hörzu

DONNA LEON BEWEISE, DASS ES BÖSE IST Hörspiel mit Udo Wachtveitl, Barbara Auer u. a. 2 CDs, Laufzeit 107 Minuten, Der Hörverlag

Die 83-jährige Maria Battestini liegt ermordet in ihrer Wohnung. Ihre Familie ist schon lange tot und Freunde hatte die wenig liebenswerte alte Dame, die die Nachbarn mit ihrem lauten Fernseher fast in den Wahnsinn trieb, keine. Aber auch garstige Menschen darf man nicht einfach so umbringen, befindet Commissario Brunetti und macht sich auf die Suche nach Motiv und Mörder. Sein rechthaberischer, aber stets auf dem Holzweg befindlicher Vorgesetzter Patta ist ihm dabei ebenso im Weg wie die italienische Bürokratie, die der deutschen offenbar in nichts nachsteht. Glücklicherweise steht ihm die pfiffige Signora Elettra zur Seite, die die offiziellen Wege der Informationsbescha- ffung elegant umgeht. Eines ist Brunetti in diesem rätselhaften Fall jedenfalls schnell klar: Maria Battestini wurde nicht wegen ihres lauten Fernsehers ermordet ... So weit und so spannend die Handlung. Auch die hervorragend ausgewählten Sprecher geben wenig Anlass zur Kritik. Die Inszenierung jedoch, genauer gesagt die atmosphärische Untermalung durch Musik und Geräusche, ist sicher originell, aber ausgesprochen geschmacksabhängig. Anhänger des hektischen Videoclip-Stils werden an der üppigen, selbst Dialoge begleitenden Musikkulisse ihre helle Freude haben. Alle anderen - so auch die Rezensentin - werden damit beschäftigt sein, mit beruhigenden Atemübungen das beginnende Herzrasen zu bekämpfen. Es scheint, als hätte auch die gute alte Hörspielkultur ein paar Modernisierungsmaßnahmen hinter sich gebracht - was nicht zwingend schlecht sein muss, nur eben geschmacksabhängig. Von allen Comissario-Brunetti-Fällen gibt es außer den Hörspielen noch die vollständig vorgelesenen Hörbücher - perfekt geeignet für alle, denen die Hörspielinszenierungen zu aufreibend sind und die es gerne ruhiger angehen lassen (die Rezensentin gesteht...). Donna-Leon-Anfängern sei an dieser Stelle wärmstens Brunettis fünfter Fall „Aqua alta“ empfohlen. Im Mittelpunkt stehen die berühmte Opernsängerin Flavia Petrelli und ihre Lebensgefährtin, die Archäologin Brett Lynch, die eines Tages scheinbar ohne Motiv zusammengeschlagen wird. Mit viel Feingefühl für die beiden verbandelten Frauen, aber auch mit unerbittlicher Härte untersucht Brunetti diesen Fall, der sich zu einem stadtweiten Kunstfälschungsskandal ausweitet. Diesen Brunetti-Fall und viele weitere Hörbücher liest auf höchst eingängige und angenehme Art der aus ver- schiedenen Fernsehproduktionen bekannte Schauspieler Christoph Lindert, der vor kurzem freiwillig aus dem Leben schied, da er den Krebstod seiner Frau, der Lindenstra§en-Darstellerin Ute Moira, nicht verkraften konnte. Ute Roos HÖRNEWS UND TERMINE

Frankfurter Buchmesse: Hörbuch-Version in den Startlöchern. Wer lieber autoren wie Patricia Highsmith mit ihrem zwie- Hörbuchtrends vorlesen lässt statt selbst zu lesen, muss sich aber lichten, bisexuellen Helden Ripley (ãDer Junge, noch bis zum nächsten Jahr gedulden: Vorraus- der Ripley folgte“), Frankreichs Georges Sime- Rund 70 Aussteller zum Thema Hörbuch präsen- sichtlicher Erscheinungstermin für das Hörbuch non („Die Brüder Rico“, „Die Ehe der Bébé Don- tieren sich in diesem Jahr vom 19. bis zum 23. ist der 17. Februar 2006. A propos Harry Potter, ge“), Ernest Tidyman mit seinem schwarzen Kult- Oktober auf der Frankfurter Buchmesse an einem wer andere gerne ärgern möchte, kann sich im In- detektiv Shaft (ãShaft und das Mordkomplott“) gemeinsamen Stand (Halle 4.1, Stand B 139), so- ternet unter http: //www.tshirthell.com/ ein T- und viele weitere. Karten kann man unter 0621/ viel wie nie zuvor. Zahlreiche Lesungen, Diskus- Shirt mit folgender Aufschrift bestellen: ãxxx 41 56 92 oder im Internet unter www.planetari- sionen und Veranstaltungen rund ums Hörbuch (hier steht der Name einer beliebten Figur aus um-mannheim.de reservieren, das vollständige sollen Fachpublikum und Privatbesucher infor- dem Harry-Potter-Universum, der den sechsten Programm findet sich unter www.swr2.de/hoer- mieren und unterhalten. Immerhin gibt es in Band nicht überlebt) dies on page 596. I just spiel. Deutschland ungefähr 6 Millionen Fans des ge- saved you 4 hours and 30 $“. Die Rezensentin bit- sprochenen Wortes, rund 13 000 Titel von über tet um Verständnis: Die (Selbst-)Zensur an dieser 500 Verlagen sind mittlerweile erhältlich. Weitere Stelle erfolgte zur Wahrung der Sympathie ihrer Messeinformationen und Termine finden Interes- geneigten Leserinnen. sierte unter www.buchmesse.de. Dort in der Such- Toolbar für Hörbuchfans maschine „Hörbuch“ eingeben. Mit nur wenigen Mausklicks können sich Freun- dinnen und Freunde des gesprochenen Wortes Hörspiel unterm eine so genannte Toolbar auf ihrem Computer in- Sternenhimmel stalieren. Nach der Installation erscheinen im In- Harry Potter Band VI ternet-Browser verschiedene Icons, die mit einem in Vorbereitung Ab 8. Oktober veranstaltet das Planetarium Klick hörbuchspezifische Webseiten aufrufen, In- Mannheim (Wilhelm-Varnholt-Allee 1, 68165 ternetradio abspielen und vieles mehr. Mehr In- Während sich hierzulande noch das Harry-Potter- Mannheim) wieder Hör-Events unter Sternen. An formationen dazu findet sich bei den Anbietern Fieber rund um die Printausgabe des Jugendbuch- jedem zweiten Samstag von 19.30 bis 22.00 Uhr der Toolbar auf deren Website www.hoerothek.de, bestsellers verbreitet, steht der bewährte HP-Vor- kommen Krimifreunde für 7 Euro (ermäßigt 5 Eu- eine der bekanntesten und meistbesuchten Inter- leser Rufus Beck schon für die Produktion der ro) auf ihre Kosten. Zu hören sind etwa Krimistar- netseiten zum Thema Hörbuch.

20 lespress ❘ oktober 2005 kling und klang

HÖRNEWS UND TERMINE

Zum Verschenken: Neue Download-Portale Guthaben Hörspiele nach eigenem Gusto herun- Spannende Hörbuch für Hörbücher terladen können. Start ist voraussichtlich Ende “truhen“ Oktober. Immer mehr Anbieter kommen auf den Ge- Spätestens mit dem Erscheinen der Lebkuchen- schmack. Nach den beiden Erstlingen www.sofor- brezeln in den Supermarktregalen taucht auch die thoeren.de des süddeutschen Diderot-Verlages Frage nach Weihnachtsgeschenken auf für alle, und www.audible.de starten in Kürze mehrere die einem lieb und teuer sind. Zwei frühe Em- Portale im Internet, bei denen sich Interessierte Umfassende pfehlungen seien an dieser Stelle schon einmal Hörbücher kaufen und gleich herunterladen kön- Studie zu Hörbüchern ausgesprochen: Random House Audio hat eine nen. Unter www.claudio.de will die Claudio feine Auswahl der spannendsten John-Grisham- Medien AG, an der unter anderem der Hörverlag Das Portal Echthörbuch.de veröffentlichte kürz- Bestseller (Die Firma, Die Bruderschaft, Das Ur- und der Focus-Magazin-Verlag beteiligt sind, in lich die wichtigsten Ergebnisse einer Studie zum teil, Die Schuld etc.) zusammengepackt und ver- Kürze ein Portal anbieten, bei dem alle Thema Hörbücher, an der 1800 Interessierte teil- kauft ãDie Truhe“, die 36 CDs mit insgesamt rund Beteiligten - Autoren, Sprecher, Verlage, Käufer genommen hatten. Beliebte Genres, so die Studie, 40 Stunden Laufzeit enthält, für 89,50 Euro. etc. - auf ihre Kosten kommen. Start soll die sind Krimis und Horror. Erwachsene hören gerne Wer statt nervenzerfetzender Action mehr auf Frankfurter Buchmesse sein, bei der vermutlich Kinderhörbücher und bei den Vorlieben gibt es Klassiker der Weltliteratur steht, der sei die Hör- mehr Details zu erfahren sind. geschlechtsspezifische Unterschiede: Frauen bibliothek von Weltbild wärmstens empfohlen. 30 Speziell für Kinder soll das Portal des Münchner bevorzugen Hörbücher, während Männer mehr CDs mit einer Laufzeit von ungefähr 33 Stunden Terzio-Verlags www.hoerbie.de sein. Bis zu tau- auf Hörspiele stehen. Die weiteren Ergebnisse sind für 49,90 Euro zu haben. Bekannte, aber send kindertauglichen Titeln will Terzio anbieten. finden sich auf der Website des Portals auch weniger bekannte Romane, Theaterstücke, Ein in Zusammenarbeit mit Soforthoeren.de ent- (www.echthoerbuch.de). Erzählungen und Balladen von Goethe, Schiller, wickeltes, kinderfreundliches Zugangsprogramm Balzac, Dostojewski, Dickens, Puschkin, Wilde soll ermöglichen, dass Kinder sich für ein und anderen locken zum Anhören. bestimmtes, von den Eltern genehmigtes Ute Roos kling und klang

CHAKA KHAN FEAT. THE LONDON SYMPHONY ORCHESTRA: CLASSIKAHN Earthsong (Import-CD)

„I’m every Woman“ war einer ihrer Hits in den achtziger Jahren, der erst so richtig bekannt wurde durch das Remake von Whitney Houston in den Neunzigern. Leider, leider war es Chaka Khan nie vergönnt, den absoluten Hit direkt zu landen. Dabei kann die Dame so wahnsinnig viel, dass jede Durchschnittssängerin im Genrespektrum Pop-Rock- Soul-Jazz sofort Ihr Notenbüchlein (wenn sie es denn überhaupt lesen kann) sofort zuklappen müsste, um fürderhin zu schweigen und sich einen anderen Job zu besorgen. Allein die Wahnsinnsoktavsprünge Chaka Khans sind - in welchem Song auch immer - das Zuhören wert. Nun hat sich Chaka Khan mit ihrem aktuellen Album ein wenig von Pop-Versuchen abgewandt und sich Jazz-Klassikern gewidmet, mit denen sie nach eigener Aussage gro§ geworden ist. Das Ergebnis ist nicht nur für Fans umwerfend. Schlie§lich begleitet hier nicht ein Plastikorchester mit allerlei lustigen Features aus dem Studio die Sängerin, sondern das London Symphony Orchestra. Es ist schon erstaunlich, dass Chaka Khan selbst so abgenudelten Jazz-Songs wie „Crazy“ (kennen Sie spätestens auch aus „Desert Hearts“) oder ãStormy Weather“ immer noch eine eigene ‘Note’ zu geben weiß. Und spätestens bei Interpretationen von ãGoldfinger“ oder „Diamonds Are Forever“ kann man sich Chaka Khan auch sehr, sehr gut als Sängerin des näch- sten Bond-Films vorstellen. Unbedingt reinhören! ❤❤❤❤❤❤ ufa

KEELY SMITH VEGAS 58 - TODAY Concord Music

Keely Smith, Jahrgang 1932 (!) gehört zu den hierzulande leider nicht so bekannten Diven des Jazz. Gemeinsam mit ihrem Partner Louis Prima war sie ein Top-Act im Las-Vegas der Fünfziger; die beiden traten bis zu fünf Mal an einem Tag in der legendären Sahara’s Casbar Lounge auf, und im Publikum sa§en Celebrities wie Frank Sinatra, Dean Martin, Sammy Davis, Jr., Spencer Tracy, Gary Cooper, Natalie Wood oder auch der junge damals noch Se- nator J.F. Kennedy. In Erinnerung an ihren 1978 verstorbenen Partner entstand das Programm ãVegas 58 -Today“, das im New Yorker Feinstein’s aufgenommen wurde. Die Live-Aufnahme ist technisch und atmosphärisch wunder- bar gelungen; Keely Smith singt immer noch voller Esprit und mit einer Verve, dass man sich beim Zuhören wünscht, dabei gewesen zu sein. Einen gro§en Anteil an diesem Erfolg hat allerdings auch die Begleitband mit einer fetzig aufspielenden Bläsersection und dem sagenhaften Drummer Joe Cucozzo. Live-Musik at ist best! ❤❤❤❤❤❤ ufa

DEBBY BOONE REFLECTIONS OF ROSEMARY Concord Records

Ihren ersten Hit hatte , eine Tochter von Pat Boone, bereits 1978 mit ãYou Light Up My Life“; die Platte wurde übrigens vier Millionen Mal verkauft, ohne dass Debby Boone (nach eigener Aussage) auch nur einen Penny daran verdiente. Pech im Spiel, Glück in der Liebe: Debby Boone heiratete zwei Jahre später Gabriel Ferrer, den Sohn der legendären Sängerin Rosemary Clooney, mit der sie sich nicht nur musikalisch ausgezeichnet verstand. Als Rosemary Clooney 2002 starb, vererbte sie ihrer Schwiegertochter all ihre musikalischen Arrangements. Und so entstand nun das Album „Reflections of Rosemary“, das zum Glück so gar nicht kitschig daher kommt, sondern durch die eigenen Interpretationen von Debby Boone ähnlich beeindruckend ist wie das 2003 erschienene Album und Rosemary Clooney gewidmete Album von Bette Midler. Sehr charmant erzählt gibt es zu jedem Song im Book- let eine kleine Geschichte oder eine Erinnerung aus dem Leben von Clooney. Und als kleine Überraschung zum Schluss einen hidden Track, auf dem Clooney selbst noch einmal ganz privat und a capella zu hören ist. Ein ruhiges, aber schönes Album, das die Qualitäten einer inzwischen ja nun erwachsenen Debby Boone zeigt und hoffen lässt auf mehr; nicht also nur etwas für Rosemary-Clooney -Fans. ❤❤❤❤❤❤ ufa

22 lespress ❘ oktober 2005 SARAH JANE MORRIS IN CONCERT

in-akustik/SWR DVD

Eigentlich wollte Sarah Jane Morris bei der Schauspielerei bleiben, aber dann kam es auf Umwegen zu einem Zu-

sammentreffen mit den Communards, mit denen Sie das Remake des Donna-Summer-Hits „Don’t Leave Me This

Way“ aufnahm. Ihre leicht rauchige, dunkle Stimme passte einfach wunderbar zu Jimmy Summervilles Falsett-

Stimmchen. Und so wurde „Don’t Leave Me This Way“ 1986 nicht nur zu einem Megahit, sondern auch zu einem

Meilenstein in ihrer Karriere als Sängerin. Mitte der Achtziger war es längst noch nicht schick, schwul zu sein und

fast schon gefährlich für die Karriere, sich gemeinsam mit einem Schwulen auf die Bühne zu stellen, aber Sarah Ja-

ne Morris hatte damit keine Probleme - im Gegenteil: Sie setzte noch eins drauf, indem sie ihre Version von ãMe

And Ms Jones“ herausbrachte. Der Song wurde prompt von den britischen Radiosendern boykottiert und mit umso

mehr Interesse von Lesben gehört...

Die in diesem Jahr erschienene DVD ist ein Mitschnitt der „Ohne-Filter“-Sendungen des SWR von 1990 und ent-

hält auch den legendären Titel „Ms-Jones“-Song sowie eine harsche Abrechnung mit der damaligen

Regierungschefin Maggie Thatcher, die von Sarah Jane Morris in ihrer Ankündigung als „Diktatorin“ bezeichnet

wird. Nun sind die Songs eben schon so alt wie sie sind, nämlich mindestens 15 Jahre, und ein wenig altbacken

kommt auch der Mitschnitt daher, aber those were the days. Dennoch: eine hübsche Zeitreise ins vorige Jahrzehnt

- die Extras sind allerdings nur etwas für Freaks und fast schon eine Lachnummer.

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ufa

ALEXANDRA DIE LEGENDE EINER SÄNGERIN

Film von Marc Boettcher (ARD Video), DVD

ãMein Freund der Baum ist tot, er fiel im frühen Morgenrot“ - das ist eine der Zeilen eines Liedchens, das viele Kin-

der einer gewissen Generation geprägt hat. Eigentlich hat Alexandra mit diesem wie auch anderen „kritischen“

Songs im Schlagerkontext der Sechziger und Siebziger einen gro§en Anteil an der späteren grünen Bewegung - rich-

tig zugeben will es natürlich keine(r). Und ganz so richtig ist diese Behauptung auch nicht, denn die Sängerin selbst

hat sich (au§er in ein, zwei Songs) zu Lebzeiten kaum zu gesellschaftspolitischen Themen geäußert, sondern eher

ganz brav versucht, als „besondere“ Künstlerin ihren Weg durch die Hitparaden zu machen. Das ist ihr wohl gelun-

gen, der Preis allerdings war hoch: ihr Privatleben ging schlichtweg dabei drauf. Alexandras mysteriöser Tod, der

bis heute nicht geklärt ist, markiert den Schlusspunkt einer Karriere, die gerade erst begonnen hatte. Die ãLegende

einer Sängerin“ ist eine eher brave Dokumentation, die wenig überraschende Neuigkeiten bietet, aber immerhin ein

interessanter Spiegel jener Jahre ist.

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ufa lespress ❘ oktober 2005 23