder einer anderen, uns fremden Person erleben und letzt- lich auch an uns selbst. Eine jede Biographie des Menschen unterliegt hiermit zwangsläufig der Zeitgenossenschaft. Der physische Tod ist in der Natur an jedem Ort anzutreffen, gleichsam allge- genwärtig. Für uns Menschen durchaus aber nur in der Menschheits-Geschichte auffindbar. Ich sage mit Lessing, dass uns das Schreiben von Literatur durch Lebensstörung - oder, wenn man so will, durch das Gewissen abgenötigt wird. Was wir das Gewissen nennen, das war nicht zwangsläufig da, wie wir uns das immer vorstellen. Was wir gemeinhin das Gewissen bezeichnen ist vom eigen- oder rückbezüglichen Bewusstseins-Ich abgeleitet. Dem dient der Begriff, denn Erkenntnis gewinnen wir ausschließlich am Objekt. Hiesige Passage soll uns die psychologische Implikation verdeutlichen, der wir bei Lessing in vielen seiner Arbeiten gewahr werden. Wenn ich mich mit einer Nadel steche, heißt das so viel als in das Zentrum des Ich-Bewusstsein treffen. Das Zielobjekt entgeht dem Schmerz nicht, egal wohin man sticht. Der Schmerz bleibt konstant dasselbe Schmerz-Gefühl. Ein ebensolches stechendes Instrument ist die Weckung unsres Bewusstsein durch den Willen. Zitat: „Das menschliche Gehirn, kann nicht im gleichen Zeitmaß sich fortentwickeln wie seine Leistung. Die Hand, welche ein Auto, ein Flugzeug, eine Bobbine- maschine, ein Bechsteinflügel meistert, ist keine andere Hand als die eines Urmenschen aus der Steinzeit.“ Hier wird, was ich unter Befähigung zeichnete sichtbar. Es wird aber auch deutlich, dass unser Bewusstsein und der Wille an sich zwei verschiedene Qualitäten sind. Durch den stechenden Schmerz entsteht eine Abwehrleistung so gut als eine weckende Tat, die Lessing durchaus auch als eine denk-ökonomische Leistung oder Tätigkeit verstanden wissen wollte. (Siehe: „Über Hypnose und Suggest- ion. Eine psychologisch medizinische Studie“, Göttingen 1907.) Selbstbewusst- sein heißt der nämliche Vorgang, der mit dem Gefühl des stechenden Schmerzes zwar nicht identisch ist, aber dieselbe leib-seelische Unterlage hat. Unser aller Subjunktion liegt in jener Lessing-Metapher, wie die des „Urmen- schen aus der Steinzeit“ beschlossen und also in der Historisierung des Denk-

11 / 38 Prozesses, der wir anhand Lessings Aussage „post festum“ unterworfen sind. „Die Deutschen hatten Mozart und Beethoven, aber standen davor wie der Hund vor dem Apfel. Sie hatten Schopenhauer und Nietzsche, aber keine Lehrkanzel für sie. Sie hatten Feuerbach und Marees, aber keine Wände für sie. Es erging deutschem Genius wie dem Knaben Michelangelo. Man gab ihm gnä- dig den Auftrag, Figuren zu Formen - aus Schnee. Er tat es und schrie: gebt mir Marmor.“ Anzunehmen, dass der Schnee für die frostige Seele der Deutschen steht und der Marmor für den schönen Leib eines Denkmals, welches die Kälte nicht spürt. Wir alle aber können den Schnee darauf sich ablegen sehen. Will ich eine Diagnose wagen, muss ich folglich sagen, dass unser menschliches Leben ein autonomes, weil denkfähiges und zu einem sittlichen Leben befähigtes ist.

Wie das Tier vom Fresstrieb, so ist der Mensch vom ethischen Wert, dem Geltungstrieb in die Enge getrieben: „Man könnte das (…) Weltall betrachten als ein Bilderbuch von Spuren ...“, sozial-physiognomischer Natur und würde nie fertig werden damit ...

Jedoch, wer sagt, dass wir Menschen sind …?

12 / 38 3. Die feindlichen Dioskuren. Das Verbrechen.

Es bedürfte der Ernüchterung, des Schuldeingeständnisses, dass wir über unser deutsches Judentum hinweggesehen haben. Es bedürfte auch der Prüfung, ob wir den Ungeist des Völkermords recht verstanden haben. Letzterer taugt nicht für die politische Kontroverse. Karl Jaspers erklärte uns warum: „Die Situation scheint mir so zu liegen, dass wir heute den Begriff des Ver- brechens, der hier gemeint ist, des Völkermords, im Prinzip noch nicht genügend ins richterliche Bewusstsein gebracht haben.“ Wer entscheidet darüber, wo der Begriff anfängt und wo er aufhört? Wären wir uns darin einig, wir bräuchten keine solche Apologie des jüdischen Menschen, wie die der feindlichen Dioskuren von Elke-Vera Kotowski. Selbstverständlich sollte Solidarität unter den Menschen sein. Nur, dem ist nicht so eindeutig und rechtschaffen: wir fördern, was uns nützlich erscheint und las- sen fallen, was den Anspruch des uns Nützlichen nicht erfüllt.

Für die Antisemiten kam freilich das Übel durch die Assimilation. Hören wir Heinrich von Treitschkes Verdikt: „Die Juden sind unser Unglück.“ (2) Damit wir Lessings Sache besser verstehen, sollte es legitim sein auf Klages zu rekurrieren. Aus dem persönlichen Zerwürfnis Rückschlüsse zu ziehen von der Tragweite des, sagen wir, Völkermords, scheint mir nicht anhängig. Klages war kein Mitwirkender hinsichtlich der Beteiligung an einem verbrecherischen Staat. Die Rede vom verbrecherischen Staat aber trifft den Kern. Stellen wir uns Klages als Verehrer der antiken Kultur vor, der, statt in den azurnen Süden aufzubrechen, in den Wäldern, den Heide- und Moorland- schaften die nebel- und sternklaren Nächte durchstreift. Stellen wir uns Hans-Eggert Schröder vor, den Klages-Biographen, wie er bio- zentrische Artikel zu Schillers Ästhetik schreibt. Durch Elke-Vera Kotowskis Studie ist der gute Schröder der indirekten Kritik ausgesetzt. Ihrer Aussage nach, soll die Studie nicht nur dem Vergleich beider (Lessing/Klages) dienen, als vielmehr der Aufklärung des geistig-moralischen Bandes dieser jüdisch- deutschen Jugendfreundschaft. Dem Bruch der Freundschaft geht Kotowski an- hand der Lebenslinien in Hannover nach und erkundet wie es dazu kommen konnte, bzw. was die Beweggründe von seiten Klages gewesen sind. Biogra- phischen Details machen einen erheblichen Teil der Studie aus und man ist um eine bei Schröder vernachlässigte Variante der Lebensgeschichte der beiden Jugendfreunde bereichert. Doch worum geht es wirklich?

13 / 38 Wenn ich richtig sehe, dann steht im Mittelpunkt der feindlichen Dioskuren- Studie (das Wort begegnet uns in Lessings Selbst-Zeugnissen, Seite 327) außer der Jugendfreundschaft noch der Schrödersche Kommentar zur Werkausgabe. Dass Schröder zu den Kennern des Klagesschen Werkes gehörte und damit ver- traut war, wie vielleicht nur noch Hans Kasdorff oder Erwin Ackerknecht und vor allem, dass er zu den Mitbegründern der Klagesgesellschaft zählte, dies schien Kotowski nicht geheuer. Keineswegs so selbstverständlich, wie Ko- towski, erscheint es mir demnach, dass Schröder durch die Umstände nach Klages Tod (1956) in die Rolle des Biographen gedrägt wurde. Und zwar, nachdem der Schweizer Martin Ninck, der in persönlicher Absprache mit Klages den biographischen Part übernehmen sollte, kurz zuvor verstorben war. Der „Nachlassverwalter“, wie Kotowski anmerkte, wurde Schröder durch den überraschenden Tod Martin Nincks erst zugedacht. Das geht aus einem Brief an Erwin Ackerknecht unzweifelhaft hervor. In Hans Kasdorffs „Widerstreit der Meinungen“ kann man das nachlesen. Das war kein Geheimnis. Bei aller berechtigten Kritik an Schröder, Kotowski bediente sich des Standort- wechsels. Der konnte nur gelingen mit Hilfe des Schröderschen Kommentars. Wo Kotowski nachdrücklichen Wert auf Literaturnachweise legte und der Schrödersche Kommentar für sie so etwas wie die Rechtfertigung von dessen Verhalten gewesen sein musste, zieht sie meines Erachtens die literarisch zwar zulässige, aber deswegen keineswegs auch historisch erhärtete Position von Frau Francoise Wiersma-Verschaffelt, einer niederländischen Schriftsachver- ständigen, heran. 1969 erfolgte die Neuauflage von Lessings Lebenserinnerungen mit dem kaum der Rede werten Vorwort von Hans Mayer. Für Schröder war Lessing keines- wegs ein Unzeitgemäßer der Literatur, und dann immer schön nach Nietzsche, wie für den Literaturwissenschaftler Mayer, sondern eher ein ehrgeizig streb- samer Feuilletonist, der nach dem Erfolg schielte. Wiersma-Verschaffelts Reaktion („Een tragische Vriendschap: Ludwig Klages und Theodor Lessing“, vermutlich Eigendruck, es sind keine Verlagsangaben nachweisbar; auf dem Vorsatz meines Exemplars steht mit Bleistift notiert „Leiden 1968“, der Text ist Niederländisch), zu einem Zeitpunkt, an dem Schöder gerade den ersten Band der Biographie abgeschlossen hatte und der hundertjährige Geburtstag (1872 - 1972) von Klages bevorstand, dürfte eine auf die Neuausgabe der von Schröder kommentierten Werke sein. Eine Broschur von Wiersma-Verschaffelt zum Jubiläum von Klages (F. Wiersma-Verschaffelt, D. Wiersma, J.J. Wittenberg: Der 100-jährige Klages; DIPA, Frankfurt a..M. 1972) eröffnet zudem, dass sie an keine induzierte Judenfeindschaft glaubte, wie man hätte annehmen können und dass Kotowski keiner eigenen Regie folgte, sondern die von mir angeführten Vorarbeiten aufgreift. Obwohl Wiersma-Verschaffelt überzeugt war, dass Schröder sachlich handelte und darum bemüht, zu rekonstruieren, was passiert sein könnte, war sie am Ende

14 / 38 dann doch der Meinung, dass sich allenfalls erahnen lasse, was sich zugetragen hat und kann demnach nicht ausschließen, dass der abstruse, wie sie sagte, „weltanschauliche Streit“, ebenso oft in Deutung genommen werden kann als es Stimmen dazu gibt. Am Ende ihres Beitrags machte sie eine Kehrtwende um hundertundachtzig Grad und widersprach dem Ansinnen Schröders, dass im Stadium des Bruchs Klages Antisemitismus nur eine kleine Rolle gespielt haben könnte. Ein endgültiges Urteil darüber sei noch verfrüht, man solle Schröders zweites Buch abwarten. Man kann dann nur zu dem Schluss gelangen, dass sie selbst in ihrem Urteil nicht wirklich sicher gewesen ist. Etwas anderes lassen die Aussagen Wiersma-Verschaffelts nicht zu. Zum Ersten, dies alles zeigt uns, wie wichtig Wiersma-Verschaffelt die Arbeit Schröders in dieser Hinsicht war. Ob derselbe die Erwartung von Wiersma- Verschaffelt erfüllte, ist nicht mit letzter Sicherheit zu beantworten und deswegen glaube ich auch nicht, dass dies Kotowski bekannt gewesen sein kann. Schröder selbst hat sich, meines Wissens, niemals zum Schwabinger Krach geäußert. Schröders Überzeugung war es vielmehr, dass Antisemitismus für Klages nicht die Rolle gespielt hat, die wir ihm durch das Historische heute beimessen. Ich glaube, ohne Übertreibung sagen zu können, dass ich Schröders Intention damit sehr nahe komme. Zum Zweiten kommt die These von der in den 1960er Jahren einsetzenden Les- sing-Rezeption (Hans Mayer), die ihn sich als großen Unzeitgemäßen ange- eignet haben soll, ins Schlingern, insofern es der Klages-Rezeption in Gestalt der Graphologie besser gelungen ist, Lessing die von der Literaturkritik ange- maßte Wende anzuweisen. Es ist zum Dritten ein Zeugnis dafür, dass die Klages-Gesellschaft, die sich des Andenkens an Klages verschrieben hat, um dessen Schriften im Allgemeinen, sowie deren wissenschaftlichen Teil im Besonderen zu befördern, nicht allein für die Klages-Forschung repräsentativ sein kann. Die Graphologie ist außer- halb des Rahmens der Klages-Gesellschaft durch eigene Lehrkörper vertreten. Die besondere Note von Kotowskis Studie bleibt demnach, dass Schröder Kla- ges Antisemitismus, den dieser nie widerrufen hätte, zu verschleiern suchte. Da- mit bleibt die Frage, wieso Klages seinen von Kotowski dargelegten Anti- semitismus nie widerrufen hat. Die Antwort lautet und kann nur lauten: die Frage selbst setzt die Voraussetzung, die sie hat klären wollen. Ich kann zum Vierten das Gerede, dass Klages im Georgekreis eine jüdische Verschwörung ausgemacht haben will, als ausgemachten Unsinn von Tobias Schneider überführen. Allenfalls lässt sich vom Schwabinger Krach als einer Art Konspiration mittels der Literatur- oder Kunstpolitik - oder, wenn man so will, durch den Georgekreis und die Blätter für die Kunst sprechen, die, unter den gewaltsamen Schlägen dem Henker in die Arme fiel. Im nächsten Abschnitt werden wir, auf dem Umweg sozusagen, auf einen ähnlich induzierten Sach- verhalt stoßen, ohne dass es zu einer befriedigenden Lösung kommt.

15 / 38 4. Die Hauptstadt der Bewegung. Schulers Nachlass.

Spätestens mit der ebenso geistreichen als anschaulichen Publikation von David Clay Large: „Hitlers München, Aufstieg und Fall der Hauptstadt der Beweg- ung“, beginnt die Geschichte um Klages, der Schuler 1883 in München kennen- lernte, zur Tendenz-Schriftstellerei zu degenerieren. Es ist eine Tendenz, welche Personen und Umstände bevorzugt auf die NS-Zeit kapriziert. Large bietet reichhaltiges Bildmaterial. Seine Argumentation folgt gegliederten Kapiteln, fokusierend durch plakatives Zitateinschießen, wie „Verbrecher des Traums“, wofür die Schwabinger Bohéme bemüht wird. Unser obiges Beispiel soll ein Zitat von Franziska zu Reventlow gewesen sein. Ich habe das nicht überprüft. Large möchte uns einreden, dass das München Hitlers auch das von Klages gewesen ist, obschon dies weder biographisch noch historiographisch der Fall sein kann. Zwischen dem München Hitlers und dem von Klages liegt die Zäsur des Weltkriegs. Klages ist in der Einleitung zum Schuler-Nachlass in bester Ab- sicht auf sein „Münchner Jahrzehnt“ (von 1893 bis 1904), eingegangen und zog die Summe persönlicher Erfahrungen. Nach dem ersten Jahrzehnt bleibt immer noch das Jahrzehnt vom großen Schwabinger Krach bis zum Krieg (von 1904 bis 1914). Während dieser Zeit ist von Hitler nie die Rede. Und noch während des Kriegs geht Klages in die Schweiz.

Besinnen wir uns: Hitlers München erstreckte sich über die Jahre des Kriegsfriedens im Winter 1918/19 bis zum Marsch seiner Getreuen zur Feldherrnhalle, den 9. November 1923, - der eigentlichen Kampfzeit, die Hitler mit der Landsberger Haft abschloss, welche die NS-Größen später beweihräucherten und in der er seine ihm ergebene Kamarilla hinter sich brachte. Im Führerprinzip gründete Hitlers Magie der Macht. Und wo ein Führer ist, da braucht es der Claqeure. Hitler reaktivierte den Kriegsgefreiten aus dem Feld (man denke an den greisen Hindenburg, der vom Böhmischen Gefreiten sprach; das war keine Falsch- münzerei, wie Hans Mayer wähnte; vergleiche hierzu von Kuehnelt-Leddhin: „Freiheit oder Gleichheit, die Schicksalsfrage des Abendlandes“), der sich mit der von ihm bekannten Überheblichkeit zum Politiker und dann zum Erretter Deutschlands kürte. Wurde ihm der Boden bereitet, dann gewiss nicht von Klages, der für eine Hitlersche Revisionspolitik öffentlich nie eingetreten ist. Dies in den Raum stellen, halte ich für ein ebenso törichtes als falsches Vor-

16 / 38 gehen, das im Übrigen jeder Grundlage entbehrt, wenn man wiederum davon absieht, dass Klages seinen „metaphysischen Antisemitismus“, so die Grapho- login Christa Hagenmayer (3), in die Einleitung zum Schuler-Nachlass inter- feriert und die Stadt München der genius loci unserer Geschichte ist. Wer das Buch zur Hand nimmt, wird sagen, das Klages „metaphysischer Anti- semitismus“, um nichts weniger ein Antisemitismus war, den es zu verab- scheuen gilt. Nun, das ist die einfachste Antwort, die man hat. Uns Heutigen fällt es leicht, Münchens „völkischen Eros“, der für Klages weiss-blau ge- leuchtet haben dürfte, mit dem Schwarz-Weiss-Rot der Hitler-Getreuen zu vermengen, wie es szenisch in der Film-Legende zu Stafan George „Komm in den todgesagten Park“, Bayerischer Rundfunk, 1983, geschehen ist. München war noch nach dem Krieg die Stadt der Wittelsbacher. Hinwieder braun wurde München als Rosenberg daran ging „Novemberköpfe“ (1927) zu stilisieren. Dass die Münchner rückblickend den Tod ihres Prinzregenten Luitpold, der, gestorben am 12. September 1912, als den Anfang vom Ende des alten Bayern erlebten. Large tut uns den Gefallen und bestätigt dies. Leider bleibt Larges Buch ein weiteres Rührstück der Zeitgeschichtsforschung. Da sie allesamt und ohne Ausnahme den Schuler-Nachlass zerfleddern in der Annahme, darin Kanonisches in Händen haltend bezüglich eines Dokuments des Antisemitismus, übersehen sie Klages in den Text einfließende Abrechnung mit den ehemaligen Weggefährten, dem Bruch mit George, Wolfskehl und dem, was man den großen Schwabinger Krach genannt hat. Derselbe hat Wunden bei den Kriegsparteien hinterlassen. Darf man deshalb den Novemberpogrom der NS mit dem Krach beleidigter Literatur-Heroen und deren Auseinandersetzung um die Literaturpolitik in eins setzen? Wolfkehl soll sich mit einem Revolver, den er der Streitigkeiten mit Alfred Schuler wegen beständig in der Hosen- tasche herumtrug, in den Allerwertesten geschossen haben. Klages Lebenswerk war nahezu abgeschlossen. 1935 liegen sämtliche Epoche machenden Publikationen, einschließlich der „Grundlegung der Wissenschaft vom Ausdruck“, vor. Er macht nun das Schuler gegebene Versprechen wahr, was bei der ungeklärten Frage der Nachlasswalterschaft inmitten des Kriegs keine einfache Sache gewesen sein dürfte und nebenher Aufzeichnungen über die Jugendzeit. Zudem dürfte er unschlüssig gewesen sein, wann der Schuler- sche Nachlass erscheinen soll und womöglich darüber, dem eignen Tode vor- beugen zu müssen. Lessing wurde Sommers 1933 im Marienbader Exil mit zwei Schüssen durch das Fenster seines Arbeitszimmers ermordet. George, der in der Schweiz um denselben Zeitraum verstarb, hatte es sich verbeten, dass seine sterblichen Überreste, solange die NS-Herrschaft im Reich andauere, nach Deutschland überführt würden. Mit Verlaub, von Lessing wird im Schulerbuch nicht die Rede sein. Die ein- zigen Aufzeichnungen von Klages Hand, die es zu Lessing nach dessen Tod gibt, sind Bleistift-Notizen in Klages Handbuch von Lessings Auto-Biographie.

17 / 38 Das er beim Abfassen des Textes sich nicht im Klaren darüber gewesen sein könnte, in welcher Lage er sich hinsichtlich der Faschisten befand, kann man getrost als Ammenmärchen abtun. Zum umstrittenen Thema bieten sich die Skizze von Klaus Mann: „Das Schwei- gen Stefan Georges“ in: Die Sammlung Nr. 1, an. Max Bense verfasste im Jahr 1937 den „Anti-Klages“. Bense wird nach dem Krieg im ostdeutschen Aufbau Verlag als Mitarbeiter geführt und späterhin im Westen sich gegen jegliche Form des Irrationalismus aussprechen. 1948 erscheint im selben Verlag Herbert Frankes „Dunkelmännertum: Zum Fall Ludwig Klages“. In dem Artikel rügt er nicht ohne Häme, dass der erste Bonner Psychologenkongress (1947) mit der Verlesung eines Referats von Klages eröffnet wurde, derselbe sich nachmals entschuldigen ließ und nicht persönlich anwesend war, weil er Gefahr lief sich vor derselben Spruchkammer verantworten zu müssen, die Rosenberg und Streicher nach Nürnberg brachte. Klages musste damit rechnen, eines nicht allzu fernen Tages zur Rechenschaft herangezogen zu werden. Seiner heidnischen Gesinnung freilich hat er nicht ab- geschworen. Man bedenke, es war die Zeit, in der Adenauer sich einen Staats- seketär Hans Globke leisten konnte. Klages, sicherlich unbeeindruckt von der- art Geschichte, verfasste sein letztes Aufgebot wider den Geist „Die Sprache als Quell der Seelenkunde“ (1948). Schuler seinerseits erkannte, dass George, unter Mithilfe von Wolfskehl, plan- mäßig Literaturpolitik betrieb. Dass sie „unterirdisch zusammenhingen“, was auf weitere Aktivitäten schließen ließ. Laut Klages, soll Wolfskehl ein An- hänger des Zionismus gewesen sein. Wenn Lessing zu diesem Zeitpunkt sich intensiv mit dem Zionismus beschäftigte, dann wäre es immerhin vorstellbar, dass Unstimmigkeiten von dort her rührten. Hierin sehe ich, bei aller gebotenen Zurückhaltung, die einzige ernsthaftere Veranlassung, die Klages betreffen kön- nte. Ich füge noch die Heirat mit der adligen Hohenzollern-Tochter Maria Stach von Goltzheim hinzu (1900). Ich möchte nicht verschweigen, was mir wichtig erscheint. Lessings Heirat hatte bei Klages zu Verstimmungen geführt, worauf- hin alsbald der endgültige Bruch erfolgte (4). Dafür gibt es in „Einmal und nie wieder“ eine Bestätigung. Im Schulerbuch gibt es wunderschöne Anekdoten, für die die Bewältiger der Vergangenheit blind sind. Sie empfehlen uns die sprach-magische Erscheinung Alfred Schulers, wenn nicht die der Schwabinger Bohéme, lebendig zu halten. Greift man in der Regel zu den Aufzeichnungen der Franziska zu Reventlow zurück, deren Bruder die Hitlersche Revisionspolitik von Anfang an unter- stützte. Antisemitisches aus der Einleitung des Schulerschen-Nachlass heraus- zuklauben, scheint mir kein gewinnbringendes Ziel. Das Malheur, das George anlässlich einer Abendgesellschaft in Schulers Münchner Wohnung ereilte, muss hier nicht kolportiert werden und gehört zu den Kuriositäten des Buchs. Uns genügt, zu wissen, dass Klages über den „Meister von Schwabing“ den

18 / 38 Stab brach. Zu tief saß die Wunde, die er davon getragen hatte. Was mich an der Einleitung zum Schuler-Nachlass überzeugte, das war Klages Deutung der Genesis von Georges Dichterei, allemal der Herkunft des George- schen Symbolismus von „Opitz, Gottsched und einigermaßen noch Platen“. Demgegenüber deutet Klages seine Auffassung des Symbols als der Wirklich- keit der Bilder. Symbol und Wort sind Ausdrucksmittel der Sprache. Ebenso ist aber auch das Bild ein Ausdrucksmittel der Sprache. Das Symbol ist nie ohne das Bild in unserer Seele und umgekehrt, die Seele niemals zugänglich ohne das ihr einwohnende Bild. Wie uns die Kunst durch den Gebrauch der Sprache erschaffen wurde, übers Ohr, und also nicht vorrangig durch technischen Gebrauch, so ist die Sprache in ihrer reinen Lautform etwas Ungegenständliches, nur auf etwas Hinweisendes. Dementgegen besteht unser wissenschaftliches Verhalten darin, die Entwick- lung und deren Abläufe auf Ursachen in der Natur zurückzuführen. Auf den Natur-Prozess haben wir keinen Einfluss, es sei denn, wir manipulieren gewisse Abläufe anhand des Experiments und kommen so, wiederum auf die indirekte Art, zu einem korrekten Ergebnis. Wir sind nur mehr die Beobachter der Natur, keineswegs aber deren Meister. Sämtliche Wirbeltiere, zu denen der Mensch zählt, haben die Linse im Auge, von deren Brechung die Anpassung des Sehens in Nähe und Ferne abhängt. Das Auge ist gleichsam die sinnes-physiologische Schnittstelle zwischen der Um- welt und unserem Gehirn. Diese Schnittstelle ermöglicht es uns zwischen dem symbolischen Charakter, dem Bild und dem von uns qua Technik gemachten Gegenstand zu unterscheiden. Kommen wir zum Schulerschen-Nachlass zurück: Es scheint vermessen, zu glauben, wir könnten in die Tiefe der einst Lebenden hinab. Was wissen wir vom Leben der Verstorbenen? „War es doch bei- spielsweise Schuler, der schon um 1895 im Hakenkreuz (swastika) das mit- telpünktliche Symbol der vorgeschichtlichen Menschheit entdeckt zu haben glaubte (…) Ja um den Frevel zu krönen erscheint fortan das Hakenkreuz, von dem selbst Wolfskehl irgend Wesentliches wusste, bevor Schuler es ihm bei- gebracht hatte, auf allen Jünger-Büchern des jüdischen Verlages Bondi.“ Ein Exemplar damaliger Bondi-Ausgaben soll uns Ernst Bertrams „Nietsche, Ver- such einer Mythologie“ sein. Ein im Mythlogischen schwelgendes Epos. Es er- übrigt sich hinzuzufügen, dass Bertram einer der George-Jünger war, welcher der konservativen Revolution das Wort redete: Ich möchte hier in aller Bescheidenheit darauf hinweisen, dass Klages durch den schweizer Rechtsausleger Armin Mohler in das „Handbuch der Konservativen Revolution“ (KR) geraten ist. Seitdem wird er unter dem Sammmelbegriff der KR gehandelt. Ob zu Recht, will ich nicht entscheiden und verweise nur auf die Tatsache. Bei Erscheinen des Buchs von Bertram (Erstausgabe 1918) gab es wohl einen Antisemitismus in Deutschland, das

19 / 38 bestreitet niemand, die NS als eine politische Kraft aber gab es noch nicht. Hier werden Kräfte herbeigezaubert. „Nächstdem lautet die Lösung auf Freigabe aller Erwerbungen; und so knistern denn und rauschen die Federn vom Geist, der aus dem Blute komme, vom Leib als der Erscheinung der Seele (C.G. Carus, der Verfass.), vom Dämonischen (Dostojewski, der Verfass.), Dionysischen (Nietzsche, der Verfass.), Kosmi- schen (J.J. Bachofen, der Verfass.), von der Blutleuchte, von Sonnensöhnen (Schuler, der Verfass.) und so fort, meist unter weidlicher Ausschlachtung meiner Broschüre“, womit Klages seinen bei Bondi erschienenen „Stefan Ge- orge“ (1902) meinte. „Man darf es wörtlich nehmen, wenn unter peinlicher Schonung des Meisters die kosmische Runde alsbald bewitzelt und bespöttelt wurde, wovon die Folgen zwei Jahrzehnte hindurch bis in die Mitte der 30er Jahre zu spüren waren.“ Zumindest war dies Klages Auffassung: „Mit alledem wirkte er (George, der Verfass.) eine Weile Gutes und hätte selbst Dauerndes bewirkt, wäre er - Dichter gewesen. Stattdessen, gleich Opitz mit bewundernswerter Folgerichtig- keit auf eines und auf dieses allein bedacht: sich und sein Geschmacksrichter- tum durchzusetzen, verlor er an Wissen vom Wesen des Dichterischen, je mehr seine wortkünstlerischen Experimente sich übersteigerten, und hat es in vorge- rückten Jahren sich schwerlich verhehlen können, dass die sogenannte Be- wegung, die eingeleitet zu haben er wähnte, vorzeitig im sprachlichen Leerlauf verendet war.“ Man könnte eine Reihe ähnlicher Passagen anführen. Klages gab uns mit der vita contemplativa ein Rezept in die Hand, das von der wissenschaftlichen Zunft, mit Ausnahme vielleicht von Julius Deussen wenig rezipiert, geschweige denn akzeptiert wurde. Damit offenbart sich der Wider- spruch in der Wirkungsgeschichte. Wenn er denn der Modephilosoph der 30er Jahre gewesen sein sollte, wie Schneider es haben wollte, dann müsste der Erfolg seiner Werke überdurch- schnittlich hoch zu veranschlagen sein. Das Rennen unter den erfolgreichsten Literaten der Zeit dürfte Oswald Spengler für sich entschieden haben. Das Wort „Gegenwart“ war allgemeine Modeschöpfung und gehörte zum Niveau der Zeit. Modeschöpfung war alles das, was in den Bildungskanon passte und wo- rüber sich der Philister aufregte. Aber auch Hans Eggert Schröder war nicht frei von Verwechslungen, wenn er aus dem Privatdozenten der Technischen Universität Hannover einen Feuil- letonisten machte, der in erklärter Feindschaft zur Wissenschaft stünde. Das ist eine irreführende Metapher. Eine Welt zumal, wie die unsere, die durch keiner- lei Tradition mehr verbunden scheint, die verbindet auch keine Ideologie mehr. „Man redet heute mehr von Charakterkunde, wie dass man in ihr etwas leisten würde.“ (Ludwig Klages) Zudem geht man verkehrt, in Ludwig Klages einen Vordenker der Ökologiebe- wegung zu vermuten, die, seidem sie in die goße Bonner, bzw. Berliner Politik

20 / 38 eingestiegen ist, ihr ideologisches Korsett kaum mehr verbergen kann. Was Herbert Gruhl (CDU) zu Anfang der 70er Jahre aufgegriffen hatte und was bei unserem Politikbetrieb, der, weil er vor allem karrieristisch eingerichtet ist, scheitern musste, das war der Verzicht auf die Wachstumsideologie des Abendländers und die behutsame Rückkehr zu den natürlichen Ressourcen und der Agrarwirtschaft, bzw. deren weitestgehende Bewahrung vor dem Industrie- Kapitalismus, - während die GRÜNEN sowohl auf den Fortschritts-Optimismus als auch auf dessen ideologische Optimierbarkeit als die neuzeitlichste Form des Wandels setzten. Bei den GRÜNEN weiss man nie recht, sind sie religiös, sind sie modern, sind sie sozialistisch, - sie sind von allem etwas und von alle- dem nichts, eben die logificatio post festum. Das aber typisch für die Situation der Zeit.

21 / 38 5. Der Biograph Hans Eggert Schröder.

Wie wir von Schneider hörten, war Klages der Modephilosoph der 30er Jahre. Dessen ungeachtet, bleibt es ein schwieriger Prozess Bewertungen historischer Daten vorzunehmen. Geschichte denkt nicht: und darum ist Geschichte kein- eswegs eine reine Wissenschaft, denn sie hat eine heuristische und damit eng verbundene moralische Komponente. Für uns bleibt ein gewichtiger Einwand, was Hans Eggert Schröder als Bio- graph von Ludwig Klages angeht. Stösst man bei der Schröderschen Werkaus- gabe auf Zurückgehaltenes, wie den editorischen Arbeiten zum Schulerschen Nachlass oder den Aufzeichnungen aus der Gründerzeit, wie den „Rhythmen und Runen“, die wichtigen charakterologischen Essays zu Wilhelm Jordan und Goethe fehlen gänzlich. (Hierzu am besten die Mitteilungen der Klages-Gesell- schaft diesbezüglich vom März 2008.) Dem Eingeweihten war längst bekannt, wie es um Schröders Vermächtnis stand. Schröder ließ ein drittes Manuskript der Biographie liegen, dem sich in unseren Tagen der nunmehr verstorbene Wiener, Hans Tenigl, angenommen hatte. Waren es subjektive oder persönliche Gründe oder Krankheit, die Schrö- der dazu bewogen haben? Schröder hat auf die Neuausgabe der Auto-Biogra- phie Lessings durch Hans Mayer mit eigenem Kommentar geantwortet. Der wollte sorgfältig recherchiert, niedergeschrieben und ediert sein, wozu ihm sein Verleger verhalf. Ohne Herbert Grundmann wäre die Riesenarbeit Schröders finanziell kaum möglich geworden. Ich weiss außerdem von Fragen, die sich im Zusammenhang mit der Sicherstellung des Klagesschen Nachlasses stellten. Hinsichtlich einer präziseren Beantwortung des von mir angeschnittenen Fra- genkomplexes dürfte man auf diesem Wege fündiger werden als was eine am Klagesschen Nachlass sich abmühende Vergangenheitsbewältigung bislang her- vorbrachte. Dumm an der Geschichte war zweifelsohne, dass der größte Teil des in Marbach einlagernden Bestands von Schröder der Forschung nicht zur Ver- fügung stand. Hierzu fehlte den Klages-Gesellschaftern das nötige Kleingeld, bzw. die Angehörigen von Schröder wollten dies nicht. Eine diesbezügliche Anfrage meinerseits, wurde von Schröders Erben negativ honoriert. Der über drei Bände angelegten Biographie hätte ich ein Namensregister ge- wünscht. Basiert der dokumentarische Teil größenteils auf dem Klagesschen Schriftverkehr. Dies war bei der Unabgeschlossenheit von Schröders Arbeits- weise unmöglich. Nicht zuletzt tritt Schröder als eigener „Sachzeuge“ auf, wo-

22 / 38 mit ich bei dem angesprochenen Widerstreit der Interessen wäre. Bei Klages Freundes- und Bekanntenkreis handelte es sich durchweg um einen Kreis persönlicher Beziehungen. Klages war Privatgelehrter. Deshalb die um- fängliche Korrespondenz und Reisetätigkeit, die ihn von der Schweiz ins Deut- sche Reich zu Freunden auf Vortragsreisen führte. Die Vortragsreisen sicherten ihm den Lebensunterhalt. Einer der Organisatoren dieser Reisen war der Volkshochschuldirektor und Bibliothekar Erwin Ackerknecht. Schröder berich- tet, dass sich in Leipzig eine studentische Gruppierung des Namens „Arbeits- kreis für bio-zentrische Forschung“ gegründet hatte, deren Mentor, der Pro- fessor der Philosophie, Julius Deussen in der Reihe „Studien und Bibliogra- phien zur Gegenwartsphilosophie“ das Buch: „Klages Kritik des Geistes“ her- ausgab. Auf betreiben eines Freundes von Klages, dem Dichter Werner Deubel, soll Deussen aus dem Arbeitskreis gedrängt worden sein, was eine größere Hausmacht im Arbeitskreis voraussetzte. Eine dunkle Geschichte, zu der es am 15. Juni 1935 ein letztes Arbeitskreistreffen in Bad Harzburg gegeben haben soll. (Deubels Tochter ist mir in der Klages-Gesellschaft begegnet. Sie schenkte mir eine Fotographie von Klages, welche dem Publikum unbekannt sein dürfte, da sie aus persönlichem Besitz kommt. Es ist mir eine grosse Ehre und ich be- danke mich recht herzlich für das Vertrauen, das mir geschenkt wurde.) Schröder lässt uns im Unkaren darüber, ob Deussen mit Klages persönlich bekannt war. Ein Punkt, der nur über Klages umfängliche Korres- pondenz aufzuhellen wäre. Durch Veröffentlichungen des Arbeitskreises wird schließlich das Amt Rosenberg aufmerksam geworden sein. Schröder berichtet wiederum, dass ihm ein Schreiben zuging, worin er aufgefordert wurde besagten Arbeitskreis, dessen Wortführer er war, aufzulösen. Anstatt der Auf- forderung nachzukommen, entschloss er sich zu einem Besuch der Berliner Gestapo-Zentrale. Er deutete an, dass es ein Aktenstück zum Arbeitskreis gegeben habe, dessen Einsichtnahme ihm, vor Ort, verwehrt worden sei. Und wie im Roman, eilt ihm der Zufall zu Hilfe, lenkt den Gestapomann von Dienst wegen ab und Schröder erhaschte die Zeile, in der zu lesen stand: „... die Ver- einigung ist zu verbieten, weil die Weltanschauung von Klages mit der national- sozialistischen Weltanschauung unvereinbar“ sei. Als eine Sachzeugenschaft vor Gericht wird vielleicht durchgehen, was Schrö- der uns da erzählte. Als eines vermeintlichen Beweisstücks seriöser Forschung müssen wir ihm unsere Zustimmung versagen. Selbst wenn das Aktenbündel vor ihm gelegen wäre, der Biograph als sein eigener „Sachzeuge“ (Schröder) begibt sich in den Weinberg des Herrn. Auf das Leben lässt sich keine historische Wahrheit gründen, sagte Theodor Lessing. Davon abgesehen, dass Lessing niemals von der Wahrheit der Ge- schichte, sondern allenfalls von der Geschichte der Wahrheit gesprochen hat, bleibt uns nichts weiter übrig als besagtes Schriftstück, von dem uns Schröder berichtete, einzusehen. Das Schriftstück aber bleibt verschollen.

23 / 38 Wie schon in den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts verschanzt sich der Kla- gesianer heute ähnlich einer Sekte im Zeit-Fenster aktueller Wissenschaft. Doch wenn man sich für die Wissenschaft entschieden hat, dann bitte für die ganze Wissenschaft und Wahrheit. Aus besagtem Grunde kam ich nicht umhin, mich Julius Deussen anzunehmen, von dem uns Schröder allenfalls zu sagen wusste, dass Klages Deussen ablehnte und Klages Deussen wiederum für den falschen Mann am falschen Ort hielt. Für einen Literatur-Wissenschaftler, der sich die Berufsbezeichnung Schriftsteller zugelegt hatte recht dürftig, angesichts der Tatsache, dass Deussen eine logik-wissenschaftliche Untersuchung zum Thema bio-zentrische Forschung bot. Ein an Sachkenntnis im Kategorialen bis in die Teilgebiete der bio-zentrischen Forschung hinein und im Sinne von Klages ein- maliger Kenner Klagesscher Philosophie, ward brüskiert. Ein abenteuerlicher Vorgang und so dissonant, wie die von Klages vertretene Zweiheit von Leben und Geist. Deussen würde sagen: existenzialrelevant hinsichtlich des Nichtlogischen, das sich als ein solches begrifflich nachweisen lässt. Bei diesem, Deussen nach- empfundenen Satz keimte in mir die Ahnung, dass Deussen in seiner Beur- teilung, was Klages angeht, durchaus mit Lessing übereinstimmen könnte. Laut Deussen wird die Kritik des Geistes, sobald sie sich zu Wort meldet, auf das Feld der Wissenschaft begeben müssen und dann werden ihr die Kampfmittel vorgeschrieben. Dort also lag der Hase im Pfeffer: der Kampf der von Klages geführten „Opposition des Lebens“ wider den Geist war der Kampf ungleicher Mächte. Anzunehmen, dass die Klagesianer diesem Kampf ausgewichen sind und sich auf ihr Beziehungsgeflecht zurückzogen. Anzunehmen, dass der von Schröder geschilderte Vorgang symptomatisch war. Dann bleibt anzumerken, dass Les- sing Deussen nicht unbekannt gewesen sein kann. Ein Zitat wird uns das be- legen: „Eine besondere Stellung nimmt Theodor Lessing ein. Seine Veröffent- lichungen erstrecken sich von der Aufwertung der Tausendmarkscheine bis zu dichterischen Erzeugnissen (Dämonen, Berlin 1928) einerseits und marxist- ischen Agitationsschriften (Hindenburg, mit Vorwort von M. Harden und Nach- wort von H. Eulenberg, Berlin 1925) andererseits. Jedoch enthalten durch eine frühe Freundschaft mit Klages seine Bücher: Europa und Asien, Untergang der Erde am Geist, Berlin 1918 (erste Fassung), Geschichte als Sinngebung des Sinnlosen, München 1919, Die verfluchte Kultur, Gedanken über den Gegen- satz von Leben und Geist, München 1921, Nietzsche, Berlin 1925, Prinzipien der Charakterologie, Halle 1926, die Herausgabe von C.G Carus Symbolik der menschlichen Gestalt, Celle 1925 u.a. wichtige Gedanken“, was die Philosophie von Klages betrifft. Deutlicher konnte Deussen kaum ausführen, worum es uns geht. Der Gerechtigkeit halber will ich ein Zitat von Schröder anfügen, damit auch dem Letzten klar wird, dass die Ereignisse komplizierter liegen als wie man es

24 / 38 bislang wahrhaben möchte: „Es kommt nicht darauf an, ob Lessing mit allem, was er über Judentum und Antisemitismus sagte, recht hat. Es kommt darauf an, dass der tiefer blickende und nach Wahrheit und Klarheit suchende Leser gewahr wird, dass der Komplex Judentum-Antisemitismus vielschichtiger ist, als die Flachköpfe der Agitation begreifen (oder wahrhaben wollen). Dass auf Lessing und seine Gegner die Primitivformel: hie Jude - hie Antisemit! unmöglich anzuwenden ist ...“ Ergo! Haben die „Flachköpfe der Agitation“ es begriffen, dass die Freundschaft Lessing/Klages, früher schon als sie es wussten, eine weithin bekannte Tatsache darstellt? Der uns diesen Satz zur Warnung mitgab, konnte selbst nie einen literarischen Erfolg verbuchen. Heute gehörte er zu den Vergessenen, wenn er nicht die her- kulische Tat auf sich genommen hätte, Klages Biographie zu schreiben. Aber nicht bloss das, er war ein profunder Kenner des Werks und mit Klages persön- lich bekannt. „Frau Althaus legte mir im Auftrage des von Klages testamentarisch eingesetzten Stiftungsrates die Bitte vor, an Martin Nincks Stelle die Autor- schaft zu übernehmen“, schrieb er in einem Brief vom 31.03.1957 an Erwin Ackerknecht, der nach dem Krieg in Ludwigsburg lebte. Schröder und Acker- knecht setzten ihre ganze Kraft darein, Klages Nachlass im Marbacher Archiv unterzubringen. Die Chance für Schröder, sich in der moralisch sich restitu- ierenden Adenauer-Ära mit Klages zu amalgamieren.

25 / 38 6. „… treten wir ein in die Esse der Läuterung.“ Theodor Lessing

Es begab sich zur Zeit, bevor Theodor Lessing geboren wurde, die Gründung des Deutschen Reichs (Januar 1871). Ein Ereignis, welches tief in der Seele der Franzosen und Deutschen Spuren hinterlassen wird. Faktum und Ergebnis eines Kriegs vor dem Ersten Weltkrieg, was es nicht unbedingt hätte geben müssen. Auslöser ist der Streit zwischen Frankreich und Preußen, um die Kandidatur eines Hohenzollernprinzen für den spanischen Thron. Auf diplomatischen Streit hin verzichtete der Vater des Erbprinzen schließlich auf des Sohnes Kandidatur. König Wilhelm von Preußen schickte unterdessen eine Depesche, die er aus Bad Ems von Napoleon III. bekommen hatte, an seinen Reichskanzler, ohne zu ahnen, dass er diesem damit das Werkzeug in die Hand gab, mit den Franzosen zu depravieren: die berühmte Bad Emser Depesche. Den 19. Juli 1870 erklärte Napoleon III., der Neffe Napoleon Bonapartes, den Preussen den Krieg. Obwohl, wie bemerkt ist, er den Krieg nicht wollte, blieb ihm nach Lage der Dinge nichts anderes übrig, wollte er seinen Thron nicht verlieren. Eine Welle der nationalen Begeisterung erfasste die Deutschen. Unter dem Ein- druck der Kriegserklärung solidarisierten sich die deutschen Kleistaaten der Bayern, Sachsen und Württemberger mit den Preussen und zogen gegen den gemeinsamen Feind ins Feld. Diese Demonstration über die Köpfe der Fürsten- häuser hinweg, halte ich nun für das Menetekel. Ich halte die Bismarcksche Po- litik für unglücklich, weil sie das „Ressentiment“ (Eugen Dühring) beförderte, vor allem aber machte sie Schule. In Frankreich die Affäre Dreyfus, in Deutschland der Fall Bleichröder gaben einen ersten Geschmack davon. Die Antisemiten standen bereits unter Waffen, da war vielen noch nicht bewusst, dass der preussische Einigungsprozeß die staatliche Gewalt an sich reissen würde. Schauen wir uns die Dissertation von dem Historiker Stafan Scheil an: „Die Entwicklung des politischen Antisemitismus in Deutschland zwischen 1881 und 1912, eine wahlgeschichtliche Untersuchung“, in der Scheil schreibt: „Es liegt dieser Untersuchung die These zugrunde, dass die Entwicklung des modernen Antisemitismus sich als ein Bestandteil des deutsch-nationalen Bewusstsein be- greifen lässt, das nach der Reichsgründung entstand und spätestens Ende der 1870er Jahre weit genug entwickelt und verbreitet war, um politisch wirksam zu werden.“ Dieser eine Satz genügt, um uns das Ausmaß vor Augen zu führen.

26 / 38 Zu Beginn der antisemitischen Bewegung stand die Forderung nach der Aufhebung der Judenemanzipation. Zwei Häupter der politischen Program- matik jener Zeit sind Wilhelm Marr (Jungdeutscher) in Hamburg und der Pastor Adolf Stöcker in Berlin. Marr und Stöcker kann man zu den Begründern des Antisemitismus im Reich zählen. Marr insofern, als er der Begründer des Be- griffs eines nicht-religiösen Antisemitismus war. Stöcker wiederum als Be- gründer der Christlichsozialen Partei, welche anfänglich noch den Zusatz Arbeiterpartei im Namen trug, in politischer Reaktion in erster Linie auf die verschärften sozialen Gegensätze und gegen den Aufstieg der Sozialdemokratie gedacht. Marr räumte ausdrücklich ein, die Judenfrage vom „nicht-confes- sionellen Standpunkt“ aus zu betrachten und nannte das Religiöse an der Juden- feindschaft schlicht „blödsinning“. Stöcker ging einen Schritt weiter, indem er die Juden als ein Volk im Volke, ein Staat im Staate, einen Stamm unter einer fremden Rasse bezeichnete, dessen Beharrungskraft sich jeder Integration widersetze. Stöcker, der das Gebot sozialer Gleichheit mit dem der christlichen Nächstenliebe verband, konnte damit allerdings den grössten Teil der Anhänger des Marxismus nicht erreichen. Stöcker machte bei seinen Reden jedoch den Gleichklang solcher Wörter wie „christlich-germanisch“ und „deutsch“ populär. Diese Wörter werden in der deutsch-völkischen Bewegung alsbald ihre Rolle spielen. Entscheidend war, dass Stöcker vom deutsch-nationalen Standpunkt aus und im Gegenzug zur Sozialdemokratie eine durchaus judenfeindliche Haltung vertrat. Und zwar unter Berufung auf eine Publizistik judenfeindlichen Inhalts, wie sie nach der Reichsgründung einsetzte und deren bekanntestes Pamphlet eben jene Schrift Marrs: „Der Sieg des Judentums über das Germanentum“ (1877) war. Stefan Scheil nennt diesen Abschnitt seiner Dissertation denn auch „Von der Schwierigkeit, Antisemitismus und Rassismus zu trennen“. Die Judenfrage wurde zu einem politischen Kampfbegriff aufgebauscht. Stöcker war zuvörderst der Mitbegründer dieser Berliner Bewegung, wenn- gleich nicht ihr einziges Oberhaupt. Dafür war diese Bewegung in Berlin selbst und im Reich zu heterogen. Vereinzelte Personen antisemitischer Ausrichtung fanden sich immer wieder bereit einen der Wahlkreise zu belegen, wenn sie zu ihrer Kandidatur die Unterstützung einer Partei fanden. Hierzu brauchte der Kandidat mit den Zielen der Partei nicht übereinzustimmen. Liberal war damals (wie auch heute) ein geflügeltes Wort. Zu Fall kam Stöcker, nachdem er vom Amt des Hofpredigers zurücktreten mus- ste, was seiner weiteren Karriere als Politiker aber keineswegs schadete. Dass seine Partei, die Christlich-Sozialen, aufgesogen wurden, nachdem Stöcker mit den Resten der Partei zu den Deutsch-Konservativen überlief, machte die Sache für die Berliner Antisemiten natürlich nicht einfacher. Den Hohenzollern war allmählich die Lust am Pastor Stöcker vergangen. Verglichen mit den erdrutschartigen Umwälzungen seit dem Attentat auf Bis-

27 / 38 marck, den 13. Juli 1874 in Bad Kissingen und den Attentatswahlen (Attentat auf Kaiser Wilhelm I., den 2. Juni 1878), stellte die antisemitische Berliner Bewegung im Reich nur eine Randerscheinung dar. Die Regierung Bismarck reagierte auf die Attentate von links mit dem Sozialistengesetz. Dessen unge- achtet verloren die Gesetze in den kommenden Jahren ihre polarisierende Wirk- ung. Zum einen galt es die sozialen Gegensätze zu überdenken, also die immer weiter sich vergrössernde Kluft durch die wirtschaftliche Ausbeutung der Ar- beiter einerseits und der gesellschaftspolitischen Lage andererseits, welche die Sozialdemokratie emporhob. Zum anderen führte der Streit über die Schutz- zollpolitik der Regierung zur Abspaltung der Freisinnigen und der Manchester- Liberalen von den National-Liberalen und hatte damit die Verwundbarkeit der Liberalen in der Regierung Bismarck blos gelegt. Für Bismarcks aus der Not geborene Sozialistengesetzgebung, - hier das Heer der wirtschaftlich Ausgebeuteten, das sozial-politische Menetekel und dort das Militär, welches die Reichseinigung herbeigeführt hatte, sozusagen das Krebs- geschwür im Reich, welches nach Blut und Finanzen hungerte, - konnte neben den Koalitionsparteien auch noch das katholische Zentrum hinzu gewonnen werden. Die Sozialdemokraten als auch die Abspalter aus dem Liberalem Verein und Deutscher Fortschrittspartei, verweigerten sich der patriarchalen Politik, wenn- gleich auch aus gegensätzlichen Motiven, bot doch den Liberalen Bismarcks Festhalten am Staats-Sozialismus keine Lösung für ihre Ziele. Das Ergebnis der Wahlen von 1884 war denn auch an den starken Verlusten der Liberalen abseh- enbar. Bismarcks politischer Gegner, die Sozialdemokraten, sowie seine Unter- stützer, die Konservativen, konnten erhebliche Zugewinne einfahren. Die Tren- nung der Spreu vom Weizen und damit die endgültige Aufsplitterung der Li- beralen besorgte Bismarck, indem von Regierungsseite das Thema der anste- henden Wahl diktiert wurde. Anlass der Reichstagsauflösung vom 13. Januar 1887 war die Weigerung des Reichstags, den von der Regierung vorgelegten Heeresumfang auf sieben Jahre bis zum 31. März 1894 zu bewilligen. Obwohl abzusehen war, dass der Reichs- tag nicht zustimmen würde, da das Zentrum und die Freisinnigen sich gegen eine Festlegung des Heeres-Etats über die Legislaturperiode hinaus ausge- sprochen hatten, brachte die die Vorlage ein. Sie nutzte indes die Debatte zu einer generellen Absage an die Liberalen, die auf eine parlamentarische Kon- trolle des Militärs hinausgingen. Damit war die Frontlinie zwischen den ablehnenden Parteien und den Parteien der Zustimmung zur Heeres-Auflage markiert. Ein politisches Diktat, das ohne Not vom Zaun gebrochen wurde und für das Bismarcks Regierung haupt- sächlich die Verantwortung trug. Den Reichsfeinden des Zentrums, obschon das Zentrum zuvor für Bismarcks Sozialgesetzgebung gestimmt hatte, der Frei- sinnigen Liberalen (Linksliberale) und den Sozialdemokraten, opponierte das

28 / 38 Kartell aus altkonservativen preussischen Parteien und den National-Liberalen. In jener Auffächerung schlugen sich die Antisemiten auf die Seite der Bis- marck-Koalition. Dies galt sowohl für die den konservativen Parteien nahe stehenden Antisemiten aus der Berliner Bewegung als auch für die anti- semitischen Reformvereine in den Regionen des Reichs: „Otto Böckel (ein Ra- dau-Antisemit, der Verfass.), der nach seiner Wahl der erste Abgeordnete wurde, der sich als Antisemit ins Reichstagshandbuch eintragen ließ, gab sich sonst gern lautstark antikonservativ. Dennoch wies er sich ausdrücklich als Septenatsanhänger aus ...“, also pro der Politik der Regierung, womit die Frontlinie der Antisemitenvereine, die sich pofilieren wollten, abgesteckt war. Fast man noch August Bebels Schrift „Sozialdemokratie und Anti- semitismus“ von 1906 ins Auge, in welcher der parteipolitisch gebundene Anti- semitismus als Ausdruck niedergehender Klassenstrukturen in der bürgerlichen Gesellschaft aufgefasst und die antisemitischen Wähler nicht zuletzt als sozial- demokratisches Potential eingestuft wurden, dann kann man die Rivalität der Gruppen-Egoismen erahnen. „Wir kommen bei diesen Schichten erst an die Reihe, wenn der Antisemitismus sich bei ihnen abgewirtschaftet hat, wenn sie durch die Erfahrung, durch das Verhalten ihrer antisemitischen Vertreter im Reichstage und anderwärts erkennen, dass sie getäuscht wurden“, sagte Bebel anlässlich eines Parteitags 1893 zu Köln. Bebels Sichtweise konnte in den 1880er Jahren noch dadurch verstärkt werden, weil einige der prominentesten Antisemiten, wie etwa Otto Böckel und Her- mann Ahlwardt, eine ausgesprochen revolutionäre Demagogie an den Tag leg- ten. Sie agitierten ausdrücklich gegen „Junker und Juden“, und damit gegen das alte preussische Herrenhaus. Mit der Annahme, es sei der soziale Hintergrund, der die antisemitische Be- wegung anfache, gingen die Sozialdemokraten auf das Schlagwort von der Judenfrage ein. Eine Analyse der sozialen Herkunft antisemitischen Wähler- verhaltens, bemerkte Stefan Scheil, decke jedoch nur bedingt die Ansicht der Sozialdemokraten. Dem Verhalten der Antisemiten zur Sozialdemokratie, wie wir es von Stöckers Christlich-Sozialer Partei kennen, folgte schlussendlich die Verächtlichmachung des politischen Liberalismus, des eigentlichen Trägers des nationalen Gedan- kens als reichsfeindlich und undeutsch. Innerhalb des Parteienspektrums galten die Linksliberalen dann als diejenigen, die am ehesten noch für eine politische Vertretung der Juden in Frage kamen. „Die Ansicht war unter den Zeitgenossen als auch unter den Antisemiten weit verbreitet und resultierte vorwiegend aus einer simplen, wie zutreffenden Beurteilung der Interessenlage des deutschen Judentums,“ schrieb Scheil. Der Ablösung des konservativ-liberalen Gegensatzes der bürgerlichen Revo- lution von 1848, folgte die Radikalisierung im sozio-ökonomischen Gefüge durch die Massenpartei der Sozialdemokraten. Auf den obrigkeitlichen Klassen-

29 / 38 und Beamtenstaat wünschte man den Volksstaat. Diese Erfahrung ließ die Sozialdemokraten in ihrem Kampf gegen die Antisemiten umschwenken und grundsätzlichere Erwägungen berücksichtigen. Nach 1900 veränderte sich die Stellungnahme der Sozialdemokraten zum parteigebundenen Antisemitismus, wie die des Alldeutschen Verbandes (ADV, Gründung 1891) und was vordem die Durchgangsideologie absteigender Kleinbürgerschichten auf dem Wege ins Proletariat war, entpuppte sich nunmehr als eine reichsweite Spielart deutsch- nationaler Politik, die bei den Nationalen und Konservativen Unterschlupf fand.

30 / 38 7.) „ … was bleibt von uns Menschen, wenn wir nicht lieben dürfen ...?“ Theodor Lessing

Es gibt ein Wort, eine Gegenüberstellung Lessings, die besagt: Revolution oder Krieg, d.h. Fortschritt oder Rückschritt in der Entwicklung der Zivilisation und Kultur. Der Weltkrieg war die große Rahmenbedingung für das Schicksal der rus- sischen Nation im 20. Jahrhundert. Nach der allgemeinen Geschichtsauffassung begann die bolschewistische Revolution 1917 in St. Petersburg. Meiner Mein- ung nach, konnte die russische Revolution, dieses weithin alles überschattende Moment, nur dadurch geschehen, weil im Deutschen Reich zuvor die Revolu- tion der Massen ausgeblieben ist. Darum erscheint mir der Ansatz in Ernst Noltes Werk falsch. Nicht also wegen der roten bolschewistischen Revolution in Russland beginnt im Deutschen Reich eine faschistoide Regierung die Niederwerfung der Sowjetkommunisten zu betreiben, sondern weil das Versagen der marxistischen Kräfte im Reich, konkret in Gestalt der Sozialdemokratie, die als einzige Massenkraft die poli- tische Macht und Basis dazu gehabt hätte, die Kriegsvorbereitungen zu hindern. Die Enttäuschung des Pazifisten über die Sozialdemokratie, die des Kaisers Wunsch gemäß den Kriegskrediten zustimmte, so dass der vor aller Welt sagen konnte: „Ich kenne keine Parteien mehr, ich kenne nur Deutsche“, zieht sich von Ausbruch des Krieges an durch sein gesamtes Schaffen, als wäre er eines kostbaren Stücks Leben beraubt worden. Ich denke, solcherart muss man es ausdrücken, damit man Lessings Schaffen beurteilen lernt. Lessing war kein politischer Anhänger Ferdinand Lassalles. Und er war gewiss auch kein Anhänger von Karl Marx. Er war der Anhänger seiner selbst, und stets für die Schwachen dieser Welt eingenommen. Sicherlich ein Phänomen, welches der exorbitant an Reife und Spannweite seiner humanistischen Bildung als Jude und Deutscher geschuldet blieb. Man darf nicht vergessen, dass, wo wir gewohnt sind politische Dialekterei vorzufinden, Kontrapunktisches vorherrschende Maxime war und blieb. Viel- leicht hätte er die groß-industriellen Produktionsmittel, die große Privat- wirtschaft und das Pressewesen in eine staatliche Ordnung adäquat der sozialen Marktwirtschaft überführt, ich weiss es nicht. Eine solide Marktwirtschaft scheint es nicht zu geben. Er hat sehr ungern auf den Habitus, zum einen Jude und zum andern Deutscher

31 / 38 zu sein, was man stets immer wieder aufs Neue hinzusagen muss, verzichtet. Das er zwei Seelen in der Brust trug, das war eine hervorstechende Eigenschaft. Eine These Günter Rohrmosers besagt, dass Marx eben nicht allein die soziale Frage der Arbeiter hatte lösen wollen, sondern dass er mit Hilfe des entfesselten Kapitalismus einen Reichtum hatte anhäufen wollen, dass die soziale Frage sich nicht mehr stellte. Dies scheint mir eine Lessingsche These. Man rückt Theodor Lessing am besten ins Bild, wenn man ihn von der Lipps- schen Logik (Logik - Ästhetik) her studiert. Lipps war schließlich derjenige, der ihn in schwieriger Lebenslage zu nach Göttingen empfahl. Wichtig genug, dass man Georg Simmel erwähnt, von dem Entscheidendes zur Soziologie initiert worden sein muss, dem ich hier aber nicht nachgehen kann. Nicht umsonst gesteht er in der zumeist unbeachteten Grundlegung zur deut- schen Philosophie der Moderne (1906), die Wende zum Soziologischen hin. Dieser Ankündigung werden die Schriften zur Wertaxiomatik und die Kritik an der Diktion von Geschichte folgen. So gesehen ist Lessings Lebensweg ein Weg, der ihn weit ab von dem führte, den sein Jugendfreund Klages eingeschlagen hatte. Rein aus der auto-biogra- phischen Feder lässt sich dies nicht ohne weiteres exemplifizieren. Ein unstetes Leben führte nicht bloß die Gräfin (zu Reventlow), wie sie von den Schwa- bingern genannt wurde. Noch war der Vater unumschränkter Tyrann, weshalb er, weitab vom Schuss, in Medizin zu studieren begann, um ein Semester darauf sein Studium, das ihm der Vater zur Auflage gemacht hatte, in fortzusetzen. Er fand erst 1894 zu Klages nach München. Dass in der Auto-Biographie gleichsam die Vorausahnung der „deutschen Katastrophe“ (Friedrich Mein- ecke) stecken soll, scheint mir bei einem solchen subjektiven Geist, wie Lessing, gewagt. Das Kaleidoskop des Ringens seiner selbst, einerseits als Jude und andererseits vereinnahmend Klages gegenüber, - darin haben wir ihn gröb- lichst missverstanden -, entstand erst nach der demütigenden Niederlage vor dem Weltgericht. Bei jenem Datum schied Gott die Menschen. Er sah sich ausserstande der Massenpsychose und der nationalen Erhebung hinterdrein zu laufen. Das kann nicht daran gelegen sein, dass er Jude war. Lessing nach zu urteilen, teilt der Jude das Schicksal der Arbeiterklasse. In der Selbst-Entfremdung, dem Staat gegenüber, wird das Schicksal des Arbeiters und das des Juden auf die gleiche Weise besiegelt. Es heisst: der Arbeiter ist in der Gesellschaft angekommen. Es heisst: der Jude ist in die Gesellschaft integriert. Ich sage, der Arbeiter wird das Glied seiner Klasse bleiben, solange er nach der Pfeife des Kapitals tanzt und dem Staat für seine Ausbeutung Steuern entrichtet. Ebenso wird die Bürgergesellschaft aus dem Juden nicht schon deshalb ein voll- wertiges Mitglied machen, weil er Jude ist. In der bürgerlichen Gesellschaft geschieht nichts umsonst. Nicht einmal im Glauben an die Religion, denn dafür

32 / 38 erpresst der Staat Kirchensteuer. Das mag bedauerlich sein, ist aber der Preis der Freiheit, auf welche die bürgerliche Humanität abonniert ist. Auf die Frage nach dem Zionismus in Lessings Werk möchte ich mich nicht einlassen. Ich kann hierzu nichts beitragen. Es lässt sich meinerseits aber sagen, dass er dem Klassenkampf der deutschen Marxisten: Luxemburg, Liebknecht Eisner, einige Überwindung der drängendsten Fragen zutraute, wenngleich er einsehen musste, dass die Gesellschaft ihn, den deutschsprachigen Juden, von der universitären Laufbahn ausschloss. Sie haben unsere besten Leute um- gebracht, sagte er sinngemäss. Es scheint zudem als überfordere das jüdische Element das geistige Aufnahme- volumen der Deutschen. In dem Aufsatz „Die Unlösbarkeit der Judenfrage“, behandelte er die Widersprüche der Juden und auch die Versuche dieser Widersprüche Herr zu werden. Er behandelte die verschiedensten Formen des Juden-Hasses, insbesondere, welcher der Judenhass in Deutschland genommen hatte. Er versuchte durch das Sündenbock-Symbol eine Erklärung zu liefern, obwohl er wusste, dass er nur eine weitere zu all den anderen Erklärungen hinzufügte. Als der alte Adam in der Geschichte des Menschengeschlechts, ist der Jude das lebendige Symbol und Sinnbild jener Widersprüche, - jener ebenso alten wie zukunftsträchtigen Tragödie. Folglich ist es nicht einmal der moderne Mensch, welcher die Judenfrage in die Welt setzte als vielmehr das Schicksal: „Ich bin nicht Philosoph geworden, um erprobte Wissenschaft meinen Zuhörern und Lesern nützlich zu überliefern. Geist an Geist erzeugen ist mein Beruf.“ Nicht weniger missverständlich scheint dieses: „Hinter der als Antisemitismus bezeichneten soziologischen Erscheinung (wodurch eine ganze Volksart als odium generis humani gekennzeichnet wurde) steht also durchaus nicht allein der böse Wille, der nationale Egotismus, oder Neid und Hass des völkischen Wettbewerbs. Es steht ein Gesetz dahinter. Ein Gesetz der Sinngebung des Sinnlosen. Und dieses Geschichtsgesetz steigt aus einer letzten Tiefe.“ Eine logificatio post festum, wie alles, was dem Menschen aus der Notwendigkeit des Gottes der Juden geboren ist. „Die einzige Gefahr, die die Welt bedroht, ist die weisse Rasse (…) Dies sagte Prof. Lessing-Lazarus auf dem Antikolonial-Kongress in Brüssel 1927“, mo- nierte Rosenberg eingangs seiner die Reichsfeinde verleumdenden Schrift „No- vemberköpfe“. Rosenbergs Unverstand des Geistes Lessings auch nur ansichtig zu werden, zeigt uns, dass die Gefahren, welche die Geschichte birgt, nie voll- ständig besiegt sind. Gönnen wir Lessing das letzte Wort:

33 / 38 „Narren seid ihr alle! Das bisschen Wachzeit im Sonnenglanz macht ihr euch wechselseitig zur Hölle. Alles, was geschieht, ist ja in Sternen geschrieben. Alles ist Schicksal. Alles gleich gültig. Gleich gut ...“

34 / 38 8. Die persönliche Implikation.

Theodor Lessing war keineswegs der Aussenseiter, als der er in die deutsche Literatur-Geschichte eingegangen ist. Das war für unsere post-faschistische Ge- sellschaft der bequeme Weg mit der unrühmlichen Vergangenheit fertig zu wer- den. Er war vielmehr das Opfer einer Schizophrenie, die zwischen politischer Mehrheit und sittlicher Verantwortung nicht zu unterscheiden weiss. Wer die solidarische Gemeinschaft will, der muss das Konkurrenz-Prinzip auf- heben. Der muss den „Gewaltstaat“ (Eugen Dühring), jenes Kruzifix des euro- päischen Imperialismus, so weit als möglich dezimieren. Solidar-Gemeinschaft und Konkurrenz-Prinzip sind unverträglich. Der bürgerliche Staat ist der Feind jeglicher solidarischen Gemeinschaft, weil er, statt der Gesamtheit, der politischen Mehrheit die Rechte einräumt, die er der Minderheit und dem Einzelnen verweigert. Dieser schizophrene Status quo spiegelt in der europäischen Geschichte das Elend der Philosophie. Einerseits ist die Religion nicht bloß Privatsache. Andererseits hat keine Religion das exklusive Recht dem Einzelnen ihren Willen aufzuzwingen. Ich wüsste nicht, woher es kommt, dass der Mensch für den Staat gemacht ist. Eines aber weiss ich mit Sicherheit, dass der Staat kein Recht hat seine Bürger wie Untertanen zu behandeln. Das steht ihm nicht zu. Und weil Verfassung und Politik die militärisch-feudale Obrigkeit, die sie über uns verhängten, nicht willens sind sie zu beseitigen, denke ich, wird es Zeit, dass wir uns ein Beispiel an der ehemals und heute wieder verachteten DDR- Bevölkerung nehmen, die allen Grund hatte Freiheit zu fordern. Wie sehr Herder, unser aller Klassiker doch Recht damit hatte, dass die Natur nur Familien und Völker schaffe, aber keine Staaten. Diese verdanken ihren Ur- sprung der Not (jeder kennt das juristische Wort von der Notzucht) und sind dazu da, um ihr abzuhelfen. Der respektvollen Zuwendung Herders zum Staat kann man heute leider nur noch die krassesten Auswüchse bescheinigen.

35 / 38 9.) Literaturnachweise:

1. ) Theodor Lessing - Einmal und nie wieder. Lebenserinnerungen (mit einem Vorwort von Hans Mayer). Bertelsmann Sachbuch Verlag, Gütersloh o.J. (1969), S. 12.

2. ) Heinrich von Treitsche: Ein Wort über unser Judentum. Seperatabdruck aus dem 44. und 45. Bd. der Preussischen Jahrbücher, 3. unveränderte Auflage, Druck und Verlag G. Reimer, Berlin 1880, S. 4. Vorwort: „Da einige Worte über das deutsche Judenthum, welche ich am Schlusse der November-Rundschau der Preußischen Jahrbücher veröffentlichte, eine große Anzahl von Entgegnungen in Zeitungen und Flugschriften hervor- gerufen haben, so sehe ich mich genöthigt, jene Bemerkungen und zwei zur Vertheidigung derselben bestimmte Artikel der Jahrbücher in wörtlichem Wiederabdruck dem großen Publicum vorzulegen. Manchem Leser wird es vielleicht lehrreich und überraschend sein, das was ich wirklich gesagt mit dem, was viele Zeitungen mich sagen ließen, zu vergleichen. Berlin 15. Januar 1880.“

3.) Christa Hagenmeyer - Ludwig Klages. Ein graphologisches Lebensbild, in: ZfS-Zeitschrift für Schriftpsychologie und Schriftvergleichung, 66. Jahrgang, Nr. 4, 2002, Braumüller Universitäts-Verlagsbuchhandlung, Wien, die Sn. 218 - 248.

4.) F. Wiersma-Verschaffelt: Een tragische Vriendschap. Ludwig Klages en Theodor Lessing. Es gibt keine Verlegerangaben, Leiden 1968, mit Bleistift auf dem Vorsatz notiert. Auf demselben Vorsatz findet sich eine Klagessche Bemerkung zu dem, was er unter dem Wort Dioskuren verstanden hat, abgedruckt: „Hier betonen wir, dass der sympathetische Schauer stärker, reiner und tiefer zu walten pflegt zwischen Wesen desselben Geschlechtes als der verschiedenen. Sein ewiges Sinnbild ist nicht die Zweiheit von Mann und Weib, sondern der Dioskuren, und seine höchsten Feste hat schwerlich je die Liebschaft gefeiert, sondern die liebe- durchglühte Freundschaft.“

36 / 38 10.) Literatur:

Elke-Vera Kotowski: Feindliche Dioskuren. Theodor Lessing und Ludwig Klages. Das Scheitern einer Jugendfreundschaft. JVB – Jüdische Verlagsge- sellschaft, Berlin 2000.

David Clay Large: Hitlers München. Aufstieg und Fall der Hauptstadt der Be- wegung. Deutscher Taschenbuch Verlag, München 2001.

Stefan Scheil: Die Entwicklung des politischen Antisemitismus in Deutschland zwischen 1881 und 1912. Eine wahlgeschichtliche Untersuchung. Dunker & Humblot, Berlin 1999.

Friedrich Battenberg: Das Europäische Zeitalter der Juden. Zur Entwicklung einer Minderheit in der nichtjüdischen Umwelt Europas. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1990.

Alfred Schuler: Fragmente und Vorträge aus dem Nachlass, mit Einführung von Ludwig Klages. Johann Ambrosius Barth Verlag, Leipzig 1940.

Theodor Lessing: Einmal und nie wieder. Lebenserinnerungen (mit einem Vor- wort von Hans Mayer). Bertelsmann Sachbuch Verlag, Gütersloh o.J. (1969).

Theodor Lessing: Geschichte als Sinngebung des Sinnlosen. 2. Auflage, Beck- sche Verlagsbuchhandlung, München 1921.

Theodor Lessing: Geschichte als Sinngebung des Sinnlosen; oder die Geburt der Geschichte aus dem Mythos. 4. umgearbeitete Auflage, Verlag Emmanuel Reinicke, Leipzig 1927.

Eugen Dühring: Sache, Leben und Feinde. Als Hauptwerk und Schlüssel zu seinen sämtlichen Schriften. 2. Auflage, Verlag von Theod. Thomas, Leipzig 1902.

Günter Rohrmoser: Welche Art von Sozialismus bedroht unsere Freiheit? See- wald Verlag, Stuttgart-Degerloch 1976.

37 / 38 Franz Mehring: Geschichte der deutschen Sozialdemokratie. 2 Bde., 11 Auf- lage, J.H.W Dietz Nachfolger, Stuttgart, Buchhandlung Vorwärts, Berlin 1921.

Benedict Friedlaender: Der freiheitliche Sozialismus im Gegensatz zum Staats- knechtsthum der Marxisten. Mit besonderer Berücksichtigung der Werke und Schicksale Eugen Dührings. Freie Verlagsanstalt, Berlin 1892.

Eine tiefe Verneigung vor Theodor Lessing und Ludwig Klages, vor beider Gräber ich gestanden bin.

Wer hat und verraten? - Sozialdemokraten! …

pdf.2003-2018

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