Thema: Verschärftes Ausreiserecht SYSTEMWECHSEL AMTSWECHSEL Streit über Abschiebepraxis Bundestag beschließt Dobrindts Frank-Walter Steinmeier als SEITE 1-3 umstrittene Pkw-Maut SEITE 7 Bundespräsident vereidigt SEITE 9

Berlin, 27. März 2017 www.das-parlament.de 67. Jahrgang | Nr. 13 | Preis 1 € | A 5544

KOPF DER WOCHE Einig in der Not Ringen um den Rechtsstaat Seit Wochen hat die britische Premierministe- rin Theresa May alle Hände voll zu tun, den von ihrem Vorgänger wie von einem Zauber- ASYL Die Regierungspläne zur Verschärfung des Ausreiserechts sorgen für Streit im Bundestag lehrling losgetrete- tenen „Brexit“ ins Werk zu setzen. n einem Punkt immerhin schien Dass dieser Austritt Konsens zwischen der Koalition aus der EU für den und zumindest Teilen der Oppositi- Bestand des König- on aufzukommen, als der Bundes- reichs selbst zur Ge- tag vergangene Woche in erster Le- fahr werden könnte, sung über den Regierungsentwurf zeigen bereits Sig- Ieines „Gesetzes zur besseren Durchsetzung nale der Schotten, der Ausreisepflicht“ (18/11546) debattier- ihrerseits die Unab- te: Deutschlands Offenheit „gilt nicht für © picture alliancehängigkeit /Photoshot anzustre- diejenigen, die unsere Offenheit frontal ben. Nach dem Ter- angreifen“, betonte Bundesinnenminister roranschlag vor dem britischen Parlament mit Thomas de Maizière (CDU). „Ja, wir wol- fünf Toten und 40 Verletzten, den der „Islami- len jeden Gefährder loswerden“, sagte der sche Staat“ für sich reklamiert hat, fand May Grünen-Abgeordnete . Bekann- vergangene Woche im Unterhaus den richti- te sich der Minister zu einem „Ja zu guter gen Ton und einte die Briten in der Not. „Un- Integration der Schutzbedürftigen und Ja sere Werte werden sich durchsetzen“, sagte zur Rückkehr der nicht Schutzbedürfti- sie. Und: „Wir haben keine Angst.“ An Mays gen“, versicherte Beck, man sei sich einig, Zeitplan ändert sich derweil nichts: An diesem dass die Bundesrepublik verlassen müsse, Mittwoch will sie den EU-Austritt in Brüssel wer „keinen Grund zum Bleiben hat“. beantragen. ahe T Viel weiter aber reichte die Einigkeit nicht. Dissens bestehe, wo Dinge „an der Verfas- sungsmäßigkeit vorbeischrammen“ oder ZAHL DER WOCHE man über „rein symbolische Rechtspolitik“ rede, formulierte Beck seine Kritik an dem Gesetzentwurf. Redner der Koalition dage- 632 gen verteidigten das Paragraphenwerk ent- schieden, nicht zuletzt unter Verweis auf Menschen sind seit 2005 Opfer islamisti- rechtsstaatliche Notwendigkeiten. Sorge scher Terror-Anschläge in der britischen um den Rechtsstaat machten indes auch Hauptstadt geworden. Bei vier Attacken in Die Linke und die Grünen bei ihrer Ableh- Der Pass eines abgelehnten Asylbewerbers mit dem Stempel „Abgeschoben“, aufgenommen 2015 auf dem Flughafen Leipzig-Halle © picture-alliance/dpa / Sebastian Willnow London kamen 60 ums Leben, 572 wurden nung des Entwurfes geltend. verletzt. Den Plänen zufolge sollen ausreisepflichti- ge „Gefährder“ künftig leichter in Abschie- Der SPD-Parlamentarier Lars Castellucci zen. „Wenn wir es hinnehmen, dass gelten- Tore dazu geöffnet, „um mehr abgelehnte behaft genommen werden können. Ferner unterstrich, dass der Rechtsstaat nicht funk- des Recht breitflächig nicht vollzogen wird, Asylbewerber als bislang ihrer Freiheit zu EDITORIAL sind unter anderem Neuregelungen zur tioniere, wenn Menschen, die nicht in dann werden wir das Vertrauen der Men- berauben und sie länger in Abschiebehaft Identitätsfeststellung bei Flüchtlingen und Deutschland bleiben dürften, trotzdem schen in den Rechtsstaat untergraben“, zu nehmen“, monierte die Linken-Abge- ZITAT DER WOCHE zur sogenannten Residenzpflicht vorgese- hier bleiben. Sorge man hier nicht für klare warnte Harbarth. Wer ein Bleiberecht habe, ordnete. Als Gründe würden „rechtlich un- Emotionen hen (siehe Beitrag unten). Verhältnisse, werde der Rechtsstaat in Ge- dürfe „auf Zeit bleiben“, wer kein Bleibe- bestimmte Begriffe wie ,Gefährder‘ be- fahr gebracht. Deswegen müsse man „Aus- recht habe, müsse zeitnah in seine Heimat müht“. Der Gesetzentwurf vermische in »Wir versi- Mehr Ausreisen De Maizière verwies da- reisen durchsetzen, wenn zurückkehren. Damit unzulässiger Weise straf- sowie polizei- im Spagat rauf, dass mit der Gesetzesvorlage auch die Pflicht dazu besteht“. schaffe man „kein feindse- und ordnungsrechtliche mit aufenthalts- chern unsere Konsequenzen für das Aufenthaltsrecht aus Wer dies nicht wolle, könne liges Klima gegen Migran- rechtlichen Aspekten. Auch folgten die vor- VON JÖRG BIALLAS dem Terroranschlag auf dem Berliner Breit- „auch gleich das Asylrecht »Zum Kampf ten“, sondern die Voraus- gesehenen Regelungen „einem Generalver- uneinge- scheidplatz vom 19. Dezember vergange- mit abschaffen“, unterstrich um das setzung dafür, „dass die dacht gegenüber Geflüchteten“. Dies halte Wer in seiner Heimat politisch verfolgt wird nen Jahres gezogen würden. Er mahnte zu- der Sozialdemokrat. Er gesellschaftliche Akzep- sie „für nicht rechtsstaatlich und für wür- oder nachvollziehbar vor Krieg und Elend schränkte gleich, dass aufenthaltsrechtliche Regelun- kämpfe für das Asylrecht, Asylrecht tanz für diejenigen erhal- delos“. flüchten muss, genießt in Deutschland Gast- gen sinnlos seien, wenn sie am Ende keine „und deswegen gehören Ab- gehören ten bleibt, die tatsächlich und Schutzrecht. Daran will niemand rütteln, Solidarität.« Folgen hätten. Zwar steige die Zahl der Ab- schiebungen dazu“. Schutz benötigen“. Bei »Keine Präventivhaft« Beck hob hervor, dem dieser Rechtsstaat am Herzen liegt. schiebungen und freiwilligen Ausreisen. So Ähnlich argumentierte für Abschie- den Rückführungen gehe dass Abschiebehaft nur zulässig sei, wenn Umgekehrt heißt das aber auch: Wer aus an- Bundestagspräsident Lammert (CDU) bekundet hätten 2016 rund 55.000 abgelehnte Asyl- die Union der CDU-Abge- bungen.« es um ein „ganz klares Sig- sie unmittelbar der Durchführung einer deren Gründen hierherkommt, und mögen die- den Briten die Anteilnahme des Parlaments. bewerber Deutschland freiwillig verlassen, ordnete Stephan Harbarth nal zur Begrenzung von Abschiebung dient. „Es ist eben keine se menschlich noch so nachvollziehbar sein, während mehr als 25.000 abgeschoben (CDU). Er wertete die Vorla- Lars Castellucci (SPD) Zuwanderung“. Strafhaft, und es gibt auch keine Präventiv- kann dieses Recht nicht selbstverständlich in worden seien. „Das ist gut“, betonte der ge als wichtigen Entwurf zur Für Die Linke kritisierte haft im deutschen Recht“, unterstrich der Anspruch nehmen. Das klingt banal, muss aber Ressortchef und fügte hinzu: „Wir wollen Verbesserung der inneren Si- Petra Pau, der Gesetzent- Grünen-Parlamentarier. Auch sei schwer zu angesichts der mitunter schief geführten öf- IN DIESER WOCHE diese Entwicklung aber noch besser ma- cherheit und des Schutzes vor islamisti- wurf bediene eine allgemeine Abschiebe- definieren, wer ein Gefährder sei, „und am fentlichen Debatte betont werden. chen.“ Dabei fuße der Gesetzentwurf auf schen Anschlägen sowie der „Ausreisepra- stimmung und befördere damit eine feind- Ende ist es eine Prognose in die Zukunft“. Die Entscheidung, ob ein Flüchtling anerkannt INNENPOLITIK drei Säulen, sagte der Minister: „Erstens xis bei denen, die in Deutschland keinen liche Stimmung gegenüber den Schutzsu- Deshalb sei man „in den rechtlichen Ein- oder abgelehnt wird, ist keine leichte. Und nie- Fahrverbot Führerscheinentzug für Identität besser feststellen. Zweitens Ab- Schutzstatus haben“. Allein mit der Pflicht chenden. Die aktuelle Herausforderung wirkungsmöglichkeiten beschränkt, solan- mand macht sie sich leicht. Die Aufnahme-Be- Kriminelle soll abschrecken Seite 5 schiebungen effektiver durchsetzen. Und zur freiwilligen Ausreise werde man nicht laute aber „Schutzgewährung und Integra- ge diese Leute keine konkreten Straftaten hörden nicht, die jedes einzelne Schicksal akri- drittens gefährliche Ausreisepflichtige bes- weiterkommen. Vielmehr müsse man die tion“ und nicht „Ausgrenzung und Ab- begangen haben, sondern wir nur ihnen bisch unter die Lupe nehmen. Die Gerichte WIRTSCHAFT ser überwachen.“ Ausreisepflicht auch mit Zwang durchset- schiebung“. Auch würden mit der Vorlage das zutrauen“. Helmut Stoltenberg T nicht, die genau wissen, dass ihr Urteil über Neustart Bundestag legt Grundstein für Leben und Tod entscheiden kann. Die Politik die Suche nach Atom-Endlager Seite 8 nicht, die immer wieder kontrovers über die Asyl- und Abschiebepraxis diskutiert. Denn es EUROPA UND DIE WELT gilt, die rechtlichen Rahmenbedingungen stets Menschenrechte Experten wollen mehr neu zu justieren. Ein Herkunftsland, das heute Klarheit im Regierungsbericht Seite 10 Mit Fußfesseln und Abschiebehaft noch als sicher gilt, kann morgen unsicher sein GESETZENTWURF Wie die Bundesregierung für eine bessere Durchsetzung der Ausreisepflicht sorgen will – und umgekehrt. KULTUR UND MEDIEN Ein wesentlicher Aspekt ist aber auch die Si- Stasiunterlagen Behördenchef Roland nde Januar haben nach offiziellen Feststellung der Identität und Staatsange- cherheit im Inland. Natürlich bedarf es eines Jahn sorgt sich um die Archive Seite 11 Angaben mehr als 210.000 „voll- hörigkeit von Asylsuchenden ohne gültige Schutzes vor Menschen, die absehbar oder ziehbar ausreisepflichtige Auslän- Ausweispapiere unter bestimmten Voraus- auch nur möglicherweise als Handlanger inter- der“ in Deutschland gelebt, eine setzungen die Herausgabe von Mobiltele- nationaler Terrornetzwerke auftreten könnten. MIT DER BEILAGE EZahl, die nach Einschätzung der Bundesre- fonen und anderen Datenträgern verlan- Und selbstredend ist es nicht hinnehmbar, gierung weiter steigen wird. Auch wenn sie gen und diese auswerten können. wenn Tausende ihre wahre Identität und Her- darauf verweist, dass der freiwilligen Rück- kunft verschleiern, weil die Verhältnisse in der kehr Ausreisepflichtiger „hohe Priorität“ Längere Verpflichtung Die Länder sollen Heimat eben keine Aufnahme in Deutschland eingeräumt wird und der Bund 2017 zu- für Asylsuchende ohne Bleibeperspektive gewährleisten. sätzlich 40 Millionen Euro für Rückkehr- die Verpflichtung verlängern können, in In solchen Fällen hat eine Nation die Pflicht programme und 50 Millionen Euro für Erstaufnahmeeinrichtungen zu wohnen. sich abzusichern. Wenn die Konsequenzen Reintegrationsprogramme einsetzt, will sie Zu den sonstigen in dem Entwurf geplan- dann am Ende des Rechtsweges Überwa- auch mit gesetzgeberischen Maßnahmen ten Maßnahmen gehört unter anderem, chung, Haft oder Abschiebung sind, muss das für eine „bessere Durchsetzung der Ausrei- dass auch von Deutschen mit einer weite- auch erfolgen und darf nicht, wie schon so oft sepflicht“ sorgen. Über einen entsprechen- ren Staatsangehörigkeit ausländische Reise- geschehen, an allerlei Unpässlichkeiten schei- den Gesetzentwurf (18/11546) debattierte papiere einbehalten werden dürfen, wenn tern. Andernfalls gibt der Staat jenen am rech- der Bundestag vergangene Woche in erster Gründe zur Passentziehung vorliegen. Da- ten Rand, die mit einfältigen Phrasen Feind- Lesung (siehe Beitrag oben). Die wichtigs- mit sollen Ausreisen aus Deutschland mit schaft gegenüber Ausländern zu schüren su- ten Vorhaben im Einzelnen: dem Ziel, sich an „irregulären Kampfhand- chen, unfreiwillig Hilfestellung. geschoben werden können. Ferner soll Ab- der Rückführung, soll ihr Aufenthalt auf lungen“ im Ausland zu beteiligen, verhin- Bei der öffentlichen Debatte darüber, wer blei- Das Parlament Gefährder Ausreisepflichtige Ausländer schiebehaft gegen solche Ausländer auch den Bezirk einer einzelnen Ausländerbe- dert werden. sto T ben darf und wer gehen muss, spielen zuneh- Frankfurter Societäts-Druckerei GmbH sollen besser überwacht sowie leichter in dann verhängt werden können, wenn die hörde beschränkt werden. Zudem soll ih- mend Emotionen eine Rolle. Im Spagat zwi- 60268 Frankfurt am Main Abschiebehaft genommen werden können, Abschiebung nicht innerhalb der nächsten nen der Widerruf einer Duldung auch schen pauschalem Bleiberecht auf der einen wenn von ihnen „eine erhebliche Gefahr drei Monate möglich sein wird. dann nicht mehr angekündigt werden und blinder Terrorangst auf der anderen Seite 11313 für Leib und Leben“ oder die innere Si- müssen, wenn sie bereits ein Jahr lang ge- gerät die Vernunft in die Zerreißprobe. cherheit ausgeht. So sollen sie zum Tragen Täuschung Täuschen Ausländer über ihre duldet in Deutschland gelebt haben. Darü- Umso mehr ist die Politik gefragt, klare Rah- Weiterführende Links zu den einer elektronischen Fußfessel verpflichtet Identität beziehungsweise Staatsangehörig- ber hinaus soll künftig auch das Bundes- Themen dieser Seite finden menbedingungen für die Rechtsprechung zu 4 194560 401004 werden können, wenn sie nicht sofort ab- keit oder verweigern ihre Mitwirkung bei amt für Migration und Flüchtlinge zur Sie in unserem E-Paper schaffen. 2 MENSCHEN UND MEINUNGEN Das Parlament - Nr. 13 - 27. März 2017

Herr Tempel, seit 2015 hat die Koali- stimmten Programmatik. Ich komme aus GASTKOMMENTARE tion mehrfach das Abschiebungsrecht ver- Thüringen, wo ein Linker zum Minister- schärft. Jetzt liegt ihr nächster Gesetzent- präsidenten gewählt worden ist. Von des- ABSCHIEBEHAFT FÜR GEFÄHRDER ERLEICHTERN? wurf vor. Hat sie jetzt geplante Maßnah- sen Wählern würde niemand verstehen, men vorher übersehen? wenn der plötzlich Abschiebungen nach Nein, sie glaubt, ständig auf eine Stim- Afghanistan gutheißt. Unsere Wähler ha- mungslage in der Bevölkerung reagieren zu »Auch für ben bestimmte Erwartungen an uns, und müssen, die sie selbst damit weiter anfacht. wer einen Linken als Ministerpräsidenten Mehr Sicherheit Wenn es ein Gesetz nach dem anderen zu wählt, weiß, welche Schwerpunkte damit beschleunigten Abschiebemöglichkeiten in der Flüchtlingspolitik gesetzt werden. ürzlich landete die Meldung ganz oben in gibt, entsteht in der Öffentlichkeit natür- PRO den Zeitungen und Nachrichten, dass ein lich das Bild, dass die meisten Flüchtlinge Seitens der Länder sind erhöhte Mit- Gefährder abgeschoben wurde. Skurril. Ei- kein Recht haben, hier zu sein. Die Fakten tel für die freiwillige Rückkehr Ausreise- K ne solche Maßnahme ist in Deutschland sagen das Gegenteil: Wir haben die höchs- uns ein pflichtiger vorgesehen, auch der Bund offenbar keine Selbstverständlichkeit, sondern ein te Anerkennungsquote von Flüchtlingen will dafür zusätzlich Geld ausgeben. Ist behördlicher Erfolg, der vermeldet werden muss. seit langem, wenn nicht überhaupt die das ein erfolgversprechender Weg? Wenn man weiß, dass sich laut Bundeskriminal- höchste – mehr als 60 Prozent. Und ob- Zum Teil. Wenn man Menschen in wirt- amt mehr als 200 dieser Personen hierzulande wohl die Zahl der Flüchtlinge insgesamt schaftlichen Notlagen sagt, ihnen in ihrem aufhalten und gut 60 davon definitiv ausreise- deutlich gestiegen ist, hat die der Ausreise- Land eine Perspektive zu eröffnen, kann pflichtig sind, wirkt die eine Abschiebung wie der pflichtigen nur marginal zugenommen. man diesen Weg gehen – wenn die Men- berühmte Tropfen auf den heißen Stein. Wohlge- Ein Handlungsbedarf für immer leichtere Gewinn« schen das wollen. Wird aber jungen Afgha- merkt: Es handelt sich bei diesen Menschen nicht Abschiebungen ist gar nicht da. nen gesagt, dass sie hier sowieso abgescho- um jene, die humanitäre Hilfe oder politisches Asyl ben würden, aber noch etwas Handgeld benötigen und für die dieses Land Zufluchtsort Ende Januar gab es mehr als 210.000 FRANK TEMPEL Der Linken- bekommen, wenn sie vorher freiwillig aus- bleiben muss. Sondern um Personen, von denen Ausreisepflichtige bei gut 25.000 Abschie- reisen, dann werden sie mit Druck und eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben, für die bungen in 2016. Muss da die Ausreise- Fraktionsvize wirbt dafür, auch Versprechungen zu dieser Ausreise prak- innere Sicherheit ausgeht. Deshalb ist es richtig, pflicht nicht besser durchgesetzt werden? tisch genötigt – in ein Land, das von der wenn die Regierung sie strenger überwachen und Man muss sehen, warum das so ist. Es ist über Chancen der Zuwanderung UN als eines der gefährlichsten Länder der

© Krohnfoto ihre Abschiebung erleichtern will. Dazu muss ge- ein Problem, erkrankte Menschen in Län- Welt deklariert wurde, mit hohen Opfer- Hagen Strauss, hören, dass eine Inhaftnahme nicht mehr daran der mit sehr schlechter medizinischen Ver- zu sprechen. Bedarf an erleichterten zahlen bei den Zivilisten. »Saarbrücker Zeitung« scheitern darf, dass eine Abschiebung innerhalb sorgung zurückzuschicken. Auch macht von drei Monaten fraglich ist, weil sich das Hei- uns die UN-Kinderrechtscharta bestimmte Abschiebungen sieht er nicht Sind Hilfen, freiwillig auszureisen, matland querstellt. Vorgaben. Und es ist Bestandteil des Völ- nicht ein Anreiz, hierher zu kommen? Das war bei Anis Amri so, der dann im Dezember kerrechts, dass die Identität von Flüchtlin- Nicht, wenn wir parallel dazu Fluchtursa- auf dem Berliner Weihnachtsmarkt mit einem Lkw gen geklärt werden muss. Dabei ist es nicht chen bekämpfen. Das kann etwa die wirt- zwölf Menschen tötete. Nachdrücklicher als mit immer kriminelle Energie, wenn Flüchtlin- schaftliche Not und Diskriminierung von diesem Fall lässt sich nicht untermauern, dass die- ge ihre Identität verschleiern, sondern sehr Roma in verschiedensten Staaten sein. Nie- se Sicherheitslücke geschlossen werden muss. Bei häufig Angst vor einer Abschiebung. Das mand verlässt ohne Not seine Heimat, um jenen, die das Asylsystem für Terror-Zwecke aus- ist auch eine Art Notanker, zu sagen: So- irgendwo Sozialhilfe zu bekommen. Wer nutzen wollen, muss der Staat konsequenter rea- lange ich meine Identität nicht offenbare, eine Perspektive im eigenen Land hat, wird gieren. Das ist auch mit Blick auf die Stimmung in kann ich nicht abgeschoben werden. Inso- die in erster Linie auch wählen. Also: Nicht der Bevölkerung und ihre Hilfsbereitschaft nötig. fern muss man sich Gedanken machen erst den Menschen helfen, wenn sie hier- Die Rechtsprechung im Asylbereich bleibt überaus über Möglichkeiten für Menschen, die hergekommen sind. kompliziert, daran ändert auch eine erleichterte nach dem Asylrecht keine Perspektive ha- Abschiebehaft nichts. Aber: Diese Maßnahme ben, aber sich doch eine neue Existenz auf- Ist nicht auch Deutschland, wenn wir bringt mehr Sicherheit. Etwas zumindest. Und da- bauen wollen. Ich wäre etwa offen für ein an 2015 denken, irgendwann bei der Auf- rauf kommt es an. Einwanderungsgesetz. nahme von Flüchtlingen überfordert? Wir benutzen den Begriff der Überforde- Zur Klärung der Identität soll das rung verfrüht. Der öffentliche Dienst war Bundesamt für Flüchtlinge und Migrati- überfordert, nicht unser Land. Der öffentli- Gestörte Balance on Handys von Asylsuchenden auslesen. che Dienst war auf ein Niveau ge- Das finde ich eine schwierige Diskussion. schrumpft, auf dem die Bewältigung dieser ein Politiker, der über den Kampf gegen Es geht ja nicht um Straftäter, und nach Aufgabe stellenweise tatsächlich nicht CONTRA den Terrorismus spricht, wird den folgen- dem Rechtsstaatsprinzip dürfte man bei ei- mehr machbar war. Daraus müssen wir ler- den Hinweis vergessen: Die Balance zwi- nem Flüchtling auch nicht mehr machen nen, ihn so aufzustellen, dass er sich fle- K schen Sicherheit und Freiheit sei immer zu als bei einem normalen deutschen Bürger. xibler auf solche Belastungssituationen wahren. Doch wenn es ans Gesetzemachen geht, Bei mir kann auch niemand einfach alle einstellen kann. Was die reinen Zahlen an- ist dieses Bekenntnis oft nur noch wenig wert. meine Daten auslesen. Insofern ist es eine geht: eine Million Flüchtlinge in einem Auf den ersten Blick mag es einleuchtend klingen, Ungleichbehandlung, die rechtsstaatlich Land, das mit erheblichem Bevölkerungs- wenn „Gefährder“ leichter und länger in Abschie- nicht zulässig wäre. Man darf einen Flücht- schwund zu rechnen hat – jedes Unterneh- behaft genommen werden können. Aber das Pro- ling nicht mit denselben Maßnahmen be- men, das ich besuche, sagt mir, dass es blem fängt schon beim Wort „Gefährder“ an: Es handeln wie einen Kriminellen. Menschen brauche, die sich ansiedeln. Wir steht für Menschen, bei denen die Behörden vergessen über den ganzen Problemen, nichts als die Vermutung haben, dass sie eventuell Laut Regierungsentwurf können aus- auch über die Chancen der Zuwanderung eine schwere Straftat begehen wollen – wofür al- reisepflichtige Gefährder auch in Ab- zu reden. Auch für Deutschland könnte sie lerdings nicht einmal genügend Beweise vorlie- schiebehaft kommen, wenn es bis zur Ab- ein erheblicher Gewinn sein. gen, um ein reguläres Strafverfahren in Gang zu schiebung länger als drei Monate dauert. setzen. Es handelt sich, rechtlich und damit rechts- Da werden Sicherheits- und Asylpolitik Gibt es noch die Willkommenskultur? staatlich betrachtet, um Unschuldige. vermischt, indem wir bei Gefährdern so- Die hat es nie in der gesamten Gesellschaft Selbst wer keine rechtsstaatlichen Bedenken hät- fort über Abschiebehaft reden. Dabei kön- gegeben – siehe Thügida, siehe Pegida.

© Alex Kempf te, könnte darauf hinweisen, dass der Erfolg sol- nen fast zwei Drittel gar nicht in Abschie- Aber in breiten Teilen der Gesellschaft ist Stephan Hebel, cher Verschärfungen höchst fraglich ist. Die Kriti- behaft genommen werden, weil sie deut- sie tatsächlich vorhanden. Grundsätzlich freier Journalist ker sagen zu recht: Würden bestehende Gesetze sche Staatsbürger sind. Wir vergessen darü- hat die Hilfsbereitschaft nicht nachgelas- ordentlich angewendet, könnte die Politik sich ihre ber, über die tatsächliche Aufgabenstellung sen, und auch Ängste gehen zurück. Wenn Beruhigungspillen für die Bevölkerung sparen – zu reden, nämlich über eine Modernisie- wir nun aus früheren Fehlern bei der Inte- siehe das Versagen im Fall Anis Amri. rung des Gefahrenabwehrrechts. Dabei gration lernen, wird auch der Gewinn für Vor allem aber ist zu fragen: Was ist der Preis da- würden Nationalität und Herkunft des Ge- © linksfraktion.de die Gesellschaft sichtbar. Dann wird auch für, dass wir durch immer lückenlosere Überwa- fährders gar keine Rolle spielen. Wir brau- die Willkommenskultur erhalten bleiben. chungs- und Zwangsmaßnahmen vielleicht tat- chen Regularien, die für alle Gefährder gel- sächlich mal einen potenziellen Terroristen aus ten. Aber man führt eine Ersatzdiskussion, tatbestand der Vorbereitung einer schweren nicht hilft. Man wüsste dann zwar, wo er Das Gespräch führte Helmut Stoltenberg. T dem Verkehr ziehen können? Totale Sicherheit gibt um wieder ins Asylrecht einzugreifen. Straftat zu erfüllen, muss man sehen, ob ist, aber nicht, was er vorbereitet. Und es nur in totalitären Systemen. Wer Rechtsstaat das Gefahrenabwehrrecht reicht – auch wenn er abtauchen will, lässt sich die Fuß- Frank Tempel (48), seit 2009 für und Freiheit will, kann nicht ganze Personengrup- Der Attentäter vom Berliner Weih- wenn das eine schwierige Debatte ist. fessel abmachen, und er ist weg. Wir wis- Die Linke im Bundestag, ist pen wie etwa Zuwanderer pauschal zu Verdächti- nachtsmarkt kam nicht in Abschiebehaft, sen ja aus dem Bereich des Rechtsextremis- Fraktionsvize und stellvertretender gen machen. Und niemand hat die Garantie, dass weil er nicht binnen drei Monate hätte Eine Regelung zur elektronischen mus, wie viele nicht vollstreckbare Haftbe- Vorsitzender des Innenausschusses. Zwangs- und Überwachungsmaßnahmen immer abgeschoben werden können. Wird da Fußfessel speziell für ausreisepflichtige fehle wir haben. Für die Gefahrenabwehr nur „die anderen“ treffen. Wer den Rechtsstaat nicht eine Sicherheitslücke geschlossen? Gefährder lehnen Sie dann auch ab? ist die Fußfessel also absolut ungeeignet. verteidigt, schützt am Ende auch sich selbst. Das sehe ich nicht. Das Asylrecht ist nicht Eine Fußfessel wäre im Allgemeinen ein zur Gefahrenabwehr da. Wenn jemand wie zwar erheblicher, aber geringerer Eingriff Abschiebungen sind Ländersache. De- Anis Amri selbst mehrfach sagt, sich Waf- als eine Haft – egal nach welcher Rechts- nen wird oft vorgehalten, zu lax zu sein. Weiterführende Links zu den Mehr zum Thema der Woche auf den Seiten 1 bis 3. fen zu besorgen und Anschläge verüben zu grundlage. Das Problem ist, dass uns eine Das ist Demokratie. Die Länder haben ge- Kontakt: [email protected] Themen dieser Seite finden wollen, und das nicht reicht, um den Straf- Fußfessel bei sogenannten Gefährdern wählte Landesregierungen mit einer be- Sie in unserem E-Paper

PARLAMENTARISCHES PROFIL

Herausgeber Deutscher Bundestag Fotos Abonnement Der Polizist: Armin Schuster Platz der Republik 1, 11011 Berlin Stephan Roters Jahresabonnement 25,80 €; für Schüler, Studenten und Auszubildende (Nachweis erforderlich) 13,80 € (im Ausland zuzüglich Versandkosten) Alle Preise inkl. 7% MwSt. ichts Neues für seine Partei sei es, was da im Ent- Wie sind die Reaktionen im Wahlkreis auf sein entschiedenes Der Christdemokrat macht keinen Hehl daraus, dass es seiner Mit der ständigen Beilage Redaktionsschluss Kündigung jeweils drei Wochen vor Aus Politik und Zeitgeschichte 24. März 2017 wurf eines Gesetzes zur besseren Durchsetzung der Eintreten für mehr Durchsetzungskraft bei der Ausreisepflicht? Polizistenseele „mehr als sehr“ wehgetan habe, als im Septem- ISSN 0479-611 x Ablauf des Berechnungszeitraums. Ausreisepflicht steht, streicht der CDU-Abgeordnete „Die herzlichsten, aber zugleich konsequentesten Haltungen er- ber 2015 Zigtausende unkontrolliert nach Deutschland einreis- (verantwortlich: Bundeszentrale Ein kostenloses Probeabonnement für politische Bildung) für vier Ausgaben kann bei unserer Armin Schuster heraus. Das Absenken der Hürden fahre ich bei den Flüchtlingshelfern. Und dies spricht mir aus ten: „Das ist nicht meine Vorstellung von Beherrschbarkeit ei- Vertriebsabteilung angefordert Nbei der Abschiebehaft, die Verschärfung der Residenzpflicht, die der Seele.“ Er vertrete eben gerade nicht, Festungen mit Mau- ner Lage.“ Deswegen sei er „der Bundeskanzlerin auch sehr Druck und Layout werden. Frankfurter Societäts-Druckerei GmbH Ausweitung des Ausweisegewahrsams: „Das hätten wir schon ern und Stacheldraht zu bauen. Vielmehr gelte für ihn, dass das dankbar für den Satz, 2015 werde sich nicht wiederholen“. Kurhessenstraße 4–6 Anschrift der Redaktion Namentlich gekennzeichnete Artikel lange gerne umsetzt.“ Doch bisher sei das mit dem Koalitions- „mit Abstand gastfreundlichste und humanitärste Land der Als bisweilen schmerzlich empfindet Schuster den Spagat zwi- 64546 Mörfelden-Walldorf stellen nicht unbedingt die Meinung (außer Beilage) partner SPD nicht zu machen gewesen. Bundesinnenminister Welt auch konsequent sein muss gegenüber denen, die kein schen Wahlkreisarbeit und Bundespolitik. „Viele Abgeordnete Platz der Republik 1, 11011 Berlin der Redaktion dar. Für unverlangte Telefon (030)2 27-30515 Einsendungen wird keine Haftung Thomas de Maizière (CDU) habe nahezu alle angepeilten Maß- sagen, sie hätten den schönsten Wahlkreis. Ich habe ihn wirk- Telefax (030)2 27-36524 übernommen. Nachdruck nur mit nahmen schon vergangenes Jahr im Sommer in einem 15-Punk- lich“, sagt er stolz. Grenzend an Basel, an Freiburg, Höhenlagen Internet: Leserservice/Abonnement Genehmigung der Redaktion...... http://www.das-parlament.de Frankfurter Societäts-Medien GmbH Für Unterrichtszwecke können Kopien te-Katalog aufgelistet. „Der wurde damals von der SPD brüsk des Schwarzwald dabei, Weinanbau im Markgräflerland. Seine E-Mail: c/o InTime Media Services GmbH in Klassenstärke angefertigt werden. zurückgewiesen“, blickt Schuster zurück. „Erst mit dem An- »Das gastfreundlichste Zeit für Wahlkreisbelange wurde indes in dieser Wahlperiode redaktion.das-parlament@ Postfach 1363 bundestag.de 82034 Deisenhofen schlag auf den Weihnachtsmarkt in Berlin wuchs dann die Land der Welt muss auch knapp: Er saß im Untersuchungsausschuss zur Edathy-Affäre, Telefon (089) 8 5853-832 Einsicht beim Koalitionspartner.“ Auch nichts Neues sei es, arbeitet im Untersuchungsausschuss zum Nationalsozialisti- Telefax (089) 8 5853-62832 konsequent sein E-Mail: fs-medien@ dass „die Union sich am stärksten für vorbeugende Sicher- gegenüber denen, die schen Untergrund, ist Mitglied im Innenausschuss und im Gre- Chefredakteur intime-media-services.de heitsgesetzgebung einsetzt“. Deshalb habe es auch schon in kein Recht auf Asyl haben.« mium zur Geheimdienstkontrolle. „Ich kümmere mich wirklich Jörg Biallas (jbi) der Koalition mit der FDP diese Schwierigkeiten gegeben. gerne um meinen Wahlkreis, weil auch sichtbar wird, wenn ich © DBT/Achim Melde 1982 begann der heute 55-Jährige bei der Bundespolizei. Zu- etwas hinbekommen habe“, resümiert er. Doch die „total span- Anzeigenverkauf, letzt landete er als Behördenchef in Weil am Rhein. 2009 ge- nenden Aufgaben“ in Berlin seien ihm „genauso wichtig, weil Verantwortliche Redakteure Anzeigenverwaltung, „Das Parlament“ wann er den Wahlkreis Lörrach-Müllheim; im Herbst will ihn Recht auf Asyl haben“. Andernfalls „geben wir ein Stück unse- es die ganze Republik betrifft“. Es koste „unendlich Energie, Claudia Heine (che) Disposition ist Mitglied der Alexander Heinrich (ahe), stellv. CvD Frankfurter Societäts-Medien GmbH Informationsgesellschaft Schuster, verheiratet und Vater einer erwachsenen Tochter, zum rer Verfassung auf“. Niemals werde man ihn „für die Haltung beides in der Güte zu tun, auf die ich Wert lege“. Claus Peter Kosfeld (pk) c/o InTime Media Services GmbH zur Feststellung dritten Mal erringen. Die Absicherung per Landesliste hat er gewinnen können: Wenn du Asylrecht hast, darfst du bleiben; Zeit zum Joggen, seinem Hobby, bleibt kaum. Wann ist er zum Hans Krump (kru), CvD Postfach 1363 der Verbreitung von Hans-Jürgen Leersch (hle) 82034 Deisenhofen Werbeträgern e. V. (IVW) erst gar nicht in Erwägung gezogen: Sollte er das Direktmandat wenn Du keines hast, auch.“ Angesichts von 900.000 Asylan- letzten Mal gelaufen? „Gerade eben“, erklärt er mittags um Johanna Metz (joh) Telefon (089) 8 5853-832 verlieren, wäre das für ihn wie eine Abwahl. Käme er dennoch trägen in einem Ausnahmejahr und 250.000 Ablehnungen müs- zwei Uhr in seinem Bundestagsbüro: „Ich bin früher Marathon Sören Christian Reimer (scr) Telefax (089) 8 5853-62832 Für die Herstellung der Wochenzeitung Helmut Stoltenberg (sto) E-Mail: fs-medien-anzeigen@ „Das Parlament“ wird ausschließlich über die Liste ins Parlament, müsse er bei jedem öffentlichen se er sich bei aller Willkommenskultur nicht für eine gleichzeitig gelaufen und gewohnt, ständig alles griffbereit zu haben, wenn Alexander Weinlein (aw) intime-media-services.de Recycling-Papier verwendet. Auftritt denken: „Eigentlich wollten die mich ja gar nicht.“ konsequente Abschiebekultur schämen. sich eine zeitliche Lücke ergibt.“ Franz Ludwig Averdunk T Das Parlament - Nr. 13 - 27. März 2017 THEMA DER WOCHE 3

Nach einem Abschiebeflug nach Afghanistan verlassen junge Männer in Polizeibegleitung das Flughafengebäude der Hauptstadt Kabul. Abschiebungen in das Bürgerkriegsland sind in Deutschland besonders umstritten. © picture-alliance/Mohammad Jawad/dpa Der Vollzug ist Ländersache ABSCHIEBUNGEN Bei der »Durchsetzung der Ausreisepflicht« setzen die Bundesländer unterschiedliche Akzente

on der Willkommens- zur herumsprechen, „dass es nichts bringt, sei- schreibt sie in ihrem Gesetzentwurf „zur mal mit grüner Beteiligung Abschiebungen rung in Mainz im vorigen Jahr 2,6 Millio- Thüringen immerhin um 65,3 Prozent. In Abschiedskultur – die ne Papiere wegzuwerfen“. besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht“. auch gerne sabotieren. Der CSU-Innenex- nen Euro kosten ließ. Für 2017 sind rund Berlin stieg im selben Zeitraum allein die Freie und Hansestadt Damit dürfte der Sozialdemokrat ein Län- Er soll innerhalb von anderthalb Jahren perte Stephan Mayer forderte daher finan- drei Millionen veranschlagt. Zahl der Abschiebungen um das Andert- Hamburg hat diesen derchef nach dem Herzen des Bundesin- zum dritten Mal eine Verschärfung im staat- zielle Konsequenzen: „Diese Länder han- Die freiwillige Ausreise gilt als der huma- halbfache, genau gesagt um 151,6 Prozent. Schritt, glaubt man dem nenministers sein. Das gilt nicht für alle. lichen Umgang mit Flüchtlingen herbeifüh- deln nicht nur rechtswidrig und unsolida- ne, effiziente und kostengünstige Königs- Mittlerweile ist auch das Rückführungsma- Sprecher der Innenbehör- Thüringens Ministerpräsident Bodo Rame- ren nach dem „Asylverfahrensbeschleuni- risch gegenüber den gesetzestreuen Län- weg des Rückführungsmanagements. In nagement ein Gegenstand des föderalen de,V seit langem erfolgreich bewältigt: „Wir low (Linke) legte sich lautstark quer, als gungsgesetz“ vom Oktober 2015 und dem dern“, beklagte er etwa im Januar. „Sie Berlin steht sie neuerdings im rot-rot-grü- Wettbewerbs. Nicht nur Hamburg sieht sind natürlich sehr konsequent mit der sich am 9. Februar die Ministerpräsidenten „Asylpaket II“, das im März 2016 in Kraft nehmen auch noch Kosten für Personen in nen Koalitionsvertrag: „An die Stelle einer sich als vorbildlich. In Düsseldorf wird da- Rückführung abgelehnter Asylbewerber.“ mit der Kanzlerin auf einen 15-Punkte- trat (siehe Beitrag unten links). Kauf, die unser Land eigentlich verlassen reinen Abschiebepolitik soll die Förderung rauf hingewiesen, dass NRW seit Jahren die So sei Hamburg das erste Bundesland ge- Plan verständigten, um Abschiebungen Der Bund kann indes vieles beschließen. müssten. Das können wir aus meiner Sicht einer unterstützten Rückkehr treten.“ Im weitaus höchsten Zahlen freiwilliger wie wesen, das im vorigen Herbst ein Abschie- schneller und effizienter zu gestalten. Die Für die Umsetzung bedarf er zwingend der bei der Berechnung der Flüchtlingshilfen vorigen Jahr kamen in der Hauptstadt auf unfreiwilliger Ausreisen aufzuweisen hat: begewahrsam für „vollziehbar Ausreise- Rede war von zusätzlichen Bundesmitteln, Mitwirkung der Länder. In der föderalen des Bundes für die Länder nicht unberück- eine Abschiebung 4,5 freiwillige Ausreisen. „Wir sind das Musterland.“ Rheinland- pflichtige“ am Flughafen Fuhlsbüttel ein- um „Anreize für die freiwillige Ausreise zu Ordnung sind die Zuständigkeiten auch sichtigt lassen“, fügte Mayer hinzu. Auch Insgesamt haben die meisten Länder ihre Pfalz macht geltend, bereits 2005 mit eige- gerichtet habe. setzen“, von „Anwendungs- im Asylverfahrensrecht auf Kanzleramtschef und Flüchtlingskoordina- Anstrengungen erheblich verstärkt. Zwi- nen Mitteln die „Landesinitiative Rück- Einer Hamburger Initiative sei auch zu ver- hinweisen“ des Bundes für mehrere Schultern verteilt. tor Peter Altmaier (CDU) mahnte: „Allein- schen 2015 und 2016 verzeichnete etwa kehr“ gestartet zu haben, während das danken, dass Anfang 2016 im Bundespoli- eine „einheitlichere“ Hand- Das Bundesamt für Migra- gänge von einzelnen Bundesländern bei Niedersachsen einen Zuwachs der Zahl Saarland die dort seit langem bestehende zeipräsidium in Potsdam die „Organisati- habung der gesetzlichen Das tion und Flüchtlinge Abschiebestopps halte ich für falsch.“ freiwilliger wie unfreiwilliger Ausreisen um zentrale Organisation der Rückführung als onseinheit Passersatzpapierbeschaffung“ Duldungsregelungen durch Rückführungs- (Bamf) prüft und ent- 99,8 Prozent, Sachsen um 95,8 Prozent, modellhaft lobt. Winfried Dolderer T eingerichtet wurde, die sich darum küm- die Länder und von einer scheidet über Asylanträge. Gretchenfrage Quelle solchen Unmuts ist mern soll, ausreisepflichtige Ausländer mit möglicherweise „ergänzen- management Um Unterbringung und die aktuelle Gretchenfrage der deutschen Dokumenten auszustatten, um ihre Ab- den Vollzugszuständigkeit“ ist inzwischen Versorgung der Antragstel- Asylpolitik: Wie hältst du’s mit Abschie- > STICHWORT schiebung zu ermöglichen. Das Personal des Bundes „bei der Aufent- ler haben sich derweil die bungen nach Afghanistan? Sie wurde viru- der „Rückführungsabteilung“ in der Ham- haltsbeendigung“. Gegenstand Länder zu kümmern. Das lent, als im vorigen Oktober Bundesinnen- Zahl der Abschiebungen burger Ausländerbehörde wurde von zehn Aus Erfurt ließ dazu Rame- des föderalen Bamf spricht bei einem minister Thomas de Maizière (CDU) ein auf 30 Mitarbeiter verdreifacht und die low verlauten, dass ihm die ablehnenden Bescheid ei- Rücknahmeabkommen mit der Regierung > Gesamtzahl 2016 Im vergangenen Jahr ist es nach Angaben der Bundesregierung zu Zahl der Ausreisepflichtigen in der Hanse- ganze Richtung nicht passte: Wettbewerbs. ne „Ausreiseaufforderung“ in Kabul vereinbarte, woraufhin bislang mehr als 25.000 Abschiebungen aus Deutschland gekommen: 23.886 auf dem Luftweg, stadt im Laufe des Jahres 2016 um mehr „Wir sind nicht bereit, aus. Deren Vollzug obliegt drei Sammeltransporte an den Hindu- 1.376 auf dem Landweg und 113 auf dem Seeweg. als 1.200 verringert. Wahlkampfmanöver der wiederum den Ländern, kusch stattfanden. Nicht nur Pro-Asyl-Akti- Großen Koalition mitzumachen.“ Viele der zumeist den zuständigen Ausländerbehör- visten empörten sich. Mitte Februar ver- > Staatsangehörigkeit Die drei Hauptstaatsangehörigkeiten der Abgeschobenen waren »Eine Kernfrage« Für Hamburgs Regie- beschlossenen Punkte seien nicht umsetz- den in Landkreisen und Kommunen. hängte Schleswig-Holsteins Innenminister vergangenes Jahr albanisch mit 6.035 Menschen vor kosovarisch mit 5.037 und serbisch rungschef Olaf Scholz (SPD) ist es eine bar und nur geeignet, integrationswillige Stefan Studt (SPD) einen gemäß Artikel mit 3.776. Kernfrage politischer Glaubwürdigkeit, Migranten zu entmutigen, hieß es weiter Streit um Abschiebestopps Dabei steht 62a Aufenthaltsgesetz zunächst auf drei dass der Staat in der Lage ist, abgelehnte aus Thüringen. Das Programm spiele der den Landesregierungen nach Artikel 60a Monate befristeten Abschiebestopp für Af- > Vorjahr 2015 lag die Zahl der Abschiebungen bei knapp 20.900: Hauptstaatsangehörigkei- Asylbewerber und andere Ausreisepflichti- AfD in die Karten. Aufenthaltsgesetz ein begrenzter Ermes- ghanen. Wegen der „teils unklaren Sicher- ten waren kosovarisch (5.930), gefolgt von albanisch (3.702) und serbisch (3.618). ge effektiv außer Landes zu bringen. An- Das sieht die Bundesregierung gänzlich an- sensspielraum zu. Sie können „aus völker- heitslage“ sei dies aus „humanitären Grün- dernfalls „werden wir ein großes Problem ders. „Die Akzeptanz der großzügigen Auf- rechtlichen oder humanitären Gründen“ den“ geboten. Ausgenommen sind Schwer- bekommen. Dann entsteht ein Legitimati- nahme von Schutzbedürftigen kann dauer- oder zur Wahrung anderer „politischer In- kriminelle und Gefährder. onsproblem, das man gar nicht überschät- haft nur erhalten bleiben, wenn diejenigen, teressen“ die Abschiebung von Ausländern Schleswig-Holstein ist bisher das einzige zen kann“, warnte er im Januar in einem die nicht schutzbedürftig sind, auch zeitnah „für längstens drei Monate“ aussetzen. Land, das Artikel 62a aktiviert hat, indes: Anzeige Interview. Unter Flüchtlingen müsse es sich in ihre Herkunftsländer zurückkehren“, Nach spätestens sechs Monaten bedarf eine „Andere tun im Ergebnis dasselbe“, heißt weitere Verlängerung eines solchen Ab- es aus Kiel. So beruft sich Rheinland-Pfalz schiebestopps allerdings der Zustimmung auf eine seit vier Jahren geübte Praxis, le- des Bundesinnenministers. diglich Straf- und Gewalttäter nach Afgha- Kampagnen wirken Schrittweise verschärft Wie erfolgreich ein Land die „Durchset- nistan zu schicken. In Nordrhein-Westfa- zung der Ausreisepflicht“ betreibt, bemisst len sind es Kriminelle, Gefährder und jun- Wie deutsche Wähler während der Bundestagswahlkämpfe GESETZE Jüngste Neuregelungen zum Abschiebungsrecht sich nach der Rückführungsquote. Sie be- ge Männer ohne erkennbare Integrations- schreibt das Verhältnis der Zahl Ausreise- neigung, die abgeschoben werden können. 2009 und 2013 ihre Entscheidung trafen Seit Beginn der Flüchtlingskrise hat der Ge- gestuft, womit Asylanträge von Menschen pflichtiger zu der der tatsächlich erfolgten Allerdings seien 2016 auch mehr als 400 setzgeber die rechtlichen Rahmenbedin- aus diesen Ländern schneller abgelehnt wer- Ausreisen. Dass es dabei bisher erhebliche Afghanen freiwillig zurückgekehrt. Nicht Studien zur Wahl- und Einstellungsforschung 33 Election Campaigns gungen für Abschiebungen bereits mehr- den können. Nach Ende der Frist zur frei- Unterschiede gab, zeigen Daten, die das anders verfahren Thüringen und Berlin: and Voter Decision-Making fach verschärft. Ein Überblick: willigen Ausreise darf der Termin der Ab- Magazin „Focus“ im Frühjahr 2016 veröf- Einzelfallprüfungen anstelle eines generel- in a Multi-Party System schiebung nicht angekündigt werden, um fentlichte. Damals konnte Spitzenreiter len Abschiebestopps. Ähnlich Niedersach- The 2009 and 2013 German Federal Elections Aufenthaltsbeendigung Schon das im die Gefahr des Untertauchens zu verringern. Bayern mit einer Rückführungsquote von sen: „Da, wo es Anzeichen dafür gibt, dass Schoen | Rattinger | Preißinger | Gavras | Steinbrecher August 2015 in Kraft getretene „Gesetz zur Die Höchstdauer der Aussetzung von Ab- 39,9 Prozent auftrumpfen, Sachsen mit das gefahrlos möglich ist, machen wir Von Prof. Dr. Harald Schoen, Prof. Dr. Hans Election Campaigns Neubestimmung des Bleiberechts und der schiebungen durch die Länder wurde von 35,2 und Thüringen mit 30,5 Prozent. das“, sagt Landesinnenminister Boris Pisto- and Voter Decision-Making Rattinger, Maria Preißinger, Konstantin Gavras in a Multi-Party System Aufenthaltsbeendigung“ (18/4097, sechs auf drei Monate reduziert. Schlusslichter waren Baden-Württemberg rius (SPD) zum Thema Abschiebungen und Dr. Markus Steinbrecher 18/5420) zielte darauf, die Ausreisepflicht mit 9,8 Prozent, das Saarland mit 5,1 und nach Afghanistan. The 2009 and 2013 German Federal Elections 2017, 250 S., brosch., 29,– € wirkungsvoller durchzusetzen. Mit dem Asylpaket II Im März 2016 trat das „Ge- Bremen mit 4,3 Prozent. „Rückführungsmanagement“ lautet mitt- ISBN 978-3-8487-2972-2 Gesetz wurde ein maximal viertägiger setz zur Einführung beschleunigter Asylver- Die Verantwortung liegt nicht ausschließ- lerweile der Fachbegriff für ein komplexes „Ausreisegewahrsam“ für Fälle eingeführt, fahren“ (18/7538, 18/7645/) in Kraft. Es lich bei den Landesbehörden. Es ist kein Unterfangen. Es geht darum, Asylbewerber eISBN 978-3-8452-7322-8 in denen der Abschiebungstermin konkret sieht für bestimmte Asylbewerber – etwa Zufall, dass das Gros der 2016 zurückge- mit prekärer Bleibeperspektive frühzeitig Nomos (Studien zur Wahl- und Einstellungsforschung, Bd. 33) bevorsteht. Ferner wurde zur Identitätsklä- aus sicheren Herkunftsländern – ein be- schickten Ausländer – in Baden-Württem- anzusprechen, möglichst schon in der Erst- nomos-shop.de/26981 rung ermöglicht, Datenträger eines Auslän- schleunigtes Verfahren von bis zu drei Wo- berg nach Auskunft des dortigen Innenmi- aufnahmeeinrichtung, und Ihnen mit dem ders auszulesen. Zudem wurden unter an- chen vor. Sie können in besonderen Auf- nisteriums rund 80 Prozent – aus den Län- Hinweis auf Angebote finanzieller Unter- Dieses Buch untersucht, wie Bürger während der Wahlkämpfe 2009 und 2013 derem Wiedereinreisesperren etwa bei nahmeeinrichtungen untergebracht wer- dern des Westbalkans stammt. Diese sind stützung die baldige freiwillige Heimreise ihre Wahlentscheidung trafen. Es zeigt, dass diese Kampagnen politische nicht fristgerechter Ausreise vorgesehen. den und dürfen gegebenenfalls bis zur Ab- an konstruktiven Beziehungen zur Euro- schmackhaft zu machen. Dabei ergänzen Einstellungen und Wahlverhalten erheblich und unerwartet beeinflussten. schiebung den Bezirk der entsprechenden päischen Union interessiert und kooperati- Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz Daher sollten Wahlkämpfe als eigenständige Faktoren des Wahlverhaltens Asylpaket I Seit Oktober 2015 sind die we- Ausländerbehörde nicht verlassen. Ferner onswillig. Besonders hartleibig gebärden bestehende bundesweite Förderprogamme sentlichen Bestimmungen des „Asylverfah- wurden „Abschiebungshindernisse aus ver- sich dagegen die Maghreb-Staaten. Es ist mit eigenen Mitteln, was sich die Regie- ernst genommen werden. rensbeschleunigungsgesetzes“ (18/6185, meintlich gesundheitlichen Gründen“ ab- eine geläufige Klage aus Innenministerien 18/6386) in Kraft, mit dem Rückführungen gebaut. Danach können grundsätzlich nur der Länder, dass es kaum möglich sei, Ma- Nomos Ausreisepflichtiger vereinfacht werden soll- „lebensbedrohliche und schwerwiegende rokko, Algerien oder Tunesien zur Rück- eLibrary Unser Wissenschaftsprogramm ist auch online verfügbar: www.nomos-elibrary.de ten. Nunmehr wurden auch Albanien, Ko- Erkrankungen, die sich durch die Abschie- nahme eigener Staatsbürger zu bewegen. sovo und Montenegro – wie 2014 bereits bung wesentlich verschlechtern würden, Darüber hinaus freilich besteht in Teilen Portofreie Buch-Bestellungen unter www.nomos-shop.de Weiterführende Links zu den Alle Preise inkl. Mehrwertsteuer Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herze- die Abschiebung des Ausländers“ verhin- von CDU und CSU der nicht einmal heim- Themen dieser Seite finden gowina – als sicherere Herkunftsstaaten ein- dern. sto T liche Verdacht, dass Landesregierungen zu- Sie in unserem E-Paper 4 INNENPOLITIK Das Parlament - Nr. 13 - 27. März 2017

Mehr Geld für Die Wahlen im Blick Kita-Ausbau ARBEITSLOSENGELD Streit um Bezugsdauer FAMILIE Der Bund will sich von 2017 bis Weil Volker Kauder (CDU), der Unions- schon nach 18 Monaten in Hartz-IV (ALG 2020 mit weiteren 1,126 Milliarden Euro fraktionschef, dem SPD-Chef Martin II) abrutsche und davor seine Ersparnisse am Sondervermögen „Kinderbetreuungs- Schulz in einem Interview vorwarf, mit sei- aufgebraucht haben muss. 70 Prozent der ausbau“ beteiligen, um gemeinsam mit nem Konzept eines „Arbeitslosengeldes Q“ Erwerbslosen seien im Hartz-IV-Bezug, kri- den Ländern bundesweit 100.000 zusätzli- nur an Wahlkampf zu denken, machte sich tisierte Ernst und mahnte, diese Entwick- che Kita-Plätze zu schaffen. Dies sieht der Klaus Ernst (Die Linke) Sorgen: „Ja, macht lung zu korrigieren. An die SPD gewandt, Gesetzentwurf der Bundesregierung Ihr keinen Wahlkampf? Habt Ihr schon sagte er: „Mit unserem Antrag haben Sie (18/11408) vor, den der Bundestag am ver- aufgeben?“, fragte er erschrocken in Rich- die Möglichkeit dazu.“ gangenen Donnerstag in erster Lesung be- tung Union. Und ließ gleichzeitig keinen „Klaus, da kriegen wir bestimmt was hin“, riet. Die Gelder sollen für Neu-, Aus- und Zweifel daran, dass seine Fraktion die Vor- zeigte sich auch Martin Paschke (SPD) mit Umbauten sowie für Sanierungen und Aus- lage von Schulz für eine längere Bezugs- Blick auf die Zeit nach der Bundestagswahl stattungsinvestitionen genutzt werden kön- dauer des Arbeitslosengeldes I (ALG I) für ganz optimistisch und freute sich, dass Die nen. Die konkrete Verwendung liegt in den ältere Erwerbslose gerne in Form eines An- Linke auf den „Schulz-ICE“ aufspringen Händen der Länder. trags (18/11419) aufgegriffen hat. will. Er betonte, gerade kurzzeitig Beschäf- Bundesfamilienministerin Manuela Schwe- In dem Antrag, über den der Bundestag tigte brauchen eine bessere Absicherung sig (SPD) begründet die erneute Finanzhil- vergangene Woche in erster Lesung beraten und dafür habe die SPD die richtigen Ant- fe an die Länder mit dem steigenden Be- hat, fordert Die Linke unter anderem, worten. Paschke forderte außerdem einen darf an Betreuungsplätzen. Bei Kindern schon bei versicherungspflichtigen Arbeits- Rechtsanspruch auf Qualifizierung. unter drei Jahren ist nach Regierungsanga- verhältnissen von vier Monaten einen An- Tobias Zech (CSU) wollte von Wahlkampf ben inzwischen eine Betreuungsquote von spruch auf ALG I für zwei Monate einzu- noch nichts wissen: „Wir sind sechs Mona- 32,7 Prozent erreicht, laut einer Befragung führen. Darüber hinaus verlangt sie, dass te vor der Bundestagswahl. Wir müssen das des Deutschen Jugendinstituts wünschen Arbeitnehmer, die innerhalb einer Rah- Land regieren“, betonte er in Richtung Lin- sich aber 43,2 Prozent der Eltern einen Ki- menfrist von drei Jahren mindestens ke. Einer längeren Bezugsdauer beim ta-Platz für ihre Kinder. Bei Kindern von 24 Monate in einem Versicherungsverhält- ALG I erteilte er eine klare Absage. „Das drei Jahren bis zum Einschulungsalter liegt nis gestanden haben, 18 Monate ALG I be- hat nur zur Folge, dass eine neue Frühver- die Quote bei 95,3 Prozent. Aufgrund des ziehen können, wenn sie über 50 Jahre alt rentungswelle entsteht“, warnte er. steigenden Geburtenrate und des Zuzugs sind und arbeitslos werden. Eine 24-mona- Auch Brigitte Pothmer (Bündnis 90/Die von Flüchtlingsfamilien mit Kindern wird tige Bezugsdauer soll es für über 55-Jährige Grünen) überzeugte eine längere Bezugs- der Bedarf weiter steigen. Ab dem ersten und erwerbslose Menschen mit Behinde- dauer nicht. „Das bringt niemanden vollendeten Lebensjahr besteht in Deutsch- rungen geben, sowie eine 36-monatige Be- schneller in Arbeit“, sagte sie. Nötig sei land ein Rechtsanspruch auf einen Betreu- zugsdauer für über 60-jährige Erwerbslose. vielmehr, beim ALG II endlich den Ver- ungsplatz. Es sei eine „himmelschreiende Ungerech- mittlungsvorrang zugunsten von Qualifi- Mit dem Investitionsprogramm „Kinderbe- tigkeit, dass ein 55-jähriger Arbeitsloser zierungsangeboten abzuschaffen, forderte treuungsfinanzierung“ hat sich der Bund mit jahrzehntelanger Versicherungszeit Pothmer. che T zwischen 2008 und 2018 bereits mit insge- samt 3,28 Milliarden Euro am Kita-Ausbau beteiligt. Weitere 6,26 Milliarden Euro stellte er zudem an Betriebskostenzuschüs- sen zur Verfügung. Trotzdem mahnten Lin- ke und Grüne ein noch größeres Engage- Lob der Flexibilität ment des Bundes an. Die Hauptlast hätten ARBEITSZEITEN Kritik an Oppositionsanträgen die Länder getragen. Sie fordern zudem ein bundesweit gültiges Qualitätsgesetz für die Die Anträge von Linken und Grünen zur tralverband des Deutschen Handwerks Kita-Betreuung an. Dies wird von Union Reduzierung der Wochenhöchstarbeitszeit (ZDH). Der Vorschlag der Linken würde und SPD mit Hinweis auf die Länderkom- und zur Einführung von Wahlarbeitszeiten bedeuten, dass an jedem Werktag nur noch petenz zurückgewiesen. aw T stoßen bei Arbeitgebern auf deutliche Kri- 6,6 Stunden gearbeitet werden dürfte. Das tik. Das wurde in einer Öffentlichen Anhö- entspreche weder der Realität noch den be- rung des Ausschusses für Arbeit und Sozia- trieblichen Notwendigkeiten, schreibt der les in der vergangenen Woche deutlich. Die ZDH in seiner Stellungnahme. Linke fordert in ihrem Antrag (18/8724) Die Gewerkschaften und auch die Bundes- KURZ NOTIERT unter anderem die Reduzierung der wö- anstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedi- chentlich zulässigen Arbeitszeit von 48 auf zin (BAuA) äußerten sich zustimmend zu Linke und Grüne gegen sach- 40 Stunden. Bündnis 90/Die Grünen den Anträgen. So betont die ver.di-Bundes- grundlose Befristung Der blinde Technikberater und Korrekturleser Erol Sakinc von der Deutschen Zentralbücherei für Blinde in Leipzig berät blinde und schlägt in ihrem Antrag (18/8241) einen verwaltung in ihrer Stellungnahme, eine sehbehinderte Menschen in ganz Deutschland bei der Nutzung neuer Technologien. © picture-alliance/dpa-Zentralbild Arbeitszeitkorridor von 30 bis 40 Stunden Reduzierung der wöchentlichen Höchstar- Die Fraktionen Die Linke und Bündnis vor, in dessen Rahmen die Beschäftigten beitszeit sei eine angemessene Reaktion auf 90/Die Grünen fordern in zwei Anträgen ihre Arbeitszeiten frei wählen können. die steigende psychische und physische Be- (18/11598; 18/11608) die Streichung der Als „nicht mehr zeitgemäß“ bezeichnete lastung der Beschäftigten im Rahmen ihrer sachgrundlosen Befristung aus dem Teil- der Deutsche Hotel- und Gaststättenver- Erwerbsarbeit. Sie könne außerdem zum zeit- und Befristungsgesetz. Beide Anträ- band (DEHOGA) die Festlegung einer täg- Abbau von Arbeitslosigkeit beitragen, so ge hat der Bundestag in der vergange- lichen Höchstarbeitszeit von regelmäßig ver.di. Die BAuA verweist in ihrer Stellung- nen Woche erstmals beraten. Grüne und acht Stunden. In seiner Stellungnahme nahme darauf, dass die Arbeitszeitgestal- Linke kritisieren unter anderem den sys- plädiert er dafür, stattdessen eine wöchent- tung eine zentrale Rolle für die Gesundheit tematischen Einsatz der sachgrundlosen Hohe Barrieren liche Höchstarbeitszeit zu definieren. Die- von Beschäftigten spiele. Insbesondere Ar- Befristung zur Aushöhlung des Kündi- se jedoch auf 40 Stunden zu reduzieren, beitszeiten, die ausreichende Erholung er- gungsschutzes. che T würde es den Betrieben unmöglich ma- schweren oder sozial wertvolle Zeiten (Wo- SOZIALES Menschen mit Behinderungen fehlt es noch chen, auf schwankenden Arbeitsanfall zu chenende) besetzen, sollten vermieden reagieren. Ähnlich argumentiert der Zen- werden, betont die BAuA. che T Berufsanerkennung oft an gleichberechtigter gesellschaftlicher Teilhabe für Juristen aus der EU

Für Rechtsanwälte, Patentanwälte sowie enschen mit Beein- her um eine entsprechende Reform des kungen auf die späteren Bildungschancen. unter das Rechtsdienstleistungsgesetz trächtigungen haben Wahlrechts, sagte Bentele. Zudem brauche es einen inklusiven ersten fallende Berufe aus anderen EU-Staaten es in Deutschland Uwe Schummer (CDU), Arbeitspolitiker Arbeitsmarkt, „um die Bedingungen für Den Kuchen fair teilen werden die Modalitäten für ihre Berufs- noch immer schwer, der Unionsfraktion bewertete die Inklusi- Menschen mit Behinderungen zu verbes- ARBEIT 4.0 Chancen und Risiken der Digitalisierung anerkennung in Deutschland an neue wenn es um gleich- on von Kindern mit Behinderung als ge- sern“. Unternehmen müssten stärker dazu europäische Standards angepasst. Dazu berechtigte Teilhabe lungen. Rund 91 Prozent der Kinder mit gebracht werden, Menschen mit Behinde- Um eine neue Stufe einer Entwicklung zu dung zu unterstützen. Sie forderte darüber hat der Bundestag vergangene Woche geht.M Das wurde in der Bundestagsdebatte Behinderungen besuchten eine Regel-Kin- rungen einzustellen. Deren Armutsrisiko benennen, sind Zahlen mitunter hilfreich. hinaus eine bessere soziale Absicherung einen Gesetzentwurf (18/9521, über den „Teilhabebericht über die Lebens- dertageseinrichtungen. Dieser Anteil sinke habe sich in den letzten Jahren auf 20 Pro- Beim Thema Internet fing es vor Jahren mit von Selbstständigen. Selbstständigkeit sei 18/10102 Nr. 13) der Bundesregierung lagen von Menschen mit Beeinträchtigun- aber in den Schulen. Bund, Länder und zent erhöht – auch diese Entwicklung müs- 2.0 an. Mittlerweile ist die Diskussion über eine wichtige Innovationsquelle unserer verabschiedet, mit dem die EU-Berufsan- gen“ (18/10940) am vergangenen Freitag Kommunen müssten sich gleichermaßen se „dringend stoppt werden“. Digitales bei 4.0 angekommen. Beispiel: Wirtschaft. „Die Sorge vor der sozialen erkennungsrichtlinie in nationales Recht deutlich. Aus dem Bericht geht unter ande- um die Umsetzung der Behindertenrechts- Die Sprecherin für Behindertenpolitik der Arbeit 4.0. Das Bundesministerium für Ar- Absicherung darf nicht das kreative Poten- umgesetzt werden soll. pst T rem hervor, dass der Anteil der Menschen konvention kümmern. Es sei Sache der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Corinna beit und Soziales hat sogar ein eigenes zial des Einzelnen lähmen“, warnte An- mit Beeinträchtigungen, die erwerbstätig Länder, Lehrer auszubilden und Räumlich- Rüffer, monierte, die Behandlung von Men- „Weißbuch Arbeiten 4.0“ verfasst, in dem dreae und warb für die Idee einer Bürger- sind, von 2005 bis 2013 zwar um acht auf keiten bereitzustellen. schen mit Behinderungen sei vor allem in die Chancen und Risiken des Wandels der versicherung für alle. Internationales 49 Prozent gestiegen ist. Dennoch seien Kerstin Tack, Beauftragte der SPD-Fraktion Heimen und Pflegeeinrichtungen oft „men- Arbeitswelt analysiert werden. Uwe Lagosky (CDU) lobte das duale Aus- Zivilverfahrensrecht die Chancen zur Teilhabe immer noch un- für die Belange von Menschen mit Behin- schenunwürdig und inakzeptabel“. Auch In der vergangenen Woche debattierte der bildungssystem und die Hochschulbildung gleich verteilt, dies werde derungen, sagte, der Teilha- mit dem Gesetz sei es nach wie vor mög- Bundestag ebenfalls darüber. Anlass war in Deutschland als solide Startgrundlage Der Bundestag hat vergangene Woche etwa daran ersichtlich, dass bebericht beschreibe einen lich, Menschen mit Behinderungen gegen die erste Lesung eines Antrags der Fraktion für junge Menschen. Es sei richtig, dass einen Gesetzentwurf der Bundesregie- die Arbeitslosenquote von Zeitraum bis 2014 und ha- ihren Willen in Heimen unterzubringen: Bündnis 90/Die Grünen (18/10254). Da- über den Zugang zu guter Bildung nicht rung mit zahlreichen Änderungen von Menschen mit Beeinträchti- Rund be seine Qualität deutlich So „kann es nicht weitergehen“. Auch die rin fordert sie unter anderem, Arbeitszeiten wie in den USA der Geldbeutel entscheide. Vorschriften im Bereich des Internationa- gungen deutlich höher als 71 Prozent der gesteigert, weil die Datenla- Situation von Geflüchteten mit Behinde- und Arbeitsorte stärker an den Bedürfnis- Dennoch müsse man sich fragen, wieso es len Privat- und Zivilverfahrensrechts die von Menschen ohne ge über die Lebenslagen rungen sei häufig schlecht: Wegen fehlen- sen der Beschäftigten auszurichten, den Be- in den USA deutlich mehr Firmengrün- (18/10714) verabschiedet. Die vorgese- Behinderungen sei. Damit Förderschüler von Menschen mit Beein- der barrierefreier Anhörungen würden schäftigtendatenschutz zu stärken und dungen gebe als hierzulande. „An dieser henen Änderungen verschiedener Geset- Menschen mit Behinderun- verlassen die trächtigungen deutlich bes- Menschen „entrechtet“. Dies seien keine mehr als bisher in die Qualifizierung der Baustelle müssen wir noch erheblich arbei- ze betreffen unter anderem die Aus- gen selbstbestimmter leben ser geworden sei. Sie habe Einzelfälle, Schwarz-Rot ziehe daraus aber Beschäftigten zu investieren. ten“, sagte Lagosky. landszustellung von Schriftstücken, das und stärker am Arbeitsle- Hauptschule die Erwartung, dass man keine Konsequenzen und habe eine „igno- , stellvertretende Frakti- „Entscheidend ist doch: Kommen die Pro- Europäische Mahnverfahren, die Beweis- ben teilnehmen können, ohne den Erfolg der Maßnah- rante Haltung“. Susanne Kailitz T onsvorsitzende der Grünen, betonte: duktivitätsgewinne der Digitalisierung ein- aufnahme im Ausland und den automa- hatte der Bundestag im De- men, die man für ihre Be- „Weiterbildung und Qualifizierung darf seitig den Unternehmen zugute oder ge- tisierten Abruf von Meldedaten. pst T zember 2016 ein Bundes- Abschluss. lange in dieser Legislatur nicht vom Geldbeutel abhängen.“ Agentu- lingt es uns durch gesetzliche Regelungen, teilhabegesetz verabschie- umgesetzt habe, im nächs- > STICHWORT ren und Jobcenter müssten zu Zukunfts- dass auch die Beschäftigten, zum Beispiel det. ten Bericht nachvollziehen agenturen für Arbeit und Weiterbildung über kürzere Arbeitszeiten oder Bildungs- Bürgernahe und Der Bericht zeige, dass das Ziel, dass Men- kann. Die Regierungskoalition habe eine Beeinträchtigte Menschen ausgebaut werden, um Arbeitssuchende zeiten, davon profitieren?“, fragte Klaus digitale Verwaltung schen mit Beeinträchtigungen genauso le- „beachtliche Bilanz vorzuweisen“: Mit der und Erwerbstätige aktiv bei der Weiterbil- Ernst (Die Linke). Das Ziel der Arbeitgeber ben und arbeiten können wie die ohne, unterstützten Beschäftigung, dem Budget > Bevölkerung Der Anteil von Menschen sei die Unterordnung der Beschäftigten un- Die Bundesregierung soll nach dem Wil- „noch nicht erreicht“ worden sei, sagte die und dem Ausbau der Inklusionsbetriebe mit Beeinträchtigungen ist von knapp elf ter die technischen Möglichkeiten. Des- len des Bundestages auf allen Verwal- Parlamentarische Staatssekretärin für Ar- sei „Gutes auf den Weg gebracht“ worden. Millionen im Jahr 2005 auf 12,77 Millio- halb brauche es einen gesetzlichen Rah- tungsebenen barrierefreie elektronische beit und Soziales, Gabriele Lösekrug-Möl- Die Barrierefreiheit sei „nach vorn ge- nen im Jahr 2013 gestiegen. men für die Flexibilitätswünsche beider Bürgerdienste und unternehmensfreund- ler (SPD). Wer ganz besonders stark beein- bracht“, im Gesundheitsbereich vor allem Seiten, sagte Ernst. licher Verwaltungsdienstleistungen an- trächtigt sei, der habe es „besonders mit der Einführung der sozialpädiatrischen > Arbeitsmarkt Der Anteil der erwerbs- Auch Katja Mast, Sprecherin für Arbeit bieten. Einem entsprechenden Antrag schwer“ – und dies sei „nicht in Ordnung“. Zentren für Erwachsene die Situation ver- tätigen Menschen mit Beeinträchtigun- und Soziales der SPD-Fraktion, bezeich- (18/9788) von CDU/CSU und SPD stimm- Mit dem Bundesteilhabegesetz und dem bessert worden. All dies werde Einfluss auf gen ist von 2005 bis 2013 um acht Pro- nete die Frage der Verteilungsgerechtigkeit te das Parlament vergangene Woche zu. Gleichstellungsgesetz sei jedoch schon viel die Lebenslagen von Menschen mit Behin- zentpunkte auf 49 Prozent gestiegen. als zentralen Aspekt. Die Investition in Ein Antrag der Grünen-Fraktion „für ei- erreicht worden. derungen haben. Qualifikationen sei der Schlüssel, damit nen innovativen Staat und eine moderne Verena Bentele, die Beauftragte der Bundes- Katrin Werner (Linke) kritisierte, dass es > Bildung Immer mehr Schüler benötigen die Beschäftigten auch in Zukunft ihren Verwaltung“ (18/9056) wurde abge- regierung für die Belange behinderter Men- dennoch „massive Diskriminierung“ und sonderpädagogische Förderung. 34 Pro- Teil vom Kuchen abbekämen. Arbeitgeber, lehnt. sto T schen, sagte, Teilhabe bedeute die aktive „zahlreiche Barrieren“ gebe – diese Aus- zent von ihnen wurden dennoch an ei- Arbeitnehmer und die Gesellschaft müss- Gestaltung der Gesellschaft durch und von grenzung müsse endlich ein Ende haben. ner Regelschule unterrichtet. ten dabei an einem Strang ziehen, forder- Menschen mit Behinderung. Dafür bräuch- Die beginne bereits in der Schule: Der te sie und verwies auf das vom SPD-Vorsit- ten sie Hilfe – und das Recht, sich zu ent- Großteil der Schüler mit sonderpädagogi- > Bundesteilhabegesetz Im Jahr 2016 zenden Martin Schulz und Bundesarbeits- scheiden und zu wählen. Doch die rund schem Förderbedarf werde in Förderschu- verabschiedete der Bundestag dieses Ge- ministerin Andrea Nahles (SPD) entwi- 81.000 Menschen mit rechtlicher Betreu- len unterrichtet und vom Unterricht in den setz. Sein Ziel: Die gesellschaftliche Teil- ckelte Konzept für ein „Arbeitslosengeld

ung in allen Angelegenheiten hätten weder Regelschulen ausgeschlossen. 71 Prozent habe behinderter Menschen völlig neu © Deutscher Bundestag/Achim Melde Q“ und den Ausbau der Bundesagentur Weiterführende Links zu den Themen dieser Seite finden ein aktives noch ein passive Wahlrecht. der Förderschüler machten keinen Haupt- zu organisieren. Kerstin Andreae (Grüne) fordert eine bes- für Arbeit zu einer Bundesagentur für Ar- Sie in unserem E-Paper „Das darf definitiv nicht sein.“ Sie bitte da- schulabschluss. Dies habe massive Auswir- sere Absicherung Selbstständiger beit und Qualifizierung. Claudia Heine T Das Parlament - Nr. 13 - 27. März 2017 INNENPOLITIK 5

Dienst- statt Lebensjahre

ÄLTESTENRAT Nach einem Vorschlag von Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) soll künftig nicht mehr der an Le- bensjahren älteste Abgeordnete, sondern der dienstälteste Parlamentarier bei der konstituierenden Sitzung des Bundestages als dessen Alterspräsident fungieren. Mit diesem Vorschlag, den Lammert vergange- ne Woche dem Ältestenrat unterbreitete, soll sichergestellt werden, dass ein Parla- mentarier mit ausreichenden einschlägigen Erfahrungen die erste Sitzung des neuge- wählten Bundestages leitet. Bei der derzei- tigen Rechtslage bleibe es dem Zufall über- lassen, wer Alterspräsident werde; nicht auszuschließen sei etwa, dass ein neuge- wählter Abgeordneter ohne jegliche Erfah- rung in der Leitung von Versammlungen oder Sitzungen als Lebensältester in die Si- tuation komme, „die konstituierende Sit- zung des größten und wichtigsten deut- schen Parlaments zu leiten“. Dies sei mit dessen Bedeutung nicht vereinbar. Unter mehreren Abgeordneten mit glei- chen „Dienstalter“ soll dem Vorschlag zu- folge gegebenenfalls wiederum der lebens- älteste zum Zuge kommen. Eine entspre- chende Regelung wurde 1992 im Landtag von Schleswig-Holstein eingeführt. Der Alterspräsident hat nach der Geschäfts- ordnung des Bundestages die Aufgabe, in der ersten Sitzung des Parlaments den Vor- sitz zu führen, „bis der neugewählte Präsi- dent oder einer seiner Stellvertreter das Amt übernimmt“. Zudem hat er laut Ge- schäftsordnung die Plenarsitzungen des Wer eine Straftat begeht, muss künftig auch damit rechnen, den Führerschein zu verlieren. Das soll gerade auch für junge Leute zusätzlich abschreckend wirken. © picture-alliance/Geisler-Fotopress/Collage: Stephan Roters Bundestages zu leiten, wenn der Präsident und seine Stellvertreter gleichzeitig verhin- dert sein sollten. sto T

Die Beute wird Fahrverbot für Kriminelle nun eingezogen

VERBRECHEN In vielen Ländern ist es RECHT Experten loben Gesetzentwurf zur Strafergänzung. Bis zu sechs Monate Führerscheinentzug längst gang und gäbe, jetzt wird es auch in Deutschland leichter, die Beute von Verbre- chern einzuziehen. Nach dem Gesetz zur ür manchen Kleinkriminellen rungsstrafe verbunden mit einem Fahrver- Menschen unterschiedlich stark auf ihre zwischen 22.00 und 6.00 Uhr keinen rich- se es beim Richtervorbehalt bleiben. Aller- Reform der strafrechtlichen Vermögensab- dürfte die Vorstellung vom bot verhängen. Allerdings empfahl der Fahrerlaubnis angewiesen. Eine Ungleich- terlichen Bereitschaftsdienst. Dann könne dings sollte dann auch ein richterlicher Be- schöpfung (18/9525, 18/11640), das der Fahrverbot schlimmer sein als Straf- und Strafprozessrechtler Thomas A. behandlung erführen überdies auch Ange- die Polizei ohnehin alleine eine Blutprobe reitschaftsdienst rund um die Uhr gewähr- Bundestag vergangene Woche verabschie- die drohende Bewährungsstrafe. Bode von der Europa-Universität Frankfurt klagte ohne Fahrerlaubnis. anordnen. Auch sei ihm kein Fall bekannt, leistet sein. det hat, reicht die Feststellung des Gerichts, Vor allem jungen Männern ist (Oder), die Vorlage aus Verfassungsgrün- Dem widersprach der Münchener Rechts- in dem ein Richter eine von der Polizei Der Gesetzentwurf enthält noch eine Reihe dass Vermögenswerte aus Verbrechen stam- es oft wichtig, mit dem Motor- den zu ergänzen. Wegen des Bestimmt- wissenschaftler Heinz Schöch. Bei Tätern verlangte Blutprobe abgelehnt hätte. Beck- weiterer Änderungsvorschläge, von denen men, um sie zu konfiszieren. Bisher müs- Frad die Kumpels zu beeindrucken oder mit heitsgrundsatzes solle der Gesetzgeber aus- ohne Fahrerlaubnis kämen andere Ersatz- stein plädierte deshalb dafür, die Polizei sich die Regierung eine „Steigerung der Ef- sen sie dazu stets einem konkreten Verbre- dem Auto die Freundin zur Disko zu fah- drücklich das Ziel angeben, kurze Frei- maßnahmen wie gemeinnützige Arbeit in generell zur Anordnung von Blutproben zu fizienz der Strafverfolgung“ verspricht, wie chen zugeordnet werden, was selten ge- ren. Nach dem Willen der Bundesregierung heitsstrafen zu vermeiden beziehungsweise Betracht. Da bei der Strafzumessung ohne- ermächtigen. Dem widersprach Rechtsan- sie in der Begründung schreibt. Zudem sol- lingt. Zudem sollen Verbrechensopfer im und der Koalitionsfraktionen soll das Fahr- Geldstrafen zu reduzieren. Für Erik Ohlen- hin immer differenziert werden müsse, ver- walt Martin Rubbert vom Deutschen An- len „Defizite im geltenden Straf- und Straf- Strafverfahren aus dem eingezogenen Ver- verbot als Strafergänzung schlager, Leitender Ober- stoße dies nicht gegen den Gleichheits- waltverein (DAV). Die Blutentnahme sei prozessrecht“ beseitigt werden. Mit einge- mögen entschädigt werden. Bisher müssen bald Wirklichkeit werden. staatsanwalt in Bamberg, grundsatz. Auch das Bestimmtheitsgebot ein Eingriff in das Grundrecht auf körperli- flossen sind Vorschläge einer von Bundes- sie dazu oft den Täter zivilrechtlich verkla- Der Entwurf sieht Fahrver- »Das ermöglicht die Zulassung bleibe gewahrt, da Mindest- und Höchst- che Unversehrtheit. Durch eine nachträgli- justizminister Heiko Maas (SPD) einge- gen. Dies ist nicht nur kompliziert, es be- bote von bis zu sechs Mo- von Fahrverboten, „Sankti- strafe klar bestimmt seien. Der Bonner Kri- che richterliche Überprüfung, auf die der setzten Expertenkommission zur effektive- steht auch das Risiko, dass nichts zu holen naten als mögliche Neben- Fahrverbot onsmittel passgenauer zu minologe Torsten Verrell fragte, warum die Gesetzentwurf verweise, könne er nicht ren und praxistauglicheren Ausgestaltung ist und die Opfer auf den Verfahrenskosten strafe vor, zusätzlich zu verhängen“. Gerade im Ju- gegen das neue Fahrverbot geltend ge- rückgängig gemacht werden. Deshalb müs- des Strafverfahrens. Peter Stützle T sitzen bleiben. Soweit die eingezogen „Tat- Geld- oder Haftstrafen und ist ein sehr gendstrafrecht seien sie zu- machten Einwände nicht schon gegen das erträge“ nicht an Verbrechensopfer zurück- ganz unabhängig davon, wirksames dem ein „sehr wirksames bestehende Fahrverbot erhoben würden. gegeben werden, sollen sie beim Staat ver- ob das Vergehen mit dem erzieherisches Mittel“. Al- Mit der Novelle würden „unstreitige Lü- > KOMPAKT bleiben. Experten gehen in Schätzungen Straßenverkehr zu tun hat. erzieherisches lerdings sollten objektive cken des bestehenden Strafenkatalogs ge- von Einnahmen in dreistelliger Millionen- Mittel.« Kriterien, wann das Fahr- schlossen“. Die Neuregelung werde „erheb- Fahrverbote als zusätzliche Strafandrohung höhe aus. Breite Zustimmung Der Erik Ohlenschlager, verbot in Frage komme, ins liche individualabschreckende und gene- Die Koalitionsfraktionen hoben hervor, Gesetzentwurf (18/11272) Oberstaatsanwalt Gesetz geschrieben werden. ralpräventive Wirkung“ entfalten. > Nebenstrafe Richter können ein Fahrverbot nur neben der dass damit insbesondere für die Bekämp- der Bundesregierung zur Sonst könnte es Probleme ansonsten für das jeweilige Delikt vorgesehenen Haft- oder fung der Organisierten Kriminalität und Änderung des Strafgesetz- bei der Anwendung des Ge- Streit um Blutproben Zwei Sachverstän- Geldstrafe verhängen. des Terrorismus ein neues rechtliches In- buchs, des Jugendgerichtsgesetzes, der setzes geben. dige konzentrierten sich auf einen anderen strument zur Verfügung stehe. Sie hatten Strafprozessordnung und weiterer Gesetze, Dagegen bezeichnete der Bremer Strafver- Aspekt. Danach sollen Blutproben statt > Dauer Es sollen bis zu sechs Monate statt bisher drei Monate gegenüber dem Regierungsentwurf den Ka- in dem das Fahrverbot enthalten ist, traf teidiger Reinhold Schlothauer als Vertreter von einem Richter vom Staatsanwalt ange- Fahrverbot ausgesprochen werden können. Im Jugendstraf- talog der Straftaten, bei denen das Gesetz vergangene Woche in einer öffentlichen der Bundesrechtsanwaltskammer das Fahr- ordnet werden können. Für den Münche- recht soll es bei drei Monaten bleiben. zur Anwendung kommt, noch um Delikte Anhörung des Rechtsausschusses bei den verbot als „untaugliches Mittel“. Da es ner Oberstaatsanwalt Wolfgang Beckstein wie Prostitution und Steuerhehlerei erwei- Experten ganz überwiegend auf Zustim- kaum zu kontrollieren sei, werde der erschließt sich der Sinn dieser Änderung > Delikte Künftig soll die Sanktion bei allen Straftaten ange- tert. Linke und Grüne begründeten ihre mung. Mehrere Sachverständige begrüßten Grundsatz der Gleichmäßigkeit des Stra- nicht. Die Argumente, die gegen den Rich- wendet werden können, sofern das Gericht dies für sinnvoll Ablehnung auch damit, dass die überlaste- die Möglichkeit, bei einer Vielzahl von De- fens verletzt, wenn ein Straftäter diese tervorbehalt sprächen, könnten auch gegen hält. te Strafjustiz kaum in der Lage sein werde, © picture-alliance/dpa likten kurze Haftstrafen zu vermeiden, in- Sanktion bekomme und eine anderer für die staatsanwaltschaftliche Anordnung gel- die Novelle umzusetzen. pst T dem die Richter stattdessen eine Bewäh- daselbe Delikt eine andere. Auch seien tend gemacht werden. In der Regel gebe es

Anzeige Die Fußfessel im Für und Wider der Experten DAS WILL ICH INNEN/JUSTIZ Neue Anwendungsbereiche der „elektronischen Aufenthaltsüberwachung“ sorgen bei Sachverständigen-Anhörungen für Kontroversen ONLINE LESEN! Erweiterte Möglichkeiten zum Einsatz der Richter Andreas Maltry begrüßte „die maß- nannten Tätergruppen nicht zu hohe Er- dürfe man nicht eingehen. Der Bayreuther ausgestalteten System präventiver Maßnah- Jetzt auch als E-Paper. „elektronischen Fußfessel“ sehen mehrere volle Ausweitung“ angesichts der derzeiti- wartungen an die Wirksamkeit stellen“. Rechtswissenschaftler Markus Möstl ver- men nicht noch auf weitergehende Maß- Gesetzentwürfe der Regierungskoalition gen terroristischen Bedrohung. Barbara Bei der Anhörung des Innenausschusses wies darauf, dass es sich bei der elektroni- nahmen zurückgreifen könnte“. So wäre Mehr Information. vor, über die derzeit der Bundestag berät. Stockinger, Präsidiumsmitglied des Deut- sagte der Präsident des Bundeskriminalam- schen Aufenthaltsüberwachung nicht „um der Entwurf zur Änderung bayerischer Si- Mehr Themen. Handelt es sich dabei zum einen um die schen Richterbundes, hob hervor, dass die tes (BKA), Holger Münch, mit Blick auf die reine Ermittlungseingriffe, sondern um ak- cherheitsgesetze, der von einem „Präven- „elektronische Aufenthaltsüberwachung“ Verhältnismäßigkeit des Einsatzes der Fuß- Regelung zur Fußfessel, für sein Haus be- tionelle Anordnungen“ handle, mit denen tivgewahrsam“ ausgehe, „eine deutlich Mehr Hintergrund. ausreisepflichtiger Ausländer, von denen fessel immer vom Richter geprüft werden schränke sich diese Befugnis auf Ausnah- die „Gefahrentstehung unterbunden wer- weitgehendere Maßnahme“ als die Fußfes- eine „erhebliche Gefahr für Leib und Le- müsse. Es sei gut, dass die Richter ein wei- mefälle. Er mahnte, das „Risiko eines In- den soll“. Sein Würzburger Kollege Kyrill- sel, argumentierte Schwarz. Der Bonner Mehr Köpfe. ben“ oder die innere Sicherheit ausgeht teres Instrument in die Hand bekämen, formationsverlustes“ in Form der Unkennt- Alexander Schwarz sagte, man könne über- Rechtswissenschaftler Klaus Ferdinand Gär- Mehr Parlament. (siehe Seite 1 bis 3), beschäftigte sich der um „auf solche Täter zu reagieren“. nis über den Aufenthalt eines Gefährders legen, ob man „in einem verhältnismäßig ditz betonte, die vorgesehenen Regelungen Innenausschuss in der vergangenen Wo- Jörg Kinzig, Direktor des Kriminologischen zur elektronischen Fußfessel genügten den che in einer Sachverständigen-Anhörung Instituts der Universität Tübingen, sah da- Anforderungen der Verhältnismäßigkeit. mit Gesetzentwürfen zur „Neustrukturie- gegen keinen Sicherheitsgewinn, der die Der Berliner Richter Ulf Buermeyer kriti- rung des Bundeskriminalamtgesetzes“ Nachteile aufwiege. Die Überwachung von sierte demgegenüber, dass der „Terroris- Direkt (18/11163, 18/11326), die unter anderem Verbotszonen, bei deren Betreten Alarm musteil“ des Gesetzentwurfes keine Abwä- zum E-Paper die Einführung der elektronischen Fußfes- ausgelöst wird, bringe wenig, da ein ent- gung „zwischen Freiheit und Sicherheit“ sel für nicht verurteilte „Gefährder“ vorse- schlossener Terrorist leicht auf andere Ziele leiste. Statt sich „in der Mitte einer vorge- www.das-parlament.de hen. In einer weiteren Anhörung des ausweichen könne. Stefan König, Mitglied gebenen Fahrspur möglicher Grundrechts- [email protected] Rechtsausschusses ging es derweil um Plä- im Strafrechtsausschuss des Deutschen An- eingriffe“ zu bewegen, schramme der Ge- ne, die Fußfessel vermehrt bei Haftentlas- waltvereins, warnte, es werde unterschätzt, setzgeber „konsequent an der rechten Leit- senen einzusetzen, denen terroristische wie tief das Tragen einer Fußfessel in die planke entlang“. Dies sei zwar in weiten Taten zugetraut werden. Persönlichkeitsrechte eingreift. Der Bremer Teilen verfassungsgemäß, aber eine „sehr Dabei stießen die entsprechenden Geset- Strafverteidiger Helmut Pollähne kritisier- eindeutige Priorisierung“ der Interessen zesvorlagen (18/11162, 18/11584) bei den te, schon bei der Einführung der Fußfessel des BKA. pst/sto T geladenen Experten im Rechtsausschuss vor sechs Jahren sei vor einem Damm- auf ein gemischtes Echo. Karl Greven vom bruch gewarnt worden, und der geschehe hessischen Justizministerium wertete den mit diesem Gesetzvorhaben. Für und Wi- Einsatz der Fußfesseln als Eingriff in die der äußerte der Rostocker Richter Dirk Persönlichkeitsrechte, der gerechtfertigt sei, Manzewski. Bei einem Teil der extremisti- Weiterführende Links zu den wenn eine erhebliche Gefährdung poten- schen Täter könne das Instrument helfen, Themen dieser Seite finden zieller Opfer bestehe. Der Münchener urteilte er, aber man solle „bei den hier ge- Der Einsatz der elektronischen Fußfessel ist umstritten. © picture-alliance/dpa / Julian Stratenschulte Sie in unserem E-Paper 6 INNENPOLITIK Das Parlament - Nr. 13 - 27. März 2017

AUS PLENUM UND AUSSCHÜSSEN Gefahren für den Rechtsstaat

RECHT Der Gesetzentwurf (18/11161) zur dass es durch die vorgesehene Mindeststrafe „Stärkung des Schutzes von Vollstreckungsbe- von drei Monaten „künftig zur Verhandlung amten und Rettungskräften“ kommt bei Si- kommt“. Rainer Wendt, Bundesvorsitzender cherheits- und Rechtsexperten unterschiedlich der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), gut an. Während die Polizei den Entwurf ver- ergänzte, wenn Polizisten Opfer von Gewalt gangene Woche bei einer Anhörung im Rechts- würden, verzichteten sie oft auf eine Anzeige, ausschuss lobte, kam teils heftige Kritik von „weil es sich doch nicht lohnt“. Er schlug vor, Juristen. Der Entwurf definiert Attacken auf als neues Tatbestandsmerkmal die „Drohung Polizisten und andere Vollstreckungsbeamte mit einem empfindlichen Übel“ aufzunehmen, als „Angriff auf einen Repräsentanten der denn oft würden Polizisten auch bedroht. staatlichen Gewalt“ und Übergriffe auf Be- Der Strafrichter Ruben Franzen von der Neuen schäftigte der Feuerwehr, des Katastrophen- Richter Vereinigung warnte hingegen vor einer schutzes oder der Rettungsdienste als „Angriff „Gefahr für den Rechtsstaat“ durch diese Son- auf die öffentliche Sicherheit“. So sollen Poli- derstellung der Polizei. Auch bezweifelte er die zisten bei jeder Diensthandlung unter beson- Wirksamkeit der Novelle. Übergriffe gegen die derem Schutz stehen. Dementsprechend sollen Polizei würden meist von alkoholisierten und die Strafvorschriften verschärft werden. emotionalisierten Menschen verübt. Sie seien Sascha Braun von der Gewerkschaft der Poli- durch höhere Strafen nicht aufzuhalten. Eher zei (GdP) berichtete in der Anhörung von einer trage das Gesetz zur Eskalation bei. Der Kölner Zunahme der Übergriffe auf Polizisten. Was Strafrechtsprofessor Michael Kubiciel forderte, jetzt als Vorlage auf dem Tisch liege, habe sei- die Ausgestaltung des neuen Strafrechtspara- ne Organisation lange gefordert. Die „Kolle- grafen 114 müsse präziser gefasst werden, um gen auf der Straße“ nähmen intensiv wahr, eine einheitliche Rechtsprechung zu erreichen. dass sich die Politik ihnen nun zuwende. Bis- Nach Ansicht der Hamburger Strafrechtlerin her sei der Eindruck gewesen, dass Anzeigen Dorothea Magnus ist der „Autoritätsverlust von Polizisten „im Flaschenhals der Justiz ste- staatlicher Organe“ mit dem Entwurf „nicht Weniger cken bleiben“. Nun hätten sie die Hoffnung, aufzuhalten“. Peter Stützle T Zankapfel Fluggastdaten

INNERES Der Gesetzentwurf der Bundesre- Jan Korte (Linke) wertete die vorgeschlagenen gierung zur Umsetzung der EU-Richtlinie über Regelungen dagegen als „Simulation von Si- und älter die Verwendung von Fluggastdatensätzen cherheit“. Er beklagte, „dass es hier wieder (PNR)-Daten) zur Verhütung und Verfolgung einmal um eine Vorratsdatenspeicherung geht, terroristischer Straftaten und schwerer Krimi- also um eine anlasslose und lückenlose Daten- DEMOGRAFIE Trotz der hohen nalität (18/11501) stößt bei der Opposition auf speicherung von Fluggastdaten“. klare Ablehnung. Dies wurde vergangene Wo- (Grüne) kritisierte die Zuwanderung wird die Bevölkerung che bei der ersten Lesung der Vorlage im Bun- Richtlinie als rechtswidrig. Die Koalition sattle destag deutlich. Die Richtlinie sieht eine Über- indes noch drauf, „denn während die EU- immer älter. Handlungsansätze sind mittlung von Fluggastdaten durch Luftfahrtun- Richtlinie die Speicherung der Fluggastdaten ternehmen für Flüge von der EU in Drittstaa- nur von aus der EU und in die EU gehenden im Bundestag umstritten ten oder umgekehrt vor. Sie räumt den EU- Flügen vorschreibt, planen Sie zusätzlich die Staaten zudem die Möglichkeit ein, Flüge zwi- Speicherung von Flugdaten innerhalb der EU“. schen ihnen sowie Datenübermittlungen durch „Schwachstellen“ sah auch Wolfgang Gunkel andere Dienstleister im Zusammenhang mit (SPD). Er verwies mit Blick auf die Daten- Menschen vor einem Bahnhof. Die Bevölkerung in Deutschland wird „möglicherweise kleiner, wahrscheinlich heterogener und sicherlich älter“. © picture-alliance/Geisler-Fotopress Reisen einzubeziehen. Davon soll im Fluggast- schutzbestimmungen auf ein Urteil des Bun- datengesetz Gebrauch gemacht werden, um desverfassungsgerichts. Dieses habe gesagt, Sicherheitslücken zu schließen. an Staaten mit menschenrechtswidrigen Ver- ie demografische Lage in Auch bei einer hohen Netto-Zuwanderung mografischen Wandels. Diesen Hebel kön- bunter“ werde, lasse sich nicht stoppen In der Debatte betonte der Parlamentarische hältnissen „sollte nicht übermittelt werden“. Deutschland hat sich in müsse mit einem deutlichen Rückgang der ne man nutzen, um die Gesellschaft zu oder umkehren. Vielmehr müsse man die Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Clemens Binninger (CDU) wies die Kritik zu- jüngster Zeit verändert“, Erwerbsbevölkerung gerechnet werden. Die modernisieren, doch die Regierung lasse Auswirkungen gestalten. Dabei sei Bildung Günter Krings (CDU), dass man mit dem Ge- rück. „Es ist ein gutes Gesetz, das die Sicher- resümiert die Bundesre- Gesellschaft werde „möglicherweise klei- „ihn praktisch ungenutzt“. Man müsse sich der Schlüssel zur „Teilhabe am beruflichen, setz ein „wichtiges neues Instrument zur Be- heit verbessert“, sagte er. Es gebe keinen gierung gleich zu Beginn ner“, „wahrscheinlich heterogener“ und etwa fragen, wie man von der „Willkom- politischen und gesellschaftlichen Leben in kämpfung von Terrorismus und schwerer Kri- Grund, „mit der immer gleichen reflexartigen ihrer „demografiepoliti- „sicherlich älter“. Diesen Wandel müsse menskultur zu einem wirklichen Einwan- jedem Alter“, fügte Crone hinzu und for- minalität“ schaffe. Zugleich beweise die Richt- Behauptung zu argumentieren, die Freiheits- Dschen Bilanz“ zum Ende der laufenden man gestalten. Benötigt werde eine „quali- derungsland“ komme. Hier müsse derte das Ende des sogenannten Kooperati- linie, „dass sich ein großer Gewinn an Sicher- rechte seien massenhaft gefährdet“. Von einer Wahlperiode (18/11145). Als Ursache für fizierte Zuwanderung“. Deutschland attraktiver werden. Über ein onsverbots im Bildungsbereich, das auch heit durchaus mit einem hohen Datenschutzni- massenhaften und unkontrollierten Speiche- diese Veränderung macht sie darin vor al- Schröder mahnte zugleich, die Rente mit Punktesystem könne man gut qualifizierte der Fachkräftesicherung entgegenstehe. veau verknüpfen lässt“. rung sei man weit entfernt. sto T lem das Migrationsgeschehen der vergan- 67 nicht in Frage zu stellen und nicht wie- Fachkräfte in die Bundesrepublik holen. Auch habe man „die Debatte um eine Ein- genen zwei Jahre aus. Danach sind allein der „auf Kosten der jungen Generation Po- Zudem müsse „Demografiepolitik auch wanderungsgesellschaft im Zusammen- 2015 netto 1,139 Millionen Menschen zu- litik zu machen“. Dass es erstmals seit 1962 immer Gleichstellungspolitik“ sein, „denn hang mit dem demografischen Wandel bis- gewandert; Ende 2015 lebten in der Bun- ausgeglichene Haushalte und damit keine ohne Frauen geht es nicht“. Notwendig sei- lang nicht ausreichend geführt“. Dazu for- desrepublik 82,2 Millionen Menschen und Haushaltspolitik zu Lasten dieser Generati- en unter anderem ein „wirklich wirkungs- dere ihre Fraktion bereits seit langem ein Datei »Gewalttäter Sport« bleibt damit fast zwei Millionen mehr als noch on gebe, sei „demografiepolitisch mit das volles Entgeltgleichheitsgesetz“ sowie eine Einwanderungsgesetz. 2011: 73,5 Millionen Deutsche und 8,7 Wichtigste, was es überhaupt gibt“, sagte bessere Vereinbarkeit von Familie und Be- Der CSU-Parlamentarier Michael Frieser SPORT Mit den Stimmen der Koalitionfraktio- Partei wolle an der Datei festhalten, „damit Millionen Ausländer. 11,5 Millionen ver- Schröder und betonte: „Die schwarze Null ruf für Männer und Frauen. gab zu bedenken, dass Zuwanderung „die nen von Union und SPD hat der Bundestag randalierende gewalttätige Fans keinen Zutritt fügten über eigene Migrationserfahrungen. ist der wichtigste demografiepolitische Er- Die SPD-Abgeordnete Petra Crone betonte, Fragen eines demografischen Wandels vergangenen Freitag einen Antrag der Fraktion zu den Stadien haben“. Bei der Bekämpfung Trotz der hohen Zuwanderung vor allem folg, den wir in dieser Wahlperiode erzielt dass die Bevölkerung „älter, weniger und nicht automatisch“ beantworte. Er sei „so- der Grünen (18/6232) abgelehnt, in dem unter von Rechtsextremismus im Sport sei die Bun- junger Menschen hat sich die Alterung der haben“. fort bereit, über die Frage von Einwande- anderem ein Ende der „Stigmatisierung“ von desregierung sehr aktiv, betonte Engelmeier. Bevölkerung indes auch in den vergange- rung und Zuwanderung zu reden, wenn Fußballfans gefordert wird. Linke und Grüne Als Beleg führte sie an, dass die Mittel für das nen Jahren fortgesetzt, heißt es in der Vor- Umverteilung gefordert Für Die Linke > KOMPAKT diese Gesellschaft bereit ist, über die Frage stimmten für die Vorlage. Darin wird die Bun- Programm „Integration durch Sport“ im ver- lage weiter: Entfielen 2011 auf 100 Men- kritisierte Sabine Zimmermann, dass die zu diskutieren: Wen können wir gerade im desregierung aufgefordert, die Datei „Gewalt- gangenen Jahr verdoppelt worden seien. schen im Alter von 20 bis 64 Jahren rund Regierung in ihrer Bilanz „die massive Aus- Zuzug und Alterung Hinblick auf den demografischen Wandel täter Sport“ auf jene Fälle zu überprüfen, in (Grüne) sagte, ihre Fraktion wol- 34 Personen ab 65 Jahre, lag dieser Wert breitung von Altersarmut“ nicht erwähne. brauchen“, sagte Frieser. Zuwanderung be- denen Personen ungerechtfertigter Weise, et- le die Datei „Gewalttäter Sport“ nicht ab- 2015 bereits bei 35 Personen. Die durch- Bei sinkendem Rentenniveau könnten > Bevölkerung Ende 2015 haben in deute „nicht gleichzeitig Stabilität von Si- wa nach Freispruch in einem Gerichtsverfah- schaffen, sondern reformieren und auf eine schnittliche Lebenserwartung in Deutsch- künftig immer mehr Menschen von ihrer Deutschland 82,2 Millionen Menschen cherungssystemen“. Notwendig sei „eine ren, aufgeführt sind. Die Daten sollten gemäß rechtsstaatliche Grundlage stellen. Derzeit land beträgt bei Geburt für Männer 78,2 Rente nicht leben. Dazu falle der Regierung gelebt, fast zwei Millionen mehr als Zuwanderung in Arbeit und nicht eine Zu- der datenschutzrechtlichen Vorschriften unver- könne man schon allein durch die Feststellung Jahre und für Frauen 83,1 Jahre. nur ein, dass die Menschen länger arbeiten 2011. Dabei sind allein 2015 netto 1,139 wanderung ins Arbeitsamt“. züglich gelöscht werden. Ein weiterer Schwer- der Personalien seitens der Polizei in die Datei sollten. Es würden aber nicht alle älter, Millionen Menschen zugewandert. punkt in dem Antrag ist die Bekämpfung von gelangen. „Wir fordern, die Löschfrist zu ver- »Schwarze Null« gelobt „Wir leben län- und nicht alle blieben im hohen Alter ge- Anträge Mit Koalitionsmehrheit abge- Rechtsextremismus im Sport. Dazu brauche es kürzen und eine Benachrichtigungspflicht ge- ger, wir sind gesünder als alle Generatio- sund. „Eine Politik, die den demografi- > Alterung Die Alterung der Bevölkerung lehnt wurde ein Grünen-Antrag mit dem ein finanziell starkes Bundesprogramm, heißt genüber den in der Datei Aufgenommenen nen vor uns, wir werden immer mobiler – schen Herausforderungen vorbeugt, kostet setzt sich fort: Standen 2011 noch 100 Titel „Partizipation und Selbstbestimmung es in der Vorlage. einzuführen“, sagte Lazar. das ist die positive Seite des demografi- Geld“, betonte Zimmermann. Dafür brau- Menschen zwischen 20 bis 64 Jahren älterer Menschen stärken“ (18/9797). An Es sei falsch, eine Abschaffung der Datei „Ge- Auch Andre Hahn (Die Linke) sagte, wer unbe- schen Wandels“, sagte der Parlamentari- che man „eine Umverteilung von oben rund 34 Personen ab 65 Jahre gegen- die Ausschüsse überwies das Parlament ei- walttäter Sport“ zu fordern, sagte Frank Stef- rechtigt in der Datei „Gewalttäter Sport“ ge- sche Staatssekretär im Bundesinnenminis- nach unten und eine Rückkehr zur paritäti- über, waren es 2015 bereits 35 Personen. nen weiteren Grünen-Antrag (18/11606), fel (CDU) in der Debatte. In dieser Datei seien landet sei, dessen Daten müssten selbstver- terium, Ole Schröder (CDU), am Freitag in schen Finanzierung der Sozialversiche- Die durchschnittliche Lebenserwartung in dem sie unter anderem einen Demogra- die Schwerstkriminellen gespeichert, die in ständlich gelöscht werden. Im Kampf gegen der Bundestagsdebatte über die Regie- rung“. beträgt bei Geburt für Männer 78,2 Jah- fiebeauftragten im Kanzleramt sowie ein den Stadien Kinder und Jugendliche sowie rechte Hooligans und Nazischläger, so verlang- rungsbilanz. Klar sei aber auch, dass die Al- Doris Wagner (Grüne) verwies auf „erheb- re und für Frauen 83,1 Jahre. Bundesministerium für Migration und In- friedliche Fans gefährdeten. te Hahn, müssten Politik und Sport gemeinsam terung der Gesellschaft fortschreiten werde. lichen Handlungsdruck“ aufgrund des de- tegration fordern. Helmut Stoltenberg T Michaela Engelmeier (SPD) sagte, auch ihre vorgehen. Götz Hausding T

Viele Solo-Selbstständige von Krankenversicherungsbeiträgen überfordert GESUNDHEIT Experten fordern eine systematische Entlastung der Betroffenen. Deutliche Absenkung der Bemessungsgrundlagen im Gespräch Die Beitragsbemessung für die Krankenver- nen Antrag wegen bestimmter Vorerkran- ständige eine einheitliche Grundlage bei doch die alleinige Absenkung der Bemes- aber darauf hin, dass Solo-Selbstständige zent gesetzlich versichert. Die Zahl der ge- sicherung von Selbstständigen sollte nach kungen ablehnen kann. Oberhalb einer 1.487 Euro festzulegen. Der Ersatzkassen- sungsgrundlage unzureichend. häufig nebenberuflich arbeiteten und in setzlich Versicherten könnte bei einer er- Ansicht von Gesundheitsexperten ange- Höchstgrenze wirkt sich das Einkommen verband (vdek) befürwortete auch wegen Mehrere Fachleute wiesen in der Anhörung Haushalten mit einem höheren Einkom- weiterten Versicherungspflicht für Selbst- passt werden, um eine finanzielle Überfor- nicht mehr auf den GKV-Beitrag aus. Für der wachsenden Beitragsschulden von der- men lebten. ständige auf 88 Prozent steigen, was die derung der Versicherten zu verhindern und hauptberuflich Selbstständige gilt zugleich zeit rund sechs Milliarden Euro eine nach- Der Sachverständige Wolfgang Greiner von Einnahmen in dem Segment deutlich ver- mehr Gerechtigkeit in das System zu brin- eine Mindestbemessungsgrundlage von haltige Entlastung der Versicherten und der Universität Bielefeld erklärte, die größern würde. Etgeton betonte in der An- gen. In einer Anhörung des Gesundheits- monatlich rund 2.231 Euro, ab der sich der plädierte dafür, die Mindestbemessungs- Selbstständigen seien wegen ihrer schwan- hörung, wenn Selbstständige nicht mehr in ausschusses über Anträge der Fraktion Die Beitragssatz nicht weiter verringert. Für grenze bei 991 Euro festzuschreiben und kenden Einkommen nur schwer in das Bei- der Lage seien, ihre Beiträge zu zahlen, sei Linke zu dem Thema (18/9711; 18/9712) Existenzgründer und Härtefälle kann die künftig nicht mehr zwischen Selbstständi- tragssystem der GKV einzupassen. Möglich dies auch ein „Sozialstaatsversagen“. vergangene Woche erklärten Sachverständi- Grenze auf rund 1.487 Euro reduziert wer- gen und anderen freiwillig Versicherten zu wäre, „eine einkommensbezogene Bemes- Nach Ansicht des Sozialverbandes VdK zei- ge, die jetzigen Regelungen führten insbe- den. Für sonstige freiwillige Mitglieder in unterscheiden. Die damit einhergehenden sung der Beiträge möglichst zu vermeiden“ gen die Regelungen zur Beitragsbemessung sondere bei Solo-Selbstständigen mit ge- der GKV liegt die Einkommensuntergrenze Beitragsausfälle sollten aus Steuermitteln und die Beiträge risikobezogen außerhalb bei freiwillig Versicherten, dass die Finan- ringem Einkommen zu unverhältnismäßi- bei rund 991 Euro. Nach Ansicht der Links- ausgeglichen werden. Wie sich die Bei- der GKV zu erheben. Für solche Versicher- zierung zu komplex ist. Die vielen Ausnah- gen Härten. fraktion sollte die Mindestbeitragsbemes- tragsrückstände in der GKV auf die Versi- te, die dann mit der PKV-Prämie überfor- men verhinderten Beitragsgerechtigkeit. Selbstständige können sich entweder privat sung für freiwillig Versicherte und freiwillig chertengruppen verteilen, ist allerdings un- dert sind, wäre ein steuerfinanzierter Zu- Sinnvoll wäre es deswegen, alle Bürger in versichern oder freiwillig in der Gesetzli- versicherte Selbstständige auf die Geringfü- klar. Hier mangelt es nach Aussage der Ex- schuss eine Option. Eine alleinige Absen- die GKV einzubeziehen. chen Krankenversicherung (GKV), wobei gigkeitsgrenze von 450 Euro abgesenkt perten an geeigneten Daten. kung der Mindestbeitragsbemessungsgren- Der DGB erklärte, Solo-Selbstständige sei- die Private Krankenversicherung (PKV) ei- werden. Der AOK-Bundesverband bestätigte, dass ze greife jedoch zu kurz. en „unter den bestehenden Rahmenbedin- Der GKV-Spitzenverband räumte einen eine wachsende Zahl von Selbstständigen Auch der Einzelsachverständige Stefan Et- gungen mit freiwilligen Sozialversicherun- „Diskussionsbedarf“ ein. Es müsse kritisch mit ihren Einnahmen unter der Mindest- geton plädierte für eine Kombinationslö- gen im gesetzlichen System überfordert“. hinterfragt werden, ob die Rahmenbedin- bemessungsgrundlage bleibe. Vor allem die sung. Denkbar wäre neben einer Absen- Ein Gewerkschaftsvertreter gab in der An- gungen noch zeitgemäß und sachgerecht Einkommensverhältnisse der Solo-Selbst- kung des Mindestbeitrags eine Ausweitung hörung zu bedenken, dass im Zuge der Ar-

seien. Der Verband schlug vor, die Min- ständigen seien nicht zu vergleichen mit je- © picture-alliance/chromorange der Krankenversicherungspflicht für Selbst- beitsmarktreformen viele ehemals Arbeits- Weiterführende Links zu den Themen dieser Seite finden destbemessungsgrenze von 2.231 Euro ab- nen der klassischen Selbstständigen. Auf- Für viele Solo-Selbstständige sind die Ver- ständige in der GKV. Derzeit seien 43 Pro- lose „in eine prekäre Selbstständigkeit ge- Sie in unserem E-Paper zuschaffen und für hauptberuflich Selbst- grund der komplexen Problematik sei je- sicherungskosten zu hoch. zent der Selbstständigen privat und 57 Pro- flohen“ seien. Claus Peter Kosfeld T Das Parlament - Nr. 13 - 27. März 2017 WIRTSCHAFT UND FINANZEN 7

KURZ NOTIERT

Koalition will Ausgaben für Forschung erhöhen Die Bundesregierung soll ihre Hightech- Strategie weiter ausbauen und gemein- sam mit den Ländern und der Wirtschaft für höhere Ausgaben für Forschung und Entwicklung sorgen. Das im Jahr 2015 in Deutschland erreichte Ziel eines Anteils für Forschung und Entwicklung von drei Prozent am Bruttoinlandsprodukt soll bis zum Jahr 2025 auf 3,5 Prozent angeho- ben werden, fordern die Koalitionsfrak- tionen CDU/CSU und SPD in einem An- trag (18/11594), der am Donnerstag vom Bundestag mit Koalitionsmehrheit beschlossen wurde.. Die Fraktionen set- zen sich unter anderem für eine mittel- fristige Erhöhung der Mittel für das Zen- trale Innovationsprogramm Mittelstand auf 700 Millionen Euro ein. hle T

»Engagierter Ruhestand« für Postbeamte

Beamte in Postnachfolgeunternehmen sollen weiterhin abschlagsfrei ab dem vollendeten 55. Lebensjahr in den Ruhe- stand gehen können. Voraussetzung da- für ist, dass die Beamten mindestens zwölf Monate Bundesfreiwilligendienst oder eine vergleichbare ehrenamtliche Tätigkeit leisten („Engagierter Ruhe- stand“). Dies sieht ein Gesetzentwurf der Bundesregierung (18/11559) vor, der am Donnerstag im vereinfachten Verfah- ren überwiesen wurde. Mit dem Entwurf Deutsche Fahrzeughalter müssen wohl künftig eine Jahresvignette erwerben, deren Kosten mit der Kfz-Steuer verrechnet werden. Ausländer müssen für die Benutzung von Autobahnen Mautgebühren bezahlen. © picture-alliance soll die bisherige Vorruhestandsrege- lung, die Ende 2016 auslief, bis Ende 2020 verlängert werden. Sie gilt für Be- amte in Postnachfolgeunternehmen und der Bundesanstalt für Post und Telekom- munikation. Voraussetzung ist, dass für die betroffenen Beamten „keine Verwen- dungsmöglichkeit mehr besteht“. scr T Ganz kurz vor dem Ziel Kampf gegen Geldwäsche wird weiter verschärft PKW-MAUT Klare Zustimmung des Bundestages trotz Protesten der Opposition und Skepsis der SPD

Die Bundesregierung will den Kampf ge- gen die Geldwäsche intensivieren. Dazu ast geschafft. Das hoch umstrit- Grundausstattung von jährlich zehn Milli- gene Woche auch bei diversen Expertenan- keine Grenzkontrollen gebe. Während die hafen, nannte die Prognose des Ministeri- hat sie den Entwurf eines Gesetzes zur tene und vor allem von der CSU arden Euro erhalten. Mit dem Prinzip: Wer hörungen gezeigt. Vor allem ging es dabei Gesamtzahl in den Schätzungen kaum ums hingegen plausibel. Sie sei konservativ Umsetzung der Vierten EU-Geldwäsche- seit Beginn der Legislaturperi- nutzt , der zahlt, schaffe man zudem „end- um die Frage: Was bringt die Maut? Ist sie voneinander abwichen, gebe es erhebliche gerechnet und enthalte einen Abschlag von richtlinie, zur Ausführung der EU-Geld- ode verfolgte Projekt einer Pkw- lich Gerechtigkeit auf unseren Straßen“. europarechtskonform? Unterschiede, was die Zahl der betroffenen 25 Prozent. Was die Tagesreisen ohne transferverordnung und zur Neuorgani- Maut hat eine entscheidende Deutlich weniger begeistert war Herbert Gerade die Einnahmeprognosen differie- Pkw angeht, sagte Ratzenberger. Übernachtung angeht, so könne niemand sation der Zentralstelle für Finanztrans- Hürde genommen. Der Bundes- Behrens (Die Linke). Er sprach von einer ren erheblich. Das Verkehrsministerium Und in der Tat: 1.000 EuD ausländischer die genaue Zahl benennen. Das BMVI, so aktionsuntersuchungen (18/11555) ein- Ftag verabschiedete vergangenen Freitag mit „Ausländermaut“, die mit erheblichem (BMVI) geht von Mauteinnahmen durch Pkw könnten sich auf fünf Fahrzeughalter Schulz, habe seine Ansätze für die Tagesrei- gebracht, der am Donnerstag vom Bun- den Stimmen der Koalition und bei Ableh- Aufwand und viel Bürokratie verbunden ausländische Pkw in Höhe von 834 Millio- beschränken, die aus Arbeitsgründen 200 sen ohne Übernachtung durch einen Ana- destag an die Ausschüsse überwiesen nung der Opposition Gesetzentwürfe der sei, und die am Ende „möglicherweise ein nen Euro aus, die nach Abzug der System- Tage pro Jahr nach Deutschland fahren, ei- logieschluss aus den empirisch ermittelten wurde. Danach müssen strengere Vorga- Bundesregierung (18/11235, 18/11237, Minusgeschäft ist“. kosten von 211 Millionen Euro sowie der ne Jahresvignette im Wert von durch- Zahlen für Tagesreisen mit Übernachtung ben beachtet werden, etwa bei grenz- 18/11536, 18/11560) zur Alles andere als enthusias- Kosten für die zusätzliche schnittlich 70 Euro kaufen hergeleitet. überschreitenden Korrespondenzbezie- Änderung des Maut-Geset- tisch zeigte sich auch SPD- Steuerentlastung in Höhe und so 350 Euro als Ein- hungen. Außerdem werden eine Zentral- zes, das aufgrund des 2015 »Ein Sys- Fraktionsvize Sören Bartol. von 100 Millionen Euro zu »Die SPD nahme generieren. Das an- Europarecht Einen Schlagabtausch unter stelle für Finanztransaktionsuntersu- durch die EU-Kommission „Die SPD stimmt unter einer Nettoeinnahme von dere Extrem: Es kommen Wissenschaftlern gab es auch in Sachen Eu- chungen und ein Transparenzregister eingeleiteten Vertragsverlet- temwechsel großen Bauchschmerzen 524 Millionen Euro führen. stimmt 1.000 verschiedene Pkw für roparecht. Professor Franz Mayer von der eingerichtet. hle T zungsverfahrens derzeit der Pkw-Maut zu“, sagte er. Laut dem Verkehrswissen- einen Tag nach Deutsch- Universität Bielefeld hält die Abgabe „nach keine Anwendung findet. von der Sie tue dies, weil die Maut schaftler Ralf Ratzenberger unter großen land, die jeweils eine Tages- wie vor für europarechtswidrig“. Noch im- Mit den Änderungen wird Steuer- zur im Koalitionsvertrag ent- ist hingegen im ersten Jahr Bauch- vignette zum durchschnitt- mer würden nur Inländer entlastet und da- Dorfläden sollen weniger ein zwischen EU-Kommis- halten sei und die SPD nach Einführung mit ei- lichen Preis von 12 Euro her Ausländer diskriminiert. Professor streng geprüft werden sion und Bundesregierung Nutzerfi- „vertragstreu und ein ver- nem Minus von 71 Millio- schmerzen der kaufen und somit für satte Christian Hillgruber von der Universität Ende 2016 gefundener nanzierung.« lässlicher Partner ist“. nen Euro zu rechnen. In Pkw-Maut zu.« 12.000 Euro an Einnah- Bonn widersprach. Es liege keine mittelba- Bürgerinitiativen sollen leichter Unter- Kompromiss umgesetzt. Alexander Dobrindt (CSU), Für , Frakti- den folgenden Jahren sei Sören Bartol men sorgen. re Diskriminierung von Ausländern vor, nehmen wie beispielsweise Dorfläden Das Vertragsverletzungsver- Verkehrsminister onsvorsitzender der Grü- mit einer Erhöhung des (SPD) Um diese Spannweite ein- weshalb die Pkw-Maut auch nicht europa- gründen und führen können. Zu diesem fahren wird ausgesetzt – ge- nen, ist jedoch auch das Verlustbetrages zu rechnen, zuschränken, würden Prog- rechtswidrig sei. Hillgruber verwies auf die Zweck hat die Bundesregierung einen änderten Preisen für Kurz- kein Grund, „den größten sagte er vor dem Verkehrs- nosewerte genutzt, sagte Eurovignetten-Richtlinie, laut der ein ange- Gesetzentwurf (18/11506) „zur Erleich- zeitvignetten und einer stärkeren Steuer- Unsinn mitzumachen“. Die Große Koaliti- ausschuss. Ratzenberger. Das Ministerium gehe von messener Ausgleich zur Mauterhebung – terung unternehmerischer Initiativen aus entlastung für umweltschonende Euro- on sei Beute einer kleinen Provinzpartei Die erheblichen Unterschiede bei den Ein- 19,2 Millionen Fahrzeugen aus, die eine ei- auch über die Kfz-Steuer – möglich sei. bürgerschaftlichem Engagement und 6-Fahrzeuge sei Dank. Deutschen Fahr- aus Bayern, befand er und warf den Abge- nahmeschätzungen durch ausländische gene Vignette kaufen müssten. Eine un- Das geänderte Mautgesetz muss nun noch zum Bürokratieabbau bei Genossen- zeughaltern werden die Mautkosten – wie ordneten von CDU und SPD vor, „Teil ei- Pkw-Fahrer (BMVI: 834 Millionen Euro, plausible Annahme, wie der Experte urteil- in den Bundesrat, dessen Zustimmung schaften“ eingebracht, der am Donners- geplant –- über die Kfz-Steuer erstattet. ner peinlichen Posse“ zu sein. Ratzenberger 276 Millionen Euro) erklärte te. Seiner Schätzung nach liege die Zahl zwar nicht benötigt wird, der aber durch tag überwiesen wurde. Kern sind verein- Bundesverkehrsminister Alexander Dob- Etwas verstört durch die Aussagen des SPD- Ratzenberger mit unterschiedlichen Prog- bei 7,8 Millionen Fahrzeugen, da insbe- Anrufung des Vermittlungsausschuss das fachte Prüfungsanforderungen für kleine rindt (CSU) war zufrieden. „Das ist ein Fraktionsvizes wirkte Steffen Bilger (CDU). nosewerten in Bereichen, für die es keine sondere im „kleinen Grenzverkehr“ ein Verfahren verzögern könnte. Zudem stehen Genossenschaften, da diese die hohen echter Systemwechsel von der Steuerfinan- Es sei falsch, all das schlecht zu reden, was empirischen Grundlagen gebe. Dies beträfe und dasselbe Fahrzeug mehrfach deutsche noch immer Klagen einiger Nachbarländer Kosten für Prüfungen oft nur schwer auf- zierung der Infrastruktur zur Nutzerfinan- gemeinsam erreicht worden sei, sagte er. vor allem die Zahl an Ein- und Durchfahr- Straßen nutze. vor dem Europäischen Gerichtshof im bringen könnten. pst T zierung“, sagte er während der Debatte. Wie weit die Meinungen in Sachen Pkw- ten (EuD) von Ausländern ohne Über- Wolfgang H. Schulz, Verkehrswissenschaft- Raum. Verkehrsminister Dobrindt ist also Damit werde der Verkehrsetat künftig eine Maut auseinandergehen, hatte sich vergan- nachtung, die nicht erfasst würden, da es ler an der Zeppelin Universität Friedrichs- noch nicht am Ziel. Götz Hausding T

Zahlung mit Plastikgeld gebührenfrei Kritik an Bund-Länder-Finanzreform FINANZEN Bei Kartenverlust und Betrug werden die Kunden besser geschützt HAUSHALT Wenig Unterstützung für Regierungsvorschlag zu den Finanzbeziehungen Barzahlen gilt heute als uncool. Ob im Su- bei der Beweislast zu Gunsten der Kunden: die bisher in einem „aufsichtsrechtlichen Die geplante Reform der Bund-Länder-Fi- sich auch im Detail nicht von der vorge- finanzstarke Länder überproportional „be- permarkt, in der Bahn oder beim Shoppen Künftig müsse der Zahlungsdienstleister Graubereich“ angesiedelt gewesen seien, in nanzbeziehungen ist bei einer Sachverstän- schlagenen Regelungen überzeugt. Die lohnt“, finanzschwache Länder wiederum im Internet: Überall wird mit Plastikgeld unterstützende Beweismittel vorlegen, um die Regulierung einbeziehen. Sie werden digenanhörung vergangene Woche über- Neufassung des Artikel 107 Grundgesetz, „bestraft“. bezahlt. Allerdings werden besonders bei Betrug oder grobe Fahrlässigkeit des Nut- der Aufsicht der Bundesanstalt für Finanz- wiegend auf Kritik gestoßen. Die beiden der den Finanzausgleich regelt, sei „hoch- Joachim Wieland (Lehrstuhl für Öffentli- Zahlungen im Internet zum Teil hohe Ge- zers nachzuweisen. Fehlüberweisungen dienstleistungsaufsicht (BaFin) unterstellt. Gesetzespakete der Bundesregierung gradig unklar“. Die Normen zu den Bun- ches Recht, Finanz- und Steuerrecht, Deut- bühren erlangt. Damit soll jedoch bald von Kunden sollen einfacher zurückgeholt Wie die Regierung erläutert, bauen beide (18/11131, 18/11135) sehen – neben um- desergänzungszuweisungen seien „fast sche Universität für Verwaltungswissen- Schluss sein. werden können. Dienste auf dem Internet-Banking der Kre- fangreichen weiteren Vorhaben – zahlrei- vollständig missglückt“. Korioth warnte vor schaften Speyer) bewertete die Reformvor- Der Bundestag überwies vergangenen Don- Außerdem will die Regierung mit dem Ent- ditinstitute auf. Sie würden Datensätze che Änderungen im Grundgesetz, im „unabsehbaren Folgen für den kommuna- schläge positiver. Die Solidarität zwischen nerstag den von der Bundesregierung vor- wurf sogenannte Zahlungsauslösedienst- zwischen Kunden und Kreditinstituten Maßstäbegesetz und im Finanzausgleichs- len Finanzausgleich in den Ländern“ durch den Ländern im bisherigen System sei „an gelegten Entwurf eines Gesetzes zur Umset- leister und Kontoinformationsdienstleister, meist über das Internet übermitteln, ohne gesetz vor. Der bisherige Umsatzsteuervor- die geplanten Ergänzungszuweisungen für ihre Grenzen gestoßen“. „Die Neuregelung zung der Zweiten Zahlungsdiensterichtinie selbst in den Besitz von Kundengeldern zu wegausgleich soll ebenso wie der direkte, leistungsschwache Länder mit besonders verspricht die Reduzierung von Komplexi- (18/11495) an die zuständigen Ausschüsse. kommen. Bei einem Zahlungsauslöse- horizontale Finanzausgleich zwischen den schwach ausgestatteten Kommunen (Ge- tät, Solidaritätsanforderungen und Streit- Die Neuregelung sieht vor, dass Händler in dienst können Kunden den Dienstleister Ländern („Geber- und Nehmerländer“) meindesteuerkraftzuweisung). anfälligkeit. Der Preis dafür ist ein Erstar- Zukunft keine gesonderten Gebühren beauftragen, für sie bei ihrer Bank eine wegfallen. Stattdessen soll die Finanzkraft ken der Rolle des Bundes“, schrieb Wie- mehr für Kartenzahlungen, Überweisungen Überweisung auszulösen, wenn sie zum der Länder über Zu- und Abschläge bei der Gleichwertigkeit Thomas Lenk (Institut land in seiner Stellungnahme. und Lastschriften verlangen dürfen. Die Beispiel im Online-Shop eines Händlers Umsatzsteuerverteilung sowie über Bun- für Öffentliche Finanzen und Public Ma- Der Bundesrechnungshof warnte in seiner Regelung soll europaweit gelten. „Hierzu eingekauft hätten. desergänzungszuweisungen ausgeglichen nagement, Universität Leipzig) prognosti- Stellungnahme vor Fehlanreizen in Hin- gehören insbesondere die gängigsten Kar- Mit dem Entwurf soll sichergestellt wer- werden. Die Vorschläge gehen auf eine Ei- zierte, dass das verfassungsrechtliche Ziel blick auf die finanzielle Eigenverantwor- tenzahlverfahren in der Bundesrepublik den, dass die Verbraucher diese neuen nigung der Länder untereinander sowie der Herstellung gleichwertiger Lebensver- tung der Länder durch die Stärkung des Deutschland“, heißt es in der Begründung Dienste auch nutzen können, wenn sie ein zwischen Bundesregierung und Länder- hältnisse mit dem neuen System nicht er- vertikalen Finanzausgleiches. Zudem übte zum Umfang der in Zukunft gebührenfrei- Online-Konto haben. Die Dienstleister chefs zurück. reicht werde. Schon jetzt sei ein Auseinan- der Rechnungshof Kritik an den geplanten en Zahlungsmöglichkeiten. wiederum müssen sicherstellen, dass Zu- Entschieden gegen das Reformvorhaben derdriften zwischen einnahmestarken und Bundeszuweisungen zum Forschungsförde- gangs- und Kontodaten der Kunden ge- sprach sich der Rechtswissenschaftler Ste- einnahmeschwachen Ländern aufgrund rungsausgleich und den Sonderbedarfszu- Haftung reduziert Zugleich wird die Haf- schützt sind. Bei Zahlungen im Internet fan Korioth (LMU München) aus. „Die des Auslaufens des Solidarpakets sichtbar. weisungen für politische Führung. scr T tung der Verbraucher für nicht autorisierte müssen Zahlungsdienstleister künftig bei Normen des Entwurfs sollten nicht gelten- Im neuen System werde dieser Trend nur Zahlungen von derzeit höchstens 150 auf risikoreichen Zahlungen für eine „starke des Verfassungsrecht werden“, schrieb Ko- abgeschwächt. Damit entstehe künftig ein 50 Euro herabgesetzt. Lastschriften ließen Kundenauthentifizierung“ sorgen. Das be- rioth in seiner Stellungnahme zu den ge- Risiko für den Bund, der für den Ausgleich sich bisher schon innerhalb von acht Wo- deute, dass sich der Kunde über mindes- planten Grundgesetzänderungen. Der Ver- sorgen müsse, sagte Lenk. Um grundsätz- chen zurückholen. Dieses Erstattungsrecht tens zwei Komponenten (zum Beispiel zicht auf einen direkten Ausgleich der Län- lich an das Problem ranzugehen, schlug Weiterführende Links zu den wird jetzt gesetzlich verankert und gilt eu- © picture-alliance/dpa Karte und Transaktionsnummer) legitimie- der untereinander wäre eine „äußerst un- der Finanzwissenschaftler vor, die Steuer- Themen dieser Seite finden ropaweit. Zudem gibt es Veränderungen Immer beliebter: Zahlen mit Karte ren muss. hle T glückliche Entscheidung“. Korioth zeigte zuordnung neu zu regeln. Aktuell würden Sie in unserem E-Paper 8 WIRTSCHAFT UND FINANZEN Das Parlament - Nr. 13 - 27. März 2017

ine „Menschheitsaufgabe“ , ein „Testfall für die Demokratie“, AUS PLENUM UND AUSSCHÜSSEN das „schwierigste Infrastruktur- projekt in der Geschichte unse- res Landes“ – mit großen Wor- Beschleunigter Hochwasserschutz ten geizten die Redner bei der Eabschließenden Debatte zur Novelle des Der Startschuss UMWELT Die Einführung neuer Gebietskate- ministerium für Umwelt und Landwirtschaft. Standortauswahlgesetzes nicht. Die Suche gorien im Bereich des Hochwasserschutzes Die Einführung von Risikogebieten und Hoch- nach einem Endlager für hochradioaktive stößt bei Experten auf ein geteiltes Echo. Dies wasserentstehungsgebieten in der sächsischen Abfälle aus deutschen Atommeilern ist in ENDLAGER CDU/CSU, SPD und Grüne bringen Neustart wurde vergangene Woche bei einer Sachver- Gesetzgebung hätten sich aber bewährt. der Tat ein Projekt von eigentlich nicht ständigen-Anhörung des Umweltausschusses Die Juristin Miriam Vollmer warf die Frage auf, vorstellbaren Dimensionen. Der zu finden- der Endlager-Suche auf den Weg. Linke kritisieren deutlich. Die Gebietskategorien „Risikogebiete „ob sich die grundsätzlich wünschenswerten de Standort soll, so steht es aktuell im außerhalb von Überschwemmungsgebieten“ Änderungen negativ auf den Städtebau aus- Standortauswahlgesetz (StandAG), die mangelnde Einbindung der Anti-Atominitiativen sowie „Hochwasserentstehungsgebiete“sind wirken“. Das Risikogebiet sei nicht hinrei- „bestmögliche Sicherheit für einen Zeit- Teil eines Gesetzentwurfs der Bundesregierung chend abgegrenzt, sagte sie und verwies auf raum von einer Millionen Jahren gewähr- zur „Verbesserung des Hochwasserschutzes die Restriktionen für Bauleitplanung und Bau- leisten“. Das seien mehr als 30.000 und zur Vereinfachung von Verfahren des weise in dieser Gebietskategorie. Problema- Menschheitsgenerationen, die noch von Hochwasserschutzes“ (18/10879). tisch sei auch, dass die Gebietskategorie den Folgen des gerade einige Jahrzehnte In „Risikogebieten“ sollen unter anderem „Hochwasserentstehungsgebiet“ von den Län- kurzen Atomzeitalters betroffen sein wer- Neuregelungen für ein „hochwasserangepass- dern definiert würde. Eine „Rechtszersplitte- den, rechnete Bundesumweltministerin tes Bauen“ sowie ein Verbot neuer Heizölver- rung“ und Rechtsunsicherheit sei zu befürch- Barbara Hendricks (SPD) während der De- brauchsanlagen gelten. Für Hochwasserentste- ten, sagte Vollmer. batte vergangenen Donnerstag vor. Das zei- hungsgebiete legt der Entwurf neue Genehmi- Sinnvoller als die geplanten Hochwasserent- ge, welch ein „Irrweg“ die Nutzung der gungsauflagen für Bauvorhaben fest. Die Ge- stehungsgebiete seien gezielte Regenwasser- Kernenergie gewesen sei. setzesnovelle zielt insgesamt darauf ab, die rückhaltemaßnahmen in den Kommunen, kriti- Das StandAG, das durch den in geänderter Planung, Genehmigung und Durchführung von sierte Steffen Pingen vom Deutschen Bauern- Fassung verabschiedeten Gesetzentwurf Hochwasserschutzmaßnahmen zu erleichtern verband. Die Auflagen für Risikogebiete für be- (18/11398, 18/11647) novelliert wird, re- und zu beschleunigen, etwa durch eine Verkür- reits bestehende landwirtschaftliche Anlagen gelt im Detail allerdings vor allem einen zung des Rechtswegs. seien kaum umsetzbar. vergleichsweise überschaubaren Zeitraum, Gerhard Spilok vom baden-württembergischen Der Jurist Kurt Faßbender (Universität Leipzig) nämlich die Suche nach einem Standort. Umweltministerium kritisierte, dass der Ent- sagte, dass baurechtliche Vorgaben in Hoch- Wie lange das Verfahren dauern mag, weiß wurf sogenannte „Abwägungsbelange“ au- wassergebieten in der Praxis häufig nicht be- so recht niemand zu prognostizieren. In ßerhalb der Risikogebiete vorsehe. Dadurch achtet würden. Er hoffe, dass die Novelle die- der Gesetzesnovelle heißt es inzwischen, könnten in einem Genehmigungsverfahren ge- ses Vollzugsdefizit beende. dass ein Beschluss über den Standort für fährdungsrelevante Punkte wie etwa nachteili- Als Vertreter der Bundesvereinigung der kom- 2031 „angestrebt“ wird. Im ursprünglichen ge Auswirkungen auf Oberlieger und Unterlie- munalen Spitzenverbände sagte Otto Huter, StandAG war der Beschluss für 2031 noch ger „weggewogen“ werden. dass die Gesetzesnovelle den Vorsorgegedan- als Soll-Norm festgeschrieben. „Es gibt keinen absoluten Hochwasserschutz“, ken stärke. Zudem erlaube sie den Kommunen, Damit setzt die Novelle gewissermaßen ei- betonte Ulrich Kraus vom Sächsischen Staats- langfristige Lösungen umzusetzen. eb T ne Erkenntnis der „Kommission Lagerung hoch radioaktiver Abfallstoffe“ (Endlager- Kommission) um. Diese hatte in ihrem Abschlussbericht aus dem Sommer vergan- genen Jahres die bisherige Zeitplanung als Haftung beim autonomen Fahren „unrealistisch“ bezeichnet und selbst keine Schätzungen zur Zeitplanung abgegeben. VERKEHR Die von der Bundesregierung beab- werden, was eine „bestimmungsgemäße Ver- Das Verfahren müsse zügig durchgeführt sichtigte Anpassung der Straßenverkehrsord- wendung“ bedeute. werden, dürfe aber nicht zulasten von Si- nung an die Möglichkeiten des automatisier- Volker Lüdemann (Hochschule Osnabrück) be- cherheit und Öffentlichkeitsbeteiligung ge- ten Fahrens hat prinzipiell die Zustimmung mängelte, der Gesetzentwurf schaffe „keine hen. von Experten gefunden. Allerdings warteten hinreichende Sicherheit für Autofahrer“. Bei die Sachverständigen bei einer öffentlichen aller Bereitschaft zur Konkretisierung bleibe Mehrstufiges Verfahren Wesentlich spe- Anhörung des Ausschusses für Verkehr und di- die „Grundproblematik“, dass der Fahrer die zifischer konnte der von CDU/CSU, SPD gitale Infrastruktur verganene Woche mit einer Systeme ständig überwachen müsse, um die und Bündnis 90/Die Grünen eingebrachte Reihe von kritischen Anmerkungen zum Ge- Steuerung nach Aufforderung oder im Notfall Entwurf Empfehlungen der Kommission setzentwurf zur Änderung des Straßenver- „unverzüglich“ übernehmen zu können. Es zu Kriterien und Ablauf des Verfahrens kehrsgesetzes (18/11300) auf. werde immer darüber gestritten werden kön- umsetzen. So sollen zunächst Standorte Jürgen Bönninger (FSD Fahrzeugsystemdaten nen, ob die „erforderliche Grundaufmerksam- obertägig erkundet werden, dann untertä- -Gegner protestierten vergangene Woche vor dem Reichstagsgebäude. © picture-alliance/Kay Nietfeld/dpa GmbH) kritisierte, wie die Verantwortlichkeit keit“ vorgelegen habe. gig, bis zum Schluss aus dem Vergleich von zwischen Fahrer und System geregelt werden Der ADAC unterstütze das Gesetzesvorhaben, mindestens zwei möglichen Standorten soll. Es würden „völlig einseitig“ nur die da vom automatisierten Fahren „eine positive derjenige Standort mit der „bestmöglichen sen gefordert hatten. Die „Weiße Landkar- und mittelradioaktiver Abfälle sollen nur (CDU). Der Bundestagspräsident habe Pflichten des Fahrzeugführers angesprochen, Wirkung auf die Verkehrssicherheit und die Sicherheit“ ausgewählt wird. Der Suchpro- te“ bedeutet auch, dass in allen potentiel- dann am gefundenen Standort gelagert „sehr große Skepsis“ gehabt gegenüber der „ohne auf der anderen Seite klarzustellen, Leistungsfähigkeit des Straßenverkehrs zu er- zess soll durch eine umfangreiche Beteili- len Wirtsgesteinen – Salz, Ton, Kristallin/ werden, wenn die gleiche „bestmögliche von Miersch mit vorgeschlagenen Endla- welche Tätigkeiten der Fahrzeugführer wäh- warten“ sei, sagte Markus Schäpe. Wichtig sei, gung der Öffentlichkeit transparent gestal- Granit – gesucht wird. Das ärgert manchen Sicherheit“ gewährleistet ist ger-Kommission. Die Arbeit habe sich aber rend der Nutzung der hoch- und vollautomati- dass der Gebrauch nur im Rahmen der „be- tet werden. Dazu sieht die Novelle vor, in in Bayern und Sachsen. Dort hält man das Die Debatte im Bundestag war entspre- gelohnt, sagte Miersch. sierten Fahrfunktion ausüben darf“. Es handle stimmungsgemäßen Verwendung“ erlaubt sei. den betroffenen Regionen und überregio- vor allem in ihren Bundesländern vorhan- chend eines von drei Fraktionen einge- sich um eine „Enthaftungsnorm für Fahrzeug- Absicht der Bundesregierung ist es, die Grund- nal besondere Gremien einzurichten. dene Gestein per se für ungeeignet. brachten Entwurfs von großer Einigkeit Linke dagegen Einzig die Linken übten hersteller.“ lagen für das automatisierte Fahren zu schaf- Schon am Arbeiten ist das „Nationale Be- Damit potentielle Standorte nicht durch und gegenseitigen Lobs geprägt. Baden- Kritik an dem Entwurf und stimmte dage- Joachim Damasky (Verband der Automobilin- fen und das Zusammenwirken zwischen dem gleitgremium“, das in vorläufiger Form im andersartige Vorhaben unbrauchbar ge- Württembergs Ministerpräsident Winfried gen. Er sei zwar ein Fortschritt, die „grund- dustrie/VDA) sah in der Haftungsfrage einen Fahrzeug mit der hoch- oder vollautomatisier- vergangenen Jahr eingerichtet wurde. Auch macht werden, sieht die Novelle Siche- Kretschmann (Bündnis 90/Die Grünen) sätzliche Mängel“ seien aber nicht besei- Dreh- und Angelpunkt des Gesetzentwurfs. Ei- ten Fahrfunktion und dem Fahrer zu regeln. Es die Neuordnung der behördlichen Zustän- rungsvorschriften vor, die im parlamentari- zeigte sich dankbar, „dass wir diesen Ge- tigt, sagte Hubertus Zdebel. Ohne Einbin- ne Änderung der gegenwärtigen Regelungen soll klargestellt werden, dass der Betrieb von digkeiten befindet sich schon in der Um- schen Verfahren nachgeschärft wurden. setzentwurf in einem nationalen Konsens dung der weiterhin kritischen Anti-Atom- sei nicht erforderlich. Die Hersteller müssten Kraftfahrzeugen mittels hoch- und vollauto- setzungsphase. Ebenfalls auf Grundlage eines Änderungs- verabschieden, in einem Konsens zwischen initiativen könne eine konsensgetragene die Kunden ohnehin über Verwendung und matisierter Fahrfunktion „im Rahmen der be- Das Suchverfahren soll auf einer „Weißen antrags der drei Fraktionen zu ihrem eige- Bund und Ländern, aber auch in einem Endlager-Suche nicht beginnen. Das vorge- Leistungsgrenzen der Systeme informieren. stimmungsgemäßen Verwendung“ zulässig Landkarte“ stattfinden. Das heißt vor al- nen Gesetzentwurf erfolgte eine Klarstel- parteiübergreifenden Konsens“. Steffen Ka- sehene Exportverbot sowie der Rechtschutz Eric Hilgendorf (Universität Würzburg) merkte ist. Der Fahrer bleibt der Fahrer, wie überdies lem: Gorleben bleibt weiter im Rennen, lung, was eigentlich gesucht wird. Bisher nitz (CDU) warb für eine „Kultur der Ver- seien unzureichend. „Die Halbwertzeit die- an, dass die Hersteller verpflichtet werden herausgestellt werden soll: „Während der au- sehr zum Ärger zahlreicher Anti-Atomini- hieß es, es werde ein Endlager für „insbe- antwortung“. Die „Protestkultur“ müsse ser Gesetzesnovelle wird nicht besonders müssten, die Informationen über die Assistenz- tomatisierten Phase wird der Fahrzeugführer tiativen, die, wie auch die Fraktion Die Lin- sondere hochradioaktive Abfälle“ gesucht. nun schweigen. Matthias Miersch (SPD) lang sein; denn die Probleme bleiben“, systeme nicht im Kleingedruckten zu versteck- nicht durch das hoch- oder vollautomatisierte ke, das Aus für den Standort in Niedersach- Insbesondere ist nun gestrichen. Schwach- wandte sich direkt an Norbert Lammert sagte Zdebel. Sören Christian Reimer T ten. Den Nutzern müsse deutlich gemacht System ersetzt.“ fla T

Abgabe für Gas Weiter Gelder für Euratom Netzentgelt neu geregelt bleibt ermäßigt WIRTSCHAFTIKoalition verteidigt Atombehörde und Brennstäbe-Produktion WIRTSCHAFTIIKürzungen bei WK-Anlagen FINANZEN Die Energiesteuerermäßigung Ein von der Opposition geforderter euro- herrschbar gegolten, sagte Ulrich. Die Ent- Die Bundesregierung will das System der entgelte“, erläutert die Regierung die Hin- von Erdgaskraftstoff soll beibehalten wer- paweiter Atomausstieg findet im Bundestag wicklung seither habe das Gegenteil ge- sogenannten Netzentgelte modernisieren tergründe. Der Anstieg der dezentralen den. Eigentlich wäre die Steuerbegünsti- gegenwärtig keine Mehrheit. Grüne und zeigt. Dass Euratom Sicherheit garantiere, und hat dafür den Entwurf eines Gesetzes Erzeugung habe jedoch zunehmende gungen für komprimiertes und verflüssig- Linke scheiterten am Donnerstag mit meh- sei ein Placebo. Wer den deutschen Atom- zur Modernisierung der Netzentgeltstruk- Netzkosten verursacht. Denn dezentrale tes Erdgas sowie für Flüssiggas Ende des reren Vorstößen zu diesem Thema. Zwei ausstieg ernsthaft betreiben wolle, dürfe für tur (Netzentgeltmodernisierungsgesetz, Erzeugung werde zunehmend nicht mehr Jahres 2018 ausgelaufen. Mit dem Entwurf Anträge der Grünen wie auch ein Antrag Euratom keine Steuergelder mehr bereit- 18/11528) eingebracht. Der Entwurf wurde vor Ort verbraucht, sondern über die vor- eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des der Linken wurden mit der Mehrheit der stellen. am Donnerstag vom Bundestag an die zu- gelagerten Netzebenen in den Markt ge- Energiesteuer- und des Stromsteuergesetzes Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD Barbara Lanzinger (CSU) bezeichnete die ständigen Ausschüsse überwiesen. bracht. (18/11493) will die Bundesregierung ei- abgelehnt. Ein weiterer Antrag der Linken Darstellung der Antragsteller, Euratom sei Vorgesehen ist, dass die Zahlungen aus nem Gesetzgebungsauftrag des Bundesta- wurde an die zuständigen Ausschüsse eine Atomkraftförderungsmaschinerie, als vermiedenen Netzentgelten schrittweise Immer mehr Strom dezentral Daher sol- ges nachkommen und die Energiesteuerer- überwiesen. falsch. Euratom habe sich in den vergange- auslaufen sollen. Zahlungen aus vermie- len die vermiedenen Netzentgelte zunächst mäßigung grundsätzlich fortführen. Die nen Jahren weiterentwickelt, und die Si- denen Netzentgelten erfolgen an jene Er- eingefroren und dann schrittweise redu- Steuerbegünstigung für Compressed Natu- Vertragskündigung verlangt In ihrem cherheit kerntechnischer Anlagen sei ver- zeugungsanlagen, die unterhalb der ziert werden. „Perspektivisch ist vorgese- ral Gas (CNG) und Liquefied Natural Gas ersten Antrag (18/8242) forderten die bessert worden. Mit den Anträgen werde Höchstspannungsnetze angeschlossen hen, das Instrument der Entgelte für de- (LNG) wird bis Ende 2026 verlängert, soll Grünen eine grundsätzliche Reform des versucht, den anderen EU-Ländern zu dik- sind. Da diese direkt in ein nachgelager- zentrale Erzeugungsanlagen, die aus den aber bereits ab 2024 sukzessive sinken. Euratom-Vertrages. Gelinge diese nicht, tieren, wie sie ihre Energiepolitik zu gestal- tes Netz einspeisen, werden in diesem Netzentgelten finanziert werden, bis zum Außerdem gibt es in dem am Donnerstag müsse Deutschland seinerseits den Vertrag ten hätten. Nach Meinung Lanzingers im- Umfang Netzentgelte gespart. „Ohne die- Jahr 2030 abzuschaffen“, heißt es im Ge- vom Bundestag an die Ausschüsse überwie- kündigen. Der Ausschuss für Wirtschaft plizieren die Anträge eine europafeindliche se direkte Einspeisung würde der Strom setzentwurf. Unter Berufung auf Angaben

senen Gesetzentwurf Neuregelungen im und Energie hatte die Ablehnung des An- © picture-alliance/dpa Haltung. Euratom sei schließlich einer der aus der vorgelagerten Netz- oder Um- der Bundesnetzagentur schreibt die Regie- Bereich der Elektromobilität. Zum Beispiel trags empfohlen (18/8439). Der zweite Produziert weiter: URENCO in Gronau Grundsteine der EU und nach wie vor spannebene bezogen, wofür deren Netz- rung, die Summe der vermiedenen Netz- sollen im Öffentlichen Personennahver- Antrag der Grünen, Brennstofflieferungen sinnvoll. Ein Ausstieg aus dem Vertrag füh- entgelt zu entrichten gewesen wäre. Da- entgelte für Kraft-Wärme-Kopplungsanla- kehr eingesetzte Elektro- und Plug-in-Hy- für die belgischen Atomkraftwerke Doel re definitiv nicht zu mehr Sicherheit, son- raus ergeben sich dann vermiedene Netz- gen (KWK) habe 2015 rund 700 Millionen bridbusse steuerlich mit dem bereits geför- und Tihange zu stoppen (18/9676) wurde form des Euratom-Vertrages und den da- dern zu weniger Verantwortung auf Seiten Euro betragen. Die Regierung erwartet von derten Schienenbahn- und Oberleitungs- auf Empfehlung des Ausschusses für Um- mit verbundenen weiteren Prozess. Be- Deutschlands. dem Gesetz eine Reduzierung der Netzkos- omnibusverkehr gleichgesetzt werden. Da- welt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicher- stimmte Elemente des Vertrages sollten Sylvia Kotting-Uhl (Grüne) sagte, Euratom ten und damit mittelbar auch Einsparun- mit werde der technologischen Entwick- heit (18/10934) abgelehnt. Die Linke for- aus sicherheitspolitischen und aus Grün- sei zur Entwicklung einer mächtigen Kern- gen für private Verbraucher und Unterneh- lung im Verkehrssektor Rechnung getragen, derte in ihrem abgelehnten Antrag den den der Gesundheitsschutzvorsorge auf- industrie gegründet worden und sollte in men. heißt es in der Begründung des Entwurfs. Stopp der EU-Förderung von Atomenergie rechterhalten werden. Andere seien nicht den Mitgliedsstaaten entsprechende Inves- In seiner Stellungnahme erklärt der Bun- Die Entlastung soll 9,08 Euro pro Mega- und die Beendigung des Euratom-Vertrags mehr zeitgemäß. So lange auch nur ein titionen sicherstellen. Ziel sei weiterhin, desrat, aufgrund einiger Fehlentwicklun- wattstunde betragen. (18/11595). Der an die Ausschüsse über- Atomkraftwerk existiere, sei Euratom un- diese Industrie am Leben zu erhalten. gen im Stromsektor sei eine langfristige Schiffe, die zur Reparatur in Werften lie- wiesene Antrag verlangt den Stopp der verzichtbar, um gemeinsam für Sicherheit Deutschland als Atomausstiegsland beteili- Abschaffung der vermiedenen Netzentgelte gen, sollen keine Vergünstigung bei der Ausfuhr von Uran-Brennstoffen aus den zu sorgen. ge sich daran durch seine Mitgliedsbeiträ- grundsätzlich sachgerecht. Erhalten werde Stromsteuer erhalten. Die Vergünstigung URENCO-Anlagen in Gronau und Lingen Für die Fraktion Die Linke sprach sich Ale- ge. Euratom sei aber keine Atomaufsicht, sollten die vermiedenen Netzentgelte je- wird auf Schiffe beschränkt, die einen Lie- für den Betrieb störanfälliger Atomkraft- xander Ulrich für einen Ausstieg aus Eura- sondern es gehe nach wie vor um Investi- doch für die KWK-Anlagen und Wasser- geplatz im Hafen nutzen und von der werke im Ausland (18/11596). tom aus. Nach 60 Jahren sei jetzt eine gute tionen in Atomkraft und nicht um deren kraft, da diese als nicht volatile Anlagen ei- Landseite Strom beziehen. hle T In der Debatte erklärte Nina Scheer für Gelegenheit, die Europäische Atomge- Begrenzung. Kotting-Uhl verwies auf Kern- nen wichtigen Beitrag zur Stabilisierung die SPD, die Nutzung von Atomenergie meinschaft abzuwickeln, denn die Organi- kraftwerke bei Deutschlands Nachbarn, de- und Entlastung der Netze leisten würden. sei unverantwortlich. Insofern gebe es sation sei nicht reformierbar. Mit der milli- ren Sicherheit nicht mehr nachrüstbar sei, Die Bundesregierung lehnt den Erhalt der über die deutschen Grenzen hinweg eine ardenschweren Förderung der Atomenergie die aber dank Euratom weiter arbeiteten. vermiedenen Netzentgelte für KWK-Anla- Verpflichtung, möglichst schnell aus die- müsse endlich Schluss sein, dafür sollten Während von Deutschland aus für eine eu- gen und Wasserkraft in ihrer Gegenäuße-

ser so gefährlichen Technologie auszustei- die alternativen Energien gefördert werden. ropäische Energiewende gearbeitet werde, © picture-alliance/dpa rung ab, da der Zubau dezentraler Erzeu- Weiterführende Links zu den Themen dieser Seite finden gen. Dennoch lehne ihre Fraktion die An- Bei Gründung von Euratom habe Atom- erweise sich Euratom als „ein Klotz am Oft wird zu viel Strom produziert und gung zusätzlichen Netzausbaubedarf verur- Sie in unserem E-Paper träge ab und setze stattdessen auf eine Re- energie noch als sicher, billig und be- Bein“. Michael Wojtek T muss über die Netze abgeleitet werden. sache. hle T Das Parlament - Nr. 13 - 27. März 2017 IM BLICKPUNKT 9

DIE BUNDESPRÄSIDENTEN

Die Macht des Bundespräsidenten liegt vor allem in seinen Worten. In seiner Antrittsre- de stellt das Staatsoberhaupt die Schwer- punkte der Amtszeit vor. Ein Blick in die Geschichte: Theodor Heuss, 1949 - 1959

„Deutschland braucht Europa, aber Europa braucht auch Deutschland“, sagte der libe- rale Abgeordnete am 12. September 1949. In einer Welt, die der jungen Bundesrepu- blik noch mit Misstrauen begegnete, bilde- te das außenpolitische Brückenbauen einen Schwerpunkt von Heuss. Heinrich Lübke, 1959 - 1969

Der Christdemokrat machte sich in beiden Amtszeiten für die Entwicklungszusam- menarbeit stark. Am 15. September 1959 hielt er ein Plädoyer für die „Bekämpfung des Hungers in der Welt“: „So wie der Bru- der gegenüber dem Bruder Verantwortung trägt, so haben auch die Völker füreinander einzustehen.“

Gustav Heinemann , 1969 - 1974 Er verstand sich als „Bürgerpräsident“ und trat für plebiszitäre Mitbestimmung ein. Am 1. Juli 1969 sagte er: „Freiheitliche De- mokratie, soziale Gerechtigkeit und Rechts- staatlichkeit bedürfen im Staat und in der Gesellschaft der fortwährenden Bemühung um täglich bessere Verwirklichung durch den mündig mitbestimmenden Bürger.“

Walter Scheel , 1974 - 1979 Außenpolitisch betonte der Liberale die Be- deutung des geeinten Europas:„Die politi- schen Kräfte in diesem Lande werden auch in Zukunft nicht darauf verzichten, einen Zustand des Friedens in Europa anzustre- ben, in dem das deutsche Volk auf der Grundlage des Selbstbestimmungsrechtes seine Einheit wieder erlangt“, waren Scheels Worte am 1. Juli 1974.

Karl Carstens ,1979 - 1984

Der neue Bundespräsident Steinmeier (Bildmitte) spricht die Eidesformel. Links neben ihm Bundesratspräsidentin Malu Dreyer (SPD), vor ihm Bundestagspräsident Norbert Lammert. © picture-alliance/Bernd Von Jutrczenka/dpa „Ich bin überzeugt, dass in unserem Volk starke Kräfte der Zuversicht, der positiven Hinwendung zum Leben, der Hilfsbereit- schaft, auch der redlichen Bereitschaft, - wenn es nötig ist - , Opfer zu bringen, vor- handen sind“, sagte der Vertreter konserva- tiver Werte am 1. Juli 1979. Auch seine Wan- derungen durch die Republik kündigte er an. Der Mutmacher Richard von Weizsäcker, 1984 - 1994 BUNDESPRÄSIDENT Frank-Walter Steinmeier als 12. Staatsoberhaupt der Bundesrepublik vereidigt Der Christdemokrat fand klare Worte zur deutschen Vergangenheit und verstand sich als Präsident aller Deutschen. „Wir sind in und um den Ebertplatz in er, die Mutter des Bundespräsidenten, von Lammerts Einführungsrede kommt auch Rednerpult. Gauck habe erreicht, dass „wir derzeit unter Beschuss, zitiert er aus beiden deutschen Staaten einig im Begriff Berlin haben sich hinter dort das Geschehen. Im Mittelpunkt ste- diesmal wieder in der Kombination aus selbst noch einmal staunen durften über Gaucks Abschiedsrede vor der Bundesver- der Verantwortungsgemeinschaft. Die Füh- den Polizeiabsperrungen hen jedoch die beiden Präsidenten, der al- Geschichtsbewusstsein und Humor gut an. das Wunder der Demokratie“, befindet die sammlung. Von außen durch Radikalis- rungen auf beiden Seiten bekennen sich Menschentrauben gebil- te und der neue. Da ist Gauck, der in den Schon bei der Bundesversammlung hatte rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin mus, Terrorismus und Autokraten, von in- dazu, dass nie wieder Krieg vom deutschen det. Alle Blicke sind auf ei- vergangenen fünf Jahren mit Pathos für er ein Plädoyer für westliche Werte und ge- Malu Dreyer (SPD), die als Vorsitzende des nen „durch Gleichgültigkeit, Trägheit und Boden ausgehen soll“, sagte er am 1. Juli ne schwarze Limousine ge- Freiheit und Demokratie eintrat und mit gen Populismus gehalten, das ihm viel An- Bundesrates den scheidenden Präsidenten Teilnahmslosigkeit“. Die Bürger müssten 1984. richtet,R die, umringt von Polizisten, für den der Emotionalität seiner Reden bewegte. erkennung einbrachte. würdigt. wieder lernen, für die Demokratie „zu neu vereidigten Bundespräsidenten Frank- Viele hätten sich eine zweite Amtszeit des Lammert erinnert launig daran, dass der Der Amtseid des Präsidenten, der Anlass streiten“. Alle müssten sich hinauswagen, Roman Herzog , 1994 - 1999 Walter Steinmeier bereitsteht. Kamera oder früheren DDR-Bürgerrechtlers und ehema- 22. März „in feudalen Zeiten“ bis 1887 dieser Sitzung und Höhepunkt des Tages, auch aus „mancher Selbstgewissheit der in- 1996 führte Herzog den 27. Januar als Tag Smartphone halten die meisten Wartenden ligen Leiters der Stasi-Unterlagen-Behörde ein Feiertag war, wurde doch im Kaiser- ist eine Sache von Minuten. Lächelnd tellektuellen Ohrensessel“. Und aus der des Gedenkens an die Opfer des National- griffbereit, schließlich kann sich die große gewünscht. Auch aus Altersgründen hat der reich mit Aufmärschen der Geburtstag steht Steinmeier da. Die Hände hat er Anonymität des Internets, „wo die Grenze sozialismus ein. Bereits am 1. Juli 1994 for- Glastür im Ostportal des Reichstagsgebäu- 77-Jährige aber abgelehnt. von Kaiser Wilhelm I. gefeiert. Er zitiert übereinandergelegt. Den Eid spricht er zwischen dem Sagbaren und dem Unsägli- derte er, „dass wir aus der Geschichte des des jeden Moment öffnen. „Fast zwei Stun- die holprigen Verse, die da- mit dem religiösen Zusatz: „So wahr mir chem immer mehr schwindet“. Für die Volkes, in das wir hineingeboren sind, ler- den warten wir schon“, erzählen zwei Tou- Die Kraft der Worte Der mals ein Schüler zu Ehren Gott helfe.“ Jetzt ist er auch formell der Empfehlung, den Blick einmal vom nen, dass wir uns engagiert damit ausei- ristinnen aus Nordrhein-Westfalen. Mit ei- „Neue“ gehörte als Außen- »Ich werde des Monarchen gedichtet zwölfte Bundespräsident des Landes. Smartphone zu heben, gibt es Beifall – nandersetzen und dass wir mit vollem Ein- ner so langen Wartezeit haben sie nicht ge- minister zu den beliebtes- hat. Es wird gelacht, die Nach einer fast 20-jährigen Karriere mit auch auf den Tribünen, wo viele Gäste die satz dagegen antreten, wenn sich in die- rechnet, ein Foto des neuen Staatsober- ten Politikern des Landes. parteiisch sein, Stimmung im Plenum ist wichtigen Ämtern in Partei, Regierung Zeremonie mit ihren Geräten einzufangen sem Land wieder totalitäre und menschen- hauptes wollen sie aber unbedingt. Kon- Vizekanzler Sigmar Gabriel entspannt. „Nun ist uns und Parlament ist das eine neue Rolle. zu versuchen. verächterische Tendenzen zeigen.“ zentriert blicken sie auf den Eingang des (SPD) hatte ihn als Kandi- wenn es um der Kaiser abhandenge- Man kennt ihn als Chefdiplomaten, der Reichstags, sind für weitere Fragen nicht daten der Koalition durch- die Sache der kommen“, merkt Lammert die Krisenherde der Welt bereist und stets Mut statt Hochmut Steinmeier will nicht Johannes Rau , 1999 - 2004 ansprechbar. Die warmen Strahlen der gesetzt. Am 12. Februar an und bewirkt damit abwägende Worte findet. Wird der als nur ein Mahner, sondern auch ein Mutma- Frühlingssonne erleichtern das Warten. In wurde Steinmeier dann Demokratie spontanen Applaus. nüchtern geltende Steinmeier Stil und Vo- cher sein. „Mut ist das Lebenselixier der „Versöhnen statt Spalten“ war die Maxime Sichtweite glitzert das Wasser der Spree. von der Bundesversamm- selbst geht.« Nach seiner kurzen Einfüh- kabular ändern? Demokratie, so wie die Angst der Antrieb von Rau. „Gute Nachbarschaft, das ist heu- Pünktlich zur Vereidigung des Bundesprä- lung gewählt (siehe Gra- Frank-Walter Steinmeier, rungsrede übergibt er das von Diktatur und Autokratie ist“, sagt er. te europäische Innenpolitik. Gute Nachbar- sidenten hätten Bundestag und Bundesrat fik). Im Blickpunkt steht Bundespräsident Wort an Gauck, der betont, Klare Ansage Zumindest lässt er keinen Wer sich von der Ungewissheit der Zukunft schaft brauchen wir aber auch im eigenen das Wetter organisiert, „das man früher an diesem besonderen Tag dass er heute nun wieder Zweifel daran, was er zu seinem Thema verängstigen lasse, sei anfällig für die einfa- Land zwischen Menschen unterschiedlicher wohl als Kaiserwetter bezeichnet haben aber auch Lammert und „als Bürger“ spreche. Seine machen möchte: Die Verteidigung der De- chen Antworten des Populismus. Was die Herkunft oder unterschiedlicher kultureller soll“, sagt Bundestagspräsident Norbert nicht nur deswegen, weil er die Sitzung lei- Worte haben eine optimistische Stoßrich- mokratie gegen innere und äußere Gegen- Demokratie braucht: „Keinen Kleinmut – Traditionen und Glaubensüberzeugungen“, Lammert (CDU) zu Beginn der Zeremonie. tet. Er war im Sommer 2016 selbst als Kan- tung. Er redet vom „beglückenden Demo- kräfte. Hier steht er Gauck in nichts nach. dafür gibt es keinen Grund. Keinen Hoch- betonte er am 1. Juli 1999. Dass eine besondere Sitzung ansteht, ist didat für das höchste Staatsamt gehandelt kratiewunder“, das Deutschland bis heute Er knüpft bewusst an die Agenda des Vor- mut – davon hatten wir in Deutschland ge- auch daran zu erkennen, dass die Abgeord- worden, bis er den Spekulationen selbst präge. Viele Menschen verschlössen nicht gängers an: „Die Aufgabe bleibt“, sagt nug. Sondern den tatkräftigen, den lebens- Horst Köhler , 2004 - 2010 neten an diesem Mittwoch aus ihren Aus- ein Ende setzte mit der Ankündigung, nach die Augen vor den Problemen unserer Zeit. Steinmeier. Freiheit, Rechtsstaatlichkeit zugewandten Mut von Demokraten!“ Sein schüssen ins Plenum gehastet kommen, 37 Jahren im Bundestag bei der Wahl im „Wir Bürger werden gerade wieder wa- und Menschenrechte gelte es umso mehr Wunsch sei, „dass diese Gesellschaft mitei- Er sprach von Deutschland als dem „Land um ja nicht zu spät dran zu sein. September nicht mehr anzutreten und sich cher“, ist er überzeugt. „Friede und Demo- zu verteidigen „in einer Zeit, in der alte Ge- nander im Gespräch bleibt“. Ein neutraler der Ideen“. „Lassen Sie uns unsere Ideen aus der aktiven Politik ganz zurückzuzie- kratie können gelingen, weil wir sie wol- wissheiten ganz offenbar ins Wanken gera- Präsident werde er nicht sein, kündigt und unsere Kräfte versuchen! Wir können in Gelöste Stimmung Die Reihen sind gut hen. len“, sagt er und haut die Faust auf das ten.“ Dann gibt Steinmeier seine diploma- Steinmeier an. Überparteilich ganz sicher, Deutschland vieles möglich machen. Dazu gefüllt, Kanzlerin Angela Merkel (CDU) tische Zurückhaltung vorübergehend auf, aber: „Ich werde parteiisch sein, wenn es brauchen wir zugleich mehr Freiheit und und die Mitglieder ihres Kabinetts sind da, als er sich mit einem Appell direkt an den um die Sache der Demokratie selbst geht.“ mehr Gemeinschaft“ sagte er 2004. ebenso wie die Regierungsvertreter der Län- türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdo- Gauck ist von offenen Worten seines Amts- der. Keinen Platz gibt es für Merkel heute gan wendet: „Präsident Erdogan, gefährden nachfolgers offensichtlich begeistert. Er ap- Christian Wulff , 2010 - 2012 in der ersten Reihe, auf die sie jedoch ziel- Sie nicht das, was Sie mit anderen selbst plaudiert, lacht, zeigt zustimmende Ges- sicher zusteuert. Die Stühle, auf denen aufgebaut haben!“ „Beenden Sie die un- ten. „Die größte Stärke unseres Landes sind die sonst die Vertreter der Verfassungsorgane säglichen Nazivergleiche!“ Und zuletzt: Derweil warten die Besucher am Rande des Menschen, die hier leben. Ihre Vielfalt, ihre sitzen, sind für Steinmeier und seine Frau „Respektieren Sie den Rechtsstaat, Freiheit Ebertplatzes noch immer auf ihren Mo- Talente machen Deutschland lebens- und Elke Büdenbender sowie Amtsvorgänger von Medien und Journalisten! Geben Sie ment. Als sich die Tür im Ostportal des liebenswert. Mir ist es dabei wichtig, Ver- Joachim Gauck und dessen Lebensgefähr- Deniz Yücel frei!“ Reichstags endlich öffnet, kommt Bewe- bindungen zu schaffen“, sagte der CDU- tin Daniela Schadt reserviert. Als Merkel Der Vorwurf Erdogans, die deutsche Regie- gung in die Menge. Nur wenige Sekunden Politiker am 1. Juli 2010. Integration wurde auf die Regierungsbank umschwenken rung wende Nazi-Methoden an, belastet haben sie Zeit, um ein Foto mit Blick in zu seinem Schwerpunktthema. muss, sorgt das für allgemeine Heiterkeit. die Beziehungen zwischen Ankara und die Limousine zu schießen. Die beiden Auf der Besuchertribüne ganz vorne sitzt Berlin seit Wochen. Die Verhaftung des Frauen aus NRW haben ihr Bild im Kasten. Joachim Gauck , 2012 - 2017 der Präsident des Bundesverfassungsge- deutsch-türkischen Journalisten Yücel ver- Fröhlich winkend verabschieden sie sich richts, Andreas Voßkuhle, gleich neben schärfte die Spannungen zusätzlich. Stein- Richtung Brandenburger Tor. Eva Bräth T Mit Gaucks Name ist das Eintreten für Frei- dem ehemaligen Bundespräsidenten Chris- meier findet dafür klare Worte. Es gehe heit untrennbar verbunden. „Freiheit ist ei- tian Wulff und den früheren Bundestags- aber nicht darum, mit dem Finger nur auf ne notwendige Bedingung von Gerechtig- präsidenten Rita Süssmuth (beide CDU) andere zu zeigen, macht er deutlich. Auch keit.“ „Umgekehrt ist das Bemühen um und Wolfgang Thierse (SPD) sowie Sabine in Europa gebe es eine neue „Faszination Gerechtigkeit unerlässlich für die Bewah- Bergmann-Pohl (CDU), 1990 Präsidentin des Autoritären“. Die Demokratie sei „we- rung der Freiheit“, sagte er am 23. März Weiterführende Links zu den der ersten frei gewählten Volkskammer der der selbstverständlich noch mit Ewigkeits- Themen dieser Seite finden 2012. eb T DDR. Außerdem verfolgt Ursula Steinmei- garantie ausgestattet“. Vielmehr stehe sie Sie in unserem E-Paper 10 EUROPA UND DIE WELT Das Parlament - Nr. 13 - 27. März 2017

Schutz für indigene Völker

KONVENTION Die Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen ist am vergangenen Donners- tag mit einem Antrag (18/4688) zum Schutz der Menschenrechte indigener Völ- kern gescheitert. Die Initiative unterstützte lediglich Die Linke, CDU/CSU und SPD votierten dagegen. Die Grünen hatten die Bundesregierung aufgefordert, die Konvention 169 der inter- nationalen Arbeitsorganisation (ILO) über eingeborene und in Stämmen lebende Völ- ker umgehend dem Bundestag zur Ratifika- tion vorzulegen. Deutschland hatte ihr be- reits im Jahr 2007 zugestimmt. Zur Begrün- dung schrieben sie, in den Lebensräumen indigener Völker seien mehr als 60 Prozent der weltweit begehrtesten Rohstoffvorkom- men zu finden, so dass wirtschaftliche In- teressen ihre Lebensgrundlagen und Rechte bedrohten. „Diese Völker sind nach wie vor in hohem Maße diskriminiert“, sagte Tom Koenigs in der Debatte. Er verwies darauf, dass es kei- ne besseren Verteidiger gegen die Abhol- zung des Regenwaldes als die indigenen Völker gebe. Sylvia Tantel (CDU) entgegnete, die ILO- Konvention 169 richte sich an Staaten, auf deren Gebieten indigene Bevölkerungs- gruppen leben. „Das trifft auf Deutschland nicht zu.“ Annette Groth (Die Linke) ver- mutete, dass sich die Bundesregierung des- halb weigere, die Konvention zu ratifizie- ren, weil damit die Rohstoffinteressen deutscher Konzerne berührt seien. Ensaf Haidar kämpft für die Freilassung ihres Mannes Raif Badawi. Der Blogger aus Sadi-Arabien wurde 2012 aufgrund seiner Veröffentlichungen verhaftet und wegen „Beleidigung des Islam“ zu zehn Jahren Haft und Die SPD-Fraktion wolle die Konvention ra- 1.000 Peitschenhieben verurteilt. © picture-alliance/dpa tifizieren, betonte indes Frank Schwabe (SPD). Jedoch sei sie an den Koalitionsver- trag gebunden. joh T Ächtung von Der hohe Anspruch bleibt Atomwaffen

AUSWÄRTIGES Die Opposition verlangt von MENSCHENRECHTE Experten beziehen Stellung zum Menschenrechtsbericht der Bundesregierung der Bundesregierung deutlich mehr Anstren- gungen für die atomare Abrüstung. Mit den Atommächten Frankreich, Großbritannien, ehr Klarheit, mehr für die Achtung und Durchsetzung der Martin Lessenthin von der Internatio- sidentschaftswahl, des britischen Brexit- aktuellen Menschenrechtsbericht: So Russland und der USA habe Deutschland im Kritik, mehr kon- Menschenrechte in einem Land dienen nalen Gesellschaft für Menschenrechte Votums und der innenpolitischen Ent- bedeute Kultusfreiheit noch lange nicht Dezember 2016 gegen die Resolution 258 krete Schilderungen kann. Insbesondere aus der Unionsfrakti- (IGFM) sagte, dass es bedauerlich wäre, wicklungen in Polen und Ungarn – und Religionsfreiheit und so sage die Tatsa- der UN-Generalversammlung gestimmt, die von Schicksalen on gab es den Wunsch, den Menschen- wenn sich der Eindruck verfestige, dass deren Bedeutung für die Menschen- che, dass in einem Land Glaubensfrei- auf einen völkerrechtlichen Vertrag zur inter- und Fehlentwick- rechtsbericht künftig um einen regelmä- der Bericht wegen außenpolitischer rechtspolitik: „Zunehmend haben auch heit herrsche, noch nichts darüber aus, nationalen Ächtung von Atomwaffen zielt, lungen – Experten ßigen Bericht zur Religionsfreiheit zu er- Rücksichtsnahmen „an vielen Stellen westliche Demokratien populistische wie es etwa Konfessionslosen oder heißt es in einem gemeinsamen Antrag der undM Vertreter von Menschenrechtsorgani- gänzen. den Finger nicht in die offene Wunde Anfälle“, sagte Mihr. Das bedeute zwar Agnostikern ergehe. Es sei zudem nicht Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die sationen haben vergangene Woche Stel- Michael Krennerich vom Nürnberger legt“. Das sei aus diplomatischer Sicht noch nicht, dass die Regierungen dieser unbedingt hilfreich, wenn stets darauf Grünen (18/11609), der vergangene Woche lung zum zwölften Bericht über die Men- Menschenrechtszentrum mahnte im Sin- nachvollziehbar, für die Menschen- Länder menschenrechtsrelevante Ab- hingewiesen wird, dass in muslimi- in die Ausschüsse überwiesen wurde. Die schenrechtspolitik der Bundesregierung ne der Glaubwürdigkeit des deutschen rechtspraxis aber wenig hilfreich. So kommen aufkündigen würden. Aber es schen Ländern Christen die am stärks- überwältigend große Mehrheit der Staaten (18/10800) bezogen. Engagements eine kriti- fielen etwa Entwicklun- bestehe die Gefahr, dass ten bedrängte Gruppe seien. „Sie sind habe mit der Resolution ein deutliches Zei- Die Schwerpunktsetzung schere Bestandsaufnahme gen in Saudi-Arabien, internationale Organisa- stark bedrängt“, sagte Oehring. Doch chen für Fortschritte auf dem Weg zu einer dieses Berichtes, die unter »Wir brauchen menschenrechtspoliti- der Türkei, Ägypten und »Zunehmend tionen und multilaterale die am stärksten von Einschränkung nuklearwaffenfreien Welt gesetzt. Die Bun- dem Schlagwort „Shrin- scher Entwicklungen in im Iran – einem „Breit- Zusammenarbeit ge- der Religionsfreiheit und auch von Ver- desregierung wolle jedoch nicht an diesen king Space“ viel diskutier- eine noch ent- Deutschland und der EU band-Menschenrechts- haben auch schwächt werden. Es sei folgung betroffene Gruppe dort seien internationalen Verhandlungen über eine te zunehmende Ein- an. „Es tut uns gut, weil es verletzer“ – deutlich un- damit zu rechnen, dass Muslime selbst. Ächtung und ein Verbot von Atomwaffen schränkung des Hand- schiedenere unsere Glaubwürdigkeit ter den Tisch. Lessenthin westliche die „neuen rechtspopulis- teilnehmen. „Mit ihrer ablehnenden Haltung lungsspielraums für die Menschen- stärkt. Und es tut uns gut, regte am Beispiel Chinas Demokratien tischen, antiglobalen Teilhabe Christian Woltering vom Deut- sendet die Bundesregierung ein falsches Sig- Zivilgesellschaft in einer wenn wir als aktiver Men- an, dass der Bericht viel oder nationalistisch ori- schen Paritätischen Wohlfahrtsverband nal, schadet massiv der abrüstungspoliti- ganzen Reihe von Län- rechtspolitik als schenrechtsakteur interna- stärker die Schicksale populistische entierten Regierungen“ mahnte eine insbesondere auf die Sozial- schen Glaubwürdigkeit Deutschlands und dern, stellten die Experten bisher.« tional auftreten möch- von Menschenrechtsver- Anfälle.« sich bemühten, Institu- und Flüchtlingspolitik gerichtete kriti- schwächt zudem die Vereinten Nationen.“ in einer Anhörung des Michael Krennerich, ten.“ Bei Fragen des euro- teidigern, Bürgerrecht- Anja Mihr, Politik- tionen wie die UN und schere Bestandsaufnahme der Menschen- Linke und Grüne fordern die Regierung Menschenrechtsausschus- Politikwissenschaftler päischen Grenzschutzes, lern, Verfolgten in den wissenschaftlerin die EU „dauerhaft zu rechtssituation an. So greife der Bericht auf, die Verhandlungen über die Ächtung ses nicht in Abrede. Doch der Terrorbekämpfung, Vordergrund rücken und schwächen oder wir- dort zu kurz, wo es um menschenrechtli- von Atomwaffen „zu akzeptieren und zu schnell rückten in ihren der Asyl- und Flüchtlings- auch transparent ma- kungslos zu machen“. che Aspekte von Armut und soziale Teil- unterstützen“ sowie „aktiv und konstruk- Stellungnahmen Entwicklungen in den politik aber auch mit Blick auf die Waf- chen solle, was für diese Menschen ge- Otmar Oehring (Konrad-Adenauer-Stif- habe in Deutschland gehe. Woltering kri- tiv“ an ihnen teilzunehmen. Außerdem Vordergrund, die auch „den“ Westen und fenexportpolitik bleibe der Bericht hinter tan werde. „Man sollte sich dann auch tung) warb dafür, den im vergangenen tisierte zudem, dass einer Vielzahl von dringen die Oppositionsfraktionen auf den sein Selbst- und Werteverständnis he- seinen Möglichkeiten. „Wir brauchen ei- nicht scheuen, einen Misserfolg preis- Jahr einmalig vorgelegten „Bericht der Flüchtlingen in Deutschland der Famili- Abzug der US-amerikanischen Atomwaffen rausfordern: Die menschenrechtspoliti- ne noch entschiedenere Menschenrechts- zugeben. Denn der Misserfolg ist letzt- Bundesregierung zur weltweiten Lage ennachzug erschwert werde. Das sei aus Deutschland und Europa und ein kla- sche Implikationen der Flüchtlingskrise politik als bisher“, sagte Krennerich. In lich ein Erfolg, weil er zeigt, dass ein der Religions- und Weltanschauungs- nicht nur aus menschenrechtlicher Sicht res Bekenntnis der Bundesregierung „gegen etwa, die Auswirkungen des britischen Zeiten, in denen die Menschenrechte im- Bemühen von deutscher Seite aus- freiheit“ (18/8740) regelmäßig zu er- bedenklich, sondern behindere maßgeb- jegliche nukleare Aufrüstungspläne und „Brexit“-Votums und der US-Präsident- mer stärker in die Defensive gerieten, ging.“ stellen. Dort, wo Religionsfreiheit herr- lich auch die soziale Integration. Gerade den Bruch bestehender internationaler Ab- schaftswahl auf die Menschenrechtspoli- müsse die Bundesregierung mit gleichge- schen würde, würden in aller Regel an- der Umgang mit Flüchtlingen zeige, dass rüstung- und Rüstungskontrollverträge“, tik Deutschlands und der EU. Diskutiert sinnten Regierungen „die Fahne der Schwächung Anja Mihr (Willy Brandt- dere Grund- und Menschenrechte ge- es „in nicht wenigen Fällen zu Men- gleichgültig welcher Staat dafür verant- wurde schließlich auch die Frage, inwie- Menschenrechte so hoch und so fest wie School Erfurt) lenkte den Blick auf die achtet und gewahrt. Oehring monierte schenrechtsverletzungen in Deutschland wortlich sei. ahe T weit die Religionsfreiheit als Indikator möglich halten“. Verschiebungen in der Folge der US-Prä- zudem eine Reihe Ungenauigkeiten im kommt“. Alexander Heinrich T

AUS PLENUM UND AUSSCHÜSSEN »Die EU ist unsere Lebensversicherung« 28 Millionen droht der Hungertod EUROPA Zum 60. Jahrestag der Römischen Verträge fordern die Fraktionen eine noch engere Zusammenarbeit Mit einem Sondergipfel haben die europäi- teln, um sie wieder für die EU zu begeis- schaut werden, welche Aufgaben besser auf Bundesregierung Europa begleitet“. ENTWICKLUNG Die internationale Geber- diesem Jahr in gleicher Höhe fortführen. 2017 schen Staats- und Regierungschefs am tern. Klar sei: „Europa war, ist und bleibt nationaler Ebene gelöst werden können. Ulrich forderte einen „Neustart der EU“, gemeinschaft sollte ihren Fokus wieder auf die seien insgesamt 210 Millionen Euro einge- Samstag in Rom der Geburtsstunde der Eu- unsere Lebensversicherung.“ Ähnlich hatte sich am 17. März Bundes- da die Friedensidee nicht mehr ausreiche, Region um das Horn von Afrika legen, wo sich plant, davon 80 Millionen Euro an bilateralen ropäischen Union gedacht. In der italieni- Nach Ansicht von Thorsten Frei (CDU) tagspräsident Norbert Lammert (CDU) auf um junge Menschen von der Gemeinschaft derzeit die größte humanitäre Katastrophe seit Hilfen, die vor allem Äthiopien und dem Süd- schen Hauptstadt wurden am 25. März muss die EU sich wieder mehr auf die we- einer außerordentlichen Konferenz der zu überzeugen. In Südeuropa liege die Ju- Gründung der Vereinten Nationen abspielt. sudan zugute kommen sollen. Auch das Aus- 1957 die Römischen Verträge unterzeich- sentlichen Themen konzentrieren, etwa Parlamentspräsidenten der EU-Mitglied- gendarbeitslosigkeit – auch infolge der EU- Das betonte der Leiter des Welternährungspro- wärtige Amt will sein Engagement – 300 Mil- net, die als Gründungsdokumente der EU den Binnenmarkt, die Außen-, Sicherheits- staaten und des Europaparlaments in Rom Austeritätspolitik – bei über 50 Prozent. grammes (WFP) Deutschland, Ralf Südhoff, in lionen Euro an humanitärer Hilfe für Afrika in gelten. Sie bildeten die Basis für den ge- und Verteidigungspolitik und die Siche- geäußert. Das in den europäischen Verträ- „Der Gedanke, dass Europa Wohlstand der vergangenen Woche im Entwicklungsaus- 2016 – fortsetzen, wie eine Vertreterin des Mi- meinsamen Binnenmarkt und regelten die rung der europäischen Grenzen. Hier gebe gen fixierte Subsidiaritätsprinzip, wonach bringt, wird doch da gar nicht mehr ver- schuss. Die gegenwärtig insbesondere im Süd- nisteriums berichtete. Zusammenarbeit bei der friedlichen Nut- es nicht nur einen europäischen Mehrwert. Entscheidungen, die nicht dringend einer wirklicht“, urteilte Ulrich. Sein Fazit: „Wer sudan, Jemen, Nigeria und Somalia herrschen- Ein Vertreter der Unionsfraktion verwies da- zung der Kernenergie. Vielmehr sei es so, dass die Herausforde- gemeinsamen Regelung bedürften, den den Rechtspopulisten das Wasser abgraben de Hungersnot sei nicht eine unter vielen glo- rauf, dass derart schwere Hungersnöte keine Bereits am vergangenen Donnerstag hatten rungen sich auf nationaler Ebene ohne Staaten, Regionen und Kommunen über- will, muss die Sorgen der Bürger ernster balen Krisen, sondern neben denen in Syrien singulären Ereignisse mehr seien, sondern die- auch die Bundestagsfraktionen die Bedeu- Europa „gar nicht wirklich bewältigen lie- lassen bleiben, müsse im Auge behalten nehmen und (...) auch in ihrem Sinne die und dem Irak die derzeit schwerste Krise über- se sich auch durch Klima- und Wetterphäno- tung der Verträge für die europäische Inte- ßen“. Sehr genau müsse dabei aber ge- werden, mahnte er. Den nationalen Parla- Politik verändern“. Vor allem müsse die EU haupt. „28 Millionen Menschen in vier Staaten mene wie El Nino immer mehr häuften. gration gewürdigt. In einer auf Verlangen menten sprach er dabei eine besondere sozialer und gerechter werden. gleichzeitig sind massiv vom Hunger bedroht“, Die SPD-Fraktion legte das Augenmerk unter von Bündnis 90/Die Grünen anberaumten Rolle zu. (Grüne) wandte sich berichtete Südhoff. „Das ist eine noch nie da- anderem auf strukturelle Probleme in den Aktuellen Stunde machten sie zudem deut- im Namen ihrer Fraktion ausdrücklich ge- gewesene Zahl.“ 1,5 Millionen Kinder stünden Staaten und fragte, was die Region aus den Er- lich, wie notwendig heute mehr denn je ei- Oppositionskritik Linke und Grüne hat- gen ein Europa der unterschiedlichen Ge- kurz vor dem Hungertod, allein im Südsudan fahrungen der letzten schweren Hungersnot ne enge Zusammenarbeit in Europa ist. ten anlässlich der Feierlichkeiten zu 60 schwindigkeiten, für das zuletzt auch Bun- seien 40 Prozent der Bevölkerung betroffen. im Jahr 2011 gelernt habe. „Der Nationalstaat alter Prägung ist nicht Jahren Römischen Verträgen ursprünglich deskanzlerin Angela Merkel (CDU) gewor- Weite Gebiete seien für die Helfer nur schwer Linke und Grüne bezweifelten, dass die Bemü- mehr in der Lage, die Globalisierung ange- eine Vereinbarte Debatte im Bundestag be- ben hatte. „Kerneuropa“ heiße, „es gehen zugänglich, etwa der Jemen und die von der hungen der internationalen Gemeinschaft, die messen – demokratisch, sozial und nach- antragt. Dieser Vorstoß war jedoch am Wi- einige voran, und der Rest ist außen vor. Terrormiliz Boko Haram beherrschten Territo- Staaten besser auf schwere Dürren und Wet- haltig – zu gestalten“, betonte der Staats- derstand der Koalitionsfraktionen geschei- Das spaltet Europa, und das ist das Ende rien im Norden Nigerias. Insgesamt bezifferte terkatastrophen vorzubereiten, gefruchtet hät- minister für Europa im Auswärtigen Amt, tert. Eine Vereinbarte Debatte im Bundes- von Europa!“, warnte sie. Johanna Metz T Südhoff den kurzfristigen Finanzbedarf auf ten. Zudem übten beide Fraktionen scharfe Thomas Roth (SPD). „Das heißt, wir ge- tag „wäre ein Signal gewesen, nach Europa 4,4 Milliarden US-Dollar. Kritik an der Seeblockade der arabischen Ko- winnen über ein handlungsfähigeres, ein und in unsere Gesellschaft hinein, wie Der Parlamentarische Staatssekretär beim alition im Jemen, durch die dringend benötigte demokratischeres, ein stärkeres Europa po- wichtig uns 60 Jahre Römische Verträge Bundesentwicklungsminister, Hans-Joachim Hilfslieferungen behindert würden. Sie forder- litische Gestaltungsmacht zurück, die uns sind“, kritisierte Grünen-Parteichef Cem Fuchtel (CSU), erklärte, das Ministerium habe ten die Bundesregierung auf, die jüngst bewil- auf der nationalen Ebene schon längst Özdemir. Alexander Ulrich (Linke) be- Weiterführende Links zu den die Mittel für die Region bereits 2016 stark ligte Lieferung zweier Fregatten an Saudi-Ara- nicht mehr zur Verfügung steht.“ Dies © picture-alliance//Eventpres merkte, das Vorgehen von CDU/CSU und Themen dieser Seite finden ausgeweitet und wolle dieses Engagement in bien zu stoppen. joh T müsse man den Menschen besser vermit- Pro-EU-Demonstration in Berlin SPD zeige, „mit welcher Euphorie diese Sie in unserem E-Paper Das Parlament - Nr. 13 - 27. März 2017 KULTUR UND BILDUNG 11

stellte in ihrem Bericht fest, dass „die bau- KURZ NOTIERT liche Situation der zukünftigen Außenstel- Linke: Weniger len des Bundesarchivs verbessert werden Michael Lüders: muss“. Das Amt des Bundesbeauftragten Befristungen sollte umgewandelt werden in das eines Ombudsmannes für die Opfer der SED- BILDUNG Die Linksfraktion fordert die Die den Sturm Diktatur. Wie bisher sollte er für fünf Jahre Bundesregierung auf, in Abstimmung mit ernten vom Bundestag gewählt werden. den Ländern die Politik der durch tempo- Zum Zeitpunkt der Vorlage des Experten- räre Pakte befristeten Finanzierung des berichts führte Roland Jahn sein Amt be- Wissenschaftsbetriebes zu beenden und ei- reits nur noch kommissarisch. Doch seiner ne dauerhafte Finanzierung sicherzustel- C. H. Beck Verlag, Wiederwahl wollte die SPD nur zustim- len. Die Fraktion begründet ihren Antrag München 2017; men, wenn über die Zukunft der Akten (18/11597), über den der Bundestag am 175 S., 14,95 € und der Behörde entschieden wird. Dieses Donnerstag beriet und in die Ausschüsse Ziel hatte sich der Bundestag in seinem überwies, mit der hohen Zahl befristeter Der frühere Nahost-Korrespondent der Einsetzungsbeschluss für die Expertenkom- Arbeitsverträge an Hochschulen. So seien „Zeit“, Michael Lüders, gehört zu den best- mission ausdrücklich selbst gesteckt. Doch 2014 rund 93 Prozent aller wissenschaftli- informierten deutschen Journalisten im Be- es sollte anders kommen. cher und künstlerischer Mitarbeiter unter reich der internationalen Sicherheitspolitik. Die CDU/CSU-Faktion wollte sich mit den 45 Jahren nur befristet beschäftigt gewesen. In seinem neuen, akribisch recherchierten Vorschlägen der Experten nicht in Gänze „Die Einrichtungen und die Beschäftigten Buch hat er die Hintergründe des Syrien- anfreunden. Die Union der Opferverbände brauchen endlich Verlässlichkeit und Pla- Krieges zusammengetragen. Damit berei- kommunistischer Gewaltherrschaft lehnte nungssicherheit“, mahnte die Linken-Ab- chert er die Berichterstattung über den sie gar als „Signal für das Ende der Aufar- geordnete Nicole Gohlke (Linke). Krieg im Nahen Osten, die sich vor allem beitung“ ab. Auch Jahns Amtsvorgängerin CDU/CSU und SPD wiesen die Forderung auf das Leid der Bevölkerung, die Verbre- zeigte sich nicht über- zurück. Für die Grundfinanzierung und ei- chen des Assad-Regimes sowie seiner rus- zeugt: Die Kommission habe keine über- ne zeitgemäße Personalstruktur seien die sischen und iranischen Verbündeten kon- zeugenden Argumente genannt, warum ei- Bundesländer verantwortlich, sagte Alexan- zentriert. ne so erfolgreiche und weltweit anerkannte dra Dinges-Dierig (CDU). Trotzdem habe Wie kam es zum Krieg und warum unter- Behörde aufgelöst und die Akten in den der Bund seine Ausgaben für die Hoch- stützte der Westen von Anfang an die so Zuständigkeitsbereich des Bundesarchiv schulen zwischen 2010 und 2014 um 56 genannte „Opposition“, obwohl in politi- verschoben werden sollten. Jahn selbst be- Prozent erhöht. Simone Raatz (SPD) ver- schen Kreisen bekannt war, dass „die mili- grüßte die Kommissionsvorschläge prinzi- wies auf die Novellierung des Wissen- tärisch relevanten Gegner Assads fast aus- piell. Entscheidend sei, dass der Aktenbe- schaftszeitvertragsgesetzes, um willkürliche schließlich Dschihadisten“ waren? Bei der stand und das Recht auf Einsicht erhalten Befristungen zu verhindern. Die von der politischen Analyse wurden die regionale bleibt. Linken genannten Zahlen bezögen sich auf und globale Geopolitik offenbar ausge- Am Ende stand ein politischer Kompro- die Zeit vor der Gesetzesnovelle und seien klammert. Tatsächlich finden in Syrien Stell- miss: Der Bundestag vertagte im Juni ver- deshalb nicht aussagekräftig. vertreterkriege zwischen Iran und Saudi gangenen Jahres die Entscheidung auf die (Grüne) hingegen erklärte die Arabien sowie zwischen den USA und nächste Legislaturperiode, bestätigte Jahn Gesetzesnovelle für gescheitert. Es müssten Russland statt. Vor fünf Jahren, also vor für weitere fünf Jahre im Amt und beauf- klare Mindestvertragslaufzeiten und ein dem Beginn des „Arabischen Frühlings“ in tragte ihn, gemeinsam mit dem Bundesar- Wegfall der Tarifsperre aufgenommen wer- Syrien, hatten die USA und Großbritannien chiv ein belastbares Konzept für eine Über- den. Zudem müsse die Grundfinanzierung mit Hilfe der Türkei und der Golf-Monar- führung der Akten bei Weitergeltung der der Hochschulen verbessert werden. aw T chien einen Regimewechsel gestartet, um Vorgaben des Stasi-Unterlagen-Gesetzes zu das Baath-Regime zu stürzen. Allein diese erarbeiten. Nur über die Zukunft der Be- Politik, so der Autor, habe zu Bürgerkrieg hörde und ihres Leiters macht der Bundes- und Massenmorden geführt. Heute sei ihr tagsbeschluss (18/8705) keine konkreten Scheitern offenkundig. Aussagen. Freiwillige Lüders informative und perfekt geschriebe- Seitdem sucht Jahn nach praktischen Lö- ne Analyse ist hochbrisant. Gezielt gestürzt sungen und nach geeigneten Liegenschaf- Selbstkontrolle werden sollte ein vergleichsweise gemäßig- ten. Mit Leipzig ist er beispielsweise über tes autoritäres Regime, mit dem der Westen einen Umbau der sogenannten Runden KULTUR Medien- und Rechtsexperten be- bis dahin im Kampf gegen den islamisti- Ecke, dem Standort der ehemaligen Stasi- werten die Möglichkeiten staatlicher Regu- schen Terrorismus zusammengearbeitet hat- Roland Jahn bei der Vorstellung seines Tätigkeitsberichtes in der vergangenen Woche © picture-alliance/Michael Kappeler/dpa Bezirksverwaltung, zu einem Archiv ein- lierungen, um die Verbreitung von soge- te. Die CIA lieferte Waffen aus den Bestän- schließlich des Gedenk- und Erinnerungs- nannten „fake news“ und „hate speeches“ den von Libyens Diktator Gaddafi an die sy- ortes im Gespräch. Die ausstehende Ent- im Internet einzudämmen, zurückhaltend rischen Rebellen. Diese landeten in den scheidung des Bundestages und damit bis skeptisch. Dies wurde in der vergange- Händen der al-Qaida-Nachfolgerorganisa- auch ein fehlender finanzieller Rahmen nen Woche in einem Fachgespräch des Kul- tionen al-Nusra-Front und dem Islamischen macht die Aufgabe aber nicht einfacher. tur- und Medienausschusses deutlich. Der Staat. Heute unterstützen die Türkei und Rechtswissenschaftler Tobias Keber von der Saudi-Arabien die Terroristen im Kampf ge- Rehabilitierung Und eine weitere Sorge Hochschule der Medien Stuttgart warb für gen das Assad-Regime. Lüders Fazit: Die Al- treibt Roland Jahn um: Ende 2019 läuft die ein System der Selbstregulierung mit einer ternative zu Assad lauten nicht Demokratie Auf der Suche Antragsfrist für eine Rehabilitierung von Mischung aus Beschwerde- und Kennzeich- und „Zivilgesellschaft“, sondern Machtüber- Opfern der SED-Diktatur nach dem Reha- nungsmöglichkeiten auf Plattformen wie nahme der Dschihadisten. manu T bilitierungsgesetz aus. Was dies konkret be- „facebook“ durch externe und unabhängi- STASI-AKTEN Roland Jahn fordert zukunftsfähige Strukturen deutet, weiß Jahn zu berichten, fällt Men- ge Faktenchecker. Auch David Schraven schen, die in der DDR aus politischen vom Recherchezentrum Correctiv sprach Timothy Snyder: Gründen inhaftiert waren, oftmals erst sich für eine Selbstregulierung aus. Dies ber 111 Kilometer erstreckt (2014) gewesen. Annähernd unverändert Die von Jahn geforderten „zukunftsfähigen beim Blick auf ihre Rentenbescheid auf, könne ähnlich wie das System der Freiwil- sich der Aktenbestand, über blieb mit 1.351 (2015) und 1.299 (2016) Strukturen“ stehen seit vergangenem Jahr – wenn sie in den Ruhestand gehen. Die ligen Selbstkontrolle beim Film und Fern- Über Tyrannei. den Roland Jahn wacht. Doch die Zahl der Anträge auf Akteneinsicht von zumindest prinzipiell auf dem Papier – haftbedingten Fehlzeiten führen zu Abstri- sehen organisiert und von den Betreibern 20 Lektionen für das ist nur eine beeindru- Seiten der Forschung und der Medien. fest. Im April 2016 hatte eine vom Bundes- chen bei der Rente, sie werden für erlitte- der Internetplattformen finanziert werden. den Widerstand ckende Zahl. Für Jahn, Bun- tag 2014 (18/1957) eingesetzte 14-köpfige nes Unrecht erneut bestraft. Der Rechts- und Medienwissenschaftler desbeauftragter für die Stasi- Ungeeignete Standorte Trotzdem sieht Expertenkommission unter dem Vorsitz Die für ein Rehabilitierungsverfahren be- Wolfgang Schulz vom Hans-Bredow-Insti- ÜUnterlagen (BStU), ist die Hinterlassen- Roland Jahn diesen Teil des „Gedächtnisses des früheren Ministerpräsidenten Sachsen- nötigten Gerichtsakten der DDR-Justiz fin- tut Hamburg verwies darauf, dass staatli- Verlag C.H. Beck, schaft des Ministeriums für Staatssicherheit der Nation“ ganz offensichtlich als gefähr- Anhalts, Wolfgang Böhmer (CDU), ein den sich in vielen Fällen im Bestand der che Regulierungen keinesfalls das Recht auf München 2017; (MfS) der DDR „längst auch zum Teil des det an. Keiner der zwölf Archivstandorte in Konzept (18/8050) vorgelegt, wie die Stasi- Stasi-Unterlagen-Behörde, weil sie vom Mi- freie Meinungsäußerung beschneiden dür- 128 S., 10 € ,Gedächtnisses der Nation’ geworden“. So den östlichen Bundesländern „ist geeignet Akten in ihrem Gesamtbestand erhalten nisterium für Staatssicherheit übernom- fe. Auch automatische Filtersysteme seien schreibt er im Vorwort seines für die dauerhafte Nutzung und erfüllt alle werden können, die Bestimmungen über men wurden. Seit Inkrafttreten des Rehabi- nicht geeignet, um „fakes news“ und „hate Bis zu Donald Trumps Präsidentschaft ist Ti- 13. Tätigkeitsberichtes für die Jahre 2015 Kriterien für archivgerechte Lagerung“, lau- das Recht auf Akteneinsicht nach den Maß- litierungsgesetzes im Jahr 1992 haben sich speech“ zu vermeiden. Das von Justizmi- mothy Snyder, Professor für osteuropäische und 2016 (18/11400), den er in der ver- tet sein Urteil. Neu ist dieses Problem zwar gaben des Stasi-Unterlagen-Gesetzes wei- bundesdeutsche Gerichte in rund 102.000 nister Heiko Maas (SPD) geplante Gesetz, Geschichte an der Yale Universität, nie gangenen Woche an Bundestagspräsident nicht, doch Jahn sah sich genötigt, es noch terhin gültig bleiben, und wie die Zukunft Fällen mit dem Ersuchen auf Akteneinsicht um Internetplattformen stärker in die Ver- durch politische Statements aufgefallen. Ei- Norbert Lammert (CDU) übergab und vor einmal deutlich anzusprechen: „Repressi- der Stasi-Unterlagen-Behörde mit ihren an die Stasi-Unterlagen-Behörde gewandt. antwortung zu nehmen, beschränke sich nen Namen machte er sich – auch in der Bundespressekonferenz präsentierte. on, Revolution und Aufklärung, dieser rund 1.600 Mitarbeitern aussehen soll. Im In den vergangenen zwei Jahren gab es im- auf strafrechtliche Sachverhalte wie Volks- Deutschland – vor allem mit seinen Bü- Auch wenn die Zahl von Bürgeranträgen Dreiklang, den die Stasi-Unterlagen reprä- Kern schlug sie vor, das Stasi-Unterlagen- merhin noch 1.788 solcher Ersuchen. verhetzung. Die Direktorin der Medienan- chern „Bloodlands“ und „Black Earth“ auf Akteneinsicht in den vergangenen zwei sentieren, er braucht neue und vor allem Archiv innerhalb des Bundesarchivs mit ei- Für Roland Jahn ist das Auslaufen der An- stalt Berlin-Brandenburg, Anja Zimmer, über den Holocaust und Massenmorde Jahren erneut zurückgegangen ist, bleibt zukunftsfähige Strukturen, geeignete Orte genem Namen weiterzuführen und neben tragsfrist auf Rehabilitierung „ein Fehler im mahnte, dass es den Strafverfolgungsbe- während des Stalinismus. Doch kurze Zeit sie doch immer noch beachtlich: 2015 gin- und zeitgemäße Vermittlung. Das verlangt seinem Hauptsitz in der früheren Stasi- System“, der vom Bundestag korrigiert wer- hörden meist an Personal und techni- nach der Präsidentschaftswahl in den USA gen 62.544 Anträge bei der Behörde ein, unter anderem Modernisierung und Inves- Zentrale in Berlin-Lichtenberg in jedem den muss. Auch in diesem Fall gilt für ihn: schem Fachwissen mangele, um auf Geset- schrieb er bereits einen Artikel, in dem er 2016 noch 48.634. In den Jahren davor titionen in Digitalisierung und archivge- der neuen Bundesländer eine Außenstelle „Aufarbeitung von Unrecht darf kein Ver- zesverstöße im Internet schnell reagieren den Aufstieg Adolf Hitlers beschrieb ohne waren es noch 64.246 (2013) und 67.763 rechte Bauten“, mahnt er. zu betreiben. Und bereits die Kommission fallsdatum haben.“ Alexander Weinlein T zu können. aw T dessen Namen zu nennen und der starke Assoziationen mit Trump hervorrief. Anzeige Timothy Snyder sorgt sich um nicht weni- ger als die Standfestigkeit der amerikani- schen Demokratie. Jetzt hat er einen schmalen Band publiziert, in dem er seine Zauberformel »brain circulation« DAS WILL ICH ONLINE LESEN! Landsleute vor einem Abgleiten in die Dik- BILDUNG Das Bildungs- und Wissenschaftssystem soll internationaler ausgerichtet werden tatur warnt und ihnen 20 Verhaltensregeln Jetzt auch als E-Paper. zum Widerstand an die Hand gibt, um dies Klimakatastrophen, Krankheiten und Krie- Ähnlich globalpolitisch argumentierte Kai wickelten Strategien, Deutschland vor al- zu verhindern. Doch was heißt schon Wi- ge kennen keine Grenzen. Umso wichtiger Gehring (Grüne). Weltweit versuchten lem an seine eigenen Vorteile denke. derstand? Snyder beschwört weitestge- sei es, die Internationalisierung von Bil- fremdenfeindliche und nationalistische Mehr Information. hend allgemeingültige Bürgerrechte und dung und Wissenschaft zu fördern. Darü- Kräfte aus Krisen und Orientierungslosig- Studentenaustausch Daniela de Ridder Bürgerpflichten sowie Verhaltensweisen ber waren sich alle Redner in der Debatte keit Kapital zu schlagen. Deren giftiges Re- (SPD) betonte, dass allein aus dem Bun- Mehr Themen. Direkt aufgeklärter Menschen, die ein Abgleiten am vergangenen Freitag einig – strittig zept sei Ausgrenzung, Abschottung und Re- desministerium für Bildung und Forschung zum E-Paper in die Tyrannei verhindern sollen. So trifft blieb der richtige Weg. Insbesondere Rose- nationalisierung. „Das ist unvereinbar mit 800 Millionen Euro in internationale Ko- Mehr Hintergrund. der amerikanische Orginaltitel „Über Ty- marie Hein (Linke) betonte, die von der unserer global vernetzen Welt, in der wir operationen fließen würden und dass www.das-parlament.de rannei. 20 Lektionen aus dem 20. Jahrhun- Bundesregierung vorgelegte Internationali- leben wollen.“ Anders als die Unionsfrakti- zwölf Prozent aller Studenten in Deutsch- Mehr Köpfe. [email protected] dert“ auch viel besser den Kern seines Bu- sierungsstrategie enthalte vor allem „Wort- on betonte Gehring aber, dass die Globali- land aus dem Ausland kämen. Knapp 50 Telefon 069-75014253 ches. Immer wieder rekurriert Snyder auf hülsen“. sierung aktiv und vor allem auch fair ge- Prozent der deutschen Studenten wieder- den Nationalsozialismus und Stalinismus, In ihrer Unterrichtung (18/11100) bekennt staltet werden müsste. Gerade Bildung und um würden während ihres Studiums ein Mehr Parlament. die er wie schon in seinem Buch „Blood- sich die Regierung dazu, dass das Bil- Wissenschaft würde Kooperationen ermög- oder mehrere Auslandssemester einlegen. lands“ als wesensverwandt beschreibt. dungs-, Wissenschafts- und Innovationssys- lichen. Es ginge nicht darum, den Großteil Auch damit leiste Deutschland einen Bei- Die Grundbotschaft, die Snyder seinen Le- tem Deutschlands stärker international der Wissenschaftler und Fachkräfte aus trag zur „brain circulation“, also dem Aus- sern nicht nur in den USA auf den Weg ausgerichtet werden muss. Nur so könne dem Ausland auf Dauer ins eigene Land zu tausch von Wissen und Ideen. gibt, heißt Verantwortung. Diese müssten man im weltweiten Wettbewerb bestehen holen, sondern es ginge um circuläre Mi- Bundesbildungsministerin Johanna Wanka die Bürger für ihre demokratische Gesell- und der Verantwortung gerecht werden, gration, um „brain circulation“, denn Ab- (CDU) wies auf mehrere internationale schaft übernehmen. Der wahrscheinlich zur Lösung globaler Herausforderungen werbung oder Headhunting würde die Ent- Projekte hin und versprach: „Wir gehen die amerikanischste Rat lautet: Seit patrio- beizutragen. wicklungschancen ärmerer Länder schmä- Lösung der globalen Probleme an.“ Mehr tisch! Und diesen nutzt er, um Trump eine lern. denn je werde eine freie Wissenschaft be- durchweg unpatriotische und nationalisti- Isolationismus Claudia Lücking-Michel In ihrem Antrag (18/10359) fordern die nötigt. Dies sei das zentrale Element der sche Gesinnung zu attestieren. „Ein Patriot (CDU) betonte, die neue Strategie komme Grünen die Bundesregierung auf, ihre In- Internationalisierungsstrategie, eine Wis- hingegen will, dass die Nation seinen Idea- zum richtigen Zeitpunkt. Sie nannte den ternationalisierungsstrategie zu überarbei- senschaft, die Grenzen überwindet. rol T len entspricht, was bedeutet, dass er uns Brexit und den Einreisestopp in die USA ten und die internationale Stärkung der darum bittet, uns von unseren besten Seite aus verschiedenen muslimischen Ländern Freiheit von Wissenschaft und Forschung zu zeigen.“ Es sind einfache Sätze, in die als Beispiele für einen neuen, sich isolie- zu einem zentralen Ziel zu machen. In Snyder seine Botschaft kleidet. Es ist ihm renden Nationalismus, der große Auswir- zahlreichen Ländern stünde das Prinzip zu wünschen, dass sie gehört und verstan- kungen auch auf Forschung und Wissen- der Freiheit unter Druck. Weiterführende Links zu den den werden. aw T schaften habe. Nicht Abschottung sondern Auch Rosemarie Hein (Linke) kritisiert, Themen dieser Seite finden Offenheit sei Garant für Spitzenforschung. dass bei den von der Bundesregierung ent- Sie in unserem E-Paper D l i f lit i i f ili 12 KEHRSEITE Das Parlament - Nr. 13 - 27. März 2017

AUFGEKEHRT ORTSTERMIN: JUNIORWAHL 2017 Zum Tod von Lizenz zum Horst Ehmke

Löschen Er war einer der zentralen Ideengeber der sozialliberalen Reformen und an der uropas Parlament findet oft Durchsetzung der Ostpolitik entscheidend nicht die ganz große Beachtung. beteiligt. Wenige Wochen nach seinem 90. Unlängst etwa galt das für eine Geburtstag starb Horst Ehmke (SPD) am Änderung seiner Geschäftsord- 12. März in Bonn. Beruf und Berufung des Enung: Danach kann sein Präsident aus in Danzig gebo- „audiovisuellen Aufzeichnungen“ der renen Juristen Sitzungen diffamierende oder rassisti- hätten für zwei sche Äußerungen löschen lassen. Wür- Leben gereicht. den sie nicht via Smartphone verbreitet, 1962 war er als bliebe so des Hauses Würde unbefleckt: Verteidiger des Was nicht sein darf, ist auch nicht. in der „Spiegel- Viel Ärger ließe sich so aus der Welt Affäre“ verhafte- schaffen. Fremdenfeindlichkeit? Pegida? ten Redakteurs Einfach löschen. Schon strahlt die Frau- Conrad Ahlers enkirche heller! Klimaerwärmung? Um- bundesweit be- ©dpaBilderdienste weltzerstörung? Einfach löschen, alles kannt gewor- gut. Löschen darf, wer die Macht hat – den, im Folgejahr wurde er mit 36 Jahren weiter westwärts derzeit schön zu sehen. Ordinarius für Öffentliches Recht in Frei- Baustellen im Berufsverkehr? Einfach lö- burg. Es folgten Stationen als Staatssekretär schen – dann muss man nicht früher sowie Minister im Bundesjustizministeri- aufstehen. Dumm nur, dass man im um. In dieser Zeit prägte Ehmke die 1969 Stau steht – obwohl die Verkehrsnach- verabschiedete Strafrechtsreform maßgeb- richten zu „Fake news“ erklärt wurden. lich. Der heutige liberale Rechtsstaat ist mit Schade auch, dass beim Löschen schö- seinem Namen verbunden. Als engster nes Anschauungsmaterial verloren geht. Mitarbeiter Willy Brandts (SPD) amtierte Denken wir nur an die Aufnahme vom er von 1969 bis 1972 als Chef des Kanzler- Reichstagsbrandprozess, als 1933 der amts, das er in eine politische „Schaltzen- Ober-Nazi Göring einen – später freige- trale“ umwandelte. Die große Karriere des sprochenen – Angeklagten als „Schuft“ „Spezialisten für alles“, wie ihn Brandt ti- und „Gauner“ beschimpfte. Das nachzu- tulierte, war mit dessen Rücktritt zu Ende. hören, kann auch in Zeiten nutzen, in Von 1972 bis 1974 stand er noch an der denen ein interkontinentaler Staats- Spitze des Bundesforschungsministeriums. mann damit zitiert wird, ein kleines Ehmke war von 1969 bis 1994 Bundestags- Küstenland als „Banditenstaat“ mit „ver- Wählen statt Unterricht: Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) besuchte im März das Walther-Rathenau-Gymnasium in Berlin. Anlass war ein Gespräch mit Schülerinnen und abgeordneter und langjähriger außenpoli- kommenem Charakter“ zu titulieren. Da Schülern im Wahljahr. © Deutscher Bundestag/Marc-Steffen Unger tischer Sprecher seiner Fraktion. bmh T könnte doch der Göring-Mitschnitt die einen zu neuen Formulierungen inspi- rieren und die anderen zu der Erkennt- PERSONALIA nis, wer da wessen Sprache spricht. Soll- te also im Europäischen Parlament einer Demokratie im Klassenzimmer >Detlev von Larcher etwa Lohnunterschiede zwischen den Bundestagsabgeordneter 1990-2002, Geschlechtern einmal mit geringerer Wie wäre es mit einer Bundestagswahl statt Politikunter- nen. Wahlberechtigungen, Wahlurnen, Wahlkabinen und wählt, verschafft sich und seinen Interessen Gehör, wer SPD weiblicher Intelligenz verteidigen – bitte richt? Wahlkabinen aufbauen, Plakate aufhängen, Wahlzet- Wahlzettel erreichen die Klasse dann einen Monat vor wählt, übernimmt Verantwortung. Wer von seinem Detlev von Larcher vollendet am 30. März nicht löschen! Wir wollen doch im Bilde tel studieren und selbst Kreuze bei Parteien und Politikern dem Wahltermin. Genau wie bei der „echten“ Abstim- Wahlrecht keinen Gebrauch macht, überlässt anderen sein 80. Lebensjahr. Der Diplom-Sozialwirt sein. Helmut Stoltenberg T machen: Dafür können sich Schüler derzeit entscheiden, mung gibt es außerdem Plakate der Kandidaten. Ein die Entscheidung über die eigenen Angelegenheiten.“ aus Weyhe/Kreis Diepholz, SPD-Mitglied auch wenn sie unter 18 Jahre alt sind und am Wahlvorstand, der von den Schülern bestimmt wird, leitet Dass Probe-Wählen etwas bringt, lässt sich anhand der von 1969 bis 2008 und längere Zeit Vorsit- 24. September daher noch nicht abstimmen dürfen. Mög- die Wahl und kontrolliert, ob alles mit rechten Dingen Bürgerschaftswahlen in Bremen statistisch belegen: In der zender des Unterbezirks Diepholz, war Spre- VOR 25 JAHREN... lich macht das die Juniorwahl, die in diesem Jahr zum zugeht. Gruppe der Erstwähler, die sich zuvor an der Juniorwahl cher des linken Flügels seiner Partei. Im fünften Mal stattfindet. Bei diesem bundesweiten Schul- Sind die Wahlurnen aufgebaut, kann es losgehen. Schüler beteiligt hatten, gaben besonders viele auch am echten Bundestag wirkte er im Finanzausschuss projekt können Schüler die Wahl im Klassenzimmer nach- und Lehrer entscheiden vorher, ob sie auf Papier ihr Wahltag ihre Stimme ab – und auch ihre Eltern beteilig- mit. Larcher engagiert sich seit 2000 in der Türkei-Panzer- stellen. Mehr als 1,8 Millionen Jugendliche haben so seit Kreuz machen wollen oder online abstimmen; 80 Pro- ten sich wieder an den Landtagswahlen. „Vorurteile ge- globalisierungskritischen Bewegung Attac. 1999 erprobt, wie Wahlen funktionieren. Auch der Bun- zent entscheiden sich für den klassischen Weg. Die Wahl genüber einer Wahl werden mit politischer Bildung auf- Affäre destag unterstützt das Projekt: Bundestagspräsident Nor- findet schließlich eine Woche vor der Bundestagswahl gehoben“, betont Wolff. >Horst Schild bert Lammert (CDU) ist Schirmherr der Juniorwahl 2017. statt, also am 17. September 2017. Kumulus e.V. wertet An der Juniorwahl teilnehmen können Schulen bundes- Bundestagsabgeordneter 1994-2005, 31.3.1992: Stoltenberg tritt zurück „Natürlich wählen Jugendliche ganz anders als Erwachse- die Stimmen aus und gibt sie am Abend der „echten“ weit sowie deutsche Schulen im Ausland ab der siebten SPD „Der Bundesminister der Verteidigung ne“, sagt Gerald Wolff von Kumulus e.V., einem überpar- Bundestagswahl bekannt. Klasse. Gewählt werden kann im Politikunterricht, aber Am 4. April wird Horst Schild 75. Jahre alt. hat mitgeteilt, dass die im Rahmen der teilichen Verein, der die Juniorwahl unterstützt. Es wür- Durch die Juniorwahl sollen die Jugendlichen nicht nur auch in Fächern wie Deutsch und Geschichte. Auf der Der aus Hannover gebürtige Akademische Rüstungssonderhilfe umgerüsteten Pan- den zum Beispiel viel weniger extreme Parteien gewählt. den Ablauf einer Wahl kennenlernen, sondern auch ein Webseite www.juniorwahl.de finden sich mehr Informa- Rat trat 1961 der SPD bei und war Mitglied zer bereits an die Türkei ausgeliefert Auch die Wahlbeteiligung unter den Schülern ist mit 80 Gefühl dafür bekommen, wie Demokratie funktioniert. tionen und das Bewerbungsformular. Interessierte soll- des Unterbezirksvorstands Hannover-Land. sind.“ Ein Satz mit Zündstoff, geschrie- Prozent deutlich höher als zuletzt bei Bundestagswahlen. „Wer einmal wählen geht, geht auch später wieder“, ist ten schnell sein. Es gibt zwar keinen Bewerbungs- Von 1972 bis 1986 gehörte er dem Stadtrat ben von Finanzstaatssekretär Manfred Drei bis vier Monate vor der Wahl erhält der Klassenleh- Wolff überzeugt. Bundestagspräsident Norbert Lammert schluss, insgesamt können aber nur 2500 Schulen mit- in Laatzen und von 1991 bis 2005 dem Carstens (CDU) in einer Mitteilung an rer Materialien, die im Unterricht behandelt werden kön- formuliert es so: „Wer wählt, entscheidet mit. Wer machen. Laura Heyer/ebT Stadtrat in Barsinghausen an. Schild saß im den Haushaltsausschuss des Bundesta- Bundestag im Finanzausschuss. ges. Ein Satz, der Verteidigungsminister Gerhard Stoltenberg (CDU) am 31. >Frank Spieth März 1992 zum Rücktritt zwang – weil Bundestagsabgeordneter 2005–2009, er belegt, dass Stoltenberg zumindest ge- LESERPOST Die Linke Bundestag ehrt Frank Spieth wird am 4. April 70 Jahre alt. Zur Ausgabe 11-12 vom 13. März 2017, nicht ausgerechnet durch tatkräftige dar, das zur Konfliktträchtigkeit der Regi- Der Gewerkschaftssekretär und DGB-Vorsit- »Im zweiten Versuch« auf Seite 1: deutsche Mithilfe scheitern soll! on erheblich beigetragen hat. Wels und zende in Thüringen von 1992 bis 2006 war Die genannten Kritikpunkte an der PKW- Rasmus Ph. Helt Zudem bleibt bei der Erwähnung des von 1966 bis 2003 SPD-Mitglied. 2007 trat Maut greifen zu kurz. Denn das eigentli- Hamburg Präsidenten des Kosovos, Hashim Thaci, Erzberger er in die Partei Die Linke ein. Der gesund- che Problem besteht hier weniger in ju- unerwähnt, dass sowohl Hinweise des heitspolitische Sprecher seiner Fraktion ristischer als vielmehr in prinzipieller Zur Ausgabe 5-7 vom 30. Januar 2017, Bundesnachrichtendienstes als auch In- GEDENKEN Zum Jahrestag des nationalso- wirkte im Gesundheitsausschuss mit. Hinsicht: Ein Gesetz, das vornehmlich »Auf der schiefen Bahn« auf Seite 11: formationen der ehemaligen Chefanklä- zialistischen Ermächtigungsgesetzes vom dazu dient, seine Nachbarn stärker zu Der Artikel zu den Spannungen auf dem gerin Carla Del Ponte und des Schwei- 23. März 1933 hat Bundestagspräsident >Irmgard Schwaetzer belasten, verstößt eklatant gegen die eu- Balkan beleuchtet die politischen Proble- zers Dick Marty den Vorwurf schwerster Norbert Lammert (CDU) die Benennung Bundestagsabgeordnete 1980-2002, ropäischen Grundwerte eines fairen ge- me oberflächlich und blendet wichtige Kriegsverbrechen gegen Herrn Thaci vali- zweier Bundestags-Liegenschaften mit den FDP genseitigen Umgangs. Zumal es gerade historische Hintergründe aus. de erscheinen lassen. Es gab eine Zeit, als Namen des Zentrumspolitikers Matthias Irmgard Schwaetzer wird am 5. April 75 in der gegenwärtigen (Identitäts-)Krise Während der Bevölkerungsanteil der der US-Geheimdienst die UCK mit Erzberger und des Sozialdemokraten Otto Jahre alt. Die Apothekerin und promovierte der Europäischen Union mehr denn je Bosniaken auf dem Gebiet Bosnien-Her- Herrn Thaci an der Spitze als gefährliche Wels aus der Zeit vor und während der Pharmazeutin trat 1975 der FDP bei, war darauf ankommt, alles zu unterlassen, zegowinas 1953 noch unter einem Drit- terroristische Organisation bezeichnete. Weimarer Republik bekanntgegeben. In von 1982 bis 1984 Generalsekretärin und

© picture-alliance/Ulrich Baumgarten was negative Vorurteile und Stereotype tel der Gesamtbevölkerung lag, über- So kurz sollte ein journalistisches Ge- einleitenden Worten zur Plenardebatte un- von 1988 bis 1994 stellvertretende Bundes- Gerhard Stoltenberg (CDU) im Jahr zwischen den verschiedenen Völkern sät. schreitet er heute die absolute Mehrheit. dächtnis nicht sein! terstrich Lammert, mit der Namensgebung vorsitzende. 1987 wurde sie Staatsministe- 1990 als Bundesverteidigungsminister Deshalb muss das Projekt in jedem Fall Dieser Anteilszuwachs stellt doch ein Dietrich Elschner der beiden Abgeordnetenhäuser Unter den rin im Auswärtigen Amt und amtierte von auf Eis gelegt werden, wenn Europa erörterungswürdiges politisches Faktum Mannheim Linden 50 und 71 ehre der Bundestag die 1991 bis 1994 als Bundesministerin für Lebensleistung zweier herausragender Par- Raumordnung, Bauwesen und Städtebau. In wusst haben musste, dass 15 Leopard- lamentarier der deutschen Geschichte, die ihrer Amtszeit forcierte sie die Privatisierung I-Panzer in die Türkei geliefert wurden. jeweils nahezu zwei Jahrzehnte dem öffentlicher Wohnungsbestände und förder- Und zwar illegal. SEITENBLICKE Reichstag angehörten und unter der Bedro- te die Investitionsbereitschaft in den neuen Seit Mitte der 1960er Jahre hatte die hung von Leib und Leben beispielgebend Bundesländern durch Steuersubventionen. Bundesrepublik Waffen in das Nato-Land moralische Größe und demokratische Hal- Seit 2013 ist sie Präses der Synode der EKD. am Bosporus exportiert. Wegen türki- tung gezeigt hätten. Lammert erinnerte da- schen Angriffen auf kurdische Siedlun- ran, dass Matthias Erzberger, der unter an- >Christel Riemann-Hanewinckel gen hatte der Haushaltsausschuss im derem ein reichseinheitliches Bahnsystem Bundestagsabgeordnete 1990-2009, Herbst 1991 aber beschlossen, eine aus- und eine bis heute nachwirkende Steuerre- SPD stehende Panzerlieferung zu stoppen: form schuf, im August 1921 Opfer eines Am 6. April wird Christel Riemann-Hane- Die Abgeordneten sperrten 25 Millionen Mordanschlages einer nationalistisch-anti- winckel 70 Jahre alt. Die Pfarrerin aus Halle/ D-Mark, die für Umbau und Transport semitischen Terrororganisation wurde. Ot- Saale engagierte sich seit 1981 in der Frie- der Panzer anfallen sollten und die an to Wels habe am 23. März 1933 als einzi- densbewegung der DDR, war dort 1989/90 die beauftragte Münchner Waffenschmie- ger seine Stimme gegen die Auslieferung Mitbegründerin der SDP bzw. SPD und von de Krauss-Maffei noch nicht überwiesen der Demokratie an ihre Feinde erhoben 1991 bis 2006 SPD-Vorsitzende in Halle. worden waren. Als Mitte März 1992 die und damit ein Signal gesetzt, dass Wider- Von 1992 bis 2002 gehörte sie dem Vor- Rechnung fällig wurde, wandte sich Stol- stand möglich und nötig gewesen sei. DP T stand der SPD-Bundestagsfraktion an und tenberg an das Finanzministerium, das stand von 1998 bis 2002 an der Spitze des wiederum um die Aufhebung der Finanz- Familienausschusses. Von 2002 bis 2005 sperre bat. Dadurch kam die Affäre ans war sie Parlamentarische Staatssekretärin Licht. Das Verteidigungsministerium er- bei der Bundesministerin für Familie, Senio- klärte die illegale Lieferung zunächst mit Haben Sie Anregungen, Fragen oder ren, Frauen und Jugend. bmh T einem „Versäumnis“ von Beamten. Stol- Kritik? tenberg stand zu diesem Zeitpunkt be- Schreiben Sie uns: reits unter Beschuss: Erst im Oktober 1991 war eine heimliche Lieferung von Das Parlament BUNDESTAG LIVE Spezialpanzern, die aus Beständen der Platz der Republik 1 11011 Berlin Topthemen vom Nationalen Volksarmee stammten, nach 27.03.– 03.04.2017 Israel aufgeflogen. Benjamin Stahl T [email protected] Maritime Wirtschaft (Do), Pflegeversicherung (Fr) Leserbriefe geben nicht die Meinung der Redaktion wieder. Die Redaktion Phoenix überträgt live ab 9 Uhr behält sich vor, Leserbriefe zu kürzen. Auf www.bundestag.de: Weiterführende Links zu den Die nächste Ausgabe von „Das Die aktuelle Tagesordnung sowie die Themen dieser Seite finden Debatten im Livestream Sie in unserem E-Paper Parlament“ erscheint am 3. April. DEBATTENDOKUMENTATION Eidesleistung des Bundespräsidenten / 223. Sitzung des 18. Deutschen Bundestags am 22. März 2017

Prof. Norbert Lammert, CDU, Bundestagspräsident: besonders herzlich Daniela Schadt Ihnen, Frau Büdenbender, gel- und Elke Büdenbender zu begrü- ten unsere guten Wünsche für die ßen, bevorstehenden Jahre. Wir wün- Bundespräsident ist ein Amt die, um es in gutem Deutsch zu schen Ihnen zusammen mit dem sagen, ersten Damen unseres Lan- Herrn Bundespräsidenten eine er- des, die im angelsächsischen Sys- folgreiche Amtszeit, in der Sie bei- der ausgleichenden Kraft tem als First Ladies bezeichnet de hoffentlich immer wieder auch werden. Freude am eigenen Land und sei- Sie nehmen ein Amt wahr, das ner Vertretung nach innen wie herzlich zur gemeinsamen Sitzung Der Kaiser ist ein lieber Mann es in unserer Verfassungsordnung nach außen haben mögen. des Deutschen Bundestages und er wohnet in Berlin gar nicht gibt, wohl aber in der Dieses Amt – so hat es der erste des Bundesrates. Ich freue mich und wär das nicht so weit von politischen und gesellschaftlichen Bundespräsident Theodor Heuss über die vielen Ehrengäste, darun- hier Wirklichkeit. Damit sind vielfälti- bei seiner Vereidigung 1949 zum ter frühere Bundespräsidenten so ging ich heut noch hin. ge Verpflichtungen, Aufgaben, Er- Ausdruck gebracht – hat den Sinn, und Parlamentspräsidenten und Nun ist uns der Kaiser abhan- wartungen und Ansprüche ver- „über den Kämpfen, die kommen, eine stattliche Anzahl von amtie- dengekommen, aber pünktlich bunden, für die sie weder kandi- die nötig sind, die ein Stück des renden Richtern des Verfassungs- zum heutigen Ereignis haben diert haben noch gewählt wurden, politischen Lebens darstellen, nun gerichts. Bundestag und Bundesrat in einer aber die sie – meist unauffällig – als ausgleichende Kraft vorhanden Meine Damen und Herren, leb- gemeinsamen Kraftanstrengung mit großem Engagement, Charme zu sein“. ten wir noch in feudalen Zeiten, das Wetter organisiert, das man und stiller Größe wahrgenommen Unseren Dank und Respekt an wäre heute Feiertag. früher wohl als Kaiserwetter be- haben oder wahrnehmen werden. Sie, verehrter Herr Bundespräsi- Vor genau 130 Jahren, 1887, zeichnet haben soll. Dafür möchte ich Ihnen, Frau dent Gauck, verbinden wir mit © DBT/Achim Melde Norbert Lammert (*1948) wurde zum letzten Mal der Ge- Wir leben heute in republikani- Schadt, ganz herzlich danken – den besten Wünschen an Ihren Bundestagspräsident burtstag von Kaiser Wilhelm I. am schen und vergleichsweise prosai- und ich darf dies heute Morgen Nachfolger, Herrn Bundespräsi- 22. März gefeiert, übrigens nicht schen Zeiten, weswegen ich darauf ausnahmsweise nicht nur für den denten Steinmeier, in den kom- eine Herren Bundesprä- mit einem gesetzlich verankerten verzichte, die weiteren Strophen Deutschen Bundestag, sondern menden Jahren bei den unver- sidenten! Frau Bundes- arbeitsfreien Tag, aber doch mit ei- dieser Kaiserhuldigung oder mei- auch für den Bundesrat zum Aus- meidlichen Auseinandersetzungen Mkanzlerin! Frau Bundes- nem Feiertag mit nationalem An- ne Begrüßung in Reimform vorzu- druck bringen, deren Präsidentin ebenso kraftvoll wie ausgleichend ratspräsidentin! Herr Präsident spruch, der mit Militärparaden tragen. Nicht verzichten möchte im Anschluss an meine Begrü- zu wirken. Vielen Dank für die des Bundesverfassungsgerichts! und Festansprachen begangen wur- ich aber darauf, neben den Vertre- ßung die Arbeit des scheidenden Aufmerksamkeit. Exzellenzen! Liebe Kolleginnen de. Und in den Schulen wurden tern der Verfassungsorgane und Bundespräsidenten würdigen und Kollegen! Ich begrüße Sie alle Gedichte vorgetragen wie dieses: den zahlreichen Ehrengästen ganz wird. (Beifall)

Malu Dreyer, SPD, Präsidentin des Bundesrates : nehmen, um Terror und Gewalt nen „Ansporn“ genannt, noch ent- zu verhindern und unsere Werte schiedener für die demokratische zu verteidigen. Umso wichtiger Freiheit einzutreten. Diese Leiden- Der Wert der Freiheit darf nicht scheint mir deshalb, was Sie uns, schaft für die Freiheit, sie ent- verehrter Präsident Gauck, in Ihrer springt Ihrer Erfahrung von massi- großen Europarede ein knappes vem Unrecht, von Unfreiheit und durch Gewöhnung verkümmern Jahr später mit auf Enge, die Sie in der den Weg gegeben DDR erlebt haben. haben: Daraus haben Sie Lieber Herr Dr. Steinmeier, lie- fühl vieler Menschen in unserem Europäische Mit Sorge be- den Trotz eines ber Frank-Walter, im Namen des Land. Die Folgen der Finanz- Identität definiert obachten wir, evangelischen Pas- Bundesrates und des Bundestages, marktkrise und die enormen sich nicht durch ne- dass in Deutsch- tors entwickelt, der aber auch persönlich darf ich Ih- Staatsschulden mehrerer europäi- gative Abgrenzung land populis- als Bürgerrechtler nen sehr herzlich zu Ihrer Wahl scher Länder nährten massive vom anderen. Euro- tische Kräfte in der Friedlichen zum Bundespräsidenten gratulie- Zweifel am Projekt Europa: Kann päische Identität stark werden. Revolution die ren. Wir freuen uns auf Sie als die Europäische Union wirklich wächst mit dem Menschen geradezu zwölften Präsidenten der Bundes- die Herausforderungen einer glo- Miteinander und begeistert hat. Sie republik Deutschland. balisierten Welt besser bewältigen der Überzeugung waren Abgeordne- Sehr geehrter, lieber Präsident als ein Nationalstaat alleine? Ihre der Menschen, die sagen: Wir wol- ter der ersten frei gewählteVolks- Gauck, Sie haben in den letzten Antwort, lieber Herr Bundespräsi- len Teil dieser Gemeinschaft sein, kammer der DDR und mit der

BT/Achim Melde fünf Jahren mit Ihrer klaren und dent, war eindeutig, als Sie in die- weil wir die gemeinsamen Werte herzlichen Art das Vertrauen der sem Hohen Hause Ihre Antrittsre- teilen. D Malu Dreyer (*1961) Menschen in unserem Land, aber de hielten. Sie sagten: „Wir wollen Mit Sorge beobachten wir, dass Fortsetzung auf nächster Seite Ministerpräsidentin Rheinland-Pfalz auch weit über die Grenzen hi- mehr Europa wagen.“ Damals ha- heute auch in Deutschland popu- naus gewonnen. Im besten Sinne ben wir uns wohl alle noch nicht listische Kräfte stark werden, die ehr geehrte Herren Präsiden- haben Sie gezeigt, was die Kraft vorstellen können, wie sehr ein einem neuen Nationalismus das Dies ist eine gekürzte Version der Debatte. ten! Sehr geehrte Frau Bun- des klugen Wortes vermag. Sie ha- freies, ein solidarisches Europa tat- Wort reden, die die Geschichte als Das Plenarprotokoll und die vorliegenden Sdeskanzlerin! Exzellenzen! ben so dem Amt des Bundespräsi- sächlich unter Druck geraten wür- Siegergeschichte schreiben wollen Drucksachen sind im Volltext im Internet Meine sehr verehrten Herren und denten im In- und Ausland Anse- de. und gegen alles Fremde hetzen. abrufbar unter: Damen! Diese Stunde bietet die hen und Würde verliehen. Dafür Heute erinnern wir in besonde- Aber das wollen die Menschen http://dip21.bundestag.de/dip21.web/bt wunderbare Gelegenheit, unserem gebührt Ihnen unser aller Dank. rer Weise an die Opfer der Terror- mehrheitlich nicht. Die Wahl in neuen Präsidenten Frank-Walter Sehr verehrter Herr Präsident anschläge in Brüssel, die vor ge- den Niederlanden war ein klarer Der Deutsche Bundestag stellt online Steinmeier die besten Wünsche mit Gauck, schon als Sie das höchste nau einem Jahr durch Selbstmord- Sieg gegen Fremdenfeindlichkeit die Übertragungen des auf den Weg zu geben und unserem Staatsamt übernahmen, bestimm- attentäter des „Islamischen Staa- und für Europa. Parlamentfernsehens als Live-Video- und scheidenden Präsidenten Joachim te das Wort „Krise“ die politische tes“ getötet wurden. Wir sind als Sie, verehrter Herr Gauck, ha- Audio-Übertragung zur Verfügung. www.bundestag.de/live/tv/index.html Gauck von Herzen Danke zu sagen. Agenda und auch das Lebensge- Europäer gefordert, alles zu unter- ben populistischen Hass stets ei- Fortsetzung auf nächster Seite 2 DEBATTENDOKUMENTATION Das Parlament - Nr. 13 - 27. März 2017

Wiedervereinigung Mitglied des „Die Freiheit der Erwachsenen oder die Weinberge in Rheinland- schen auf Ihre warmherzige Art unseren Blick auf die Möglichkei- Deutschen Bundestages – und ha- heißt Verantwortung.“ – Dieser Pfalz. – Wir sind verschieden, angesprochen und stark gemacht. ten, die Deutschland bietet. De- ben als Beauftragter der Stasi-Un- Satz, so wünschen Sie sich, möge aber wir gehören zusammen. Wir Unabgesprochen hatten der mokratie verträgt in Ihren Augen terlagen-Behörde wesentlich dazu mit Ihnen verbunden bleiben. gehören zusammen, und wir ste- Bundestagspräsident und ich den keine Resignation. Sie braucht ent- beigetragen, die Gewalt des DDR- Verantwortung zu übernehmen, hen zusammen. Das haben Sie, gleichen Gedanken: Auch wenn schlossene Demokraten und De- Staates aufzudecken. Mit all Ihrer ist besonders wichtig, wenn es kei- lieber Herr Präsident Gauck, in unsere Verfassung das Amt noch mokratinnen, die sich engagieren Kraft kämpfen Sie gegen Vergessen ne vorgezeichneten Wege gibt. den vergangenen Jahren immer nicht kennt – Sie waren in den und die sich auch dann nicht aufs und für Demokratie. Vieles ist derzeit im Umbruch. Sie wieder betont. Ich möchte das vergangenen fünf Jahren unsere Glatteis führen lassen, wenn ge- Es bleibt das Besondere Ihrer haben mit Blick auf die digitale bekräftigen: Zusammen sind wir kluge und gewinnende First Lady. fühlte Wahrheiten an die Stelle Präsidentschaft, dass wir mit Ih- Revolution sogar von einem „Epo- Deutschland. Dafür danke ich Ihnen sehr herz- überprüfter Fakten treten. nen noch einmal das Geschenk chenwechsel“ gesprochen. Im Sehr verehrter Herr Präsident lich. Lieber Präsident Steinmeier, lie- der deutschen Einigung, die große Umbruch ist auch unsere Gesell- Gauck, mit dem Klima der See Lieber Herr Bundespräsident ber Frank-Walter, ich bin sicher: Bedeutung freier Wahlen und den schaft, die sehr viel pluraler ge- kennen Sie sich bestens aus. Den Steinmeier, Ihr Vorgänger hat da- Sie treffen den Nerv der Zeit, Geschmack von Freiheit erleben worden ist. Sie haben uns dazu scharfen Gegen- von gesprochen, dass wenn Sie den Menschen Mut ma- durften, ja, dass wir selbst noch aufgefordert, diese Vielfalt als wind von Macht- die Zeiten rau sind chen und die Zuversicht vermit- einmal staunen durften über das Reichtum zu begreifen. Hartnä- habern haben Sie und dass unser verei- teln, dass wir unsere Aufgaben „Wunder der Demokratie“. Sie ha- ckig und charmant werben Sie für in der DDR mehr Mit Ihnen nigtes Deutschland meistern können. Sie werden das ben das kostbare Gefühl von Be- ein gutes Miteinander – ohne zu als einmal ge- durften wir auch international zusammen mit Ihrer Frau tun. Lie- freiung mit uns geteilt – und mit verschweigen, dass Vielfalt auch spürt. Und als elf- selbst noch ein- größere Verantwor- be Frau Büdenbender, liebe Elke, Ihrer Begeisterung auch uns be- anstrengend ist. ter Bundespräsi- mal staunen über tung übernehmen Sie stellen dafür Ihren Beruf hint- wegt. Wir brauchen diese demo- In Ihrer Abschiedsrede haben dent der Bundes- das »Wunder der muss. Es ist ein an. Ich danke Ihnen beiden dafür, kratische Leidenschaft. Der Wert Sie zudem darauf hingewiesen, republik Deutsch- Demokratie«. Glücksfall, dass mit dass Sie sich so in den Dienst un- der Freiheit darf nicht durch Ge- dass die entscheidende Trennlinie land mussten Sie Ihnen ein Präsident seres Landes stellen. wöhnung verkümmern. Wir dür- in unserer Demokratie nicht zwi- so manches Mal ins Amt kommt, der Meine Herren und Damen, in fen die Kraft der Emotionen nicht schen Alteingesessenen und Neu- gegen ein Klima Deutschland auch den nächsten Jahren sind wir in denen überlassen, die unsere offe- bürgern oder zwischen Christen, der Perspektivlosigkeit ankämp- aus dem Blickwinkel anderer Na- besonderem Maße aufgerufen, für ne Gesellschaft bekämpfen. Muslimen, Juden und Atheisten fen. Das ist Ihnen ohne Zweifel tionen kennengelernt hat und der unsere offene Demokratie einzu- Sehr geehrter Herr Präsident verläuft, sondern zwischen Demo- gelungen. Ich glaube, ich darf sa- dabei gezeigt hat, dass man selbst treten, damit auch unsere Kinder Gauck, auch im höchsten Amt des kraten und Nichtdemokraten. gen: Sie haben mit Ihrer Leiden- in schwierigsten Konflikten wie und Enkel in einem Deutschland Staates haben Sie Schwieriges of- Meine Herren und Damen, wir schaft für Freiheit und Demokra- im Iran oder in der Ukraine mit des guten Miteinanders und in ei- fen ausgesprochen und damit müssen also alles tun, um unsere tie unseren Verstand und unsere Beharrlichkeit und großer Geduld nem freien, solidarischen Europa eben auch Debatten angestoßen, Demokratie stark zu machen. Mit Herzen erobert. etwas für die Menschen erreichen leben können. etwa als Sie forderten, die Bundes- unserer föderalen Ordnung ha- Ich danke Ihnen für Ihren he- kann. Ich wünsche Ihnen, lieber Herr republik solle sich in internatio- ben wir alle Chancen dazu. Unser rausragenden Dienst an der Bun- In den letzten Wochen haben Präsident Steinmeier, für Ihr neues nalen Konflikten, vor allem bei föderaler Staat achtet die Ver- desrepublik Deutschland. Sie immer wieder leidenschaftlich Amt zusammen mit Ihrer Frau al- der Krisenprävention, „früher, ent- schiedenheit der Lebensverhält- Auch wenn der Bundestagspräsi- daran erinnert, wie wenig selbst- les erdenklich Gute,viel Kraft und schiedener und substanzieller ein- nisse, ohne ihre Gleichwertigkeit dent Ihnen schon gedankt hat, verständlich ist, was wir hier in allzeit eine glückliche Hand. Las- bringen“. Wenn Sie so die Macht aus dem Blick zu verlieren: Men- möchte auch ich in diesen Dank unserem Rechtsstaat selbstver- sen Sie uns gemeinsam für Einig- des Wortes nutzten, haben nicht schen in Berlin-Kreuzberg be- Sie, liebe, sehr verehrte Frau ständlich genießen: der Schutz des keit und Recht und Freiheit strei- alle Beifall geklatscht. Für Sie aber schäftigt ja manchmal anderes als Schadt, ausdrücklich einschließen. Lebens, die gleiche Würde aller ten. ist das offene Wort Ausdruck der Menschen in der Eifel. Und die Sie waren die starke Frau an der Menschen, Meinungs- und Gewis- Vielen Dank. Überzeugung, dass Freiheit immer See in Rostock prägt das Gemüt Seite unseres Bundespräsidenten. sensfreiheit, eine freie Presse, so- auch Verpflichtung bedeutet. anders als die Berge in Bayern Und Sie selbst haben die Men- ziale Sicherheit. Sie lenken damit (Beifall)

Dr. Joachim Gauck, Bundespräsident a. D.: sen an Eindrücken und Erfahrun- Ich habe oftmals, und zwar auf gen aus meiner Zeit als Bundesprä- eine außerordentlich berührende sident, die mein Verhältnis zu die- Weise, erlebt, wie Überlebende Unsere Demokratie ist sem Land verändert haben, Eindrü- oder deren Kinder, Enkel und Ur- cke und Erfahrungen, die in mir enkel es wissen und spüren: Das das Gefühl großer Dankbarkeit Deutschland von heute verurteilt und bleibt wehrhaft ausgelöst haben. Bei den Auslands- und verfolgt Naziungeist und -me- reisen konnte ich, ähnlich wie thoden wie kaum ein anderes Frank-Walter Steinmeier es schon Land. An den Stätten des einstigen ist nun fünf Jahre her, als ich hier len respektiert, internationale Ver- beschrieben hat, unser Land mit Grauens, etwa im französischen stand, schon einmal vor Bundes- träge, internationale Bündnisse den Augen von Fremden erblicken Oradour-sur-Glane, im grie- tag und Bundesrat. Damals als und demokratische Spielregeln und es so neu schätzen lernen. Ei- chischen Lingiades, im italieni- Bundespräsident durfte ich jenen nicht mehr von allen beachtet. An ne beglückende Erfahrung wurde schen Sant’Anna di Stazzema, im Eid leisten, den gleich Bundesprä- den Rändern Europas herrschen dadurch bestärkt: Viele Länder ori- tschechischen Lidice, sind mir sident Frank-Walter Steinmeier kriegerische Aktivitäten. entieren sich bei ihrem gesell- Menschen daher im Geist der Ver- hier ablegen wird. Heute darf ich Die demokratische Ordnung, schaftlichen Wandel an unserem söhnung und sogar mit Freund- noch einmal zu Ihnen sprechen; einst Sehnsuchtsziel vieler Länder Modell des Rechtsstaates, an unse- schaft begegnet. Ja, ehemalige Op- ich tue es diesmal als Bürger. Europas und in der Welt, sie hat rer demokratischen Praxis mit dem fer haben Vertrauen zu Deutsch- Als Erstes muss ich gestehen: für manche ihre Attraktivität ver- umstandslosen und friedlichen land entwickelt, und Migranten Diese fünf Jahre als Bundespräsi- loren. Nationalistisches, autoritä- Wechsel von Regierungen, nicht wählen Deutschland als neue Hei- dent, sie sind wie im Flug vergan- res und fundamentalistisches zuletzt auch an unserem Sozial- mat, darunter Abertausende von gen. Aber sie sind weitgehend an- Denken hingegen hat an Boden staat und unserer Sozialpartner- Juden aus der ehemaligen Sowjet- © DBT/Achim Melde Joachim Gauck (*1940) ders verlaufen, als ich es mir vor- gewonnen. Demokratie und Frei- schaft mit ihren ausgleichenden union. Für einen, der im Krieg ge- Bundespräsident a.D. gestellt habe. Einmal mehr hat heit sehen sich von innen wie von Wirkungen auf die ganze Gesell- boren ist, ist dies eine unglaubli- sich bestätigt: Geschichte ist nicht außen unterschiedlich starken Ge- schaft. Viele Länder schätzen che und wunderbare Erfahrung ehr geehrter Herr Bundesprä- vorgezeichnet, sie ist auch nicht genkräften ausgesetzt. All dies hat Deutschland auch als verlässlichen und Grund zu tiefer Dankbarkeit. sident! Sehr geehrter Herr vorhersehbar. Sie ist voller Überra- viele verstört und auch erschreckt Bündnispartner und als Stabilitäts- Meine Damen und Herren, mö- SBundestagspräsident! Sehr schungen – im Guten, aber leider und zu überraschenden Verände- anker in einer Welt der Unwägbar- gen sich viele zu Recht über das geehrte Frau Bundeskanzlerin! auch im Bösen. rungen in der politischen Land- keiten. Länder mit eigener Dikta- einstige Wirtschaftswunder und Sehr geehrte Frau Bundesratspräsi- Ordnungen, die nahezu unver- schaft einzelner Länder geführt. turerfahrung orientieren sich auch den wirtschaftlichen Aufschwung dentin! Sehr geehrter Herr Präsi- rückbar erschienen, sie haben Ris- Doch gestatten Sie mir heute, an Deutschlands selbstkritischem unseres Landes, der ja immer dent des Bundesverfassungsgerich- se bekommen oder lösen sich nicht die Sorgen und Ängste in den Umgang mit seiner Vergangenheit, noch anhält, beständig freuen und tes! Sehr verehrte Abgeordnete! manchmal sogar auf; Landesgren- Mittelpunkt zu stellen. Vielmehr am Umgang mit Schuld und Versa- sich dafür begeistern, für michgibt Verehrte Damen und Herren! Es zen gar werden nicht mehr von al- möchte ich Sie alle teilhaben las- gen. es eine noch größere Leistung der Das Parlament - Nr. 13 - 27. März 2017 DEBATTENDOKUMENTATION 3

alten und neuen Bundesrepublik: schaft. Ich bin zutiefst dankbar brauchen offene und erhellende Schluss möchte ich auch allen niela, zusammen mit vielen ande- Es ist das beglückende Demokra- dafür. Debatten, und das Parlament ist Menschen danken, die mir Ver- ren Menschen, aber auf meine tiewunder, das unser Land bis Vor mir sehe ich sie, die Bürger, ein guter Ort dafür. trauen geschenkt und mich als ganz persönliche Weise sage ich heute prägt. die sich den neuen Entwicklun- Wir brauchen, hier wie drau- Bundespräsident auf verschiedene dir hier vor dieser Öffentlichkeit Die dunklen Schatten der Ver- gen in Gegenwart und Zukunft ßen, überall Menschen, die sich Weise unterstützt haben. Dankbar von Herzen: Danke! gangenheit begleiten uns noch, wirklich stellen und den Vereinfa- immer wieder selbst ermächtigen, bin ich für die fruchtbare und fai- Das letzte Wort aber gilt Ihnen, aber sie dürfen auch die Erfahrun- chern und Verführern mit der um unser Zusammenleben zu re Zusammenarbeit mit den ande- Herr Bundespräsident Frank-Wal- gen und Prägungen der letzten Kraft der Vernunft begegnen. Sie stärken und zu verbessern. Wir ren Verfassungsorganen, dem Bun- ter Steinmeier. Lieber Herr Bun- Jahrzehnte nicht überdecken, Er- widerstehen dem traditionellen brauchen eine Bürgergesellschaft, destag, dem Bundesrat, dem Bun- despräsident, wir wissen es alle: fahrungen und Prägungen, die be- politischen Extremismus, ver- die gerade in der heutigen Zeit desverfassungsgericht, der Bundes- Sie treten Ihr Amt in schwierigen stimmt wurden durch Teilhabe schließen aber auch die Augen Einheimische und Eingewanderte regierung, und insbesondere auch Zeiten an. Aber Sie haben diesem am normativen Pro- nicht vor neuem im Streben nach dem demokrati- Ihnen, Frau Bundeskanzlerin Mer- Land schon lange auf vielfältige jekt des Westens. Populismus und schen Rechtsstaat vereint. Denn kel. Weise gedient. Sie sind dabei Wir haben allen auch nicht vor der ich weiß: Es sind wir, die einhei- Mein Dank gilt ferner all den Schwierigkeiten nicht ausgewi- Grund, das Erreich- Wir brauchen Demokratieferne, mischen und die eingewanderten Menschen im Land, die mich zu chen, sondern sind ihnen immer te mit Freude und eine Bürger- dem Nationalis- Bürger, die mit der Demokratie Beginn ermutigt haben, die Präsi- entschlossen begegnet. Unzählige Dankbarkeit anzu- gesellschaft, die mus oder Islamis- und der Freiheit in unserem Lan- dentschaft anzutreten, und die Menschen in unserem Land sind schauen. Welch an- Einheimische und mus unter Teilen de viel zu verteidigen haben. Wir mich mit einem hohen Maß an Ihnen dafür dankbar. dere Ordnung hat Eingewanderte unserer Einwande- wollen nicht Hass, sondern Dia- Zustimmung begleitet haben. Sie haben den Bürgern im Land den Menschen ähn- vereint. rer. Sie unterstüt- log, nicht Ausgrenzung, sondern Das gilt ganz besonders für ei- nach Ihrer Wahl vor allem Mut zu- lich viel Freiheit, zen den Dialog Einbindung und Mitwirkung al- nen Menschen, von dem heute gesprochen. Nun möchte ich es Gerechtigkeit, mit unseren enge- ler. schon gelegentlich die Rede war: sein, der Ihnen Mut zuspricht, Wohlstand und ren und weiteren Ich will es ruhig mit dem die- für die Frau, die sich entschloss, Mut, aber auch Geduld, Freude Frieden gebracht? Welch andere Nachbarn, wollen aber auch sem Anlass angemessenen Pathos sich von ihrem Beruf zu verab- und Schaffenskraft. Gottvertrauen Ordnung hat auch nur annähernd nicht hilflos werden gegen Desta- sagen: Wir wollen, dass sich all schieden und an meiner Seite das schadet dabei nicht, und Zutrauen so erfolgreiche Wege zu Korrektu- bilisierungsversuche von außen, diese unterschiedlichen Men- Amt zu stärken. Ihre Offenheit, ih- zu den Menschen wird zum Segen ren gefunden, Korrekturen, die egal ob sie durch offene Provoka- schen, die hier leben, engagieren re Neugier, ihre Klugheit und vor für das Land. nicht durch Gewalt oder Bürger- tionen oder anonyme Cyberatta- für das Land, in dem wir gemein- allem ihre Menschenfreundlich- krieg, sondern durch Dialog und cken erfolgen. Demokraten wis- sam leben: für unser Deutschland. keit haben diese Präsidentschaft (Anhaltender Beifall – Die Anwesenden Gewaltlosigkeit erzielt wurden? sen: Freiheit ist notfalls auch da- Meine Damen und Herren, zum mitgeprägt und mitgetragen. Da- erheben sich) Nach meiner fünfjährigen Amts- durch zu verteidigen, dass sie für zeit ist mir noch mehr als zuvor die Feinde der Freiheit begrenzt bewusst: Unsere Gesellschaft hat wird. Unsere Gesellschaft hat da- Dr. Frank-Walter Steinmeier, Bundespräsident: ein zunehmend reflektiertes bei beständig abzuwägen. Freihei- Selbstwertgefühl und Selbstbe- ten dürfen zwar niemals vor- wusstsein gewonnen; sie hat sich schnell zur Abwehr von Bedro- Wir müssen wieder lernen, damit selbst beschenkt. Denn Ver- hungen geopfert werden; sie dür- trauen und Zutrauen zu sich selbst fen aber auch nicht zu lange dem geben Kraft und eröffnen Zukunft. Missbrauch überlassen bleiben. für die Demokratie zu streiten Wir dürfen die sein, die sich mehr Manchmal führt das in ein Di- Verantwortung zutrauen – in lemma; das ist mir wohl bewusst. Deutschland, in Europa und in Einfache Lösungen stehen eben Wenn nicht jeder wüsste, wo- Unser Blick geht zu den Wahlen der Welt. oftmals nicht zur Verfügung. Aber für der Bundespräsident kraft in Frankreich, nach Russland, in Schauen wir uns gegenwärtig ich habe die Zuversicht – auch un- unserer Verfassung steht – Sie die USA, aber in diesen Tagen – um: Trotz der Verunsicherung in ter den neuen Bedingungen und haben es in Ihrer Amtsführung und ich glaube, das geht uns im letzter Zeit sind die meisten Bür- angesichts neuer Bedrohungen –: gezeigt, mit Klugheit, mit Augenblick allen so – ganz beson- ger nicht in Verzagtheit verfallen, Unsere Demokratie ist und bleibt Charme. Sie haben die Einheit ders in die Türkei! Viel steht auf haben sich nicht ins Private abge- wehrhaft. des Staates verkörpert und beför- dem Spiel für die Türkei, aber setzt oder sind gar in Wut und Vor mir sehe ich Politiker wie dert einschließlich all dessen – auch für das Verhältnis der Türkei Hass verfallen. Ich habe in den Sie, auf die in Gegenwart und Zu- Sie haben es eben noch einmal zu uns. Wir versuchen, uns unser Jahren meiner Präsidentschaft kunft besondere Verantwortung gesagt –, wofür unser Gemein- Urteil nicht allzu einfach zu ma- unzählige Arbeiter und Angestell- zukommt. Es gilt, große Fragen zu wesen steht und weltweit geach- chen: Wer die Türkei vor 30 Jahren te, Unternehmer und Wissen- klären, Fragen, die sich in einem tet wird: Freiheit und Demokra- oder mehr bereist hat, kam in ein schaftler, Schüler, Eingewanderte, Geist der Furcht vor der Problem- tie, Rechtsstaatlichkeit und Men- rückständiges Land. Die Men- © DBT/Achim Melde Tausende von Ehrenamtlichen in fülle oder der Furcht vor den Frank-Walter Steinmeier (*1956) schenrechte. schen waren arm, Millionen ver- den verschiedensten Landesteilen Wählern nicht lösen lassen. Ich Bundespräsident Lieber Herr Gauck, bei Ihrer ließen ihre Heimat auf der Suche gesprochen. Ich habe dabei die schaue Sie noch einmal an und Wahl vor fünf Jahren haben Sie nach Arbeit in ganz Europa. Heute Gewissheit gewonnen: Diese Bür- denke an die kommenden Wahl- err Präsident des Deut- hier in diesen Plenarsaal gerufen: ist die Türkei ein anderes Land. ger verschließen nicht die Augen kämpfe. Schenken Sie denen, die schen Bundestages! Ver- „Was für ein schöner Sonntag!“ Sie hat eine Phase von wirtschaft- vor den großen Problemen unse- mit Ressentiments und Hass auf Hehrte Mitglieder von Bun- Mit Blick auf all das, was Sie ge- lichem Aufbau und Reformen er- rer Zeit. Das Erstarken antidemo- die Straßen strömen, nicht Ihre destag und Bundesrat! Verehrte meinsam mit Daniela Schadt für lebt und – ich glaube, niemand kratischer Kräfte wird von ihnen Furcht, und fürchten Sie sich nicht Gäste aus dem In- und Ausland! unser Land getan haben, darf ich wird das leugnen – zwischendurch oftmals sogar als ein Weckruf vor den bösen Zwergen und Trol- Meine sehr verehrten Damen und heute zu Ihrem Abschied auch auch eine Periode der Annähe- empfunden. Weil das Bewusst- len, die im Internet Hass und Nie- Herren! Zunächst aber vor allem: sagen: Was für ein wehmütiger rung an Europa. All das haben wir sein von Bedrohungen wächst, dertracht erzeugen! Lieber Joachim Gauck! Ich glaube, Mittwoch! – Wir alle wollen Ih- Deutsche gewürdigt und unter- wächst eben auch das Rettende. Sie sollen sich auch nicht fürch- Sie selbst haben das ja in den ver- nen beiden heute von Herzen stützt. Dem Weg, den die Türkei Wir Bürger werden gerade wieder ten vor den Scheinriesen, die gangenen Tagen gespürt: diese Wel- noch einmal danken, und diese in zwei Jahrzehnten nahm, fühl- wacher, und wir packen mehr an. draußen, in der erweiterten politi- le von Sympathie, die Sie getragen Dankbarkeit bleibt. ten wir uns sogar besonders ver- Viele von uns lernen wieder – schen Welt, herumspringen und hat, bei Ihren Abschiedsreisen, bei Aber nicht nur die Dankbarkeit bunden – auch wegen der vielen und einige neu –: Frieden und um Aufmerksamkeit buhlen. Ihren Auftritten überall. bleibt. Freiheit, Rechtsstaatlichkeit Menschen türkischer Abstam- Demokratie können gelingen, Politik, meine Damen und Her- Und Ihre gerade verklungenen und Menschenrechte verteidigen – mung, die in Deutschland leben, weil wir sie wollen. Deshalb! ren, hat in der Vergangenheit der Abschiedsworte haben es den auch die Aufgabe bleibt, umso arbeiten und hier zu Hause sind. Meine Damen und Herren, die- Bundesrepublik gerade dann Er- Deutschen noch mal eindrucks- mehr in einer Zeit, in der alte Ge- Und weil das alles so ist, meine se Kraft, diesen Optimismus, diese folg gezeigt, wenn sie Kontrover- voll vor Augen geführt: Sie haben wissheiten ganz offenbar ins Wan- Damen und Herren, schauen wir Zukunftszugewandtheit einer star- sen nicht scheute, wenn sie inno- das Amt des Bundespräsidenten ken geraten. Viele Fragen: Wie fest auf die Türkei von heute nicht mit ken Zivilgesellschaft spüren zu vativ und unter Umständen so tief geprägt und darüber unserem sind die Fundamente der Demo- Hochmut und Besserwisserei. Wir dürfen, das war eine der beglü- weitsichtig war, dass sie in einigen ganzen Land einen republikani- kratie? Hat der Westen als Modell ckendsten und eine mich stärken- Fällen nicht auf Mehrheiten in der schen, einen aufgeklärten Stolz eine Zukunft? Wohin treibt de Erfahrung dieser Präsident- Bevölkerung zählen konnte. Wir vermittelt. Europa? Fortsetzung auf nächster Seite 4 DEBATTENDOKUMENTATION Das Parlament - Nr. 13 - 27. März 2017

wissen um die Lage der Türkei in Aber es gibt auch das andere, Lehren aus zwei Weltkriegen aus- bleme gelöst, stellen sich bald die nehmen, dass andere Leute mit Nachbarschaft der großen Krisen- die schleichende Erosion von in- gerechnet die alten Muster von nächsten, oder – auch das erfah- anderen Ansichten diesen stolzen regionen Irak und Syrien. Wir ver- nen: durch Gleichgültigkeit, Träg- Abschottung und nationaler Eife- ren wir – die alten Probleme stel- Satz genauso beanspruchen, urteilen den versuchten Militär- heit und Teilnahmslosigkeit oder, rei die Welt friedlicher machen? len sich in neuem Gewand. Das so wie ich das vor ein paar Mo- putsch im vergangenen Sommer. wie Präsident Lammert es in der Die neue Faszination des Auto- mag den einen oder anderen frus- naten in Dresden gesehen habe, Aber: Unser Blick ist von Sorge ge- Bundesversammlung gesagt hat, ritären, auch die in Teilen trieren. Aber wir wissen: Das Ge- wo eine bunte Truppe junger Leu- prägt, dass all das, was über Jahre die Anfechtung durch jene, die Europas, ist nach meiner Überzeu- bäude der Demokratie ist eben nie te ein Plakat in die Höhe hielt, auf und Jahrzehnte aufgebaut worden Parlamente und demokratische gung am Ende nichts anderes als ganz vollständig errichtet. Demo- dem ganz gelassen stand: „Nö – ist, gewachsen ist, zerfällt. Institutionen nicht mehr als Ort die Flucht in die Vergangenheit kratie ist Herrschaft auf Zeit und wir sind das Volk“. Diese Sorge ist es, die meinen für politische Lösungen sehen aus Angst vor der Zukunft. Ich fin- liefert auch nur Lösungen auf Zeit. Genauso ist es, meine Damen Appell leitet: Präsident Erdogan, wollen, sondern als Zeitver- de, das kann und das darf nicht Eine kluge Frau, eine ehemalige und Herren. In der Demokratie gefährden Sie nicht das, was Sie schwendung diskreditieren – und unser Weg in diesem Land, in Kollegin, aus Indien hat mir in ei- tritt das Volk eben nur im Plural mit anderen selbst aufgebaut ha- das politische Personal gleich mit. Deutschland, sein. nem Gespräch darüber mal den auf und hat viele Stimmen. Nie ben! Glaubwürdige Signale der Populisten erhitzen die öffentli- Ich kenne Weltregionen, in de- tröstenden Rat gegeben: In der wieder darf eine politische Kraft Entspannung sind willkommen. che Debatte durch ein Feuerwerk nen die Zukunft weit weniger ge- Rechtschreibung der Politik gibt es so tun, als habe sie allein den Wil- Aber: Beenden Sie die unsäglichen von Feindbildern, laden zum wiss ist als bei uns. Ich denke an keinen Punkt, son- len des Volkes ge- Nazivergleiche! Zerschneiden Sie Kampf ein gegen das sogenannte meine letzte Begegnung mit Shi- dern immer nur das pachtet und alle nicht das Band zu denen, die wie Establishment und verheißen eine mon Peres vor seinem Tod im ver- Komma. – Die Frage anderen seien Lüg- wir Partnerschaft mit der Türkei blühende Zukunft nach dessen gangenen Jahr. Wir beide waren ist: Muss uns das ei- Die Stärke der ner, Eindringlinge wollen! Respektieren Sie den Niedergang. unterwegs zu einem Besuch der gentlich frustrieren, Demokratie liegt oder Verräter. Des- Rechtsstaat, Freiheit von Medien Es gibt – das ist meine Sicht – in Hebräischen Universität in Jerusa- oder ist das nicht ei- in ihrer Fähigkeit halb ist meine Bit- und Journalisten! Und: Geben Sie Deutschland keinen Grund für lem – für mich bis heute ein ganz gentlich die Stärke zur Selbstkritik te: Wo immer sol- Deniz Yücel frei! Alarmismus; das nicht. Aber ich und gar unvergesslicher Tag! Dort von Demokratie? und zur Selbst- che Art von Popu- Aber, meine Damen und Her- sage mit Blick auf das, was sich da in der Nachmittagssonne unter Demokratie ist die verbesserung. lismus sich breit- ren, machen wir es uns – auch mit am Horizont auftut, mit ganz gro- freiem Himmel auf dem Scopus- einzige Staatsform, macht – bei uns Blick auf unseren eigenen Konti- ßer Ernsthaftigkeit, meine Damen berg waren wir zu Gast, als die die Fehler erlaubt, im Land oder bei nent – nicht zu einfach! Die An- und Herren: Wir müssen über De- stolzen Absolventinnen und Ab- weil die Korrekturfä- unseren Freunden fechtung der freiheitlichen Demo- mokratie nicht nur reden – wir solventen der Universität ihre higkeit mit eingebaut ist. Die Stär- und Partnern –, da lassen Sie uns kratie findet nicht nur bei anderen müssen wieder lernen, für sie zu Zeugnisse bekamen. Nach der Ver- ke von Demokratien liegt nach gemeinsam vielstimmig dagegen- statt – weit westlich und östlich streiten! Darum geht es. anstaltung standen wir mit einer meiner Überzeugung nicht in ih- halten! der europäischen Grenzen. Die Nun ist Streiten für Demokratie kleinen Gruppe von Studenten zu- rem Sendungsbewusstsein, son- Herr Gauck, Sie haben es ange- Wahrheit ist doch: Eine neue Fas- nicht Sache der Politik allein. Aber sammen und diskutierten. In die- dern in ihrer Fähigkeit zur Selbst- deutet: Wir navigieren zurzeit in zination des Autoritären ist inzwi- Politik muss verstehen, dass die ser Gruppe gab es eine junge Frau, kritik und zur Selbstverbesserung. unbekannten Gewässern. Ob wir schen tief nach Europa eingedrun- Zeiten besondere sind; Zeiten, in die fragte: „Verehrter Shimon Pe- Wo denn sonst als in der Demo- nach Osten oder nach Westen gen. Sosehr ich mich freue über denen alte Gewissheiten ver- res, was wird uns die Zukunft kratie können so unterschiedliche schauen: Wir steuern da auf viel die niederländischen Nachbarn, schwunden und, jedenfalls bis- bringen?“ Statt einer langen Ant- Interessen von Alt und Jung, Stadt unkartiertes Gelände zu. Oftmals sosehr ich mich darüber freue, lang, neue nicht an ihre Stelle ge- wort hat Shimon Peres ihr eine und Land, Wirtschaft und Umwelt werden wir Antworten geben müs- dass die Niederländer den Angriff treten sind; Zeiten, in denen inter- Geschichte erzählt. „Die Zukunft“, friedlich zum Ausgleich gebracht sen, ohne uns an andere anlehnen auf ihre demokratischen Traditio- nationale Konflikte Sorge um den sagte Peres, „ist wie ein Kampf werden? Wo denn sonst als in der zu können. Das verlangt Selbstbe- nen in der Wahlkabine zurückge- Frieden und auch um die Sicher- zweier Wölfe. Der eine ist das Bö- Demokratie begegnen sich Bürger wusstsein. Aber noch viel mehr schlagen haben: Ich finde, für heit im eigenen Lande auslösen; se, ist Gewalt, Furcht und Unter- unabhängig von ihrer Herkunft verlangt es Mut, Mut, nach vorn in übergroße Gelassenheit besteht Zeiten, in denen Eltern sich fra- drückung. Der andere ist das Gute, als Gleiche und Gleichberechtigte? Richtung Zukunft zu denken, kein Anlass. gen, ob es ihren Kindern noch ge- ist Frieden, Hoffnung und Gerech- Und wo sonst als in der Demokra- nicht darauf zu hoffen, die Ant- Geht uns das was an in nauso gut gehen wird wie ihnen tigkeit.“ Die junge Frau hörte zu, tie, wo Minderheiten Stimme und worten in der Vergangenheit zu Deutschland? Ich denke: ja. Wir selbst. schaute fasziniert und fragte dann Gehör finden, soll uns etwa die finden, Mut, unsere Geschicke können uns nicht zurücklehnen, Wir leben in Zeiten des Über- ganz gespannt zurück: „Und? Wer gewaltige Aufgabe der Integration selbst in die Hand zu nehmen – uns gegenseitig auf gangs. Wie die Zu- gewinnt?“ Peres lächelte und sag- gelingen? Nur in der Demokratie ohne, Herr Präsident, den Kaiser die Schulter klop- kunft wird, darauf te: „Der, den du fütterst.“ kriegen wir das hin. Das ist ihre oder den „großen Bruder“ oder fen und Noten für gibt es nicht nur ei- Du hast es in der Hand! Wir ha- Stärke, und deshalb brauchen wir selbsternannte „starke Männer“. andere verteilen. In der Demo- ne Antwort. Da ist ben es in der Hand! Das war seine sie, meine Damen und Herren. Ich finde: Mut ist das Lebenseli- Wir leben nicht auf kratie tritt das Zukunft nicht „al- Botschaft an die jungen Leute. Defizite benennen, um Lösun- xier der Demokratie, so wie die einer Insel! Die Volk eben nur im ternativlos“. Im Ge- Und er hat eigentlich recht damit: gen ringen – das ist anstrengend. Angst der Antrieb von Diktatur weltweiten Trends Plural auf und genteil: Die Zu- Zukunft ist kein Schicksal, dem Demokratie ist eine anstrengende und Autokratie ist. wirken auch bei hat viele kunft ist offen, und Gesellschaften ausgeliefert sind – Staatsform, und sie ist zugleich Deshalb, meine Damen und uns. Ich glaube, Stimmen. sie ist überwälti- erst recht nicht die demokrati- ein Wagnis: Wir trauen einander Herren: Die Staatsform der Muti- auch unsere eigene gend ungewiss. schen. Wer, wenn nicht wir Deut- zu, uns selbst zu regieren. Herr- gen – das ist die Demokratie. Die Geschichte, insbe- Diese Offenheit, sche, kann davon ein glückliches schaft aus dem Volk, durch das Demokratie braucht diesen Mut sondere die des 20. die bei den einen Zeugnis geben? Wer, wenn nicht Volk und für das Volk – so hat es auf beiden Seiten: auf der Seite Jahrhunderts, hat uns nicht wirk- Hoffnung auslöst, jagt anderen wir, hat erfahren, dass nach zwei uns ein großer amerikanischer der Regierten ebenso wie auf der lich immunisiert. Die Geschichte Angst ein. „Wer von Angst getrie- Weltkriegen Frieden werden kann Präsident gelehrt, ein Republika- Seite der Regierenden. Denn nur der Weimarer Demokratie – deren ben ist, vermeidet das Unange- und nach Jahren der Teilung Ver- ner übrigens. Das mag dem einen wer selber Mut hat, kann auch an- 100. Jubiläum wir im nächsten nehme, verleugnet das Wirkliche söhnung? Wer, wenn nicht wir, oder anderen zu idealistisch klin- dere ermutigen, und nur der kann Jahr begehen – zeigt doch, dass und verpasst das Mögliche“, so hat hat erfahren, dass nach der Raserei gen, und es ist idealistisch. Aber Mut erwarten. die Demokratie weder selbstver- Heinz Bude geschrieben. der Ideologien so etwas einkehren was dahintersteckt, ist doch die Politik tut sich keinen Gefallen, ständlich ist noch mit Ewigkeits- Ich glaube auch: Der Ängstliche kann wie politische Vernunft? tiefe Einsicht, dass die Flucht vor wenn sie über Sorgen der Men- garantie ausgestattet ist, dass sie, ist anfällig für die Lockrufe jener, Es ist nicht alles gut in unserem den Anstrengungen der Demokra- schen, über politische Fehlent- einmal errungen, auch wieder ver- die immer mit ganz einfachen Land, aber vieles ist bei uns ge- tie nicht etwa zu besserer Politik wicklungen, über offene Fragen loren gehen kann, wenn wir uns Antworten zur Stelle sind. Mir glückt, und das miteinander. Des- führt, ganz sicher nicht, auch und nicht ebenso offen redet. Wir le- nicht um sie kümmern. scheint: Das Angebot an einfachen halb haben wir allen Grund, zual- gerade nicht von denen, die von ben in hochpolitischen Zeiten. „Die liberale Demokratie steht Antworten steigt im Wochenrhyth- lererst zu sagen: Lasst uns bewah- sich behaupten, im Namen des Das verlangt den Mut, zu sagen, unter Beschuss“, so hat es Joachim mus. Dabei könnten wir doch ei- ren, was gelungen ist in diesem „eigentlichen Volkes“ oder der was ist und was zu tun ist. Wie ge- Gauck in seiner Abschiedsrede gentlich wissen: Die einfachen Land, meine Damen und Herren! schweigenden Mehrheit zu spre- lingt Integration? Wie, lieber Herr ausgedrückt. Ja, sie steht unter Antworten sind in der Regel keine Aber natürlich – Sie ahnen es –: chen gegen „die da oben“. Demo- Gauck, bringen wir das überein: lautem Beschuss von Radikalis- Antworten. Wer soll denn glau- Bewahren wird nicht genügen. kratie kennt das Volk aber nur in unser weites Herz und die endli- mus und Terrorismus, vom Macht- ben, dass in einer Welt, die kom- Wir machen doch alle die Erfah- seiner ganzen Vielfalt. Deshalb: chen Möglichkeiten? Wie erneu- hunger der Autokraten, die – rund plizierter geworden ist, die Ant- rung: Das gerade Erreichte bleibt Wer heute in Deutschland seinen ern wir das Versprechen vom Auf- um die Welt – einer freien Zivilge- worten einfacher werden? Wer soll immer hinter dem Besseren zu- Sorgen Luft macht und dabei ruft stieg durch Bildung, das mich per- sellschaft die Luft zum Atmen rau- denn glauben, dass nach dem blu- rück und immer weit weg von „Wir sind das Volk!“, der darf das sönlich und eine ganze Generati- ben. tigen 20. Jahrhundert und den dem Erträumten. Haben wir Pro- gern – aber der muss auch hin- on auf den Weg gebracht hat? Wie Das Parlament - Nr. 13 - 27. März 2017 DEBATTENDOKUMENTATION 5

erhalten wir Hoffnung dort, wo gungswellen erzeugt werden. Und leicht auch nicht jedes Detail des müssen, aber zugleich Verantwor- 1949, am Tag, als unsere Verfas- im Dorf Schule, Arztpraxis, Fri- vor allem, meine Damen und institutionell verfassten Europas tung für ihre Mitarbeiter, für ihre sung in Kraft trat, sagte Theodor seurladen und Tankstelle längst Herren, will ich eines: dass wir in mit Zähnen und Klauen verteidigt Stadt, für ihre Region zeigen, zu Heuss: Mit dem Grundgesetz ist geschlossen sind und jetzt auch Deutschland festhalten an dem werden. Aber denen, die heute den Betriebsräten, die geholfen ha- „ein ganz kleines Stück festen Bo- noch die letzte Busverbindung ge- Unterschied von Fakt und Lüge. meinen: „Ach, ich habe dieses ben, dass Unternehmen auch Kri- dens für das deutsche Schicksal kappt wird? Wer das aufgibt, der rührt am Europa über; lieber zurück hinter senjahre überstanden haben, und geschaffen“. – Heute ist dieses Wie schaffen wir ethische Stan- Grundgerüst von Demokratie. die vertrauten Butzenscheiben der darauf achten, dass es fair zugeht Grundgesetz ein breites Funda- dards auch in der Wirtschaft, die Vor einigen Monaten fragte Nation“, denen sage ich: Das ist im Betrieb. Ich will zu denen, die ment für das wiedervereinigte das Oben und Unten in der Ge- mich ein prominentes Mitglied zu einfach, und das ist der falsche in Kindergärten vorlesen oder im Deutschland. sellschaft verbunden halten, da- dieses Hauses – wohlgemerkt ganz Weg. Hospiz Sterbende begleiten. 1969 sagte Gustav Heinemann: mit oben nicht nach Regeln ge- wohlwollend –: „Herr Steinmeier, Jean-Claude Juncker hat jüngst Und wenn ich allein alle dieje- Wir stehen erst am Anfang der handelt wird, die von den Men- nach so vielen Jahren in der Poli- gesagt: „Wir haben nicht das nigen, die sich bis zur Erschöp- ersten wirklich freiheitlichen Peri- schen als unanständig empfunden tik – können Sie da eigentlich Recht, gegeneinander patriotisch fung für Flüchtlinge engagiert ha- ode unserer Geschichte. Freiheitli- werden? Wo Abfindungen und neutral sein?“ Die ehrliche Ant- zu sein.“ Ich sehe es genauso: Auf- ben, mit einem Orden auszeich- che Demokratie muß endlich das Bonuszahlungen nur noch „Fas- wort ist: Nein, ich bin nicht neu- geklärter Patriotismus und Einste- nen wollte – das würde ich gern; Lebenselement unserer Gesell- sungslosigkeit“ bei den Menschen tral. Überparteilich – ja, wie es das hen für Europa, das geht Hand in glauben Sie es mir –, dann wäre schaft werden. Heute ist sie uns hervorrufen – so hat gerade in der Amt verlangt. Aber ich glaube, Hand. allerdings jetzt schon klar, womit ganz und gar selbstverständlich Zeit einer der großen deutschen neutral darf ich gar nicht da sein, Denn – auch wenn wir, meine ich die nächsten fünf Jahre vollauf geworden. Wirtschaftsführer geschrieben –, wo es um das ganz Grundsätzliche Generation, es nicht so nennen – beschäftigt wäre. 1990, im Jahr der Einheit, sagte sollten wir die Debatte darüber geht. Deshalb sage ich Ihnen: Ich für viele unserer Kinder ist Europa Doch, meine Damen und Her- Richard von Weizsäcker: Nun gilt nicht „vorschnell als Neiddebatte werde parteiisch sein, parteiisch, längst ein „zweites Vaterland“ ge- ren, das muss ich gar nicht. Denn es, in der Freiheit zu bestehen. abtun“. Ich finde: Recht hat er. Es wenn es um die Sache der Demo- worden. Deshalb lassen Sie uns wenn ich mit Feuerwehrleuten, Das ist schwer. – Heute setzen an- geht um das gemeinsame Interes- kratie selbst geht. gemeinsam Partei ergreifen – für Rotkreuzhelfern, Jugendtrainern dere, die anderswo in Unfreiheit se, dass das Vertrauen in unsere Partei ergreifen werde ich auch ein besseres Europa, für eines, das oder Kirchenvertretern spreche, leben, ihre Hoffnung in uns. wirtschaftliche und politische für Europa. Ich freue mich über für die politische Freiheit steht, höre ich: Die warten nicht auf Or- Meine Damen und Herren, Ordnung nicht durch das Han- die vielen, vor allen Dingen jun- das sein Gewicht einsetzt für eine den, sondern die sagen mir: Wo- welch ein weiter, welch ein er- deln weniger insgesamt Schaden gen Menschen, die in diesen Ta- friedlichere und gerechtere Welt, rum’s geht, ist nicht, was du für staunlicher Weg! Ist es nicht ei- nimmt. gen auf die Plätze gehen und uns für gute Nachbarschaft! Dafür will dich selber rausholst, sondern das, gentlich ganz wunderbar, dass un- Der Bundespräsident hat dazu den Puls von Europa wieder spü- ich gerne streiten – und das mit was du für andere reingibst. – Das ser Land, ein Land mit dieser Ge- keine Vorschläge zu machen. Aber ren lassen. möglichst vielen von Ihnen. sagt nicht nur einer, das sagen schichte, zu einem Anker der die lebendige Debatte darüber – Die, die sich da versammeln, er- All die Mutigen, all die, die Par- nicht zehn, das sagt nicht eine Hoffnung in der Welt geworden davon bin ich überzeugt – braucht innern uns vielleicht daran, wie tei ergreifen für Demokratie, wer- Minderheit – es sind viele Millio- ist? die Gesellschaft. Führen wir sie viel gerade wir Deutsche dem ver- den jedenfalls den Bundespräsi- nen in unserem Land, die sich um Ist es nicht ein unschätzbares nicht, dann – das sage ich voraus einten Europa zu verdanken ha- denten dabei an ihrer Seite wis- mehr kümmern als nur um sich Glück, meine Damen und Herren, – werden Populisten unterschied- ben: die Rückkehr unseres Landes sen. selbst, die Verantwortung über- dass wir – unsere Generationen – licher Couleur sie am Ende gegen in die Weltgemeinschaft, Wieder- Meine Antrittsbesuche in unse- nehmen für die Nachbarschaft, das erleben dürfen? die Demokratie wenden. Deshalb aufbau, Wachstum, Wohlstand ren Bundesländern werden eine das Dorf, die Region, die helfen, Wer also, wenn nicht wir, ist ge- sind wir alle miteinander gefragt. und vor allem 70 Jahre Frieden. Deutschlandreise ganz besonderer wo Hilfe nötig ist. Nichts, glaube fragt, mutig für die Demokratie zu Das geht nicht von allein. Dafür Das verdanken wir den Müttern Art sein: Ich will an die Orte der ich, ist wertvoller als das, und das streiten, wenn sie heute weltweit brauchen wir eine Kultur des de- und Vätern Europas, die nach deutschen Demokratie gehen – macht mich so stolz auf unser angefochten wird. Das ist der Mut, mokratischen Streits. Selten wer- 1945 den Mut hatten, die richti- und vor allen Dingen hin zu den Land und seine Menschen. von dem ich spreche, das ist der den wir alle derselben Meinung gen Lehren aus Jahrhunderten von Menschen, die sie leben und bele- Und weil das so einzigartig ist – Mut, den wir brauchen: keinen sein. Umso wichtiger ist, dass wir Kriegen zu ziehen. ben, die, um auf Shimon Peres zu- wenn man ein bisschen herumge- Kleinmut – dafür gibt es keinen das gemeinsame Fundament von Mut zu Europa, den brauchen rückzukommen, dem guten Wolf kommen ist und sich andere Län- Grund –, keinen Hochmut – da- Demokratie pflegen, aber die Aus- wir wohl auch heute. Es stimmt ja: das Futter geben. Ich will zu de- der angeschaut hat, weiß man das von hatten wir in Deutschland ge- einandersetzung über Ideen, Op- Europa ist weit davon entfernt, nen, die nach ihrem wohlverdien- – und uns das von vielen anderen nug –, sondern den tatkräftigen, tionen und Alternativen nicht perfekt zu sein. Das wissen wir ten Feierabend in Gemeinderäten Ländern unterscheidet, bin ich den lebenszugewandten Mut von scheuen. Wir brauchen das Dauer- auch nicht erst seit dem Brexit. um das Schwimmbad oder die Bü- mir so sicher, dass wir den Stür- Demokraten. Den brauchen wir! gespräch unter Demokraten, wo Wir dürfen nichts schönreden, cherei in der Nachbarschaft ringen. men der Zeit trotzen werden und Herzlichen Dank nötig, auch kontrovers. Die tägli- was schlecht läuft. Und selbstver- Ich will zu den kleinen und mittel- unseren Kindern eine lebenswerte che Selbstbestätigung unter ständlich ist dringend Zeit für mu- ständischen Unternehmen, die auf Zukunft schenken werden, meine Gleichgesinnten bringt uns nicht tige Reformen. Dabei muss viel- den Märkten der Welt bestehen Damen und Herren. (Langanhaltender Beifall) weiter. Bevor wir uns daran ge- wöhnen, nur noch mit denen zu reden, die gleicher Meinung sind, frage ich: Warum nicht mal mit denen sprechen, die uns Facebook nicht als Kontakt vorschlägt? Wa- rum nicht überhaupt mal den Blick vom Smartphone heben und ins wirkliche Leben schauen? Ich will, dass diese Gesellschaft miteinander im Gespräch bleibt. Der Raum der Demokratie, das ist einer, in dem – ja – viele zu Wort kommen müssen, in dem es aber auch ein paar geben muss, die zu- hören. Ich will, dass wir uns rauswagen aus den Echokammern, auch aus mancher Selbstgewissheit der in- tellektuellen Ohrensessel und erst recht aus der Anonymität des Net- zes, wo die Grenze zwischen dem Sagbaren und dem Unsäglichen immer mehr schwindet, wo inzwi- schen eine Sprache aggressiver Maßlosigkeit herrscht und wo täg- Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (links) spricht am 22. März im Plenarsaal des Bundestages den Amtseid. Bundestagspräsident Norbert Lammert lich immer nur noch neue Erre- (CDU, rechts) hält die Urschrift des Grundgesetzes in den Händen. © DBT/Achim Melde 6 DEBATTENDOKUMENTATION Das Parlament - Nr. 13 - 27. März 2017

Debatte zum Standortauswahlgesetz für ein atomares Endlager/225. Sitzung des 18. Deutschen Bundestages am 23. März 2017

Prof. Norbet Lammert, CDU, Bundestagspräsident zende sogenannte Weimarer Ko- folgt ist, Gebäude und Säle des alition. In der kurzen Zeitspanne, Bundestages nach bedeutenden die Erzberger blieb, um diese Re- Parlamentariern und Parlamenta- Bundestag ehrt Otto Wels und publik mitzugestalten, ist ihm Be- rierinnen zu benennen. Möglichst achtliches gelungen. Er organisier- bald wollen wir so auch eine he- te ein reichseinheitliches Bahnsys- rausragende Frau des deutschen Matthias Erzberger tem und schuf als Finanzminister Parlamentarismus würdigen. eine der größten Steuerreformen Mit der Benennung des Gebäudes der Geschichte, deren Grundlagen Unter den Linden 50 in „Otto- Schmähungen und Verleumdun- formten deren Grundfeste mit – bis in die heutige Zeit reichen, Wels-Haus“ und Unter den Lin- gen und im August 1921 das Op- Otto Wels von 1919 an als Vorsit- und das übrigens innerhalb von den 71 in „Matthias-Erzberger- fer eines Mordanschlags. zender seiner Partei, deren führen- neun Monaten. Haus“ setzt der Deutsche Bundes- 1933, unmittelbar vor dem Er- der Kopf er auch im Exil bis zu Liebe Kolleginnen und Kollegen, tag ein überfälliges Zeichen im öf- mächtigungsgesetz, gewährte seinem Tod zwei Wochen nach dass wir Persönlichkeiten ehren, fentlichen Raum. Reichspräsident Paul von Hinden- Kriegsbeginn blieb. die in ihrem Kampf um Demokra- Wir erinnern an die Lebensleis- burg mit einer Verordnung für Erzberger wiederum personifiziert tie und Parlamentarismus schei- tung zweier herausragender Parla- „Straftaten, die im Kampfe für die das im Kaiserreich gewachsene terten und dafür sogar mit dem mentarier, die beispielgebend mo- nationale Erhebung des Deut- Selbstbewusstsein des Parlaments. Leben bezahlten, ist keine deut- ralische Größe und demokratische schen Volkes, zu ihrer Vorberei- Auch wenn die von ihm initiierte sche Besonderheit, der Schleier Haltung bewiesen – zu einer Zeit, tung oder im Kampfe für die deut- Friedensrevolution, in der sich der des Vergessens aber, der vielfach als es auch in Deutschland tat- sche Scholle begangen sind“, Reichstag vor genau 100 Jahren über den Wegbereitern unserer sächlich Mut brauchte, um für sei- Straffreiheit und damit auch den mehrheitlich für einen Verständi- Demokratie liegt, schon. So gibt es ne Überzeugungen einzutreten. © DBT/Achim Melde Norbert Lammert (*1948) ins Ausland geflüchteten Attentä- gungsfrieden ohne Annexionen in Berlin einen Hindenburg- Ihr Vermächtnis ist und bleibt uns Bundestagspräsident tern Matthias Erzbergers, für deren aussprach, folgenlos blieb, erwies damm, aber bis heute keine Stra- anvertraut. Rückkehr sich Hitler persönlich sich das damals geschmiedete par- ße und keinen Platz, die bzw. der Vielen Dank für Ihre Zustim- iebe Kolleginnen und Kolle- aussprach. Sie hatten einer natio- lamentarische Bündnis aller de- an Matthias Erzberger erinnert. mung. gen! Liebe Gäste auf den Tri- nalistisch-antisemitischen Terror- mokratischen Kräfte als tragfähig Deshalb freue ich mich, dass der Lbünen! Heute jährt sich das organisation angehört, hervorge- für die spätere, die Republik stüt- Ältestenrat meinem Vorschlag ge- (Beifall im ganzen Hause) Ermächtigungsgesetz vom 23. gangen aus einem Putsch konter- März 1933. Die Selbstaufgabe des revolutionärer Kräfte gegen die Re- Parlaments bahnte – wie man da- publik, der im März 1920 an ei- Dr. Barbara Hendricks, SPD, Bundesministerien: mals ahnen musste und heute nem Generalstreik gescheitert war. weiß – den Weg unumkehrbar in Dieser war damals organisiert und die nationalsozialistische Dikta- initiiert von Otto Wels. Fahrplan zur Endlagersuche tur. Der Reichstag tagte nach dem Dieser war es auch, der als SPD- großen, mysteriösen Brand schon Vorsitzender am 23. März 1933 in nicht mehr in diesem Gebäude; einem Akt demokratischer Selbst- wird mit Leben gefüllt ein Parlament wurde fortan auch behauptung seine Stimme gegen nicht mehr gebraucht. die Auslieferung der Demokratie Der 23. März verweist als ein Wen- an ihre Feinde erhob, als Einziger, rausgegangen, in die Mitglieder Alle diese Zahlen zeigen noch depunkt der deutschen Geschichte mutig und mit bestechender Klar- des Deutschen Bundestages, Ver- einmal überdeutlich, welch ein auf die persönlichen Schicksale heit. Durch die Kraft der Rede ließ treterinnen und Vertreter der Län- Irrweg die Nutzung der Atomener- zweier herausragender Parlamen- sich die Entwicklung nicht mehr der, der Wissenschaft und gesell- gie gewesen ist. Es wird Zeit, dass tarier, die der Deutsche Bundestag verändern, die Transformation ei- schaftlicher Gruppen eingebun- das letzte deutsche Atomkraftwerk von heute an mit der Benennung ner labilen Demokratie in einen den waren. Mein besonderer Dank im Jahr 2022 vom Netz geht. prominenter Liegenschaften hier autoritären, schließlich totalitären gilt heute dieser Kommission. Ich möchte mich bei allen be- in Berlin ehren wird: Otto Wels Staat. Und doch wurde das Wort Sie hat in den letzten Jahren mit danken, die sich zum Teil seit und Matthias Erzberger. zur Tat: zum Widerstand gegen die schwieriger Detailarbeit und in oft Jahrzehnten für den Atomausstieg Mit ihnen verbinden sich die dra- Anmaßung der neuen Machtha- kontroverser Debatte einen fun- engagiert haben – in Wyhl, in matischen Anfänge und das tragi- ber, zum Signal, zur Botschaft an dierten Bericht erstellt. Die Kom- Brokdorf, in Wackersdorf, in Kal- sche Ende der ersten deutschen die Nachwelt, dass auch unter es- mission hat damit die Grundlage kar, im Wendland und an vielen Republik, beginnend mit dem kalierendem Terror Widerstand für das Verfahren gelegt, für das anderen Orten. Der friedliche Pro- © DBT/Achim Melde Waffenstillstand im Wald von nötig und möglich war. Diese his- Barbara Hendricks (*1952) ich Sie heute um Zustimmung bit- test gegen die Atomenergie zählt Compiègne 1918, den zu unter- torische Erfahrung verdient nicht Landesliste Nordrhein-Westfalen te. für mich zu den großen Leistun- schreiben der Zentrumsabgeord- nur in Deutschland in Erinnerung Die Herausforderung könnte gen der Demokratie in Deutsch- nete Matthias Erzberger als Leiter bewahrt und politisch bewusst zu it dem Entwurf eines kaum größer sein. Hochradioakti- land. Dass der Atomausstieg poli- der deutschen Verhandlungsdele- bleiben. Ähnliche Versuchungen Gesetzes zur Fortent- ve Abfälle aus den Atomkraftwer- tisch richtig war, ist den meisten gation auf sich nahm, um das gibt es offenkundig auch heute. Mwicklung des Standort- ken müssen für 1 Million Jahre si- von uns mittlerweile wohl klar. Im sinnlose Gemetzel in Europa nach Bei allen Unterschieden in Her- auswahlgesetzes wird der Fahrplan cher von der Umwelt ferngehalten vergangenen Dezember hat uns vier entsetzlich langen Jahren end- kunft und politischer Sozialisati- zur Endlagersuche jetzt mit Leben werden. So steht es im Gesetz, ob- das Bundesverfassungsgericht be- lich zu beenden. on eint Otto Wels und Matthias erfüllt, wenn wir heute dieses Ge- wohl natürlich die Zahl von 1 stätigt, dass er verfassungskonform Als Folge der berechnenden Feig- Erzberger, dass ihr Wirken in der setz verabschieden. Das Gesetz Million eine gegriffene Größe ist. ist. Es gibt also glücklicherweise heit verantwortlicher Generäle, ih- Rückschau auf die existenziellen legt das Verfahren fest, an das sich Aber gehen wir von 1 Million Jah- keinen Weg mehr zurück. Aber re militärische Niederlage selbst Krisenmomente reduziert wird. künftig jeder zu halten hat, der an re aus: Mehr als 30 000 Generatio- auch wenn die Nutzung der einzugestehen, blieb nicht nur der Dabei zeigten sich in ihnen wie in der Suche nach einem Endlager- nen werden in diesem Zeitraum Atomkraft bald Geschichte sein Ruf der jungen, gerade neu ge- einem Brennglas Charakter und standort für hochradioaktive Ab- noch von den Folgen der Atom- wird, bleibt uns und unseren gründeten Republik und der par- demokratische Gesinnung, die ein fälle beteiligt ist. Es ist meine tiefe technologie betroffen sein, die bei Nachkommen der Atommüll er- lamentarischen Demokratie nach- viel längeres politisches Leben Überzeugung, dass nur mit festen uns gerade einmal 60 Jahre in Be- halten und alle damit verbunde- haltig beschädigt; auch Erzberger auszeichneten. Beide gehörten Regeln und mit absoluter Transpa- trieb gewesen ist. Seit Christi Ge- nen Risiken. Deshalb war es drin- persönlich, der für die Idee eines dem Reichstag jeweils fast zwei renz eine ergebnisoffene und bun- burt sind übrigens rund 60 Gene- gend erforderlich, das Chaos in Völkerbundes und die Annahme Jahrzehnte an. Sie organisierten desweite Suche nach einem Endla- rationen vergangen – um einmal Sachen Atommüll zu ordnen, und des von vielen als „Friedensdiktat“ an herausgehobener Position den gerstandort gelingen kann. die Dimension deutlich zu ma- dafür haben wir die vergangenen empfundenen Versailler Vertrags schwierigen Übergang von der Dem Gesetzentwurf ist die Ar- chen, mit der wir es hier zu tun Jahre dieser Legislaturperiode in- eintrat, wurde Ziel übelster Monarchie zur Republik und beit der Endlagerkommission vo- haben. tensiv genutzt. Das Parlament - Nr. 13 - 27. März 2017 DEBATTENDOKUMENTATION 7

Erstens. Wir haben uns ehrlich viele derer, die die Atomkraft lan- kugeln aus Jülich oder Hamm- klein wie eben möglich hält. Da- vorsichtig auszudrücken. Deswe- gemacht. Mit dem erstmals von ei- ge bekämpft haben – stellen uns Uentrop in die USA zu entsorgen. mit korrigieren wir auch die Ent- gen ist es klar, dass wir als Deut- ner Bundesregierung vorgelegten der schwierigen und unangeneh- Das geht gerade nicht. scheidung aus dem Jahr 1977, scher Bundestag bzw. unsere Nationalen Entsorgungspro- men Verantwortung, die aus dem Das novellierte Standortaus- Gorleben zum Endlagerstandort Nachfolger im Deutschen Bundes- gramm haben wir eine langfristige Erbe des Atomzeitalters herrührt. wahlgesetz legt fest, wie und nach zu machen. Die Proteste gegen das tag die Verantwortung dafür wer- Strategie zur Entsorgung der Diese Verantwortung ist auch welchen Kriterien das Standort- Endlager Gorleben sind Teil des den übernehmen müssen. Es kann Brennelemente beschlossen. nicht delegierbar, zum Beispiel an auswahlverfahren ablaufen wird. kollektiven Gedächtnisses unseres schlechterdings nicht der kommu- Zweitens. Wir haben das Hick- andere Länder oder an andere Ge- Dabei sind alle infragekommen- Landes geworden. Wir müssen uns nalen Planungshoheit überlassen hack um die verbleibenden Casto- nerationen. den Wirtsgesteine einzubeziehen, eingestehen, dass die Kritik der bleiben; denn dann würden wir ren aus der Wiederaufarbeitung Der Export von Abfällen ins und es sind umfangreiche Bewer- Gorleben-Gegnerinnen und Geg- zu keinem Ergebnis kommen kön- beendet und sie eben nicht nach Ausland wäre das komplette Ge- tungen der geologischen Verhält- ner zumindest in weiten Teilen be- nen. Gorleben geschickt, sondern sie genteil einer verantwortlichen Lö- nisse an den Standorten durchzu- rechtigt war. Das Verfahren damals Einen Standort für die Endlage- auf andere Zwischenlager bundes- sung. Der Gesetzentwurf schränkt führen. entsprach weder den Anforderun- rung zu finden, ist, wie ich finde, weit verteilt. den Export zu Recht sogar weiter Der wichtigste Maßstab für die gen der Wissenschaft noch den be- ein Testfall für die Demokratie. Drittens. Wir haben das seit ein, indem er einen entsprechen- Auswahl des Endlagerstandorts rechtigten Forderungen der BBür- Ein handlungsfähiger Staat muss zwei Jahrzehnten diskutierte The- den Vorschlag der Endlagerkom- wird die Sicherheit sein. Davon ger nach Transparenz. Das neue sich daran messen lassen, ob eine ma der Atomrückstellungen ange- mission aufgreift. Künftig ist eine wird sich während des Prozesses Auswahlverfahren geht einen an- Lösung gelingt, die wissenschaft- packt und sichergestellt, dass die Entsorgung im Inland nicht nur die gesamte Öffentlichkeit über- deren, einen besseren Weg. Es star- lich begründet ist und auch von Stromkonzerne ihre finanziellen für bestrahlte Brennelemente aus zeugen können. Das Standortaus- tet mit einer weißen Landkarte. einer breiten Mehrheit des Landes Pflichten bei der Stilllegung und Atomkraftwerken, sondern grund- wahlverfahren sieht deshalb neue Wir betrachten das ganze Bundes- getragen wird. Daraus folgt eine beim Rückbau tatsächlich erfüllen sätzlich auch für solche aus For- Gremien für die Öffentlichkeitsbe- gebiet, ohne einzelne Regionen zu Verpflichtung für uns alle. Einfach werden. schungsanlagen vorgesehen. Die- teiligung vor – vor Ort in den frag- bevorzugen und ohne bestimmte nur zu sagen: „Nicht vor meiner Viertens. Wir haben die oftmals ser Grundsatz wird ausschließlich lichen Gebieten, aber auch überre- Standorte von vornherein auszu- Haustür!“, das wird als Argument kritisierten Zuständigkeiten für durchbrochen, wenn die Brenn- gional. Zusätzlich werden die schließen. Stück für Stück werden nicht ausreichen. Uns alle eint der die Endlagerung neu und transpa- elemente noch nicht in ein deut- Möglichkeiten gestärkt, das Ver- wir auf Basis wissenschaftlicher Gedanke, dass wir diese Heraus- rent geregelt. Wir sind dort im sches Zwischenlager verbracht fahren von den Bürgerinnen und Fakten Standorte ausschließen forderung jetzt gemeinsam ange- Umsetzungsprozess. worden sind und der Export aus Bürgern gerichtlich überprüfen zu und andere dann jeweils näher hen wollen. Wir alle zusammen Wir sind also ein großes Stück schwerwiegenden Gründen der lassen. untersuchen. Wir werden dabei müssen uns auf den Weg machen, vorangekommen. Was bleibt, ist Proliferation oder der Versorgung Es liegt in unserer Verantwor- transparent arbeiten und die Bür- einen jahrzehntelangen tiefen die Frage: Wohin mit dem Atom- deutscher Forschungsanlagen mit tung, den Standort für ein Endla- gerinnen und Bürger einbeziehen Konflikt in unserer Gesellschaft zu müll? Mit dem Gesetz, das Ihnen Kernbrennstoff erforderlich ist. ger zu finden, das für eine nach – und das von Beginn an und lösen. Ich hoffe deshalb auf Ihre heute zur Entscheidung vorliegt, Lassen Sie mich aber eindeutig menschlichen Maßstäben unvor- nicht erst am Ende der Suche. breite Unterstützung für den vor- leiten wir einen Prozess ein, an klarstellen: Entgegen dem, was stellbar lange Zeit größtmögliche Gleichwohl ist mir bewusst: gelegten Gesetzentwurf. dessen Ende in einigen Jahrzehn- von manchen aktuell behauptet Sicherheit bietet und das damit Wenn es darum geht, einen Stand- ten ein deutsches Endlager stehen wird, eröffnet diese Regelung kei- die Bürde dieses Erbes für die ort festzulegen, wird dies nicht (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU soll. Wir – damit meine ich auch ne Hintertür, die Brennelemente- kommenden Generationen so ohne Widersprüche gehen – um es und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Hubertus Zdebel, Die Linke: einziger Standort für ein Endlager gig zu erkundenden Regionen ei- für hochradioaktive Abfälle im Ren- ne gerichtliche Prüfung ermög- nen bleibt. Statt hier im Bundestag licht werden muss. Das soll aber Klagerechte für Bürger politisch einen klaren Schlussstrich nun nicht erfolgen. unter Gorleben zu ziehen und da- Auch die in der Kommission mit ein überzeugendes Signal für ei- deutlich benannte Tatsache, dass bleiben unzureichend nen tatsächlichen Neustart zu ge- die Standortentscheidung – im ben, wird der Streit um Gorleben er- Gesetz wird nun wieder eine Frist neut in das Verfahren zur Endlager- bis zum Jahre 2031 genannt – und Es ist ja nicht der Regelfall, dass Richtig ist aber auch: Die grund- suche verschoben. Das schafft kein die Inbetriebnahme eines Endla- trotz so unterschiedlicher Auffas- sätzlichen Mängel an diesem Ge- Vertrauen, sondern begründet er- gers später kommen werden – wo- sungen sachlich gestritten wird. setz werden mit dieser Gesetzes- neut Zweifel. Deswegen lehnen wir mit die Zwischenlagerung deut- In der Sache aber stehen wir als novelle nicht beseitigt. Wer den Linken dieses Gesetz und diese No- lich, vermutlich über Jahrzehnte, Fraktion Die Linke als einzige Op- jahrzehntelangen Großkonflikt velle weiterhin ab. länger dauern wird, als bislang ge- position im Bundestag einer Ko- um die Atomenergie und die Wie brüchig bzw. belastet das nehmigt –, bleibt weitgehend aus- alition aus Grünen, SPD und hochradioaktiven Hinterlassen- Vertrauen in der Bevölkerung geblendet. Das ist eines der Kern- CDU/CSU gegenüber, und wieder schaften beenden will, der muss beim staatlichen Umgang mit den bzw. Kardinalprobleme der Arbeit einmal geht es um Atomfragen. aus der Vergangenheit Konsequen- radioaktiven Abfällen ist, können in der Kommission gewesen. Die- Im Dezember haben die Grünen zen ziehen, um verlorengegange- wir auch bei der Umsetzung des se defizitäre Umsetzung des Kom- gemeinsam mit den Regierungs- nes Vertrauen zurückzugewinnen. Exportverbots sehen. Statt klipp missionsberichts durch den Ge- fraktionen den Atomkonzernen Dem hier zur Abstimmung ste- und klar in das Gesetz zu schrei- setzentwurf hat die Fraktion Die eine milliardenschwere Last abge- henden Gesetzentwurf ist das bis ben: „Exporte von hochradioakti- Linke während der parlamentari- © DBT/Achim Melde Hubertus Zdebel (*1954) nommen und die Risiken für die heute nicht gelungen. Es sollte vem Atommüll aus Jülich in die schen Beratungen durch einen Än- Landesliste Nordrhein-Westfalen Finanzierung der Atommülllage- doch zu denken geben, dass das USA wird es nicht geben“, findet derungsantrag zu beheben ver- rung den Bürgerinnen und Bür- Verfahren zu diesem Gesetz und sei- sich im Gesetzentwurf eine derart sucht, der gestern von den ande- assen Sie mich heute eines gern in Deutschland aufgeladen. ne Ergebnisse bis heute von nahezu kryptische Formulierung, dass zu ren Fraktionen abgelehnt wurde. vorweg sagen: Auch wenn Jetzt soll ein weiterer vermeintli- allen Teilen der Antiatombewegung Recht Hintertüren vermutet wer- Für uns ist sonnenklar: Die Les in der Sache gravierende cher Atomkonsens auf den Weg und ihren Organisationen heftig den können. Auch das trägt nicht Halbwertzeit dieser Gesetzesnovel- Differenzen gibt – für die faire gebracht werden, der aber nicht bzw. massiv kritisiert werden. Nur dazu bei, Vertrauen zu schaffen. le wird nicht besonders lang sein; und kooperative Zusammenar- hält, was Regierung und die Frak- mit ihnen als ein entscheidender Der vorliegende Gesetzentwurf denn die Probleme bleiben. Für beit zum Thema „Standortaus- tionen der Grünen, SPD und Vertrauenspartner, aber nicht gegen beansprucht, die Empfehlungen einen tatsächlichen Neustart bei wahlgesetz und Kommission La- CDU/CSU versprechen. sie kann das Ziel eines gesellschaft- der Kommission „Lagerung hoch der Endlagersuche mit dem Ziel gerung hoch radioaktiver Abfall- Natürlich sind die jetzt zur Ab- lichen Konsenses beim Neustart der radioaktiver Abfallstoffe“ eins zu eines gesellschaftlichen Konsenses stoffe“ möchte ich mich bei al- stimmung stehenden Veränderun- Endlagersuche gelingen. eins umzusetzen. Er greift auch muss das Verfahren vom Kopf auf len Berichterstatterinnen und gen eine Verbesserung gegenüber Es mag einen Fraktionskonsens zwi- dabei an vielen Stellen noch zu die Füße gestellt werden. Es Berichterstattern aus den ande- dem bisherigen Gesetz zur Endla- schen Grünen, SPD und CDU/CSU kurz. Die Klagerechte für Bürger braucht eine möglichst sichere Lö- ren Fraktionen ausdrücklich gersuche. In der Kommission „La- geben, aber selbst in Bezug auf die- bleiben auch nach der Neurege- sung, und diese muss in Deutsch- ganz herzlich bedanken. Das gilt gerung hoch radioaktiver Abfall- sen wissen wir Linken, dass er sehr lung unzureichend. Wir sind der land gefunden werden. Dafür set- für Sylvia Kotting-Uhl, für Mat- stoffe“ haben meine Fraktion und brüchig – um nicht gleich „faul“ zu Meinung, dass den Bürgerinnen zen wir Linke uns weiterhin ein. thias Miersch, aber auch für Stef- ich selbst in den letzten Jahren ak- sagen – ist. Dieser Konsens beruht und Bürgern bereits bei der Ent- fen Kanitz. tiv daran mitgearbeitet. nämlich darauf, dass Gorleben als scheidung zur Auswahl der obertä- (Beifall bei der LINKEN) 8 DEBATTENDOKUMENTATION Das Parlament - Nr. 13 - 27. März 2017

Steffen Kanitz, CDU: spielsweise bei dem Wort „insbe- gilt auch für diejenigen Vorhaben, sondere“. Wir haben im Gesetzes- die im engen räumlichen Zusam- auftrag bisher gehabt, dass wir uns menhang mit bereits durchgeführ- Nachfolgenden Generationen um ein Endlager für „insbesonde- ten Maßnahmen stehen. re“ hochradioaktive Abfallstoffe Bergbau wird weiterhin möglich kümmern. Das Nationale Begleit- bleiben. Das ist auch deshalb keine Last aufbürden gremium, aber auch viele Umwelt- möglich, weil wir wissen, dass wir verbände haben darauf hingewie- in Bergbauregionen, wo die Erde sen, dass es schwierig wird, ein durchlöchert ist wie ein Schweizer zu müssen, wie wir mit den Hin- kein monolithischer Block, son- Kombilager zu finden, das für Käse, sehr wahrscheinlich kein si- terlassenschaften der Kernenergie dern agieren sehr unterschiedlich. schwach- und mittelradioaktive cheres Endlager finden können. umgehen, sondern das robust ist Wir als Fraktion haben uns lange Abfallstoffe wie für hochradioakti- Ich glaube, es ist auch richtig, dass gegenüber geologischen, klimati- darum bemüht, dass auch zwei ve Abfallstoffe gleichermaßen die wir als Gesetzgeber gemeinsam schen, aber auch gesellschaftli- Vertreterinnen bzw. Vertreter der bestmögliche Sicherheit garan- mit dem Ministerium schauen, chen Veränderungen, das so ro- Umweltverbände in die Kommis- tiert. Deswegen ist es nur konse- dass diese Regelung praxistauglich bust ist, dass es wartungsfrei auf- sion kommen und ihre Kompe- quent, dass wir uns auf die hoch- bleibt. gestellt werden kann, wohl wis- tenz einbringen, um eine Lösung radioaktiven Abfallstoffe konzen- Phase zwei ist die Ermittlung send, dass wir heute nicht über zu finden. Am Ende hat das zum trieren. Das zeigt, dass wir die Öf- der Standorte für die untertägige absolutes Wissen verfügen. Deswe- Glück auch funktioniert. Was ich fentlichkeitsbeteiligung sehr ernst Erkundung. Phase drei ist die Ein- gen haben wir im Verfahren die gelernt habe, ist außerdem, dass es nehmen. engung auf einen Standort, der Möglichkeit von Rücksprüngen unter den Umweltverbänden in Das Verfahren, das wir Ihnen 2031 gefunden werden kann. Das eingebaut. Wir haben ein lernen- Teilen – in Teilen – ein Demokra- vorschlagen, ist in drei Phasen un- haben wir jetzt in der Hand. Wir © DBT/Achim Melde Steffen Kaniz (*1984) des Verfahren aufgestellt, das tieverständnis gibt, das jedenfalls terteilt. Wir werden jetzt, in Phase können jetzt nicht mehr auf die Landesliste Nordrhein-Westfalen wahrscheinlich einzigartig ist. Wir nicht meins ist und das dem Mot- eins, mit der obertägi- Konzerne schau- haben vereinbart, dass 500 Jahre to folgt: Nur wenn meine eigene gen Erkundung be- en und sagen: err Kollege Zdebel, Sie lang die Rückholbarkeit garantiert Meinung akzeptiert wird, dann ginnen, von der wir „Ihr seid schuld, haben gestern im Aus- sein soll, weil wir eben nicht wis- mache ich mit. – Ich glaube, wer hoffen, dass wir sie Es ist jetzt eine dass es nicht Hschuss Demut und Nach- sen, ob nachfolgende Generatio- diesem Credo folgt, der taugt 2022 abschließen Zeit, in der nach vorne geht“, denklichkeit in der Debatte ange- nen anders mit den Hinterlassen- nicht zum Diskurs, meine Damen können. Wir haben wir eine Kultur sondern der mahnt. Wenn ich Ihren Worten so schaften umgehen. Aber wir wol- und Herren. einen Kriterienkata- der Verant- Bund ist im Mo- folge, muss ich sagen: Sie sind Ih- len ihnen eben nicht die Bürde Ich will hier auch sehr deutlich log aufgestellt, der in wortung ment in der Ver- rem eigenen Anspruch nicht ge- auferlegen, sich noch einmal da- sagen: Was es dort an persönli- einem breiten Dis- brauchen. antwortung. Wir recht geworden. Man kann doch mit beschäftigen zu müssen. Inso- chen Anfeindungen gegeben hat, kurs gemeinsam mit haben die voll- nicht ernsthaft alles dafür tun, um fern ist der Anspruch, ein sicheres insbesondere gegenüber unserer Wissenschaft und For- ständige Organi- dafür zu sorgen, dass es in Endlager für eine sehr lange Zeit Kollegin Sylvia Kotting-Uhl, ist schung entstanden sationshoheit. Deutschland kein Endlager für zu finden, völlig richtig. nicht fair, nicht sachgerecht und ist, wo wir erst einmal die Aus- Wir werden ab dem 1. Juli sämtli- hochradioaktive Abfallstoffe gibt, Die nackten Zahlen: Wir haben dem Dialog auch nicht zuträglich. schlusskriterien anwenden. Wir che Finanzmittel haben, die wir und gleichzeitig bemängeln, dass 124 Sitzungen der Endlagerkom- Was Sie da aushalten mussten, war werden kein Endlager in Regionen brauchen, um ein Endlager zu fin- wir uns zu wenig um die Zwi- mission und der verschiedenen schon eine ganze Menge. Deswe- suchen, die erdbebengefährdet den. Insofern liegt es auch in un- schenlager kümmern. Arbeitsgruppen gehabt, über 550 gen Ihnen persönlich vielen Dank sind oder in denen es Vulkanis- serer Verantwortung, diesen Zeit- Das ist ein Widerspruch, den Kommissionsdrucksachen sind für Ihre Standhaftigkeit in dem mus gibt. Wir werden Mindestan- rahmen einzuhalten. man immer wieder deutlich ma- entstanden, und wir haben einen Verfahren! forderungen anwenden. Zu den Ja, Herr Kollege Zdebel, es ist chen muss. Wir als diejenigen drei Abschlussbericht von fast 600 Sei- Trotzdem – ich glaube, das Mindestanforderungen gehört, völlig richtig: Wir werden uns um Fraktionen in diesem Deutschen ten vorgelegt. Das zeigt: Die Kom- bleibt auch weiterhin unsere Auf- dass das Wirtsgestein, in das wir die Zwischenlager kümmern müs- Bundestag, die sich darum küm- mission hat sich in den letzten gabe – bleibt unsere Hand ausge- die hochradioaktiven Abfallstoffe sen; auch wir sehen dieses Pro- mern, eine Lösung für dieses knapp drei Jahren große Mühe ge- streckt. Das ist sie während des einlagern möchten, eine ausrei- blem. Damit werden wir uns si- Menschheitsproblem zu finden, geben, eine gute und konsensuale Verfahrens immer auch geblieben, chende Mächtigkeit hat. Wir ha- cherlich in der nächsten Legisla- haben diesen Widerspruch aufge- Lösung zu finden. Ich möchte bei öffentlichen Anhörungen, bei ben uns über Abwägungskriterien turperiode noch einmal beschäfti- deckt. Und wir fangen mit dem mich herzlich bedanken bei den öffentlichen Veranstaltungen, bei unterhalten. Dazu gehört bei- gen müssen. Wenn wir es den ersten Schritt an, nämlich ein beiden Vorsitzenden der Endlager- Hintergrundgesprächen und bei spielsweise die Schutzfunktion des Menschen an den Zwischenlager- Endlager für hochradioaktive Ab- kommission, bei Michael Müller den folgenden Öffentlichkeitsbe- Deckgebirges, ein Kriterium, das standorten recht machen wollen, fallstoffe zu fin- und Ulla Heinen-Es- teiligungsverfahren. Selbstver- kein Gorleben-K.-o.-Kriterium ist, dann müssen wir das Verfahren den. Insofern ist es ser, die unterschied- ständlich – das hat die Ministerin sondern ein Abwägungskriterium jetzt zeitnah starten. Bestenfalls ein guter Gesetz- licher nicht hätten zum Ausdruck gebracht – würdi- darstellt. In dem Moment, in dem direkt nach Verabschiedung dieses entwurf, den wir Bei uns ent- sein können. Aber gen wir die Arbeit der Umweltbe- wir zwei Standorte haben, die an- Gesetzentwurfes muss der Vorha- heute auf den Weg standene radio- ich glaube, dass gera- wegung und der Umweltverbände. sonsten völlig gleich sind, wird benträger mit der obertägigen Er- bringen wollen. aktive Abfälle de diese Unter- Gleichzeitig will ich, weil das in derjenige Standort vorgezogen, kundung starten, damit wir den Ich glaube, dass sollen auch in schiedlichkeit ein der Debatte zu kurz kam, den Mit- der ein intaktes Deckgebirge hat. Zeitplan einhalten können. die Arbeit der Deutschland Teil des Erfolges ge- arbeiterinnen und Mitarbeitern Aber das ist ein Abwägungskriteri- Das Thema Gleichbehandlung Kommission in entsorgt werden. wesen ist. Ich möch- der Energieversorgungsunterneh- um und kein Ausschlusskriterium. aller Wirtsgesteine ist uns gemein- der Tat der letzte te mich herzlich be- men Danke sagen, die dafür ge- Im Anschluss gibt es planungswis- sam wichtig. Wir schließen kein Versuch ist, diese danken bei meinen sorgt haben, dass wir in Deutsch- senschaftliche Abwägungskrite- Wirtsgestein und keinen poten- Menschheitsaufga- Koberichterstatterin- land in über 50 Jahren Kernener- rien, beispielsweise die Siedlungs- ziellen Standort im Vorhinein aus. be „Suche nach einem Endlager nen und berichterstattern Sylvia gie keinen signifikanten Störfall dichte, die Frage also: Leben dort Wir werden in den drei potenziel- für hochradioaktive Abfallstoffe“ Kotting-Uhl, hatten. Vielen Dank dafür, dass viele Menschen? len Wirtsgesteinen suchen und zu lösen. Das ist ja auch in der Re- Matthias Miersch und, lieber das ordentlich funktioniert hat! Um diese Suche vollziehen zu werden politisch nichts ausschlie- de der Ministerin deutlich gewor- Herr Zdebel, auch bei Ihnen, der Die Aufgabe der Kommission können, brauchen wir Sicherungs- ßen. Schweden zeigt, dass es auch den. Dass es eine Menschheitsauf- Sie am Ende mit Ihrer Fraktion war es, dem Bundestag Vorschläge vorschriften, die sich nicht nur auf möglich ist, ein Endlager zu bau- gabe ist, zeigt der Anspruch, dass nicht dabei sind, aber der Sie lan- für eine transparente, ergebnisof- Gorleben beziehen, sondern auf en mit einer technischen und ei- wir ein Endlager finden wollen, ge mitgearbeitet haben. Es hat ins- fene und an wissenschaftlichen ganz Deutschland. Das ist nur ner geotechnischen Barriere. das Sicherheit für 1 Million Jahre gesamt große Freude gemacht. Kriterien orientierte Endlagersu- richtig und konsequent. Sie sind Gleichzeitig – das impliziert der garantieren soll. Das mag dem ei- Ich selbst habe aus der Arbeit in che zu unterbreiten. Ich glaube, auch absolut notwendig. Wir wol- natürliche Menschenverstand – nen oder anderen nur ein müdes der Kommission viel gelernt. Ich das ist mit dem Abschlussbericht len dabei gleichzeitig Deutschland gehen wir davon aus, dass die Lächeln abringen. Aber ich glaube, habe gelernt, dass das Angebot, an gelungen. Deswegen ist es auch industriepolitisch nicht lahmle- über Jahrmillionen gewachsene dieser Anspruch macht deutlich, einem Diskurs teilzunehmen, nur konsequent, dass der Gesetz- gen. Deswegen gibt es auch Aus- Geologie gegenüber einer techni- dass wir ein Endlager finden wol- nicht von jedem selbstverständlich geber diesem Kommissionsbericht nahmen: für Bohrungen bis 100 schen oder einer von Menschen len, bei dem wir eben nicht nach- wahrgenommen wird. Die Um- in ganz großen Teilen folgt. Meter, auch bis 200 Meter, wenn gemachten Barriere eine bessere folgenden Generationen die Last weltverbände sind angesprochen Dort, wo er es nicht tut, ist das nachgewiesen wird, dass kein Schutzfunktion hat. Deswegen ist aufbürden, sich darum kümmern worden. Sie sind ja sozusagen das Ergebnis der Anhörung, bei- Wirtsgestein geschädigt wird. Das es richtig, dass wir in allen Wirts- Das Parlament - Nr. 13 - 27. März 2017 DEBATTENDOKUMENTATION 9

gesteinen gleichermaßen suchen lange genug protestiert. Vielmehr ren, in denen Radioisotope für die geschlagen und sind Vergangen- in der die Protestkultur schweigen und – hier bin ich ganz entspannt werden wir denjenigen aus dem Krebsdiagnostik hergestellt wer- heit; aber es geht jetzt darum, dass muss und in der wir eine Kultur – am Ende aber nach Sicherheits- Verfahren nehmen müssen, der den. Es wäre fahrlässig, wenn wir wir uns der Aufgabe des Rückbaus der Verantwortung brauchen, die kriterien entscheiden. Wir werden aufgrund der geologischen Situati- den Reaktor mit diesem Gesetz- und der Entsorgung der radioakti- auch umfasst, dass wir diejenigen denjenigen Standort auswählen, on für ein Verfahren nicht geeig- entwurf kaputtmachten. Insofern ven Abfallstoffe widmen. Ich wür- Gemeinden honorieren und es ih- der die bestmögliche Sicherheit net ist. Das schafft Vertrauen, und ist es richtig, dass es Ausnahmen de mich freuen, wenn es uns in ei- nen nicht schwer machen, son- für 1 Million Jahre garantiert. das schafft Verlässlichkeit. Das Ex- gibt. Gleichzeitig sage ich auch: ner nationalen Kraftanstrengung dern leicht machen, die sich der In Richtung der niedersächsi- portverbot ist angesprochen wor- Wir wollen, dass der genehmi- gelänge, für den Wissenserhalt bei schwierigen Aufgabe stellen, ein schen Freunde muss ich sagen: Es den. Ich halte es für völlig richtig, gungslose Zustand in Jülich in Nuklearthemen zu stehen und bei Endlager für hochradioaktive Ab- ist wohlfeil, Bayern und Sachsen dass wir dem Grundsatz der In- Nordrhein-Westfalen beendet jungen Menschen dafür zu wer- fallstoffe zu finden. In der Tat, lie- dafür zu kritisieren, dass sie auf landsentsorgung folgen. Die bei wird. Wir brauchen dringend und ben, dass wir noch über Jahrzehn- be Kollegen von den Linken, darf die Gleichbehandlung aller Wirts- uns in Deutschland entstandenen unverzüglich – so ist es ja auch te gute Beschäftigungsmöglichkei- man da nicht Partikularinteressen gesteine drängen. Gleichzeitig radioaktiven Abfälle sollen auch angekündigt – eine Lösung, die ten in diesen technologisch an- folgen, sondern muss dem großen aber darauf hinzuweisen, dass es bei uns in Deutschland entsorgt dem Sicherheitsbedürfnis der An- spruchsvollen Gebieten haben, Ganzen gerecht werden. Ich glau- falsch ist, Gorleben im Verfahren werden. Gleichzeitig ist es völlig wohnerinnen und Anwohner ge- dass das auch ein Exportschlager be, dass wir jetzt eine gute Lösung zu halten, funktioniert nicht. Wei- richtig, dass wir die Forschung in recht wird. Deswegen ist es richtig, für Deutschland werden kann, gefunden haben, und bitte deswe- ße Landkarte bedeutet: inklusive Deutschland nicht kaputtmachen dass wir mit dem Gesetzentwurf weil weltweit viele Reaktoren in gen herzlich um Ihre Zustimmung aller potenziellen Standorte. Es wollen. Wir haben in München – auch da Druck machen, damit es das Alter kommen, in dem sie zum Gesetzentwurf. kann doch nicht richtig sein, dass dafür hat sich der Kollege Florian zu einer Lösung kommt. Mir per- langsam vom Netz genommen als Ergebnis des Verfahrens he- Oßner sehr eingesetzt – den For- sönlich ist wichtig, dass wir uns werden. Da hat Deutschland eine (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD rauskommt, dass derjenige aus schungsreaktor FRM II, einen von um das Thema Fachkräfte küm- einzigartige Kompetenz. sowie bei Abgeordneten des BÜND- dem Verfahren ausscheidet, der weltweit drei Forschungsreakto- mern. Die alten Schlachten sind Ich glaube, es ist jetzt eine Zeit, NISSES 90/DIE GRÜNEN)

Winfried Kretschmann, B90/Die Grünen, Ministerpräsident Baden-Württemberg: legungen. Ausgangspunkt ist eine Vertrauen in unseren Umgang mit weiße Landkarte. Die Suche er- der Endlagerfrage schaffen, oder folgt anhand gesetzlich festgeleg- besser: schaffen können; denn das Neue Maßstäbe in der Qualität ter Kriterien. Entscheidend ist die bislang gewonnene Vertrauen ist Geologie und nicht die politische noch ein zartes Pflänzchen. Ma- Geografie. chen wir uns nichts vor: Die größ- des Suchverfahrens Dass die Menschen im Wend- ten Herausforderungen liegen land nach der Historie von Gorle- noch vor uns; denn im Laufe des ben lieber heute als morgen einen Prozesses wird sich die Suche auf Denn so wichtig zivilisierter dein eigenes Bundesland als mög- Schlussstrich wollen, ist mehr als einen immer kleineren Kreis von Streit als Normalmodus der De- lichen Standort ins Spiel und ris- verständlich. Als junger Abgeord- Regionen konzentrieren. Es kann mokratie ist, so wichtig ist der kierst damit den Unmut deiner neter habe ich selbst dort vor 37 vor Ort verständlicherweise zu Konsens bei solch fundamentalen Landsleute? – Es ist ganz einfach: Jahren demonstriert. Protesten und Widerständen kom- Fragen. Ich sage aber auch ganz Ich habe das damals getan, weil Aber man könnte den Men- men. Die lokale und regionale Po- deutlich: Die größte Aufgabe liegt wir vom Sankt-Florians-Prinzip schen in all den Regionen, auf die litik kann dabei massiv unter noch vor uns. Der Suchprozess zum Prinzip der Verantwortung der Blick jetzt neu fallen wird, Druck geraten. Deswegen werden wird von uns allen noch sehr viel kommen mussten und die Endla- nicht vermitteln, dass bei ihnen wir alle ein starkes Rückgrat benö- Mut, Disziplin und Verantwor- gerdebatte aus einer Sackgasse ho- nach rein wissenschaftlichen Kri- tigen. Die Entscheidungen werden tungsbewusstsein verlangen; an- len mussten. Die Entwicklung terien geprüft wird, während ein nur dann in der Öffentlichkeit ins- sonsten wird er scheitern. zeigt: Das war der richtige Weg. anderer Standort zuvor aus politi- gesamt auf Akzeptanz stoßen, Nach der schrecklichen Reaktor- Mit dem 2013 verabschiedeten schen Gründen ausgeschlossen wenn bis dahin ein stabiles Ver- katastrophe von Fukushima ha- Standortauswahlgesetz ist es ge- wurde. trauen in das Verfahren selbst ge- © DBT/Achim Melde (*1948) ben wir gemeinsam, im Konsens lungen, einen Neustart bei der Wir setzen zudem neue Maßstä- wachsen ist. Deswegen müssen Ministerpräsident Baden-Württemberg zwischen Bund und Ländern, im Endlagersuche zu erreichen. be in der Qualität des Suchverfah- sich alle Beteiligten an das jetzt Sommer 2011 den Ausstieg aus der Der erste Schritt auf diesem rens. Wir legen das Verfahren in vereinbarte Verfahren halten, und eute ist ein Tag der Ver- Atomenergie beschlossen, wobei neuen Weg war, dass die Endlager- staatliche Hände. Wir schaffen zwar ohne Wenn und Aber. Ent- antwortung. Mit dem ich mir an dieser Stelle natürlich kommission über zwei Jahre hin- maximale Transparenz. Alle rele- scheidend sind alleine die Vorga- HStandortauswahlgesetz nicht ganz verkneifen kann, daran weg intensiv gearbeitet hat. Sie hat vanten Daten und Unterlagen ben der Wissenschaft. Die Politik schaffen wir die Grundlage dafür, zu erinnern, dass wir zehn Jahre Empfehlungen zu den wissen- kommen auf den Tisch. Wir betei- muss sich zurückhalten und der einen sicheren Endlagerstandort zuvor mit dem grünen Umweltmi- schaftlichen Grundlagen für das ligen die Bürgerinnen und Bürger Versuchung widerstehen, be- für hochradioaktive Abfälle zu su- nister Trittin den Atomausstieg Auswahlverfahren entwickelt und und die Öffentlichkeit umfassend stimmte Standorte von vornherein chen, und das ist eine wahrhaft schon einmal durchgesetzt hatten. geeignete Formate zur Beteiligung und von Anfang an. Ein gesell- für ungeeignet zu erklären; denn epochale Aufgabe. Es geht um das Aber es ist immer gut, wenn der Öffentlichkeit erarbeitet, die schaftliches Begleitgremium wacht mit politischer Taktiererei würde schwierigste Infrastrukturprojekt man sich durch Katastrophen in diesem Umfang und in dieser über den gesamten Suchprozess. das Vertrauen schnell wieder zer- in der Geschichte unseres Landes; auch belehren lässt. Besser ist na- Qualität nie da gewesen sind. Das Verfahren sieht weitgehende stört. denn wir müssen einen Ort fin- türlich, man lässt sich durch Ver- Darauf dürfen wir wirklich stolz Rechtsschutzmöglichkeiten vor. Lassen Sie uns deshalb unserer den, an dem wir den Atommüll nunft belehren. sein. Deswegen möchte ich auch Über jede einzelne Etappe des Ver- gemeinsamen Verantwortung ge- für 1 Million Jahre sicher lagern Eine zweite fundamentale Frage den beteiligten Kommissionsmit- fahrens entscheiden Bundestag recht werden und das Suchverfah- können – ein unvorstellbarer Zeit- war noch offen: Wohin mit den gliedern und Bürgern sehr herz- und Bundesrat. Das sichert die de- ren sorgfältig durchführen. Lassen raum, der im Grunde das mensch- radioaktiven Abfällen, die im Lau- lich für ihre hervorragende Arbeit mokratische Legitimation der Sie uns eigene Interessen zuguns- liche Maß überschreitet. fe der Jahrzehnte angefallen sind danken. Endlagersuche. Dabei ist klar: Die ten des gesamtgesellschaftlichen Wir übernehmen also nicht nur und noch weiterhin anfallen? Das Mit dem vorliegenden Gesetz- endgültige Entscheidung über ei- Interesses zurückstellen. Lassen Sie Verantwortung für uns, auch nicht war eine Frage, bei der wir uns in entwurf werden die Empfehlun- nen Endlagerstandort fällen der uns auch bei den weiteren Schrit- nur für unsere Kinder und Enkel, einer Sackgasse befanden. Ich er- gen der Endlagerkommission nun Bundestag und die Länderkammer ten in den kommenden Jahren sondern wir stellen uns der Ver- innere mich noch genau, wie das umgesetzt. Damit setzen wir neue und eben nicht die betroffene Re- den größtmöglichen Konsens be- antwortung für viele Tausend damals war, als ich 2011 als frisch- Maßstäbe bei der Suche. Wir su- gion; denn es handelt sich dabei wahren. Nur so können wir die künftige Generationen, soweit das gebackener Ministerpräsident den chen nicht irgendeinen Standort, um eine nationale Aufgabe. Damit Endlagersuche zum Erfolg führen. überhaupt in der Möglichkeit des Vorstoß für eine neue, ergebnisof- sondern den Standort mit der werden wir dem Anspruch ge- Das sind wir den künftigen Gene- Menschen liegt. Deswegen bin ich fene Endlagersuche unternommen bestmöglichen Sicherheit, und recht, ein ergebnisoffenes, streng rationen schuldig; denn wir haben dankbar, dass wir diesen Gesetz- habe. Viele haben den Kopf ge- zwar ausschließlich auf Basis wis- wissenschaftsbasiertes, transparen- die Erde nur von unseren Kindern entwurf in einem nationalen Kon- schüttelt und gefragt: Warum senschaftlicher Erkenntnisse. Das tes und lernendes Auswahlverfah- geborgt. sens verabschieden, in einem Kon- ziehst du dir den Schuh an, wo du ist, glaube ich, in dieser Zeit, in ren zu entwickeln. sens zwischen Bund und Ländern, und deine Partei doch jahrzehnte- der die Verbreitung faktenfreier Am wichtigsten ist dabei – das (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE aber auch in einem parteiübergrei- lang gegen die Atomkraft ge- Meinungen um sich greift, ganz möchte ich noch einmal betonen GRÜNEN, bei der CDU/CSU und der fenden Konsens. kämpft habt? Warum bringst du wichtig. Wir treffen keine Vorfest- –, dass wir mit dem Gesetz neues SPD) 10 DEBATTENDOKUMENTATION Das Parlament - Nr. 13 - 27. März 2017

Dr. Matthias Miersch, SPD: wir hier machen, ist eine Falle für und der Wissenschaft kamen. Ich die Bürgerinnen und Bürger. Wir bin jedenfalls dankbar, dass wir würden Öffentlichkeitsbeteiligung diesen Weg gegangen sind. Weg in die Atomkraft ist und da herstellen, wo sie eigentlich Zum anderen haben wir jetzt überhaupt nicht angezeigt wäre. ein Gremium in den Gesetzent- Die Überschrift lautete: „Lasst Ex- wurf geschrieben, das Nationale bleibt eine Sackgasse perten entscheiden“. Begleitgremium, über das eben- Liebe Kolleginnen und Kolle- falls viel philosophiert worden ist: gen, es ist spannend, dass nach Wollen wir einen Wächterrat, der wäre die Atomenergie alles andere auch in unserem Sinne sind. Dafür wie vor – wir haben Meinungsfrei- über Bundestag und Bundesrat als günstig und verantwortbar. ein herzliches Dankeschön. heit – so etwas geschrieben wird. steht? So wurde mir von einem Ich habe noch sehr genau im Da das alles ja nicht nur eine Aber gerade die Atomtechnologie, Rechtsprofessor sogar Verfassungs- Ohr, was einige Kolleginnen und Einheitssoße sein soll, möchte ich gerade die Frage der Endlagerung bruch vorgeworfen. Das, liebe Kol- Kollegen von der CDU/CSU hier als niedersächsischer Abgeordne- ist doch ein Beispiel dafür, dass leginnen und Kollegen, ist meines angesichts der Gedenktage gesagt ter, lieber Ministerpräsident Experten sich absolut irren kön- Erachtens altes Denken. Wenn wir haben. Deshalb sage ich: Lassen Kretschmann, dann doch beto- nen. Was haben sie gesagt? „Die etwas aus dieser Geschichte der Sie uns heute wirklich den absolu- nen: Das, was und Asse ist sicher.“ Jetzt sehen wir 10 Atomkraft lernen, dann ist es ten Schlussstrich ziehen und fest- Stefan Wenzel hier in den letzten 000 Liter Wasser am Tag. Es kann doch, dass wir ein bisschen demü- halten: Es darf nie wieder darüber Jahren angestoßen haben, auch doch nicht sein, dass man jetzt tig im Hinblick auf Entschei- geredet werden, dass AKWs über mit Ihnen zusammen, ist, glaube einfach blind Experten vertraut! dungskulturen und auf die Art 2022 hinaus in Deutschland be- ich, das gewesen, was als größt- Stattdessen haben wir hier ver- und Weise sind, wie transparent trieben werden sollten. möglicher Konsens erreichbar war. schiedene Institutionen imple- und hinterfragend wir an eine © DBT/Achim Melde Dr. Matthias Miersch (*1968) Ich darf mich dem Dank meiner Aber ich sage ganz bewusst, mentiert, die nicht ganz unum- solch große Frage herangehen. Wahlkreis Hannover-Land II Kolleginnen und Kollegen an Stef- auch deshalb, weil ich als Anwalt stritten gewesen sind. Deswegen finde ich es richtig, fen Kanitz, auch an Hubertus Zde- viele Menschen aus dem Wend- Herr Präsident Lammert, ich er- dass die nachfolgenden Bundesta- unächst muss man, glaube bel und vor allen Dingen an Syl- land vertreten habe und ich mich innere mich noch: Als ich mit Re- ge und auch der Bundesrat weiter- ich, an einem solchen Tag via Kotting-Uhl anschließen. Syl- nach wie vor verantwortlich fühle: becca Harms den Vorschlag zur hin von einem Gremium begleitet Zbetonen, auch angesichts via, ich finde, es wäre gerecht ge- „Weiße Landkarte“ kann man so Einrichtung einer Kommission ge- werden, das auch die Macht hat, der Debatten, die wir in den letzten wesen, dir heute ein paar Minuten einfach sagen; aber wir haben Er- macht habe, gab es zumindest bei Alarm zu schlagen, wenn es das Jahren anlässlich der Jahrestage von Redezeit einzuräumen. Umso grö- kenntnisse – wir hatten in diesem Ihnen sehr große Skepsis. Ich Gefühl hat, hier geht etwas unfair Fukushima und Tschernobyl ge- ßer ist der Dank an dich für das, Haus auch einen Untersuchungs- glaube, nach zwei Jahren Arbeit zu. Transparenz und Rechtferti- führt haben: Der Weg in die Atom- was du geleistet hast. ausschuss, und ich sage das nach dieser Kommission können wir gungsdruck werden die einzigen kraft war und ist eine Sackgasse. Ich lobe hier und heute ganz be- wie vor, auch wenn Gorleben erst feststellen, verbunden mit einem Möglichkeiten sein, die Konflikte, Zwar wird heute immer noch wusst auch das Bundesumweltmi- einmal im Topf drin ist –, die alle- herzlichen Dank an Michael Mül- die in den nächsten Jahrzehnten über die Atomenergie philoso- nisterium. Ich möchte meinen mal ausreichen, um festzustellen, ler und Ulla Heinen-Esser, dass es in dieser Frage vor uns liegen, zu phiert und mancher sagt, dass das Dank zum Ausdruck bringen. Das, dass Gorleben nicht geeignet ist, sich gelohnt hat, bei dieser großen bewältigen. doch eigentlich eine sichere und liebe Barbara Hendricks, was deine liebe Kolleginnen und Kollegen. Menschheitsaufgabe neben dem Ich danke für Ihre Aufmerksam- vor allem günstige Technologie ist; Leute und du in den letzten Jahren Es war ganz interessant: Als wir Parlament ein kontinuierlich ta- keit. aber am Thema Endlagerung zeigt geleistet haben, war eine Herkules- vor einigen Wochen den Gesetz- gendes Sachverständigengremium sich: Wenn wir die Kosten, die mit aufgabe. Wir konnten uns immer entwurf vorgestellt haben, habe zu implementieren, dessen Mit- (Beifall bei der SPD sowie bei Abge- der Endlagerung verbunden sind, darauf verlassen, dass ihr konstruk- ich einen Kommentar gelesen, der glieder aus den unterschiedlichs- ordneten der CDU/CSU, der LINKEN von vornherein eingepreist hätten, tive Vorschläge unterbreitet, die zum Ausdruck brachte: Das, was ten Gruppen der Zivilgesellschaft und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Eva Bulling-Schröter, Die Linke: schon seit 1970 so. So wurde üb- herum. Gorleben müsse im Ver- rigens damals das Zonenrandge- fahren bleiben, sonst wäre das biet Gorleben ausgewählt. nicht gerecht. Wir, die Linken, Vorgehen ist nicht geeignet für Eigentlich war ein Standort im finden, dass das überhaupt nicht Emsland für geeignet gehalten zusammenpasst. worden. Dieser lag aber in den Gorleben steht für eine große eine nationale Versöhnung CDU-Wahlkreisen von Werner Wunde, falsche Entscheidungen, Remmers und Rudolf Seiters. Manipulationen, Unwahrheiten Gorleben war einfach weit genug und Polizeiprügel. bisschen weitergekommen sind. heute das novellierte Standortaus- davon entfernt. Wir alle kennen Gorleben im Verfahren zu be- Trotzdem muss ich heute in der wahlgesetz auf den Weg bringt. das Bild vom grinsenden Minis- lassen, ist daher eine Art Erbsün- Wunde bohren. Dieses Gesetz beinhaltet wesentli- terpräsidenten Albrecht, der vor de dieses Standortauswahlgeset- Mitte Dezember haben Union, che Verbesserungen. Es ist aber exakt 40 Jahren auf der Landkarte zes. Dieses Vorgehen ist nicht ge- SPD und Grüne in diesem Haus unzureichend geblieben – leider. auf den damals völlig unbekann- eignet für eine Art nationale Ver- den Finanzierungsdeal der Atom- Einige aus dem Unionslager ten Ort Gorleben deutete. Also söhnung. folgekosten auf den Weg ge- streiten bereits heftig dafür bzw. nichts mit wissenschaftlich! Heute war die Demo. Es waren bracht. Die Linke hat das sehr kri- argumentieren, dass gerade das Bis heute geben CDU und CSU auch Leute von der BI Gorleben tisiert, und zwar mit Recht. Man bayerische Kristallingestein für nicht wirklich zu, dass Gorleben da. Eine Frau hat gesagt: Wenn je- hätte wissen können, was nun Endlagerzwecke nicht geeignet politisch ausgewählt wurde und mand ein Auto mit Zündschlüssel klar ist: Vattenfall zieht seine sei. dass es vor allem deshalb im stehen lässt und es geklaut wird, 4,3-Milliarden-Klage in Washing- Da wird aus dem Ökonomen Spiel gehalten werden musste, ist das Verleitung zum Diebstahl. ton eben nicht zurück. Einige Ab- Herrn Nüßlein plötzlich ein ver- weil man Gorleben als Entsor- Wenn Gorleben nicht ausgeklam- © DBT/Achim Melde Eva Bulling-Schröter (*1956) geordnete haben damals gesagt, sierter Geologe, der weiß, dass gungsnachweis für die laufenden mert wird, ist das Verleitung zur Landesliste Bayern der Staat würde sich lächerlich Granit im Bayerischen Wald für Atomkraftwerke brauchte, die Lagerung von Atommüll in ei- machen, wenn die beiden letzten die Endlagerung nicht taugt. Er man sonst vom Netz hätte neh- nem nicht geeigneten Lager. ezüglich des Neustarts der kostspieligen Klagen nicht zu- wird uns das vielleicht nachher men müssen. Das muss man ein- Herr Kanitz, Sie reden von ei- Suche nach einem Lager rückgezogen würden. Ich sage: erklären. Unter dem Motto „Bay- mal sagen. ner Kultur der Verantwortung Bfür atomare Abfälle sprach Die Kolleginnen und Kollegen ern first“ möchte man keine Ver- In den 1990er-Jahren lehnte und sagen, die Leute sollen nicht Minister Habeck von einer Art na- der Union, der SPD und auch der antwortung übernehmen. die Bundesregierung die Suche mehr protestieren. Ich sage Ih- tionaler Versöhnung. Ich muss sa- Grünen, die sich hier vor drei Schließlich war ja auch Franz Jo- nach einem alternativen Standort nen: Wer sich einmischt, wer pro- gen: Leider ist es das nicht. Dies Monaten für diesen Deal gelobt sef Strauß derjenige, der die ab, weil man an anderen Standor- testiert, auch einmal Nein sagt kann man an den heutigen Pro- haben, haben sich leider lächer- AKWs forciert hat. Aber immer- ten nie den gleichen hohen Er- und nachdenklich ist, der trägt testen der Antiatombewegung vor lich gemacht. hin ist Kristallin mit dabei. Vor kundungsstand erreichen könne Verantwortung. dem Reichstag sehen, auch wenn Es ist ungefähr die gleiche der eigenen Gartentür hört bei Ih- wie in Gorleben. Heute argumen- ich zugebe, dass wir schon ein Gruppe von Abgeordneten, die nen der Konsens auf. Das ist tiert die Mehrheit genau anders- (Beifall bei der LINKEN) Das Parlament - Nr. 13 - 27. März 2017 DEBATTENDOKUMENTATION 11

Dr. Georg Nüßlein, CSU: gewünscht, dass wir das Thema men ihre Verantwortung wahr und Granitgestein von vornhinein klar sehen das auch ein. Alle unterzie- ausschließen, weil dieses Gestein hen sich der Anfangsprüfung. Endlagerung ohne zusätzliches zerklüftet ist und deshalb keinen Wir werden uns dann an dem Sinn macht. wissenschaftlichen Ergebnis orien- Wir haben gesagt, wir lassen es tieren, so wie das Ministerpräsi- Risiko für Steuerzahler im Topf und im Fokus, weil wir dent Kretschmann vorhin be- uns nicht einem politischen Vor- schrieben hat. wurf aussetzen wollten, der hier Entscheidend am Schluss ist die Dass dies parteiübergreifend, ja nis keiner so unzufrieden sein sofort reflexartig gemacht worden Frage: Wofür entscheiden wir uns? geradezu überparteilich und auch kann, dass er dem Gesetzentwurf wäre. Trotzdem glaube ich, dass in Wir wählen nicht politische gesamtgesellschaftlich fundiert ge- nicht zustimmen kann. diesem Gesetzentwurf – ich bitte, Maßstäbe und nicht Maßstäbe des lingt, ist etwas ganz Besonderes. Wenn ich sage, dass alle an die- jetzt genau hinzuhören – ganz Protests, sondern die Maßstäbe Ich gebe ganz offen zu, dass ich ser Stelle Kröten schlucken müs- klar zum Ausdruck kommt, dass der Wissenschaftlichkeit, die hier kein Fan von Kommissionen bin – sen, dann gilt das natürlich auch eine Endlagerung in kristallinem zum Ausdruck kommen. Ich glau- überhaupt nicht –; denn ich glau- mit Blick auf die Anforderungen Gestein, das, wie gesagt, zerklüftet be, dass das richtig ist. be, niemand repräsentiert die Ge- an eine weiße Landkarte. Nur so ist und deshalb auf technische Es ist wichtig und richtig, die sellschaft in diesem Land besser wird dieser Prozess unangreifbar, Barrieren angewiesen wäre, nur Schritte, so wie sie heute be- als der Deutsche Bundestag. Aber das ist richtig, und nur so kann die zweitbeste Möglichkeit sein schrieben wurden, zu gehen. Wir in den zwei Ausnahmefällen, über man dem Argument, Gorleben sei könnte. Das will ich an dieser Stel- haben die finanziellen und orga- die wir heute reden, war es, glaube nur aus politischen Gründen in le ganz klar unterstreichen. nisatorischen Voraussetzungen ich, vernünftig, so vorzugehen. Es den Fokus geraten, entgegenwir- Wer das nicht glaubt, der soll zur Endlagersuche geschaffen, die © DBT/Achim Melde Dr. Georg Nüßlein ((*1969) war auch erkenntnisreich. Gewun- ken. Das heißt aber auch: Wenn mir an dieser Stelle doch einmal dazu führen, dass wir ab 1. Juli Wahlkreis Neu-Ulm dert hat mich allerdings die Ponti- wir das Verfahren so durchführen, genau erklären, wie man bei dem dieses Jahres 23,6 Milliarden us-Pilatus-Strategie einiger Um- wie wir es jetzt vorhaben, dann angesprochenen Zeitraum von 1 Euro an Geldern von den EVU as, was wir heute beraten, weltverbände, die ihre Hände dau- wird Gorleben aber nicht unwahr- Million Jahren einen Langzeit-Si- bekommen, um das Ganze finan- ist Schlusspunkt und erhaft in Unschuld waschen woll- scheinlicher, sondern wahrschein- cherheitsnachweis für irgendwel- zieren zu können. Dies verpflich- DNeuanfang zugleich. Ich ten und ursprünglich überhaupt licher, und deshalb sind ein paar che technischen Behältnisse er- tet uns natürlich dazu, heute die- möchte betonen, lieber Herr Kol- nicht geneigt waren, sich an den im linken Lager an dieser Stelle so bringen will. sen Schritt zu gehen. Man kann lege Miersch, dass der dickste Diskussionen über dieses schwie- aufgeregt; das muss man ganz klar Mit einem auf der Geologie be- nicht erst das Geld einnehmen Punkt, nämlich der Ausstieg aus rige Thema zu beteiligen. sagen. ruhenden Konzept ist es einfacher, und dann sagen: Wir können uns der Kernenergie, schon vor einer Herrn Miersch und anderen von Zum heutigen Zeitpunkt gibt es zu begründen, trotz der Schwierig- aber nicht entscheiden, wie wir ganzen Weile beschlossen wurde. der SPD möchte ich an dieser Stel- wissenschaftlich – um das zu wis- keiten, die keiner bestreiten will. jetzt weiter verfahren wollen. – Ich habe mich eben schon ein le sagen: Schauen Sie sich an, wie sen, muss man kein Geologe sein, Aber ich jedenfalls halte es für Das wäre falsch. bisschen echauffiert, weil Sie ver- sich die Linke verhält. Das ist, sondern nur lesen können – keine wahrscheinlicher, dass ein ein- Die Tatsache, dass wir bereits sucht haben, die Diskussionen glaube ich, mit Blick auf die Zu- wirklichen technischen Einwände schlusswirksames Wirtsgestein die Bundesgesellschaft für Endla- von gestern wieder anzustoßen. kunft aufschlussreich, und das gegen Gorleben, weshalb wir da- Vorteile hat, wenn man über die gerung geschaffen haben, stellt ei- An dieser Stelle wäre das, glaube sollte man durchaus einmal tun. rauf gedrungen haben, dass Gorle- Frage diskutiert: Was kann und ne weitere Verpflichtung dar, heu- ich, nicht notwendig gewesen. Gestern haben wir vom neuen ben im Fokus bleibt. Wir haben wird in der Zeit von 1 Million Jah- te diesen Schritt zu gehen und die- Eigentlich sollte uns jetzt die Bundespräsidenten gelernt, dass es an dieser Stelle bisher 2 Milliar- ren passieren? Es wäre schon eine sem Gesetzentwurf zuzustimmen. Frage umtreiben, was denn nach in der politischen Orthografie kei- den Euro an Vorinvestitionen getä- Hybris, die zu dem, was Sie im- Darüber hinaus – auch das halte dem Ausstieg kommt. Entschei- nen Schlusspunkt, sondern nur tigt. Eine weiße Landkarte wäre mer kritisieren, überhaupt nicht ich für ganz wichtig; da spreche dend ist nämlich die Frage: Wie Kommas gibt. Nach einem sol- ohne Gorleben, wie Ministerpräsi- passt, wenn man sagte: Wir lösen ich für meinen Wahlkreis, in dem schaffen wir es, dieses Land zuver- chen Komma steht eines ganz dent Kretschmann das richtig und dieses Problem an dieser Stelle Gundremmingen liegt – sind wir lässig und kostengünstig mit klar, nämlich Verantwortung, und seriös dargestellt hat, nicht mög- technisch. auch gegenüber denen verpflich- Strom zu versorgen? Darüber soll- das in einer Zeit, die nicht ganz lich. Ich glaube, dass wir alle mitei- tet, bei denen es mittlerweile Zwi- ten wir diskutieren, nicht aber einfach werden wird. Für die Deshalb danke ich Ihnen, Herr nander intelligente Formulierun- schenlager gibt. Ihnen müssen wir über das Vorgestern Standortsuche nehmen wir uns Ministerpräsident Kretschmann, gen gefunden haben, um klarzu- eine Perspektive geben und sagen, philosophieren.Ich glaube, beim bis zum Jahr 2031 Zeit. Ich halte für diese Klarheit, auch weil ich stellen, was das zweitbeste Kon- wie es weitergeht und wie lange Thema Kernausstieg ist es dieser es auch für richtig, dass wir den weiß, dass man sich hier nach zept ist. das dauert. Das tun wir mit dem Großen Koalition gelungen, zwei Fokus auf die hochradioaktiven Shakespeare die Pfeil‘ und Schleu- Mit Rücksicht auf politische heutigen Tag. Das ist ganz wichtig, weitere Schlusspunkte zu setzen. Abfälle legen. Das war sicher auch dern des wütenden Geschicks auf Formulierungen kann man viel- was ich deutlich unterstreichen Dabei geht es um die Finanzie- ein gutes Ergebnis des parlamen- sich ziehen wird, wenn man das leicht an der einen oder anderen möchte. rung und Organisation des Rück- tarischen Beratungsprozesses, weil als grüner Ministerpräsident so Stelle Klarheit entbehren. Aber das Vielen Dank für die Aufmerk- baus und um die Suche nach ei- es das Verfahren stringenter klar sagt. Das zeichnet Sie hier in war eben dem Thema „weiße samkeit. nem Endlager. Das, Herr Miersch, macht. ganz besonderer Weise aus. Lieber Landkarte“ geschuldet: Alle sind war übrigens sehr wohl einkalku- Es ist, wie alle Redner vorher be- Herr Kollege, wenn wir am Ende mit dabei. Alle Bundesländer neh- (Beifall bei der CDU/CSU) liert. Deshalb werden wir auch auf tont haben, ein großer gemeinsa- der Regierungszeit Bayern und Ba- die Rückstellungen der Kernkraft- mer Erfolg, und ich will mich dem den-Württemberg vergleichen und versorger zurückgreifen. Insofern Dank an die Berichterstatter, die eine Erfolgsbilanz ziehen, dann ist es objektiv falsch, wenn Sie sa- Mitarbeiter – insbesondere im Mi- werden wir sehen, wer am Schluss gen, das sei nicht einkalkuliert ge- nisterium – und die Ministerin besser dasteht. Ich weiß, wie es wesen. anschließen. Der Dank an die Mi- ausgehen wird, und Sie werden es Das war einkalkuliert. Wir grei- nisterin wäre noch ein bisschen erleben. fen, wie gesagt, auf die Rückstel- euphorischer ausgefallen, wenn Ich danke allen, die hier über lungen zurück, gehen mit dem sie, Frau Ministerin – das sage ich ihren Schatten gesprungen sind, Geld verursachergerecht um und ganz ehrlich –, die Seele der auch wenn ich merke, wie schwer werden dafür sorgen, dass die Atomkraftgegner nicht gar so mas- es ihnen fällt. Ich spreche jetzt Endlagerung ohne zusätzliches Ri- siert hätten. Trotzdem will ich nicht vom Krötenschlucken, weil siko für die Steuerzahler organi- ganz ausdrücklich betonen, dass ich weiß, dass insbesondere die siert wird. das auch Ihr Erfolg ist, weil Sie Grünen an dieser Stelle ein paar Zu diesem Zweck gehen wir heute mit Beharrlichkeit immer über- naturschutzrechtliche Bedenken einen entscheidenden Schritt, in- zeugend dargelegt haben, warum hätten. Aber ich glaube schon, dem wir die formalen Voraussetzun- dieser Gesetzentwurf an dieser dass man davon sprechen kann, gen für ein Standortauswahlverfah- Stelle Erfolg verspricht. Vielen dass der Gesetzentwurf uns tat- ren sichern. Das ist ganz wichtig. Dank dafür. Dieser Kompromiss – sächlich Ehre macht. Das oberste Gebot, meine Damen das haben wir gehört – verlangt Ich will aber auch sagen, dass und Herren, muss dabei lauten: allen etwas ab. Ich bin der Über- auch unsere Seite eine solche Krö- bestmögliche Sicherheit. zeugung, dass mit diesem Ergeb- te schlucken musste. Ich hätte mir Radioaktiver Abfall in der der Wiederaufarbeitungsanlage Karlsruhe © dpa 12 DEBATTENDOKUMENTATION Das Parlament - Nr. 13 - 27. März 2017

Dr. Hiltrud Lotze, SPD: ger. Formulierungen, die eine lich ein Dank an alle erforder- Priorisierung von Gorleben be- lich, die sich 40 Jahre lang in inhaltet hätten, haben wir noch dieser Bewegung engagiert ha- Öffentlichkeit wird frühzeitig einmal überprüft, und wenn es ben.Viele, die ich hier sehe, sind nötig war, haben wir sie heraus- öfter in Gorleben bei Castor- genommen. transporten gewesen. und dauerhaft beteiligt Und natürlich: Als Abgeordne- Da waren auch immer viele te aus der Region hätte ich es gut Polizistinnen und Polizisten. gefunden, wenn Gorleben von Das war vor Ort kein Vergnügen, Mit dem Standortauswahlge- wurf des Gesetzes diskutiert, vornherein aus dem Verfahren und ich denke, es ist heute ange- setz lassen wir diese Art der Aus- und ich sage hier deutlich: Es genommen worden wäre. Dafür messen, auch einmal an die Ein- einandersetzung jetzt hoffentlich war gut, dass mit Martin Donat gibt es auch gute Gründe, Herr satzkräfte zu denken, die dort hinter uns. Wir machen einen ein Experte aus der Bürgerinitia- Nüßlein. den Kopf für eine falsche politi- Neustart in der Endlagersuche. tive Lüchow-Dannenberg dabei Wenn Sie Gutachten lesen, sche Entscheidung hinhalten Der nationale Endlagerstandort war. In dieser Anhörung, bei dann lesen Sie auch die geologi- mussten. soll in einem fairen und transpa- der auch Herr Töpfer, der Vor- schen Gutachten, die eine klare Und noch eine Gruppe will renten Verfahren ausgewählt sitzende des Nationalen Be- Sprache sprechen und in denen ich ansprechen, die von unseren werden. Die Öffentlichkeit wird gleitgremiums, anwesend war, festgestellt wird, dass dieser Entscheidungen betroffen ist, im Standortauswahlverfahren wurde noch einmal sehr deut- Standort nicht geeignet ist. Des- die wir aber selten im Blick ha- frühzeitig und dauerhaft betei- lich, dass die zentrale Heraus- wegen bin ich auch sehr sicher, ben. Das sind die Beschäftigten ligt. Wir suchen bundesweit und forderung bei der Umsetzung dass Gorleben im Verfahren sehr im Erkundungsbergwerk Gorle- ergebnisoffen. des Standortauswahlverfahrens frühzeitig ausscheiden wird. ben. Rund 100 von ehemals 240 © DBT/Achim Melde Dr. Hiltrud Lotze (*1958) Meine Damen und Herren, ist, dass Vertrauen wieder aufge- Lassen Sie mich zum Schluss Bergleuten arbeiten jetzt noch Landesliste Niedersachsen trotz alledem ist es so: Die Ge- baut wird und dass – es ist hier noch einmal die Menschen an- dort. Sie bauen nach dem Er- schichte um Gorleben, die ich schon mehrfach gesagt worden, sprechen, ohne die wir nach kundungsstopp das Bergwerk zu- ch komme aus dem Wahl- eben nur ganz kurz angerissen aber ich sage es gern noch ein- meiner Überzeugung heute hier rück und bereiten es für den Of- kreis Lüchow-Dannen- habe, hat dazu geführt, dass die mal – ein Endlager wirklich nur nicht über dieses Gesetz spre- fenhaltungsbetrieb vor. Dieser Iberg–Lüneburg. Dort liegt Menschen vor Ort wenig Ver- in einem breiten gesellschaftli- chen und abstimmen würden. soll am 1. Januar 2018 begin- Gorleben. Gorleben wurde vor trauen in den Neustart der End- chen Konsens erreicht werden Ich meine damit die Antiatom- nen. Viele Bergleute haben ihren 40 Jahren von der Politik und al- lagersuche haben. Ich verstehe kann. bewegung und ganz besonders Job dort schon verloren, und et- len voran vom damaligen nieder- das, und ich bedaure zutiefst, Das Gesetz, das wir heute ver- natürlich die Menschen im liche werden ihn noch verlieren. sächsischen Ministerpräsidenten dass es so ist. Ich habe es auch abschieden, legt dafür eine gute Wendland. Ich habe Marianne Das wissen sie, und sie haben Ernst Albrecht willkürlich als sehr bedauert, dass Vertreter aus Grundlage, davon bin ich über- Fritzen, die Grande Dame der sich damit abgefunden. Sie ak- Endlagerstandort benannt – ge- Lüchow-Dannenberg nicht in zeugt. Antiatombewegung, kennenge- zeptieren die politischen Ent- gen jeden wissenschaftlichen Rat der Endlagerkommission mit- Wir gehen hier einen neuen lernt, kurz bevor sie im vergan- schlüsse. und ohne jegliche Beteiligung gearbeitet haben, nicht konnten Weg und lassen damit auch die genen Jahr verstorben ist. Sie Sie erwarten aber – und das der Bürgerinnen und Bürger. Die oder nicht wollten. Dennoch Tricks und Täuschungen der Ver- war das, was unsere Ministerin fordere ich als örtliche Abgeord- Menschen im Wendland haben sind ihre Anliegen in der Kom- gangenheit hinter uns. Wir ha- heute Morgen als eine demokra- nete auch ein –, dass sie von ih- diese Entscheidung nicht hinge- mission diskutiert worden, und ben noch etliche Anmerkungen tische Kraft bezeichnet hat. Sie rem Arbeitgeber über die zu- nommen und sich ihr widersetzt. sie sind auch im Gesetzentwurf aus der Anhörung aufgenom- hat sich aufrichtig und bis zum künftige Entwicklung frühzeitig Damit begann ein gesellschaftli- berücksichtigt worden. men. Es wurde zum Beispiel prä- Ende für die Antiatombewe- informiert werden, dass sie er- cher Großkonflikt, der haupt- In der vorletzten Woche ha- zisiert, dass wir einen Standort gung eingesetzt, und sie hat fahren, wie viele Leute ab dem sächlich hier im Wendland aus- ben wir noch einmal in einer für hochradioaktiven Müll su- mich sehr beeindruckt. An die- 1. Januar noch vor Ort verblei- getragen wurde. öffentlichen Anhörung den Ent- chen und nicht für ein Kombila- ser Stelle ist, glaube ich, wirk- ben und wo die anderen eine Verwendung finden. Sie erwarten Information über alles, was da- mit zusammenhängt, und dass man bis zum letzten Arbeitstag respektvoll und würdevoll mit ihnen umgeht. Ich bin mir hier der Unterstützung unserer Um- weltministerin sicher. Sie ist schon dort gewesen und hat Ge- spräche geführt. Das ist mir ein wichtiges Anliegen. Das Standortauswahlgesetz ist ein Meilenstein. Die eigentliche Arbeit liegt noch vor uns. Der Weg wird sicherlich nicht immer konfliktfrei sein. Ich hoffe und vertraue aber darauf, dass wir als Gesamtgesellschaft diese Aufga- be im respektvollen Umgang miteinander und mit Mutge- meinsam meistern werden.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abge- ordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Dies ist eine gekürzte Version der De- batte. Es sprachen außerdem Sylvia Kotting-Uhl (B90/Die Grünen, Kurzin- tervention) sowie Eckhard Pols (CDU/ CSU). Die Endlagersuche kann wieder von vorn beginnen. Vorausgegangen war jahrelanger Protest gegen das geplante Endlager im Salzstock Gorleben, so wie hier 2012 vor dem Bundesumweltministerium in Berlin. © dpa Informationen in Leichter Sprache Ausgabe Nr. 61 Beilage für:

leicht Ausreise-Pflicht Ein neues Gesetz für Ausländer, erklärt! die Deutschland verlassen müssen?

Thema im Bundes-Tag 1) Er verlässt Deutschland freiwillig. Dafür hat er Die Politiker vom Bundes-Tag haben ein paar Wochen lang Zeit. über einen Gesetz-Vorschlag gesprochen. 2) Wenn er Deutschland nicht freiwillig Und zwar letzten Donnerstag. verlässt, dann gibt es eine zweite Möglichkeit. Dabei ging es um Ausländer. Genauer: Um Ausländer, die nicht in Dann wird eine Abschiebung gemacht. Deutschland bleiben dürfen. Man sagt auch: Er wird abgeschoben. Im folgenden Text steht mehr dazu.

Was ist eine Abschiebung?

Ausländer in Deutschland Abschiebung bedeutet: Manchmal will ein Mensch aus Ein Ausländer-Amt und die Polizei einem anderen Land längere Zeit holen den Ausländer von zuhause ab. in Deutschland bleiben. Dann braucht er dafür eine Erlaubnis. Sie setzen ihn in ein Flugzeug.

Dafür muss er zum Beispiel einen Dann wird er Antrag bei einem bestimmten Amt in sein Heimat-Land geflogen. stellen.

Dort entscheidet man dann: Der Gesetz-Vorschlag - Entweder darf er in Deutschland bleiben. Um Abschiebungen geht es auch im - Oder er darf das nicht. Gesetz-Vorschlag.

Wenn er nicht bleiben darf, Es soll neue Regeln gibt es 2 Möglichkeiten: für Abschiebungen geben. Ausreise-Pflicht • Ein neues Gesetz für Ausländer, die Deutschland verlassen müssen?

Warum neue Regeln? Manche Menschen finden: Man muss auf Gefährder besser aufpassen. Seit dem Jahr 2015 sind viele Menschen aus anderen Ländern Und zwar so lange, bis man sie in ihr nach Deutschland gekommen. Heimat-Land zurückschicken kann. Sie haben Und auch dafür soll es neue Gesetze ihre Heimat-Länder verlassen. geben. Das kann verschiedene Gründe haben: - Vielleicht haben sie sich dort Was steht nicht sicher gefühlt. in dem Gesetz-Vorschlag? Denn jemand hat sie verfolgt. Der Gesetz-Vorschlag - Oder es gibt dort einen Krieg. enthält viele neue Regeln. - Oder sie haben auf ein besseres Leben in einem anderen Land gehofft. Im Folgenden die wichtigsten: Sie wollen hierbleiben: - Bis sie wieder in ihre Heimat-Länder Abschiebungs-Haft gehen können. Abschiebungs-Haft - Vielleicht aber auch für immer. bedeutet zum Beispiel: Bei einem Ausländer soll Viele von diesen Menschen bekommen eine Abschiebung gemacht werden. aber keine Erlaubnis vom Amt. Aber man kann ihn Denn es gibt keinen Grund dafür, nicht sofort abschieben. dass sie hierbleiben dürfen. Dann kann man ihn in ein Gefängnis Zumindest keinen Grund, schicken. der in einem Gesetz steht. Und zwar, wenn bestimmte Dinge Sie müssen also wieder ausreisen. auf ihn zutreffen. In Deutschland gibt es im Moment Zum Beispiel: ungefähr 200-Tausend Ausländer, - Wenn er schon mal einen Termin die eigentlich ausreisen müssten. für die Abschiebung mit Absicht verpasst hat. Und dieses Jahr werden es noch mehr. - Oder wenn man sich Sorgen macht, Die Politiker, dass er vielleicht wegläuft. die den Gesetz-Vorschlag gemacht Weil er so verhindern will, haben, finden: dass man ihn abschiebt. Das kann nur klappen, wenn Abschiebungen einfacher gehen. Es gibt sehr strenge Regeln für die Dafür muss man die Gesetze, Abschiebungs-Haft. die es schon gibt, verändern. Eine Regel lautet: Das Ausländer-Amt muss eine Person innerhalb von 3 Monaten abschieben. Außerdem gibt es noch einen zweiten Ansonsten darf es sie nicht in Grund für den Gesetz-Vorschlag. Abschiebungs-Haft schicken. Von manchen Personen, die ausreisen Diese Regel soll im Gesetz-Vorschlag müssen, denkt die Polizei: verändert werden. Vielleicht begehen sie irgendwann In Zukunft soll Abschiebungs-Haft ein Verbrechen. auch erlaubt sein, wenn man Zum Beispiel einen Terror-Anschlag: die Person nicht in den nächsten Sie sind also vielleicht eine Gefahr. 3 Monaten abschieben kann. Die Polizei nennt sie darum auch: Diese Regel soll allerdings nur für Gefährder. „Gefährder“ gelten. Manche Menschen Das ist ein großes Gebäude. finden diese Idee nicht so gut. Dort gibt es zum Beispiel: Ihre Meinung dazu ist: - Schlaf-Räume Es darf niemand - einen Arzt einfach so eingesperrt werden. - eine Kantine Sondern normalerweise nur, wenn er Dort leben viele Ausländer, ein Verbrechen begangen hat. die in Deutschland bleiben möchten. „Gefährder“ haben Bisher ist die Regel: aber kein Verbrechen begangen. Normalerweise bleibt eine Person höchstens 6 Monate lang Die Polizei vermutet nur, in einer Erstaufnahme-Einrichtung. dass sie das vielleicht vorhaben. Im Gesetz-Vorschlag steht: Darum ist es nicht in Ordnung, „Gefährder“ einfach so Ein Ausländer soll manchmal auch in Abschiebungs-Haft zu schicken. länger in einer Erstaufnahme-Einrichtung bleiben. Und zwar so lange, bis das Amt Überwachung entschieden hat, ob er bleiben darf. Im Gesetz-Vorschlag steht: Personen, die Deutschland verlassen müssen, Name und Heimat-Land sollen zum Teil besser überwacht werden. Wenn ein Mensch aus einem anderen Land nach Deutschland kommt, Und zwar in folgenden Fällen: muss das Amt verschiedene Dinge herausfinden. Bei einem Ausländer soll eine Abschiebung gemacht werden. Zum Beispiel: Aber man kann ihn - Wer die Person ist. nicht sofort abschieben. - Woher die Person kommt. Und er gilt bei der Polizei Das ist auch wichtig, wenn die Person als „Gefährder“. nicht in Deutschland bleiben darf. Dann soll man ihn Denn: besser überwachen können. Das Amt muss wissen, Zum Beispiel woher jemand kommt. mit elektronischen Fuß-Fesseln. Sonst kann es ihn nicht in sein Heimat-Land zurückschicken. Das sind kleine Geräte. Im Gesetz-Vorschlag gibt es mehrere Sie sehen ein bisschen so aus Ideen zu diesem Thema. wie eine Armband-Uhr. Zum Beispiel folgende: Aber: Man trägt sie um das Fuß-Gelenk. 1) Keine Mithilfe Sie funken ein Signal an die Polizei. Die erste Idee wird wichtig, So weiß die immer genau, wenn ein Ausländer das Amt wo der Träger gerade ist. zum Beispiel anlügt. Und zwar, wenn er zum Beispiel Erstaufnahme-Einrichtungen einen falschen Namen sagt. Wenn ein Mensch aus einem anderen Oder wenn er behauptet, dass er aus Land nach Deutschland flieht, einem anderen Land kommt. dann kommt er zunächst in eine: Oder wenn er versucht, Erstaufnahme-Einrichtung. seine Abschiebung zu verhindern. Ausreise-Pflicht • Ein neues Gesetz für Ausländer, die Deutschland verlassen müssen?

Für solche Fälle steht Eine andere Meinung dazu ist: im Gesetz-Vorschlag: Mobil-Telefone und andere Geräte Das Ausländer-Amt sind sehr persönliche Gegenstände. darf der Person verbieten, sich frei in Deutschland zu bewegen. Auf ihnen fi ndet man viele Infos, die man nicht mit jedem teilen will. leicht Sie muss also in einem bestimmten Gebiet bleiben. Wenn man sie dem Amt geben muss, Eine andere Meinung dazu ist: dann erfährt das Amt vielleicht Geheimnisse über einen. erklärt! Normalerweise darf jeder Mensch hingehen, wo er will. Das ist nicht in Ordnung. Man darf ihm das nur verbieten, wenn es einen guten Grund gibt. Was geschieht jetzt? Im Gesetz muss also genau stehen, Die Politiker vom Bundes-Tag wann man jemandem verbieten darf, haben zum ersten Mal sich frei zu bewegen. über den Gesetz-Vorschlag gesprochen. Das bedeutet: 2) Plötzliche Abschiebung Es wird noch weitere Gespräche Bisher muss das Amt eine Abschiebung darüber geben. einen Monat vorher ankündigen. Im Gesetz-Vorschlag steht: Vielleicht verändert man den Gesetz-Vorschlag auch noch einmal. Das Ausländer-Amt kann eine Person auch ohne Ankündigung abschieben. Irgendwann stimmen die Politiker Und zwar, wenn sie bei ihrer Ausreise vom Bundes-Tag dann darüber ab. nicht mitgeholfen hat. Wenn genug Politiker für den Eine andere Meinung dazu ist: Gesetz-Vorschlag stimmen, Eine Abschiebung kann für einen dann wird er zu einem Gesetz. Menschen eine schlimme Sache sein. An das müssen sich dann alle halten. Man sollte sie ankündigen, damit die Person sich vorbereiten kann. Ansonsten hat sie Weitere Informationen vielleicht immer Angst, in Leichter Sprache gibt es unter: dass man sie plötzlich abschiebt. www.bundestag.de/leichte_sprache

3) Mobil-Telefon überprüfen Impressum Manchmal weiß das Amt gar nicht, wer eine Person eigentlich ist. Dieser Text wurde Nachrichten in Leichte Sprache Werk Zum Beispiel weil sie übersetzt vom: keinen Ausweis hat. www.nachrichtenwerk.de

Im Gesetz-Vorschlag steht darum: Ratgeber Leichte Sprache: http://tny.de/PEYPP In bestimmten Fällen muss ein Die Bilder sind von: Titelbild: © picture alliance / dpa. Außerdem von Picto-Selector. Genauer: Ausländer dem Amt sein © Sclera (www.sclera.be), © Paxtoncrafts Charitable Trust (www.straight-street.com), © Sergio Palao (www.palao.es) im Namen der Regierung von Aragon (www.arasaac.org), © Pictogenda Mobil-Telefon oder andere Geräte (www.pictogenda.nl), © Pictofrance (www.pictofrance.fr), © UN OCHA (www.unocha.org) oder © Ich und Ko (www.ukpukvve.nl). Die Picto-Selector-Bilder unterliegen der Creative Commons Li- geben. zenz (www.creativecommons.org). Einige der Bilder haben wir verändert. Die Urheber der Bilder Zum Beispiel Tablets oder Laptops. übernehmen keine Haftung für die Art der Nutzung.

So soll das Amt herausfi nden, aus Beilage zur Wochenzeitung „Das Parlament“ 13/2017 welchem Land eine Person kommt. Die nächste Ausgabe erscheint am 3. April 2017. Und wer die Person überhaupt ist.