Plenarprotokoll 13/177

Deutscher

Stenographischer Bericht

177. Sitzung

Bonn, Mittwoch, den 4. Juni 1997

Inhalt:

Glückwünsche zu den Geburtstagen der Zusatztagesordnungspunkt 4: Abgeordneten Hans Peter Schmitz (Baes- weiler) und Dr. 15893 A Antrag der Gruppe der PDS: Neube- wertung der Goldreserven für ein Pro- Erweiterung der Tagesordnung 15893 B gramm gegen Massenarbeitslosigkeit einsetzen (Drucksache 13/7791) . . . 15893 D Rückverweisung an einen Ausschuß . 15893 B Dr. Theodor Waigel, Bundesminister BMF 15893 D

Tagesordnungspunkt 1: SPD 15897 A Abgabe einer Erklärung der Bundes- Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU . . 15901 B regierung durch den Bundesminister Ingrid Matthäus-Maier SPD 15902 B der Finanzen zu Fragen der Finanz- politik 15893 C Joachim Poß SPD 15904 A Dr. Norbert Wieczorek SPD 15905 B in Verbindung mit Joseph Fischer (Frankfurt) BÜNDNIS 90/ Zusatztagesordnungspunkt 1: DIE GRÜNEN 15907 A Antrag der Fraktionen SPD und BÜND-- Dr. Hermann Otto Sohns F.D.P. . . . . 15910 D NIS 90/DIE GRÜNEN: Entlassung des KristinÜ- Heyne BÜNDNIS 90/DIE GR Bundesministers der Finanzen Dr. NEN 15912 C Theodor Waigel (Drucksache 13/7787) 15893 C Dr. PDS 15913 A in Verbindung mit Dr. PDS 15913 C Zusatztagesordnungspunkt 2: Dr. , Bundeskanzler . . . 15916 A Antrag der Fraktionen SPD und BÜND- , Ministerpräsident (Saar NIS 90/DIE GRÜNEN: Neubewertung land) 15922 A der Gold- und Devisenreserven der Hans-Peter Repnik CDU/CSU 15927 A Deutschen Bundesbank (Drucksache 13/7788) 15893 C SPD 15929 D Paul K. Friedhoff F.D.P 15931 C in Verbindung mit Detlev von Larcher SPD 15932 C Zusatztagesordnungspunkt 3: Dr. Barbara Höll PDS 15933 C Antrag der Gruppe der PDS: Vertrauens (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE frage (Drucksache 13/7786) 15893 D GRÜNEN (zur GO) 15937 C in Verbindung mit Jörg van Essen F.D.P. (zur GO) 15938 B II Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 177. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 4. Juni 1997

Dr. Gregor Gysi PDS (zur GO) 15938 D Anlage 2 Dr. Peter Struck SPD (zur GO) 15939 B Aufträge der Bundesregierung an das Architektenbüro L. in den Jahren 1980 bis Namentliche Abstimmung 15934 C 1995 MdlAnfr 2 - Drs 13/7769 Ergebnis 15934 D Dr. Peter Conradi SPD SchrAntw PStSekr Dr. Hein rich L. Kolb Tagesordnungspunkt 2: BMWi 15946* C Fragestunde Anlage 3 (Drucksache 13/7769 vom 30. Mai 1997) 15940 B Haltung des Bundesministeriums der Ver- teidigung zum Dienstsitz für das Katho- EU-Vereinbarungen zur Konditionierung lische Militärbischof samt der EU-Wirtschaftshilfe an Bulgarien MdlAnfr 3, 4 - Drs 13/7769 MdlAnfr 1 Hans Wallow SPD SPD SchrAntw PStSekr Klaus Rose BMVg . . 15946* D Antw PStSekr Dr. Heinrich L. Kolb BMWi 15940 B ZusFr Gernot Erler SPD 15940 C Anlage 4 Entwicklung eines Verfahrens zur Zulas- Äußerungen des Staatsministers Schmid- sung von gewerblich verfügbaren Gen- bauer in Varna betr. die Eliminierung der diagnostika Wirtschaftsgruppierung „Multigrup" aus MdlAnfr 5 - Drs 13/7769 dem Wirtschaftsleben Bulgariens Dr. SPD MdlAnfr 8 SchrAntw PStSekr'in Sabine Bergmann Gernot Erler SPD Pohl BMG 15947* B Antw StMin BK . 15941 A ZusFr Gernot Erler SPD 15941 B Anlage 5 Erhöhte Häufigkeit von Erkrankungen Überarbeitung des Erlasses der Bundesan- genmanipulierter Mäuse an Lymphomen stalt für Arbeit zur Förderung der Aufnah- durch gepulste Hochfrequenzstrahlung di- me einer selbständigen Tätigkeit gitaler Handys; Krebserkrankungen unter Einfluß von niederfrequenten Feldern; Er- MdlAnfr 32 höhung der Grenzwerte Dr. F.D.P. MdlAnfr 6, 7 - Drs 13/7769 Antw PStSekr Rudolf Kraus BMA . . . . 15942 B Horst Kubatschka SPD ZusFr Dr. Gisela Babel F.D.P...... 15942 C SchrAntw PStSekr Walter Hirche BMU . . 15947* D

Rechtzeitige Bereitstellung der Mittel für- Anlage 6 Maßnahmen zur „Verbesserung der be- Annahme der sog. „Fakultativklausel" ruflichen Bildungs- und Eingliederungs- gem. Art. 36 Ziff. 2 des Statuts des Interna- chancen" und für die „Berufsausbildung tionalen Gerichtshofs; Klärung der Beute- in überbetrieblichen Einrichtungen" an kunst-Fragen durch den Internationalen die Arbeitsämter Bad Oldesloe und Neu- Gerichtshof münster MdlAnfr 9, 10 - Drs 13/7769 MdlAnfr 33, 34 Dr. Elke Leonhard SPD Franz Thönnes SPD SchrAntw StMin Helmut Schäfer AA . . 15948* B Antw PStSekr Rudolf Kraus BMA 15942 D, 15943 C

ZusFr Franz Thönnes SPD 15943 D Anlage 7 ZusFr Eckart Kuhlwein SPD 15944 B Verhinderung der Verschleppung von Kin -dern im Rahmen des Mädchenhandels Nächste Sitzung 15944 D und Kindesmißbrauchs; Einrichtung einer zentralen Ermittlungs- und Fahndungs- Berichtigung 15945 behörde des Bundes zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität MdlAnfr 11, 12 - Drs 13/7769 Anlage 1 Benno Zierer CDU/CSU Liste der entschuldigten Abgeordneten . 15946* A SchrAntw PStSekr Eduard Lintner BMI 15948* D Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 177. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 4. Juni 1997 III

Anlage 8 Anlage 14 Zukunft des Bundesinstituts für ostdeut- Verfassungskonformität von Haushalts- sche Kultur und Geschichte in Oldenburg ausgaben für den Arbeitsmarkt; Vorlage MdlAnfr 13, 14 - Drs 13/7769 eines Nachtragshaushalts 1997 Dietmar Schütz (Oldenburg) SPD MdlAnfr 25, 26 - Drs 13/7769 SchrAntw PStSekr Eduard Lintner BMI . 15949* C Manfred Hampel SPD SchrAntw PStSekr'in Irmgard Karwatzki Anlage 9 BMF 15952* A Haltung zur nachrichtendienstlichen Be- obachtung der Scientology-Kirche Anlage 15 MdlAnfr 17 - Drs 13/7769 Verkauf von Telekom-Aktien 1997 und Manfred Such BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- 1998; Neuverschuldung des Bundes 1997 NEN MdlAnfr 27, 28 - Drs 13/7769 SchrAntw PStSekr Eduard Lintner BMI . 15950* A Gerhard Rübenkönig SPD SchrAntw PStSekr'in Irmgard Karwatzki Anlage 10 BMF 15952* C Besteuerung von selbstfahrenden Arbeits- maschinen wie Bagger, Kräne u. ä. Anlage 16 MdlAnfr 18, 19 - Drs 13/7769 Neubewertung der Goldreserven bei der Günter Graf (Friesoythe) SPD Bundesbank trotz Warnung des Bundes- SchrAntw PStSekr'in Irmgard Karwatzki bankpräsidenten BMF 15950 B MdlAnfr 29 - Drs 13/7769 Dr. Rolf Niese SPD Anlage 11 SchrAntw PStSekr'in Irmgard Karwatzki Rückwirkende Beanstandungen sti ller Be- BMF 15952* D teiligungen durch das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen; Aufforderung zur Zu- rücknahme eines Antrags auf Zulassung Anlage 17 an der Europäischen Technologiebörse Änderung der Kraftfahrzeugbesteuerung EASDAQ für Oldtimer ab 1. Juli 1997; Information MdlAnfr 20, 21 - Drs 13/7769 der Fachverbände und Automobilclubs Dr. Uwe-Jens Rössel PDS über die genauen Bestimmungen SchrAntw PStSekr'in Irmgard Karwatzki MdlAnfr 30, 31 - Drs 13/7769 BMF 15950* C Uwe Göllner SPD SchrAntw PStSekr'in Irmgard Karwatzki Anlage 12 BMF 15953* B Handlungsbedarf betr. Zugriff des Fiskus auf den Erlös aus dem Verkauf der Fa. Anlage 18 Boehringer Mannheim Bewertungsgrundlagen für den Bundeszu- MdlAnfr 22 - Drs 13/7769 schuß für die Bundesanstalt für Arbeit im Dr. Barbara Höll PDS Bundeshaushalt 1997; Bedarf aus heutiger SchrAntw PStSekr'in Irmgard Karwatzki Sicht BMF 15951* A MdlAnfr 35, 36 - Drs 13/7769 Dr. Konstanze Wegner SPD Anlage 13 SchrAntw PStSekr Rudoll Kraus BMA . . 15953 * D Vorlage eines Nachtragshaushalts für die zu erwartenden Mehrausgaben beim Bun- Anlage 19 deszuschuß für die Bundesanstalt für Ar- beit sowie bei der Arbeitslosenhilfe gem. Gefährdung des Straßenverkehrs durch Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu Kerosinverrieselungen auf den Straßen- Art. 112 GG belag bei Flugzeug-Notlandungen MdlAnfr 23, 24 - Drs 13/7769 MdlAnfr 37 - Drs 13/7769 Karl Diller SPD Ulrike Höfken BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN SchrAntw PStSekr'in Irmgard Karwatzki BMF 15951* C SchrAntw PStSekr Johannes Nitsch BMV 15954* B IV Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 177. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 4. Juni 1997

Anlage 20 Anlage 23 Gegenseitige Anerkennung provisori- scher Kraftfahrzeug-Kennzeichen zwi- Forschungsprojekte des Bundesministe- schen Deutschland und Frankreich riums für Bildung, Wissenschaft, For- schung und Technologie betr. Zulassung MdlAnfr 38, 39 - Drs 13/7769 von gewerblich verfügbaren Gendiagno- Heinz Schmitt (Berg) SPD stika SchrAntw PStSekr Johannes Nitsch BMV 15954* C MdlAnfr 43 - Drs 13/7769 Dr. Wolfgang Wodarg SPD Anlage 21 Erweiterungs-, Reparatur- und weitere SchrAntw PStSekr'in Elke Wülfing BMBF 15955* C Lärmschutzmaßnahmen auf der A 6 zwi- schen Mannheim-Sandhofen und Viern- heimer Kreuz MdlAnfr 40, 41 - Drs 13/7769 Anlage 24 Dr. Egon Jüttner CDU/CSU SchrAntw PStSekr Johannes Nitsch BMV 15955* A Engagement deutscher Pharmaunterneh- men in der Genomforschung; Haltung der Bundesregierung zu den Forderungen Anlage 22 des „Vereins zur Förderung der Human- Genehmigung für den Probebetrieb eines genomforschung" mit nur zwei Mann besetzten Schleppers MdlAnfr 44, 45 - Drs 13/7769 MdlAnfr 42 - Drs 13/7769 Wolf-Michael Catenhusen SPD Konrad Kunick SPD SchrAntw PStSekr Johannes Nitsch BMV 15955* B SchrAntw PStSekr'in Elke Wülfing BMBF 15955* D Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 177. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 4. Juni 1997 15893

177. Sitzung

Bonn, Mittwoch, den 4. Juni 1997

Beginn: 9.00 Uhr

Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Meine Damen und Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 sowie die Zusatz- Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sitzung punkte 1 bis 4 auf: ist eröffnet. 1. Abgabe einer Erklärung der Bundesregie- Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, möchte rung durch den Bundesminister der Finanzen ich dem Kollegen Hans Peter Schmitz (Baesweiler), zu Fragen der Finanzpolitik der am 21. Mai seinen 60. Geburtstag feierte, und ZP1 Beratung des Antrags der Fraktionen SPD und der am 23. Mai eben- dem Kollegen Rupert Scholz, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN falls seinen 60. Geburtstag beging, die besten Glück- Entlassung des Bundesministers der Finanzen wünsche des Hauses aussprechen. Dr. Theodor Waigel - Drucksache 13/7787 - (Beifall) ZP2 Beratung des Antrags der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Interfraktionell ist vereinbart worden, die heutige Neubewertung der Gold- und Devisenreser- Tagesordnung um die Ihnen vorliegenden Zusatz- ven der Deutschen Bundesbank - Drucksache punkte zu erweitern: 13/7788 - 1. Beratung des Antrags der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Entlassung des Bundesministers der ZP3 Beratung des Antrags der Gruppe der PDS Finanzen Dr. Theodor Waigel - Drucksache 13/7787- Vertrauensfrage - Drucksache 13/7786 - 2. Beratung des Antrags der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Neubewertung der Gold- und Devisen- ZP4 Beratung des Antrags der Gruppe PDS reserven der Deutschen Bundesbank - Drucksache 13/ Neubewertung der Goldreserven für ein Pro- 7788 - gramm gegen Massenarbeitslosigkeit einset- 3. Beratung des Antrags der Gruppe der PDS: Vertrauens- zen - Drucksache 13/7791- frage - Drucksache 13/7786 - 4. Beratung des Antrags der Gruppe der PDS: Neubewertung Ich weise darauf hin, daß wir im Anschluß an die der Goldreserven für ein Programm gegen Massenarbeits- Aussprache mindestens eine namentliche Abstim- losigkeit einsetzen - Drucksache 13/7791- - mung durchführen werden. Außerdem mache ich auf eine Rückverweisung Die Gruppe der PDS hat beantragt, daß über ihren einer Beschlußempfehlung im Anhang zur Zusatz Antrag zur Vertrauensfrage namentlich abgestimmt punktliste aufmerksam: wird. Nach unserer Geschäftsordnung kann eine na- Interfraktionell ist vereinbart worden, nachfolgende Be- mentliche Abstimmung nur von einer Fraktion oder schlußempfehlung an den Ausschuß für Familie, Senioren, mindestens 34 Abgeordneten verlangt werden. Ob Frauen und Jugend zur federführenden Beratung sowie an der Antrag der PDS das erforderliche Quorum er- den Rechtsausschuß und den Ausschuß für die Angelegen- heiten der Europäischen Union zur Mitberatung rückzuver- reicht, werden wir vor der Abstimmung feststellen. weisen: Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind Beschlußempfehlung und Be richt des Ausschusses für Fa- milie, Senioren, Frauen und Jugend (13. Ausschuß) zu der für die Aussprache im Anschluß an die Regierungser- Unterrichtung durch die Bundesregierung klärung drei Stunden vorgesehen. - Dazu sehe ich Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über die Beweislast keinen Widerspruch. Es ist so beschlossen. bei Diskriminierung aufgrund des Geschlechts - Druck- sachen 13/7017 Nr. 3.1, 13/7584 - Das Wort zur Abgabe einer Regierungserklärung hat der Bundesminister der Finanzen, Dr. Theodor überwiesen: Waigel. Ausschuß für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (federführend) Rechtsausschuß Dr. Theodor Waigel, Bundesminister der Finanzen Ausschuß für die Angelegenheiten der Europäischen Union (von der CDU/CSU und der F.D.P. mit Beifall be- Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. grüßt): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Wir verfahren so. Kolleginnen und Kollegen! Der heute von der SPD 15894 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 177. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 4. Juni 1997

Bundesminister Dr. Theodor Waigel vorgelegte Antrag auf Amtsenthebung des Bundesfi- Bei der Ausarbeitung des Maastricht-Vertrages, nanzministers ist der 13. Vorgang dieser A rt in der der Vorbereitung der dritten Stufe der Wirtschafts- Parlamentsgeschichte. 1950 wurde mein Vorgänger und Währungsunion und des neuen EWS II hat die Fritz Schäffer mit einem solchen Antrag konfrontiert. Bundesregierung die Standpunkte der Bundesbank Im gleichen Jahr traf es den damaligen Wirtschafts- ohne Einschränkung mitgetragen und deren Konzept minister Ludwig Erhard. Damals ging es um die Brot- nahezu unverände rt im Maastricht-Vertrag durchge- preise, und die SPD begründete ihren Antrag damit, setzt. daß Erhard dem internationalen Ansehen Deutsch- lands schweren Schaden zugefügt habe. Gegen den Widerstand anderer hat die Bundesre- gierung den Vorrang der Preisstabilität im Maas- (Heiterkeit bei der CDU/CSU) tricht-Vertrag durchgesetzt. Mit dem europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakt hat die Bundesregie- Ludwig Erhards Kommentar zur SPD lautete damals: rung die künftige europäische Geldpolitik gegen fis- „Hier waren wieder einmal Hysteriker als Wi rt kalpolitische Belastungen gesichert. -schaftspolitiker am Werk." Ich möchte das nicht kom- mentieren. Gestern gab es ein Gespräch zwischen dem Präsi- denten der Deutschen Bundesbank und mir. Um von (Beifall bei der CDU/CSU) vornherein jede Verwirrung zu entkräften, An einem Mißbilligungsantrag gegen den damali- (Lachen bei der SPD) gen Bundeskanzler und früheren Bundesfinanzmi- will ich genau zitieren, was zwischen Herrn Bundes- nister Helmut Schmidt habe ich mich 1977 als junger bankpräsident Tietmeyer und mir vereinbart wurde. Abgeordneter selbst beteiligt. Ob ich es noch einmal Wörtlich: täte, weiß ich nicht. Aber ich wi ll nicht leugnen, daß ich in meinen jungen Jahren bei solchen Sachen Am Schluß des heutigen Gespräches zwischen auch dabeigewesen bin. Bundesfinanzminister Waigel und Bundesbank- präsident Tietmeyer wurde folgende Sprachrege- (Heiterkeit bei der CDU/CSU und der lung vereinbart: F.D.P.) (Lachen bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/ Auch der heutige Antrag wird das Schicksal seiner DIE GRÜNEN und der PDS) Vorgänger teilen und im Sande verlaufen. Erstens. Bundesfinanzminister Dr. Jenseits mancher aufgeregten Diskussionsbeiträge und Bundesbankpräsident Dr. Hans Tietmeyer in den letzten Tagen bleiben die Grundlagen der er- haben heute ... ein Gespräch über die in Aussicht folgreichen Zusammenarbeit zwischen Bundesbank genommene Neuregelung der Bewe rtung in der und Bundesregierung gefestigt. Bundesbankbilanz geführt. (Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS Zweitens. Es gibt ein ernsthaftes Bemühen um 90/DIE GRÜNEN) eine einvernehmliche Lösung Niemand wird das, was in 50 Jahren an Vertrauen (Zuruf von der SPD: Aha!) und gefestigtem Zusammenwirken - unabhängig für eine Neubewertung einzelner Positionen im von Personen und Parteien - gewachsen ist, in Frage Jahresabschluß 1997 mit Zahlungswirkung in stellen. 1998. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Drittens. Über die einzelnen Gesetzesformulie- rungen finden jetzt Gespräche statt zwischen Jeder, Bundesbank und Bundesregierung, nimmt dem Bundesministerium der Finanzen und der die jeweils zugewiesenen Aufgaben in voller Verant- Bundesbank. Abschließend werden die Ergeb- wortung für unser Gemeinwesen wahr. Jeder weiß: nisse in die Ausschußarbeit des Bundestages ein- Nur gemeinsames Handeln für gleichgerichtete Sta- gebracht. bilitätsziele kann am Ende erfolgreich sein. Deshalb haben wir uns in der schwierigen Frage der Neube- Dies und nichts anderes habe ich gestern wortgleich wertung der Bundesbankreserven auf einen gemein- in der Fraktion und auch vor der Presse vorgetragen. samen Weg verständigt, der für die Bundesbank und (Beifall bei der CDU/CSU) für die Bundesregierung ein sicheres Fundament ge- währleistet. Ich habe ausdrücklich gesagt, daß diese Ergebnisse auch in die Gremien der Bundesbank gehen müssen. Die Bundesbank und die Bundesregierung haben eine gemeinsame Erfolgsgeschichte. Wir stehen ge- Ich lasse mich von Ihnen hier nicht falsch zitieren. meinsam für eine stabile, international anerkannte Bleiben Sie bitte in Ihren Zwischenrufen und Be- Währung. Die Bundesregierung hat internationaler hauptungen bei der Wahrheit! Kritik an der angeblich zu restriktiven Geldpolitik (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. - der Bundesbank immer wieder massiv widerspro- Widerspruch bei der SPD) chen. Die Bundesregierung hat das Verlangen, den Internationalen Währungsfonds zu einem zusätzli- Durch die vorgesehene Anpassung des Wertes der chen Entwicklungshilfeinstitut umzugestalten, ge- Währungsreserven und die teilweise Abführung des meinsam mit der Bundesbank zurückgewiesen. Bewertungsgewinns an den Erblastentilgungsfonds Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 177. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 4. Juni 1997 15895

Bundesminister Dr. Theodor Waigel wird die geldpolitische Unabhängigkeit der Bundes- Wenn der Gesetzgeber das Bundesbankgesetz bank nicht berührt. Der Rat des Europäischen Wäh- ändert und Reserven neu bewe rtet, dann ist das rungsinstituts hat bereits ani 5. November 1996 Be- kein Eingriff in die Unabhängigkeit der Bundes- schlüsse über die Grundsätze der Rechnungslegung bank. Die Unabhängigkeit der Bundesbank be- gefaßt. Dies wurde im April 1997 mit der Veröffentli- zieht sich ausschließlich auf den Einsatz der geld- chung des Geschäftsberichts bekannt. Wir hatten politischen Instrumente. Diese werden nicht an- frühzeitig mit der Bundesbank Verbindung, um die getastet. möglichen Konsequenzen und Folgerungen aus den sich abzeichnenden Vorschlägen zur Rechnungsle- Ganz anders wäre es mit den alten Rezepten des Ehrenberg gewor- gung zu beraten. früheren Arbeitsministers Herbe rt den. Er forde rt sei Jahr und Tag den Verkauf der Die Bundesbankreserven sind das Ergebnis der Goldreserven für fragwürdige kurzfristige Strohfeuer Leistungskraft und der internationalen Wettbewerbs- wie Arbeitsbeschaffungsprogramme. Das kommt für fähigkeit der deutschen Volkswirtschaft in den letz- uns nicht in Frage. ten 50 Jahren. Sie müssen der deutschen Volkswirt- schaft in vollem Umfang erhalten bleiben. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. - Wieczorek [Duisburg] [SPD]: Für Helmut Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, diese Erbguthaben uns auch nicht!) zu einem verantwortbaren Teil zur Senkung der Erb- lasten des Kommunismus zu verwenden. - Gut. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Die in langen Jahren erwirtschafteten Goldreser- ven werden nicht vergeudet. Sie bleiben jedem kurz- Jetzt hat Deutschland noch die volle und alleinige fristigen Zugriff dauerhaft entzogen. Verfügungsgewalt über die Reserven. Ein Verlust dieser Werte ist zwar auch nach Eintritt in die Wäh- (Joseph Fischer [Frankfu rt] [BÜNDNIS 90/ rungsunion ausgeschlossen. DIE GRÜNEN]: Wer's glaubt!) (Zuruf von der SPD: Aha!) Die Anpassung der Rechnungslegung und Bewer- tung bedeutet: Das Grundkapital der Bundesbank Aber jede Veränderung und Anpassung wird in einer von 290 Millionen DM ist angemessen zu erhöhen. gemeinsamen Währungsordnung erschwert. Die gesetzliche Rücklage ist analog der für die Euro- Ein Verkauf von Gold kommt nicht in Betracht. päische Zentralbank geltenden Regelung auf 100 Pro- Keine Feinunze Gold kommt auf den Markt. zent des Grundkapitals anzupassen. In weiteren Ge- sprächen mit der Bundesbank werden wir Schritt für Mit der Ausschüttung wird 1998 begonnen. Eine Schritt auch die Bewe rtung der anderen Reserveposi- zeitlich gestreckte, moderate Ausschüttung in Tran- tionen entsprechend den EWI-Grundsätzen vorse- chen ist auch für die Märkte der richtige Weg. So hen. Andere Länder haben das schon get an. kann die Ausschüttung im Rahmen der Geldmen- gensteuerung problemlos neutralisiert werden. Das Ich habe zu keinem Zeitpunkt einen Zusammen- zeigt die Erfahrung der vergangenen Jahre, als ähnli- hang zwischen der Bewertungsfrage und der Lösung che Volumina zur Ausschüttung anstanden. der aktuellen Aufgaben beim Bundeshaushalt herge- stellt. Höhere Ausschüttungen der Bundesbank haben keine Inflationswirkung. 1981 betrug die Ausschüt- (Lachen beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN tung 2,3 Milliarden DM; die Inflationsrate belief sich sowie bei Abgeordneten der SPD) auf 6,3 Prozent. 1982 stieg die Ausschüttung auf - Sie können lachen, aber es war so. Das mag Ihre 10,5 Milliarden DM; die Inflationsrate betrug 5,3 Pro- - Unterstellung sein, und das hat vielfach fälschlicher- zent. 1983 waren es sogar 11 Milliarden DM; die In- weise Eingang in die Berichterstattung gefunden. flation lag bei 3,4 Prozent. 1985 erreichte die Ge- winnablieferung mit 12,9 Milliarden DM einen vor- (Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ läufigen Höhepunkt. Die Inflation war inzwischen DIE GRÜNEN) auf 2,2 Prozent gesunken. Wahr aber ist: Wir waren von Anfang an entschlos- Mit der auch von der Bundesbank im Grundsatz sen, jede Mark für den Erblastentilgungsfonds zu akzeptierten Anpassung des Rechnungswesens wird verwenden, zur Tilgung dessen, was in 50 Jahren die Unabhängigkeit der Notenbank, ihre Stabilitäts- Teilung an deutscher Erblast entstanden ist. Das war aufgabe oder ihre Glaubwürdigkeit auf den Märkten unsere Konzeption. in keiner Weise beeinträchtigt. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge ordneten der F.D.P.) Jede zusätzliche Gewinnablieferung der Deut- schen Bundesbank, egal zu welchem Zeitpunkt sie Das sehen anerkannte Experten der geldpoliti- eingeht, steht ungeschmälert zur Schuldentilgung schen Theorie und Praxis ebenso. Dafür steht der im Erblastentilgungsfonds zur Verfügung. Das ent- Name des hochangesehenen niederländischen Zen- spricht den gesetzlichen Vorgaben. tralbankpräsidenten Duisenberg ebenso wie der von Professor Rüdiger Pohl, dem Chef des Instituts für Wenn zum Beispiel Frau Ministerpräsidentin Simo- Wirtschaftsforschung in Halle, der am 2. Juni 1997 nis jetzt behauptet, es sei spürbar, daß Waigel die sagte: Neubewertung nur wolle, um damit seine Haushalts- 15896 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 177. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 4. Juni 1997

Bundesminister Dr. Theodor Waigel löcher zu stopfen, dann ist das falsch und scheinhei- Wir können diese Entwicklungen nicht ignorieren. lig zugleich. Deshalb setzen wir unsere Politik st rikter Ausgaben- (Lachen bei der SPD) disziplin und dauerhafter Haushaltskonsolidierung fort . Bei der Umsetzung des Haushalts 1997 und Denn laut „Handelsblatt" vom 21. Mai 1997 ist die beim Regierungsentwurf für den Haushalt 1998 wer- „Kämpferin für Haushaltswahrheit und -klarheit" ge- den wir alles unternehmen, um die hohen Steueraus- rade dabei, ihren erst vor drei Jahren angelegten und fälle und die Kosten der Arbeitslosigkeit zumindest hoch gepriesenen Pensionsfonds aus dem Teilver- ein Stück aufzufangen. kauf der Landesbank in den notwendigen Nach- tragshaushalt als Deckungsmasse einzustellen. Bei allen Ausgaben über 1 Million DM und bei Meine Damen und Herren, von Ihnen habe ich dies- neuen Verpflichtungen behalte ich mir die Zustim- bezüglich keine Belehrung notwendig. mung vor. Darüber hinaus werden wir zusätzlich die Privatisierungsanstrengungen verstärken. Das ist (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) ordnungspolitisch richtig und bringt weitere Entla- stungen für den Haushalt. Wir haben die Bundesbankgewinnablieferung schon vor vielen Jahren für die Haushaltsgestaltung (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU weitgehend neutralisiert. Das war notwendig; denn und der F.D.P.) vielfach hatte die Bundesbank keine Gewinne. Schon vor der Wiedervereinigung wurden alle Bun- In diesen Bereich fällt auch die Telekom. Die er- desbankgewinnablieferungen, die über 5, später freuliche Geschäftsentwicklung rechtfertigt es, den dann über 7 Milliarden DM hinausgingen, zur unmit- Bundesanteil schneller als geplant zurückzuführen. telbaren Schuldentilgung verwandt. Dabei werden wir die Rahmenbedingungen einhal- ten und die Interessen der Aktionäre, insbesondere Meine Damen und Herren, wir haben uns in bezug der kleineren Anleger, berücksichtigen. Alle Schritte auf eiserne Ausgabendisziplin und die dauerhafte zur Vorbereitung einer weiteren Telekom-Privatisie- Readjustierung der Staatsfinanzen nichts vorzuwer- rung werden wir in vollständiger Übereinstimmung fen: Seit 1990 fließen jährlich mehr als 100 Milliarden mit dem Vorstand vollziehen. DM aus dem Bundeshaushalt in die neuen Länder. Seit 1990 haben wir im Zuge der Wiedervereinigung Nach dem erfolgreichen Verkauf der Deutschbau 450 Milliarden DM an Erblasten übernommen. Seit muß jetzt auch der Verkauf der Postbank kommen. 1990 haben wir den Bundeshaushalt insgesamt um Weitere Projekte - Autobahn Tank & Rast AG, Flug- 125 Milliarden DM entlastet. Seit 1990 wurden Steu- hafenbeteiligungen und andere - folgen. Auch im ervergünstigungen in Höhe von fast 50 Milliarden Liegenschaftsbereich, beispielsweise bei den Bun- DM abgebaut. Die Staatsquote sinkt: von 50,2 Pro- deswohnungen, sollen die Verkaufsanstrengungen zent im Jahre 1996 auf 49,5 Prozent 1997 und noch einmal erweitert werden. 48,5 Prozent 1998. (Zuruf von der SPD) 1995 haben wir zum erstenmal nach 1953 die - Werfen Sie doch einmal einen Blick in Ihre Länder, Staatsausgaben nominal gesenkt. Mit knapp 13 Pro- auf Niedersachsen und Schleswig-Holstein. Do rt zent erreicht der Anteil der Bundesausgaben am BIP wird ebenfalls privatisiert. Was Sie selber in den Län- wieder den niedrigsten Stand seit Mitte der 50er dern tun, können Sie doch dem Bund nicht vorhal- Jahre und liegt damit zugleich auf dem Niveau von ten. 1989. Das heißt, der Bund nimmt die Wi rtschaftskraft (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) unseres Landes trotz hoher Arbeitslosigkeit, trotz Wiedervereinigung nicht stärker in Anspruch als Die Bundesregierung wird den Kurs einer stabili- Ende der 80er Jahre. - tätsorientierten Finanzpolitik unbeir rt fortsetzen. Wenn dennoch in diesem Jahr und auch 1998 er- (Lachen bei der SPD) hebliche Anstrengungen zur Begrenzung der Kredit- Wir werden die - aufnahme erforderlich sind, hat das neben den un- Maastricht Kriterien zur Preis- und verändert hohen Transfers in die neuen Bundeslän- Wechselkursstabilität sowie zur Haushaltsdisziplin einhalten. der und neben den hohen Kosten der Arbeitslosigkeit vor allem einen Grund: Der Bund hat in den letzten Es gibt insbesondere bei den Zinsausgaben und im acht Jahren in einem nie gekannten Ausmaß Steuer- Bereich der Sozialversicherungsträger entlastende einnahmen verloren. Das ist der Grund dafür, daß die Faktoren. Wir werden mit zusätzlichen Anstrengun- Steuerstruktur durch eine Steuerreform so früh wie gen alles daran setzen, das Defizitkriterium von 3 Pro- möglich verbessert werden muß. Ich lade Sie ein, da- zent zu erreichen. bei endlich mitzuwirken. Die Europäische Währungsunion ist die notwen- (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) dige internationale Ergänzung unserer auf Wachs tum und Bekämpfung der Arbeitslosigkeit ausgerich- 1989 betrug der Anteil der Steuereinnahmen des teten Finanzpolitik. In Europa werden wir deshalb Bundes am Bruttoinlandsprodukt noch 11,1 Prozent. auf dem strikten, in Maastricht vereinbarten Stabili- 1997 beläuft sich der entsprechende Anteil nur noch tätskurs beharren. Eine Weichwährung in Europa mit auf 9,6 Prozent. Dieser relative Rückgang der Steuer- dem Euro kommt für uns nicht in Betracht. einnahmen bedeutet für den Bund 1997 einen Ein- nahmeverlust von rund 55 Milliarden DM. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 177. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 4. Juni 1997 15897

Bundesminister Dr. Theodor Waigel Der europäische Stabilitäts- und Wachstumspakt zitieren - wohl wissend, daß diese weder hier in De- wurde in Dublin und Nordwijk verbindlich verein- batten eingreifen noch sich aus Gründen der Höflich- bart. keit öffentlich wehren können. Wir setzen auf eine soziale Marktwirtschaft in Nie zuvor aber hat ein Bundesfinanzminister es fer- Deutschland und auf ein prosperierendes Europa im tiggebracht, den Präsidenten der Deutschen Bundes- Zeichen einer sich neu ordnenden Weltwirtschaft. bank und diese Institution heute morgen schon zur Wir setzen auf Frieden, Freiheit und die Schaffung zweiten Erklärung über die Presse zu veranlassen, von Arbeitsplätzen in Deutschland und Europa. Da- was wirklich Inhalt des Gesprächs zwischen Herrn für werde ich mich auch künftig einsetzen. Waigel und Herrn Tietmeyer war. Sie haben gestern Ich danke Ihnen. den Eindruck erweckt - dafür machen Sie jetzt Jour- nalisten, die Opposition oder andere verantwortlich -, (Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU und es gäbe eine Einigung mit der Bundesbank. Tatsäch- der F.D.P.) lich haben Sie das Volk und das Parlament wieder zu täuschen versucht. Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Das Wort hat der (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE Fraktionsvorsitzende der SPD, Herr Abgeordneter GRÜNEN und der PDS) Rudolf Scharping. Wenn Sie wenigstens die Kraft hätten, über Ihre Absichten aufzuklären - zum Beispiel darüber, daß Rudolf Scharping (SPD): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das war die Regierungserklä- Sie für die Jahre 1997, 1998 und 1999 von der Bun- rung eines Mannes, der mit seiner Politik und seinem desbank zusätzlich Leistungen in einer Größenord- Latein völlig am Ende ist. nung von insgesamt 30 bis 35 Milliarden DM erwar- ten! Niemals zuvor - bei allem, was man sonst kri- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne tisch über die Bundesbank sagen kann und wohl ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN auch sagen muß - hat es eine so hektische, aufge- und der PDS) regte und für die internationale Glaubwürdigkeit und die Seriosität der deutschen Finanzpolitik desa- Wenn sogar durchaus akzeptable Ziele zu Beschwö- vouierende Aktivität wie in den letzten Tagen gege- rungsformeln verkommen, wenn der Bundesfinanz- ben. minister in einer besonders ernsten Situation nichts zum Haushalt 1997 und nichts zum Haushalt 1998 (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne sagt, ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN (Joachim Hörster [CDU/CSU]: Was sagen und der PDS) Sie denn?) Man muß sich das einmal vor Augen halten: Vor wenn er nichts zur Schließung der Lücken in diesen vier Tagen hat der Zentralbankrat eine Stellung- Haushalten und nichts zu seiner Politik sagt, sondern nahme zu einem Vorhaben abgegeben, das Sie eben- nur Beschwörungsformeln, Beschimpfungen der Op- falls vor vier Tagen begründet haben, indem Sie er- position und Ausflüchte bietet, klärten, daß es verantwortbar sei - ich zitiere die Er- klärung der Herren Kohl, Waigel, Gerhardt, Schäu- (Joachim Hörster [CDU/CSU]: Sie haben ble, Sohns und Glos -, die Neubewertung schon jetzt doch gar nicht zugehört!) durchzuführen und mit der vorgesehenen Zuführung dann gibt es keinen nachdrücklicheren Beweis als der dadurch freiwerdenden Finanzmittel an den Erb- lastentilgungsfonds bereits 1997 zu beginnen. diesen dafür, daß diese Politik am Ende ist- und Sie, Herr Waigel, aus dem Amt müssen. Entschuldigung, aber wenn innerhalb von weni- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne gen Stunden oder Tagen die gesamte Linie einer Fi- ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN nanzpolitik scheitert und das Scheitern erneut offen- und der PDS) kundig wird, dann ist zu fragen: Worauf soll man sich bei dieser Regierung eigentlich verlassen, und wie Ihre Finanzpolitik ist unseriös und hektisch. Der sollen sich Investoren und Wirtschaft auf Ihre Politik Schaden für die Bürgerinnen und Bürger, die Unter- noch verlassen können? nehmen und Investoren, auf den Märkten sowie für die Position Deutschlands in Europa ist erheblich. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Die Folgen sind bei der Arbeitslosigkeit und der DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der Steuerpolitik offenkundig. Die Konsequenzen liegen PDS) auf der Hand. Diese Regierung ist zu einer schweren „Es gibt nichts Gutes, außer man tut es", hat E rich Belastung Deutschlands geworden. Kästner gesagt. Nur, was Sie tun, Herr Bundesfinanz- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne minister, und was Sie zulassen, Herr Bundeskanzler, ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN ist unverantwortlich gegenüber dem deutschen Volk und der PDS) angesichts seiner wirtschaftlichen Lage und der Ar- beitslosigkeit. Man kann nicht hinnehmen, daß hier im Deut- schen Bundestag erneut der Versuch der Täuschung (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne unternommen wird. Der Bundeskanzler hat sich ja ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN angewöhnt, häufig europäische Regierungschefs zu und der PDS) 15898 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 177. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 4. Juni 1997

Rudolf Scharping Was Sie uns hier liefern, ist eine zwar wichtige, nicht mehr - gemäß seiner Verpflichtung - zum aber leider nur eine Etappe in einer Entwicklung, die Wohle des deutschen Volkes. schon seit längerem anhält. In der „Bild" -Zeitung vom 26. Mai ist zu lesen: (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS) (Zurufe von der CDU/CSU: Oh! - Joseph Es ist ja nicht so, daß nicht auch innerhalb Ihrer Ko- Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/DIE GR alition Klarheit über diese Entwicklung bestünde. Da NEN]: Gute Zeitung!) sagt doch der frühere Bundeswirtschaftsminister und Rexrodt: Waigel treibt falsches Spiel ... Der Fi- jetzige F.D.P.-Ehrenvorsitzende, Otto Graf Lambs- nanzminister wolle ,von eigenen Versäumnissen dorff, in einem Interview am 18. Mai 1997, in diesem ablenken'. Waigel habe immer wieder auf eine Fall mit „Bild am Sonntag": günstigere Einschätzung der Konjunktur gedrun- Schon bei der zweiten und dritten Lesung des gen, ,um ein höheres Steueraufkommen in die Haushalts im September 1996 war klar, daß die Haushaltsrechnungen einstellen zu können'. zur Finanzierung der Arbeitslosigkeit vorgesehe- Das heißt, das Mitglied des Verfassungsorganes nen Mittel nicht ausreichen können. Insofern war Bundesregierung, der Bundeswirtschaftsminister der Haushalt nicht solide. Rexrodt, wirft dem Mitglied desselben Verfassungs- Das sagt ein Mitglied der Koalition, nachdem die- organes, nämlich dem Bundesfinanzminister Waigel, selbe Koalition den Realismus der SPD-Bundestags- vor, daran mitgewirkt zu haben, den Deutschen Bun- fraktion und ihrer Finanz- und Haushaltspolitiker als destag mit gefälschten Zahlen zu bedienen. Auch Panikmache und unseriöses Geschwätz gegeißelt deshalb müssen Sie aus dem Amt! hat. Nichts bestätigt deutlicher den Vorwurf, den ich erhebe: Sie haben bei der Aufstellung des Bundes- (Beifall bei der SPD und der PDS sowie bei haushaltes 1997 das Parlament getäuscht, und Sie Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE wußten, daß Sie das Parlament täuschen. GRÜNEN) (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Wie sollen denn Verläßlichkeit und Klarheit bei ei- DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der ner Politik entstehen, die seit Jahren immer wieder PDS) ankündigt, sie wolle die Steuerbelastung senken, sie wolle den Staatsanteil zurückführen, sie wolle die Ar- Was haben wir jetzt? Was machen Sie denn mit beitslosigkeit bekämpfen usw. usw.? Alles schöne den Goldreserven? Ich habe nichts darüber gehört. Ziele. Aber was tun Sie wirklich? Im Zusammenhang Ich habe zwar gelesen, daß Sie noch vor wenigen Ta- mit Ihrer Steuerpolitik beispielsweise muß ich Sie lei- gen gesagt haben, natürlich müsse es zu einer Neu- der darauf aufmerksam machen, daß Sie immer wie- bewertung kommen, natürlich müsse die 1997 fi- der davon gesprochen haben, die Steuern sollten sin- nanzwirksam werden. Aber jetzt haben Sie kein ein- ken. Tatsächlich aber haben Sie nichts anderes ge- ziges Wort darüber gesagt - nicht ein einziges Wort! tan, als die Steuerbelastung der Bürgerinnen und (Erika Reinhardt [CDU/CSU]: Da haben Sie Bürger systematisch, Schritt für Schritt, immer stär- nicht aufgepaßt!) ker zu erhöhen. Vermutlich steckt dahinter, daß Sie auf eine Neube- Vor 1990 wurde die Mehrwertsteuer erhöht, und wertung der Goldreserven verzichten, und zwar nicht Sie haben 8 Milliarden DM mehr eingenommen, nur für das Jahr 1997, weil Sie fürchten müssen, daß wurde die Kraftfahrzeugsteuer erhöht: 500 Millionen die dafür notwendige Änderung des Bundesbankge- DM, die Versicherungsteuer erhöht: 1,2 Milliarden Ü-- setzes in dieser Koalition so umstritten sein wird, daß DM, die Mineralölsteuer um mehrere Milliarden DM Sie erneut an den Rand Ihrer Existenzfähigkeit gera- erhöht, die Tabaksteuer erhöht usw. usw. Seit 1991 ten werden, nachdem Sie den Rand Ihrer Politikfä- haben Sie dann den Solidaritätszuschlag erhoben, higkeit schon lange überschritten haben. abgeschafft und wieder erhoben, die Mineralölsteuer erneut um rund 14 Milliarden DM erhöht, die Versi- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne cherungsteuer wieder um 2 Mi lliarden DM erhöht, ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN die Tabaksteuer und die Kraftfahrzeugsteuer erneut und der PDS) erhöht, die Umsatzsteuer um rund 12 Mi lliarden DM Was soll dann 1998 kommen? Offenbar ist das ja in erhöht, die Zinsabschlagsteuer und die Versiche- der Koalition auch noch - nicht nur mit Blick auf rungsteuer erneut erhöht, dann noch einmal die Mi- 1998, sondern auch auf 1997 - heftig umstritten. Da neralölsteuer und die Kraftfahrzeugsteuer erhöht, die meldet sich wieder Graf Lambsdorff zu Wo rt - in die- Wiedereinführung des Solidaritätszuschlages be- sem Fall am 21. April 1997 in der „Lausitzer Rund- schlossen, die Verdoppelung des Vermögensteuer- schau" - mit dem Hinweis, daß die Festlegungen von satzes beschlossen, dann die Vermögensteuer abge- Herrn Waigel ökonomisch unsinnig seien. schafft usw. usw. (Dr. Peter Struck [SPD]: Recht hat der Ihre Finanzpolitik ist ein Ausweis für Hilflosigkeit Mann!) und Konzeptionslosigkeit ohne jede Glaubwürdig- keit, ohne jedes Zielbewußtsein und ohne jede Ver- Die F.D.P. selbst plädiert jetzt - jetzt! - für die Mög- läßlichkeit. Ein solcher Finanzminister ist eine lichkeit einer höheren Verschuldung im Bundeshaus- schwere Belastung, und der Bundeskanzler, der das halt, nachdem sie fast auf den Tag genau vor einem zuläßt, ist Gefangener seiner Koalition und handelt Jahr, nämlich am 20. Mai 1996, an den Bundesfinanz- Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 177. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 4. Juni 1997 15899

Rudolf Scharping minister appelliert hat, alles nur Mögliche zu tun, gen das Vertrauen in die stabilitätsorientierte aber keine höhere Neuverschuldung vorzusehen. deutsche Finanzpolitik. Überschrift in der FAZ: „Die F.D.P. lehnt eine höhere Neuverschuldung ab" . Schauen Sie, ich habe einen ganzen Stoß Zeitungen mit allerlei Zitaten mitgebracht. (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Zickzack kurs!) (Zurufe von der CDU/CSU) - Ich will Ihnen einmal eines sagen: Sie haben sich Ich könnte das noch im einzelnen vorlesen; ich ver- doch immer des internationalen Ansehens Deutsch- zichte darauf mit Blick auf die Zeit. lands, des Vertrauens, das die Finanzmärkte ihm ent- Aber was sollen wir von der Verläßlichkeit, der Ge- gegenbringen, gerühmt. radlinigkeit, der Glaubwürdigkeit einer Politik hal- (Joseph Fischer [Frankfu rt] [BÜNDNIS 90/ ten, deren Vertreter den SPD-Parteivorsitzenden Os- DIE GRÜNEN]: Vorlesen! Vorlesen!) kar Lafontaine beschimpfen, weil er sagt, man müsse strukturelle Defizite abbauen, um konjunkturelle Sie haben das im Deutschen Bundestag belegt, in- überhaupt noch beherrschen zu können, deren Ver- dem Sie allerlei Stimmen angeführt haben. Wenn ich treter selbst jede höhere Neuverschuldung noch vor jetzt die Folgen Ihrer Politik an Hand von Stimmen einem Jahr ablehnten und sie jetzt ins Visier nehmen, der internationalen Finanzmärkte belegen will, um sich vor der Wahrheit zu drücken, die ihnen im- dann ist es Ihnen plötzlich peinlich. Entweder Sie ru- mer unangenehmer wird? fen die Zeugen immer und in gleicher Weise an, oder Sie setzen sich dem Verdacht aus, immer nur diejeni- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne gen Stimmen zu zitieren, die Ihnen gerade in den ten der PDS) Kram passen, oder Sie beschimpfen wahlweise jeden Der Bundesfinanzminister hat dem Deutschen anderen und sagen, daß er für das Scheitern Ihrer Bundestag noch vor zwei Jahren, im September Politik verantwortlich ist. Diese Art von Schuldzuwei- 1995, gesagt: sung geht nicht mehr. Sparen, weniger Neuverschuldung, sinkende (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne Steuer- und Abgabenlast - das ist der richtige ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN Weg ... Die Bürger honorieren unsere und der PDS) Finanzpolitik ... Die Opposition kann gar nichts Ich habe hier Zitate aus „Le Figaro", „El Pais", „Le Besseres tun, als diesen Kurs mitzutragen. Monde" und aus vielen anderen Blättern. Wenn ich (Joseph Fischer [Frankfu rt] [BÜNDNIS 90/ das alles vorlesen wollte, Frau Präsidentin, dann DIE GRÜNEN]: Oh Gott, oh Gott!) müßte ich eine Verlängerung meiner Redezeit bean- tragen, und ich müßte Sie herzlich bitten, dafür Ver- Moderne Finanzpolitik, made in Germany, ist ein ständnis zu haben; denn dann könnte man einen ei- international anerkanntes Gütezeichen, das wir genen Gedankengang kaum noch deutlich machen. auch in Zukunft pflegen wollen. Meine Damen und Herren, Sie haben auf eine Es zeichnet Sie aus, Herr Kollege Waigel, daß Sie ganz unverantwortliche Weise in den letzten Tagen diese Sätze nicht mehr sagen. das Vertrauen der Märkte, die Unabhängigkeit der Bundesbank und die wirtschaftliche Entwicklung (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Deutschlands beschädigt. Das, was Sie tun, hat mit Das ist ein - freilich indirektes - Eingeständnis, daß Politik, mit Gestaltung von Zukunft, mit der Lösung Sie die Realität zur Kenntnis nehmen. Aber- ich muß von Aufgaben und mit der Beantwortung von Her- Ihnen sagen: Wer vor anderthalb Jahren mit solch ei- ausforderungen nichts mehr zu tun. Die politische nem pompösen Gedröhne vor den Deutschen Bun- Substanz Ihrer Koalition ist vollständig verbraucht. destag getreten ist Das einzige, was sie zusammenhält, ist der Versuch, noch den Wahltermin zu erreichen. (Zuruf von der CDU/CSU: Pompös sind Sie!) (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) und heute einräumen muß, daß er nicht mehr weiter weiß und keines seiner Ziele in der Politik verwirkli- Deshalb sage ich hier im Deutschen Bundestag: chen kann, der sollte sein Amt aufgeben, schon um Herr Bundeskanzler, es wäre ein Akt der Souveräni- den letzten Rest seiner eigenen Reputation zu retten. tät und eine Befreiung für alle Beteiligten, wenn Sie den Mut hätten, Neuwahlen herbeizuführen. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne PDS) ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS - Joseph Fischer [Frankfu rt] Ist es nicht so, daß Sie auch bei den Haushaltsbera- [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Chirac läßt tungen 1996 ähnlich starke Worte gefunden haben? grüßen!) Mit unserer mittelfristigen Konzeption der Fi- Statt dessen - so fürchte ich - wird die Koalition ver- nanz- und Steuerpolitik, dem Jahressteuergesetz suchen, sich über die Runden zu retten, und zwar um 1997, dem Haushalt 1997 und dem Finanzplan den Preis, daß es den Deutschen noch schwerer fällt, verfolgen wir die richtige Strategie. Wir bestäti mit der Zukunft vernünftig umzugehen. Statt dessen 15900 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 177. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 4. Juni 1997

Rudolf Scharping werden Sie vermutlich den Versuch unternehmen, die Finanz- und Wirtschaftspolitik endlich auf einen mit der Bundesbank die Neubewertung der Devisen- soliden und seriösen Kurs zu bringen? reserven, die im übrigen jedes Jahr vorgenommen werden muß, und zwar ohne Gesetzesänderung, ein- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne vernehmlich vorzunehmen. ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Vor diesem Hintergrund frage ich die Abgeordne- Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn ten der Koalition: Wie weit ist es eigentlich noch mit ich von der internationalen Dimension dieses Han- Ihrer Selbstachtung her? delns rede, dann muß ich Sie darauf aufmerksam ma- chen, daß der Herr Bundeskanzler höchstpersönlich (Beifall bei Abgeordneten der SPD) - deshalb richte ich meine Fragen an ihn - in einem in Grenzen vergleichbaren Fall, bei der Frage der Be- Wie weit ist es mit Ihrer Selbstachtung her, daß Sie handlung der Goldreserven des Internationalen sich gestern in einer Sitzung vom Bundesfinanzmi- Währungsfonds, während der damaligen Tagung in nister mit einem Eindruck bedienen ließen, den er Lyon eine ganz und gar fundamental andere Position heute - unter dem Druck einer Erklärung des Präsi- vertreten hat, als Sie das am 30. Mai in der „FAZ", in denten der Bundesbank in Interlaken von gestern dieser zitierten Erklärung, für die deutsche Situation abend - gegenüber der deutschen Öffentlichkeit und bekanntgegeben haben. Ihnen gegenüber korrigieren muß? Herr Bundeskanzler, Sie ruinieren das Ansehen ei- (Beifall bei Abgeordneten der SPD) ner Politik, die auf manchen Feldern auch Gutes für Wie weit ist es mit Ihrer Selbstachtung her, Deutschland bewirkt hat, wenn ich an die Einheit denke; (Joachim Hörster [CDU/CSU]: Das müssen Sie fragen!) (Joachim Hörster [CDU/CSU]: Das ist ja nicht zu fassen! Das ist ja unglaublich! Wel daß sich die unübersehbar große Zahl von betretenen che Erkenntnis! - Weitere Zurufe von der Gesichtern angesichts der Erklärung des Bundesfi- CDU/CSU und der F.D.P.) nanzministers am Ende nur noch dann zu entspan- nen vermag, wenn es um ein paar polemische Klei- Sie ruinieren das Ansehen Ihrer Politik, soweit es nigkeiten gegen die Opposition geht? noch vorhanden ist, endgültig, wenn Sie in interna- tionalen Gremien eine andere politische Linie verfol- (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des gen als zu Hause und wenn Sie internationale Gre- BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) mien als Entschuldigung dafür heranziehen, daß Sie zu Hause diese oder jene Politik machen müssen. Wie weit ist es mit Ihrer Selbstachtung her, daß Sie Beides ist schädlich, beides ist unverantwo rtlich. an dieser Koalition festhalten, obwohl Sie selbst, ins- besondere Sie in den Reihen der Union, ganz genau (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne wissen, daß die Strategie des Bundeskanzlers um ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) den Preis einer zunehmend schwächeren Union sich den Koalitionspartner zu erhalten und ihn über 5 Pro- Was machen Sie mit Blick auf 1997? Wir haben, zent zu heben, zu Ende gekommen ist, oder in Kauf wie schon in der letzten Sitzung des Deutschen Bun- nehmen - das wäre ja wünschenswert -, daß nach destages am 16. Mai, überhaupt nichts dazu gehört, der nächsten Bundestagswahl, wann immer sie statt- was mit dem Haushalt 1997 wirklich geschieht und finden wird, hier 30, 40 Unionsabgeordnete weniger ob das, was Sie in vagen Andeutungen verkünden, sitzen werden? geeignet ist, um die eklatant großen Löcher im Haus- halt zu stopfen. Wir haben nichts darüber gehört, (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne- längs welcher ordnungspolitischen Linie Sie den ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Haushalt 1998 angehen wollen. Ich räume ein, daß man sich innerhalb einer so gea rteten Koalition noch Ich frage auch Sie, Herr Bundeskanzler: Wie lange ein bißchen streiten und unterhalten muß über die wollen Sie noch zusehen, daß der Charakter der Frage: Macht man das auf diesem oder jenem Weg, Union als Volkspartei unter der schamlosen Klientel- mit dieser oder jener Einzelheit? Aber daß der Bun- politik leidet, die Sie mitverantworten müssen? desfinanzminister unfähig ist, dem Deutschen Bun- (Beifall bei Abgeordneten der SPD) destag heute wenigstens eine ordnungspolitisch klare Linie zu vermitteln, das kennzeichnet erneut: Wie lange wollen Sie noch zusehen, daß die Seriosi- Sie sind fehl am Platze; Sie müssen das Amt verlas- tät der Finanz- und Wirtschaftspolitik zum Schaden sen. unseres ganzen Landes immer weiter gemindert (Beifall bei der SPD) wird? Wie lange wollen Sie noch zusehen, daß der Bundesfinanzminister Sie und die Mitglieder Ihrer Es ist unverantwortlich: Sie haben zunächst den Bundestagsfraktion in immer neue Verlegenheiten nach deutschem Recht verbotenen - und vermutlich stürzt, weil er den Mut - und wohl auch die Kraft - zu ja auch gescheiterten - Versuch der Nachbilanzie- einer klaren Bilanz und zu einer wahrhaftigen Politik rung für 1997 unternommen. Dann haben Sie hier nicht mehr hat? Wie lange wollen Sie noch zu- gesagt, Sie wollten privatisieren. Entschuldigung, Sie schauen, daß in Deutschland von Haushalt zu Haus- wollen im Bereich des Wohnungsbaus und der halt immer neue Zahlen, immer neue trickreiche Ma- Grundstücke privatisieren, das heißt in einem Markt, növer, immer neue Fälschungsaktionen und immer dessen Schwächen sowieso auf der Hand liegen. Sie neue „kreative Buchführung" versucht wird, anstatt wollen möglicherweise im Bereich der Telekom pri- Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 177. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 4. Juni 1997 15901

Rudolf Scharping vatisieren. Sie sagen kein Wo rt über Prospekthaf- Herr Kollege Scharping, während Ihrer Rede über- tung. legt, was eigentlich an Ihrem Beitrag unser Land vor- anbringt. (Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl: Doch, hat er gesagt!) (Lachen bei der SPD - Dr. Peter Struck [SPD]: Was war denn mit Waigels Beitrag?) Sie sagen kein Wort über das Vertrauen der interna- tionalen Anleger. Sie sagen nichts darüber, mit wel- - Ich komme gleich darauf zu sprechen. Falls Sie ir- chen Abschlägen das möglicherweise verbunden ist. gendein Element der Spannung damit verbinden: (Joseph Fischer [Frankfu rt] [BÜNDNIS 90/ Wir werden Ihren Antrag ablehnen, DIE GRÜNEN]: Notverkäufe!) (Dr. Peter Struck [SPD]: Wider besseres Wis Und schon gar nichts sagen Sie über den Charakter sen!) des Notverkaufs in Form einer einmaligen Operation und wir werden den Bundeskanzler bitten, den Bun- zur Deckung struktureller Defizite. Jeder Handwer- desfinanzminister in seiner erfolgreichen Finanzpoli- ker, jeder Mittelständler, jeder deutsche Unterneh- tik weiterhin zu unterstützen. mensvorstand würde seine Finanzverantwortlichen rausschmeißen, wenn sie mit einmaligen Erlösen lau- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge fende Ausgaben finanzieren wollten. Das ist eine un- ordneten der F.D.P. - Ingrid Matthäus-Maier seriöse, eine unverantwo rtliche Politik! [SPD]: Jeder weiß, was Sie darüber denken! (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE - Weitere Zurufe von der SPD) GRÜNEN und der PDS) - Wir haben Sie ungestört reden lassen; jetzt halten Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Ver- Sie wenigstens fünf Minuten den Lärmpegel einmal antwortung für die Finanzpolitik liegt - deswegen so niedrig, daß man hier auch reden kann. hat er ja in der. Verfassung eine besonders starke Wenn Sie die Unabhängigkeit der Bundesbank Stellung - beim Bundesfinanzminister. Die Verant- verteidigen und wenn man dann noch Ihren Partei- wortung für die Gesamtpolitik liegt beim Bundes- vorsitzenden auf der Bundesratsbank sitzen sieht, kanzler der Bundesrepublik Deutschland. Diese Ver- dann muß ich an Schumpeter denken. Der hat Wurst- antwortung des Bundeskanzlers der Bundesrepublik vorrat und Hund miteinander in Beziehung gebracht. Deutschland kann in keiner Weise hinter der Unfä- Die Sozialdemokraten zum Hüter der Unabhängig- higkeit des Bundesfinanzministers versteckt werden. keit der Bundesbank zu machen, das wäre wirk lich Sie, Herr Bundeskanzler, haben im Herbst 1996 so, wie einen Hund zum Wächter über einen Wurst- verhindert, daß der Deutsche Bundestag die Voraus- vorrat einzusetzen. Das hat nun wirklich keinen setzungen für verfassungskonforme Haushalte schaf- Sinn. fen konnte. Sie haben mit Ihrer Stimme dafür ge- sorgt, daß die Feststellung nach A rt. 115 des Grund- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge gesetzes im Deutschen Bundestag nicht getroffen ordneten der F.D.P. - Joseph Fischer [Frank wurde. Sie haben mit Ihrer Politik, in deren Zentrum furt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Waigel der Zusammenhalt der Koalition, nicht aber die Lö- wirkt wie Graf Dracula als Wächter einer sung der drängenden Gegenwartsaufgaben, nicht Blutbank! - Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/ aber die Lösung der Zukunftsaufgaben unseres Lan- DIE GRÜNEN und bei der SPD) des steht, dafür gesorgt, daß wie nie zuvor eine hohe - Herr Fischer, wir sind immer ganz froh, wenn Sie Steuerbelastung, wachsende Arbeitslosigkeit, wach- morgens aufwachen und die Zeitungslektüre einstel- sende Defizite und wachsendes Mißtrauen- gegen- len. über Ihrer Politik und leider auch gegenüber der rt] [BÜNDNIS 90/ Politik insgesamt entstanden sind. (Joseph Fischer [Frankfu DIE GRÜNEN]: Bei Ihnen bin ich immer Herr Bundeskanzler, ich fordere Sie auf: Machen hellwach!) Sie den Weg frei für eine neue Entscheidung! Ich for- dere Sie auf: Entlassen Sie den Bundesfinanzminister Wir haben am Freitag vor Pfingsten über die Er- als ein erstes Signal dafür, daß in Deutschland jetzt gebnisse der neuen Steuerschätzung und über die endlich eine solide, berechenbare und zukunftsfä- Probleme, die unser Land hat, miteinander gespro- hige Politik gemacht wird! chen. Wenn wir die Debatte fortsetzen, dann sollten wir uns den Problemen unseres Landes zuwenden (Anhaltender Beifall bei der SPD - Beifall und nicht solche Mätzchen machen, wie wir es jetzt beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei 20 Minuten lang erlebt haben. Abgeordneten der PDS) (Beifall bei der CDU/CSU) Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Es spricht jetzt der Deswegen sage ich: Der Bundesfinanzminister hat in Vorsitzende der Fraktion der CDU/CSU, Dr. Wolf- seiner Regierungserklärung, für die ich ihm danke gang Schäuble. und die ich unterstütze, sehr klar dargelegt - wir ha- ben auch am Freitag vor Pfingsten darüber gespro- Dr. Wolfgang Schäuble (CDU/CSU) (von der CDU/ chen -, daß wir in unserem Lande natürlich ein Pro- CSU mit Beifall begrüßt): Frau Präsidentin! Meine blem haben. sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe mir, (Zuruf von der SPD: Eins?) 15902 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 177. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 4. Juni 1997

Dr. Wolfgang Schäuble - Aber ja; das weiß doch jeder. Es wäre viel geschei- bei dieser Fahrt in die Niederlande positiv mitgenom- ter, wir konzentrierten unsere Debatte darauf, was men haben - das wissen wir alle daß die do rt eine wir tun können, um das Problem zu lösen. große Teilzeitinitiative gestartet haben, daß sie aber im Unterschied zu Ihnen ein 610-DM-Arbeitsverhält- Wir haben eine gesamtwirtschaftlich ordentliche nis - das überhaupt nicht sozialversichert ist - gar Entwicklung mit einem realen Wachstum von 2,5 Pro- nicht kennen und daß sie höchst erstaunt waren, daß zent. Wir haben dennoch einen starken Rückgang hier millionenfach Arbeitnehmer in diesen Verhält- der Steuereinnahmen, obwohl wir ein Steuersystem - nissen arbeiten, ohne abgesichert zu sein? Wollen Sie das hat Theo Waigel in seiner Regierungserklärung nicht endlich zugeben, daß es eine richtige Politik gesagt - mit gleichbleibenden Sätzen haben; wir ha- wäre, diese nicht sozialversicherungspflichtigen Ar- ben ja keine Senkungen vorgenommen. - Im übri beitsverhältnisse abzuschaffen? gen, Herr Scharping: Sie haben heute beklagt, es würden die Steuern erhöht. Bisher haben Sie aber (Beifall bei der SPD - Dr. Wolfgang Ger Steuersenkungen abgelehnt. Was wollen Sie eigent- hardt [F.D.P.]: Da können wir die Schwarz lich? arbeit pflegen!) Wir haben ein Steuersystem, das inzwischen we- gen zu hoher Sätze im internationalen Vergleich dazu führt, daß der Gesichtspunkt der Steuervermei- Dr. Wolfgang Schäuble (CDU/CSU): Frau Kollegin dung und Steuerverlagerung bei zu vielen wirt- Matthäus-Maier, ich habe Zeitungsberichte gelesen schaftlichen Entscheidungen vorrangig ist. Deswe- - ich habe sie auf meinem Platz liegen und könnte gen brauchen wir eine Steuerreform mit niedrigeren notfalls darum bitten, sie mir zu bringen, damit ich zi- Sätzen für alle und weniger Ausnahmen, damit bei tieren kann -, nach denen Ihr Kollege Dreßler gesagt niedrigeren Sätzen die Steuereinnahmen wieder stei- hat: Wenn wir unsere 610-DM-Beschäftigungsver- gen. Das ist der Sinn unserer Reform. Sie sollten sie hältnisse in die Statistik einrechnen würden, hätten nicht länger blockieren. wir so viele Teilzeitarbeitsplätze wie die Niederlande. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Jetzt interpretieren Sie es andersherum. Wir haben auch eine Verkrustung am Arbeits- (Lachen und Beifall bei der CDU/CSU und markt, die - das ist das Schlimmste - trotz Wi rt der F.D.P.) -schaftswachstums zu einem Rückgang der Beschäf- tigtenzahlen und zu einer Zunahme der Arbeits- Ich bin bereit, über die Verbreiterung der Bemes- losenzahlen führt. sungsgrundlage zu reden. Möglicherweise haben Sie eine andere Meinung als der Kollege Dreßler. Ich Wie schlimm das inzwischen bei den Sozialdemo- sage noch einmal: Mir und meiner Fraktion genügt kraten ist, habe ich bei der Lektüre von Reden des die jetzige Lage am deutschen Arbeitsmarkt über- Kollegen Dreßler - Frau Matthäus-Maier, auch Sie haupt nicht. Ich brauche nicht in die Niederlande zu gehören dazu - gesehen. Bis vor kurzem ist uns noch fahren, um zu dem Ergebnis zu kommen, daß wir uns vorgehalten worden - das kann man in den Protokol- mit der jetzigen Lage nicht zufriedengeben können. len der Debatten nachlesen -, daß andere Länder, Vielmehr müssen wir dafür sorgen, daß es besser etwa Amerika, Großbritannien, die Niederlande, wird. Das machen wir. eine positive Entwicklung am Arbeitsmarkt hätten, wir aber nicht. Wir haben dann gesagt: Laßt uns doch Jetzt kommen wir zum Problem. Konsequenzen daraus ziehen! Laßt uns doch prüfen: Was können wir übernehmen, damit wir bei einer (Werner Schulz [Berlin] [BÜNDNIS 90/DIE wirtschaftlich vernünftigen Entwicklung mehr Ar- - GRÜNEN]: Sie sollten über die Nuggets beitsplätze bekommen? reden! - Ministerpräsident Oskar Lafontaine Jetzt sind Sie in die Niederlande gefahren - das [Saarland]: Nehmen Sie das Gold!) war schon herzzerreißend -, um festzustellen, daß das dort auch nicht das Wahre sei. Am besten sei es - - Herr Ministerpräsident Lafontaine, erstens sollten nach dem, was Sie hinterher berichtet haben - immer Sie von der Bundesratsbank aus keine Zwischenrufe noch in Deutschland. Ich sage Ihnen: In Deutschland machen. ist es nicht gut genug. Wir brauchen mehr Arbeits- plätze; wir brauchen mehr Beweglichkeit, mehr Fle- (Dr. Peter Struck [SPD]: Quatsch!) xibilität. Zweitens. Wenn Sie heute das Wo rt nehmen, bringen (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Sie bitte zunächst in Ordnung, daß Sie die Parlamen- tarier dieses Bundestags in einer unerträglichen Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Herr Dr. Schäuble, Weise beleidigt haben. gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Matthäus-Maier? (Anhaltender lebhafter Beifall bei der CDU/ CSU und der F.D.P.)

Dr. Wolfgang Schäuble (CDU/CSU): Bitte sehr. Es war ein Kollege der sozialdemokratischen Bun- destagsfraktion, der gesagt hat, mit dem Stil dieser Ingrid Matthäus-Maier (SPD): Herr Kollege Schäu- antiparlamentarischen Äußerung habe es am Ende ble, wollen Sie nicht zur Kenntnis nehmen, daß wir der Weimarer Republik schon einmal angefangen. - Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 177. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 4. Juni 1997 15903

Dr. Wolfgang Schäuble Das wollen wir in Deutschland nicht mehr einreißen steigen? Die einzigen, die sich dem Konsens verwei- lassen! gern, sind die Sozialdemokraten. (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU und (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. - der F.D.P. - Joseph Fischer [Frankfu rt] Widerspruch und Zurufe von der SPD) [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie sollten zum Entlassungsantrag reden!) - Lassen Sie mich meine Ausführungen doch Schritt Sie können das nachher in Ordnung bringen. für Schritt vortragen.

(Zurufe von der CDU/CSU: Raus!) Wir haben alles umgesetzt. Wir werden nächste - Wir wollen hoffen, daß er es nachher in Ordnung Woche gegen den Einspruch des Bundesrates das bringt. Weil er hier einen Zwischenruf gemacht hat, Gesetz zur Krankenversicherungsreform verabschie- mußte ich das doch einmal sagen. den. Wir werden das Gesetz zur Rentenreform bis zum Ende des Jahres, wie wir es angekündigt haben, Wir haben seit Beginn des vergangenen Jahres, verabschieden. Dies würden wir lieber im Zusam- nach den Gesprächen der Bundesregierung mit Wi rt menwirken mit der großen sozialdemokratischen Op- Pro--schaftsverbänden und Gewerkschaften, das positionspartei tun, notfalls werden wir es aber auch gramm für Wachstum und Beschäftigung Schritt für unter ihrer Verweigerung und gegen einen Ein- Schritt umgesetzt. Es dauert länger, als wir uns ge- spruch des Bundesrates tun. wünscht haben, bis wir manche Entscheidungen par- lamentarisch zustande bringen, weil der Bundesrat Wir sind in der Steuerpolitik auf die Zustimmung vieles langsamer behandelt, gelegentlich auch blok des Bundesrates angewiesen. Es ist herzzerreißend: kiert. Es dauert auch manches länger, bis es in der so- Seit zwei Jahren blockieren Sie die Abschaffung der zialen und ökonomischen Wirklichkeit unseres Lan- Gewerbekapitalsteuer. Vor drei Wochen haben Sie des greift. Viele - auch im Arbeitgeberlager - haben ein sogenanntes Steuerreformkonzept vorgelegt, wo- im vergangenen Jahr die Hoffnung gehabt, daß es bei Sie sich aber weigern, es in den Bundestag einzu- besser wird, wenn wir als Bundestag die Maßnahmen bringen. Dort sagen Sie, daß die Gewerbekapital- durchsetzen, die wir im Programm für Wachstum und steuer abgeschafft werden muß. Aber im Vermitt- Beschäftigung stehen haben: daß kleine Bet riebe - lungsausschuß ist noch immer keine Einigung über Stichwort: Arbeitsförderungsgesetz - vom Arbeitsamt die Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer erzielt Lohnkostenzuschüsse bekommen können, wenn sie worden, obwohl unser Gesetz seit langem verab- Langzeitarbeitslose einstellen, daß es mehr Flexibili- schiedet ist. tät durch zeitlich befristete Arbeitsverhältnisse gibt, daß der Gestaltungsspielraum von Tarifparteien Diese Woche kündigt Herr Voscherau einen Ge- durch die Begrenzung der gesetzlichen Regelung bei setzentwurf zur Abschaffung der Gewerbekapital- der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall erweitert steuer an. Den brauchen wir nicht. Wir brauchen nur wird. die Aufgabe Ihrer Blockade, dann ist die Gewerbeka- pitalsteuer abgeschafft. Damals ist gesagt worden: Das rechtfertigt die Zu- versicht, daß Hunderttausende zusätzlicher Arbeits- plätze entstehen. - Sie sind noch nicht entstanden, (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU und was jeder bedauert. Das zeigt, daß es länger dauert. der F.D.P.) Trotzdem ist dieser Weg richtig; er ist alternativlos. Ich unterstütze nachdrücklich das, was der Bun- Wir müssen die Verkrustungen Schritt für Schritt- auf- lösen. desfinanzminister gesagt hat, nämlich daß die aktu- elle Situation, die sich auch auf die Haushalte 1997 (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) und 1998 auswirkt und schwierige Fragen aufwirft, die Notwendigkeit einer Strukturreform unseres Die Sozialpartner sind inzwischen viel weiter als Steuersystems noch dringlicher macht. Deswegen die Sozialdemokraten. habe ich, Herr Ministerpräsident Lafontaine, unmit- (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) telbar nachdem Sie Ihre Steuervorschläge vorgestellt haben, bei aller Kritik im einzelnen gesagt: Wenn Sie Wenn man das sieht, was der DGB-Vorsitzende wollen, daß wir zum 1. Januar 1998 mehr in Kraft set- Schulte gesagt hat, dann muß man feststellen, daß zen, dann geben Sie doch endlich die Blockade auf! die Sozialdemokraten die letzten sind, die blockie- Wir sind bereit, die Bemessungsgrundlage bei der ren. Einkommen- und Körperschaftsteuer soweit wie ir- gend möglich schon zum 1. Januar 1998 zu verbrei- (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) tern und die Sätze bei der Einkommen- und Körper- Wir brauchen doch nur das Thema Rentenreform zu schaftsteuer nachhaltig zu senken. Das geht aber nehmen. Fällt Ihnen eigentlich nicht auf, daß vom nur, wenn der Bundesrat nicht länger blockiert. Wir DGB bis zum VdK alle sagen, daß nicht nur umfinan- sollten die Zeit nutzen; denn es hat keinen Sinn, die ziert werden muß, sondern daß wir auch eine Struk- Sache erst im Oktober zu machen. turreform brauchen, die angesichts steigender Le- benserwartung dafür sorgt, daß die Ausgaben der (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. - Rentenversicherung nicht in dem bisherigen Tempo Zuruf von der SPD: Sie blockieren doch!) 15904 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 177. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 4. Juni 1997

Dr. Wolfgang Schäuble - Sie müssen die Blockade aufgeben. Jetzt möchte ich zu den Problemen der Haushalts- jahre 1997 und 1998 ein paar Bemerkungen machen. (Joachim Poß [SPD]: Das ist doch gar nicht Darüber haben wir schon am Freitag vor Pfingsten im Bundesrat! Wir verabschieden das doch im Bundestag debattiert, und seitdem hat sich auch erst im Bundestag! Wer blockiert denn da? nicht viel geändert. Es wäre mir lieber, wenn die De- Die Abstimmung ist doch erst am 26. Juni!) batte, die wir über Haushaltsprobleme, führen müs - Herr Kollege Poß, das werden wir machen. Sie dis- sen, und die Entscheidungen, die wir treffen müssen, kutieren im Finanzausschuß sogar darüber, ob Ihre von Menschen, die notfalls auch populistische angebliche Konzeption überhaupt zum Gegenstand Ängste gegen die Europäische Währungsunion und einer Anhörung gemacht werden soll, weil Sie näm- die europäische Einigung schüren, nicht mit der De- lich nicht bereit sind, sie in die Beratungen einzu- batte um die Währungsunion verknüpft würden. bringen. Ich kenne doch das Spiel. Deswegen habe Deswegen habe ich am Freitag vor Pfingsten ge- ich doch gerade in bezug auf die Gewerbekapital- sagt: Die Neubewertung der Reserven der Bundes- steuer gesagt: Seit zwei Jahren blockieren Sie. Vor bank ist ja völlig unumstritten. Das ist doch keine Er- drei Wochen haben Sie gesagt, daß sie abgeschafft findung von irgend jemandem in diesem Hause; das werden muß. Jetzt kündigt Herr Voscherau an, man kommt vom Europäischen Währungsinstitut und ist werde einen Gesetzentwurf einbringen. Genau dies beim Zentralbankrat in Frankfu rt zu jedem Zeitpunkt ist eine Politik der Verzögerung, die so nicht weiter- unumstritten gewesen. Auch habe ich Ihnen schon gehen kann, wenn es in unserem Land vorangehen Protokolle vorgelesen, aus denen hervorgeht, daß soll. das schon vor Monaten im Haushaltsausschuß erör- (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) tert worden ist. Reden Sie doch den Menschen nicht etwas völlig Falsches ein! Die Frage der Neubewer- tung der Reserven der Zentralbanken a ller Mitglieds- Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Herr Dr. Schäuble, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Kolle- länder der künftigen Europäischen Währungsunion gen Poß? ist doch in Frankfurt, in Bonn und in Europa völlig unumstritten.

Dr. Wolfgang Schäuble (CDU/CSU): Bitte sehr. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Im übrigen ist auch in der Stellungnahme des Zen- Joachim Poß (SPD): Herr Kollege Schäuble, wür- tralbankrates von Mittwoch vergangener Woche, den Sie bestätigen, daß der Deutsche Bundestag Ihr über die sich ja nicht alle nur gefreut haben - ich ge- sogenanntes Steuerreformkonzept erst am 26. Juni in höre zu denjenigen, die sich nicht über alle Einzel- zweiter und dritter Lesung behandeln wird und daß heiten dieser Stellungnahme nur gefreut haben; der Bundesrat vorher nichts damit zu tun hat, so daß trotzdem nehmen wir sie ernst und respektieren sie -, insoweit von einer Blockade überhaupt nicht gespro- klar gesagt worden, es sei richtig, die sich aus der chen werden kann? Warum stellen Sie den Sachver- Neubewertung der Reserven ergebenden Über- halt gegenüber der Öffentlichkeit falsch dar? schüsse der Bundesbank in den Erblastentilgungs- fonds einzustellen. Auch dies ist völlig außer Streit mit der Bundesbank; lesen Sie doch die Stellung- Dr. Wolfgang Schäuble (CDU/CSU): Herr Kollege Poß, wir sollten diese Kindereien wirklich lassen. Ich nahme des Zentralbankrates selber nach. habe doch gerade das Beispiel der Gewerbekapital- (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ steuer angeführt. Seit zwei Jahren gibt es das Affen- DIE GRÜNEN]: Darüber wollen Sie sogar theater der Blockade durch die Bundesratsmehrheit. abstimmen lassen!) - (Unruhe - Glocke der Präsidentin) - Nein, nein; ich habe es ja ausgeführt. Hinsichtlich der großen Steuerreform haben die So- Der einzige Punkt, über den die Meinungen unter- zialdemokraten gesagt, das könnten wir uns doch al- schiedlich waren, ist die Frage, ob man damit, wie es les abschminken. Herr Lafontaine wiederholt stän- die Bundesbank ursprünglich gesagt hatte, erst 1999 dig: Es läuft alles nicht, wir werden es im Bundesrat beginnt oder ob man damit, wie wir es für richtig und blockieren. Angesichts dessen kann man doch. nicht wünschenswert gehalten hätten, schon 1997 anfängt. sagen, vor dem 26. Juni brauche man darüber nicht zu reden; das ist doch dummes Zeug. (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Sie sagten „waren"?) (Zurufe von der SPD) - Wie wir es für richtig und wünschenswert gehalten haben. Damit schon 1997 anzufangen, habe ich ja Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Gestatten Sie eine auch am Freitag vor Pfingsten gesagt. weitere Zwischenfrage? Die Gespräche vor der Zentralbankratssitzung am vergangenen Mittwoch und seither - bis zu dem Ge- (CDU/CSU): Jetzt möchte Dr. Wolfgang Schäuble spräch, das der Bundesfinanzminister mit dem Bun- ich wieder einmal ein paar Sätze im Zusammenhang desbankpräsidenten gestern geführt hat - haben of- sagen. fenbar ergeben, daß eine Bereitschaft besteht, mit (Anhaltende Zurufe von der SPD) der Neubewertung in der Jahresschlußbilanz 1997 zu - Bei manchen Ihrer Zwischenrufe hat man die beginnen, daß aber keine Bereitschaft besteht, die Sorge, Sie hätten nicht ordentlich gefrühstückt. Überschüsse schon 1997 in den Erblastentilgungs- Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 177. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 4. Juni 1997 15905

Dr. Wolfgang Schäuble in-fonds einzustellen, sondern erst 1998. Weil ein E Zweitens. Der Zentralbankrat der Deutschen Bun- vernehmen mit der Bundesbank ein hohes Gut ist, ist desbank - das habe ich gesagt - hat in seiner Stel- das doch ein guter Weg. Ich bin dem Bundesfinanz- lungnahme vom vergangenen Mittwoch gesagt, daß minister dankbar, daß wir auf diesem Weg gut voran- es grundsätzlich richtig und angemessen erscheint, gekommen sind. die sich aus der Neubewertung ergebenden höheren Beträge der Bundesbank mit dem Erblastentilgungs- Es ist im übrigen auch völlig klar, Herr Scharping, fonds zu verrechnen. daß der Bundesbankpräsident im Anschluß an ein Gespräch mit dem Bundesfinanzminister natürlich (Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl: So ist es!) sagen muß, das alles müsse auch noch einmal im Das habe ich gesagt; das können Sie doch nicht be- Zentralbankrat erörtert werden. Das ist doch das streiten. Die Stellungnahme des Zentralbankrates Selbstverständlichste der Welt. Es besteht doch über- der Bundesbank ist Ihnen doch bekannt. haupt kein Widerspruch zwischen dem, was der Bun- desfinanzminister gestern gesagt hat, und dem, was Drittens. Ich kann mir gut vorstellen, daß man im er heute gesagt hat. Es ist wortwörtlich das gleiche. Zentralbankrat der Bundesbank ein größeres Ver- Ich bin doch in der Sitzung der CDU/CSU-Fraktion ständnis für die Besonderheiten der Finanzprobleme dabeigewesen. Die Lage ist schwierig genug; das ist im so lange geteilten und jetzt wiedervereinten wahr. Aber deswegen sollte man die Menschen nicht Deutschland als in der niederländischen Zentralbank zusätzlich verwirren, indem man völlig falsche Tatsa- oder im Europäischen Währungsinstitut hat. Was den chen behauptet. Das bringt überhaupt nichts. Erblastentilgungsfonds angeht, ist mir die Stellung- nahme des Zentralbankrates der Deutschen Bundes- (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) bank wichtiger. Im übrigen haben doch Sie fast Krokodilstränen Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Herr Dr. Schäuble, vergossen und gesagt, man solle auf die Deutsche gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Abge- Bundesbank hören. Dann hören wir jetzt auch in die- ordneten Wieczorek? sem Punkt auf die Bundesbank, daß wir die Gewinne in den Erblastentilgungsfonds fließen lassen. Dr. Wolfgang Schäuble (CDU/CSU): Bitte sehr. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Ich will noch ein anderes Argument aufgreifen. Sie Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Herr Wieczorek. haben gesagt: Man kann nicht mit einmal wirksamen Maßnahmen laufende Ausgaben decken. Über die Dr. Norbert Wieczorek (SPD): Herr Schäuble, ich Haushaltsprobleme der Jahre 1997 und 1998 reden darf Sie noch einmal fragen - ich hatte in der Debatte wir im übrigen besser dann, wenn wir den Entwurf am Freitag der letzten Sitzungswoche schon einmal des Haushaltsplans für 1998 kennen. Gelegenheit dazu -: Sind Sie wirklich der Ansicht, (Widerspruch bei der SPD) daß das EWI eine Neubewertung forde rt - da stim- men wir überein -, und auch der Meinung ist, diese Als Sie regierten, haben wir die Bundeshaushalte Gewinne könnten ausgeschüttet werden? Ich zitiere: erst dann verabschiedet, wenn das Haushaltsjahr schon zur Hälfte vorüber war. Seit Helmut Kohl Bun- Der EWI-Rat billigte 1996 die Rechnungslegung deskanzler ist, haben wir mit den Bundesfinanzmini- für die Finanzausweise des Europäischen Zen- stern und Theo Waigel Jahr für tralbanksystems. Gemäß diesen Grundsätzen er- Jahr den Entwurf des Haushaltsplans des nächsten folgt die Bilanzierung zu Marktpreisen. Unreali- Jahres schon im Juli aufgestellt und im September sierte Gewinne aus Neubewertungen werden je- beraten. doch nicht erfolgswirksam vereinnahmt. (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Dafür sind Würden Sie mir zustimmen, daß auch der von sie alle falsch!) Herrn Waigel zitierte Präsident der niederländischen Zentralbank und künftige EWI-Präsident, Herr Dui- - Frau Matthäus-Maier, Sie versuchen immer wieder, senberg, in seiner Zentralbank selbstverständlich durch wahrheitswidrige Behauptungen Verwirrung Neubewertungen vorgenommen hat, daß er aber in den Köpfen unserer Mitbürger zu stiften. ausdrücklich darauf hinweist, daß diese Neubewer- Die Steuereinnahmen müssen beim Aufstellen der tungsgewinne nicht ausgeschüttet werden, und daß Haushalte von Bund, Ländern und Gemeinden in der er diese Absicht der deutschen Bundesregierung au- Höhe eingesetzt werden, wie sie durch das amtliche ßerordentlich kritisch beurteilt hat? Verfahren der Steuerschätzung zum Zeitpunkt der Aufstellung des Bundeshaushaltes festgestellt wer- Dr. Wolfgang Schäuble (CDU/CSU): Herr Kollege den. Das ist doch nicht eine Verfügung der Bundesre- Wieczorek, ich habe das schon vorhin gesagt und gierung. Es handelt sich um ein unabhängiges Gre- wiederhole das: mium aus Vertretern von Bund, Ländern, Bundes- bank, Sachverständigenrat und Forschungsinstitu- Erstens. Die Neubewertung der Rese rven aller ten. Zentralbanken, auch der Bundesbank, ist vom Euro- päischen Währungsinstitut angeregt. Ich habe diesen Punkt eben schon angesprochen: Das Problem ist, daß sich die Steuereinnahmen ganz (Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl: Ja!) anders als das gesamtwirtschaftliche Wachstum ent- 15906 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 177. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 4. Juni 1997

Dr. Wolfgang Schäuble wickeln. Die Schlußfolgerung daraus ist, daß wir tisch auf die Entwicklung am Arbeitsmarkt reagiert, durch eine Steuerreform dafür sorgen müssen, daß fahren wir den Bundeshaushalt seit 1994 Jahr für wir dieses Problem besser lösen. Wir haben ein Pro- Jahr mit rückläufigen Ausgaben. Das heißt: Wir ha- blem für die Jahre 1997 und 1998. ben bei der Konsolidierung durchaus Erfolge. Wir müssen allerdings eine bessere (Rudolf Scharping [SPD]: Wie können Sie Entwicklung am Ar- beitsmarkt zustande bringen; das ist das Entschei- denn ein Gesetz mit 57 Milliarden DM Ein dende. Das geht nicht mit der Verweigerung, die nahmenausfällen vorlegen?) Rahmenbedingungen für Investitionen zu verbes- - Herr Kollege Scharping, ich will auf Ihren Einwand sern. Das geht nicht, wenn Sie verweigern, daß wir eingehen. Lassen Sie mich Ihre Argumente eins nach mehr Flexibilität am Arbeitsmarkt bekommen. Das dem anderen behandeln! Sie haben doch gesagt, geht nicht, wenn Sie verweigern, daß wir uns auf mo- man dürfe nicht Lücken in den Haushalten 1997 und derne Technologien konzentrieren. Das Trauerspiel 1998 mit Maßnahmen wie denen der Privatisierung um den Transrapid ist doch typisch für die A rt, wie schließen, die nur einmal wirken. Das war doch ein die Sozialdemokraten verhindern, daß wir in unse- Argument von Ihnen. - Gut, lassen Sie mich jetzt dar- rem Land vorankommen. auf antworten. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) (Rudolf Scharping [SPD]: Strukturelle Defi zite!) Weil wir dies alles durchsetzen, werden wir voran- kommen. Es ginge besser mit Ihrer Mitwirkung, aber - Ja, das sage ich doch. Ich rede doch davon, daß wir es geht notfalls auch ohne sie. Es wird wirken. Wir zunächst die strukturellen Defizite beseitigen müs- haben eine gute wirtschaftliche Entwicklung und sen. Diese Defizite ergeben sich daraus, daß wir eine werden auch eine Trendwende am Arbeitsmarkt er- zu schlechte Entwicklung am Arbeitsmarkt haben. reichen. Das gehört zur Abteilung „Programm für mehr (Zuruf von der SPD: Wann?) Wachstum und Beschäftigung, Deregulierung, mehr Flexibilität, auch bei den Tarifpartnern, bis zur Ren- - Je weniger Sie blockieren, desto besser geht es tenreform". Deswegen sage ich ja: Geben Sie Ihre voran. Blockadehaltung auf! Vor diesem Hintergrund ist es richtig, daß wir auf (Zurufe von der SPD) Grund der Privatisierungserlöse und einer strengen Haushaltsführung die Haushaltsprobleme im Jahre Nur durch mehr Flexibilität, mehr Investitionen, 1997 bewältigen. Zur Vorbereitung der Aufstellung mehr Bewegung am Arbeitsmarkt und die Steuer- des Haushalts 1998 führen wir noch intensive Ge- reform lösen wir das strukturelle Problem. spräche. Die Aufstellung des Haushalts durch die Dann bleibt trotzdem die Lücke für die Jahre 1997 Bundesregierung wird im Juli erfolgen, im Septem- und 1998. Weil wir aber eine Reform machen, die ber werden wir ihn diskutieren. Sie werden sehen: mittelfristig nachhaltig die strukturellen Probleme Wir werden auch dabei daran festhalten, daß wir alle löst - durch die Abschaffung der Gewerbekapital- Voraussetzungen erfüllen, damit die Finanzpolitik steuer, durch Maßnahmen im Bereich der Arbeitsför- weiterhin einen Beitrag leistet, um die Rahmenbe- derung und im Kündigungsschutzbereich, durch die dingungen für mehr Wachstum und Beschäftigung in Reform unserer gesetzlichen Krankenversicheurng Deutschland positiv zu beeinflussen. und die Rentenreform, durch eine Begrenzung des Anstiegs des Sozialversicherungsbeitrags -, ist es Ich sage es noch einmal: Wir werden alles daran- richtig, die verbleibende Lücke für die Jahre 1997 setzen - und wir werden es erreichen -, daß wir in Deutschland die Voraussetzungen für den vertrags- und 1998 auch durch nur einmal wirksame- Maßnah- men wie Privatisierungen zu schließen. gemäßen Beginn der Europäischen Währungsunion erfüllen. Das Schlechteste wäre, wenn die Europäi- Machten wir diese Reformen nicht, hätten Sie sche Währungsunion nicht zustande käme, weil recht. Wir arbeiten aber an Reformen, und wir kämen dann wieder die Blockierer und Modernisierungsver- dabei noch schneller voran, wenn Sie Ihre Blockade weigerer Erfolg hätten, und das darf nicht sein. aufgäben. Mit einer strengen Haushaltsführung, wie der Bundesfinanzminister gesagt hat - das (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) wird schmerzlich sein; ich höre Sie schon wieder Wir sind in einer Situation ungeheuer schwieriger schreien -, können wir unser Ziel erreichen. Veränderungen: durch die Globalisierung, die Ver- Es ist wirklich herzzerreißend. Sie beklagen, daß änderungen in unserer Arbeitswelt, technologische wir im Bundeshaushalt Finanzierungsprobleme ha- Revolutionen, durch den Übergang von der Indu- ben. Aber über 11 Milliarden DM an zusätzlichen striegesellschaft in die Dienstleistungsgesellschaft. Einsparungen für Bund, Länder und Gemeinden ha- Wer glaubt, man könne alles beim alten belassen, ben Sie durch Ihre Blockade im Bundesrat verhin- verschläft die Zukunft. dert. Wenn Sie die Lücken verursachen, dürfen Sie Die Union wird auch weiterhin mit Helmut Kohl sie hinterher nicht beklagen. und Theo Waigel mit aller Tatkraft und Entschieden- (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) heit dafür werben, daß unser Land seine Zukunfts- chancen nutzt. Man muß im übrigen auch einmal sagen: Wenn wir das Defizit der Bundesanstalt für Arbeit einen Mo- (Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU und ment außer Betracht lassen, weil es quasi automa- der F.D.P.) Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 177. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 4. Juni 1997 15907

Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Das Wort hat der wenn ich mir die Leistung dieses Finanzministers an- Vorsitzende der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, schaue. der Abgeordnete Joseph Fischer. (Heiterkeit und Beifall beim BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und bei der SPD) Joseph Fischer (Frankfurt) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Präsidentin! Meine Damen und Her- Die punktgenaue Erfüllung der Stabilitätskriterien ren! Verehrter Herr Kollege Dr. Schäuble, wir haben von Maastricht, das war das Ceterum censeo dieser in dieser Legislaturperiode schon viele Reden von Ih- Regierung, dieses Finanzministers. Jetzt plötzlich nen gehört. Aber das, was Sie heute abgeliefert ha- geht das Licht an, und man erwischt ihn beim plum ben, war lediglich das bemühte Pflichtplädoyer eines pesten aller Tricks, nämlich bei dem Versuch, über Verteidigers in einem aussichtslosen Fa ll. die Neubewertung und die Ausschüttung des Bun- desbankgewinns 1997 aus seiner selbstgestellten (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Haushaltsfalle, aus seinem selbstverschuldeten Ver- und bei der SPD sowie bei Abgeordneten sagen zu entkommen. Ihnen gebührt, Herr Bundesfi- der PDS) nanzminister, nicht das Gold der Bundesbank, wohl aber die Goldmedaille für kreative Buchführung im Im wesentlichen haben Sie dabei die Opposition be- Kreise Ihrer Kollegen in der EU. schimpft und zur Sache nichts gesagt. Was sollten Sie zur Sache auch sagen - in einer Situation, in der eine (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Koalitionsrunde ergebnis- und hoffnungslos die nächste jagt; in einer Situation, in der die Grundlage Bei dieser konservativen Regierung gefriert mir für den Haushalt 1997 weggebrochen ist; in einer Si- das oppositionelle Lachen. tuation, in der der Haushalt 1998 ganz offensichtlich (Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl: Hm!) nicht mehr finanziert werden kann, wenn man die beiden Positionen der an der Koalition beteiligten - Da mögen Sie genießerisch knurren, Herr Bundes- Fraktionen zugrunde legt, nämlich der Steuersen- kanzler. - Wenn ich die Zeitungen, vor allem des kungspartei F.D.P. und der CDU/CSU. europäischen Auslandes, richtig verstanden habe - Sie werden das auch gelesen haben; denn es han- In dieser Situation verkünden Sie hier: Na ja, wir delte sich nicht um den „Spiegel" -, hatten ein Gespräch mit der Bundesbank. Wir woll- ten die Goldreserven neu bewe rten. Wir hätten es (Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜ gerne gehabt, die daraus entstehenden Gewinne NEN und bei der SPD) schon in 1997 auszuschütten. Was ist denn schon da- dann muß ich zu meinem großen Bedauern sagen: bei? Nun haben wir unsere Meinung geändert. - In Mit Ihrer Aktion - ich weiß, daß Sie den Euro wollen einer solchen Situation halten Sie eine Rede, in der und mit Ihrer ganzen persönlichen Überzeugung hin- Sie zur Zukunft dieses Landes nichts sagen. Daß Sie ter dem europäischen Integrationswerk stehen, aber nichts dazu beizutragen haben, hat seine Ursachen das macht die Sache nur viel schlimmer - haben Sie in der Perspektivlosigkeit, in der Erschöpfung der Koalition unter Helmut Kohl. etwas getan, was die Einführung des Euro massiv ge- fährdet. Das ist der eigentliche Grund für die Forde- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN rung nach Rücktritt dieses Bundesfinanzministers ne- und bei der SPD sowie bei Abgeordneten ben all den anderen, die hier noch anzusprechen der PDS) sind. Meine Damen und Herren, selbst wenn man in der (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Geschichte der Bundesrepublik Deutschland- sehr und bei der SPD) lange sucht, wird man nichts Vergleichbares zu dem Wenn man sich anschaut, was Sie in den letzten finden, was wir in den letzten drei Wochen erlebt ha- drei Wochen abgeliefert haben, und es bilanziert, ben. Wir haben Ihnen vieles an Versagen zugetraut. dann kann man nur den Schluß ziehen: Der Scher- Aber ich sage ganz ehrlich, Herr Bundeskanzler: Das benhaufen, den eine tanzende Elefantenherde in ei- hat meine Phantasie überstiegen. Es ist unfaßbar, nem Porzellanladen hinterläßt, ist geringer als der, daß eine konservative Regierung das Vertrauen in den Sie angerichtet haben. die Unabhängigkeit der Bundesbank über Nacht zertrümmert hat. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Lesen Sie einmal die internationale Presse dazu! Sie müssen gar nicht auf die Opposition hören. Das Dazu fällt mir nur noch folgende Überschrift ein: können Sie abtun als das übliche Oppositionsritual. Avanti dilettanti! Diese Überschrift gilt ja bis zu den Lesen Sie einmal, was Ihnen nahestehende Finanz- letzten Erklärungen. Selbst in den Erklärungen ge- kreise - und zwar nicht nur in Deutschland, sondern stern abend und heute früh händeln Sie diese ganze auch international - von dieser Aktion tatsächlich Aktion in einer Art und Weise, die für sich genom- halten! Diese konservative Regierung hat sich euro- men beispiellos ist und einen Dilettantismus in fast paweit jahrelang als Schulmeister in Sachen Stabili- schon astronomischer Größenordnung darstellt. Die tät aufgeführt. Wir haben den obersten Schulmeister Konsequenz ist allerdings nicht nur ein Scheitern die- im Ohr, der sich hier selbst abgefeiert hat, der von ser Regierung und dieses Bundesfinanzministers, „punktgenauer Erfüllung" sprach. Ich höre es noch: sondern die Konsequenz ist das Scheitern einer Sta- „3,00 sind 3,00". Nun bleibt nur die „00" übrig, bilitätskultur, die über Jahrzehnte gewachsen ist. 15908 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 177. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 4. Juni 1997

Joseph Fischer (Frankfurt) Natürlich kann der Gesetzgeber das Bundesbank- fassungsrechtlich nicht mehr zu halten ist. Das wuß- gesetz mit einfacher Mehrheit ändern, nur hatte es ten Sie. Jetzt stehen Sie vor diesem Scherbenhaufen. doch historische Gründe, warum Dinge, die gemacht werden können, nicht gemacht wurden und warum Als Sie gleichzeitig feststellen mußten, daß Ihre man an der Unabhängigkeit der Bundesbank fest- Landung bei 3,00 Prozent nicht funktioniert, wurden hielt, obwohl eine einfachgesetzliche Änderung Sie vorn obersten Stabilitätskommissar zum Trickser möglich gewesen wäre. Sie haben das Ganze nun bei den Euro-Kriterien. Beim Haushalt waren Sie es mit einem Fußtritt über die Bordkante befördert; a lles schon vorher. Dabei sind Sie - das muß man sich ein- nur, um mit Ihrer maroden Koalition irgendwie aus mal auf der Zunge zergehen lassen - der Vorsitzende der Falle, die Sie sich bezogen auf die punktgenaue der CSU, der letzte Vorsitzende der CSU übrigens, Landung bei den Maastricht-Kriterien selbst gestellt der sich, wie ich annehme, für die Überlebensinteres- haben, herauszukommen. sen der F.D.P. opfern wird. (Heiterkeit und Beifall beim BÜNDNIS 90/ Meine Damen und Herren, wir sind jetzt am Ende DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der einer Koalition, am Ende der Ära Kohl. Alles, was wir SPD und der PDS) heute zu begutachten haben, begann 1990, wo Sie einerseits Ihre großartigste Leistung, die Herstellung Ich erspare es mir, Ihre Reden zu zitieren. Ich gebe der deutschen Einheit, vollbracht haben, es aber im allen Büttenrednern für die kommende Karnevalssai- selben Augenblick andererseits versäumt haben, die son die Empfehlung, Theo Waigels Haushaltsreden innere Einheit zur Lokomotive der Veränderung die- als wirklich buntes Zitatenschatzkästlein zu benut- ses Landes zu machen. zen. Man lacht sich schlapp, was dieser Bundes- finanzminister verkündet hat, wenn man es mit der (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN traurigen Realität, vor der wir heute stehen, ver- und bei der SPD sowie bei Abgeordneten gleicht. der PDS) Die CSU hat ihrem Vorsitzenden auf dem Parteitag Es begann 1990 mit der Steuerlüge und damit, daß 1997 - ich glaube, der fand in Nürnberg statt - eine Sie den Menschen damals die Wahrheit nicht zumu- Entschließung mitgegeben. Darin heißt es in Punkt 6: ten wollten, obwohl sie dazu bereit waren, den Gür- tel enger zu schnallen. Wenn Sie die Lasten sozial ge- Methoden der „kreativen Buchführung" recht verteilt hätten, die Schultern oben stärker bela- - diese Anführungszeichen können Sie in Zukunft stet hätten, dann wären die unten auch bereit gewe- weglassen. sen, das Ihre daran zu tragen. Doch so wie Sie es sich vorgestellt haben, Steuersenkungen vor der Wahl zu zur Einhaltung der Konvergenzkriterien lehnt die versprechen und hinterher die Steuern unter Inkauf- CSU strikt ab. Maßnahmen, die nicht zu einem nahme einer extremen sozialen Schieflage zu erhö- nachhaltig wirksamen Abbau öffentlicher Defi- hen, akzeptieren es die Menschen nicht. Ich sage: Zu zite führen, dürfen bei der Beurteilung des er- Recht akzeptieren sie es nicht. reichten Konvergenzstandes nicht berücksichtigt werden. Wer ist denn dafür verantwortlich, daß, wie es der - Kollege Schäuble in seiner Rede dargestellt hat, die - Man höre und staune! Bundesrepublik Deutschland verkrustet ist, technolo- In diesem Sinne müssen die ermittelten Daten der gisch zurückgefallen ist und daß die Arbeitslosigkeit einzelnen Mitgliedstaaten um solche Maßnah- von Jahr zu Jahr steigt? Nach unserer Verfassung ist men bereinigt werden, die nicht zu einem nach- nicht die Opposition dafür verantwortlich, sondern haltig wirksamen Abbau öffentlicher Defizite die Regierung. Die Regierung muß handeln. Sie, führen. Herr Bundeskanzler, tragen dafür seit 14 Jahren die Verantwortung. Also im Klartext: Selbst wenn Sie, Herr Parteivor- sitzender, nach CSU-Beschlußlage mit Ihrer Aktion (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Erfolg gehabt hätten, hätten Sie den Bundesfinanz- und bei der SPD sowie bei Abgeordneten minister anhalten müssen, das wieder herauszustrei- der PDS) chen.

Nun schauen Sie sich einmal den Haushalt 1997 (Heiterkeit und Beifall beim BÜNDNIS 90/ an. Der Haushalt 1997 ist faktisch gegen die Wand DIE GRÜNEN und bei der SPD) m-gefahren, ist Makulatur. Wir werden das in den ko Ihre Privatisierungserlöse und Einmalaktionen, das menden Wochen erleben. 82 Prozent des Kreditvolu- war doch das, was Sie immer gegeißelt haben. Ich mens sind ausgeschöpft. Sie sind am Ende Ihres La- wiederhole: Sie sitzen in einer doppelten, selbstge- teins. Nun könnte man ja auf unvorhergesehene Ent- stellten Falle. Sie sitzen in der Falle, daß Sie beim wicklungen verweisen. Aber das Gegenteil war ja Maastricht-Vertrag nachgesattelt haben, weil Sie un- der Fall. Schon bei der Aufstellung des Haushaltes ter dem Druck der CSU standen und Angst vor Ed- 1997 wußten Sie, Herr Bundesfinanzminister, doch mund Stoiber und seiner antieuropäischen Kritik hat- ganz genau, daß Ihre Annahmen nicht stimmen. Die ten. Opposition hat es Ihnen hier zu Protokoll gegeben. Sie wußten - damit waren Sie bösgläubig -, daß die- Nirgendwo steht, daß die Neuverschuldung in ser Haushalt, wenn Sie ihn gemäß den Grundsätzen Höhe von 3 Prozent des Bruttoinlandproduktes von Haushaltswahrheit und -klarheit aufstellen, ver- 3,0 Prozent sein müssen und daß dies ein Ausschluß- Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 177. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 4. Juni 1997 15909

Joseph Fischer (Frankfurt) kriterium ist. Vor allem Sie waren es, der dies in die vorsitzende Ihrer Pa rtei heißt sowieso Dr. Helmut Welt gesetzt hat und in Europa drauf- und nachge- Kohl - hängt an dieser Koalition. sattelt hat. Jetzt erreichen Sie diese 3,0 Prozent nicht. Im Gegenteil: Der Maastricht-Vertrag sagt klipp und (Dr. [F.D.P.]: Also, was klar - wir haben Ihnen das immer vorgehalten und denn jetzt?) vorgeworfen -: Es geht um die Konvergenz, um die Wenn die Koalition mit dieser Selbstblockade wei- Nachhaltigkeit einer Konvergenz- und Stabilitätsent- termacht - das haben wir jetzt im Zusammenhang wicklung. Das Kriterium der Neuverschuldung in mit dem Anschlag auf die Goldreserven der Bundes- Höhe von 3 Prozent ist kein Ausschlußkriterium und bank, mit dem Dilettantismus und dem unermeßli- bedeutet nicht 3,0 Prozent. chen Schaden erlebt, der dadurch für das Vertrauen in die Stabilitätskultur dieses Landes und für die Ein- Sie, Herr Bundeskanzler, sollten endlich von die- führungschancen des Euro ange richtet wurde; ähnli- sem Irrsinn Abstand nehmen. Wenn Sie der Meinung ches erleben wir angesichts steigender Arbeitslo- sind, daß Ihnen dann Ihre konservativen Heerscha- senzahlen, der Blockade der Einführung von Öko- ren in der eigenen Fraktion davonlaufen, dann soll- steuern, angesichts eines Steuersenkungsfundamen- ten Sie dazu sagen, daß das Ihr Problem ist. Sie kön- talismus, angesichts wegbrechender Haushalte 1997, nen doch nicht das ganze Projekt gegen die Wand angesichts sich nicht einigender Koalitionsrunden fahren lassen, indem Ihr Finanzminister draufsattelt, und angesichts der Unfähigkeit, für 1998 einen ver- weil er seine CSU an diesem Projekt ansonsten nicht fassungskonformen Haushalt aufzustellen; gleichzei- mehr festhalten kann. Wir halten dies für einen gra- tig verkünden Sie eine Steuerreform, durch die wei- vierenden und schlimmen Fehler, der das ganze Pro- tere Haushaltslöcher im Umfang von 30 Milliarden jekt Euro gefährdet. DM gerissen werden sollen; in Wirklichkeit sind es (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 50 Milliarden DM -, so ist angesichts all dessen zu und bei der SPD sowie bei Abgeordneten fragen: Was hat das noch mit vernünftiger Politik, der PDS) was hat das mit Allgemeinwohlorientierung zu tun? Das müssen Sie sich einmal überlegen. Die zweite Falle, in der Sie stecken, sind die neuen Steuersenkungsayatollahs, die Fundamentalisten von (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der F.D.P. bei der SPD und der PDS) (Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜ Das alles hat der Bundesfinanzminister, der vom NEN) Grundgesetz mit einer besonderen Kompetenz aus- gestattet war und ist, persönlich zu verantworten. Steuersenkung als Überlebensprinzip; etwas anderes gibt es nicht mehr. Wenn Sie noch eine Begründung hören wollen, rate ich Ihnen, ein Blatt zu lesen, das jenseits allen (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS Verdachtes ist, den Roten oder den Grünen nahezu- SES 90/DIE GRÜNEN) stehen: das „Handelsblatt". Ich nehme an, der Bun- deskanzler wird in Zukunft auch das „Handelsblatt" Nur, da stimme ich dem Kollegen Scharping völlig nicht mehr lesen, wenn er den Kommentar von Mon- zu: Sie wissen ganz genau: Die CSU ist in Bayern tag gelesen hat. eine große Volkspartei mit absoluter Mehrheit und hat Landtagswahlen. Die CDU ist bei aller Kritik die (Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜ größte Volkspartei. Sie wissen aber ganz genau, was NEN, bei der SPD und der PDS) man der Bevölkerung zumuten kann und was nicht. Er war in Interlaken; alle waren in Interlaken. Denn Sie haben es mit der Aufgabe 40 plus x zu tun, während es die F.D.P. vielleicht mit 5 plus- x zu tun ( [CDU/CSU]: Sie nicht! - Dr. hat. Das ist der Unterschied. Guido Westerwelle [F.D.P.] Ich nicht!) Diese Koalition war von Anfang an nicht mehr - Sie waren nicht da, Herr Westerwelle; das ist handlungsfähig, weil sich abzeichnete, daß sich die schade. Sie wären da umjubelt worden; davon gehe Interessen der großen beiden Volksparteien CDU ich fest aus. und CSU und das Überlebensinteresse der Pa rtei des neuen Egoismus, der F.D.P., in diametral entgegen- Ü-(Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GR gesetzte Richtungen entwickeln. Das ist der eigentli- NEN, bei der SPD und der PDS) che Grund für den ganzen Schlamassel dieses Lan- Aber was nicht ist, kann ja noch werden. des, nicht die Blockade im Bundesrat oder sonstwo. (Dr. Guido Westerwelle [F.D.P.]: Laden Sie (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, mich doch einmal ein!) bei der SPD und der PDS) - Ich lade Sie nicht ein, nein, das tue ich mir nicht an. Der eigentliche Grund ist, daß diese Koalition nicht (Heiterkeit) mehr handlungsfähig ist, weil die Pa rtei des neuen Egoismus ansonsten glaubt, sie würde endgültig po- Ich zitiere: litisch das Zeitliche segnen. Die seit dem Wochenende zur diesjährigen Inter- Meine Damen und Herren, das Schicksal dieses national Monetary Conference ... in Interlaken Bundeskanzlers - denn, Herr Gerhardt, ich möchte versammelten Chefs der rund einhundert größten Ihnen nicht zu nahe treten, aber der heimliche Partei- Banken und wichtigsten internationalen Finanz- 15910 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 177. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 4. Juni 1997

Joseph Fischer (Frankfu rt) institutionen stellen sich im Streit um die Höher- sönlich, hier ebenfalls zur Abstimmung gestellt wird, bewertung der Goldreserven eindeutig auf die nach der Devise: Wir wollten einmal sehen, ob die Seite der Deutschen Bundesbank und üben bei- Koalition Ihre Position, Herr Bundesfinanzminister, ßende Kritik am „unvorstellbaren Fehlen jegli- tatsächlich trägt. cher Sensibilität für die Märkte durch Finanzmi- nister Theo Waigel und die Bonner Koalition". (Zuruf des Abg. Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]) Es geht weiter: - Was werden Sie denn so unruhig? Sie hören doch Nach Ansicht des Chefs einer der größten Banken sonst immer zu. Ich weiß, warum Sie unruhig wer- der Welt den; denn jetzt greifen Sie mit Ihrer Mehrheit zur Ge- schäftsordnung und wollen diese Abstimmung ver- - vermutlich ein Rot-Grüner - hindern, weil Sie genau wissen, daß Sie, wenn wir hätte Theo Waigel die Frage der mit Blick auf den hier die Position der Bundesbank zur Abstimmung Euro „sowieso anstehenden Marktbewertung der stellen, für Ihre Position keine Mehrheit mehr haben. Goldreserven der Bundesbank kaum dilettanti- Das zeigt, wie sehr Sie am Ende sind. scher und für das internationale Standing (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Deutschlands kaum schädlicher organisieren und bei der SPD sowie bei Abgeordneten können". Er, für seine Person, verstünde „diesen der PDS) Mann nicht mehr". Für den Vertreter einer ... internationalen Finanz- Sie können von Glück sagen, wenn Sie den norma- institution haben die Deutschen mit dem Streit len Wahltermin erreichen. Für dieses Land allerdings der Bundesregierung und der Bundesbank „das wird jeder Tag, den diese abgewirtschaftete Koalition Zeitalter der D-Mark von Regierungsseite zu noch länger im Amt ist, ein großes Unglück sein. einem abrupten Ende gebracht". Nun habe wäh- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, rungspolitisch „eine neue Zeitrechnung begon- bei der SPD sowie bei Abgeordneten der nen". Ohne Grund hätten „konservative Politiker PDS) vom Rhein - auch Sie sind da gemeint, Herr Bundeskanzler - Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Das Wort hat der Vorsitzende der F.D.P.-Fraktion, Dr. Hermann Otto die Bundesbank und ihr internationales Vertrauens- Solms. fundament demontiert" . (Michael Glos [CDU/CSU]: Alles miese Spe Dr. (F.D.P.): Frau Präsidentin! kulation! Primitiv!) Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst Einem Top-Banker aus den Südländern zufolge darf ich sagen, daß die F.D.P.-Fraktion selbstver- hat Waigel den südlichen EWWU-Aspiranten ständlich den lächerlichen Antrag zur Absetzung von einen großen Gefallen getan: „Nun gehen Bon- Herrn Waigel geschlossen ablehnen wird. Herr Wai- ner und Frankfurter Unterhändler drei Nummern gel hat unser Vertrauen. kleiner in die entscheidenden Verhandlungen (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) um den Euro hinein." Zum zweiten. Es geht hier um die strukturellen Ich könnte diese Zitate endlos fortsetzen. Herr Probleme in diesem Land. Wir ringen darum, die Bundesfinanzminister, Sie wissen ganz genau, daß schwierige Haushaltssituation zu bereinigen. Da Sie nicht nur rücktrittsreif sind, sondern eigentlich - lasse ich mir von Ihnen, Herr Fischer, der Sie Ihre zurücktreten müssen. Sie treten nicht zurück, weil Glaubwürdigkeit gerade erst bei den Kumpeldemon- Sie zugleich Parteivorsitzender der CSU sind und an- strationen abgegeben haben, überhaupt keine Vor- sonsten diese ganze Koalitionskonstruktion abrupt haltungen machen. am Ende wäre und wir Neuwahlen bekämen. Das ist der eigentliche Grund. Von der Sache her sind Sie (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU - gescheitert, und deswegen beantragen wir heute Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl: Sehr gut! Ihre Entlassung. Ja!) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Sie sind abgesprungen als Reformer, und gelandet und bei der SPD sowie bei Abgeordneten sind Sie als Oberopportunist dieses Parlamentes. Für der PDS) ein Zipfelchen der Macht, für ein paar Fernsehbilder Aber diese Koalition und dieser Bundeskanzler (Widerspruch beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜ sind sich ihrer Mehrheit nicht mehr sicher. Wir ha- NEN sowie bei Abgeordneten der SPD) ben, weil wir der Meinung waren, daß es sich bei dem, was Sie mit der Bundesbank angestellt haben, verkaufen Sie die Seele Ihrer Partei. nicht um einen So-la-la-Vorgang à la Schäuble han- (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) delt, die Erklärung des Zentralbankrats hier zur Ab- stimmung gestellt. Wir wollten einmal sehen und hät- Seit vielen Jahren haben die Grünen dafür gekämpft, ten eigentlich erwartet, daß die Position des Bundes- daß der Einsatz der Steinkohle aus ökologischen, finanzministers, unterstützt von allen Partei- und aber auch aus ökonomischen Gründen zurückgefah- Fraktionsvorsitzenden und vom Bundeskanzler per- ren wird. Kaum bietet sich die Chance, in die Reihen Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 177. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 4. Juni 1997 15911

Dr. Hermann Otto Solms der Kumpel einzutreten und im Fernsehen vorn zu des Rechnungshofs der Regierung unzulässige Bu- stehen, werden die Grundsätze über Bord geworfen. chungstricks bescheinigt. (Zuruf von der SPD: Bringen Sie einmal (Widerspruch bei der SPD - Zuruf von der Fakten!) SPD: Kommen Sie doch einmal zu Ihrem Haushalt!) Von so jemandem möchte niemand in Deutschland regiert werden und wird auch niemand in Deutsch- Der Regierung in Kiel wird zudem ein Desaster beim land regiert werden. Haushaltsvollzug der vergangenen beiden Jahre be- scheinigt. Das geht so weiter; ich will Ihnen das er- (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) sparen. Meine Damen und Herren, es geht hier um die Ich sage nur das Folgende: Bundestag und Bun- strukturellen Probleme. Sie, Herr Scharping, haben desrat sind die gesetzgebenden Körperschaften in das völlig richtig angesprochen; nur, Sie haben gar diesem Lande, in der einen hat die Koalition die keine Lösungsansätze aufgezeigt. Mehrheit, in der anderen die SPD-geführten Länder. (Zuruf von der SPD: Sie doch auch nicht!) Nur beide zusammen können eine konsequente Poli- tik zur Bereinigung und Lösung der strukturellen Die strukturellen Probleme des Haushalts sind Probleme in Deutschland leisten. Wenn die eine Seite fundamental mit der hohen Arbeitslosigkeit verbun- nicht mitspielt, ist die andere Seite natürlich gelähmt. den. Wenn Sie die Haushaltslücken dauerhaft schlie- Das ist der Zustand, in dem wir sind. Sie haben in ßen wollen, dann geht das nicht durch Steuererhö- den letzten Jahren durch Ihre Blockadepolitik Haus- hungen, sondern nur dadurch, daß Sie die Gründe haltseinsparungen in Höhe von über 11 Milliarden der Arbeitslosigkeit beseitigen. Die hohe Steuer- und DM verhindert. Heute wären wir in einer ganz ande- Abgabenlast ist eben einer der fundamentalen ren Situation, wenn diese Einsparungen zustande ge- Gründe für die hohe Arbeitslosigkeit in Deutschland. kommen wären; dann bräuchten wir uns über den Haushalt nicht zu beklagen. Das ist ja nicht nur unsere Meinung, sondern wird vom Sachverständigenrat laufend bestätigt. In sei- (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) nem Sondergutachten hat Professor Hax gerade dar- Deshalb ist unsere Politik eine ordnungspolitisch auf hingewiesen, daß es darum geht, die Ausgaben saubere Politik. Wir müssen dafür sorgen, daß in des Staates zu reduzieren, mehr Flexibilität zu errei- Deutschland mehr investiert wird. Es sollte Ihnen chen und mehr Privatisierung durchzusetzen, damit doch ein Warnzeichen sei, daß im letzten Jahr nur der Staat schlanker wird, mehr Arbeitsplätze entste- noch 1,1 Milliarden DM netto aus dem Ausland in hen können und mehr Investitionen möglich werden. Deutschland investiert worden sind. Im Jahr davor Denn nur so ist die strukturelle Krise der Haushalte waren es noch 18 Milliarden DM. - übrigens der Haushalte von Bund und Ländern - zu meistern. Seit Beginn der Bundesrepub lik hatten wir immer einen positiven Investitionssaldo in Deutschland. Herr Scharping, nach Ihrer Presseschau von heute Deshalb müssen Sie doch nachfragen: Warum inve- morgen kann ich nur sagen: Die aktuelle Presse ha- stieren die jetzt in England, in Holland, in Österreich ben Sie anscheinend nicht gesehen, sondern nur die und in den Vereinigten Staaten und nicht in der Bun- der letzten Jahre. Schauen Sie sich doch die Presse desrepublik Deutschland? Sie tun das, weil diese von heute an, wo steht, wie sich Ihre Ko llegen, die Fi- Länder auf dem Weg der sauberen und klar angebots- nanzminister aus den verschiedenen SPD-regierten orientierten Politik vorangegangen sind, weil sie die Bundesländern, verhalten. Herr Schleußer schlägt Angebotsbedingungen für Beschäftigung erleichtert das gleiche vor wie wir, nämlich eine vorüberge- - haben, weil sie Steuern und Abgaben gesenkt haben hende Defizitsituation durch konzentrierte Privatisie- und weil sie ihre Versicherungssysteme reformiert rungsaktionen auszugleichen. Er schlägt vor - gegen haben. Genau diesen Weg müssen auch wir gehen, den Widerstand der Grünen selbstverständlich -, die dann wird wieder mehr investiert werden und mehr Beteiligungen an den Flughäfen aufzugeben und zu Beschäftigungsverhältnisse entstehen. privatisieren. Das gleiche tut der Finanzminister in Hessen, Starzacher. Wenn wir mit diesen Instrumen- (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordne ten möglichst vorübergehend und schonend die ten der CDU/CSU) Haushaltsprobleme lösen wollen, können Sie uns In dieser Situation - das ist unsere Überzeugung - dies doch nicht vorwerfen, wenn do rt, wo Sie in der Verantwortung stehen, genau das gleiche geschieht. wären Steuer- und Abgabenerhöhungen Gift für die Arbeitsplätze, Gift für Investitionen und folglich (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordne selbstverständlich auch Gift für die Haushalte von ten der CDU/CSU) Bund, Ländern und Gemeinden. Deswegen muß man eine andere Finanzpolitik beschreiten, nicht aus Wenn Sie uns vorwerfen, daß wir in einer schwieri- anderen Gründen, die uns vordergründig vorgewor- gen Situation zu außergewöhnlichen Mitteln greifen, fen werden. dann empfehle ich Ihnen die Lektüre der „Lübecker Nachrichten" vom 31. Mai. In dieser Ausgabe wird Schließlich einige Bemerkungen zum Vorgehen über den Rechnungshofbericht zum Verhalten der bei der Neubewertung der stillen Reserven der rotgrünen Regierung in Schleswig-Holstein berich- Deutschen Bundesbank: Das Europäische Wäh- tet. Überschrift: „Kiel hat Finanzen nicht mehr im rungsinstitut - Herr Waigel hat darauf hingewiesen - Griff" . Weiter heißt es da, daß der neue Jahresbericht hat angeordnet, hat Richtlinien erlassen, die alle 15912 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 177. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 4. Juni 1997

Dr. Hermann Otto Solms europäischen Zentralbanken verpflichten, ihre sti llen Dr. Hermann Otto Solms (F.D.P.): Bitte. Reserven marktnah zu bewerten. (Rudolf Scharping [SPD]: Das ist schon mal Kristin Heyne (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich falsch!) glaube, es ist eine ganz gute Idee, den Text der Bun- desbank vorzulegen; denn offenbar haben Sie ihn Das ist der Weg, der gegangen werden muß. nicht gelesen. Sie haben soeben dargestellt, daß die (Rudolf Scharping [SPD]: Das ist eine Ausschüttung mit den Vorschlägen des EWI konform Falschbehauptung!) ist. Eine Nichthöherbewertung würde dazu führen, daß Sind Sie mit mir einer Meinung, daß das EWI sehr die stillen Reserven - das sind nicht die Reserven der richtig sagt: Eine Neubewertung muß stattfinden. Bundesbank oder des Direktoriums, sondern das sind Eine Neubewertung soll aber nicht der Ausschüttung Reserven, die dem deutschen Volk zustehen, weil sie dienen. Die Bundesbank rügt ausdrücklich, daß die in den letzten 50 Jahren in Deutschland langsam auf- Pläne des Finanzministeriums nicht mit den Plänen gebaut wurden - abfließen oder nicht mehr der natio- der Europäischen Zentralbank übereinstimmen, weil nalen Kompetenz allein unterstehen würden. Das sie die Ausschüttung vorsehen. kann doch keiner in Deutschland wollen. Die Bundesbank sagt: Man muß geldpolitisch be- (Rudolf Scharping [SPD]: Alles falsch, was werten, wieviel ausgeschüttet werden kann. Wenn Sie sagen!) klar ist, daß ausgeschüttet werden kann, dann ist es sinnvoll, Geld in den Erblastentilgungsfonds zu ge- Die Reserven müssen vor Eintritt in die Währungs- ben. union und vor Übergabe der Verantwortung an die Europäische Zentralbank der großen deutschen Auf- Gehen Sie mit mir einer Meinung, daß es eine gabe, nämlich der Finanzierung der deutschen Ein- deutliche Differenz zwischen Bundesbank und Bun- heit, zur Verfügung gestellt werden. desregierung in der Frage der Ausschüttung gibt, daß nämlich die Bundesbank davon ausgeht, daß zu (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordne diesem Zeitpunkt noch nicht über die Ausschüttung ten der CDU/CSU) entschieden werden darf? Das hat mit Haushaltsfinanzierung überhaupt nichts zu tun. Wer das behauptet, zeigt einfach, daß er die Dr. Hermann Otto Solms (F.D.P.): Ich gehe mit Zusammenhänge nicht kennt oder daß er bewußt die Ihnen in dieser Meinung nicht einig; denn die Bun- Unwahrheit sagt. desbank sagt ausdrücklich, daß die Ausschüttung in (Lachen des Abg. Joseph Fischer [Frank den Erblastentilgungsfonds zulässig und vernünftig furt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) ist. - Ja, da brauchen Sie nicht zu lachen, Herr Fischer. (Bundesminister Dr. Theodor Waigel: Rich So ist das. -tig!) (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P.) Die Differenz besteht in der Frage, in welchem Jahr das geschehen so ll. Was 1999 richtig ist - das ist Genau das hat die Zentralbank bestätigt. meine Auffassung -, kann 1997 oder 1998 nicht völlig (Joseph Fischer [Frankfu rt] [BÜNDNIS 90/ falsch sein. Das lohnt den Streit nun wirklich nicht. DIE GRÜNEN]: Stimmen wir ab!) (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordne Der Zentralbankrat hat gesagt: Es muß höhenbewer- ten der CDU/CSU) - tet werden, und es kann in den Erblastentilgungs- Aber wir wollen uns mit der Bundesbank auch gar fonds ausgeschüttet werden. Nichts anderes haben nicht streiten, sondern wir sind zufrieden, wenn wir die Bundesregierung und die Koalition vorgeschla- mit der Bundesbank eine einvernehmliche, saubere gen, und genau diesen Weg werden wir gehen. Regelung finden. Diese Regelung wird aber, ob in (Rudolf Scharping [SPD]: Das ist eine drei diesem, im nächsten oder im übernächsten Jahr oder ste Verfälschung!) in Stufen, zur Konsequenz haben, daß die stillen Re- serven aufgewertet werden und daß ein Teil dieser Ihr alter Parteifreund, Herbe rt Ehrenberg, hat im stillen Reserven ausgeschüttet wird, aber eben nicht „Tagesspiegel" bestätigt - ich habe das Zitat hier -, in den Bundeshaushalt zur Finanzierung von Aus- daß dies der richtige Weg ist. Er hat im übrigen ge- gaben - da widerspreche ich Herbe rt Ehrenberg nauso wie andere Wissenschaftler - Rüdiger Pohl ist ganz eindeutig -, sondern in den Erblastentilgungs- bereits genannt worden - gesagt, daß dies kein Ein- fonds zur Finanzierung der deutschen Einheit. Mit griff in die Unabhängigkeit der Zentralbank ist; denn dieser Lösung bin ich und sind die F.D.P. sowie die sie ist in ihren Aufgaben, in der Geldpolitik, unab- Koalition voll einverstanden, und dagegen kann man hängig, ansonsten selbstverständlich nicht. Sie ist auch keine glaubwürdigen Sachargumente vorbrin- nach dem Bundesbankgesetz aufgefordert, die Poli- gen. tik der Bundesregierung zu unterstützen. (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Herr Dr. Solms, ge- Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Herr Dr. Solms, statten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten gestatten Sie weitere Zwischenfragen der Abgeord- Heyne? neten Frau Luft und Poß? Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 177. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 4. Juni 1997 15913

Dr. Hermann Otto Solms (F.D.P.): Bitte, nur noch fonds eingestellt und der Finanzierung der großen eine. deutschen Aufgabe, der der deutschen Einheit, ge- widmet wird. In dieser Überzeugung kann mich nie- Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Dann folgt Frau mand erschüttern. Luft. Vielen Dank. (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) Dr. Christa Luft (PDS): Herr Kollege Dr. Solms, ich möchte Sie gerne fragen, ob Sie vor diesem Hohen Hause den Verdacht ausräumen können, es ginge Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Als nächster Red- beim Vorgehen der Bundesregierung, eine Neube- ner spricht der Abgeordnete Dr. Gregor Gysi. wertung der Goldreserven herbeiführen zu lassen, nicht doch darum, daß man die aktuelle Situation auf irgendeine Art zu meistern versucht? Ich will Ihnen Dr. Gregor Gysi (PDS): Frau Präsidentin! Meine aus der Antwort des Bundesfinanzministeriums vom Damen und Herren! Ich hatte es befürchtet, Herr 30. November 1995 auf eine Anfrage vorlesen, die Bundesfinanzminister, und genauso ist es gekom- ich gestellt hatte und die lautete, men: Sie haben in Ihrer Rede, nachdem es ein biß- chen um die Schwierigkeiten dieser Bundesregie- (Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: Das ist rung ging, sofort wieder auf die Transferleistungen doch keine Frage! Lesen Sie doch lieber von West nach Ost und auf die Kosten der deutschen vor, wo Sie Ihre SED-Vermögen haben!) Einheit hingewiesen. Ich sage Ihnen eines, Herr Bun- ob man nicht unter anderem im Zusammenhang mit desfinanzminister: Die Ostdeutschen haben es in- zwischen satt, als Sündenböcke für Ihre verfehlte der bevorstehenden europäischen Währungsunion - Steuer-, Finanz- und Haushaltspolitik herhalten zu müssen. Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Bitte, stellen Sie eine Frage. (Beifall bei der PDS sowie bei Abgeordne ten der SPD) Dr. Christa Luft (PDS): Meine Frage lautet: Können Ich werde das begründen. Was bezeichnen Sie Sie diesen Verdacht ausräumen? Ich habe die Ant- eigentlich als Transferleistung von West nach Ost? wort bekommen: Es besteht im Rahmen einer ver- Das ist leider gar nicht bekannt. Ich werde Ihnen ein nünftigen kaufmännischen Beurteilung ein Ermes- paar Beispiele nennen. sensspielraum für einen noch niedrigeren Wertansatz für Goldreserven. Das habe ich am 30. November Wenn ein Bundeswehroffizier aus Baden-Württem- 1995 erfahren. Ich weiß nicht, warum das, was 1995 berg nach Sachsen versetzt wird, dann zählt ab die- falsch gewesen ist, nicht 1997 genauso falsch sein sem Tag sein Gehalt einschließlich Buschzulage als soll. Transferleistung von West nach Ost. Das ist doch ein- fach unerträglich. Das hat doch mit realen Zahlen überhaupt nichts zu tun. Dr. Hermann Otto Solms (F.D.P.): Es ist gut, wenn man sich an die Fakten hält, Frau Kollegin. Die Fak- Die Zahlungen von Kindergeld sind im Osten ten sind die: Es wird aufgewertet; es muß aufgewer- Transferleistungen; im Westen ist das ein gesetzli- tet werden. Alle anderen europäischen Länder haben cher Anspruch. Niemand würde auf die Idee kom- es getan. Nur die Goldreserven von Schweden sind men, das Kindergeld für Bremen und Bayern als noch niedriger bewe rtet; ihr Umfang ist aber so nied- Transferleistung des Bundes an diese Länder auszu- rig, daß das keine große Relevanz hat. Andere- Län- weisen. Hören Sie endlich mit dieser Schimäre auf! der - ich denke an Frankreich und Italien - haben so- Nennen Sie die richtigen Zahlen! Von einer Billion, gar schon zum Marktpreis oder über dem Marktpreis von der Herr Bohl gesprochen hat, kann als wirkliche bewertet. Es gibt also überhaupt keine Meinungsver- Transferleistung von West nach Ost überhaupt keine schiedenheit darüber, daß das stattfindet, und es gibt Rede sein. auch keine Meinungsunterschiede zwischen Bun- desregierung und Bundesbank darüber, daß die auf- (Beifall bei der PDS sowie bei Abgeordne gedeckten Reserven zu einem Teil in den Erblasten- ten der SPD) tilgungsfonds eingestellt werden sollen. Es geht nur Es geht aber nicht nur um diese Frage. Sie erwäh- um den Zeitpunkt. nen in diesem Zusammenhang nie, daß das Geld, das Ich sage hier noch einmal ausdrücklich: Politisch tatsächlich in den Osten geht, in beachtlichem Um- halte ich es für gut und richtig, wenn dies vor 1999 fang für Waren und Dienstleistungen in den Westen geschieht, weil mit dem Eintritt der europäischen zurückkehrt. Währungsunion und der Funktionsfähigkeit der Sie erwähnen ebenfalls nie die Tatsache, daß in rie- Europäischen Zentralbank und der Übernahme der sigem Umfange Immobilieneigentum und Unterneh- Verantwortung durch sie dann die Entscheidung menseigentum von Ost- in Westhand geflossen sind. nicht mehr allein nationalen Körperschaften obliegen Da hat es doch einen riesigen Vermögenstransfer von würde. Da es sich hier aber um ein Sparvermögen Ost nach West gegeben. Auch das muß man in die- der Bundesbank handelt, das dem deutschen Volk sem Zusammenhang erwähnen. zusteht, finde ich es richtig, daß dieses vorher, soweit möglich und vernünftig, in den Erblastentilgungs- (Beifall bei der PDS) 15914 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 177. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 4. Juni 1997

Dr. Gregor Gysi Seit kurzer Zeit gibt es dazu eine konkrete Zahl - selber für diese Altschulden haften müssen? Das ist weil Sie aus Bayern kommen, möchte ich Ihnen das das Verdienst der Koalition. Dafür können die Ost- gerne sagen; denn gerade bayerische Politiker be- deutschen nichts. schweren sich am meisten über die Transferleistun- Die Ostdeutschen können auch nichts dafür, daß gen von West nach Ost -: Bayern hat vom Bund im Sie die Unternehmensteuern trotz steigender Ge- rn an Jahre 1996 nach Abzug der Steuern, die Baye winne immer weiter gesenkt und dadurch Ihre Haus- den Bund abgeführt hat, über 4 Mil liarden DM an haltslöcher selbst provoziert haben. Zuschüssen für die verschiedensten Zwecke erhal- ten. Sachsen hat im gleichen Jahr nur 3,6 Mil liarden Es sind auch nicht die Ostdeutschen, sondern Sie DM, also deutlich weniger, an Zuschüssen vom Bund sind es, die den Spitzensteuersatz senken wollen. Ich erhalten. weiß jetzt schon, daß Ihnen dann wieder Milliarden fehlen. Dann stellen Sie sich wieder hierher und sa- Weshalb, frage ich Sie, sprechen Sie nie von den gen: Das liegt an den Kosten der deutschen Einheit Transferleistungen des Bundes an Baye rn? Weshalb und an den Transferleistungen von West nach Ost. sprechen Sie immer nur von den Transferleistungen Diese Ungerechtigkeit muß aufhören. des Bundes nach dem Osten? Das will ich hier end- lich einmal erklärt haben. (Beifall bei der PDS) (Beifall bei der PDS) Im letzten Jahr ist das Geldvermögen in der Bun- desrepublik Deutschland um 10 Prozent gestiegen, Ich könnte Ihnen dazu alle Positionen einzeln auf- obwohl das Geldvermögen der Arbeitnehmerinnen zählen; aber nur ein Beispiel: Für den Naturschutz er- und Arbeitnehmer, der Arbeitslosen, der Sozialhilfe- hält Bayern vom Bund 14 Millionen DM, Sachsen ge- empfängerinnen und der Sozialhilfeempfänger ge- rade einmal 0,7 Millionen DM. Ich könnte Ihnen viele sunken ist. Das heißt, die Reichen in der Gesellschaft andere solcher Zahlen nennen. haben so viel Geld angehäuft, daß sie diese Verluste Daran ärgern mich besonders zwei Dinge: Erstens durch ihren Reichtum im Durchschnitt wettgemacht taugen die Ostdeutschen für Sie nicht als Ausrede. haben. Es sind sogar 10 Prozent mehr Geldvermögen Zweitens - das ärgert mich genauso - spalten Sie da- vorhanden, nämlich 300 Mil liarden DM. Hätten wir mit in Wirklichkeit die Gesellschaft. Denn Sie stellen Steuergerechtigkeit, würde der Staat daran partizi- nicht die innere Einheit Deutschlands her, sondern pieren. Wenn das Geldvermögen in der Bundesrepu- Sie vertiefen die Spaltung, indem Sie die Ostdeut- blik um 300 Milliarden DM gewachsen ist, hätten die schen demütigen und den Westdeutschen einreden, Einnahmen des Staates um 30 Mi lliarden DM wach- daß es ihnen schlechter gehe, weil die Ostdeutschen sen müssen. Die Steuerausfälle sind nicht vom Him- hinzugekommen seien. Das ist eine gegen die deut- mel gefallen, sondern Sie haben ein Steuerrecht ge- sche Einheit und damit gegen die Präambel des schaffen, das dafür sorgt, daß der p rivate Reichtum Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland ge- ständig wächst und der Staat dabei immer ärmer richtete Politik. Das sage ich Ihnen so deutlich! wird und deshalb seine soziale, kulturelle und ökolo- gische Ausgleichsfunktion nicht mehr wahrnehmen (Beifall bei der PDS) kann. (Beifall bei der PDS) Es ist noch etwas anderes ziemlich unerträglich: Unerträglich ist auch, daß Sie die neuen Bundeslän- Herr Fischer hat hier gesagt, daß Sie die politische der im Grunde genommen wie Ausland behandeln. Einheit in Deutschland hergestellt haben, Herr Bun- Sie haben die Einheit im Kopf noch gar nicht vollzo- deskanzler. gen. Sie kämen doch nie darauf - das habe ich schon (Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl: Das ist gesagt -, Arbeitslosenunterstützung oder Kindergeld wahr!) - worauf ein gesetzlicher Anspruch besteht - den al- ten Bundesländern vorzurechnen. Den neuen Bun- Ich sehe das ein bißchen anders. Sie waren daran be- desländern rechnen Sie es aber als Transfer vor, als teiligt, zweifellos. Das ist wahr. Aber andere waren wenn Sie das Geld ins Ausland überweisen würden. auch daran beteiligt, darunter übrigens Millionen Ich behaupte: Nicht in meinem Kopf, sondern in Ih- von Menschen. rem Kopf hat die deutsche Einheit noch nicht stattge- (Dr. [F.D.P.]: Aber funden. unfreiwillig!) (Beifall bei der PDS) Geschichte vollzieht sich nicht durch eine einzelne In diesem Zusammenhang frage ich Sie: Was kön- Person, auch wenn das manche in diesem Saal glau- nen denn die Ostdeutschen dafür, daß Sie per 1. Ja- ben. nuar 1997 die Vermögensteuer abgeschafft haben? Das haben nicht die Ostdeutschen, sondern Sie ent- (Vorsitz : Vizepräsident Dr. ) schieden. Dadurch fehlen Ihnen 9 Milliarden DM in Ich sage Ihnen: Das, was Sie do rt möglicherweise Ihrer Haushaltskasse. Hätten Sie die amerikanischen geleistet haben, steht in keinem Verhältnis mehr zu Steuersätze für die Vermögensteuer eingeführt, dann Versagen bei der Herstellung der inneren hätten Sie sogar 16 Milliarden DM mehr in Ihrem Ihrem Einheit Deutschlands. Sie erinnern sich an die „blü- Haushalt. henden Landschaften", und sie erinnern sich an das, Was können die Ostdeutschen dafür, daß Sie die was ich eben gesagt habe. Hören Sie auf damit, den fiktiven Altschulden einfach übernommen, den Pri- Westdeutschen zu erklären, daß es bergab geht, weil vatbanken geschenkt haben und sie jetzt zum Teil es den Osten gibt, und hören Sie auf damit, die Ost- Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 177. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 4. Juni 1997 15915

Dr. Gregor Gysi deutschen diesbezüglich zu demütigen! Denn der Es ist immer gefährlich, wenn man sich selbst so Hauptwiderspruch in dieser Gesellschaft ist nicht der sieht, wie man dargestellt wird - und dann auch noch zwischen Ost und West. Arbeitslosigkeit können wir falsch. nur gemeinsam bekämpfen, Armut auch. Der Haupt- widerspruch ist der zwischen Reich und Arm, der (Heiterkeit und Beifall bei der PDS) zwischen oben und unten. Das müssen die Menschen Davon ganz abgesehen, Herr Bundeskanzler: Mein in Ost und West begreifen. Problem ist ein anderes. Ich sage Ihnen, dieser Ruf ist (Beifall bei der PDS - Peter Rauen [CDU/ vorbei, nicht nur durch die Wahlen in Großbritannien CSU]: Zurück zur Staatswirtschaft!) und in Frankreich. In den letzten Monaten schütteln alle nur noch den Kopf. Sie verstehen nicht mehr, Ich will noch etwas zu den Goldreserven sagen. was diese Regierung macht. Sie waren der Lehrmei- Das Problem ist nicht, daß man über eine Neubewer- ster. Sie haben sich als Oberkanzler Europas aufge- tung der Goldreserven nicht nachdenken dürfte. Wir spielt, und jetzt ist Ihr Ansehen in Europa ganz tief haben dazu Vorschläge in unserem Antrag gemacht. gesunken, weil sich herausgestellt hat: Sie sind auch Das Problem ist, wie das geschehen ist. Der Bundes- nur ein Trickser wie alle anderen. Das reicht für ei- finanzminister hat das Ganze wie einen Zaubertrick nen europäischen Integrationsprozeß nicht aus. Das gestaltet. Er hat damit die Reputation in Europa sage ich ganz deutlich. schwer beschädigt, die die Regierung bis dahin - aus mir zum Teil unverständlichen Gründen - hatte. (Beifall bei der PDS) Wenn es allerdings um die Frage der kreativen Deshalb brauchen Sie, wenn Sie Ihre Politik ernst- Buchführung geht, , dann müssen Sie haft fortsetzen wollen, eine neue Vertrauensgrund- sich ein bißchen zurückhalten. Denn Ihr Parteispre- lage. Wenn Sie die nicht haben, müssen Sie aufhö- cher Trittin hat in der „Frankfu rter Rundschau" vor- ren, die Politik in diesem Lande und damit auch im her erklärt, daß er kreative Buchführung gerade des- Rahmen des europäischen Integrationsprozesses zu halb so gut findet, weil das Ausdruck von politischer gestalten. Gestaltungskraft ist. Man kann nicht an einem Tag Ich habe es schon gesagt: Sie haben auch bei der loben, was man den anderen am nächsten Tag vor- Herstellung der inneren Einheit versagt. Ich füge wirft. Das ist nicht gerecht. hinzu: Sie haben bei der Bekämpfung der Massenar- (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ beitslosigkeit vollständig versagt. Der Sozialabbau, DIE GRÜNEN]: Das werde ich ihm sagen!) die Steuersenkungen, die Sie für Vermögende und Reiche beschlossen haben, all das hat Arbeitslosig- Wir werden den Antrag auf Entlassung des Bun- keit nicht reduziert, sondern im Gegenteil das Pro- desfinanzministers unterstützen. Aber ich füge hinzu: blem noch verschärft. Deshalb finde ich, Sie sollten Ich finde diesen Antrag nicht ganz ehrlich. Wer Ihre den Mut haben, die Vertrauensfrage selbst zu stellen. Reden gehört hat, weiß: Sie meinen in Wirklichkeit nicht den Bundesfinanzminister, Sie meinen den Wenn Ihre Einschätzung Ihrer Politik stimmt, Herr Bundeskanzler. Dann hätten Sie auch den Mut haben Bundeskanzler, dann können Sie es sich leisten, müssen, den Antrag zu stellen, daß der Kanzler auf- Neuwahlen herbeizuführen. Denn dann müßten Sie gefordert wird, die Vertrauensfrage zu stellen - was davon überzeugt sein, erneut die Mehrheit zu be- wir beantragt haben. kommen. Oder Sie sind selber nicht davon über- zeugt, eine Mehrheit zu bekommen, und lehnen des- (Beifall bei der PDS) halb Neuwahlen ab. Dann sind Sie aber nicht mehr berechtigt, zu regieren. Herr Bundeskanzler, ich finde, Sie sollten den Mut haben, die Vertrauensfrage von sich aus zu stellen Wer weiß, daß er nicht die Mehrheit der Bevölke- und nicht darauf zu warten, daß der Bundestag das rung vertritt, daß er nicht das Vertrauen der Mehrheit entscheidet. Die alten Grundlagen, auf denen Sie der Bevölkerung hat, der muß seine Politik ändern, Politik gemacht haben, stimmen einfach nicht mehr. der muß einem Regierungs- und Politikwechsel zu- Das müssen Sie akzeptieren. Wenn ich in andere stimmen. Deshalb sage ich: Die Kernfrage ist nicht europäische Länder gefahren bin, habe ich mich im- der Bundesfinanzminister, sondern die Kernfrage ist mer darüber geärgert, daß oft sogar Linke von Ihnen der Bundeskanzler, die Bundesregierung als Ganzes. geschwärmt oder zumindest Respekt vor Ihnen zum Deshalb müssen wir über eine Vertrauensabstim- Ausdruck gebracht mung nach Art . 68 des Grundgesetzes den Weg zur Auflösung des Bundestags und zur Anberaumung (Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl: Das zeigt, von Neuwahlen eröffnen. daß sie Verstand haben!) und gesagt haben: Das ist ein solcher Felsbrocken, Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Herr Kollege der ist nicht einzunehmen. Gysi, Sie müssen zum Schluß kommen. (Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl: Ja!) - Sie bestätigen das auch noch. Dr. Gregor Gysi (PDS): In diesem Sinne bitte ich Sie zuzustimmen. Wenn Sie, meine Damen und Her- (Dr. Wolfgang Gerhardt [F.D.P.]: Das stimmt ren von der Opposition, unserem Antrag nicht zu- ja auch!) stimmen, also dem Kanzler heute das Vertrauen aus- 15916 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 177. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 4. Juni 1997

Dr. Gregor Gysi sprechen sollten, dann sagen Sie mir morgen nicht, den wir alle - da kann ich hoffentlich auch in Ihrem daß Sie dem Kanzler nicht vertrauen. Namen sprechen - ganz besonders hoch schätzen, auch wegen seiner Sympathie für unser Land. (Beifall bei der PDS) (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Ich gebe das Das ist das Urteil eines Mannes, der Theo Waigel Wort dem Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl. durch viele Jahre hindurch aus der Nähe beobachtet hat, der mit ihm viel zusammen war, mit ihm viel ge- meinsam gestaltet hat und der jetzt natürlich nicht in Dr. Helmut Kohl, Bundeskanzler: Herr Präsident! der Wahlkampfarena steht, sondern aus der nüchter- Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es gibt nen Perspektive eines sachkundigen Beurteilers der eine Reihe von Fragen, die hier gestellt worden sind. Lage seine Meinung sagt. Dies ist eine wesentliche Ich will versuchen, der Reihe nach auf diese Fragen Meinung. einzugehen, wobei ich mir darüber im klaren bin, daß unsere Debatte über die Finanzpolitik und die Das, was Sie hier dazu gesagt haben, vor allem der Finanzprobleme auch vom Zeitmaß her vor allem Fraktionsvorsitzende Scharping, ist halt die übliche dann ihr eigenes Gewicht gewinnt, wenn wir einen Polemik. Sie gehört zum Amt eines Fraktionsvorsit- Nachtragshaushalt vorlegen oder auch nicht zenden; das weiß ich aus leidvoller Erfahrung. Aber sie gewinnt dadurch nicht an Bedeutung, weil sie (Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS sich nicht an den Tatsachen orientiert. 90/DIE GRÜNEN)

- hören Sie sich den Satz doch erst einmal an -, wenn (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) wir den Finanzplan und wenn wir den Etatentwurf 1998 vorlegen. Ich habe Verständnis dafür, daß Sie jede Gelegen- heit nutzen, um die Bundesregierung und die Koali- (Zurufe von der SPD: Oder auch nicht!) tion anzugreifen und herabzusetzen. Es ist eine an- dere Frage, ob das ein guter Stil ist. Ich habe hier Ich komme auf das Thema gleich zu sprechen. wirklich nicht die Interessen des Koalitionspartners zu vertreten. Aber ich empfinde es schon als ziemlich Vorweg aber ein Wort zum Bundesfinanzminister. eigenartig, daß Sie jetzt bei jeder Gelegenheit - daß Daß der Bundesfinanzminister im Amt bleibt, wissen die Damen und Herren von den Grünen es tun, ist Sie - die Frage hätten Sie gar nicht zu stellen brau- klar; sie wollen ja in die Ersatzfunktion des Mehr- chen -, und zwar aus vielen guten Gründen. Einen heitsbeschaffers hineinschlüpfen - die F.D.P. in dieser will ich Ihnen vorlesen. Form herabsetzen.

In den vergangenen acht Jahren habe ich Dich Ich war dabei, als Sie 1969 alles in Bewegung setz- - gemeint ist Theo Waigel - ten, um die F.D.P. in die Koalition zu bekommen. Herr Scharping, es ist erst ein Jahr her, da konnte ich als zuverlässigen, integren und soliden Kollegen beobachten, wie die Sozialdemokraten in unserem kennengelernt, als einen europäischen Deut- gemeinsamen Heimatland Rheinland-Pfalz wirk lich schen. Eine der größten Herausforderungen der alles getan haben, um die F.D.P. als Pa rtner zu gewin- Gegenwart ist die Vollendung der Wirtschafts- nen. Sie haben ein Superministerium für den F.D.P.- und Währungsunion. Du hast selbst immer wie- Landesvorsitzenden geschaffen, so daß für andere der betont, daß die vollständige Erfüllung der gar kein Job mehrfrei war. WWU-Kriterien von größter Bedeutung ist und bleibt. Die teilnehmenden Länder müssen von (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU Anfang an eine perfekte Kondition haben. Mit und der F.D.P.) diesem Ziel vor Augen ist nicht zuletzt dank Dei- nes Einsatzes der Stabilitätspakt geschlossen Wissen Sie, Herr Scharping, wenn jemand aus worden. Laß uns auch weiterhin gemeinsam einem anderen Bundesland dies gesagt hätte, in dem daran arbeiten, daß wir demnächst einen stabilen es keine sozialliberale Koalition gibt, dann hätte ich und starken Euro haben. es noch verstehen können. Aber wenn man aus Das, meine Damen und Herren, ist das Urteil eines Lahnstein in Rheinland-Pfalz kommt, wenn man ge- Mannes, den ich besonders hoch schätze, des nieder- rade noch Ministerpräsident in Rheinland-Pfalz war, wenn man alles dafür getan hat, daß sein Nachfolger ländischen Ministerpräsidenten Wim Kok. im Amt bleibt, dann darf man hier doch nicht über (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) die Kolleginnen und Kollegen der F.D.P. in einer so verächtlichen Weise reden. Das ist ziemlich armselig. Das ist nicht irgend jemand, das ist ein Mann, der durch viele Jahre hindurch den niederländischen (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Gewerkschaftsbund führte, der ein besonders erfolg- reicher Finanzminister war und auch ein besonders In der deutschen Sozialdemokratie gibt es schließ- erfolgreicher Ministerpräsident ist, lich genug Leute, die den täglichen Umgang mit den Grünen, wie sie in Nordrhein-Westfalen jedermann (Zuruf von der SPD: Allerdings!) beobachten kann, nicht für ein Unternehmen mit Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 177. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 4. Juni 1997 15917

Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl Lustgewinn, sondern für eine Sache halten, die nur seine Kompetenz, seine Zuverlässigkeit und seine schwer zu ertragen ist. Kameradschaft schätzen. Sie können ihn kritisieren; das ist ja in Ordnung. Aber hören Sie auf, einen (Joseph Fischer [Frankfu rt] [BÜNDNIS 90/ Mann in der Weise persönlich herabzusetzen, wie DIE GRÜNEN]: Im Gegensatz zu Ihrem Ver das heute hier geschehen ist! halten!) (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) - Herr Abgeordneter Fischer, ich weiß, daß Sie von dem Traum leben, Ersatz-F.D.P. zu werden. Sie wer- In diesem Zusammenhang - ich komme gleich auf den es aber nicht, in gar keiner Weise. Ihre Wahlvorstellungen zu sprechen - sollten wir hier die Frage aufwerfen, wer eigentlich in Ihrer Konzep- (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) tion die Finanzpolitik personalisiert. Sie sind bisher Zurück zum Bundesfinanzminister: Theo Waigel nicht einmal in der Lage, zu sagen, wer Spitzenkan- hat in den acht Jahren, in denen er im Amt ist, in didat wird. einer ganz entscheidenden Weise die deutsche Poli- (Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ tik und die europäische Politik geprägt. Im Gegen- DIE GRÜNEN - Joseph Fischer [Frankfu rt] satz zu vielen, die jetzt ihre Stimme erheben, hat er [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ob Sie das die Idee der deutschen Einheit ohne Wenn und Aber bleiben, wenn Sie so weitermachen?) verfolgt und dafür gearbeitet. Dafür verdient er Dank und Anerkennung. - Sie sind nicht einmal in der Lage, diese Frage zu beantworten. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. - Abg. Dr. Barbara Hendricks [SPD] meldet Theo Waigel ist ein exzellenter Finanzminister. Er sich zu einer Zwischenfrage) hat selbstverständlich nicht nur das Vertrauen der Koalition, sondern auch mein Vertrauen. Sie können Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Herr Bundes- noch viele Anträge stellen. Er ist und bleibt Finanz- kanzler, gestatten Sie eine Zwischenfrage? minister. Das ist das, was zu sagen ist. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Bundeskanzler: Nein. Dr. Helmut Kohl, Ich will nun ein Wort zu dem Thema Unabhängig Daß wir in diesen Jahren so gewaltige Hilfen ge- keit der Bundesbank sagen. Ich bin schon sehr er- ben konnten, die notwendig waren und von uns - je- staunt über das, was ich jetzt aus Ihren Reihen höre; denfalls in der Koalition - rundum unterstützt wur- denn in den vergangenen Jahren habe ich bei be- den, ist auch ein Erfolg seiner Finanzpolitik. stimmten Zinsentscheidungen der Bundesbank re- gelmäßig scharfe Kritik auch von hier im Saal Anwe- Wenn hier der Vertreter einer Gruppe aus der frü- senden gehört. Ich habe mich selbst dann, wenn ich heren DDR, die ja im Geist der früheren Machthaber anderer Meinung war - diese Beispiele gab es selbst- operiert, ausgerechnet zum Thema Erblastentil- verständlich -, der entsprechenden Kritik niemals an- gungsfonds so spricht, dann muß ich ihm sagen: Es geschlossen, weil ich der Meinung bin und bleibe, ist nahezu unerträglich, mit welcher Frechheit die daß die Unabhängigkeit der Bundesbank für uns ein historischen Tatsachen verdreht werden. wichtiges Gut ist. Dies wird erhalten. Es gibt keinen (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Grund, an diesem Punkt Veränderungen vorzuneh- men. Sehen Sie sich die Gesamtbeträge des Transfers von West nach Ost in diesen Jahren an und verge- (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) genwärtigen Sie sich - das gehört in die Rechnung - In den Grundfragen unserer Politik wurde in den der Hilfen, die die Deutschen insgesamt an andere jetzt beinahe anderthalb Jahrzehnten meiner Regie- Länder gegeben haben -, daß wir seit 1989 Hilfen in rungszeit deutlich, daß es keine grundsätzlichen Dif- Höhe von fast 200 Milliarden DM für Mittel-, Ost- ferenzen gibt. Die Bundesbank genießt uneinge- und Südosteuropa sowie die Nachfolgestaaten der schränkten Respekt. Aber das kann doch nicht be- Sowjetunion geleistet haben. Wenn Sie dann sagen, deuten - das sehen auch Sie in Wahrheit so -, daß wir das Ansehen der Bundesrepublik oder ihres Regie- in Einzelfragen immer übereinstimmen müssen. rungschefs sei do rt gesunken, dann erkundigen Sie sich dort doch: Sie finden keinen einzigen, der nicht Daß es Differenzen in Einzelfragen gibt, ist nicht bei jeder Gelegenheit klar und deutlich sagt, er sei neu. Wenn Sie die Geschichte der Bundesbank und dankbar, daß die Deutschen heute die besten Nach- die Geschichte der Bundesrepublik nachzeichnen, barn und Partner - auch auf dem Weg in die NATO dann werden Sie diesbezüglich viele Beispiele fin- und in die EU - seien. Das alles hat sehr viel mit der den. Ich will zwar auf die Details nicht eingehen, Arbeit von Theo Waigel zu tun. aber ich will erwähnen, daß ich mich sehr konkret daran erinnern kann, wie zwischen meinem Amts- (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) vorgänger und der Bundesbank im Zusammenhang Ich sage noch einmal ganz klar: Er ist auch einer mit der Einführung des Europäischen Währungssy- der Vorkämpfer für die Wirtschafts- und Währungs- stems erhebliche Diskussionen aufgekommen sind. union. An vielen Beispielen läßt sich ganz leicht Die Geschichte und die Entwicklung haben Helmut nachweisen, daß seine Kollegen, die mit ihm im Rah- Schmidt recht gegeben. Daß wir auf diesem Feld men des Ecofin einmal im Monat zusammentreffen viele Schritte weitergekommen sind, hat aber auch und mit ihm seit vielen Jahren zusammenarbeiten, mit der Unabhängigkeit der Bundesbank zu tun. 15918 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 177. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 4. Juni 1997

Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl Ich habe das Jahr 1990 noch in Erinnerung. Da- Finanzen und der Bundesbank statt. Abschließend mals gab es durchaus unterschiedliche Meinungen. werden die Ergebnisse in die Ausschußarbeit des Neben dem Respekt vor der Bundesbank gibt es Bundestags eingebracht. auch den Respekt vor der politischen Verantwor- tung der gewählten Gremien unseres Volkes, der Hier kann ich anfügen - was Sie wissen, aber ver- Parlamente, des Bundesrates und der Bundesregie- schwiegen haben -, daß der Bundesbankpräsident rung. Deswegen muß es möglich sein - diese Be- und der Bundesfinanzminister in den zuständigen merkung stellt keine Beeinträchtigung der Zusam- Ausschuß kommen; das ist bereits längst vereinbart. menarbeit dar -, über Probleme auch streitig mitein- Und das ist genau das, was Theo Waigel der Bundes- ander zu reden. tagsfraktion - und auch der Presse - gesagt hat. Ich habe ein Exemplar der Rede vor mir liegen. Ich will noch ein Wort zu dem sagen, was eben der Sprecher der Grünen gesagt hat. Ich habe an dem Seit einer Stunde gibt es eine Erklärung der Bun- Treffen der Banker in Interlaken zum erstenmal teil- desbank. Darin heißt es: genommen und habe über diese Fragen sehr lange - über drei Stunden - intensiv diskutiert. Ich bin von Meldungen, wonach Bundesbankpräsident Pro- dort nicht mit dem Gefühl weggegangen, daß man fessor Dr. Tietmeyer ein Ergebnis der Gespräche dort die Meinung hat, der Weg, den wir für richtig mit Bundesfinanzminister Dr. Waigel dementiert halten, sei nicht vertretbar. Daß unterschiedliche habe, sind unzutreffend. Er hat, wie auch Bun- Meinungen bestehen, ist doch ganz klar. Ich muß desfinanzminister Dr. Waigel, klargemacht, daß damit leben, daß Bankiers in Deutschland und auch noch keine formelle Einigung vorliegt. Die zu- international anderer Meinung sind. Ich weiß nicht, ständigen Gremien müssen sich erst noch mit ob es gut wäre, wenn unsere Politik immer durch die dem Ergebnis der Gespräche befassen. Bankiers unterstützt würde. Das Thema Volkspartei haben Sie eben zu Recht angesprochen. Nicht mehr und nicht weniger hat Theo Waigel ge Jetzt zu dem gestrigen Tag und dazu, was Sie jetzt stern und heute gesagt. daraus zu machen versuchen. Was war? Es gab das Gespräch, das wir verabredet hatten, mit dem Präsi- (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. - denten der Bundesbank und dem Bundesfinanzmi- Dr. Peter Struck [SPD]: Das stimmt doch gar nister. Es war doch völlig selbstverständlich, daß der nicht!) Präsident der Bundesbank, wie übrigens auch der Bundesfinanzminister, ihre Meinungen austausch- Meine Damen und Herren, bei dieser Debatte ten. Beide sind aber an die Beschlüsse ihrer Gremien geht es Ihnen aber gar nicht um den Ablauf. Sie gebunden. Der Bundesfinanzminister ist an das ge- wollen vielmehr eine Chance nutzen - unterstützt bunden, was im Kabinett beschlossen worden ist. von diesem oder jenem außerhalb dieses Saales -, Der Bundesbankpräsident ist an die Entscheidungen den Bundesfinanzminister in seinem Ansehen her- des Zentralbankrats gebunden. Was ist daran jetzt ei- abzusetzen und der Bundesregierung zu schaden. gentlich das Besondere? Das ist Ihr eigentliches Ziel, nicht mehr und nicht weniger. Die beiden haben gesagt - ich zitiere es wörtlich -: (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. - Am Schluß des Gespräches wurde folgende Joachim Poß [SPD]: Er demontiert sich Sprachregelung vereinbart: selbst! - Joseph Fischer [Frankfu rt] (Zurufe von der SPD: „Sprachregelung"?!) [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das kriegen - Sie doch am besten hin! - Weitere Zurufe - Was haben Sie an dem Wort auszusetzen? von der SPD)

(Lachen bei der SPD) Wir werden die Gespräche mit der Bundesbank so führen, wie es sich gehört: in aller Sachlichkeit und Ich würde erst einmal das Ende des Zitats abwarten. ohne gegenseitige Beschimpfungen. Wir werden ein 1. Bundesfinanzminister Dr. Theo Waigel und gutes Ergebnis erzielen; das kann man schon jetzt Bundesbankpräsident Dr. Hans Tietmeyer haben voraussagen. heute Eines ist für mich schon ziemlich erstaunlich: Ich - am 3. Juni- habe in vielen Gesprächen, auch in manchen öffent- lichen Darlegungen gehört, wer auch in Ihrem Lager ein Gespräch über die in Aussicht genommene - das mache ich niemandem zum Vorwurf - in den Neuregelung der Bewe rtung in der Bundesbank- vergangenen Jahren angesichts der erheblichen Pro- bilanz geführt. bleme der Finanzausstattung der Bundesrepublik für 2. Es gibt ein ernsthaftes Bemühen um eine ein- internationale und nationale Verpflichtungen, etwa vernehmliche Lösung für eine Neubewertung im Hinblick auf die neuen Länder und den Erblasten- einzelner Positionen im Jahresabschluß 1997 mit tilungsfonds, gesagt hat: Kann man nicht dieses oder Zahlungswirkung in 1998. jenes an Hilfe durch die Bundesbank mobilisieren? Ich habe darauf nie geantwortet, weil ich finde, daß Was die einzelnen Regelungen angeht, finden jetzt das, was wir tun, möglichst in Gemeinsamkeit mit Gespräche zwischen dem Bundesministerium der der Bundesbank geschehen muß. Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 177. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 4. Juni 1997 15919

Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl Da diese ganze Sache das Thema Euro, das Thema hinweisen, daß die Deutschen mehr als alle anderen Europa berührt, will ich auch hierzu eine kurze Be- dafür die Zeche zahlen würden. Eine Verschiebung merkung machen. Wie jeder weiß, treffen sich die der Währungsunion hätte notwendigerweise enorme Staats- und Regierungschefs in 14 Tagen, am 16. und Folgen für die Finanzmärkte. Diese Folgen beträfen 17. Juni, zur nächsten Konferenz in Amsterdam, um den Wechselkurs zwischen Dollar und D-Mark und den, wie wir das hierzulande nennen, zweiten Maas- würden vor allem bedeuten, daß der deutsche Expo rt tricht-Vertrag - wie ich hoffe, gemeinsam - zu ver- wieder sehr viel teurer wird, als das Gott sei Dank abschieden. Dies wäre ein wesentlicher Fortschritt jetzt der Fall ist. Man kann nicht von einem Kampf beim Bau des Hauses Europa. Einer der wichtigen gegen die Arbeitslosigkeit sprechen, wenn man nicht Punkte in Amsterdam ist die Vorbereitung der dritten daran denkt, daß durch eine solche Entwicklung die Stufe der Europäischen Wirtschafts- und Währungs- für uns wichtige Säule, der Expo rt, beschädigt union. würde. Deswegen gilt beides: Zeitplan und Kriterien für den Euro. Dazu stehen wir, dafür kämpfen wir, Deswegen will ich für die Bundesregierung und und dafür treten wir ein. die Koalition noch einmal ganz klar sagen: Es gibt für uns überhaupt keinen Zweifel: Wir brauchen die ge- (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) meinsame europäische Währung. Das ist die Grund- voraussetzung für Frieden und Freiheit, weil sie eine Ich halte überhaupt nichts davon - das habe ich Grundvoraussetzung für den Bau des Hauses Europa schon an früherer Stelle gesagt -, wenn wir darüber darstellt. Unsere Politik hat sich in nichts verändert. diskutieren, ob andere die Kriterien erfüllen oder Wir brauchen die gemeinsame Währung, wir brau- nicht. Ich warne davor, daß wir angesichts politischer chen den Euro als eine notwendige Ergänzung zum Veränderungen in unserer Nachbarschaft in jüngster gemeinsamen Binnenmarkt. Wir brauchen diese Ent- Zeit wieder eine Diskussion beginnen, in der die scheidung auch, um den Standort Europa insgesamt Frage aufgeworfen wird: Werden die das wollen oder zu festigen. nicht? Ich bin dafür, daß jedes Land für sich seine Entscheidung trifft und man erst zu dem Datum, an (Joachim Poß [SPD]: Brauchen wir auch 3,0? dem die Qualifikation der einzelnen Länder geprüft - Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ wird - im April oder Mai nächsten Jahres, so wie es DIE GRÜNEN]: Wie ist es mit Steuererhö vorgesehen ist -, darüber spricht, aber nicht vorher. hungen?) Das heißt für mich ganz konkret, daß jeder von uns seine Verantwortung wahrnehmen muß. Wir in Die Idee, die es überall in Europa, auch bei uns in Deutschland müssen die notwendigen Entscheidun- Deutschland, gibt, daß zur Bewältigung der Pro- gen treffen, um diesen Kriterien zu entsprechen. bleme des nächsten Jahrhunderts, zur Sicherung von Frieden, Freiheit und Wohlstand in Europa eine ge- (Joseph Fischer [Frankfu rt] [BÜNDNIS 90/ hobene Freihandelszone ausreicht, entspricht nicht DIE GRÜNEN]: Wann? Wie? Steuererhö unserer Meinung. Wir werden auch weiterhin in die- hungen?) sem Sinne für die Vollendung des Ziels der Wirt -schafts- und Währungsunion kämpfen. - Das heißt im Klartext, daß alle Voraussetzungen für die zweite Hälfte des jetzt laufenden Haushalts und (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ für den Haushalt 1998 in diesem Sinne geschaffen DIE GRÜNEN]: Und deswegen erhöhen Sie werden müssen. die Mineralölsteuer?) (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ Das heißt, wir müssen heute von diesem Platz aus DIE GRÜNEN]: Aha!) deutlich machen, daß wir auch mit Blick auf die Fi- nanzmärkte alles tun werden, damit der Euro- kommt, Darüber hinaus müssen wir notwendigerweise auch und zwar als eine gemeinsame europäische Währ- das Jahr 1999 in die Betrachtungen einbeziehen, ung, als ein tragender Pfeiler des Hauses Europa. denn die Bundesregierung ist fest entschlossen, den Etatentwurf für 1999 im Sommer 1998 ordnungsge- (Joseph Fischer [Frankfu rt] [BÜNDNIS 90/ mäß vorzulegen. DIE GRÜNEN]: Wann knickt die F.D.P. ein?) Das heißt im Klartext, daß wir jetzt über die finan- Dies ist eine historische Chance. Wer dies nicht be- ziellen Gegebenheiten zu reden haben. Das wird greift, dem ist sowieso nicht zu helfen. Die Chance, konkret so geschehen, wie ich es in der letzten Sit- die sich jetzt bietet, kommt nicht wieder. Auch das zung schon von diesem Pult aus gesagt habe - daran muß man klar und deutlich aussprechen. wird nichts geändert -, daß wir im Laufe des Juli, ver- (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) mutlich in der ersten Julihälfte, den Etatentwurf . 1998 im Kabinett diskutieren und verabschieden. Gleich- Deswegen wird die Bundesregierung, wird die Koali- zeitig werden wir dann über den Finanzplan und tion und werde vor allem ich selbst alles tun, damit ebenfalls - wie ich hier in der letzten Sitzung schon der Zeitplan und die Kriterien eingehalten werden. gesagt habe - darüber zu befinden haben, ob sich eine Notwendigkeit für einen Nachtragshaushalt er- Ich will warnend all jene darauf hinweisen, die mit gibt oder nicht. Diese wichtigen Aufgaben werden diesem Gedanken spielen: Wenn man den Zeitplan wir, wie es die Ordnung gebietet, in diesen Tagen jetzt ändert und diese große Entscheidung ver- diskutieren und auch miteinander verabschieden. schiebt, werden die Probleme nicht geringer. Das be- streite ich ganz entschieden. Ich will vor allem darauf (Zuruf von der SPD: Chaos!) 15920 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 177. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 4. Juni 1997

Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl - Es zeigt die ganze Absurdität Ihres Denkens, daß Natürlich können Sie sagen: Wir warten in dieser Sie, wenn man ein schwerwiegendes Problem mit- Sache ab, bis die Vorlage im Bundesrat ist, und dann einander diskutiert und um den besten Weg ringt, werden wir den normalen Weg des Vermittlungsaus- von Chaos sprechen. Das zeigt doch, daß Sie eine schusses beschreiten. Politikvorstellung haben, die von der Wirklichkeit meilenweit entfernt ist. Das kann man machen. Denn Sie wissen so gut wie ich - jeder im Saal weiß es -, daß die Steuerre- (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) form kommt. Das ist ganz eindeutig und klar abseh- bar. Es ist auch gar nicht zu vermeiden, daß sie Es ist mir auch ziemlich gleichgültig, ob Sie diese kommt, weil die Interessen der Länder Sie zwingen. Meinung vertreten oder nicht. Ich weiß nur eines, Sie können machen, was Sie wollen, Sie können Par- daß wir angesichts dieser großen Probleme, die ganz teipräsidiumsbeschlüsse fassen, soviel Sie wollen, unbestreitbar vorhanden sind, bei den eben genann- diese Steuerreform wird kommen. Sie wird nicht so ten Entscheidungen - Nachtragshaushalt ja oder kommen, wie wir sie vorgelegt haben. Auch das ist nein, Finanzplan und Etatentwurf 1998 - die Dinge in klar. alle Richtungen abzuwägen haben. Wir werden dabei aber zu Regelungen kommen, (Dr. Peter Struck [SPD]: Mineralölsteuerer von denen ich ganz sicher bin, daß sie dem Land wei- höhung!) ter voranhelfen. Die Frage ist nur, ob es Ihre Betrach- Ich bin ganz sicher, daß wir die Probleme meistern tungsweise und politische Opportunität ist, dies zu werden. Die Ausgangslage für die Entwicklung un- verzögern - Sie sagen doch andauernd, Sie wollten serer Wirtschaft hat sich wesentlich verbessert. Die etwas gegen Arbeitslosigkeit tun -, oder ob wir eine im voraus geschätzten Wachstumsraten werden sich schnellere Belebung von wichtigen Wirtschaftsberei- erfüllen, das ist inzwischen für jedermann erkennbar. chen erreichen, wenn wir in der Sache selbst schnel- Natürlich werden wir weiterhin das Hauptproblem ler handeln. Das ist doch die Grundfrage. Die stellt dieses Jahres angehen müssen: Die Bekämpfung der sich an Sie. Das hat Wolfgang Schäuble ja gerade Arbeitslosigkeit ist die größte innenpolitische Her- eindeutig bewiesen. ausforderung. Aber Arbeitslosigkeit kann man nur bekämpfen, wenn man die notwendigen Reformvor- (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) haben durchsetzt. Wenn ich mir beispielsweise in be- Sie mögen auch in Ihrer Haltung verharren, daß zug auf die Lohnnebenkosten Ihre Haltung zur Ren- die Reformen, die überfällig sind, jetzt hinausgezö- tenreform anschaue, kann ich nur sagen: Es ist ab- gert werden. Das ist Ihre Sache. Sie haben ja in die- surd, daß Sie Tatsachen leugnen, die nicht politisch sen Tagen oft tief Luft geholt und gesagt: Das ist ein geschaffen sind, sondern durch die demographische prima Wahlergebnis. - Es sind ja auch prima Wahler- Entwicklung in Deutschland. gebnisse auf Ihrer Seite - nicht hier, aber anderswo. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Sie denken, daraus könnten Sie Nektar gewinnen. Ich kann nur sagen: Wenn Sie sich an modernen Füh- Vom Deutschen Gewerkschaftsbund bis hin zu den rern von sozialdemokratischen Parteien orientieren, Sachverständigen vieler Verbände sagen nahezu dann müssen Sie selbst modern werden. Davon aber alle, daß wir den demographischen Entwicklungen sind Sie weit entfernt. Rechnung tragen müssen. Sie können leicht sagen, wir brauchen es nicht, weil Sie hier auf der Oppositi- (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) onsbank sitzen und nicht in der Verantwortung ste- Ihre Haltung zu den überfälligen Reformen wird hen und auch nach dem September 1998 keine Ver- angesichts des Beispiels deutlich, das ich noch ein- antwortung übernehmen werden. - mal nennen möchte und das besonders bedrückend (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) ist, nämlich das Beispiel der Rentenreform, deren Da- ten Sie genau kennen und die täglich neu in der Bun- Wir haben - dies ist ganz unbestreitbar - gerade desrepublik für jedermann erkennbar sind: zum Bei- bei der letzten Steuerschätzung erleben müssen, daß spiel die niedrige Geburtenrate, die erfreuliche Ent- die Entwicklung bei den Steuereingängen - das ist ja wicklung, daß die Lebenserwartung der Menschen nicht nur ein Problem des Bundes, sondern gilt auch steigt und die Tatsache, daß unser Ausbildungssy- für alle anderen Bereiche, auch für die Länder - zu stem hinterherhinkt. Es ist ein unhaltbarer Zustand, erheblichen zusätzlichen Problemen führt. Deswe- daß junge Akademiker in Deutschland mit 30 und in gen ist es mir um so unverständlicher, warum es nicht anderen EU-Ländern mit 25 Jahren von der Universi- möglich ist, daß wir uns ungeachtet unterschiedlicher tät abgehen. Sie können da nicht sagen, schuld sei Meinungen zusammensetzen und wenigstens be- die Bundesregierung. Sie haben in der Mehrzahl der stimmte Kapitel und Teile aus der Steuerreform vor- Länder der alten Bundesrepublik die Regierungsver- ziehen. antwortung. Tun Sie endlich etwas, bevor Sie hier über solche Themen reden. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.) (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Es ist ja bis in diese Tage hinein immer wieder der Jetzt noch zu dem Thema, das natürlich auch noch Vorschlag gemacht worden. Wenn ich die Berichte angesprochen werden muß: Die Koalition habe keine aus der Anhörung im Finanzausschuß über die Vorla- Mehrheit. Das höre ich unentwegt. Das höre ich seit gen lese, dann kann ich doch in vielen Bereichen der letzten Bundestagswahl, wie ich in diesen Jahren überwiegend positive Reaktionen feststellen. auch unentwegt höre: Ihr seid am Ende; ihr müßt ab- Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 177. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 4. Juni 1997 15921

Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl treten. - Darüber sind jetzt schon beinahe anderthalb Auch das gehört zum Alltag der Politik. Das hatten Jahrzehnte vergangen. Immer wieder kommt das wir auch in unserer Partei schon ; deswegen rege ich gleiche. mich darüber nicht auf. Es ist ja in Ordnung, daß Sie die Hoffnung nicht Dann haben wir die Wahl in Sachsen-Anhalt. Sie aufgeben. Zum Hinweis auf Wahlen kann ich nur sa- sehen, daß der Wahlkampf do rt voll im Gang ist. Das, gen: Wir haben doch jetzt einen Wahltermin: Am was Herr Höppner tut, ist nichts anderes als eine Ab- 27. September 1998 ist Bundestagswahl. Sie sind sicherung seiner Nichtmehrheit durch die Stimmen doch schon mitten dabei - auch das ist in Ordnung -, der PDS. Dann haben wir die Wahl in Bayern. Sie ha- den Wahlkampf zu strukturieren. Sie versuchen doch ben vorhin selbst gesagt, daß die CSU eine mächtige schon, die neue Koalition mit dem gemeinsamen Auf- Partei ist. Das wird sie zu ihrer Freude auch bleiben. treten der Spitzenleute deutlich zu machen. (Beifall bei der CDU/CSU) Wenn Sie in die neuen Länder gehen, dann kön- nen Sie doch sehen, wie Ihre örtlichen Mandatschefs Dann haben wir die Bundestagswahl. Vor der Bun- den Kontakt zur PDS suchen, damit sie den Rest auch destagswahl werden wir uns im Bund und in den Ländern kämpferisch über alles auseinandersetzen, noch finden. was ansteht. Herr Ministerpräsident, Sie werden (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge gleich hier sprechen. Wir haben inzwischen eine selt- ordneten der F.D.P. - Widerspruch bei der same Entwicklung: Man muß dasitzen, bis alle ge- SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) sprochen haben. Hören Sie doch einmal hin, wie Herr Höppner in (Zurufe von der SPD) Sachsen-Anhalt versucht, sogenannte intellektuelle Angebote an die PDS zu machen! Aber, Herr Ministerpräsident, ich muß Ihnen zwei Dinge sagen. Erstens. Das, was Sie über die Kollegin- (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ nen und Kollegen des Deutschen Bundestages ge- DIE GRÜNEN]: Die Not ist groß!) sagt haben, sollten Sie heute in Ordnung bringen. Das ist doch ganz klar das Szenario. Ich verstehe (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) gar nicht, warum Sie dies nicht zugeben. Sie können doch ganz einfach sagen: Ja, wir wollen, daß diese Zweitens. Ich will das Thema jetzt nicht vertiefen, Koalition, diese Bundesregierung und der Bundes- aber wir müssen auch über das sprechen, was in den kanzler abtreten. Das ist Ihr gutes Recht. einzelnen Bundesländern, in denen die Sozialdemo- kraten die Verantwortung tragen, geschieht. Beson- (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der ders in den Ländern, deren Sozialdemokraten auch PDS) bundespolitisch hervortreten, gibt es unglaubliche Rechnungslegungen. - Ich finde es schon eigenartig, daß Sie Ihre eigenen Wünsche beklatschen müssen. (Dr. Peter Struck [SPD]: Baden-Württem berg!) (Heiterkeit bei der CDU/CSU und der F.D.P.) - Ich würde als Niedersachse in bezug auf Bayern und Baden-Württemberg meinen Mund halten. Das verstehe ich nun überhaupt nicht. Es ist doch Wenn ich aus Niedersachsen käme, würde ich davon nicht wie früher, als Breschnew und andere da wa- nicht sprechen. Aber das ist Ihre Sache. ren, wo alle aufgestanden sind und geklatscht haben. Ich muß doch davon ausgehen, daß das, was Sie wol Wir haben zwei Dinge zu tun. Erstens: Wir müssen len, für Sie eine Selbstverständlichkeit ist.- Daß man vor allem unserer Verantwortung für die wirtschaftli- sich selbst beklatschen muß, ist mir völlig neu. Aber che Entwicklung und für den Kampf gegen die Ar- ich muß jeden Tag dazulernen. beitslosigkeit gerecht werden. Das muß im Vorder- Ich sage es noch einmal: Wir haben jetzt genügend grund stehen. Deswegen haben wir unsere Reformen Gründe für kämpferische Auseinandersetzungen. auf den Weg gebracht. Deswegen haben wir viele Das ist vor einer Wahl immer so. Wir haben in ein Gesetze gegen den erbitterten Widerstand von Ihrer paar Monaten die Wahl in Hamburg. Sie sehen Seite durchgesetzt. Sie werden auch ihre Wirksam- schon, wie sich der Hamburger Bürgermeister in der keit haben. Es wird vielleicht langsam gehen, aber es Steuerdebatte nach vorne rudert, damit die Leute auf wird gehen. Zweitens haben wir dann genug Zeit, der Elb-Chaussee erkennen können, daß auch ein uns in der politischen Arena über Ihren und über un- Bürgerlicher ihn wählen kann. seren Weg auseinanderzusetzen. (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ Dann lassen Sie uns den Abend jenes September- DIE GRÜNEN]: Nur kein Neid! - Gegenruf tages abwarten, um zu sehen, was die Wähler sagen. des Abg. Dr. Wolfgang Gerhardt [F.D.P.]: Ich bin guter Dinge: Ihre Erwartungen werden ein- Der will den Euro verschieben!) mal mehr nicht in Erfüllung gehen, und das ist gut so. Wolfgang Schäuble hat das wunderbar dargestellt. (Langanhaltender Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Dann haben wir im nächsten Frühjahr die Wahl in Niedersachsen. Alles ist vorbereitet, damit der Spit- zenkandidat vielleicht doch noch zum Zuge kommt - Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Bevor ich das soweit nicht Herr Lafontaine ihm den Weg versperrt. Wort erteile, möchte ich den Mitgliedern des Hauses 15922 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 177. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 4. Juni 1997

Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch sagen, daß ich Grund zu der Annahme habe, daß der tion gebraucht wurden. So hat beispielsweise der Ministerpräsident Lafontaine In seiner Rede Bemer Bundeskanzler sie als Schreihälse bezeichnet. kungen zu den Äußerungen machen wird, die Ge- genstand einer Beschlußfassung des Ältestenrates (Michael Glos [CDU/CSU]: Zu Recht!) waren. Dies wollte ich vorausgeschickt haben. Ich habe Ihnen, Herr Dr. Schäuble, vorhin zugehört. Sie haben ein Verfassungsorgan, den Bundesrat, mit Ich gebe das Wo rt dem Ministerpräsidenten des der Verbalinjurie „Affentheater" bedacht. Das legt Saarlandes, Oskar Lafontaine, als Mitglied des Bun- zumindest den Schluß nahe, daß damit diejenigen, desrates. die in diesem Verfassungsorgan mitwirken, in die (Joachim Poß [SPD]: Das stand Ihnen nicht Nähe von Affen gerückt werden. zu, Herr Hirsch! Wechseln Sie den Stuhl! - (Lebhafte Zurufe von der CDU/CSU: Pfui! - Weitere Zurufe von der SPD) Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: Jetzt weichen Sie nicht aus!) Ministerpräsident Oskar Lafontaine (Saarland): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Dies alles vorausgeschickt, Herr Kollege Dr. Schäu- Herren! Ich bin mehrfach aufgefordert worden, mich ble, stelle ich fest - insbesondere nach Ihren Äuße- zu der Tatsache zu äußern - - rungen -: (Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: Sie (Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: Zu müssen sich entschuldigen!) entschuldigen! Das ist eine Ungeheuerlich keit! - Weitere lebhafte Zurufe von der Es ist unangemessen, einen einzigen hier in diesem CDU/CSU) Hause als Flasche oder als Pfeife zu bezeichnen. - Herr Kollege Schäuble, ich habe Ihre Ausführun- (Beifall bei der SPD - Anhaltende Zurufe gen zur Kenntnis genommen. Beruhigen Sie sich; Sie von der CDU/CSU und der F.D.P.) werden meine Stellungnahme hören. Meine Damen und Herren, ich komme jetzt zur Sa- (Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: Die che. Nazis und die Kommunisten haben das (Zurufe von der CDU/CSU) auch über das Parlament gesagt!) Ihr lautes Reden - das Wo rt „Schreihälse" benutze - Beruhigen Sie sich! ich nicht - imponiert mir überhaupt nicht. (Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: Bitte (Michael Glos [CDU/CSU]: Sehr schwach!) entschuldigen Sie sich erst!) Ich komme jetzt zur Sache. Ich hatte auf Gewerkschaftskundgebungen zu- (Zurufe von der CDU/CSU: Entschuldigen nächst einmal gegen diejenigen polemisiert, die stän- Sie sich! - Entschuldigung!) dig Kohlevereinbarungen brechen, und sie als Fla- schen bezeichnet. Ich hatte auf Gewerkschaftskund- Der Bundeskanzler hat vorhin in einer schwierigen gebungen gegen diejenigen polemisiert, die gegen Situation der deutschen Wirtschafts- und Finanzpoli- Entsenderichtlinien und die Verbindlichkeitserklä- tik eine Rede gehalten und hat zunächst im Hinblick rung eintreten, und sie als Pfeifen bezeichnet. auf den Antrag der Fraktion der SPD und des Bünd- nisses 90/Die Grünen, den Finanzminister zu entlas- (Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: Sie sen, erklärt, daß er hinter dem Finanzminister steht. haben sich danebenbenommen!) Zu diesem Zweck hat er den Ministerpräsidenten der - Sie, Herr Kollege Dr. Schäuble, und andere haben Niederlande, Wim Kok, zitiert. daraus unzulässigerweise die Behauptung abgelei- (Abgeordnete der CDU/CSU verlassen den tet, ich hätte alle Kolleginnen und Kollegen des Deut- Plenarsaal - Anhaltende Zurufe von der schen Bundestages mit diesen Verbalinjurien belegt. CDU/CSU - Gegenrufe und weitere Zurufe (Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: Das von der SPD - Joachim Poß [SPD]: Herr Prä war Kollege Schulz! - Weitere Zurufe von sident, nehmen Sie Ihre Aufgabe wahr! - der CDU/CSU) Glocke des Präsidenten) Es gibt Kollegen in diesem Hause, die nicht dafür sind, Kohlevereinbarungen zu brechen, und es gibt Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Einen Augen- blick, meine Kollegen. Kollegen in diesem Hause, die für Entsenderichtli- nien sind, weil ihnen die Dumping-Praktiken auf (Zuruf von der SPD: Unglaublich, dieser Baustellen ein Ärgernis sind. Vorsitzende!) (Beifall bei der SPD und der PDS - Lebhafte Der Ministerpräsident des Saarlandes hat das verfas- Zurufe von der CDU/CSU und der F.D.P.: sungsmäßige Recht, in diesem Hause zu reden. Wir Pfui! - Buh! - Glocke des Präsidenten) werden ihm dieses Recht zu reden nicht nehmen. Ich bitte also um Ruhe. Ansonsten wäre ich verpflichtet, Ich habe an dem Tag, an dem mir die Mißbilligung die Sitzung zu unterbrechen. des Ältestenrates telefonisch zur Kenntnis gebracht wurde, nachgelesen, welche Verbalinjurien an die- Das Wort hat der Ministerpräsident des Saarlandes sem Tag hier gegenüber den Kollegen der SPD-Frak als Mitglied des Bundesrates. Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 177. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 4. Juni 1997 15923

Ministerpräsident Oskar Lafontaine (Saarland): Ich mand hat mehr dafür getan als Sie, Ihre Koalition bedanke mich, Herr Präsident. und der Finanzminister selbst, um das Ansehen die- ses Landes und der Bundesregierung in der interna- Ich habe festgestellt, daß sich der Bundeskanzler tionalen Diskussion herabzusetzen. unter Verwendung eines Zitates des niederländi- schen Ministerpräsidenten Wim Kok schützend vor (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne den Finanzminister gestellt hat. Er wollte damit bele- ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN gen, daß der Antrag der Oppositionsfraktionen, den und der PDS) Finanzminister zu entlassen, unangemessen sei. Sie haben den Euro als eine historische Chance be- Er hat in diesem Zusammenhang das Wo rt „Herab- zeichnet. Ich stimme für die SPD dieser Aussage zu. setzung" des Finanzministers gebraucht, und er Ich stimme auch der Aussage zu, daß wir, wenn der meinte, es sei der Versuch unternommen worden, Euro scheitert, kaum eine Möglichkeit haben wer- den Finanzminister persönlich herabzusetzen. Ich den, einen neuen Anlauf in überschaubarer Zeit zu will klarstellen: Wenn der Antrag auf Entlassung machen. Deshalb geht das Ringen in diesem Hause eines Ministers gestellt wird, dann geht es nicht um auch darum, welche Politik in Deutschland gemacht die persönliche Herabsetzung dieses Ministers. Das werden muß, um das Ziel der Europäischen Wi rt ist nicht das Ziel eines solchen Antrags. -schafts- und Währungsunion zu erreichen und die Der Antrag meint, daß der Minister mit seiner Poli- europäische Integration voranzubringen. tik gescheitert ist und daß er dafür die politische Ver- Dabei gibt es allerdings erhebliche Unterschiede, antwortung übernehmen soll. Herr Bundeskanzler. Ich zitiere die „Süddeutsche (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne Zeitung", in der steht: „Die Deutschen stehen al- ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN lein". Sie haben sich immer wieder gegenüber der und der PDS) Sozialdemokratischen Pa rtei Deutschlands mit der Feststellung gebrüstet, daß Sie in Gesamteuropa auf Sie, Herr Bundeskanzler, haben weiter ausgeführt, große Zustimmung aller Parteien, auch der sozialde- daß die Oppositionsparteien alles getan hätten, um mokratischen Parteien stoßen, während die SPD in das fachliche Ansehen des Finanzministers und Deutschland isoliert sei. das Ansehen der Bundesregierung zu beschädigen. Dazu bedurfte es der Anträge der Oppositionspar- Nun lesen wir hier: „Die Deutschen stehen allein". teien nun wirklich nicht mehr. Damit ist Ihre Regierung gemeint. Warum? Sie ste- Ich lese Ihnen jetzt drei Stellungnahmen vor. Sie hen allein, weil Sie ein entscheidendes Ziel der euro- mögen das, was die Oppositionsparteien vortragen, päischen Politik unfreiwilligerweise auf der Grund- lage einer falschen Wirtschafts- und Finanzpolitik mit einer Handbewegung wegwischen, aber das, was die internationale Öffentlichkeit diskutiert, das verfehlt haben, nämlich Europa zu einem Europa zu dürfen und können Sie in Ihrer Verantwortung als machen, in dem die Bürgerinnen und Bürger Zugang Bundeskanzler nicht einfach mit läppischen Bemer- zum Erwerbsleben haben. Wir müssen nicht nur ein Europa der stabilen Konten schaffen, sondern wir kungen vom Tisch wischen wollen. brauchen den Zugang zum Erwerbsleben in Europa. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne und der PDS) ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS) „The Wall Street Journal" schreibt: „Das Gescha- cher der Regierung Kohl hat Deutschland -nahezu je- Wenn ganz Europa ein Beschäftigungskapitel for- der moralischen Autorität beraubt". Könnte ein Urteil dert - das tun mittlerweile alle Staaten mit Ausnahme der Oppositionsfraktionen härter ausfallen? Spaniens - und wenn Sie und der Finanzminister sich hinstellen und sagen: ,,Beschäftigungspolitik Die italienische Zeitung „Corriere della Sera" stellt machen wir zu Hause", dann provozieren Sie zu- fest: „Die Folgen für die internationale Glaubwürdig- nächst Äußerungen aller Kolleginnen und Kollegen keit Deutschlands, für die gemeinsame europäische in Europa. Wir sehen ja, zu welchem Ergebnis Sie da- Währung und für den gesamten Prozeß der europäi- bei gelangt sind. Aber im Grunde genommen ist das schen Integration sind unkalkulierbar". Zynismus gegenüber den anderen europäischen Mit- Eine deutsche Stimme: Unter der Überschrift gliedstaaten, der auf Dauer die europäische Einigung „Vertrauen zerstört" schreibt das „Handelsblatt": gefährden kann. „Deutschland ist auf dem besten Wege, sich weltweit lächerlich zu machen". (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Unter der Überschrift „Der Abstieg" heißt es im Es ist richtig, daß bestimmte Maßnahmen zur Förde- selben Blatt: „Die deutsche Bundesregierung diskre- rung der Beschäftigung nur auf europäischer Ebene ditiert sich selbst, sie untergräbt das Vertrauen der vereinbart werden können. Deshalb blockieren Sie Finanzmärkte und der Bürger in die künftige Stabili- nicht ständig das wichtige Beschäftigungskapitel im tät des Euro". Europäischen Vertrag! Sie, Herr Bundeskanzler, haben davon geredet, (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ daß das Ansehen der Bundesregierung und des Bun- DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der desfinanzministers herabgesetzt worden sei. Nie- PDS) 15924 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 177. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 4. Juni 1997

Ministerpräsident Oskar Lafontaine ( Saarland) Sie haben hier die Bundesbank angesprochen und genauso zur Finanzierung der öffentlichen Ausgaben darauf hingewiesen, daß es internationale Kritik an herangezogen werden wie die Arbeitnehmerschaft in ihr gab. Sie haben die Kritik in Verbindung gebracht Gesamteuropa. mit der Frage der Unabhängigkeit. Auch hierzu eine Klarstellung: Wer Kritik an den Entscheidungen ir- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne gendeines Verfassungsorgans oder irgendeiner Insti- ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN tution übt, stellt nicht deren Rechtsstatus in Frage; und der PDS) Kritik an der Bundesbank und ihrer Geldpolitik ist nach wie vor zulässig, ja teilweise erwünscht. Aber Sie haben diesen sachlichen Vorschlag hier zu- die Unabhängigkeit der Bundesbank ist eine andere nächst als illusorisch abgetan. Es ist begrüßenswert, Frage. Diese Unabhängigkeit sollte im allgemeinen daß Sie jetzt, nach einem Jahr, eingesehen und er- Interesse gewahrt bleiben. klärt haben, daß die Steuerharmonisierung ein richti- ger Vorschlag ist und daß wir da weiterkommen müs sen. Aber dies setzt, wie beim Beschäftigungskapitel, (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne eine Institutionenreform voraus. Wer wie Ihre Regie- ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) rung, Herr Bundeskanzler, das Einstimmigkeitsprin- zip auch bei diesen Entscheidungen hochhält, der Sie haben in der letzten Zeit das Beschäftigungs- will keine Harmonisierung und blockiert an dieser ziel aus dem Europäischen Vertrag vernachlässigt. Stelle den Fortgang von Wohlstand und Beschäfti- Sie stehen allein in der Europäischen Gemeinschaft, gung in der Europäischen Gemeinschaft. und Sie gefährden deshalb die europäische Einheit; denn die große Mehrheit der Mitgliedstaaten der (Beifall bei der SPD) Europäischen Union möchte nicht nur einen Euro, der im Hinblick auf die Stabilität des Geldwertes Wir begrüßen es, daß die Sozialcharta jetzt auch konzipiert ist, sondern eine Wirtschafts- und Finanz- von der britischen Regierung unterzeichnet wird. Der politik auf europäischer Ebene, die die Beschäfti- luxemburgische Premierminister Juncker hat mehr- gung angesichts von 18 Millionen Arbeitslosen in fach öffentlich darauf hingewiesen, daß dieses den Mittelpunkt der europäischen Politik stellt. Dies Europa keine Akzeptanz in der Bevölkerung mehr ist unsere Auffassung; diese Auffassung teilen wir haben würde, wenn ein Wettlauf beim Abbau sozia- mit der großen Mehrheit der europäischen Regierun- ler Rechte einsetzen würde. Er hat gesagt: Auch gen. beim Kündigungsschutz dürfen wir doch jetzt nicht in einen verhängnisvollen Wettlauf eintreten, um uns (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne zu überbieten, wenn es darum geht, Arbeitnehmer- ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) rechte abzubauen. - Auch dies sollten Sie sich hinter die Ohren schreiben; denn Sie haben in diesem Land Wir sind nämlich der Meinung: Es ist zwar ein Nach- den Kündigungschutz abgebaut und damit Mitver- teil für diejenigen, die Geld besitzen, wenn der Geld- antwortung dafür auf sich geladen, daß die Arbeit- wert, etwa im Zuge mangelnder Preisstabilität, ge- nehmer in Europa immer mehr zweifeln, ob dieses fährdet wird; das ist gar keine Frage. Es ist aber ein Europa tatsächlich ein Europa der sozialen Gerech- viel größerer Verlust, wenn man seinen Arbeitsplatz tigkeit wird. verliert bzw. wenn man als junger Mensch nicht die Gelegenheit hat, überhaupt in das Arbeitsleben ein- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne zutreten. Deshalb muß das Beschäftigungskapitel ten der PDS) verabschiedet werden, und deshalb muß die Be- Sie haben dankenswerterweise darauf hingewie- schäftigungspolitik in den Mittelpunkt der- Europäi- schen Gemeinschaft gestellt werden; anders ist sen, daß das Bemühen um die europäische Wäh- Europa nicht zu bauen. rungsschlange durch die Regierung Schmidt richtig war. Das hat sich schon einmal anders angehört. Es ist sicherlich auch richtig, daß die Bundesbank da- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne mals andere Auffassungen vertreten hat. ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS) Deshalb sage ich hier noch einmal: Die Bundes- bank soll unabhängig sein. Aber diese Position kön- Dazu gibt es dann konkrete Schritte. Wir haben in nen wir nur vertreten, wenn wir auch Schritte hin zur diesem Hause immer wieder gesagt: Eine Steuerhar- Europäischen Zentralbank begründen; denn es ist monisierung auf europäischer Ebene ist die Grund- doch kein Geheimnis, daß die Geldpolitik von der lage für Wohlstand und Beschäftigung in der gesam- Bundesbank nicht nur für Deutschland, sondern für ten Europäischen Gemeinschaft. Denn wir sind der Gesamteuropa gemacht wird. Auffassung, daß es nicht zulässig sein kann, daß sich die Vermögenden durch Wohnsitzverlagerungen, die Es ist ebenso kein Geheimnis, daß die Geldpolitik Geldbesitzer durch Kontoverlagerungen und die Un- große Auswirkungen auf die Beschäftigung hat. ternehmer durch Sitzverlagerungen der nationalen Wenn also in einer solchen Situation gesagt wird: Wir Besteuerung entziehen können, während die Steuern machen die Beschäftigungspolitik hier zu Hause, für die Beschäftigten immer höher werden. Wir wol- dann mag das in deutschen Ohren noch akzeptabel len ein Europa der sozialen Gerechtigkeit für die Ar- klingen. Aber im europäischen Kontext ist das im beitnehmer und damit auch eine Besteuerung, bei Grunde genommen eine Anmaßung, die man nicht der Vermögende, Kapitalbesitzer und Unternehmer weiter vortragen sollte. Denn die Europäer haben das Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 177. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 4. Juni 1997 15925

Ministerpräsident Oskar Lafontaine (Saarland) berechtigte Anliegen, auch an der Geldpolitik mitzu- hier wieder gemacht haben, überhaupt nicht in die wirken, weil sie für Wachstum und Beschäftigung Irre führen lassen. Wir beobachten das mit großem konstituierend ist. Interesse.

(Beifall bei der SPD) (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der Aus diesem Grunde geht es also darum, wie Sie PDS) die Bundesbank im Vorfeld der Europäischen Wäh- rungsunion behandeln. Wenn einer Regierung nichts anderes mehr ein- fällt, als die Opposition anzugreifen, dann ist das ein Nun haben Sie hier den Eindruck zu erwecken ver- Ausweis ihrer Schwäche. Wenn Sie beispielsweise sucht, Sie stünden bei Ihren Maßnahmen in Überein- sagen, bei der Rentenreform seien wir diejenigen, stimmung mit dem Europäischen Währungsinstitut. die irgend etwas verhinderten, dann nehmen Sie Ich sage noch einmal: Das ist falsch. Sie stehen nicht doch einmal zur Kenntnis, daß Sie Ihr Gesetz allein in Übereinstimmung mit dem Europäischen Wäh- verabschieden können. Dann machen Sie es doch, rungsinstitut; denn alle Stabilitätsvereinbarungen wenn Sie es für richtig halten! Warum tun Sie hier so, auf europäischer Ebene hatten ein einziges Ziel: als würden wir Ihre hehren Ideen bei der Rentenre- nicht mit Buchungstricks kurzfristig das Stabilitäts- form blockieren? ziel zu erreichen, sondern längerfristig die Konsoli- Zur Sache selbst: Offensichtlich haben Sie die Vor- dierung der Haushalte durchzuführen. Gegen dieses schläge überhaupt nicht durchgelesen. Wenn Sie Prinzip verstoßen Sie mit den Vorschlägen, die Sie den demographischen Faktor berücksichtigen, Herr gemacht haben. Bundeskanzler, dann können Sie auf der einen Seite den Ansatz nehmen, daß bei Beibehaltung des Ren- (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ längerfristig die Rente absinkt. Sie DIE GRÜNEN) teneintrittsalters können aber auch - das ist ein Kommissionsvorschlag Das besonders Peinliche ist, daß gerade Sie jahre- meiner Partei - bei entsprechender Lage des Arbeits- lang in Europa herumgelaufen sind und gesagt ha- marktes das Renteneintrittsalter erhöhen - was Sie ben: Hütet euch vor Buchungstricks! Sie haben ins- bereits bei den Frauen getan haben -, mit dem Er- besondere gegenüber Italien Bemerkungen ge- gebnis, daß bei früherem Rentenbezug eine gerin- macht, die im Grunde genommen geeignet waren, gere Rente gezahlt wird. das Ehrgefühl der italienischen Regierung zu verlet- Stellen Sie sich doch nicht hier hin, und tun Sie zen - wenn wir schon in diesem Hause heute von nicht so, als wären Ihre Vorschläge der Ausdruck völ- Ehrgefühl reden. liger Modernität, während alternative Vorschläge von Fachleuten völlig unmodern und nicht diskussi- Da war es nicht mehr als richtig, wenn Herr Dini onswürdig wären! Es ist diese Arroganz, die Ihnen Ihre Großmäuligkeit in Sachen Haushaltspolitik mit zum Verhängnis wird, weil Sie einfach nicht bereit der Bemerkung zurückgewiesen hat, nun solle auch sind, über solche Fragen sachbezogen zu disku- die Bundesregierung keine Buchungstricks anwen- tieren. den, um den europäischen Stabilitätspakt zu erfüllen. Das hatten Sie verdient; ich möchte das hier in a ller (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne Klarheit feststellen. ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS) Nun ein paar Bemerkungen zu dem, was Sie, Herr Bundeskanzler, zur Situation hier in der Bundesrepu- Das gilt im besonderen für die Steuerpolitik. Da blik gesagt haben: Sie haben geglaubt, Sie- könnten haben Sie keine Mehrheit. Sie versuchen zwar, mit darüber spotten, daß es bei der SPD noch keine Ent- viel Getöse davon abzulenken, aber Sie sind nicht in scheidung darüber gebe, wer Kanzlerkandidat sei. der Lage, ein Gesetz allein zur Absenkung des Soli- Ich will Ihnen nur sagen: Hören Sie genau zu, was in daritätszuschlages hier in diesem Hause vorzulegen. Ihrer Partei los ist! Ich meine jetzt nicht nur Herrn Warum? - Weil Sie sich Ihrer Mehrheit nicht sicher Biedenkopf. Ich rate Ihnen, wenn Sie so weiterma- sind, weil Sie nicht wissen können, ob Sie alle ost- chen, sich in einigen Monaten selber die Frage zu deutschen Abgeordneten noch dabeihaben werden, stellen, ob Sie noch Kanzlerkandidat Ihrer Pa rtei sein wenn abgestimmt wird. Sie können sich dieser Tatsa- werden. Das sage ich hier vor dem Deutschen Bun- che nicht sicher sein. destag. Sie wissen ganz genau, daß die Festlegungen Ihrer (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Koalition nicht aufgehen können. Wenn die F.D.P. DIE GRÜNEN) sagt „keine Steuererhöhungen", wenn die F.D.P. sagt „in jedem Fall Soli-Absenkung", wenn die F.D.P. Im Grunde genommen weiß doch jeder, daß die auch sagt „Unser altes Versprechen, keine höhere Kritik am Finanzminister letzten Endes auf Sie zielt, Neuverschuldung, kassieren wir" und gleichzeitig nicht nur bei der Opposition, sondern auch in Ihren bei Ihnen gesagt wird „3,0 ist 3,0" und „Wir wollen eigenen Reihen, nicht nur bei Herrn Biedenkopf, keine höhere Neuverschuldung als die Neuinvestitio- sondern bei immer mehr Mitgliedern der CDU/CSU- nen" - auch hier sind Sie dabei, das zu fressen -, Bundestagsfraktion, die bei der Fortsetzung dieser dann wissen Sie genau, daß das nicht aufgeht. Rich- Politik den Verlust ihrer Mandate fürchten und die ten Sie nicht immer wieder Blockadevorwürfe an die sich von den selbstgefälligen Äußerungen, die Sie Opposition; setzen Sie sich mit der Selbstblockade 15926 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 177. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 4. Juni 1997

Ministerpräsident Oskar Lafontaine (Saarland) Ihrer Koalition auseinander, die am Ende ist. Damit Es ist ebenso falsch, immer wieder Unternehmen- sind auch Sie am Ende, sehr verehrter Herr Bundes- steuersenkungen zu fordern, wo es doch kein Pro- kanzler. blem bei den Gewinnen der Unternehmen in die- sem Lande gibt. Wenn Sie die Bundesbankberichte (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeord lesen, dann können Sie feststellen, daß zur Finanzie- neten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN rung der Investitionen ausreichend Eigenkapitalmit- und der PDS) tel vorhanden sind. Das steht in jedem Bundesbank- Sie haben hier noch einmal Ihre Steuerpolitik ge- bericht. Was fällt Ihnen ein, neue Kürzungen sozi- rechtfertigt. Das ist wirklich abenteuerlich. Es ist fast aler Leistungen und Lohnzurückhaltung zu fordern nicht mehr zu fassen. Vor einigen Monaten haben und dann auch noch ein Projekt zu diffamieren, das wir Sie angesichts der zu erwartenden Steuerschät- sich die französische Regierung auf die Fahne ge- zung gewarnt, Steuersenkungsversprechen in einer schrieben hat, beispielsweise die Arbeitszeitverkür- zung? Größenordnung von zig Milliarden DM zu machen. Aber Sie waren unbelehrbar. Wir haben Sie an Steu- Wir sagen, Arbeitszeitverkürzungen sind ein ge- erlügen erinnert, die andere gemacht haben, und an eignetes Mittel, um die Arbeitslosigkeit zu bekämp- Ihre eigenen. John Major hat vor der Wahl eine Steu- fen, aber nicht Arbeitszeitverkürzungen bei nicht so- erlüge begangen; nach der Wahl mußte er die Steu- zialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhält- ern erhöhen. Er wurde abgewählt. Chirac hat eine nissen, sondern Arbeitszeitverkürzungen bei Be- Steuerlüge begangen: Er hat Steuersenkungen ver- schäftigungsverhältnissen mit Sozialversicherungs- sprochen. Nach der Wahl mußte er die Steuern erhö- pflicht. Das ist das soziale Europa, für das wir - im hen. Sie kennen das Ergebnis. Gegensatz zu Ihrer Politik - eintreten. Wie viele Steuerlügen Sie bereits begangen haben, (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ weiß ich nicht. Aber eines weiß ich: Das Versprechen, DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der die Steuern um 30 bis 50 Milliarden DM zu senken, PDS) ist in der gegenwärtigen Haushaltssituation ge- radezu absurd. Hören Sie auf, einen solchen Blödsinn Es ist keine Modernität, wenn man alles auf öko- hier in diesem Hohen Hause zu verzapfen! nomische Kategorien verkürzt. Modernität liegt nicht vor, wenn man meint, Sozialabbau sei beson- (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE ders modern. Es ist auch keine Modernität, wenn GRÜNEN und der PDS) man flexible Arbeitszeiten von der Sozialversiche- rung und von der Mitbestimmung der Beschäftigten Sie haben eine solche Politik auch noch als Moder- abkoppelt. Das ist nach unserer Auffassung nicht nitätsansatz, als moderne Politik bezeichnet. Dazu modern. Modern ist es auch nicht, einen sozialen ein paar Bemerkungen. Dumpingwettbewerb der Staaten zu predigen mit dem Ergebnis, daß sich die Reichtums- und die Ar- Auf europäischer Ebene haben Sie einen Stabili- mutskurve in den Mitgliedsländern der Europäi- tätspakt zum ersten Ziel Ihrer Politik gemacht, als die schen Gemeinschaft immer weiter auseinanderbe- monetären Daten der Mitgliedstaaten bereits eine wegen. Konvergenz erreicht hatten, die es vorher noch nie- mals gab: Preisstabilität, Wechselkursstabilität und Unsere Auffassung von Modernität umfaßt auf der Höhe des realen und des nominalen Zinsniveaus. einen Seite die Teilhabe aller Bürgerinnen und Bür- Auf der anderen Seite wuchsen die Arbeitslosenzah- ger am gesellschaftlichen Leben. Das ist noch wichti- len immer weiter. Dennoch haben Sie sich ständig ei- ger als kurzfristige ökonomische Maßnahmen. ner beschäftigungspolitischen Initiative widersetzt, beispielsweise auch dem Ausbau der transeuropäi-- (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ schen Netze, der eine Investition in die Zukunft ist DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und PDS) alle Bürgerinnen und Bürger der Mitgliedstaaten der Auf der anderen Seite sehen wir in einer Wi rt Europäischen Gemeinschaft. -schafts- und Finanzpolitik, die systematisch die Bin- (Beifall bei Abgeordneten der SPD) nennachfrage schwächt, die dem Irrglauben huldigt, Export und Preisstabilität seien die Formen, mit de- Zusammengefaßt kann man folgendes sagen: In nen man in Europa bestehen könne, die eigentliche England und in Frankreich ist eine Politik geschei- Ursache für die tiefe Krise, in der wir uns jetzt befin- tert, für die Sie hier seit Jahren stehen, Herr Bundes- den. kanzler. Diese Politik setzt auf Sozialabbau. Ich weiß Sie mögen jetzt noch weiterwursteln und dies auch nicht, wie viele Kürzungspakete wir in diesen Jahren noch mit Selbstlob begleiten; dieses Weiterwursteln verabschiedet haben. Diese Politik setzt auf ständi- wird aber die Arbeitslosigkeit in diesem Lande nicht ges Predigen von Lohnzurückhaltung, obwohl es ver- abbauen. Deshalb sage ich noch einmal: Schauen Sie nünftig wäre, immer wieder zu sagen: Die Löhne auf die Arbeitslosenzahlen, dann haben Sie das Ur- müssen der Produktivität folgen, weil die Nachfrage teil über Ihre Politik in den Legislaturperioden, in de- in der Binnenwirtschaft nicht immer weiter zurück- nen Sie Verantwortung getragen haben. gehen darf. Es ist ein völlig unbefriedigender Zu- stand, daß die Reallöhne in den letzten Jahren im Bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit haben Schnitt zurückgegangen sind, auch wegen Ihrer ver- Sie eklatant versagt, Herr Bundeskanzler. Die Selbst- fehlten Steuerpolitik. blockade der Koalition ist eine Belastung für die Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 177. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 4. Juni 1997 15927

Ministerpräsident Oskar Lafontaine (Saarland) Menschen in diesem Land, die Arbeit haben wollen. klärt hat - ich möchte dies dem Hohen Hause wört- Deshalb ist es an der Zeit, daß Sie endlich Konse- lich vortragen -: quenzen ziehen. Mir drängt sich eigentlich ein weites Unverständ- (Anhaltender Beifall bei der SPD - Beifall nis auf. Ich kann wirklich nicht erkennen, wieso beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei und weshalb das Gerücht herumgereicht wird, der PDS) bei dem, was die Bundesregierung in Planung ge- nommen hat, handelt es sich um einen miesen Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Ich gebe das Buchungstrick. Dies ist überhaupt nicht meine Wort dem Abgeordneten Hans-Peter Repnik. Analyse. Ich halte das, was vorgeschlagen wurde und was jetzt auch nach dem Gespräch Waigel/ Tietmeyer entschieden wurde, für einen sehr nor- Hans-Peter Repnik (CDU/CSU): Herr Präsident! malen Vorgang, und ich bin sehr überrascht, daß Meine sehr verehrten Damen und Herren! ,,Was Os- man Theo Waigel jetzt unterstellt, er hätte hier kar Lafontaine da gesagt hat, entspricht genau den eine Art obszönen Anschlag auf die Bundesbank Äußerungen, wie wir sie 1932 von Nazis —" verüben wollen. (Lebhafte Zurufe von der SPD) Jean-Claude Juncker führt weiter aus, in welchem Ich darf wiederholen - zum Mitschreiben, wenn Maße sich gerade der deutsche Finanzminister in Sie es wünschen -: „Was Oskar Lafontaine da gesagt den letzten Jahren vor die Bundesbank gestellt hat. hat, entspricht genau den Äußerungen, wie wir sie (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) 1932 von Nazis und Kommunisten über den Reichs- tag und seine Abgeordneten gehört haben." Meine sehr verehrten Damen und Herren, daß wir uns in einer schwierigen finanz- und haushaltspoliti- (Jörg Tauss [SPD]: Unglaublich! - Zuruf von schen Lage befinden, wird gar nicht bestritten; das der SPD: Sie sind ein Brandstifter! Weitere ist auch heute morgen offenbar geworden. Dies hat Zurufe von der SPD) auch der Finanzminister eingeräumt. Nur ist das, was Ich darf fortfahren: „Es ist unentschuldbar, daß der sowohl der Herr Fraktionsvorsitzende Scharping als Vorsitzende einer großen Volkspartei mit solchen auch Herr Fischer hier an Lösungsansätzen beigetra- Entgleisungen die parlamentarische Demokratie be- gen haben, über Platitüden und billige Polemik nicht lastet. " - Diese Aussage hat zur Ehrenrettung der So- hinausgegangen. zialdemokratischen Pa rtei der SPD-Bundestagsabge- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge ordnete Hermann Rappe, zitiert in „Bild am Sonntag" ordneten der F.D.P.) vom 11. Mai, gemacht. Ich bitte auch die Kolleginnen und Kollegen aus der (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Opposition, zur Kenntnis zu nehmen, daß nicht der Er hat damit - wie ich meine - die Ehre der Partei, Finanzminister für die Situation, in der wir uns befin- aber nicht die ihres Vorsitzenden gerettet. den, verantwortlich ist. Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Äu- Herr Kollege Fischer kommt mit seinen Mätzchen ßerungen, die Herr Ministerpräsident Lafontaine auch nicht weiter. Er braucht sich genausowenig Sor- heute morgen zu diesem Thema gemacht hat, haben gen wie der sozialdemokratische Parteivorsitzende die Lage eher verschlimmert. Er hat eine große zu machen, daß es uns an entsprechenden Mehrhei- Chance ganz persönlich vertan, er hat aber auch eine ten mangele. Was ist eigentlich sinnvoller, als den Chance zur Wahrung eines Mindestmaßes an parla- Antrag der SPD an den Finanzausschuß zu überwei- mentarischem Stil vertan. - sen, wenn man weiß, daß morgen im zuständigen fe- derführenden Ausschuß die Gesamtproblematik in (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge Anwesenheit des Präsidenten der Bundesbank, ordneten der F.D.P.) Herrn Professor Tietmeyer, behandelt wird? Wir ha- Es ist schon ein einmaliger Vorgang, daß sich der Äl- ben keine Sorgen vor mangelnden Mehrheiten, son- testenrat mit einem solchen Thema befassen und den dern wir haben das einzige Verfahren gewählt, das Ministerpräsidenten eines Bundeslandes ob seiner zielführend und sinnvoll ist. Aussagen rügen muß. Meine sehr verehrten Damen und Herren, unser (Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: Jetzt Fraktionsvorsitzender Wolfgang Schäuble hat darauf ist er abgehauen!) hingewiesen, daß wir an ein paar Grundtatsachen nicht vorbeikommen. Zum einen müssen wir feststel- Ich gehe noch einmal auf ein Thema ein, das so- len, daß sich der Abbau der Arbeitslosigkeit im kon- wohl Herr Lafontaine als auch Herr Scharping inten- junkturellen Aufschwung langsamer als in allen frü- siv behandelt haben, nämlich die vermeintlichen Äu- heren Konjunkturzyklen vollzieht. Dies ist ein Ergeb- ßerungen aus dem Ausland im Hinblick auf die Er- nis, das weder der Bundeskanzler noch die Bundes- eignisse der letzten Tage und insbesondere im Hin- regierung zu verantworten hat; es ist auch ein Aus- blick auf das Verhalten unseres Finanzministers fluß der Globalisierung unserer Märkte. Theo Waigel. Zweitens müssen wir zur Kenntnis nehmen, daß Es ist interessant, zur Kenntnis zu nehmen, was der die Steuereinnahmen spärlicher als erwartet fließen. luxemburgische Ministerpräsident und Finanzmi- Aber auch das hat doch nicht der Bundesfinanzmi- nister Jean-Claude Juncker hierzu heute morgen er- nister zu verantworten. 15928 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 177. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 4. Juni 1997

Hans-Peter Repnik Ich möchte hier noch einmal deutlich ein Problem - meine Damen und Herren von der SPD - herausarbeiten, das Herr Kollege Scharping heute morgen angesprochen hat. Auch wenn es schon im entscheidet sich im Zeitalter der Globalisierung „Handelsblatt" gestanden hat, wird es dadurch nicht allein am Krite rium der Verteilungsgerech- nicht wahr, und ich bitte Sie darum, mit der Wahr- tigkeit, sondern vor allem am Beschäftigungsef- heit etwas sorgfältiger umzugehen. Sie warfen der fekt. „Sozial" ist im Zeitalter der Globalisierung Koalition im „Handelsblatt" vor, in den vergange- vor allem, was mehr Arbeitsplätze schafft. Daran nen zehn Jahren bereits fünf verfassungswidrige werden wir uns wieder gewöhnen müssen. Haushalte aufgestellt zu haben. Tatsache ist, daß je- Im Umkehrschluß gilt: Unsozial ist derjenige, der der Haushalt, der unter Verantwortung dieses Fi- Strukturanpassungen, die zu neuen Arbeitsplätzen nanzministers erstellt wurde, ein verfassungsmäßi- führen, verhindert. Diese Politik betreiben Sie seit ger Haushalt ist. Jahren. Tatsache ist aber auch, daß es im Laufe des Jahres (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) zu bestimmten Veränderungen kam, die nicht die Re- gierung und nicht der Finanzminister zu verantwor- Herr Kollege Scharping, ich halte es schon für ein ten haben, die zu einer höheren Schuldenaufnahme starkes Stück, wenn Sie heute früh an das Rednerpult geführt haben, als dies den Neuinvestitionen ent- treten und einmal mehr beklagen, daß strukturelle sprach. Sie wissen so gut wie ich, daß die Feststel- Anpassungen ausbleiben. Im Bonner „General-An- lung der Verfassungsmäßigkeit des Bundeshaushal- zeiger" vom 17. Mai sagen Sie wörtlich: tes mit der Aufstellung des Haushalts und nicht mit Die Bundesregierung tut nichts gegen struktu- dem Vollzug des Haushaltes geprüft wird. Deshalb relle Fehlentwicklungen und wird nun von den sollten Sie in Zukunft unterlassen, diese Unwahrheit konjunkturellen Defiziten überrollt. auszusprechen. (Rudolf Scharping [SPD]: So ist es!) (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Herr Kollege Scharping, Sie haben die Diskussionen Wir wissen ganz genau, daß wir trotz einer sich in den vergangenen drei Jahren in diesem Hohen positiv entwickelnden Konjunktur, die darauf hin- Haus verfolgt. Die Bundesregierung und die Koali- deutet, daß sich die Wachstumsprognosen für dieses tion haben eine Vielzahl von Maßnahmen ergriffen, und das nächste Jahr in Höhe von 2,5 bis 2,75 Pro- die bereits beginnen, auf dem Arbeitsmarkt zu wir- zent bewahrheiten werden, Probleme haben. Ande- ken. Ich habe schon an das Programm für mehr rerseits haben wir Preisstabilität, günstige Zinsen, Wachstum und Beschäftigung erinnert. Ich erinnere steigende Auftragseingänge, eine zunehmende Ka- an das neue Arbeitszeitgesetz für flexiblere Arbeits- pazitätsauslastung und sinkende Lohnstückkosten. zeiten, Dies alles ist doch der Nachweis einer guten Politik, wie sie unter der Führung unseres Bundeskanzlers (Wolf-Michael Catenhusen [SPD]: Die betrieben wird. Arbeitslosenzahlen gehen aber nicht zurück!) (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Deregulierung und Entbürokratisierung, Privatisie- Wenn wir dennoch Probleme haben, gibt es dafür rung von Bundesbahn und Bundespost, 50-Punkte- zwei Gründe. Der eine Grund ist struktureller A rt, Programm und Einschränkung der Lohnfortzahlung und der andere Grund ist politischer Natur. im Krankheitsfall, die bereits jetzt schon für die Wi rt -schaft und den Mittelstand Kosten in Höhe von Um die strukturellen Gründe anzusprechen: Wir 10 Milliarden DM eingespart hat. Das Arbeitsrecht ist müssen doch zur Kenntnis nehmen, daß im Zeichen modernisiert. Das Kündigungsschutzrecht wird fle- einer globalisierten Weltwirtschaft Arbeitsplätze xibler angewandt. Existenzgründer und junge Unter- und Investitionen dorthin gehen, wo die attraktivsten nehmen kommen in den Genuß entsprechender Pro- Bedingungen für Investoren sind. Weil wir diese Tat- gramme. Ich erinnere an das Maßnahmenpaket zur sache zur Kenntnis genommen haben, haben wir mit Verstetigung beschäftigungsfördernder Investitio- unserem Programm für mehr Wachstum und Be- nen, Reform der Arbeitsförderung, Wegfall der Ver- schäftigung und mit einer Vielzahl von anderen Maß- mögensteuer, die große Steuer-, die Renten- und die nahmen reagiert. Da hilft keine Sozialromantik; da Gesundheitsreform. hilft auch keine vermeintliche oder - wie ich glaube - falsche Solidarität bei Demonstrationen, wo auch im- Weshalb habe ich all diese Dinge noch einmal auf- mer sie stattfinden. gezählt? Ich habe dies getan, um dem Eindruck, den Sie erwecken, entgegenzuwirken, daß es uns nicht Die Politik dieser Bundesregierung wird als unso- gelungen sein soll, uns mit strukturellen Fragen zu zial qualifiziert. Ich stimme Herrn Lafontaine zu, befassen und ganz konkrete Lösungen aufzuzeigen. wenn er die Arbeitslosigkeit als ein großes Problem Wir wissen, daß Ludwig Erhard recht hatte, als er darstellt. In diesem Punkt sind wir uns alle einig. In sagte: 50 Prozent der Wirtschaftspolitik sind Psycho- diesem Zusammenhang möchte ich unseren Bundes- logie. präsidenten zitieren. Er hat vor wenigen Tagen auf einem Kongreß in der Schweiz folgendes gesagt: Wir sollten jetzt all die Erfolge, die wir haben und die zu greifen, zu wirken beginnen, nicht zerreden. Es mag etwas simplifizierend klingen, stimmt Wir sollten vielmehr mit diesen Erfolgen nach drau- aber doch: Ob eine Gesellschaft „sozial" ist ßen gehen, damit in unserem Lande eine Stimmung Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 177. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 4. Juni 1997 15929

Hans-Peter Repnik für mehr neue Investitionen und damit für mehr solidierungspakt vereinbart war, verweigern Sie Arbeitsplätze vorherrscht. diese Rückgabe. Wir hätten viel weniger Probleme, wenn Sie sich nur ein bißchen an Ihre bundespoli- (Beifall bei der CDU/CSU) tische Verantwortung erinnern würden. Meine Damen und Herren, Sie haben uns durch (Beifall bei der CDU/CSU) Ihre Blockadepolitik im Bundesrat überall da, wo Sie es konnten, nicht nur daran gehindert, noch weiter- Mich interessiert nicht, was in diesem Zusammen- gehende Strukturmaßnahmen umzusetzen. Sie ha- hang der Ministerpräsident eines Bundeslandes sagt. ben auch ganz konkret den Finanzminister daran ge- Wir alle gemeinsam, auch die Opposition, tragen hindert, weitere Einsparungen, Konsolidierungen eine bundespolitische Verantwortung. Sie sollten die- des Haushalts vorzunehmen. ser Verantwortung, der Sie sich permanent verwei- gern, nachkommen. (Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Sehr wahr!) (Beifall bei der CDU/CSU) Allein in den letzten zwei Jahren - Herr Kollege Scharping, ich kann es Ihnen nicht ersparen, sich dies anzuhören - haben Sie durch das Verhalten der Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Herr Kollege, SPD-regierten Bundesländer im Bundesrat Einspa- Sie müssen zum Schluß kommen. rungen im Bundeshaushalt von rund 12 Mil liarden DM verhindert. Darüber hinaus haben Sie durch die- Hans-Peter Repnik (CDU/CSU): Meine sehr ver- ses Verhalten zusätzliche Ausgaben in Höhe von ehrten Damen und Herren, dieses Verhalten mag 3,5 Milliarden DM veranlaßt. Das sind 15 Milliarden Ihnen kurzfristig parteipolitische Vorteile bringen. DM. Was könnten wir mit diesem Geld alles anfan- Sie entziehen sich aber einer staatspolitischen Ver- gen! Ich lade Sie ein: Machen Sie mit bei den Struk- antwortung. Sie entziehen sich dieser Verantwortung turveränderungen, brechen Sie mit uns die Struktu- zum Schaden Deutschlands. Täuschen Sie sich nicht: ren auf! Der Bürger wird Ihnen nicht auf den Leim gehen. (Beifall bei der CDU/CSU) (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Wir sind mitten in der Diskussion zur Steuer- reform. Sie beklagen, auch die Frau Kollegin Ich gebe dem Matthäus-Maier, wir hätten riesige Haushaltslöcher. Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Abgeordneten Karl Di ller das Wort. Ich erinnere an die Diskussion, die wir in den letzten Wochen an anderem Ort geführt haben. Es ist wich- tig, daß wir hier einmal zur Kenntnis nehmen: Über- Karl Diller (SPD): Herr Präsident! Meine sehr ver- all da, wo es darum geht, im Rahmen von Reformen - ehrten Damen und Herren! Herr Kollege Repnik, wie auch und gerade bei der Gewerbekapitalsteuer - die schwach Ihre Argumente sind, zeigt sich daran, daß Interessen des Bundes, der Länder und der Kommu- Sie wieder auf den Blockadevorwurf, an unsere nen gleichgewichtig wahrzunehmen, hat sich die Adresse gerichtet, zurückkommen. SPD-Bundestagsfraktion grundsätzlich auf die Seite (Beifall bei der SPD - [F.D.P.]: der Länder und der Kommunen, in erster Linie auf Das kann man euch nicht oft genug sagen!) die der Länder, geschlagen. Dies ging immer zu Lasten des Bundes. Ich habe das Bundesfinanzministerium gebeten, einmal darzulegen, wie sich die von Ihnen behaup- Das heißt konkret: All diese Reformmaßnahmen, tete Summe von 11 Milliarden DM eigentlich zusam- von denen ich vorhin gesprochen habe, haben wir mensetzt. Das Bundesfinanzministerium hat uns zum gegen Ihr Votum im Bundestag und auch gegen Ihr - ersten berichtet, daß diese 11 Mil liarden DM gar Votum im Bundesrat durchgesetzt. Wir wissen sehr nicht in einem Haushaltsjahr anfallen, wohl, daß wir jedesmal der Kanzlermehrheit bedurf- ten, um Ihren Einspruch abzulehnen. Wir haben (Hans-Peter Repnik [CDU/CSU]: Habe ich diese Kanzlermehrheit jedesmal erfahren. gesagt!) Jetzt legen Sie eine Steuerreform vor - - sondern sich aus der Addition von zwei Haushalts- jahren ergeben. Zum zweiten hat uns das Bundesfi- (Joachim Poß [SPD]: Wir haben andere Vor nanzministerium berichtet, daß 9 der 11 Mil liarden stellungen! Nehmen Sie das einmal zur DM überhaupt nicht blockiert werden, weil der Dis- Kenntnis!) sens einvernehmlich - das ist Ergebnis des Vermitt- - Kollege Poß, Sie legen jetzt eine Steuerreform vor, lungsausschusses, Zustimmung des Bundestages in der die Finanzierung der Ausfälle wieder aus- und des Bundesrates - ausgeräumt ist. schließlich zu Lasten des Bundes geht. Die Ausfälle, (Siegfried Scheffler [SPD]: Hört! Hört!) auch die Ausfälle durch die Gewerbekapitalsteuer, gehen nach dem, was Sie bisher vorgetragen haben Ihr Blockadevorwurf, der eine Summe von 11 Milliar- und was auch Herr Voscherau vorträgt, ausschließ- den DM betreffen sollte, fällt in sich zusammen. Sie lich zu Lasten des Bundes. Föderaler Konsolidie- sind mit Ihren Argumenten am Ende, Herr Repnik. rungspakt - man ging bis an den Rand des Mög- (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Kristin lichen. Man hat den Bund ausgepreßt. Jetzt, wo es Heyne [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) darum geht, zwei Prozentpunkte der Mehrwert- steuer, die uns in der heutigen Situation guttäten, Sie, Herr Waigel, sollten zurücktreten, weil Ihr pa- dem Bund zurückzugeben, wie es im föderalen Kon nikartiger Angriff auf die Unabhängigkeit der Bun- 15930 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 177. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 4. Juni 1997

Karl Diller desbank und ihre Goldreserven aller Welt vor Augen Und Sie haben auf nachhaltige Fragen des Kommis- geführt hat: Sie sind nicht nur finanziell am Ende. sars de Silguy und des italienischen Schatzministers Ciampi, was Deutschland denn machen würde, (Beifall bei der SPD) (Rudoll Scharping [SPD]: Leider sehr wahr!) Sie sollten zurücktreten, weil Sie dieses Land in ein beispielloses Finanzchaos gestürzt haben. Weil Sie in wenn die Strecke wirtschaftlich etwas rauher werden der Haushaltsfinanzierung - dieses wie auch des würde, mit keinem Wo rt erklärt, was Sie bezüglich nächsten Jahres - nicht mehr ein noch aus wissen, der deutschen Goldreserven vorhaben. versuchen Sie, diesen Staat auszuschlachten, als sei (Joachim Poß [SPD]: Er trickst, international er Ihr Privateigentum. wie national!) (Ina Albowitz [F.D.P.]: Ist es denn wahr?) Ein deutscher Finanzminister, der seine europäischen Sie sollten zurücktreten, weil Sie mit Ihrem Angriff Kollegen derart hinters Licht führt, kann das histori- auf die Unabhängigkeit der Deutschen Bundesbank sche Projekt der Europäischen Währungsunion nicht das Vertrauen der Finanzmärkte und der Bürger in mehr zum Erfolg führen. die künftige Stabilität der europäischen Währung (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Kristin nachhaltig untergraben haben. Heyne [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] - Wie wenig Respekt Sie vor der Unabhängigkeit Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten [CDU/ der Notenbank haben, hat sich gerade darin gezeigt, CSU]: Das ist Unfug, was Sie sagen!) daß Ihnen die ablehnende Haltung der Bank zur Sie sollten zurücktreten, weil nach dem Scheitern „Operation Goldfinger" längst bekannt war. Ihrer „Operation Goldfinger" die Regierung Kohl (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Genau!) haushaltspolitisch 1997 vor einem Scherbenhaufen steht. Im November letzten Jahres, bei der Schlußbe- Was der Präsident der Bundesbank, Herr Dr. Tiet- ratung für dieses Haushaltsjahr, haben wir gesagt: In meyer, am 19. März dieses Jahres im Haushaltsaus- Kürze werden die Haushaltslöcher wieder aufbre- schuß auf Fragen von CDU-Kollegen ausführte, läßt chen und das Finanzchaos vergrößern. sich in einem einzigen Satz zusammenfassen: Hände weg von den Goldreserven! Sie sollten zurücktreten, weil Sie damals einen in Einnahmen und Ausgaben gefälschten Haushalt ver- (Beifall bei der SPD) abschieden ließen. Denn hätten Sie die wahren Zah- len veranschlagt, hätten Sie schon damals eingeste- Herr Waigel, Sie sollten zurücktreten, weil Sie er- hen müssen, daß Sie die verfassungsmäßige Kredit- neut die Öffentlichkeit zu täuschen versuchten, in- obergrenze des Art . 115 Grundgesetz nicht einhalten dem Sie den Eindruck erweckten, als würden Sie in können. Übereinstimmung mit den europäischen Prinzipien handeln. Das war und ist nicht der Fall. Dies hat die Mit Ihrer Absage an eine Politik zur Bekämpfung Deutsche Bundesbank in ihrer Erklärung vom Don- der Massenarbeitslosigkeit haben Sie übrigens die nerstag letzter Woche eindeutig klargestellt. Sie ver- Haushaltslöcher in eine fast nicht mehr beherrsch- dient deshalb jede Unterstützung des Parlaments ge- bare Dimension gesteigert. In diesem Moment hat gen den Angriff dieser Bundesregierung. Herr Waigel schon 90 Prozent seiner gesamten für das Jahr 1997 eingeräumten Kreditlinie ausge- (Beifall bei der SPD) schöpft. Er wird in wenigen Wochen keinen Kredit Der Angriff auf die Goldreserven zum Stopfen der mehr haben. Haushaltslöcher ist noch nicht abgewehrt. Wenn Sie (Joachim Poß [SPD]: Politisch hat er den auf die Neubewertung und Ausschüttung des Bilanz- schon lange verspielt!) gewinns in 1997 verzichten, dann ist dies keine Poli- tik der Schadensbegrenzung. Vielmehr führen Sie le- So weit ist es mit dieser Regierung gekommen. diglich aller Welt vor, daß das politische Manage- Sie sollten zurücktreten, weil Sie noch nicht einmal ment dieser Regierung ein „management by chaos" in der Lage waren, die Atempause zwischen der Ver- ist. abschiedung des Haushaltes und dem Aufbrechen Sie sollten zurücktreten, weil Sie mit Ihrem bei- und Offensichtlichwerden Ihrer ganzen Lügereien spiellosen Akt der Pirate rie jetzt auch inte rnational und Betrügereien den Kredit verspielt haben, den Sie national längst (Beifall bei der SPD - Michael Glos [CDU/ verloren haben. CSU]: Das geht zu weit!) Sie sollten zurücktreten, weil Sie im März bei der zu nutzen, um zum Zeitpunkt der Offenbarung Ihrer Vorstellung des Konvergenzprogramms Deutsch- Luftbuchungen und Fehleinschätzungen mit einem lands in Brüssel Ihre europäischen Kollegen in einer Konzept dazustehen, wie Sie den Bundeshaushalt beispiellosen Weise getäuscht haben, 1997 retten wollen. (Joachim Poß [SPD]: So ist es!) Wir wissen, daß die Einbringung eines Nachtrag- indem Sie ihnen die mittelfristige Finanzplanung aus haushaltes der einzig richtige Weg ist, Ihnen aber dem Jahre 1996 präsentierten. Unglaublich! wie ein Gang nach Canossa vorkommt. Ihre tüchti- gen Beamten im Finanzministerium haben Ihnen das (Zuruf von der SPD: Das ist skandalös!) seit Monaten geraten. Mittlerweile zucken sie nur Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 177. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 4. Juni 1997 15931

Karl Diller noch resigniert mit den Schultern. Aber, Herr Waigel, Staates, in einer auf Täuschung, Lüge und Chaos Sie werden diesen Canossa-Gang nicht vermeiden aufgebauten Steuerpolitik und schließlich in einem können, denn Sie werden mit Ihrem Geld nicht zu mangelnden Respekt vor dem Deutschen Bundestag Rande kommen. und der Verfassung. Der einzig wirkliche Dienst, den Sie dem deutschen Volke noch leisten können, ist Ihr Unseren Antrag auf Feststellung einer Störung des Rücktritt. gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts haben Sie bisher beharrlich abgelehnt, aber einzelne in der Ko- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne alition kratzen mittlerweile die Kurve. Allerdings: ten der PDS) Die Feststellung der Störung des gesamtwirtschaftli- chen Gleichgewichts ist kein Freibrief, um mit hö- heren Schulden ein paar Haushaltslöcher zu stopfen, Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Ich gebe dem Abgeordneten Paul Friedhoff das Wo rt. (Beifall bei der SPD) sondern mit diesen neu aufgenommenen Mitteln Paul K. Friedhoff (F.D.P.): Herr Präsident! Meine muß dann eine Politik finanziert werden, die geeig- sehr verehrten Damen und Herren! Nach all dem, net ist, die wirtschaftliche Stabilität wiederzugewin- was wir jetzt hier gehört haben, nach all diesen nen, indem endlich eine aktive Beschäftigungspolitik Nebelkerzen, dieser Verschleierung und, wie ich praktiziert wird. Was wir heute von Ihnen gehört ha- glaube, nach einer ganzen Menge Wunschträume - ben, ist nichts anderes als die Ankündigung: Nach allerdings sind auch ein paar ganz klare Worte gefal- Waigel die Sintflut. len; Herr Waigel hat zu den Fakten Stellung bezogen Herr Waigel sollte zurücktreten, weil er mittler- - ist es vielleicht gut, daß wir uns wieder etwas mehr weile die letzten Reste des Tafelsilbers an Bundesbe- mit Fakten beschäftigen und weniger Wunschträume teiligungen notfalls sogar verramschen will. nach Rücktritt und ähnliches von uns geben. (Ina Albowitz [F.D.P.]: Wie Herr Schleußer!) Was sind die wirklichen Fakten? Die Ergebnisse der Steuerschätzung und die Entwicklungen am Ar- Im Herbst 1995, bei der Vorlage des berüchtigten beitsmarkt zeigen deutlich, daß der Haushaltsplan Waigel-Wischs, hat er behauptet, man könne mit dieses Jahres und die Haushaltspläne der nächsten dem Verkauf der Deutschbau 3000 Millionen DM al- Jahre, die jetzt in den Ansätzen geplant werden, kor- lein für den Bundeshaushalt erlösen. Jetzt steht fest, rigiert werden müssen. Die Steuerschätzung hat zu- daß es nur 1200 Millionen werden. Entweder hat er sätzliche Haushaltsdefizite ergeben. Die Annahmen damals das Parlament mit einer Luftbuchung ge- der Auguren waren sehr unterschiedlich, aber jetzt täuscht oder jetzt die Deutschbau verramscht. Wir liegen die Zahlen auf dem Tisch. werden dieser Frage noch sehr intensiv nachgehen, Herr Waigel. An diesem Defizit, Herr Di ller - Sie können hier (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne alle möglichen Rechnungen aufstellen -, haben na- ten der PDS) türlich auch Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, durch Ihre Politik, die Sie im Bundesrat Der Notverkauf von Bundesunternehmen trägt machen, mitgewirkt. Darüber, ob das 11 Milliarden nicht zur nachhaltigen Haushaltskonsolidierung bei. DM in einem Jahr oder in zwei Jahren sind, darüber, Im Gegenteil: Ihre neueste Idee mit diesen „Parklö- was bei einer vernünftigen Politik im Bundesrat a lles sungen", indem Sie zunächst einmal die Lufthansa hätte geschehen können, kann man lange streiten. an die bundeseigene Kreditanstalt für Wiederaufbau Ich bin nur ziemlich sicher, daß Sie im Bundesrat verkauft haben, jetzt vielleicht auch noch die Post- nicht sehr hilfreich sind, sondern entgegen Ihrer Ver- - bank und die Telekomaktien, ist ja nichts anderes als antwortung, die Sie haben, dort vieles blockieren. eine verdeckte Kreditaufnahme. Sie mißbrauchen die bundeseigene Kreditanstalt für Wiederaufbau für (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordne einen neuen Schattenhaushalt. Um nichts anderes ten der CDU/CSU) handelt es sich. Meine Damen und Herren, bei der Bewältigung (Beifall bei der SPD) der Lage helfen also weder Aufregung noch treuher- ziges Blinzeln. Da helfen allein nüchterne Analysen Wie kommen Sie in der Koalition im übrigen auf und vor allen Dingen Handeln. die Idee, ohne Veranschlagung dieser Einnahmen in einem Nachtragshaushalt Bundesvermögen schlicht Wahr ist, daß in Deutschland jede zweite Mark, die unter der Hand zu verkaufen? Sie werden die Tele- die Bürger dieses Landes erwirtschaften, vom Staat komaktien nicht verkaufen können, denn das ist ausgegeben wird. Deutschland krankt nicht an zu- nicht Gegenstand dieses Haushaltsgesetzes. Sie wenig, Deutschland ächzt unter zu vielen Staatsaus- brauchen einen Nachtragshaushalt, um sie verkau- gaben. fen zu können. Wir werden Sie notfalls mit den Mit- (Beifall bei der F.D.P.) teln der Verfassung zwingen, einen Nachtragshaus- halt vorzulegen. Sie müssen es tun, weil Sie im wahr- Wahr ist: Die Steuern und Abgaben sind nicht zu sten Sinne des Wortes bald finanziell blank sind. niedrig; sie sind zu hoch. Dies ist ein Grund für zuwe- nig Investitionen und für eine zu hohe Arbeitslosig- Herr Waigel, Sie sollten zurücktreten; denn Ihre keit. Dies kann nicht oft genug gesagt werden. Hinterlassenschaft besteht in einem beispiellosen Fi- nanzchaos, in einer finanziellen Ausplünderung des (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P.) 15932 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 177. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 4. Juni 1997

Paul K. Friedhoff Wahr ist: Die konsequente und mühevolle Konsoli- Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Herr Kollege dierung der Staatsfinanzen ist nicht die Folge eines Friedhoff, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Ab- Maastrichter Diktates, sondern das Gebot einer Poli- geordneten von Larcher? tik der marktwirtschaftlichen Erneuerung im Inter- esse der Arbeitsplätze. Paul K. Friedhoff (F.D.P.): Ja. (Beifall bei der F.D.P.) Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Bitte schön, Meine Damen und Herren, wir haben in Deutsch- Herr von Larcher. land - ganz einvernehmlich - eine Jobkrise. Diese führt zu einer Finanzkrise. Es ist nicht umgekehrt. Steuererhöhungen jetzt, um Haushaltslöcher zu Detlev von Larcher (SPD): Herr Kollege Friedhoff, schließen, sind Gift für die Konjunktur und für unsere können Sie mir - nach Ihren kräftigen Worten über Arbeitsplätze. Die zu hohen Steuern und Abgaben die Steuerreform - erklären, warum wir im Finanz- sind eine der Ursachen für fehlende Wettbewerbsfä- ausschuß in der letzten Sitzungswoche drei Tage higkeit. Fehlende Wettbewerbsfähigkeit führt zu we- lang Beratungen hatten, in denen die Koalitionsfrak- niger Aufträgen, und weniger Aufträge bedeuten tionen und der Staatssekretär im Bundesfinanzmini- weniger Arbeitsplätze. Das sind die Zusammen- sterium die entscheidenden Fragen nach der Grund- hänge, die man immer wieder erläutern muß. lage Ihres Steuerreformkonzeptes nicht beantworten konnten? Sie konnten nicht sagen, was mit dem Soli- (Beifall bei der F.D.P.) daritätszuschlag wird. Sie konnten nicht sagen, ob das Gesetz in einer Stufe oder in zwei Stufen auf den Dies erfahren unsere Unternehmen Tag für Tag. Je- Weg gebracht wird. Sie konnten nicht sagen, wie die der kann das in der Praxis sehen. Dies bestätigen uns Finanzlücke geschlossen werden soll. Alle Rahmen- auch alle ernstzunehmenden Sachverständigen. bedingungen waren völlig unklar, und Ihre Kollegin nen und Kollegen waren völlig hilflos. Können Sie Die Koalition hat deswegen vor wenigen Wochen - mir das erklären? übrigens unter dem Beifall des ökonomischen Sach- verstandes - ein Steuerreformkonzept vorgelegt, das Paul K. Friedhoff (F.D.P.): Da ich nicht im Finanz- eine deutliche Nettoentlastung für Bürger und Unter- ausschuß bin, kann ich den Eindruck, den Sie von nehmen vorsieht. meinen Kolleginnen und Kollegen hatten, nicht be- stätigen. Ich kann Ihnen aber bestätigen, daß diese (Joachim Poß [SPD]: Dann lesen Sie einmal Koalition dabei ist, eine Steuerreform auf den Weg zu die Anhörungsprotokolle dazu!) bringen, die zu einer Entlastung auf der Kostenseite - Ich habe die Protokolle gelesen. Sie brauchen gar führt, keine Sorge zu haben. Wenn Sie sich das genau an- (Beifall des Abg. E rnst Hinsken [CDU/ sehen, stellen Sie fest: Jeder hat seinen Wirtschafts- CSU]) wissenschaftler. Es wird immer jemanden geben, der das Ganze auch anders darstellt. Ich kann Ihnen nur damit wir die Strukturprobleme lösen können. Sie sagen: Wenn Sie die Gutachten lesen und sich die können ganz sicher sein, daß die Kollegen der Koali- Stellungnahmen der Fünf Weisen und der Institute tion das in ihren ganzen Aktivitäten immer wieder ansehen, dann wird nach meinem Dafürhalten bei al- zum Ausdruck bringen werden. len deutlich, daß unser Konzept der richtige Weg ist. (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordne In denjenigen Ländern, in denen die K rise zumindest ten der CDU/CSU) zurückgeführt wurde, ist genau dieses Rezept- erfolg- reich gewesen. Wir lassen uns da von Ihnen nichts Wir haben ein Strukturproblem. Die Finanzierung vormachen. der deutschen Einheit hat zu den hohen Steuern und hohen Abgaben geführt. Es besteht kein Zweifel, (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P. und daß wir hier große Lasten zu tragen haben. Das hat der CDU/CSU) dazu geführt, daß die Wettbewerbsfähigkeit vielfach verlorengegangen ist. Das ist der Grund für die Ar- Wir Liberalen stehen zu diesen Beschlüssen. Wir wol- beitslosigkeit. len eine Politik der Steuersenkung für mehr Arbeits- plätze in diesem Land. Ich habe mir einmal überlegt, wie ein Unternehmer analog gegensteuern würde, wenn er in die Situation Was stellt die SPD dem nun gegenüber? Auch das käme, daß seine Produkte so teuer würden, daß sie ist heute hier wieder deutlich geworden: Reformen nicht mehr verkauft werden könnten, so daß er an Ab- durch Umfinanzierung. Eine Rentenreform, die nur satz verlöre und sein Unternehmen den Bach runter- durch Umfinanzierung erfolgt, ist keine Reform, und ginge. Ich bin ziemlich sicher, daß ein solches Unter- eine Steuerreform, die nur eine Umfinanzierung nehmen nicht automatisch die Preise für seine Pro- durchsetzt, ist keine Reform für mehr Arbeitsplätze. dukte erhöhen würde, denn dann würden die Kunden Hier sind die eigentlichen Unterschiede. Wir wollen noch eher weglaufen. - Genau dies bewirken Sie mit Reformen, um zu entlasten, Sie wollen Reformen, um Ihren Steuerplänen. - Dieses Unternehmen würde umzufinanzieren. eher überlegen: Wo kann man sparen? Wir stoßen hier häufig an Grenzen, weil der Bundesrat uns nicht be- (Ina Albowitz [F.D.P.]: Abzukassieren!) sonders unterstützt. Auch das gibt es analog in Unter- Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 177. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 4. Juni 1997 15933

Paul K. Friedhoff nehmen. Wenn in Unternehmen falsche Strukturen Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Ich gebe das sind, dann wird man diese Strukturen dadurch beseiti- Wort der Abgeordneten Dr. Barbara Höll. - Meine gen können, daß man Werte aktiviert, die nicht im verehrten Kollegen, das ist die letzte Wortmeldung. Kerngeschäft des Unternehmens liegen. Ich bitte Sie, trotz aller Ungeduld Ihre Privatgesprä- che einzuschränken oder nach draußen zu verlegen. Hier haben der Bund, die Länder und die Kommu- nen, also der Staat, eine ganze Menge Möglichkeiten. Frau Dr. Höll, Sie haben das Wort. Wir nennen das im unternehmerischen Bereich dein- vestieren, beim Staat heißt das privatisieren. Das muß Dr. Barbara Höll (PDS): Danke schön. - Herr Präsi- der Weg sein, um Strukturen zu verändern, damit -dent! Meine Damen und Herren! Laut einer Forsa Haushaltslöcher gestopft werden können. Die Kolle- Umfrage glauben 52 Prozent der Bundesbürger und gen in der Koalition wissen sehr wohl, daß dies der An- Bundesbürgerinnen, daß Finanzminister Waigel zu- satz ist, mit dem wir hier einen Schritt weiterkommen. rücktreten sollte. Personen sind austauschbar. Es ist (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordne die Frage: Würde sich die Politik ändern? Herr Wai- ten der CDU/CSU) gel würde eine tolle Erbschaft hinterlassen. In jeder Sekunde erhöht sich die Schuldenlast der Bundesre- Ganz klar ist, daß ein Unternehmen eine Krise nur so publik - wenn man alle Ebenen zusammenrechnet - bewältigen kann. um 3170,98 DM. Das ergibt eine Verschuldung von Jetzt höre ich, das sei Verkaufen von Tafelsilber. 2,162 Billionen DM. Das ist die Bilanz eines Finanz- Auch Sie sind wahrscheinlich einmal auf dem Düssel- ministers, der sich inzwischen mit dem Titel schmük- dorfer Flughafen gelandet, nachdem ein Brand die ken kann, der am längsten amtierende Finanzmini- Abfertigungshallen zerstört hatte. Bevor man in die er- ster in der Bundesrepublik zu sein. Ich glaube, es ist satzweise errichteten Zelte kam, fuhr man durch eine schon ernüchternd, zu sehen, mit wie wenig Kompe- Geisterstadt. Diese Geisterstadt waren militärische tenz und mit wie viel politischem Unvermögen man Liegenschaften an einer Stelle, die hervorragend ge- solch ein Amt so lange ausüben kann. eignet ist, um dort ein Gewerbegebiet zu schaffen. (Beifall bei der PDS) Die Investoren würden sich die Finger danach lecken, wenn sie die Möglichkeit hätten, ganz in der Nähe ei- Die Ursache für die gegenwärtige Lage liegt aber nes bedeutenden Flughafens wirtschaftliche Aktivitä- sicher darin, wie 71 Prozent der bundesdeutschen ten zu entwickeln. Dieses Gebiet liegt brach. Das gibt Bevölkerung glauben, daß diese Bundesregierung es an vielen Stellen in Deutschland. ihre Finanz- und Haushaltsprobleme nicht mehr in den Griff bekommen kann. Es ist zu konstatieren: Oder denken Sie daran, was alles im Moment im Herr Waigel versuchte einen Buchungstrick, und na- Bereich der logistischen Dienstleistungen passiert. türlich versuchte er, Gegenwärtig gibt es eine Umstrukturierung in der Bundeswehr, bei der auf Grund veränderter Struktu- (Anhaltende Unruhe - Glocke des Präsiden ren und einer veränderten Bedrohungslage reihen- ten) weise Depots geschlossen werden. Ja, warum sollten den Rahmen für die Nettokreditaufnahme zu erwei- wir diese Depots, die frei werden, nicht P rivaten zur tern. Damit wollte er die schwarzen Waigelschen Verfügung stellen und das daraus zu erlösende Geld Haushaltslöcher schließen. Er versuchte, Öffentlich- dazu verwenden, um unsere Strukturprobleme zu lö- keit und Plenum zu täuschen. Dies ist eine Bankrott- sen, um eine Steuerreform auf den Weg zu bringen, erklärung der Haushalts- und Finanzpolitik dieser die dann ihrerseits mehr wirtschaftliche Betätigung Bundesregierung und eine Bankrotterklärung ihrer in Deutschland ermöglichen könnte? A lles hätte das Europapolitik. Ziel, die Strukturen hier zu verändern. - Entscheidend ist, daß diese Probleme hausgemacht Meine Damen und Herren, es ist wahr, daß wir sind. Herr Waigel selber nannte drei Problemkreise. wirklich an einer Wegkreuzung stehen. Es ist die Das erste waren die Steuermindereinnahmen; das ist Frage, wohin es mit dem Standort Deutschland und ein hausgemachtes Problem. Sie haben den Spitzen- der Wirtschaft gehen wird. Die F.D.P. will die Politik steuersatz gesenkt; Sie haben völlig undifferenziert für mehr Arbeitsplätze in diesem Land fortsetzen. Sie die Unternehmensteuern gesenkt; Sie haben die Ver- will selbstverständlich auch eine Reform der sozialen mögensteuer abgeschafft. Sie reagieren auf die so Sicherungssysteme, um die Höhe der Abgaben zu entstandene Lage mit Steuererhöhungen für die begrenzen. Durch konsequente Fortsetzung der breite Masse der Bevölkerung. Sparpolitik und durch eine Privatisierungsoffensive, mit der man die entsprechenden Mittel für die not- Zweitens. Die Kosten der Arbeitslosigkeit sind wendigen Strukturveränderungen erwirtschaften selbstverschuldet, weil sich diese Regierung vollstän- könnte, soll das erreicht werden. dig von jeder aktiven Arbeitsmarkt- und Wirtschafts- politik verabschiedet hat, im Gegenteil: Ihre Antwort Dies - da bin ich ganz sicher - werden wir gemein- darauf - hinter dem Wo rt „sparen" verschleiert - ist sam mit unserem Koalitionspartner schaffen; dies - die Kürzung der Leistungen für Arbeitslose, für Ar- da können Sie ganz sicher sein - werden auch die beitslosenhilfebezieher. Jetzt wollen Sie wieder die Wähler im nächsten Jahr honorieren. Sozialhilfebezieher zur Kasse bitten. Ich danke Ihnen. Drittens: die Kosten der Einheit. Ich nenne einmal (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordne zwei Zahlen. Zum Stichtag der Währungsunion be- ten der CDU/CSU) trug die Pro-Kopf-Verschuldung der DDR-Bevölke- 15934 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 177. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 4. Juni 1997

Dr. Barbara Höll rung 13 765 DM; die Pro-Kopf-Verschuldung der Be- ses 90/Die Grünen auf Entlassung des Bundesmini- völkerung der alten Bundesländer betrug 17 315 DM. sters der Finanzen auf Drucksache 13/7787. Die Frak- Nun frage ich Sie: Wo ist der Erblastentilgungsfonds tionen der SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen West, den nämlich auch die Bevölkerung der ehema- verlangen dazu namentliche Abstimmung. ligen DDR zu bedienen hat? Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, (Beifall bei der PDS) die vorgesehenen Plätze einzunehmen. - Darf ich fragen, ob das geschehen ist. - Das ist der Fa ll. Ich Die gesamte Bevölkerung hat zur Lösung der Pro- eröffne die Abstimmung. - bleme der deutschen Einheit beigetragen; alle müs- sen den Soli-Zuschlag zahlen. (Vorsitz: Vizepräsidentin Michaela Geiger) Diese hausgemachten Probleme sind aber nicht mit einer Regierung und mit einer Koalition zu lösen, Vizepräsidentin Michaela Geiger: Sehr verehrte bei denen die politische Verkalkung rasant zuge- Kolleginnen und Kollegen, ist noch ein Mitglied des nommen hat. Hauses anwesend, das seine Stimme nicht abgege- ben hat? - Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich Die PDS ist bei der Frage der Goldreserven für die Abstimmung, und wir warten, bis uns das Ergeb- eine sachliche Diskussion. Wir werden nicht in ein nis der namentlichen Abstimmung vorliegt. - unkritisches Festhalten an den Kriterien von Maas- tricht verfallen, weil wir den gesamten Maastricht Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich darf Prozeß aus unserer eigenen Erfahrung sehr heftig Ihnen mitteilen, daß nachher noch strittige Abstim- kritisieren. mungen stattfinden. Ich bitte die verehrten Kollegen und Kolleginnen, im Raum zu bleiben.- Es kann nicht angehen, ein gemeinsames Europa anzustreben, welches nur mit einer Währungsunion Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, ich bi tte beginnt. Ein gemeinsames Europa - sozial gerecht Sie, wieder Platz zu nehmen. und ökologisch ausgerichtet - verlangt, daß zumin- Ich gebe das von den Schriftführern ermittelte Er- dest eine Sozialunion an den Anfang gestellt wird.- gebnis der namentlichen Abstimmung über den ge- Nebenbei gesagt: Sie haben die Währungsunion sehr meinsamen Antrag der Fraktionen SPD und schlampig vorbereitet. Bündnis 90/Die Grünen zur Entlassung des Bundes- (Beifall bei Abgeordneten der PDS) ministers der Finanzen auf Drucksache 13/7787 be- kannt. Abgegebene Stimmen: 639. Mit Ja haben ge- Wir sind dafür, daß sich die Bundesregierung dar- stimmt: 311. Mit Nein haben gestimmt: 328. Enthal- anmacht, endlich ihre Hausaufgaben zu erledigen, tungen: keine. und daß sachlich diskutiert und eine Vorlage darüber erstellt wird, wie mit den Goldreserven umgegangen (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. - wird. Wir sind dafür, daß in Ruhe über die Neubewer- Joachim Poß [SPD]: Keine Kanzlermehrheit! tung diskutiert wird, deren Erlös dann jedoch nicht in - Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ den schwarzen Waigelschen Löchern verschwinden DIE GRÜNEN]: Armer Theo!) soll, Damit ist der Antrag von SPD und BÜNDNIS 90/DIE (Beifall bei Abgeordneten der PDS) GRÜNEN auf Entlassung des Bundesministers der sondern zielgerichtet für die Lösung des Problems Finanzen abgelehnt. eingesetzt wird, das Deutschland und Europa be- (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) droht und inzwischen weltweit ein Hauptproblem ist: die Massenarbeitslosigkeit. - (Beifall bei Abgeordneten der PDS) Endgültiges Ergebnis Friedhelm Julius Beucher Es geht darum, ein konkretes Programm zur Be- Arne Börnsen (Ritterhude) kämpfung der Massenarbeitslosigkeit aufzulegen. Abgegebene Stimmen: 639; Anni Brandt-Elsweier Wenn Sie das getan haben, können Sie auf diesem davon: Tilo Braune Gebiet eine führende Rolle in Europa spielen. ja: 311 Dr. (Beifall bei der PDS) nein: 328 Ursula Burchardt Hans Martin Bury Hans Büttner (Ingolstadt) Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Damit schließe Ja Marion Caspers-Merk ich die Aussprache. Wolf-Michael Catenhusen Peter Conradi Meine Damen und Herren Kollegen, ich möchte SPD Christel Deichmann Sie darauf aufmerksam machen, daß wir nach der na- Karl Diller mentlichen Abstimmung, mit der wir beginnen wer- Dr. Marliese Dobberthien den, noch eine Reihe weiterer streitiger Abstimmun- Hermann Bachmaier Peter Dreßen gen haben, die möglicherweise namentliche sind. Ich Rudolf Dreßler teile Ihnen das mit, damit Sie Ihre Anwesenheit ent- Ludwig Eich sprechend einrichten können. Ingrid Becker-Inglau Peter Enders Wolfgang Behrendt Petra Emstberger Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den Hans Berger Annette Faße Antrag der Fraktionen der SPD und des Bündnis- Hans-Werner Bertl Elke Ferner Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 177. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 4. Juni 1997 15935

Vizepräsidentin Michaela Geiger Lothar Fischer (Homburg) Winfried Mante Erika Simm Dorle Marx Johannes Singer Christa Nickels Norbert Formanski Ulrike Mascher Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk Egbert Nitsch (Rendsburg) Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast Cem Özdemir (Köln) Ingrid Matthäus-Maier Wieland Sorge Gerd Poppe Katrin Fuchs (Verl) Heide Mattischeck Wolfgang Spanier Simone Probst Arne Fuhrmann Dr. Dietrich Sperling Dr. Jürgen Rochlitz Monika Ganseforth Ulrike Mehl Jörg-Otto Spiller Halo Saibold Norbert Gansel Herbert Meißner Antje-Marie Steen Christine Scheel Konrad Gilges Irmingard Schewe-Gerigk Iris Gleicke Dr. Jürgen Meyer (Ulm) Dr. Peter Struck Rezzo Schlauch Günter Gloser Ursula Mogg Joachim Tappe Albert Schmidt (Hitzhofen) Uwe Göllner Siegmar Mosdorf Jörg Tauss Wolfgang Schmitt Günter Graf (Friesoythe) Michael Müller (Düsseldorf) Dr. Bodo Teichmann (Langenfeld) Angelika Graf (Rosenheim) Jutta Müller (Völklingen) Jella Teuchner Ursula Schönberger Dieter Grasedieck Christian Müller (Zittau) Dr. Gerald Thalheim Werner Schulz (Berlin) Achim Großmann Volker Neumann (Bramsche) Marina Steindor Hans-Joachim Hacker Gerhard Neumann (Gotha) Franz Thönnes Christian Sterzing Klaus Hagemann Dr. Edith Niehuis Uta Titze-Stecher Manfred Such Manfred Hampel Dr. Rolf Niese Adelheid Tröscher Dr. Christel Hanewinckel Doris Odendahl Hans-Eberhard Urbaniak Ludger Volmer Alfred Hartenbach Günter Oesinghaus Siegfried Vergin Helmut Wilhelm (Amberg) Dr. Liesel Hartenstein Leyla Onur Günter Verheugen Margareta Wolf (Frankfurt) Klaus Hasenfratz Manfred Opel (Pforzheim) Dr. Ingomar Hauchler Adolf Ostertag Karsten D. Voigt (Frankfurt) Dieter Heistermann Kurt Palis Josef Vosen PDS Reinhold Hemker Albrecht Papenroth Hans Georg Wagner Rolf Hempelmann Dr. Willfried Penner Dr. Konstanze Wegner Wollgang Bierstedt Dr. Barbara Hendricks Dr. Wolfgang Weiermann Petra Bläss Monika Heubaum Georg Pfannenstein Reinhard Weis (Stendal) Eva Bulling-Schröter Uwe Hiksch Dr. Eckhart Pick Matthias Weisheit Heinrich Graf von Einsiedel Reinhold Hiller (Lübeck) Joachim Poß Gunter Weißgerber Dr. Ludwig Elm Stephan Hilsberg Rudolf Purps (Wiesloch) Dr. Gerd Höfer Karin Rehbock-Zureich Jochen Welt Dr. Jelena Hoffmann (Chemnitz) Margot von Renesse Hildegard Wester Andrea Gysi Frank Hofmann (Volkach) Renate Rennebach Lydia Westrich Dr. Gregor Gysi Ingrid Holzhüter Otto Reschke Inge Wettig-Danielmeier Hanns-Peter Hartmann Eike Hovermann Bernd Reuter Dr. Norbert Wieczorek Dr. Uwe-Jens Heuer Lothar Ibrügger Dr. Edelbert Richter Helmut Wieczorek Dr. Barbara Höll Wolfgang Ilte Günter Rixe (Duisburg) Dr. Willibald Jacob Barbara Imhof Reinhold Robbe Heidemarie Wieczorek-Zeul Brunhilde Irber Gerhard Rübenkönig Dieter Wiefelspütz Gerhard Jüttemann Gabriele Iwersen Marlene Rupprecht Berthold Wittich Dr. Heidi Knake-Werner Renate Jäger Dr. Hansjörg Schäfer Dr. Wolfgang Wodarg Rolf Köhne Jann-Peter Janssen Gudrun Schaich-Walch Verena Wohlleben Rolf Kutzmutz Ilse Janz Dieter Schanz Hanna Wolf (München) Dr. Christa Luft Dr. Uwe Jens Rudolf Scharping Heidi Wright Heidemarie Lüth Volker Jung (Düsseldorf) Bernd Scheelen Dr. Günther Maleuda Sabine Kaspereit Dr. Dr. Christoph Zöpel Manfred Müller (Berlin) Susanne Kastner Siegfried Scheffler Peter Zumkley Rosel Neuhäuser Ernst Kastning Horst Schild Dr. Uwe-Jens Rössel Hans-Peter Kemper Christina Schenk Klaus Kirschner Horst Schmidbauer BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN Steffen Tippach Marianne Klappert (Nürnberg) Klaus-Jürgen Warnick Siegrun Klemmer (Aachen) Gila Altmann (Aurich) Dr. Winfried Wolf Hans-Ulrich Klose (Meschede) Elisabeth Altmann Dr. Hans-Hinrich Knaape Wilhelm Schmidt (Salzgitter) (Pommelsbrunn) Regina Schmidt-Zadel (Bremen) Fraktionslos Fritz Rudolf Körper Heinz Schmitt (Berg) (Köln) Nicolette Kressl Dr. Emil Schnell Kurt Neumann (Berlin) Volker Kröning Walter Schöler Thomas Krüger Annelie Buntenbach Horst Kubatschka Gisela Schröter Amke Dietert-Scheuer Nein Eckart Kuhlwein Dr. Mathias Schubert Franziska Eichstädt-Bohlig Helga Kühn-Mengel Schuhmann Richard Dr. Uschi Eid Konrad Kunick (Delitzsch) (Berlin) CDU/CSU Christine Kurzhals Brigitte Schulte (Hameln) Joseph Fischer (Frankfurt) Dr. Uwe Küster Reinhard Schultz Rita Grießhaber Werner Labsch (Everswinkel) Gerald Häfner Brigitte Lange Volkmar Schultz (Köln) Antje Hermenau Detlev von Larcher Ilse Schumann Kristin Heyne Jürgen Augustinowitz Waltraud Lehn Dr. R. Werner Schuster Ulrike Höfken Robert Leidinger Dietmar Schütz (Oldenburg) Michaele Hustedt Heinz-Günter Bargfrede Klaus Lennartz Dr. Angelica Schwall-Düren Dr. Manuel Kiper Dr. Elke Leonhard Ernst Schwanhold Monika Knoche Dr. Klaus Lohmann (Witten) Dr. Angelika Köster-Loßack Christa Lörcher Bodo Seidenthal Erika Lotz Lisa Seuster Dr. Helmut Lippelt Dr. Sabine Bergmann-Pohl Dieter Maaß (Herne) Horst Sielaff Oswald Metzger Hans-Dirk Bierling 15936 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 177. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 4. Juni 1997

Vizepräsidentin Michaela Geiger Dr. Joseph-Theodor Blank Joachim Hörster Friedhelm Ost Diethard Schütze (Berlin) Hubert Hüppe Clemens Schwalbe Dr. Peter Jacoby Norbert Otto (Erfurt) Dr. Christian Schwarz Susanne Jaffke Dr. Gerhard Päselt Schilling Dr. Norbert Blüm Georg Janovsky Dr. Peter Paziorek Wilhelm Josef Sebastian Helmut Jawurek Hans-Wilhelm Pesch Dr. Maria Böhmer Dr. Dionys Jobst Ulrich Petzold Marion Seib Dr.-Ing. Rainer Jork Wilfried Seibel Wolfgang Börnsen (Bönstrup) Dr. Egon Jüttner Angelika Pfeiffer Heinz-Georg Seiffert Dr. Harald Kahl Dr. Gero Pfennig Dr. Wolfgang Bötsch Bartholomäus Kalb Dr. Friedbert Pflüger Klaus Brähmig Steffen Kampeter Bernd Siebert Rudolf Braun (Auerbach) Dr.-Ing. Dietmar Kansy Dr. Winfried Pinger Jürgen Sikora Irmgard Karwatzki Dr. Hermann Pohler Bärbel Sothmann Margarete Späte Hartmut Büttner Peter Keller Marlies Pretzlaff Carl-Dieter Spranger (Schönebeck) Dr. Bernd Protzner Wolfgang Steiger Dr. Bernd Klaußner Dieter Pützhofen (Emstek) Ulrich Klinkert Dr. Wolfgang Freiherr von Dr. Helmut Kohl Hans Raidel Stetten (Nordstrand) Hans-Ulrich Köhler Dr. Dr. Gerhard Stoltenberg (Hainspitz) Rolf Rau Andreas Storm Manfred Kolbe Helmut Rauber Norbert Königshofen Peter Rauen Matthäus Strebl Albert Deß Eva-Maria Kors Otto Regenspurger Michael Stübgen Hartmut Koschyk Christa Reichard (Dresden) Egon Susset Manfred Koslowski Klaus Dieter Reichardt Dr. Rita Süssmuth Werner Dörflinger Thomas Kossendey (Mannheim) Michael Teiser Hansjürgen Doss Rudolf Kraus Dr. Bertold Reinartz Dr. Susanne Tiemann Dr. Wolfgang Krause (Dessau) Erika Reinhardt Dr. Klaus Töpfer Maria Eichhorn Andreas Krautscheid Hans-Peter Repnik Gottfried Tröger Heinz-Jürgen Kronberg Roland Richter Dr. Klaus-Dieter Uelhoff Dr.-Ing. Paul Krüger Roland Richwien Heinz Dieter Eßmann Reiner Krziskewitz Dr. Norbert Rieder Wolfgang Vogt (Düren) Dr. Hermann Kues Dr. (München) Dr. Horst Waffenschmidt Klaus Riegert Dr. Theodor Waigel Dr. Karl A. Lamers Dr. Alois Graf von Waldburg-Zeil (Heidelberg) Franz Romer Dr. Jürgen Warnke Hannelore Rönsch Kersten Wetzel Dirk Fischer (Hamburg) Dr. (Wiesbaden) Hans-Otto Wilhelm (Mainz) (Hamburg) Heinrich-Wilhelm Ronsöhr Dr. Klaus Rose Bernd Wilz Dr. Gerhard Friedrich Herbert Lattmann Kurt J. Rossmanith Willy Wimmer (Neuss) Erich G. Fritz Dr. Paul Laufs Adolf Roth (Gießen) Hans-Joachim Fuchtel Karl-Josef Laumann Norbert Röttgen Dagmar Wöhrl Michaela Geiger Dr. Christian Ruck Michael Wonneberger Werner Lensing Volker Rühe Elke Wülfing Dr. Heiner Geißler Dr. Jürgen Rüttgers Peter Kurt Würzbach Michael Glos Peter Letzgus Roland Sauer (Stuttga rt) Wilma Glücklich Editha Limbach Ortrun Schätzle Wolfgang Zeitlmann Dr. Reinhard Göhner Walter Link (Diepholz) Dr. Wolfgang Schäuble Wolfgang Zöller Peter Götz Eduard Lintner Hartmut Schauerte Dr. Wolfgang Götzer Dr. Klaus W. Lippold- Heinz Schemken Joachim Gres (Offenbach) Karl-Heinz Scherhag F.D.P. Kurt-Dieter Grill Dr. Manfred Lischewski Gerhard Scheu Wolfgang Gröbl Wolfgang Lohmann Norbert Schindler Ina Albowitz Hermann Gröhe (Lüdenscheid) Dietmar Schlee Dr. Gisela Babel Claus-Peter Grotz Julius Louven Ulrich Schmalz Hildebrecht Braun Sigrun Löwisch Bernd Schmidbauer (Augsburg) Horst Günther (Duisburg) Dr. Michael Luther Christian Schmidt (Fürth) Günther Bredehorn Carl-Detlev Freiherr von Dr.-Ing. Joachim Schmidt Jörg van Essen Hammerstein Dr. Martin Mayer (Halsbrücke) Dr. (Siegertsbrunn) Andreas Schmidt (Mülheim) Gisela Frick (Großhennersdorf) Wolfgang Meckelburg Hans-Otto Schmiedeberg Paul K. Friedhoff Rudolf Meinl Hans Peter Schmitz Otto Hauser (Esslingen) Dr. (Baesweiler) Hansgeorg Hauser Dr. Birgit Schnieber-Jastram Hans-Dietrich Genscher (Rednitzhembach) Dr. Dr. Wolfgang Gerhardt Klaus-Jürgen Hedrich Rudolf Meyer (Winsen) Dr. Rupert Scholz Joachim Günther (Plauen) Reinhard Freiherr von Dr. Manfred Heise Meinolf Michels Schorlemer Dr. Detlef Helling Dr. Gerd Müller Dr. Erika Schuchardt Ulrich Heinrich Dr. Renate Hellwig Elmar Müller (Kirchheim) Walter Hirche Ernst Hinsken Engelbert Nelle Dr. Dr. Burkhard Hirsch (Bremen) (Schwäbisch Gmünd) Birgit Homburger Josef Hollerith Johannes Nitsch Gerhard Schulz (Leipzig) Dr. Dr. Karl-Heinz Hornhues Frederick Schulze Ulrich Irmer Siegfried Hornung Dr. Rolf Olderog (Sangerhausen) Dr. Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 177. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 4. Juni 1997 15937

Vizepräsidentin Michaela Geiger Detlef Kleinert (Hannover) Dr. Klaus Röhl Ich lasse deshalb über den Überweisungsvorschlag Roland Kohn Helmut Schäfer (Mainz) abstimmen und bitte diejenigen, die dem Überwei- Dr. Heinrich L. Kolb Cornelia Schmalz-Jacobsen sungsvorschlag der Koalitionsfraktionen zuzustim- Jürgen Koppelin Dr. Edzard Schmidt-Jortzig men wünschen - - Dr.-Ing. Karl-Hans Laermann Dr. Sabine Leutheusser Dr. Hermann Otto Sohns (Joseph Fischer [Frankfurt ] [BÜNDNIS 90/ Schnarrenberger Dr. DIE GRÜNEN]: Frau Präsidentin, es liegt Uwe Lühr Carl-Ludwig Thiele eine Wortmeldung vor!) Jürgen W. Möllemann Dr. Dieter Thomae Günther Friedrich Nolting Jürgen Türk - Es gibt jetzt allerdings eine Wortmeldung zur Ge- Dr. Dr. Wolfgang Weng schäftsordnung. Wir sind zwar in der Abstimmung, Lisa Peters (Gerlingen) aber es war vielleicht ein kleiner Fehler von mir. Ich Dr. Günter Rexrodt Dr. Guido Westerwelle habe nicht hingesehen, wann er sich gemeldet hat. Deswegen erteile ich ihm das Wo rt. Entschuldigt wegen Übernahme einer Verpflichtung im Rah- (Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: Wenn men ihrer Mitgliedschaft in den Parlamentarischen Versamm- wir in der Abstimmung sind, sind wir in der lungen des Europarates und der WEU, der NAV, der OSZE oder der IPU Abstimmung!)

Abgeordnete(r) Werner Schulz (Berlin) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Andres, Gerd, SPD Lummer, Heinrich, CDU/CSU NEN): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Antretter, Robert, SPD Maaß (Wilhelmshaven), Ihnen, Herr Schäuble, sei gesagt, daß auch Sie hinten Behrendt, Wolfgang, SPD Erich, CDU/CSU noch keine Augen haben. Ich habe mich nämlich Bindig, Rudolf, SPD Marten, Günter, CDU/CSU schon vor der Abstimmung zur Geschäftsordnung Blunck, Lilo, SPD Dr. Probst, Albert, CDU/CSU gemeldet. Das konnten Sie offenbar nicht sehen. Bühler (Bruchsal), Klaus, Dr. Scheer, Hermann, SPD CDU/CSU (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Schloten, Dieter, SPD Fischer (Unna), Leni, und bei der SPD) CDU/CSU Schluckebier, Günter, SPD Haack (Extertal), Karl von Schmude, Michael, Ich hatte das auch bei der Frau Präsidentin angemel- Hermann, SPD CDU/CSU det. Denn über den Punkt, ob wir über den vorlie- Horn, Erwin, SPD Siebert, Bernd, CDU/CSU genden Entschließungsantrag jetzt abstimmen soll- Hornung, Siegfried, CDU/CSU Terborg, Margitta, SPD ten oder nicht, sind wir strittiger Auffassung. Deswe- Junghanns, Ulrich, CDU/CSU Dr. Wittmann, Fritz, gen möchte ich das nach der Geschäftsordnung kurz Kriedner, Arnulf, CDU/CSU CDU/CSU begründen. Dr. Lucyga, Christine, SPD Zierer, Benno, CDU/CSU Ich meine nämlich, wichtiger noch als eine Sprach- regelung zur Neubewertung der Gold- und Devisen- Wir setzen jetzt die Beratungen fo rt. reserven, Herr Bundesfinanzminister, ist eine klare Der Antrag der Fraktionen SPD und Bündnis 90/ Position, die der Bundestag beziehen sollte. Die Grünen zur Neubewertung der Gold- und Devi- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN senreserven der Deutschen Bundesbank auf Druck- sowie bei Abgeordneten der SPD) sache 13/7788 wurde zurückgezogen. Der Bundestag könnte heute mit einem klaren Votum Wir kommen jetzt zum gemeinsamen Entschlie- die Unabhängigkeit der Bundesbank ganz eindeutig ßungsantrag der Fraktionen SPD und Bündnis 90/Die unterstreichen. Der Zentralbankrat der Deutschen Grünen zur Regierungserklärung zu Fragen der Fi- Bundesbank hat am 28. Mai, also am Mittwoch letz- nanzpolitik auf Drucksache 13/7804. Die Fraktionen ter Woche, in einer unmißverständlichen Stellung- der CDU/CSU und der F.D.P. haben beantragt,- die nahme und Erklärung deutlich gemacht, was er vom Vorlage zu überweisen: Ansinnen des Finanzministers hält. (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ (Hans Michelbach [CDU/CSU]: Zur Ge DIE GRÜNEN]: Feiglinge! Angsthasen!) schäftsordnung!) zur federführenden Beratung an den Finanzausschuß - Ich begründe das ja gerade. Sie hören es doch. und zur Mitberatung an den Haushaltsausschuß so- (Hans Michelbach [CDU/CSU]: Nein!) wie an den Ausschuß für die Angelegenheiten der Europäischen Union. Die Fraktionen SPD und Wir haben diese Stellungnahme in einen Antrag Bündnis 90/Die Grünen verlangen hingegen sofor- aufgenommen. Der Antrag ist auch nicht zurückge- tige Abstimmung. zogen worden, wie das hier gesagt worden ist, son- dern wir haben aus diesem Antrag einen Entschlie- Nach einer Auslegungsentscheidung des Aus- ßungsantrag gemacht. Wir möchten, daß jetzt über schusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäfts- diesen Entschließungsantrag abgestimmt wird. ordnung steht den Antragstellern bei Entschlie- ßungsanträgen zu einer Regierungserklärung gegen (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Überweisung kein Widerspruchsrecht zu. Nach und bei der SPD sowie bei Abgeordneten ständiger Übung geht die Abstimmung über den der PDS) Überweisungsvorschlag vor. Die Stellungnahme des Zentralbankrats ist be- (Abg. Werner Schulz [Berlin] [BÜNDNIS 90/ kannt; sie ist in der Öffentlichkeit. Herr Schäuble hat DIE GRÜNEN] meldet sich zur Geschäfts sich heute in seiner Rede positiv darauf bezogen. ordnung) Auch andere Abgeordnete der Koalition haben sich 15938 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 177. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 4. Juni 1997

Werner Schulz (Berlin) positiv darauf bezogen. Es besteht also überhaupt rückgezogen und einen neuen eingebracht haben. kein Grund, heute einer Entscheidung auszuwei- Das ist Trickserei; das machen wir selbstverständlich chen, es sei denn, Sie wollen Politik durch Geschäfts- nicht mit. ordnungstricks ersetzen. (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) Im übrigen hat die Präsidentin schon mit Recht dar- auf hingewiesen, daß es eine Auslegungsentschei- Das ist natürlich etwas anderes. Dann sind Sie nicht dung des 1. Ausschusses gibt, die gut überlegt ist nur in der Finanzpolitik auf der Trickserstraße, son- und dern winden sich auch in dieser Frage. (Rudolf Scharping [SPD]: Unverschämtheit!) (Ina Albowitz [F.D.P.]: Wer hier t rickst, wird sich noch herausstellen!) die wir sorgfältig diskutiert haben, daß nämlich eine Überweisung von Anträgen an Ausschüsse vorgeht. Es gibt zu dieser Stellungnahme also keinen weite- Das macht in diesem Zusammenhang ganz beson- ren Beratungsbedarf. Es gibt nur die verflixte Not- ders Sinn. wendigkeit, daß der Deutsche Bundestag, sich die Wir alle wissen, daß es im Augenblick Stellungnahme des Zentralbankrats zu eigen macht. Verhand- gibt. Wir sollten diese Verhandlungen nicht Das ist der Gegenstand des Antrages. Sie sollten sich lungen stören. hier nicht vor einer Entscheidung drücken. Um es unmißverständlich zu sagen: Sie sind in der gleichen (Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS Situation wie Oskar Lafontaine, der sich um eine Ent- 90/DIE GRÜNEN) schuldigung gedrückt hat. Das haben Sie gerügt. Ich hoffe, Sie drücken sich nicht um eine Entscheidung Es ist in unser aller Interesse, wenn diese Verhand- und Unterstützung der Bundesbank; lungen zu einem guten Ergebnis geführt werden. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) denn mit jeder Flucht vor der Entscheidung werden Es ist im Interesse unseres Landes, daß wir dies er- Sie die Spekulation nähren. Sie werden die Diskus- möglichen. Deshalb beantragen wir die Überweisung sion nicht beenden; im Gegenteil, diese Diskussion an die Ausschüsse. wird sich fortsetzen. (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ Wir haben heute gerade in den Meldungen gehört: DIE GRÜNEN]: Bitte nicht stören!) Während der Bundesfinanzminister von einem Kom- - Herr Fischer, Sie können noch so laut schreien. Wir promiß spricht, während er sagt, er habe den golde- haben überhaupt keine Sorge, daß wir die notwendi- nen Mittelweg gefunden, läßt der Präsident der Bun- gen Mehrheiten nicht bekommen. Die Abstimmung, desbank feststellen - ich zitiere -, „daß es ernsthafte die wir gerade durchgeführt haben, hat gezeigt, wie Bemühungen um eine Einigung gibt" . Es liegt also die Mehrheiten sind. Deshalb gibt es bei uns keiner- keine Einigung vor. lei solche Überlegungen. (Zurufe von der SPD) Vizepräsidentin Michaela Geiger: Herr Abgeordne- ter, bitte sprechen Sie zur Geschäftsordnung. Ich beantrage für die Koalitionsfraktionen, daß es zu einer Überweisung an den federführenden Finanz- ausschuß und an die anderen genannten Ausschüsse (Berlin) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Werner Schulz kommt. NEN): Ich denke, wir sollten heute unmißverständ-- lich Klarheit schaffen und darüber abstimmen, daß Vielen Dank. die Stellungnahme des Zentralbankrats vom Bundes- tag akzeptiert wird. (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Vizepräsidentin Michaela Geiger: Das Wort hat und bei der SPD sowie bei Abgeordneten jetzt der Abgeordnete Gysi, PDS. der PDS)

Dr. Gregor Gysi (PDS): Frau Präsidentin! Meine Vizepräsidentin Michaela Geiger: Ich erteile jetzt Damen und Herren! Das Problem, weshalb Sie die das Wort dem Abgeordneten van Essen, F.D.P.-Frak- Geschäftsordnung auf die vorgeschlagene A rt und tion. Weise dehnen, besteht doch nur darin, daß Sie vor beiden Entscheidungen Hemmungen haben. Sie Jörg van Essen (F.D.P.): Frau Präsidentin, ich trauen sich nicht, dem Zentralbankrat zuzustimmen. werde mich zur Geschäftsordnung äußern. - Ich Aber Sie trauen sich auch nicht, ihm hier ausdrück- weise den Vorwurf von Bündnis 90/Die Grünen, daß lich zu widersprechen. hier getrickst wird, mit allem Nachdruck zurück; (Beifall bei der PDS sowie bei Abgeordne (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU - ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Lachen beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Das ist die Klemme, in der Sie sich befinden. Anson denn wenn jemand getrickst hat, dann sind es die sten steht in diesem Antrag nichts drin, was man Oppositionsparteien gewesen, die einen Antrag zu nicht sofort entscheiden könnte. Die PDS ist deshalb Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 177. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 4. Juni 1997 15939

Dr. Gregor Gysi dafür, daß hier sofort über diesen Entschließungsan- heute hier in der Sache abzustimmen, hat zwei trag entschieden wird. Ich füge allerdings hinzu: Wir Gründe. werden ihm nicht zustimmen - das ist eine andere Frage -, und zwar deshalb nicht, weil wir der Mei- Der erste ist: Sie haben Angst davor, daß hier ei- nung sind, daß die zusätzlichen Bundesbankge- nige von Ihnen eigentlich dieser Stellungnahme der winne, wenn sie denn irgendwann freigesetzt wer- Deutschen Bundesbank zustimmen müßten, wenn den, für den Kampf gegen Massenarbeitslosigkeit sie noch eine ehrliche Politik machen wollen; das und nicht für den Erblastentilgungsfonds einzuset- wollen Sie verstecken. zen sind. (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE (Widerspruch bei der CDU/CSU) GRÜNEN und der PDS) - Was regen Sie sich auf? Sie würden doch auch da- Der zweite Grund ist: Sie wollen das hier nicht fest- gegen stimmen. Wieso werfen Sie uns vor, was Sie legen, weil Sie, wie Herr van Essen gesagt hat, die selber treiben? Gespräche der Bundesregierung mit der Bundes- bank nicht „stören" wollen. Was haben Sie eigentlich Entscheidungsverweigerung ist ein Ausdruck von für ein Verständnis von Parlamentsarbeit? Sollen wir Unkultur, gerade in schwierigen Situationen. Sie ha- hier überhaupt nichts mehr beschließen dürfen? ben heute von Ministerpräsident Lafontaine eine Entschuldigung für eine eher harmlose Äußerung (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne verlangt. ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS) (Widerspruch bei der CDU/CSU und der F.D.P. - Zuruf von der CDU/CSU: Unver Sollen wir also nur warten, was Herr Waigel mit schämtheit!) Herrn Tietmeyer macht? Sie sollten sich Ihr Parla- mentsverständnis wirklich sehr überlegen. - Moment mal! Sie haben uns diesbezüglich gerade etwas vorzuwerfen! Soll ich einmal die Ausdrücke Meine Damen und Herren, wir sind der festen benennen, mit denen Sie hier schon Abgeordnete Überzeugung, daß das, was die Bundesbank zu die- dieses Parlaments belegt haben? ser Frage erklärt hat, das ist, was man zu dieser Frage im Interesse einer Stabilitätspolitik in Deutsch- (Beifall bei der PDS sowie bei Abgeordne land erklären muß. Deshalb sollte der Deutsche Bun- ten der SPD) destag jetzt und hier sofort abstimmen. Sie sind nicht diejenigen, die als erste einen Stein (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE werfen dürfen. GRÜNEN und der PDS)

Vizepräsidentin Michaela Geiger: Herr Abgeordne- Vizepräsidentin Michaela Geiger: Liebe Kollegin- ter, bitte sprechen Sie zur Geschäftsordnung. nen und Kollegen, die Fraktionen haben noch einmal ihre Positionen dargelegt. (PDS): Das hat etwas damit zu Dr. Gregor Gysi: Nach der ständigen Übung hier im Parlament stim- tun. men wir zuerst über den Überweisungsvorschlag ab. (Lebhafter Widerspruch von der CDU/CSU (Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: Das und der F.D.P.) haben wir doch schon einmal gehabt! Wir Darüber ist hier schon gesprochen worden.- Das hat waren vorhin schon in der Abstimmung!) etwas mit Kultur und Unkultur zu tun. Ich bitte diejenigen, die dem Überweisungsvorschlag Eines sage ich Ihnen - mein letzter Satz, Frau Prä- der Koalitionsfraktionen zustimmen, um ein Hand- sidentin -: Herrn Lafontaine mit Nazis zu verglei- zeichen. chen, das ist eine Unverschämtheit, für die Sie sich noch werden entschuldigen müssen, (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Minderheit!) (Beifall bei der PDS sowie bei Abgeordne ten der SPD) Wer stimmt dagegen? - und wenn Sie ihn mit Kommunisten vergleichen, (Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/ dann tun Sie ihm unrecht. DIE GRÜNEN: Mehrheit! - Deutliche Mehr heit!) (Heiterkeit bei der PDS, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Beifall bei Enthaltungen? - Damit ist der Überweisungsan- der PDS) schlag - - (Große Heiterkeit - Beifall bei der SPD, dem Vizepräsidentin Michaela Geiger: Das Wort hat BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS) jetzt der Abgeordnete Dr. Struck, SPD-Fraktion. - Es ist schön, daß man auch nach solch einer De- batte noch lachen kann. - Der Überweisungsvor- Dr. Peter Struck (SPD): Frau Präsidentin! Meine schlag ist damit angenommen. Wir stimmen damit in Damen und Herren! Daß die Koalition sich weigert, der Sache heute nicht ab. 15940 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 177. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 4. Juni 1997,

Vizepräsidentin Michaela Geiger Wir kommen jetzt zum Antrag der Gruppe der PDS Bulgarien liegen der Bundesregierung keine weite- zur Vertrauensfrage auf Drucksache 13/7786. ren Erkenntnisse vor. Wie bereits zu Beginn der Aussprache mitgeteilt, hat die PDS beantragt, daß über ihren Antrag na- Vizepräsidentin Michaela Geiger: Eine Zusatz- mentlich abgestimmt wird. Dafür ist die Unterstüt- frage, Herr Kollege Erler. zung von mindestens 34 anwesenden Abgeordneten erforderlich. Ich frage deshalb: Wer unterstützt den Gernot Erler (SPD): Herr Staatssekretär, habe ich Antrag der PDS auf namentliche Abstimmung? - Das Sie richtig verstanden, daß es weder üblich noch zwi- erforderliche Quorum ist nicht erreicht. Über den An- schen den Mitgliedstaaten der EU vereinbart ist, trag wird nicht namentlich abgestimmt. Wirtschaftshilfen; wie sie Bulgarien zum gegenwärti- gen Zeitpunkt dringend braucht, an bestimmte politi- Wer stimmt für den Antrag der PDS auf Drucksa- sche Praktiken in der ökonomischen Innenpolitik zu che 13/7786? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltun- binden? gen? - Damit ist der Antrag mit den Stimmen von CDU/CSU, F.D.P., SPD und Grünen gegen die Stim- men der PDS abgelehnt. Dr. Heinrich L. Kolb, Parl. Staatssekretär beim Bun- desminister für Wirtschaft: Herr Kollege Erler, Ihre Wir kommen jetzt zum Antrag der Gruppe der PDS Frage zielte ja darauf ab, ob die Gewährleistung von zum Einsatz der Neubewertung der Goldreserven für Hilfe davon abhängig gemacht wird, daß ein be- ein Programm gegen Massenarbeitslosigkeit, Druck- stimmtes Unternehmen von dieser Hilfe ausgeschlos- sache 13/7791. Die Fraktionen von CDU/CSU und sen werde. Das ist unüblich, und ich habe Ihnen F.D.P. haben beantragt, die Vorlage zur federführen- bestätigt - insofern haben Sie mich richtig verstan- den Beratung an den Finanzausschuß und zur Mitbe- den -, daß uns keine Erkenntnisse darüber vorliegen, ratung an den Haushaltsausschuß sowie an den Aus- daß in dieser Richtung Forderungen gestellt worden schuß für die Angelegenheiten der Europäischen seien. Union zu überweisen. Die Gruppe der PDS verlangt hingegen sofortige Abstimmung. Vizepräsidentin Michaela Geiger: Eine weitere Zu- Nach ständiger Übung geht die Abstimmung über satzfrage. den Überweisungsvorschlag vor. Ich bitte diejenigen, die dem Überweisungsvorschlag der Koalitionsfrak- Gernot Erler (SPD): Herr Staatssekretär, stimmen tionen zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Sie mir zu, daß die öffentliche Wirkung eine sehr pro- Wer stimmt dagegen? - Dann ist der Überweisungs- blematische wäre, wenn ein Land wie die Bundesre- vorschlag bei demselben Mehrheitsverhältnis wie zu- publik, die ja bei wirtschaftlichen Hilfen an Bulgarien vor angenommen. Wir stimmen in der Sache nicht mit an vorderster Stelle steht, do rt durch einen Ver- mehr ab. treter der Bundesregierung den Eindruck erweckte, Ich rufe den Tagesordnungspunkt 2 auf: es gebe bestimmte Bedingungen?

Fragestunde Dr. Heinrich L. Kolb, Parl. Staatssekretär beim Bun- - Drucksache 13/7769 - desminister für Wirtschaft: Über die öffentliche Wir- kung von Äußerungen will ich hier nicht spekulieren. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministe- Ich kann nur sagen, daß ein klarer Rahmen für die riums für Wirtschaft auf. Zur Beantwortung der Fra- Beziehungen zwischen Bulgarien und der Europäi- gen steht Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Kolb schen Union gesteckt ist. Ich betone noch einmal: zur Verfügung. Die Zahlungsbilanzhilfen erfolgen zu IWF-Bedingun- gen. Darüber hinaus ist nichts vereinbart, und Grund Ich rufe die Frage 1 des Abgeordneten Erler auf: für Spekulationen gibt es an dieser Stelle auch nicht. Welche EU-Vereinbarungen zur Konditionierung der EU- Wirtschaftshilfe an Bulgarien bestehen derzeit, und gehört es Die Frage 2 soll zu diesen Konditionierungen, daß die bulgarische Regierung Vizepräsidentin Michaela Geiger: bestimmte Wirtschaftsgruppierungen wie „Multigrup" aus dem schriftlich beantwortet werden. Die Antwort wird als Wirtschaftsleben des Landes ausschließt? Anlage abgedruckt. Bitte schön. Damit sind wir am Ende des Geschäftsbereichs des Bundesministeriums für Wirtschaft. Ich bedanke mich. Dr. Heinrich L. Kolb, Parl. Staatssekretär beim Bun- desminister für Wirtschaft: Herr Kollege Erler, ich be- Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesmi- antworte Ihre Frage wie folgt: Die EU-Wirtschafts- nisteriums der Verteidigung. Die Fragen 3 und 4 sol- hilfe für Bulgarien erfolgt im Rahmen der Beziehun- len schriftlich beantwortet werden. Die Antworten gen, die durch das am 1. Februar 1995 in Kraft getre- werden als Anlagen abgedruckt. tene Europaabkommen begründet wurden. Dabei Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesmi- wird die EU-Zahlungsbilanzhilfe für Bulgarien zu nisteriums für Gesundheit. IWF-Bedingungen gewährt. Zu einer darüber hin- ausgehenden Konditionierung von Hilfsleistungen, Für die Frage 5 des Abgeordneten Dr. Wolfgang wie in Ihrer Frage angesprochen, mit Blick auf den Wodarg wurde schriftliche Beantwortung beantragt. Ausschluß bestimmter Wirtschaftsgruppierungen in Die Antwort wird als Anlage abgedruckt. Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 177. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 4. Juni 1997 15941 Vizepräsidentin Michaela Geiger Damit kommen wir zum Geschäftsbereich des Bun- ser Spekulation neigen, um einen Sachverhalt zu desministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reak- konstruieren. Ich darf einmal aus der bulgarischen torsicherheit. Zeitung „Capital", Ausgabe Nr. 19 für den Zeitraum 12. bis 18. Mai dieses Jahres, Seite 1 und 14, zitieren, Für die Fragen 6 und 7 des Kollegen Horst Ku- daß diese Ausführungen nicht in dieser Weise zu ver- batschka wurde schriftliche Beantwortung beantragt. stehen sind. Dort steht: Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt. Das Problem „Multigrup" wurde erstmals, wenn Damit kommen wir zum Geschäftsbereich des Bun- auch nicht offiziell von ausländischer Seite, im deskanzleramtes. Zur Beantwortung steht Staats- Zusammenhang mit der Einführung eines Wäh- minister Bernd Schmidbauer zur Verfügung. rungsrates und dem Umfeld ausländischer Inve- stitionen gestellt. Ich rufe die Frage 8 des Abgeordneten Gernot Er- ler auf: Ich finde, das ist ein guter Satz. Kann die Bundesregierung bestätigen, daß Staatsminister Anschließend wird über meinen Besuch bei dem Bernd Schmidbauer bei einem jüngsten Besuch in Va rna Druck Präsidenten und dem Innenminister berichtet, es auf die bulgarische Regierung ausgeübt hat, die Wirtschafts- gruppierung „Multigrup" aus dem Wi rtschaftsleben des Landes werde verlangt, daß hier bestimmte Regeln beachtet zu eliminieren, wie die Nachrichtenagentur Balkan und bulga- werden. Da ich diese Gruppierung jetzt genannt rische Medien berichtet haben, und welche Äußerungen hat habe und wir davon ausgegangen sind, daß diese Staatsminister Bernd Schmidbauer in diesem Zusammenhang Gruppierung, wie es hier heißt, als „Geldwaschan- in Varna tatsächlich gemacht? lage der früheren Kommunistischen Pa rtei Bulga- riens" im internationalen Bereich bekannt ist, kön- Bernd Schmidbauer, Staatsminister beim Bundes- nen solche Spekulationen zwar angestellt werden, kanzler: Herr Kollege Erler, es trifft nicht zu, daß in nur haben die Inhalte dieser Spekulationen mit mei- der von Ihnen geschilderten Weise Druck auf die bul- nen Gesprächen nichts zu tun. Sie waren nicht Ge- garische Regierung ausgeübt wurde. Richtig ist, daß genstand der Gespräche mit dem Präsidenten und ich bei meinem letzten Besuch in Bulgarien unter an- dem zuständigen Minister. derem auch Fragen der organisierten Kriminalität mit Vertretern der bulgarischen Regierung erörtert habe. Wegen der vereinbarten Vertraulichkeit können nä- Vizepräsidentin Michaela Geiger: Zweite Zusatz- here Einzelheiten über den Inhalt der Gespräche frage, bitte. nicht öffentlich mitgeteilt werden. Das sage ich nur zur Ergänzung. Ich unterstreiche noch einmal den er- Gernot Erler (SPD): Herr Staatsminister, ich muß sten Satz meiner Antwort: Es gab diesen von Ihnen bekennen, daß mir immer noch nicht klar ist, wie ein angesprochenen Druck in keiner Weise. völlig anderer Gegenstand, den Sie offenbar behan- Zum Thema selbst empfehle ich den Ihrer Fraktion delt haben, in dieser Weise eine solch herausragende übergebenen Be richt „Sonderformen der internatio- Rolle in der bulgarischen Öffentlichkeit spielen nal organisierten Kriminalität". Auf Seite 28 - ich konnte. Können Sie uns vielleicht sagen, wie Sie dar- gebe sie Ihnen nachher, damit es für Sie einfacher auf reagiert haben? Sie sind ja sicherlich nicht an ei- ist, den Vorgang nachzuvollziehen - ist nachzulesen, nem Schaden in den Wirtschaftsbeziehungen zwi- was in der Presse Gegenstand der Spekulationen ge- schen Deutschland und Bulgarien interessiert, der wesen sein könnte, was aber mit den Gesprächen, aber durchaus durch solche Berichte entstehen kann. die ich geführt habe, nichts zu tun hatte. Wie haben Sie denn versucht, diesen möglichen Schaden abzuwehren?

Vizepräsidentin Michaela Geiger: Bitte Ihre Zusatz- frage, Herr Kollege Erler. Bernd Schmidbauer, Staatsminister beim Bundes- kanzler: Die beteiligten Gesprächspartner wissen, welche Inhalte unsere Gespräche hatten. Im übrigen Gernot Erler (SPD): Herr Staatsminister, die Ver- waren es sehr freundschaftliche Gespräche, die mit traulichkeit Ihrer Gespräche kann mich nicht von der dem Gegenstand Ihrer Frage nichts zu tun hatten. In- Rückfrage abhalten, wie Sie sich erklären, daß ein sofern ist überhaupt kein . Schaden eingetreten, es sei solches vertrauliches Gespräch nun Eingang in die denn bei denen, die es vielleicht als Mißerfolg anse- bulgarische Presse und in die bulgarischen Medien hen, wenn bei entsprechenden wi rtschaftlichen Ver- gefunden hat und daß es, wie Sie wahrscheinlich handlungen genauer hingesehen wird. Aber das ist wissen, auch zu einem Vorgang bei der deutschen nicht mein Bier. Es ist auch nicht meine Aufgabe, Vertretung in Sofia geführt hat, wo Nachfragen von darüber nachzudenken. Ich sage noch einmal: Die der betroffenen Seite getätigt worden sind. Damit ist betroffenen Gesprächspartner wissen sehr wohl, wel- das Gespräch nicht mehr auf der Ebene vertraulicher chen Inhalt diese Gespräche hatten. Unterrichtungen über Wirtschaftskriminalität, son- dern es steht im öffentlichen Raum. Ich bitte Sie des- wegen noch einmal, dem Hohen Haus zu erklären, Vizepräsidentin Michaela Geiger: Wir sind damit wie es zu dieser Irritation kommen konnte. am Ende des Geschäftsbereichs des Bundeskanzler- amtes. Bernd Schmidbauer, Staatsminister beim Bundes- Wir kommen zum Geschäftsbereich des Auswärti- kanzler: Da müssen Sie diejenigen fragen, die zu die- gen Amtes. 15942 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 177. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 4. Juni 1997

Vizepräsidentin Michaela Geiger Die Fragen 9 und 10 der Kollegin Dr. Elke Leon- Vizepräsidentin Michaela Geiger: Eine Zusatz- hard wurden für eine schriftliche Beantwortung vor- frage, Frau Dr. Babel? - Bitte schön. gesehen. Die Antworten werden als Anlage abge- druckt. Dr. Gisela Babel (F.D.P.): Herr Staatssekretär Dann kommen wir zum Geschäftsbereichs des Kraus, halten Sie es bei dem Bemühen, Arbeitslosen Bundesministeriums des Innern. Zur Beantwortung eine Brücke in die Selbständigkeit zu bauen, denn steht uns der Parlamentarische Staatssekretär für richtig, als Voraussetzung festzuschreiben, daß Eduard Lintner zur Verfügung. sie nachweisen müssen, daß sie einen Kundenstamm mitbringen und abhängig Beschäftigte haben? Die .Fragen 11 und 12 des Abgeordneten Benno Zierer und die Fragen 13 und 14 des Abgeordneten Dietmar Schütz werden schriftlich beantwortet. Die Rudolf Kraus, Parl. Staatssekretär beim Bundesmi- Antworten werden als Anlagen abgedruckt. nister für Arbeit und Sozialordnung: Wir sind auf je- den Fall der Meinung, daß Beitragsgelder nur dann Wir kommen zur Frage 15 der Abgeordneten ausgegeben werden dürfen, wenn eine hinreichende Amke Dietert-Scheuer. - Sie ist, wie ich sehe, nicht Wahrscheinlichkeit besteht, daß das Unternehmen da. Nach unseren Regeln entfällt damit die Beant- auch einen gewissen Erfolg hat. Dafür muß man be- wortung der Fragen 15 und 16. stimmte Kriterien prüfen dürfen. Auch die Frage 17 des Kollegen Manfred Such wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Vizepräsidentin Michaela Geiger: Eine zweite Zu- Anlage abgedruckt. - Vielen Dank, Herr Staatssekre- satzfrage, bitte schön. tär. Sie haben sich leider umsonst bemüht. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesmi- Dr. Gisela Babel (F.D.P.): Sie erlauben, daß ich insi- nisteriums der Finanzen. stiere. Natürlich sollen Sie vernünftig handeln und alles Mögliche prüfen. Halten Sie aber für das Prü- Die Fragen 18 und 19 des Abgeordneten Günter fungsziel, daß sie erfolgreich selbständig arbeiten, Graf, die Fragen 20 und 21 des Abgeordneten die Eingangsvoraussetzung, daß sie einen Kunden- Dr. Uwe-Jens Rössel, die Frage 22 der Abgeordneten stamm mitbringen und abhängig Beschäftigte haben, Frau Dr. Barbara Höll, die Fragen 23 und 24 des Ab- nicht für absolut absurd? geordneten Karl Di ller und die Fragen 25 und 26 des Abgeordneten Manfred Hampel, werden schriftlich Rudolf Kraus, Parl. Staatssekretär beim Bundesmi- beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen ab- nister für Arbeit und Sozialordnung: Ich bin nicht gedruckt. dieser Auffassung. Ich bin der Auffassung, daß das, Die Fragen 27 und 28 werden auf Grund Nr. 2 un- was jetzt vorgeschrieben ist, durchaus geeignet ist, serer Richtlinien schriftlich beantwortet. Das gleiche Erfolgsaussichten hinreichend abschätzen zu kön- gilt für die Frage 29 des Abgeordneten Dr. Niese. nen. Auch die Fragen 30 und 31 des Abgeordneten Uwe Göllner werden schriftlich beantwortet. Die Antwor- Vizepräsidentin Michaela Geiger: Keine weiteren ten wird als Anlagen abgedruckt. Zusatzfragen? - Dann kommen wir zu Frage Nr. 33 Jetzt kommen wir zum Geschäftsbereich des Bun- des Abgeordneten Franz Thönnes: desministeriums für Arbeit und Sozialordnung. Zur Kann die Bundesregierung verbindlich erklären, daß dem Ar- Beantwortung steht uns der Parlamentarische Staats- beitsamt Bad Oldesloe die erforderlichen Mittel für die Finan- sekretär Rudolf Kraus zur Verfügung. zierung von Lehrgängen zur ,,Verbesserung der beruflichen Bildungs- und Eingliederungschancen" so rechtzeitig zur Ver- Ich rufe die Frage 32 der Abgeordneten Frau fügung gestellt werden, daß die Abgängerinnen und Abgänger von Förderschulen sowie Schülerinnen und Schuler in den Krei- Dr. Gisela Babel auf: sen Stormarn und Herzogtum Lauenburg spätestens zum 1. September 1997 diese Lehrgänge besuchen können? Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß der restriktive Erlaß der Bundesanstalt für Arbeit vom 3. J anuar 1997 zur För- Bitte schön, Herr Staatssekretär. derung der Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit die Re- formziele des Gesetzgebers, auch den Schritt in die Selbstän- digkeit stärker zu unterstützen als bisher, deutlich verfehlt, und Parl. Staatssekretär beim Bundesmi- ist sie bereit, eine Überarbeitung des Erlasses zu veranlassen, Rudolf Kraus, die diesem Reformziel gerecht wird? nister für Arbeit und Sozialordnung: Herr Kollege Thönnes, grundsätzlich ist folgendes zu bemerken: Bei den Lehrgängen zur „Verbesserung der berufli- Rudolf Kraus, Parl. Staatssekretär beim Bundesmi- chen Bildungs- und Eingliederungschancen" handelt nister für Arbeit und Sozialordnung: Frau Dr. Babel, es sich um berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen Anlaß zu dem angesprochenen Erlaß der Bundesan- für Jugendliche, die nicht mehr der Vollzeitschul- stalt für Arbeit zum Überbrückungsgeld an Arbeits- pflicht unterliegen. lose, die sich eine selbständige Existenz aufbauen, war die Notwendigkeit, bei den Ausgaben den Rah- Solche Maßnahmen können von der Bundesanstalt men der hierfür verfügbaren Haushaltsmittel einzu- eingerichtet werden, wenn das schulische Angebot halten. Erlasse sind Ausdruck eigenverantwortlichen an Berufsvorbereitung qualitativ oder quantitativ Verwaltungshandelns der Bundesanstalt. Eine Über- nicht ausreicht, nicht vorhanden ist oder für den zu arbeitung könnte die Bundesregierung schon aus fördernden Personenkreis nicht in Betracht kommt. diesem Grunde nicht veranlassen. Denn grundsätzlich ist es Aufgabe des schulischen Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 177. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 4. Juni 1997 15943

Parl. Staatssekretär Rudolf Kraus Bildungswesens und damit der Länder, Jugendliche gen, ob er einverstanden ist, daß Sie beide Fragen auf das Berufsleben vorzubereiten. zusammen beantworten.

Die Bundesanstalt engagiert sich aus bildungs-, (Franz Thönnes [SPD]: Wenn ich die Gele sozial- und arbeitsmarktpolitischer Verantwortung in genheit habe, zu beiden Fragen jeweils diesem Feld, weil die Länder ihrer Verpflichtung nur zwei Nachfragen zu stellen, bin ich einver unzureichend nachkommen. Das Angebot der Bun- standen!) desanstalt an berufsvorbereitenden Bildungsmaß- - Sie haben dann vier Zusatzfragen. nahmen ist Jahr für Jahr mindestens so groß wie das Angebot der Länder. 1995 beispielsweise haben Dann muß ich zunächst noch die Frage 34 aufru- 93 400 Schüler eine schulische Berufsvorbereitung fen: und 96 400 Jugendliche eine vom Arbeitsamt geför- Wie will die Bundesregierung sicherstellen, daß die für ca. derte Maßnahme begonnen. 490 Jugendliche im Arbeitsamtsbezirk Neumünster bis zum Ende des Jahres zusätzlich notwendigen Finanzmittel zur Das Engagement der Bundesanstalt läßt sich auch Durchführung von erforderlichen Maßnahmen der „Berufsaus- in Mark und Pfennig ausdrücken. Während 1991 bildung in überbetrieblichen Einrichtungen" (BüE) und Lehr- gängen zur „Verbesserung der beruflichen Bildungs- und Ein- 291 Millionen DM ausgegeben wurden, waren es gliederungschancen" in Höhe von 3,4 Mio. DM seitens der 1996 bereits 720 Millionen DM. Bundesanstalt für Arbeit so zur Verfügung gestellt werden, daß diese Maßnahmen in vollem Umfang rechtzeitig eingerichtet Es kann daher nicht angehen, sich wegen der werden können? Finanzierung berufsvorbereitender Maßnahmen aus- schließlich an die Bundesanstalt für Arbeit oder den Rudolf Kraus, Parl. Staatssekretär beim Bundesmi- Bund zu wenden. Es ist deshalb an die Länder zu nister für Arbeit und Sozialordnung: Dann darf ich appellieren, dem großen Engagement der Bundesan- also die zweite Frage beantworten: Die Bereitstellung stalt folgend, ihrer Verantwortung gegenüber den der Finanzmittel für BBE-Lehrgänge und BüE an die Jugendlichen bei der schulischen Berufsvorbereitung Arbeitsämter ist, wie bereits ausgeführt, Aufgabe der konsequenter nachzukommen. Bundesanstalt für Arbeit und der Landesarbeits- ämter. Jugendliche, die auf dera rtige Maßnahmen der Ar- beitsämter angewiesen sind und an ihnen teilneh- Im übrigen ist es, wie bereits in der Antwort zur er- men, haben unabhängig vom Haushaltsansatz einen sten Frage ausgeführt, nicht alleinige Aufgabe des Rechtsanspruch auf Bewilligung von Berufsausbil- Bundes, berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen dungsbeihilfe nach § 40 des Arbeitsförderungsgeset- einzurichten. Es muß zunächst darum gehen, daß die zes. Diese Rechtsansprüche werden erfüllt. Länder ihrerseits Angebote im erforderlichen Um- fang bereitstellen, aber auch darum, durch einen ver- Die Bundesanstalt hat mit Runderlaß vom 2. Juni besserten Schulunterricht dafür zu sorgen, daß der 1997 die Dienststellen angewiesen, die notwendigen Anteil der Jugendlichen ohne die erforderliche Be- Maßnahmen zum gegebenen Zeitpunkt einzurich- rufsreife weiter gesenkt ist. Es ist deshalb zu begrü- ten. Bei der Einrichtung der Maßnahmen und Bewil- ßen, daß sich die Ministerpräsidenten im Ju li dieses ligung der Leistungen sind folgende Grundsätze zu Jahres mit diesem Thema beschäftigen werden. beachten: Grundsatz des Vorrangs der Vermittlung in betriebliche Ausbildung; Vorrang schulischer Bitte schön, Sie Maßnahmen zur Ausbildungsvorbereitung; gewis- Vizepräsidentin Michaela Geiger: haben jetzt vier Zusatzfragen. senhafte Anwendung der Verdingungsordnung für Leistungen bei der Vergabe der Maßnahmen;- Ein- richtung und Nutzung wohnortnaher Maßnahmen; Franz Thönnes (SPD): Herr Staatssekretär, heißt - die Einrichtung von Internatsmaßnahmen muß we- dies unter Bezugnahme auf die Antwort auf meine gen der erhöhten Gefahr von Maßnahmeabbrüchen erste Frage - die Aussage des Staatssekretärs Horst infolge fehlender Heimatbindungen auf Ausnahme- Günther in der Fragestunde vom 19. Februar 1997, fälle beschränkt bleiben. daß der in Frage kommende Kreis der Jugendlichen

Außerdem ist zu beachten, daß einen Rechtsan- auch künftig Ermessensleistungen im Rahmen spruch auf Förderung nach dem Arbeitsförderungs- verfügbarer Haushaltsmittel gesetz nur der Jugendliche hat, nicht aber der Trä- erhalten wird, wobei diese für 1997 allerdings so be- ger. Im übrigen ist die Durchführung des Arbeitsför- messen sind, derungsgesetzes der Bundesanstalt für Arbeit mit ihren Dienststellen in Selbstverwaltung übertragen. daß in diesem Bereich auch ohne Rechtsanspruch Die Bundesregierung übt nur die Rechtsaufsicht aus, auf die erforderlichen Leistungen eine sachge- das heißt, sie kann Weisungen zur Regelung eines rechte Förderung durch die Dienststellen der Einzelfalles nicht erteilen. Bundesanstalt für Arbeit möglich ist,

Ihre zweite Frage beantworte ich wie folgt - - daß die erste Frage eigentlich mit einem eindeutigen Ja beantwortet werden kann?

Vizepräsidentin Michaela Geiger: Herr Staatsse- Rudolf Kraus, Parl. Staatssekretär beim Bundesmi- kretär, ich muß den Abgeordneten erst einmal fra- nister für Arbeit und Sozialordnung: Das kann man 15944 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 177. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 4. Juni 1997

Parl. Staatssekretär Rudolf Kraus ganz sicher im Rahmen der von mir getätigten Aus- Rudolf Kraus, Parl. Staatssekretär beim Bundes- sagen mit Ja beantworten. minister für Arbeit und Sozialordnung: Ich beziehe mich auf § 40 des Arbeitsförderungsgesetzes: Es han- delt sich um Rechtsansprüche. Vizepräsidentin Michaela Geiger: Bitte die nächste Zusatzfrage. Vizepräsidentin Michaela Geiger: Ihre zweite Zu- Franz Thönnes (SPD): Bedeutet das auch, daß satzfrage. auch die zweite Frage vor dem Hintergrund der von Ihnen gemachten Ausführungen und der von mir zi- (SPD): Sie sagten eben, es seien tierten Beantwortung vom 19. Februar mit Ja beant- Eckart Kuhlwein genügend Mittel vorhanden, alle in Frage kommen- wortet werden kann? den Maßnahmen zu bedienen. Allerdings war zumin- dest im Bereich dieses Arbeitsamtes, aber auch in Rudolf Kraus, Parl. Staatssekretär beim Bundes- anderen schleswig-holsteinischen Arbeitsämtern die minister für Arbeit und Sozialordnung: Die zweite Frage von JAW-Förderungsmaßnahmen ab Herbst Frage bezieht sich genauso wie die erste auf ein ganz dieses Jahres durchaus in Frage gestellt. Können Sie bestimmtes Arbeitsamt. Ich kann jetzt über die von jetzt versichern, daß ohne eine entsprechende Kür- mir dazu ausgeführten Einzelheiten, warum es so ist, zung bei allen anderen Maßnahmen wie FuU, ABM nicht eingehen. Aber es sind derzeit genügend Mittel und Benachteiligtenprogramm die Mittel für diese vorhanden, um alle in Frage kommenden Maßnah- berufsvorbereitenden Maßnahmen zur Verfügung men, die im Rahmen dessen, was ich geschildert gestellt werden? habe, möglich sind, ausreichend zu bedienen.

Rudolf Kraus, Parl. Staatssekretär beim Bundesmi- Vizepräsidentin Michaela Geiger: Bitte schön, eine nister für Arbeit und Sozialordnung: Ich kann das so- weitere Zusatzfrage. gar in Zahlen sagen: Im Haushalt 1997 haben wir 703 Millionen DM für berufsvorbereitende Bildungs- Franz Thönnes (SPD): Bedeutet dies auch, daß maßnahmen zur Verfügung. Im Vorjahr wurden man auch bei Ihnen im Zweifelsfall auf das vom 719 Millionen DM ausgegeben. Ich gehe also davon Staatssekretär Günther in der Fragestunde vom aus, daß ausreichend Mittel vorhanden sind. 19. Februar 1997 unterbreitete Angebot zurückkom- men kann, dort im Einzelfall mit Nachdruck behilf- Weitere Zusatz- lich zu sein? Vizepräsidentin Michaela Geiger: fragen liegen nicht vor. Die Fragen 35 und 36 der Ab- geordneten Dr. Konstanze Wegner werden schriftlich Rudolf Kraus, Parl. Staatssekretär beim Bundesmi- beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen ab- nister für Arbeit und Sozialordnung: Wir sind selbst- gedruckt. verständlich bereit, im Rahmen unserer Möglichkei- ten darauf einzuwirken, daß die Dinge sachgerecht Ich bedanke mich beim Staatssekretär Kraus. Wir erledigt werden. sind am Ende des Geschäftsbereichs des Bundes- ministeriums für Arbeit und Sozialordnung.

Franz Thönnes (SPD): Danke. Wir kommen jetzt zum Geschäftsbereich des Bun- desministeriums für Verkehr. Die Frage 37 der Abge- ordneten Ulrike Höfken sowie die Fragen 38 und 39 Vizepräsidentin Michaela Geiger: Sie hätten noch des Abgeordneten Heinz Schmitt, die Fragen 40 und eine Zusatzfrage, aber Sie verzichten. Dann rufe ich 41 des Abgeordneten Dr. Egon Jüttner und die die Zusatzfrage des Abgeordneten Kuhlwein auf. Frage 42 des Abgeordneten Konrad Kunick werden alle schriftlich beantwortet. Die Antworten werden Eckart Kuhlwein (SPD): Herr Staatssekretär, der als Anlagen abgedruckt. Kollege Thönnes hat die Fragen ja aus einem berech- tigten Anlaß gestellt, weil mindestens im Bereich des Wir kommen damit zum Geschäftsbereich des Bun- Arbeitsamtes Bad Oldesloe bei den Absolventen der desministeriums für Bildung, Wissenschaft, For- Förderschule und ihren Eltern und auch bei einigen schung und Technologie. Die Frage 43 des Abgeord- Hauptschulabsolventen große Verunsicherung dar- neten Dr. Wolfgang Wodarg sowie die Fragen 44 und über entstanden ist, ob denn die Maßnahme zeitge- 45 des Abgeordneten Wolf-Michael Catenhusen wer- recht eingerichtet werden kann. Ich stelle die do rt er- den alle schriftlich beantwortet. Die Antworten wer- örterte Frage noch einmal ganz konkret: Handelt es den als Anlagen abgedruckt. sich um eine Pflichtleistung der Bundesanstalt für Ar- Wir sind damit am Ende der Fragestunde und am beit nach § 40 AFG, wie es der Bundesarbeitsminister Schluß unserer heutigen Tagesordnung. in einem Schreiben gegenüber der schleswig-holstei- nischen Landesregierung bestätigt hat, und haben Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun- die Jugendlichen auch einen entsprechenden destages auf morgen, Donnerstag, den 5. Juni 1997, Rechtsanspruch auf diese Maßnahme, unabhängig 9 Uhr ein. Die Sitzung ist geschlossen. davon, wann, wo, wie und bei welchem Träger er eingelöst wird? (Schluß der Sitzung: 13.50 Uhr) Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 177. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 4. Juni 1997 15945

Berichtigung 175. Sitzung, Seite 15 728 A, B: Die Feststellung des Ergebnisses der Abstimmung über den von der Frak- tion Bündnis 90/Die Grünen eingebrachten Ent- schließungsantrag auf Drucksache 13/7658 muß lau- ten: Dann ist der Entschließungsantrag mit den Stim- men von CDU/CSU und F.D.P. bei Zustimmung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und Enthal- tung der Stimmen von SPD und PDS abgelehnt. 15946* Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 177. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 4. Juni 1997

Anlagen zum Stenographischen Bericht

Anlage 1 Anlage 2

Liste der entschuldigten Abgeordneten Antwort

entschuldigt bis Abgeordnete(r) einschließlich des Parl. Staatssekretärs Dr. Hein rich L. Kolb auf die Frage des Abgeordneten Peter Conradi (SPD) Antretter, Robert SPD 4. 6. 97 * (Drucksache 13/7769 Frage 2): Böttcher, Maritta PDS 4. 6. 97 Welche Aufträge hat die Bundesregierung dem Architekten- büro L. im Zeitraum zwischen 1980 und 1995 erteilt? Bühler (Bruchsal), Klaus CDU/CSU 4. 6. 97 * Im Zusammenhang mit der Planung und Durch- Fischer (Unna), Leni CDU/CSU 4. 6. 97 * führung von amtlichen Beteiligungen der Bundesre- publik Deutschland an Messen und Ausstellungen Follack, Iris SPD 4. 6. 97 im Ausland erteilt die Bundesregierung keine Auf- Haack (Extertal), SPD 4. 6. 97 * träge an freischaffende Architekten und somit auch Karl Hermann nicht an das Architekturbüro L. Horn, Erwin SPD 4. 6. 97 * Die Aufträge an die Architekten für Planung, Aus- schreibung und Objektüberwachung bei o.a. Beteili- Hornung, Siegfried CDU/CSU 4. 6. 97 * gungen erteilen nach Genehmigung durch das BMWi ausschließlich die mit der Durchführung der 4. 6. 97 Dr. Jacob, Willibald PDS Projekte beauftragten deutschen Messedurchfüh- Jung (Limburg), CDU/CSU 4. 6. 97 rungsgesellschaften. Michael Die Durchführungsgesellschaften haben grund- Junghanns, Ulrich CDU/CSU 4. 6. 97* sätzlich das Vorschlagsrecht bei der projektbezoge- nen Auswahl der Architekten. Sie stimmen sich hier- Kriedner, Arnulf CDU/CSU 4. 6. 97 * bei in der Regel mit den beteiligten Fach-Verbänden der Wirtschaft und ausstellenden Firmen ab. Dr. Graf Lambsdorff, F.D.P. 4. 6. 97 Otto Ausschlaggebend für die Wahl des Architekten sind insbesondere spezielle Fachkunde, Leistungsfä Dr. Lucyga, Christine SPD 4. 6. 97 * higkeit, projekt- und themenbezogene Eignung so wie länderspezifische Erfahrungen der einzelnen Ar- Lummer, Heinrich CDU/CSU 4. 6. 97 * chitektenbüros. Maaß (Wilhelmshaven), CDU/CSU 4. 6. 97 * Erich Dr. Mahlo, Dietrich CDU/CSU 4. 6. 97 Anlage 3 Marten, Günter CDU/CSU 4. 6. 97 * Antwort Dr. Probst, Albert CDU/CSU 4. 6.- 97 * Dr. Scheer, Hermann SPD 4. 6. 97 * des Parl. Staatssekretärs Klaus Rose auf die Fragen Schloten, Dieter SPD 4. 6. 97 * des Abgeordneten Hans Wallow (SPD) (Drucksache 13/7769 Fragen 3 und 4): Siebert, Bernd CDU/CSU 4. 6. 97 * Wie begründet das Bundesministerium des Innern seine Auf- Terborg, Margitta SPD 4. 6. 97 * fassung, daß das Katholische Militärbischofsamt auch nach der Verlegung von Teilen der Bundesregierung nach Berlin als Dr. Vollmer, Antje BÜNDNIS 4. 6. 97 nachgeordnete staatliche Bundesbehörde am ersten Dienstsitz des Bundesministeriums der Verteidigung in Bonn verbleiben 90/DIE soll, und warum wurde das für Staatskirchenrechts- und Staats- GRÜNEN organisationsrechtsfragen zuständige Bundesministerium des Innern erst zu einem Zeitpunkt an der in dieser Frage anhängi Wallow, Hans SPD 4. 6. 97 gen Petition (Petition 5-13-14-5821-027 005) beteiligt, als orga- nisatorische Vorentscheidungen und eine Äußerung des Bun- Dr. Wittmann, Fritz CDU/CSU 4. 6. 97 * desministeriums der Verteidigung gegenüber dem Petitions- ausschuß bereits erfolgt waren? Zierer, Benno CDU/CSU 4. 6. 97 * Wie rechtfertigt das Bundesministerium der Verteidigung sein Verhalten, in der genannten Petitionsangelegenheit mit Zwerenz, Gerhard PDS 4. 6. 97 dem Bundesministerium der Finanzen Finanzierungsdetails hinsichtlich der Einrichtung eines neuen Dienstsitzes für das Katholische Militärbischofsamt in Berlin voranzutreiben, ob- wohl die Bundesregierung den Erwägungsbeschluß des Deut- schen Bundestages vom 20. Feb ruar 1997, in der erwähnten Pe-

* für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union tition Abhilfe zu schaffen, umzusetzen hat, und stimmt die Bun- Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 177. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 4. Juni 1997 15947*

desregierung der Einschätzung zu, daß es nicht möglich ist, sich zur Zeit im europäischen Gesetzgebungsverfah- einen sachlichen Unterschied zwischen der Sitzbestimmung für das Evangelische Militärbischofsamt und für das Katholische ren. Die Beratungen mit den Mitgliedstaaten stehen Militärbischofsamt vorzunehmen? kurz vor dem Abschluß. In dieser Richtlinie werden detailliert die „Grundlegenden Anforderungen" fest- Zu Frage 3: geschrieben, die mit Normen und Technischen Spe- zifikationen konkretisiert werden können. Diese Nor- Die Verlegung der Kurie des Katholischen Militär- -men und Technischen Spezifikationen sind Produkt bischofs nach Berlin ist zur Zeit Gegenstand einer oder produktkategoriespezifisch. Für jedes Produkt Abstimmung innerhalb der Bundesregierung. Ihre muß der Hersteller eine Risikoanalyse erstellen, Lei- Position und Entscheidung in der Sache wird die stungsbewertungsprüfungen durchführen und ein Bundesregierung - auch in Beantwortung des Be- geeignetes Qualitätssicherungssystem einrichten. schlusses des Deutschen Bundestages auf die Peti- Die „Grundlegenden Anforderungen" beziehen die tion von Mitarbeitern des Katholischen Militärbi- medizinischen und technischen Anforderungen so- schofsamtes - erst nach Abschluß dieser Ressortab- wie die Anforderungen an die Information zur siche- stimmung übermitteln. Ich bitte um Verständnis, daß ren Anwendung ein. Die spezifischen Eigenschaften ich dem hier nicht vorgreifen kann. der Produkte müssen besonders berücksichtigt wer- den. Außerdem muß der Hersteller ein System der Zu Frage 4: Marktbeobachtung im Hinblick auf sein Produkt und Die Bundesregierung trifft Vorsorge, um die Finan- vergleichbare Produkte anderer Hersteller einrich- zierung für die Errichtung der Ku rie des Katholischen ten. Ziel dieses Systems ist es, Erfahrungen mit die- Militärbischofs am Sitz der Bundesregierung sicher- sen Produkten zu sammeln, auszuwerten und gege- zustellen. Mit Rücksicht auf die unterschiedlichen benenfalls Korrekturen am Produkt durchzuführen. staatskirchenrechtlichen Regelungen zur Sitzbestim- Dabei sind die Art des Produktes und die von diesem mung der Kurie des Katholischen Militärbischofs und ausgehenden Risiken zu berücksichtigen. des Evangelischen Kirchenamtes für die Bundeswehr An der Beratung dieses Richtlinienvorschlages und kann die Bundesregierung der vorstehenden Ein- an der Entwicklung von Anforderungen sind neben schätzung nicht zustimmen. Im übrigen wird auf die den zuständigen Ministerien der Mitgliedstaaten Antwort zur vorherigen Frage verwiesen. auch nationale sowie inte rnationale Experten, für Ergänzend weise ich darauf hin, daß der Petitions- Deutschland das Bundesinstitut für Arzneimittel und ausschuß empfohlen hat, die Petition der Bundesre- Medizinprodukte, Berlin, sowie das Bundesamt für gierung „zur Berücksichtigung" zu überweisen, weil Sera und Impfstoffe, Paul-Ehrlich-Institut, Langen, das Anliegen der Petenten begründet und Abhilfe beteiligt. Bei Bedarf werden noch weitere Sachver- notwendig sei. Diese Beschlußempfehlung des Petiti- ständige aus dem Bereich der Anwender (hier: onsausschusses hat das Plenum des Deutschen Bun- Ärzte), Industrie und Wissenschaft hinzugezogen. destages am 20. Februar 1997 auf die Stufe „zur Er- Diese EWG-Richtlinie wird mit dem Medizinpro- wägung" geändert. Entsprechend der Geschäftsord- duktegesetz in deutsches Recht überführt werden. nung des Petitionsausschusses hat das zur Folge, daß Sollten vor Inkrafttreten dieser neuen rechtlichen Re- das Anliegen noch einmal zu prüfen und nach Mög- gelungen Vorschriften für das Inverkehrbringen von lichkeiten der Abhilfe zu suchen ist. Es ist also nicht Gendiagnostika erforderlich werden, kann das durch zutreffend, daß die Bundesregierung den Erwä- eine Verordnung nach dem Arzneimittelrecht vorge- gungsbeschluß des Deutschen Bundestages vom schrieben werden. Gendiagnostika gelten zur Zeit 20. Februar 1997, in der erwähnten Petition Abhilfe bis zur Ablösung durch. das Medizinproduktegesetz zu schaffen, zwingend umzusetzen hat. ebenfalls noch als Arzneimittel nach § 2 Abs. 2 Num- mer 4 Buchstabe a des Arzneimittelgesetzes. Über die zuständige Bundesbehörde wird im Rah- Anlage 4 men der Umsetzung des europäischen Rechtes ent- schieden. Antwort der Parl. Staatssekretärin Dr. Sabine Bergmann-Pohl Anlage 5 auf die Frage des Abgeordneten Dr. Wolfgang Wo- darg (SPD) (Drucksache 13/7769 Frage 5): Antwort Anhand welcher Kriterien könnte nach Auffassung der Bun- desregierung ein Verfahren zur Zulassung von gewerblich ver- fügbaren Gendiagnostika entwickelt werden, und welche Bun- desbehörde würde damit betraut werden? des Parl. Staatssekretärs Walter Hirche auf die Fra- gen des Abgeordneten Horst Kubatschka (SPD) Gendiagnostika sind In-vitro-Diagnostika im Sinne (Drucksache 13/7769 Fragen 6 und 7): des § 3 Nummer 4 des Medizinproduktegesetzes. Ein Welche Konsequenzen wird die Bundesregierung aus der Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parla- Studie einer australischen Forschungsgruppe ziehen, bei der mentes und des Europäischen Rates zur Regelung festgestellt wurde, daß genmanipulierte Mäuse durch gepulste Hochfrequenzstrahlung, wie sie digitale Handys aussenden, der Anforderungen an In-vitro-Diagnostika sowie an doppelt so häufig an Lymphomien erkranken wie die Kontroll- deren Inverkehrbringen und Überwachung befindet tiere? 15948* Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 177. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 4. Juni 1997

Wie beurteilt die Bundesregierung in diesem Zusammenhang digkeit des Internationalen Gerichtshofs für die do rt die erhöhte Rate von Krebserkrankungen des lymphatischen genannten Gegenstände als obligatorisch anerken- Gewebes auch unter Einfluß von niederfrequenten Feldern, und hält sie hier schärfere Grenzwerte für angebracht? nen, nimmt zwar zu. Sie belief sich im Januar 1997 jedoch erst auf 63 und steigt nur langsam an. Viele Zu Frage 6: Staaten halten die Möglichkeit einer Schiedsabspra- che nach Art. 36 Abs. 1 des IGH-Statuts für ausrei- Die Ergebnisse der genannten Untersuchung müs- chend. sen beachtet werden, insbesondere müssen sie durch andere Forschergruppen reproduziert werden. Da Bei der Frage einer obligatorischen Anerkennung die Körpergröße eine wesentliche Rolle bei der Ab- der Zuständigkeit des Internationalen Gerichtshofs sorption von elektromagnetischen Feldern spielt, ver- durch die Bundesregierung ist auch zu berücksichti- bietet sich ein Vergleich zwischen Mensch und Maus gen, daß keine miteinander konkurrierende Zustän- und somit die Übertragung der Ergebnisse auf den digkeiten internationaler Ge richte entstehen sollten. Menschen. Es besteht nach dem aktuellen wissen- Streitigkeiten sollten in jedem Fall dem effektiveren schaftlichen Erkenntnisstand kein Anlaß, von der Be- und sachnäheren Ge richt zugewiesen werden. Dies nutzung von Handys abzuraten. gilt gerade im Zusammenhang mit der europäischen Integration, die sich gegenwärtig stark im Fluß befin- Die Bundesregierung fördert und plant weiterhin det. Forschungsprojekte zum Thema Krebs und nichtioni- sierende Strahlen. Zu Frage 10:

Zu Frage 7: Zur Durchsetzung unserer Ansprüche gegen die Russische Föderation auf Rückführung kriegsbedingt Es gibt keinen Anlaß, die bestehenden Grenzwerte verlagerter Kulturgüter steht grundsätzlich sowohl zu ändern. Ein sicherer Schutz der Bevölkerung ist der Weg zum Internationalen Gerichtshof (IGH) in durch die bestehenden Grenzwerte nach wie vor ge- Den Haag als auch zum Vergleichs- und Schiedsge- währleistet. richtshof der OSZE in Genf offen. Beide Verfahren würden jedoch eine entsprechende Zustimmung der Russischen Föderation voraussetzen. Den Vorschlag, die streitigen Rechtsfragen dem IGH oder einem Schiedsgericht zur Entscheidung zu unterbreiten, ha- Anlage 6 ben wir der russischen Regierung bereits 1994 ge- macht. Sie hat hierauf nicht reagiert. Nach der ge- Antwort genwärtigen Rechtslage können wir sie nicht zu ei- nem Verfahren zwingen. des Staatsministers Helmut Schäfer auf die Fragen der Abgeordneten Dr. Elke Leonhard (SPD) (Druck- sache 13/7769 Fragen 9 und 10):

Wie begründet die Bundesregierung die Tatsache, daß sich Anlage 7 die Bundesrepublik Deutschland - anders als viele verbündete Staaten - ungeachtet der internationalen Ausrichtung des Antwort Grundgesetzes und den offensichtlichen Vorteilen einer umfas- senden internationalen Gerichtsbarkeit - bisher nicht durch des Parl. Staatssekretärs Eduard Lintner auf die Fra- Annahme der sog. "Fakultativklausel" gemäß Ar tikel 36 Nr. 2 (CDU/CSU) des Status des Internationalen Gerichtshofs dessen obligatori- gen des Abgeordneten Benno Zierer scher Gerichtsbarkeit unterworfen hat? (Drucksache 13/7769 Fragen 11 und 12):

Was hält die Bundesregierung - vor dem Hintergrund der Welche Möglichkeiten der vorbeugenden Kriminalitätsbe- verhärteten Positionen in Sachen Beutekunst - davon ab, die kämpfung sieht die Bundesregierung, um Verschleppung von Streitigkeit dem Internationalen Gerichtshof oder einem inter- Kindern im Rahmen des Mädchenhandels und des Kindermiß- nationalen Schiedsgericht zur für beide Seiten verbindlichen brauchs zu verhindern bzw. zu erschweren? Entscheidung vorzulegen bzw. sich gegenüber der russischen Seite für eine derartige Lösung einzusetzen? Gibt es eine zentrale Ermittlungs- und Fahndungsbehörde des Bundes zur Bekämpfung der Organisierten Kriminalität un- ter Einschluß der erforderlichen Mittel wie Datenbanken, zen- Zu Frage 9: trale Fahndung, verdeckte Ermittlung etc., und wenn nicht, was hält die Bundesregierung von der Schaffung einer solchen Die Bundesrepublik Deutschland hat sich stets Behörde in Übereinkunft mit den Ländern, um Reibungsverlu- nachdrücklich für die f riedliche Beilegung internatio- ste und Kompetenzstreitigkeiten zu vermeiden und die nötige naler Streitigkeiten eingesetzt. Sie hat sich im Zu- Spezialisierung und Effizienz zu gewährleisten? sammenhang mit einer Reihe zwei- und mehrseitiger Verträge für spezifische Bereiche der Gerichtsbarkeit Zu Frage 11: des Internationalen Gerichtshofs unterworfen und in Die Lagebilder des Bundeskriminalamtes zum De- Einzelfällen, wie dem isländischen Fischereistreit liktsbereich Menschenhandel für die Jahre 1992 bis und dem Nordsee-Festlandsockel-Fall den Interna- 1995 zeigen, daß der weitaus überwiegende Anteil tionalen Gerichtshof angerufen. der Opfer des Menschenhandels zwischen 18 und Die Zahl der Unterwerfungserklärungen gemäß 25 Jahre alt ist. 1992 und 1993 waren vier Opfer jün- Art. 36 Abs. 2 des Statuts des Internationalen Ge- ger als 14 Jahre; 1994 und 1995 keines. Für 1996 richtshofs, mit denen Staaten allgemein die Zustän- zeichnet sich derselbe Trend ab, wie Auswertungen Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 177. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 4. Juni 1997 15949* im Rahmen der Erstellung des Lagebildes für 1996 Zuständigkeitsschnittstellen, die Kompetenzstrei- ergeben haben. tigkeiten auslösen könnten, sollen durch Kräftebün- delung, wie z. B. vermehrte Bildung gemeinsamer Er- Zum Schutz der Kinder und zur Wahrung ihrer mittlungs- und Auswertegruppen, Intensivierung des Rechte räumt die Bundesregierung der vorbeugen- Informationsaustausches und stärkere personelle den Kriminalitätsbekämpfung einen hohen Stellen- Verflechtung (wechselseitige Hospitation, Entsen- wert ein. Als Ergebnis des Weltkongresses gegen die dung von Verbindungsbeamten) produktiv umge- gewerbsmäßige sexuelle Ausbeutung von Kindern setzt werden. Die erforderliche Spezialisierung wird (Stockholm, 27. bis 31. August 1996) ist unter der Fe- durch Zusammenarbeit und gegenseitige Unterstüt- derführung des Bundesministeriums für Familie, Se zung effizient genutzt. nioren, Frauen und Jugend ein nationales Arbeits- programm entworfen worden, das konkrete Maßnah- menbündel gegen Kindesmißbrauch, Kinderporno- Sofern mit der Fragestellung auf die Konzeption ei- graphie und Sextourismus enthält. Das Arbeitspro- ner zentralen Bekämpfung der Organisierten Krimi- gramm befindet sich gegenwärtig in der Ressortab- nalität abgehoben wird, ist zu beachten, daß die stimmung. Die Bereiche Aufklärung und Prävention kürzliche Verabschiedung der Neufassung des Ge- setzes über die Errichtung eines Bundeskriminalam- bilden einen Schwerpunkt des Arbeitsprogramms. tes (BKA-Gesetz) zeigt, daß seitens der Politik und Hierzu zählen u. a. Maßnahmen zur Intensivierung der Polizeien eine Zusammenarbeit innerhalb der be- des Erfahrungsaustausches im Bereich des Kinder- stehenden föderalen Strukturen präferiert wird. schutzes, Aufklärungs- und Informationskampag- nen, eine bundesweite Informations- und Dokumen- tationsstelle zu Kindesmißhandlung und Kindesver- nachlässigung sowie Maßnahmen der internationa- len Strafverfolgung und des Opfer- und Zeugen- schutzes. Darüber hinaus ist der sexuelle Mißbrauch Anlage 8 von Kindern auch Gegenstand eines umfangreichen, von der AG Kripo verabschiedeten Präventionskon- Antwort zeptes. All diese Maßnahmen im nationalen Bereich tragen mittelbar auch zur Verhütung der Verschlep- des Parl. Staatssekretärs Eduard Lintner auf die Fra- pung von Kindern im Rahmen des Mädchenhandels gen des Abgeordneten Dietmar Schütz (Oldenburg) und des Kindesmißbrauchs bei. Von Bedeutung ist in (SPD) (Drucksache 13/7769 Fragen 13 und 14): diesem Zusammenhang auch der von der Bundesre- gierung und den Fraktionen der CDU/CSU und der Welche mittel- und langfristigen Konsequenzen ergeben sich F.D.P. am 11. März 1997 beschlossene Entwurf eines für die Finanz-, Sach- und Personalausstattung des in Olden- Sechsten Gesetzes zur Reform des Strafgesetzes, mit burg ansässigen Bundesinstituts für ostdeutsche Kultur und Ge- dem u. a. in § 236 StGB eine neue Strafvorschrift ge- schichte aus dem im Haushalt 1997 formulierten Tatbestand, daß dieses Bundesinstitut „in die Prüfung zur Verringerung gen illegalen Kinderhandel eingeführt werden soll. und Straffung von Bundesbehörden einbezogen wird"? Im internationalen Bereich ist insbesondere auf die Inwieweit wird das Bundesinstitut für ostdeutsche Kultur und vom Rat der Europäischen Union angenommene ge- Geschichte auch in die Überlegungen zur Neuordnung der ost- meinsame Maßnahme betreffend die Bekämpfung wissenschaftlichen Forschung einbezogen? des Menschenhandels und der sexuellen Ausbeu- tung von Kindern vom 24. Februar 1997 hinzuwei- sen. Ziel ist es u. a., durch Maßnahmen auf nationaler Zu Frage 13: Ebene sowie durch gegenseitige Information und Zu- sammenarbeit der Mitgliedstaaten die notwendigen- Für das Bundesinstitut für ostdeutsche Kultur und Instrumente zur Unterbindung des Menschenhan- Geschichte (BoKG) ist eine fachliche Neukonzeption dels und der sexuellen Ausbeutung von Kindern zu erarbeitet worden. schaffen. Darüber hinaus wird eine hierauf basierte neue Or- Zu Frage 12: ganisationsstruktur erarbeitet. Das Bundeskriminalamt als kriminalpolizeiliche Zentralstelle des Bundes und damit als zentrale Er- Zu Frage 14: mittlungs- und Fahndungsstelle des Bundes u. a. zur Bekämpfung der Organisierten Kriminalität Aufgabe des Bundesinstituts ist, die Bundesregie- - arbeitet seit jeher eng mit den Polizeien der Länder rung auf der Grundlage eigener, in wissenschaftli- (Arbeitsgemeinschaft der Leiter der Landeskrimi- cher Unabhängigkeit durchzuführender Erhebun- nalämter mit dem Bundeskriminalamt/AG Kripo gen, Dokumentationen und ergänzende Forschung und der Kommissionen, z. B. Kommission „Orga- in allen die Durchführung des § 96 Bundesvertriebe- nisierte Kriminalität", Kommission „Fahndung" nengesetz betreffenden Angelegenheiten zu beraten u. a.) sowie dem Bundesgrenzsschutz, Zoll- und und zu unterstützen. Es handelt sich hierbei also um Steuerbehörden und ggf. den Nachrichtendienst einen anderen Aufgabenbereich als ostwissenschaft- zusammen; liche Forschung. Das Bundesinstitut für ostdeutsche Kultur und Geschichte ist also nicht in die Überle- - ist die deutsche Zentralsstelle für das Schengener gungen zur Neuordnung der ostwissenschaftlichen Fahndungssystem (SIS). Forschung einbezogen. 15950* Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 177. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 4. Juni 1997

Anlage 9 Der Steuerpflicht unterliegen damit solche zulas- sungsfreien Fahrzeuge, die sowohl ein amtliches Antwort Kennzeichen als auch eine Bet riebserlaubnis haben müssen. des Parl. Staatssekretärs Eduard Lintner auf die Frage des Abgeordneten Manfred Such (BÜNDNIS Im Ergebnis sind folgende nach § 18 Abs. 2 StVZO 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 13/7769 Frage 17): von den Vorschriften über das Zulassungsverfahren Wie haben das Bundesamt für Verfassungsschutz innerhalb ausgenommenen Fahrzeuge steuerpflichtig. der durch die Innenministerkonferenz (IMK) eingesetzten Ad- hoc-Arbeitsgruppe sowie der zuständige Staatssekretär im - selbstfahrende Arbeitsmaschinen mit einer durch Bundesministerium des Innern am 28. Juni 1996 auf der Staats- die Bauart bedingten Höchstgeschwindigkeit von sekretärs-Vorkonferenz zur nächsten IMK-Sitzung jeweils zu mehr als 20 km/h, der Frage votiert, ob die Ämter für Verfassungsschutz die Scien- tology-Kirche bundesweit mit nachrichtendienstlichen Mitteln - Leichtkrafträder, beobachten sollen, und welche Gründe waren - angesichts der dagegen durch die Bundesregierung bislang ge"uáerten Be- - Arbeitsmaschinen als Anhänger, wenn die bauart- denken - für eine etwaige Änderung der nun durch ihre Vertre- bedingte Höchstgeschwindigkeit mehr als 25 km/h ter eingenommenen Haltung maßgeblich? beträgt, Die Bundesregierung sieht keine Veranlassung, den Bericht der von der IMK eingesetzten Arbeits- - Spezialanhänger zur Beförderung von Sportgerä- gruppe oder die Voten einzelner Mitglieder dieser ten oder Tieren für Sportzwecke, wenn die bauart- Arbeitsgruppe schon im Vorfeld der IMK öffentlich bedingte Höchstgeschwindigkeit mehr als 25 km/h zu diskutieren. Gleiches gilt für den Gesprächsinhalt beträgt. der Vorkonferenz der Staatssekretäre am 27./28. Mai 1997. Die Erörterung und abschließende Behandlung des Berichts der Arbeitsgruppe der Verfassungs- schutzbehörden wird auf der IMK am 5./6. Juni 1997 erfolgen. Do rt wird sich auch der Bundesminister des Anlage 11 Innern zur Frage der Beobachtung der Scientology Organisation durch die Verfassungsschutzbehörden Antwort äußern. der Parl. Staatssekretärin Irmgard Karwatzki auf die Fragen des Abgeordneten Dr. Uwe-Jens Rössel (PDS) (Drucksache 13/7769 Fragen 20 und 21): Aus welchem Grund hat das Bundesaufsichtsamt für das Kre- ditwesen (BAKred) am 12. Mai 1997 nach sechsjähriger Dul- Anlage 10 dung durch das BAKred, und nachdem die Beteiligungsfonds zum 31. Dezember 1996 planmäßig geschlossen wurden, eine Antwort spezielle Form stiller "Beteiligungen rückwirkend bemängelt und trotz angeblich gegenteiliger Gutachten gegenüber einer der Parl. Staatssekretärin Irmgard Karwatzki auf die Firma verfügt, daß ca. 30000 seit 1990 geschlossene Verträge Fragen des Abgeordneten Günter Graf (Friesoythe) mit einem Volumen von ca. 190 Mio. DM innerhalb von vier (SPD) (Drucksache 13/7769 Fragen 18 und 19): Wochen rückabzuwickeln sind? Aus welchem Grund hat das Bundesaufsichtsamt für das Ist es zutreffend, daß ab sofort eine Besteuerung von selbst- Kreditwesen (BAKred) im März 1997 von einer Firma verlangt, fahrenden Arbeitsmaschinen wie Bagger, Kräne, Lader u. ä. er- ihren Antrag auf Zulassung an der Europäischen Technologie- folgt? börse EASDAQ zurückzuziehen, obwohl diese Firma bereits Wenn ja, ab wann treten die gesetzlichen Neuregelungen in 1990 als erklärtes Ziel die Börseneinführung bis ca. 1996/97 vor- Kraft, und wie sehen diese konkret aus? - gab und zu ihrer letzten Hauptversammlung am 14. Oktober 1996 entsprechende Beschlüsse zur Vorbereitung ge troffen worden sein sollen? Zu Frage 18: Zu Frage 20: Dies trifft für bestimmte selbstfahrende Arbeitsma- schinen zu. Bei der namentlich nicht benannten Gesellschaft, die Gegenstand der Anfrage ist, dürfte es sich aus- Zu Frage 19: weislich der weiteren Angaben um die Hanseatische Aktiengesellschaft bzw. die EuroKapital Aktienge- Aufgrund von Artikel 1 Nr. 3 des Kraftfahrzeug- sellschaft handeln. steueränderungsgesetzes 1997 (BGBl. I S. 805) ist die Steuerbefreiung für zulassungsfreie Fahrzeuge Das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen hat durch Neufassung von § 3 Nr. 1 des Kraftfahrzeug- mit für sofort vollziehbar erklärten Bescheiden vom steuergesetzes (KraftStG) mit Wirkung ab dem 12. Mai 1997 der Hanseatischen Aktiengesellschaft 25. April 1997 eingeschränkt worden. Von der Steuer die Abwicklung der typisch stillen Beteiligungsver- befreit ist nur noch das Halten von „Fahrzeugen, die träge des Vertragstyps A und KAP und der EuroKapi- nach § 18 der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung tal Aktiengesellschaft die Abwicklung des sog. Euro (StVZO) von den Vorschriften über das Zulassungs- Elektrizitätswerk Fonds und des sog. Euro Center verfahren ausgenommen sind, nach § 18 Abs. 3 Fonds aufgegeben. Entgegen der formalen Ausge- StVZO keiner Betriebserlaubnis bedürfen und nach staltung der Verträge handelt es sich nach Auffas- § 18 Abs. 4 StVZO kein amtliches Kennzeichen füh- sung des Bundesaufsichtsamtes u. a. wegen des Aus- ren müssen". schlusses der Verlustbeteiligung und wegen der Ver- Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 177. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 4. Juni 1997 15951* einbarung einer Verzinsung in bestimmter Höhe in der Regel entsprechend dem OECD-Musterab- nicht um stille gesellschaftsrechtliche Beteiligungen, kommen dem Wohnsitzstaat das ausschließliche Be- sondern um Darlehen und damit um Einlagen im steuerungsrecht eingeräumt. Dies gilt auch im Ver- Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 des Gesetzes über hältnis zur Schweiz und zu Großbritannien. Mit den das Kreditwesen (KWG). Erst im Jahre 1996 sind dem Bermudas besteht kein Doppelbesteuerungsabkom- Bundesaufsichtsamt weitere Unterlagen und insbe- men. sondere eine für den Anleger bestimmte Broschüre zu den Verträgen eingereicht worden, die eine zwei- Wird die Beteiligung an der deutschen Gesell- felsfreie Beurteilung zuließen. schaft von Personen, die im Ausland ansässig sind, über eine ausländische Holdinggesellschaft gehalten Die nach § 32 KWG erforderliche Erlaubnis zum und werden zur Anteile an dieser Holdinggesell- Betreiben des Einlagengeschäftes besitzen die Ge- schaft veräußert, so unterliegt der dadurch entste- sellschaften nicht. Zur Abwicklung der unerlaubt be- hende Veräußerungsgewinn nicht der deutschen be- triebenen Einlagengeschäfte haben die Gesellschaf- schränkten Steuerpflicht. Zu prüfen bleibt allerdings ten alle noch bestehenden Einlagen unverzüglich an stets, ob das Steuergesetz durch Mißbrauch von die Anleger zurückzuzahlen. rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten umgangen worden ist (§ 42 AO). Liegt ein Mißbrauch vor, so ent- Zu Frage 21: steht der Steueranspruch so, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtli- Das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen hat chen Gestaltung entsteht. eine Rücknahme des Antrages auf Zulassung bei der Technologiebörse EASDAQ in Brüssel nicht verlangt. Die Bundesregierung sieht zur Zeit keinen Hand- lungsbedarf.

Anlage 12 Anlage 13 Antwort Antwort der Parl. Staatssekretärin Irmgard Karwatzki auf die Frage der Abgeordneten Dr. Barbara Höll (PDS) der Parl. Staatssekretärin Irmgard Karwatzki auf die (Drucksache 13/7769 Frage 22): Fragen des Abgeordneten Karl Diller (SPD) (Druck- sache 13/7769 Fragen 23 und 24): Sind der Bundesregierung Pressemeldungen („Bild", „Mannheimer Morgen" vom 27. Mai 1997) bekannt, daß der Er- Wann beabsichtigt der Bundesminister der Finanzen gemäß lös von fast 19 Mrd. DM aus dem Verkauf eines deutschen der vom Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil zu Artikel 112 Großunternehmens mit 9300 Arbeitsplätzen (Boehringer Mann- des Grundgesetzes (GG) vom 25. Mai 1977 herausgestellten be- heim) aufgrund der Rechtskonstruktion der Firma und des sonderen Konsultationspflicht an den Gesetzgeber heranzutre- Wohnsitzes der Anteilseigner den bisherigen Eigentümern ten, um zu klären, ob rechtzeitig ein Nachtragshaushalt für die ohne Zugriffsmöglichkeit für den deutschen Fiskus zugute erwarteten Mehrausgaben beim Bundeszuschuß für die Bun- kommen wird, und sieht sie hier Handlungsbedarf? desanstalt für Arbeit sowie bei der Arbeitslosenhilfe verab- schiedet werden kann, und warum ist dies bislang noch nicht geschehen? Der Bundesregierung sind die Pressemeldungen über den Verkauf von Boehringer/Mannheim be- Wann und mit welchen Beträgen hat der Bundesminister der kannt. Wegen des Steuergeheimnisses (§ 30 AO) Finanzen gemäß der Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts in seinem Urteil zu Artikel 112 (GG) vom 25. Mai 1977 die Bun- kann sie Einzelheiten des Steuerfalles aber nicht mit- desregierung hinsichtlich der erwarteten Mehrausgaben für die teilen. Arbeitsmarktpolitik bereits „über die beabsichtigten Ausgabe- bewilligungen nach Artikel 112, die erhebliches Gewicht ha- Bei der Veräußerung von Beteiligungen an deut- ben, informiert und konsultiert" ? schen Kapitalgesellschaften durch Anteilseigner, die im Ausland ansässig sind, stellt sich die Rechtslage Zu Frage 23: wie folgt dar: Der Bundesminister der Finanzen ist aufgrund der Nach § 49 in Verbindung mit § 17 EStG unterlie- Rechtslage nicht verpflichtet, bei etwaigen Mehraus- gen Einkünfte aus der Veräußerung von Anteilen an gaben für den Arbeitsmarkt an den Haushaltsgesetz- einer Kapitalgesellschaft der beschränkten Steuer- geber heranzutreten. pflicht, wenn der Veräußerer innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft wesentlich, Das Bundesverfassungsgericht hat zwar in seiner d. h. zu mehr als einem Viertel, beteiligt war. Für den Entscheidung vom 25. Mai 1977 zu Art. 112 des Teil des Veräußerungsgewinns, der den Betrag von Grundgesetzes eine Konsultationspflicht des Bundes- 30 Millionen DM nicht übersteigt, beträgt der Steuer- ministers der Finanzen für den Fa ll vorgeschrieben, satz die Hälfte des durchschnittlichen Steuersatzes. daß begründete Zweifel bestehen, ob der Gesetzge- Im übrigen ist die Einkommensteuertabelle anzu- ber in der Lage ist, im Hinblick auf die zeitliche wenden. Ist der veräußernde Anteilseigner eine Kör- Dringlichkeit des Bedürfnisses rechtzeitig eine Be- perschaft, so unterliegt der Vorgang der beschränk- willigung zu erteilen. Zugleich hat das Bundesverfas- ten Körperschaftsteuer. sungsgericht aber dem Haushaltsgesetzgeber die Entscheidung überlassen, den Bundesminister der Besteht ein Doppelbesteuerungsabkommen mit Finanzen in bestimmten Fällen von der Konsultati- dem Staat, in dem der Veräußerer ansässig ist, so ist onspflicht allgemein freizustellen. 15952* Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 177. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 4. Juni 1997

Der Haushaltsgesetzgeber hat in § 37 Abs. 1 Satz 4 Zu Frage 26: der Bundeshaushaltsordnung den Bundesminister der Finanzen u. a. von der Konsultationspflicht frei- Die Bundesregierung nimmt generell nicht Stel- gestellt, wenn es um die Erfüllung von Rechtsver- lung zu Äußerungen aus dem parlamentarischen pflichtungen - wie z. B. Bundeszuschuß an die Bun- Raum. Sie wird daher auch keine Stellung nehmen desanstalt für Arbeit und Arbeitslosenhilfe - geht. zu den von Ihnen wiedergegebenen Äußerungen des Landesgruppenvorsitzenden der CSU, Herrn Mi- Zu Frage 24: chael Glos, sowie von Herrn MdB Dr. . Da bei der Erfüllung von Rechtsverpflichtungen gemäß § 37 Abs. 1 Satz 4 der Bundeshaushaltsord- nung eine Konsultationspflicht des Bundesministers der Finanzen gegenüber dem Haushaltsgesetzgeber nicht besteht, kann nach den vom Bundesverfas- Anlage 15 sungsgericht in seiner Entscheidung vom 25. Mai 1977 festgelegten Kriterien auch nicht von einer In- Antwort formations- und Konsultationspflicht des Bundesmi- der Parl. Staatssekretärin Irmgard Karwatzki auf die nisters der Finanzen gegenüber der Bundesregie- Fragen des Abgeordneten Gerhard Rübenkönig rung ausgegangen werden. (SPD) (Drucksache 13/7769 Fragen 27 und 28):

Wie viele Telekom-Aktien beabsichtigt die Bundesregierung 1997 sowie 1998 zu verkaufen, und auf welchem Wege?

Anlage 14 Wie hoch wird die Neuverschuldung des Bundes in diesem Jahr gemäß der aktuellen Einschätzung der Bundesregierung Antwort sein, und welche Linie hat der Bundesminister der Finanzen der Kreditabteilung seines Hauses für das Volumen der in die- der Parl. Staatssekretärin Irmgard Karwatzki auf die sem Jahr aufzunehmenden Nettokreditaufnahme vorgegeben? Fragen des Abgeordneten Manfred Hampel (SPD) (Drucksache 13/7769 Fragen 25 und 26): Zu Frage 27: Ist die Bundesregierung der Auffassung, daß es sich bei den Ausgaben für den Arbeitsmarkt um Rechtsverpflichtungen Nach der geltenden Gesetzeslage kann die Bun- handelt, für die die in § 37 BHO sowie die in dem Urteil des desregierung vor dem Jahre 2000 eigene Aktien an Bundesverfassungsgerichts zu A rtikel 112 GG vom 25. Mai der Deutschen Telekom AG nur veräußern, wenn der 1977 für überplanmäßige Ausgaben festgelegten Kriterien nicht gelten, und wie begründet sie ggf., daß ihre Auffassung in Kapitalmarkt davon nicht tangiert wird und der Vor- Einklang mit Artikel 112 GG in Verbindung mit dem Urteil des stand der Deutschen Telekom AG dieser Transaktion Bundesverfassungsgerichts steht? zugestimmt hat. Wann wird sich der Bundesminister der Finanzen entschei- den, ob er den Entwurf eines Nachtragshaushalts 1997 vorlegt, Möglichkeiten und Umfang einer rascheren Priva- den der Landesgruppenvorsitzende der CSU, Michael Glos, be- tisierung werden derzeit geprüft. reits am 16. Mai 1997 angekündigt und den der Abgeordnete Dr. Otto Graf Lambsdorff in der „Bild" am Sonntag vom 18./ 19. Mai 1997 als erforderlich bezeichnet hat? Zu Frage 28:

Zu Frage 25: Die Bundesregierung hat über Gegensteuerungs- maßnahmen zur Finanzierung der hohen Zusatzbela- Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß es stungen durch Steuerausfälle und Mehrausgaben für sich bei den abzeichnenden Mehrausgaben für den den Arbeitsmarkt noch nicht entschieden. Die Höhe Arbeitsmarkt um die Erfüllung von Rechtsverpflich- der voraussichtlichen Neuverschuldung des Bundes tungen handelt, für die die in Artikel 112 des Grund- 1997 kann deshalb z.Zt. nicht näher beziffert werden. gesetzes und § 37 der Bundeshaushaltsordnung so- wie durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 25. Mai 1977 näher festgelegten Kriterien mit der Maßgabe gelten, daß es eines Nachtragshaus- haltsgesetzes nicht bedarf und mithin auch keine Anlage 16 Konsultationspflicht des Bundesministers der Finan- zen besteht. Antwort Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Ent- der Parl. Staatssekretärin Irmgard Karwatzki auf die scheidung dem Haushaltsgesetzgeber die Möglich- Frage des Abgeordneten Dr. Rolf Niese (SPD) keit eröffnet, den Bundesminister der Finanzen allge- (Drucksache 13/7769 Frage 29): mein von der verfassungsrechtlichen Kommunikati- ons- und Konsultationspflicht bei Fällen unterhalb ei- Was hat die Bundesregierung bewogen, eine baldige Höher- bewertung unserer Goldreserven bei der Deutschen Bundes- ner bestimmten Größenordnung freizustellen. Hier- bank zu planen, obwohl der Präsident der Deutschen Bundes- von hat der Haushaltsgesetzgeber in § 37 Abs. 1 bank, Prof. Dr. Hans Tietmeyer, noch in der Sitzung des Haus- Satz 4 der Bundeshaushaltsordnung und § 6 des haltsausschusses am 19. März 1997 nachdrücklich davor ge- Haushaltsgesetzes 1997 insoweit auch Gebrauch ge- warnt hat, denn es gelte, „dieses Thema in dieser sensiblen Zeit vor der Währungsunion nicht in die öffentliche Diskussion macht, als es um die Erfüllung von Rechtsverpflich- zu ziehen, um Turbulenzen an den Märkten zu verhindern" tungen geht. und die Glaubwürdigkeit nicht zu beschädigen? Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 177. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 4. Juni 1997 15953*

Zu Frage 29: Hat die Bundesregierung zwecks Information der Betroffenen an die einschlägigen Fachverbände und Automobilclubs die Die Bundesbank verfügt über umfangreiche finan- genauen Bestimmungen übermittelt, und wie wird die Bundes- zielle Reserven. Diese reflektieren die Leistungs- regierung, falls das nicht der Fall ist, eine Information der Be- troffenen gewährleisten? fähigkeit der Volkswirtschaft der Bundesrepublik Deutschland in den letzten 50 Jahren. In sie ist ein Zu Frage 30: großer Teil der volkswirtschaftlichen Ersparnisse ein- geflossen, die Deutschland gegenüber dem Ausland Durch die Neufassung von § 1 Abs. 1 Nr. 4 des gebildet hat. Es muß gewährleistet werden, daß sie Kraftfahrzeugsteuergesetzes (KraftStG) im Rahmen wieder der deutschen Volkswirtschaft zugute kom- des Kraftfahrzeugsteueränderungsgesetzes 1997 men. (BGBl. I S. 805) wurde festgelegt, daß es auch für die künftigen speziellen Oldtimer-Kennzeichen bei den Die Neubewertung der Goldreserven der Deut- bisher für rote Kennzeichen geltenden Steuersätzen schen Bundesbank ist Teil eines größeren Konzepts. von 90/375 DM bleibt (vgl. § 9 Abs. 4 KraftStG), so- Zum Eintritt in die dritte Stufe der Währungsunion bald die entsprechenden Voraussetzungen in der soll die Deutsche Bundesbank mit einem ansehn- Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO) ge- lichen Eigenkapital versehen und ihre Bilanzstruktu- regelt sind. Die Bundesregierung hat dafür Sorge ge- ren sollen neu geordnet werden. Das führt zu einer tragen, daß die entsprechende Verordnung zur Än- Anpassung an die für die Europäische Zentralbank derung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften vorgesehenen Strukturen und Regelungen. zwecks Einführung des Oldtimer-Kennzeichens trotz Hinsichtlich des Zeitpunktes der Neuregelung verkürzter Zuleitungsfrist im Bundesrat so behandelt geht es zunächst um die Frage, wann der Gesetzge- wurde, daß die abschließende Erörterung auf der Ta- ber über die Sache berät und beschließt. Wir haben gesordnung des Bundesrates am 6. Juni 1997 steht. das Bundesbankgesetz jetzt ohnehin auf der Tages- Bei entsprechender Beschlußfassung kann die Ver- ordnung, um die Aufgabenstellung und andere ordnung am 1. Juli 1997 in Kraft treten. Punkte den Erfordernissen des Gemeinschaftsrechts Das Aufkommen der Kraftfahrzeugsteuer steht anzupassen. Gesetzgebung braucht Ruhe und Konti- nach Artikel 106 Abs. 2 Nr. 3 des Grundgesetzes den. nuität. Mehrfaches Aufgreifen des gleichen Gesetzes Ländern zu, die deswegen nach A rtikel 108 Abs. 2 in kurzen Abständen sollte nach Möglichkeit vermie- des Grundgesetzes für deren Verwaltung zuständig den werden. sind. Es ist somit nicht Sache der Bundesregierung, Zum Termin des Wirksamwerdens der Neurege- die Finanzämter in die Lage zu versetzen, die Neure- lung sind mehrere Gesichtspunkte von Bedeutung: gelungen umzusetzen. - Die Satzung der Europäischen Zentralbank sieht in Die Kraftfahrzeugsteuer wird in einem weitestge- ihrem Artikel 31 eine Mitsprache dieses Instituts hend vollmaschinellen Verfahren mit Hilfe der elek- bei Geschäften mit den bei den Teilnehmern am tronischen Datenverarbeitung festgesetzt und erho- Europäischen System der Zentralbanken verblie- ben. Nach dem Kenntnisstand der Bundesregierung benen Währungsreserven vor. Wir werden also in werden die für eine Umsetzung der Neuregelung er- Zukunft bei Verfügungen über diese nationalen forderlichen geänderten Computerprogramme recht- Ersparnisse nicht mehr ganz frei sein. Deshalb zeitig zum 1. Juli 1997 einsetzbar sein. empfiehlt es sich, die entsprechenden Schritte zu tun, ehe diese Beschränkung greift. Zu Frage 31: - Die freiwerdenden Mittel sollen in den Erblasten- Das Bundesministerium für Verkehr hat mit Schrei- tilgungsfonds gehen. Sie dienen also ausschließ- ben vom 4. April 1997 den betroffenen Verbänden lich der Schuldentilgung. den Entwurf der Änderungsverordnung zugeleitet. Im Laufe des Anhörungsverfahrens, insbesondere - Schließlich ein technischer Gesichtspunkt: Die mit den Bundessressorts und den Ländern, haben Deutsche Bundesbank bilanziert jeweils per Jah- sich einige Änderungen ergeben. Wird die Verord- resschluß. Das kann ein zweckmäßiger Anknüp- nung am 6. Juni 1997 im Bundesrat verabschiedet, fungspunkt für das Inkrafttreten sein. erhalten die Verbände noch in ausreichender Vor- laufzeit Kenntnis von den getroffenen Änderungen.

Anlage 17 Anlage 18 Antwort Antwort der Parl. Staatssekretärin Irmgard Karwatzki auf die Fragen des Abgeordneten Uwe Göllner (SPD) der Parl. Staatssekretärs Rudolf Kraus auf die Fragen (Drucksache 13/7769 Fragen 30 und 31): des Abgeordneten Dr. Konstanze Wegner (SPD) (Drucksache 13/7769 Fragen 35 und 36): Kann die Bundesregierung sicherstellen, daß die beschlos- sene Änderung der Kfz-Besteuerung für sog. Oldtimer tatsäch- Welche Annahmen zur Entwicklung der Erwerbstätigenzahl, lich zum 1. Juli in Kraft treten wird, und in welcher Form hat die der Arbeitslosenzahl, der Beitragseinnahmen aus der Arbeitslo- Bundesregierung bejahendenfalls die Finanzämter in die Lage senversicherung und zum Wirtschaftswachstum lagen den An- versetzt, die Neuerungen auch umzusetzen? sätzen im Bundeshaushalt 1997 für den Zuschuß an die Bundes- 15954* Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 177. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 4. Juni 1997

anstalt für Arbeit sowie für die Arbeitslosenhilfe zugrunde, und In der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine wie sind die Einschätzungen der Bundesregierung für diese Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Kennziffern im Jahr 1997 aus heutiger Sicht? (Drucksache 13/6938) wurden die Bedingungen und Wie hoch ist der Mehrbedarf für den Bundeszuschuß für die Mechanismen für den Kerosinablaß ausführlich be- Bundesanstalt für Arbeit sowie für die Arbeitslosenhilfe aus schrieben. heutiger Sicht? Es ist davon auszugehen, daß unter den Rahmen- Zu Frage 35: bedingungen: Den Ansätzen im Bundeshaushalt 1997 für den Zu- - Mindesthöhe 5000 Fuß (1500 m) über Grund, schuß an die Bundesanstalt für Arbeit sowie für die - normale Wetterbedingungen, Arbeitslosenhilfe lagen die vom Interministeriellen - Verwirbelung aufgrund der hohen Geschwindig- Arbeitskreis der Bundesregierung im Oktober 1996 keit geschätzten ökonomischen Eckwerte zugrunde: keine nachweisfähigen Konzentrationen von Kerosin West Ost Gesamt an der Erdoberfläche ankommen. Messungen haben Abhängig Beschäftigte dies bestätigt. (in v. H.) +0,1 +0,3 +0,1 Deshalb sieht die Bundesregierung keinen Ansatz, Arbeitslose 2 840 1 112 3 952 wo durch Kerosinablaß Einfluß auf die Konsistenz der Straßenbeläge genommen wird. Auch ist nicht zu Wirtschaftswachtstum + 2,4 + 2,3 + 2,4 erwarten, daß der Straßenverkehr etwa durch Ver- (real, in %) schmutzung von Windschutzscheiben beeinträchtigt würde. Für die Schätzung der Beitragseinnahmen bei der Bundesanstalt für Arbeit wurde von 27 562 800 Bei- tragspflichtigen ausgegangen.

Aufgrund der erneuten Schätzung Ende April 1997 Anlage 20 haben sich die Werte für 1997 wie folgt verändert: West Ost Gesamt Antwort Abhängig Beschäftigte des Parl. Staatssekretärs Johannes Nitsch auf die Fra- (in v. H.) -0,9 -2,4 -1,2 gen des Abgeordneten Heinz Schmitt (Berg) (SPD) Arbeitslose 3006 1279 4285 (Drucksache 13/7769 Fragen 38 und 39): Entsprechen die französischen provisorischen Kfz-Kennzei- Wirtschaftswachtstum + 2,5 + 2,1 + 2,5 chen mit der Buchstabenkombination „WW" bzw. „W" den Re- (real, in %) gelungen, die im Wiener Übereinkommen von 1968 über den Straßenverkehr und über Straßenverkehrskennzeichen getrof- Die Zahl der Arbeitslosen hat sich gegenüber den fen wurden, und sind sie damit als ausreichende Zulassung Annahmen vom Herbst 1996 um rund 330 000 und auch von deutschen Behörden anzuerkennen? die Zahl der Beitragspflichtigen um rund 530 000 ver- Hat die Bundesregierung Maßnahmen eingeleitet, um eine schlechtert. Harmonisierung der Regelungen für die gegenseitige Anerken- nung provisorischer Kennzeichen zwischen Deutschland und Frankreich zu erreichen, und gibt es darüber hinaus Initiativen Zu Frage 36: auf europäischer Ebene hinsichtlich der Harmonisierung des Es ist aufgrund der aktuellen Arbeitsmarktdaten ab- Kfz-Zulassungswesens? zusehen, daß im Jahr 1997 ein Mehrbedarf für den Bun- deszuschuß zur Bundesanstalt für Arbeit sowie für die Zu Frage 38: Arbeitslosenhilfe entstehen wird. Eine genaue Bestim- Wird das provisorische französische Zulassungszei- mung der Höhe dieses Mehrbedarfs ist gegenwärtig chen mit der Buchstabenkombination „WW" bzw. noch nicht möglich, da dies von einer Vielzahl von Fak- „W" am Fahrzeug geführt und ein von der zuständi- toren abhängt, die sich noch nicht mit hinreichender gen französischen Behörde (Zulassungsstelle) ausge- Genauigkeit abschätzen lassen, z. B. die Höhe der stellter Zulassungsschein mitgeführt, so ist dies als durchschnittlichen Aufwendungen pro Fall bei Arbeits- ausreichende Zulassung im Sinne des Artikels 35 des losengeld oder Arbeitslosenhilfe oder der Anteil der Lei- Übereinkommens über den Straßenverkehr vom stungsbezieher an der Gesamtzahl der Arbeitslosen. 8. November 1968 (Wiener Übereinkommen) anzuse- hen.

Zu Frage 39: Anlage 19 Fahrzeuge mit deutschem roten Kennzeichen müs- sen im internationalen Verkehr im Ausland nicht an- Antwort erkannt werden, da im mitgeführten Zulassungs- des Parl. Staatssekretärs Johannes Nitsch auf die Frage schein die technischen Daten nicht von einer zustän- der Abgeordneten Ulrike Höfken (BÜNDNIS 90/DIE digen Behörde ausgestellt werden, sondern durch GRÜNEN) (Drucksache 13/7769 Frage 37): den Halter selbst. Für die Anerkennung deutscher roter Kennzeichen Welche Auswirkungen haben Kerosinverrieselungen bei Flugzeug-Notlandungen auf den Straßenbelag, und wieweit ist in Frankreich ist eine bilaterale Vereinbarung erf or- dadurch eine Gefährdung des Straßenverkehrs möglich? derlich und zwar grundsätzlich durch einen völker- Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 177. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 4. Juni 1997 15955* rechtlichen Vertrag, der zudem eines Zustimmungs- Ist der Bundesregierung bekannt, daß Hamburger Schlepp- gesetzes gemäß Artikel 59 Abs. 2 des Grundgesetzes reeder versuchen, von der Seeberufsgenossenschaft die Geneh- migung für den Probebetrieb eines nur mit zwei Mann besetz- bedarf. ten Schleppers zu bekommen? Die Bundesregierung prüft, ob das Verfahren zur Erreichung einer gegenseitigen Vereinbarung (auch Nach Rückfrage bei der See-Berufsgenossenschaft mit Frankreich) nicht vereinfacht werden kann. liegen ihr entsprechende Anträge vor, über die noch Auf Vorschlag der Bundesregierung bereitet die nicht entschieden worden ist. Kommission der Europäischen Gemeinschaften einen Richtlinienvorschlag für einheitliche Fahrzeugdoku- mente (in Deutschland Fahrzeugschein und Fahrzeug- Anlage 23 brief) vor. Weitere Maßnahmen (z. B. Harmonisierung „provisorischer" Kennzeichen) sind nicht vorgesehen. Antwort der Parl. Staatssekretärin Elke Wülfig auf die Frage des Abgeordneten Dr. Wolfgang Wodarg (SPD) Anlage 21 (Drucksache 13/7769 Frage 43): Welche ethischen, sozialen und rechtlichen Forschungspro- jekte wurden in diesem Rahmen (Zulassung von gewerblich Antwort verfügbarer Gendiagnostika) bislang durch das Bundesministe- des Parl. Staatssekretärs Johannes Nitsch auf die Fra- rium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie im einzelnen gefördert, und welche (Zwischen-)Ergebnisse liegen gen des Abgeordneten Dr. Egon Jüttner (CDU/CSU) bereits vor?*) (Drucksache 13/7769 Fragen 40 und 41): Die Ergebnisse der modernen biomedizinischen Sind in den Jahren 1997 bis 2005 Erweiterungs-, Reparatur- Forschung eröffnen große Chancen für die Erkennung und weitere Lärmschutzmaßnahmen auf dem Autobahnab- und für die Bekämpfung von Krankheiten. Gleichzei- schnitt A6 zwischen der Theodor-Heuss-Brücke bei Mannheim- Sandhofen und dem Viernheimer Kreuz vorgesehen? tig berühren bestimmte Forschungsarbeiten und An- wendungen von Ergebnissen am Menschen ethische Ist eine Fortsetzung des dreispurigen Ausbaus der Autobahn Grenzen. BMBF bezieht daher ethische, soziale und A6 Saarbrücken-Mannheim zwischen der Raststätte Watten heim und Viernheimer Kreuz geplant? rechtliche Fragen in solche Forschungsprojekte mit ein, deren Ergebnisse unmittelbare Auswirkungen auf Zu Frage 40: individuelle Schutzinteressen haben können. - In den Jahren 1997-2005 sind keine Erweiterungs Dazu gehört das Humangenomforschungsprojekt, und Reparaturmaßnahmen auf dem betreffenden das vom BMBF gefördet wird. Im Rahmen dieses Projek- Streckenabschnitt der A6 geplant. tes werden 1997 und 1998 insgesamt 7 interdisziplinäre Fachtagungen zu ethischen, rechtlichen und sozialen Im Jahr 1995 hat das Landesamt für Straßenwesen Aspekten der Humangenomforschung gefördert. Auf auf der Grundlage aktueller Verkehrszahlen für den dem Gebiet der gewerblich verfügbaren Gendiagno- o. g. Streckenabschnitt eine Lärmschutz-Berechnung stika, auf die sich die Frage bezieht, sind ethische und durchgeführt, bei der insbesondere die Stadtteile Blu- rechtliche Aspekte in das vom BMG dargestellte euro- menau, Schönau, Sandhofen und Scharhof berück- päische Gesetzesvorhaben einzubeziehen; sie sind da- sichtigt wurden. Dabei ergaben sich im Gegensatz zu mit nicht Gegenstand von Forschungsvorhaben. früheren Berechnungen Überschreitungen der Lärm- sanierungsgrenzwerte an einigen untersuchten Im- Ich weise in diesem Zusammenhang auf das Men- missionsorten in den genannten Stadtteilen. Das Land schenrechtsübereinkommen zur Biomedizin des wird in Abhängigkeit der haushaltsrechtlichen- Lage Europarats hin, in dem es zu prädikativen geneti- und der Mittelbeschaffung an allen in Frage kommen- schen Tests in Artikel 12 heißt, daß diese „nur zu ge- den Wohngebäuden passive Lärmschutzmaßnahmen sundheitlichen Zwecken oder für gesundheitsbezo- in den nächsten Jahren durchführen. gene wissenschaftliche Forschung und vorbehaltlich einer angemessenen genetischen Beratung durchge- führt werden". Daran wird deutlich, daß in diesem Zu Frage 41: Punkte ein breiter europäischer Konsens besteht und Der Bedarfsplan für die Bundesfernstraße sieht in sich offene Forschungsprobleme z. Z. nicht stellen. der Stufe „Weiterer Bedarf" einen 6 streifigen Aus- (Hinweis: Das Übereinkommen ist von 21 europäischen bau der A6 zwischen dem AD Kaiserslautern/Ost Ländern gezeichnet, nicht von Deutschland, das aller- und dem AK Frankenthal vor. Aufgrund der nachran- dings bezüglich Artikel 12 keine Probleme hat.) gigen Einstufung werden z. Z. keine Planungen durchgeführt.

Anlage 24

Anlage 22 Antwort der Parl. Staatssekretärin Elke Wülfing auf die Fra- Antwort gen des Abgeordneten Wolf-Michael Catenhusen des Parl. Staatssekretärs Johannes Nitsch auf die (SPD) (Drucksache 13/7769 Fragen 44 und 45): Frage des Abgeordneten Konrad Kunick (SPD) (Drucksache 13/7769 Frage 42): *) s. hierzu Frage 5 15956* Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 177. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 4. Juni 1997

An welchen vom Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft, - der gezielten Kontaktanbahnung zwischen Wis- Forschung und Technologie geförderten Projekten der Genomfor- senschaftlern und der Indust rie (Kooperationen, Li- schung sind Unternehmen der deutschen pharmazeutischen In- dustrie beteiligt, und wie bewe rtet die Bundesregierung das bis- zenzen usw.). her gezeigte Engagement der Industrie auf diesem Gebiet ange- sichts der Tatsache, daß sie 1993 bis 1997 mehr als 1,3 Mrd. Dollar Alle Dienstleistungen der PLA sind für die Wissen- auf dem Gebiet der "Genomics" in den USA investierte? schaftler kostenlos. Die PLA trägt u. a. alle Patentie- In welcher Weise war das Bundesministerium für Bildung, Wis- rungskosten. senschaft, Forschung und Technologie am Zustandekommen des (lt. „Nature", vol. 387, 8. Mai 1997) durch deutsche Pharmaunter- Der „Verein zur Förderung der Humangenomfor- nehmen gegründeten "Vereins zur Förderung der Humangenom- schung" und die „Patent- und Lizenzagentur" sind forschung" mit einem Jahresumsatz von 1,2 Mio. DM beteiligt, wichtige strukturelle Komponenten des Technologie- und wie schätzt die Bundesregierung - im Hinblick auf mögliche Patentanmeldungen - den Anspruch des Vereins auf dreimona- transferkonzepts im deutschen Humangenomfor- tige exklusive Vorabprüfung von Ergebnissen ausschließlich öf- schungsprojekt, das von einer Arbeitsgruppe gestal- fentlich finanzierter deutscher Genomforschung ein angesichts ei- tet wurde, der Vertreter der universitären und außer- nes Konsenses zwischen den führenden öffentlichen Genomfor- universitären Forschung, der Indust rie, der MPG, der schungszentren der Welt über einen freien, ungehinderten Zu- gang zu den Informationen der Genomforschung für jeden? DFG, der HGF und des BMBF angehörten. Alle Patentanmeldungen erfolgen grundsätzlich im Zu Frage 44: Namen und im Auftrag der beteiligten freien Erfinder Im Rahmen des Humangenomforschungsprojekts (im Fall von Hochschullehrern) bzw. der Arbeitgeber fördert das BMBF bisher 49 Vorhaben. An diesen der erfindenden Wissenschaftler (z. B. bei HGF-Zen- Projekten sind keine Unternehmen der deutschen tren, der Max-Planck-Gesellschaft oder der Fraunho- pharmazeutischen Indust rie beteiligt. Antragsteller fer Gesellschaft). Patentinhaber werden bei Erteilung aus der Industrie sind jedoch an drei Vorhaben betei- somit die Wissenschaftler selbst (im Hochschulbe- ligt, die sich noch im Stadium der Begutachtung/Be- reich) bzw. die Forschungseinrichtungen (bei der au- willigung befinden. ßeruniversitären Forschung). Die Indust rie muß sich Die deutsche pharmazeutische Indust rie engagiert im Wettbewerb untereinander um den Abschluß von sich auf dem Gebiet der Humangenomforschung auch Lizenzen auf der Basis solcher Patente bemühen. in Deutschland (z. B. Gemeinschaftsfirma BASF/Lynx - USA - in Heidelberg; LION Bioscience/GeneData - Die Patentierung der Forschungsergebnisse ist Vor- Schweiz - in Heidelberg). Das vom BMBF und der DFG aussetzung für das Engagement der Indust rie. Daher gemeinsam getragene Humangenomforschungspro- kommt der PLA zentrale Bedeutung zu. Über sie soll jekt wird dazu neue Anreize schaffen durch der Informationsfluß zwischen Wissenschaft und In- dustrie erleichtert und beschleunigt werden. Die Pu- - Etablierung neuer, effizienter Forschungsstruktu- blikation der wissenschaftlichen Daten ist wie in allen ren, die in Deutschland kompetitive Forschungs- BMBF-Projekten beabsichtigt und wird durch die Tä- qualität ermöglichen; tigkeit der PLA weder behindert noch verzögert. - Sicherung der Forschungsqualität mit Hilfe geziel- ter Koordinierungsmaßnahmen; Das dreimonatige Leserecht der Indust rie dient vor al- lem dazu, das Know-how der Indust rie mit dem der aka- - Etablierung neuer, bedarfsorientierter Technolo- demischen Forschung zu verknüpfen, wi rtschaftlich gietransferstrukturen, die Kooperationen zwischen verwertbare Ergebnisse zu erkennen und mit Zustim- Industrie und akademischer Forschung stärken mung der Wissenschaftler zu patentieren. Die Inan- und umfangreiche Patentierung der Forschungser- spruchnahme von Nutzungsrechten durch die Indust rie gebnisse sicherstellen. soll dann zu Marktpreisen erfolgen, so daß hier keines- Die Industrie investiert nur do rt, wo sich Kompe- wegs eine kostenlose Überlassung von öffentlich finan- tenzzentren bilden, kreative Köpfe existieren, und zierten Forschungsergebnissen an die Indust rie stattfin- der Know-how-Transfer funktioniert. Das Ziel des det. Auf diese Weise sollen für die Indust rie Anreize ge- Humangenomforschungsprojektes ist es, solche schaffen werden, um wieder stärker in Deutschland zu Kompetenzzentren zu schaffen. Sie bilden sich zur investieren und Arbeitsplätze zu schaffen. Zeit u. a. in Heidelberg, Berlin und München heraus. Mißverständnisse sind in der Öffentlichtkeit durch Zu Frage 45: Presseberichte erzeugt worden, in denen berichtet Der „Verein zur Förderung der Humangenomfor- wurde, daß diese Regeln auch für solche Arbeits- gruppen gelten sollen, die sich mit der Sequenzie- schung" (FV) wurde von den acht führenden Phar- maunternehmen in Deutschland gegründet. Er wird rung des menschlichen Genoms befassen. Dies trifft jedoch nicht zu. Richtig ist, daß diese Wissenschaftler eine „Patent- und Lizenzagentur" (PLA) finanzieren, ihre Daten sofort nach deren Generierung veröffentli- deren Aufgaben bestehen in chen können. Die verschiedentlich in der Presse und - dem „Screening" von Forschungsergebnissen auf der internationalen Wissenschaftlergemeinde in der deren Patentfähigkeit; letzten Woche laut gewordene Kritik richtet sich aus- - der Unterstützung der Wissenschaftler in allen Fra- schließlich auf diesen Punkt. Sie ist damit gegen- gen der Patentierung und Lizenzierung; standslos geworden.