Aktuelle Rechtsprechung zur semistationären Geschwindigkeitsüberwachung auf Autobahnen an Gefahrenstellen durch die Kreisordnungsbehörde in NRW

Von Wiss. Mitarbeiter Pascal Förster, Mag. iur., *

Gegenstand der Besprechung ist die Rechtsfrage, ob semi- verkehr an Gefahrenstellen zuspricht. Folglich ergibt sich stationäre (auch „teilmobile“) Geschwindigkeitsmessanlagen sachlich für die Geschwindigkeitsüberwachung/Lichtzeichen- (umgangssprachlich „Blitzer“) „festinstallierte Anlagen“ im anlagenbefolgung eine Doppelzuständigkeit von Polizei- und Sinne von § 48 Abs. 2 S. 3 OBG NRW darstellen. Nur dann Kreisordnungsbehörde gem. § 11 Abs. 1 Nr. 3 POG NRW. wäre eine besondere Zuständigkeit der Kreisordnungsbehör- § 48 Abs. 2 S. 3 OBG NRW schränkt die Zuständigkeit der den für die Geschwindigkeitsüberwachung auf Bundesauto- Kreisordnungsbehörden ortsbezogen technisch ein: „Auf bahnen an Gefahrenstellen gegeben. Im Kern geht es also um Bundesautobahnen und den vom Innenministerium nach § 12 eine Zuständigkeitsfrage. Hierfür ist der aktuelle Beschluss des Polizeiorganisationsgesetzes bestimmten autobahnähnli- des Oberlandesgerichts Düsseldorf v. 7.8.2017 – IV-3 RBs chen Straßen erfolgt die Überwachung durch die Kreisord- 167/17 Anknüpfungspunkt, der eine Rechtsbeschwerde gegen nungsbehörden nur mit in festinstallierten Anlagen eingesetz- das Urteil des Amtsgerichts v. 14.2.2017 – 32 OWi tem technischen Gerät.“3 461/16 zum Gegenstand hat. Beide Entscheidungen haben In der Zusammenschau von § 48 Abs. 2 S. 2 und 3 OBG auch medial für Aufsehen gesorgt.1 Zudem hatten beide Ge- NRW ist die Kreisordnungsbehörde also nur für Geschwin- richte über ein Beweisverwertungsverbot als Fehlerfolge des digkeitsüberwachung an Gefahrenstellen (sachliche Beschrän- Zuständigkeitsdefizits zu befinden. kung der Zuständigkeit) auf Bundesautobahnen (ortsbezoge- Die Fallgestaltung betrifft das im Examen häufig geprüfte ne Beschränkung) zuständig, sofern und soweit als Mess- allgemeine Gefahrenabwehrrecht, deren Rechtsfrage durch technik festinstallierte Anlagen (technische Beschränkung) Auslegung zu beantworten ist. Die Frage nach dem Beweis- verwendet werden. verwertungsverbot ist eine typische Prüfungskonstellation. Daraus folgt eine hohe Prüfungsrelevanz als Zusatzfrage in II. Technischer Hintergrund und rechtliche Fragestellung einer strafrechtlichen Klausur oder als Rechtmäßigkeits- Probleme ergeben sich jedoch durch den Einsatz sog. semi- prüfung in einer öffentlich-rechtlichen Klausur. stationärer Anlagen als neu eingesetzte Technik. Hierbei handelt es sich um konventionelle Messtechnik, die auf ei- I. Regelungssituation nem PKW-Anhänger montiert ist. Der Anhänger hat ein Besondere Regelungen über die Zuständigkeit der Ordnungs- hohes Eigengewicht und ist sehr robust ausgestaltet, um vor behörden enthält § 48 OBG NRW. § 48 Abs. 2 OBG NRW Sabotage und Entwendung geschützt zu sein. Der Anhänger behandelt dabei besondere Zuständigkeitsregelungen im Zu- wird mitsamt Messtechnik an der Messstelle abgestellt, auf sammenhang mit dem Straßenverkehr. § 48 Abs. 2 S. 1 OBG den Boden hydraulisch abgesenkt und ausgerichtet. Nach NRW betrifft lediglich den ruhenden Verkehr und bestimmt einer Testmessung kann die semistationäre Anlage wegen die Zuständigkeit der örtlichen Ordnungsbehörden, wohin- einer akkumulatorbasierten Stromversorgung und großen gegen § 48 Abs. 2 S. 2 OBG NRW den Kreisordnungsbehör- Datenspeichern mehrere Tage autonom ohne Messpersonal den2 unbeschadet der Zuständigkeit der Polizeibehörden eine im Einsatz sein und dabei selbstständig Messungen durchfüh- eigene Zuständigkeit jedoch sachlich nur für die Überwa- ren bzw. Verstöße dokumentieren. Anschließend können die chung der Einhaltung zulässiger Höchstgeschwindigkeiten Daten ausgelesen werden. Vorteile des Systems sind die und der Befolgung von Lichtzeichenanlagen im Straßen- Personal(-kosten-)ersparnis in zeitlicher und finanzieller Hin- sicht sowie die Bindegliedfunktion zwischen stationärer und

mobiler Messtechnik, die einen konkreten Messort längere * Herrn Cand. iur. Klaus-Ferdinand Poretschkin und Frau Zeit ohne dauerhafte Personalanwesenheit überwachen kann Cand. iur. Lena Kirfel ist der Verf. für ihre Anmerkungen und dabei Daten eines längeren Zeitintervalls liefert. Dadurch sehr dankbar. Der Verf. promoviert zu einem sicherheitsrecht- erhöht sich auch der Kontrolldruck. Ein weiterer Vorteil zeigt lichen Thema. Der Beitrag gibt die persönliche Auffassung sich bei sich räumlich fortentwickelnden Gefahrenstellen des Verf. wieder und steht in keinem Zusammenhang mit (z.B. Wanderbaustellen auf Bundesautobahnen), da die semi- seiner beruflichen Tätigkeit. stationären Anlagen zwar längere Zeit an einem Ort einge- 1 Zu der medialen Berichterstattung exemplarisch Rheinische setzt, aber auch mit geringem Aufwand versetzt werden kön- Post v. 18.8.2017, abrufbar unter nen. http://www.rp-online.de/nrw/staedte/hilden/a3-blitzer- Fraglich ist die juristische Qualifikation dieser Technik. gericht-bestaetigt-bussgeldbescheide-aid-1.7019562 Handelt es sich um eine mobile oder stationäre Technik? Ein (6.3.2018); WDR v. 18.8.2017, abrufbar unter Einsatz auf der Bundesautobahn wäre nach § 48 Abs. 2 S. 3 http://www1.wdr.de/nachrichten/rheinland/mettmann- OBG NRW nur zulässig, wenn es sich bei den semistationä- illegaler-blitzer-100.html (6.3.2018). ren Geräten um eine festinstallierte Anlage handeln würde 2 Zur besseren Übersichtlichkeit wird im Folgenden lediglich die Kreisordnungsbehörde erwähnt, wobei die Ausführungen für Ordnungsbehörden der großen kreisangehörigen Städte 3 Zur besseren Übersichtlichkeit werden im Folgenden ledig- im Sinne von § 4 Abs. 1 und 3 GO NRW gem. § 48 Abs. 2 lich Bundesautobahnen erwähnt, wobei autobahnähnliche S. 2 OBG NRW entsprechend gelten. Straßen entsprechend erfasst sind. ______

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Semistationäre Geschwindigkeitsüberwachung ÖFFENTLICHES RECHT

und damit eine Zuständigkeit der Kreisordnungsbehörde längere Verweildauer bei fester Verbindung mit dem Boden gegeben wäre. einer festinstallierten Anlage abgestellt.10 Jedenfalls seien In jüngerer Zeit sind zwei Entscheidungen zu der semista- mobile Anlagen nicht erfasst, sonst wäre das Merkmal „fest“ tionären Geschwindigkeitsmessanlage auf der Bundesauto- aus „festinstallierten“ überflüssig. Auch spreche die sehr bahn 3 (A 3) ergangen, die im Folgenden vorgestellt werden. zügige Entfernbarkeit von semistationären Anlagen gegen eine Festinstalliertheit.11 Auch aus der Typisierung in der III. Sachverhalt und Verfahrensgang der Entscheidung Baumusterprüfbescheinigung könne man den Rückschluss des AG Mettmann auf das Vorliegen einer mobilen Anlage ziehen.12 Das Argu- Auf der Bundesautobahn 3 im Gebiet des Kreises M. führte ment der Unbeweglichkeit der Anhänger nach dem Absenken dieser als Kreisordnungsbehörde in einem Autobahnabschnitt, gelte nicht, da dies auch auf Stative bei mobilen Messungen auf dem eine Baustelle eingerichtet war, mit einer semi- zuträfe. Auch der im Vergleich zu mobilen Messstellen län- stationären Geschwindigkeitsmessanlage Geschwindigkeits- gere Verbleib der semistationären Technik sei kein Argu- kontrollen durch. Geschwindigkeitsüberschreitungen wurden ment, denn auch der Einsatz mobiler Technik könne durch 13 im Ordnungswidrigkeitenverfahren geahndet. Gegen den Buß- Akkus und Speicherplatz beliebig verlängert werden. Zu- geldbescheid im Ordnungswidrigkeitenverfahren wurde vor dem lässt das AG Mettmann das Argument nicht gelten, dass dem AG Mettmann Einspruch gem. §§ 67 ff. OWiG einge- im Gegensatz zu mobilen Messungen kein Messpersonal vor legt. Dieser war nicht erfolgreich, sodass ein Rechts- Ort eingesetzt wäre, schließlich sei dies bei mobilen Messun- beschwerdeverfahren gem. §§ 79 ff. OWiG vor dem Ober- gen auch nicht immer erforderlich und werde eher zu Dieb- 14 landesgericht Düsseldorf (OLG Düsseldorf) betrieben wurde. stahl- und Sabotageschutz eingesetzt.

1. Urteil des AG Mettmann4 b) Beweisverwertungsverbot als Fehlerfolge a) Semistationäre Anlagen als fest installierte Anlage Aus dem Zuständigkeitsfehler folge jedoch kein Beweisver- wertungsverbot als Fehlerfolge. Hierzu stellt das AG Mett- Das AG Mettmann geht auf ein eventuelles Beweisverwer- mann fest: „Die Technik an sich ist zulässig, wenn sie nicht tungsverbot ein, welches daraus folgen könnte, dass mit dem von der Ordnungsbehörde an der Bundesautobahn benutzt Kreis Mettmann eine unzuständige Behörde gehandelt haben würde, sodass durch den Verstoß gegen § 48 Abs. 2 S. 3 könnte. Hierzu ist eingefügt in die Frage des Beweisverwer- OGB [sic!] ein Beweiserhebungsverbot gegeben ist. Daraus tungsverbots die Kernfrage zu beantworten, ob es sich bei ergibt sich jedoch kein Beweisverwertungsverbot.“15 semistationären Anlagen auch um festinstallierte Anlagen im Ein explizites gesetzliches Beweisverwertungsverbot sei Sinne von § 48 Abs. 2 S. 3 OBG NRW handelt.5 Das AG nicht einschlägig.16 Über § 46 Abs. 1 OWiG seien die straf- Mettmann bejaht einen Verstoß gegen § 48 Abs. 2 S. 3 OBG rechtlichen Grundsätze entsprechend anzuwenden, wozu NRW. Eine festinstallierte Anlage sei in der semistationären auch das Abwägungsmodell (Beweisverwertungsverbot nach Anlage nicht zu sehen, sodass eine unzuständige Behörde Abwägung im Einzelfall, Kriterien u.a.: funktionstüchtige gehandelt habe.6 Strafrechtspflege, Art und Schwere der Rechtsverletzung, hy- Hierzu führt das AG Mettmann folgende Argumentation pothetische Ersatzbeweiserlangung, Schutznormgedanke) des an:7 Zunächst greift das AG Mettmann auf die Verwaltungs- BGH gehöre, welches abstrakt dargestellt wird.17 Daran an- vorschrift (VwV) zum OBG NRW als Auslegungshilfe zu- knüpfend nimmt das AG Mettmann im konkreten Fall die rück. Aus der VwV folge, dass der Begriff „fest installierten Abwägung vor. § 48 Abs. 2 S. 3 OGB regele die Aufgaben- Anlagen“ eine stationäre Anlage meine.8 Mit Rückgriff auf teilung zur optimalen Ressourcennutzung und diene nicht die Gesetzgebungsunterlagen wird auf die Geschwindigkeits- dem Schutz des Betroffenen. Ebenso sei seine verfahrens- minderung durch Erkennbarkeit einer stationären Anlage ab- rechtliche Stellung nicht anders oder sein Rechtsschutz gar gestellt. Ebenso seien festinstallierte Anlagen nicht wegtrag- schlechter.18 Zudem läge eine Ordnungswidrigkeit von eini- bar.9 Im Rechtsvergleich zum OBG Brandenburg (dort § 47 gem Gewicht vor. Ferner hätte der Beweis durch die Polizei Abs. 3, insb. 47.2.2 VwV zu OBG Brandenburg) wird auf die rechtmäßig erhoben werden können, zumal keine unvertret-

4 Die Entscheidung des AG Mettmann ist über NRWE online verfügbar unter http://www.justiz.nrw.de/nrwe/lgs/wuppertal/ag_mettmann/j2 10 AG Mettmann, Urt. v. 14.2.2017 – 32 OWi 461/16, Rn. 27 f. 017/32_OWI_461_16_Urteil_20170214.html (6.3.2018). 11 AG Mettmann, Urt. v. 14.2.2017 – 32 OWi 461/16, Rn. 28 f. 5 AG Mettmann, Urt. v. 14.2.2017 – 32 OWi 461/16, Rn. 23, 12 AG Mettmann, Urt. v. 14.2.2017 – 32 OWi 461/16, Rn. 30. 24. 13 AG Mettmann, Urt. v. 14.2.2017 – 32 OWi 461/16, Rn. 21 f. 6 AG Mettmann, Urt. v. 14.2.2017 – 32 OWi 461/16, Rn. 35. 14 AG Mettmann, Urt. v. 14.2.2017 – 32 OWi 461/16, Rn. 33. 7 AG Mettmann, Urt. v. 14.2.2017 – 32 OWi 461/16, Rn. 24, 15 AG Mettmann, Urt. v. 14.2.2017 – 32 OWi 461/16, Rn. 35 35. f., ausführliche Herleitung: Rn 36–43. 8 AG Mettmann, Urt. v. 14.2.2017 – 32 OWi 461/16, Rn. 25. 16 AG Mettmann, Urt. v. 14.2.2017 – 32 OWi 461/16, Rn. 36. 9 AG Mettmann, Urt. v. 14.2.2017 – 32 OWi 461/16, Rn. 26, 17 AG Mettmann, Urt. v. 14.2.2017 – 32 OWi 461/16, Rn. 37 ohne Zitation der relevanten LT-Drs., gemeint ist wohl LT- f., dort wird u.a. BGH NJW 2007, 2269 zitiert. Drs. 10/5034, S. 6. 18 AG Mettmann, Urt. v. 14.2.2017 – 32 OWi 461/16, Rn. 3 ff. ______

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AUFSÄTZE Pascal Förster

bare Rechtslage durch die Kreisordnungsbehörde angenom- Daher diene § 48 Abs. 2 S. 3 OBG NRW „ausschließlich men wurde.19 öffentlichem Interesse.“27 Deswegen verneint das OLG wie die Vorinstanz das Vor- 2. Beschluss des OLG Düsseldorf20 liegen eines Beweisverwertungsverbotes, jedoch mit dem a) Ausführungen zur Festinstalliertheit semistationärer Unterschied, dass schon die Rechtskreisbetroffenheit nicht Anlagen21 vorläge. Daher kommt es prüfungstechnisch nicht mehr zu einer Abwägung nach der Abwägungslehre. Das OLG Düsseldorf führt an, dass semistationäre Anlagen auf Mobilität und Transportabilität ausgelegt seien. Dies IV. Bewertung der Entscheidungen28 schließe eine feste Installation aus. Anders als vereinzelt durch das AG Mettmann ausgeführt, sei auch das Eigen- 1. Semistationäre Anlage als festinstallierte Anlage gewicht kein Nachweis der Festinstalliertheit wegen des Ein- a) Weite Auslegung des Tatbestandmerkmals „festinstalliert“ satzes der Hydraulik als Hilfsmittel. Ebenso führt das OLG Das Argument des OLG Düsseldorf, dass die semistationäre Düsseldorf aus, dass die verkehrsunfallpräventiv wirkende Anlage von Anfang an auf Mobilität ausgelegt sei (siehe Auffälligkeit des Messanhängers nicht zwingend die feste oben), verkennt den gefahrenstellenbezogenen Einsatz, wozu Bodenverbindung belegt. Zur Unterscheidung zum mobilen auch gehört, dass Gefahrenstellen z.T. spontan entstehen Einsatz käme es darauf an, was „von vornherein vorgesehen können oder nur vorübergehend bestehen oder auch selbst 22 ist“. mobil sein können (z.B. Wanderbaustellen). Das Merkmal der Festinstalliertheit ist daher im Kontext der Gefahrenstelle b) Ausführungen zum Beweisverwertungsverbot zu sehen. Beide Entscheidungen gehen nicht darauf ein, dass Auch die Frage des Beweisverwertungsverbotes wird vom es sich bei § 48 OBG NRW um eine gefahrenabwehrrechtli- OLG Düsseldorf behandelt.23 Anders als die Vorinstanz prüft che Regelung handelt und daher bei der Normauslegung der das OLG Düsseldorf zunächst am Maßstab der Rechtskreis- Grundsatz der Effektivität der Gefahrenabwehr zu berück- theorie, ob ein Beweisverwertungsverbot vorliegt, bevor es sichtigen ist. Der parlamentarische Gesetzgeber hat bei der zu einer Prüfung am Maßstab der Abwägungslehre kommt. gezielten Zuständigkeitserweiterung von § 48 Abs. 2 S. 3 die Dabei sei das Vorliegen eines Beweisverwertungsverbots personelle Entlastung der Polizei und die Erhöhung der Ver- davon abhängig, in wessen Interesse die verletzte Norm läge. kehrssicherheit beabsichtigt, was für eine weite Auslegung Einer Abwägung bedürfe es dann schon gar nicht mehr, wenn der Norm spricht.29 die Norm im öffentlichen Interesse läge.24 Aus den Gesetz- Auch die Formulierung des OLG Düsseldorf, dass es auf gebungsunterlagen zu § 48 Abs. 2 S. 3 OBG NRW folgert der Hand läge und keiner weiteren Begründung bedürfe, dass das OLG Düsseldorf, dass die Norm ausschließlich öffentli- das Außengehäuse keine festinstallierte Anlage sei30, ist zu- chem Interesse diene, da es Ziel der Gesetzesänderungen war, nächst nur eine bloße Feststellung. Die Diskussionswürdig- die Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit als keit erfolgt allein schon daraus, dass die Rechtsprechung des Hauptunfallursache zumindest an Gefahrenstellen durch AG Mettmann in dieser Frage nicht einheitlich gewesen ist. Kontrollintensitätserhöhung zu reduzieren und hierfür man- Denn in der Vergangenheit ist das AG Mettmann in anderen gels Personalverfügbarkeit bei der Polizei die Kreise heran- Verfahren zu semistationären Anlagen vereinzelt auch der zuziehen.25 Die technische Beschränkung auf festinstallierte Auffassung der Kreisordnungsbehörde gefolgt.31 Dies war Anlagen solle ineffektive Kompetenzüberschneidungen ver- auch dem OLG Düsseldorf bekannt („vereinzelt vertretene meiden. Die Polizei hätte auch selbst messen können.26 Ansicht in der Rechtsprechung des AG Mettmann“).32

b) Technische Brückenfunktion und faktische Einsatzsituation Beide Entscheidungen berücksichtigen nicht die Brücken- 19 AG Mettmann, Urt. v. 14.2.2017 – 32 OWi 461/16, Rn. 41 f. funktion der semistationären Anlagen als Technik, welche die 20 Die Entscheidung des OLG Düsseldorf ist über NRWE Vorteile der mobilen und stationären Technik verknüpft. Es online verfügbar unter verwundert nicht, dass sich eine neue Technik daher nur http://www.justiz.nrw.de/nrwe/olgs/duesseldorf/j2017/IV_3_ schwer in bestehende rechtliche Alternativen (mobil oder RBs_167_17_Beschluss_20170807.html (6.3.2018). 21 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 7.8.2017 – IV-3 RBs 167/17, Rn. 7–10, im Wesentlichen aber nur Rn. 9. 27 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 7.8.2017 – IV-3 RBs 167/17, 22 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 7.8.2017 – IV-3 RBs 167/17, Rn. 13, 16. Rn. 9. 28 Zur ausführlichen Behandlung der Entscheidung des AG 23 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 7.8.2017 – IV-3 RBs 167/17, Mettmann mit weiteren Argumenten für eine weite Ausle- Rn. 11–18. gung Poretschkin/Förster, BRJ 2017, 132 ff. 24 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 7.8.2017 – IV-3 RBs 167/17, 29 NRW LT-Drs 11/7599, S. 5 f.; Vorlage 11/3493, S. 2. Rn. 12, 18, dort wird u.a. BGHSt 11, 213 (215) zitiert. 30 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 7.8.2017 – IV-3 RBs 167/17, 25 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 7.8.2017 – IV-3 RBs 167/17, Rn. 9. Rn. 13–15, mit Verweis auf LT-Drs. 11/7599 und 10/5034. 31 AG Mettmann, Urt. v. 14.2.2017 – 32 OWi 461/16, Rn. 42. 26 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 7.8.2017 – IV-3 RBs 167/17, 32 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 7.8.2017 – IV-3 RBs 167/17, Rn. 16 f. Rn. 9. ______

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Semistationäre Geschwindigkeitsüberwachung ÖFFENTLICHES RECHT

stationär) einfügt. Denkbar wäre es, eine Hilfskonstruktion zu Einsatz von semistationären Geschwindigkeitsmessanlagen.33 bilden: Faktisch ist die semistationäre Anlage wegen der Weiterhin verbleibt den Kreisordnungsbehörden die Mög- vorgesehenen Entfernbarkeit eher als mobile Anlage einzu- lichkeit, stationäre Messanlagen an Gefahrenstellen auf Bun- ordnen, aber rechtlich als festinstallierte Anlage wegen der desautobahnen aufzustellen. Hierzu tendiert auch der Kreis konkreten Einsatzsituation zu behandeln. Diese Einsatzsitua- Mettmann als Lösungsstrategie.34 Lediglich die neuere tech- tion beinhaltet, dass die semistationäre Anlage längere Zeit nische Entwicklung kann hierzu durch die Kreisordnungsbe- mit großem Gewicht flach auf dem Boden stehend wie ein hörde nicht eingesetzt werden. Ebenso können Gefahren- Baukörper ohne Personal Messungen durchführt, was in einer stellen durch straßenbauliche Maßnahmen und verhaltens- typisierenden Betrachtung wie ein „Starenkasten“ und nicht bezogene Prävention entschärft werden, um die Verkehrs- wie ein „Polizist mit Laserpistole“ einzuordnen ist. sicherheit an Gefahrenstellen auf Bundesautobahnen zu erhö- hen. c) Zwischenergebnis Zudem kann die Landespolizei wie bisher auch in eigener Es wäre wünschenswert gewesen, wenn das OLG Düsseldorf Zuständigkeit (§ 12 Abs. 1 und 2 POG NRW) mobile Ge- ausführlich zu allen Argumenten des AG Mettmann Stellung schwindigkeitskontrollen (Police-Pilot-Verfahren) und Ge- bezogen und nicht nur partiell einzelne Argumente aufgegrif- schwindigkeitskontrollen mit mobiler Messtechnik durchfüh- fen hätte, um die Diskussion vollends zu erfassen und ohne ren. Bei Geschwindigkeitskontrollen mit mobiler Messtech- weiteren Diskussionsbedarf abzuschließen. Dies entspricht nik können durch die Landespolizei auch semistationäre An- jedoch wohl nicht dem Charakter des Rechtsbeschwerde- lagen eingesetzt werden, sofern man den o.g. Entscheidungen verfahrens. Dadurch bleiben aber einzelne Rechtfragen (z.B. folgend semistationäre Anlagen als mobile Anlagen ansieht. Bedeutung Baumusterprüfbescheinigung, notwendige Einsatz- Sofern die Polizei und Kreisordnungsbehörden ihre jeweili- dauer, etc.) offen. gen Kontrollmöglichkeiten konsequent nutzen, drohen keine Kontrolldefizite. 2. Rechtsklarheit, Orientierungswirkung und Rechtsfolgen- betrachtung Die geschaffene Rechtklarheit für den Rechtsanwender ist zu begrüßen. Dadurch werden zudem divergierende Entschei- dungen anderer Amtsgerichte vermieden. Zudem schafft die Entscheidung eine Orientierungswirkung für die beiden ande- ren Oberlandesgerichte Köln und Hamm. Bedeutsam wird die Argumentation in den o.g. Entscheidungen ebenfalls für die Verwaltungsgerichtsbarkeit bei ordnungsrechtlichen Verfah- ren, z. B. über die Zulässigkeit der Geschwindigkeitskontrol- le durch die Kreisordnungsbehörden im Rahmen von Fest- stellungsklagen oder Unterlassungsklagen als Unterfall der nicht ausdrücklich geregelten, aber in § 43 Abs. 2 S. 1 VwGO vorgesehenen Leistungsklage. Der Kreis muss keine Rückerstattung leisten, was zwar den klagenden Betroffenen schwer vermittelbar sein wird, aber dem Anliegen der Verkehrssicherheit durch die bestehenbleibende Sanktions- wirkung dient.

V. Schlussfolgerungen Nach der übereinstimmenden Rechtsprechung des AG Mett- mann und des OLG Düsseldorf stellen semistationäre Anla- 33 AG Mettmann, Urt. v. 14.2.2017 – 32 OWi 461/16, gen im Ergebnis eine mobile Anlage dar, zumindest sind Rn. 11–22. semistationäre Anlagen als mobile Anlagen anzusehen. Die 34 Kreis Mettmann, Pressemitteilung v. 17.8.2017, online mobile Geschwindigkeitsüberwachung auf Bundesautobah- abrufbar über das Archiv der Pressemitteilungen des Kreises nen bleibt jedoch nach geltender Rechtslage unstreitig der Mettmann: Hierbei hebt der Kreis Mettmann den Erfolg der Polizei vorbehalten. Daraus folgt, dass künftig die semistati- Maßnahme hinsichtlich der Verkehrsunfallreduzierung (Un- onäre Geschwindigkeitsüberwachung auf Bundesautobahnen fallhäufigkeit: 15 % weniger Unfälle; Unfallschwere, 80 % durch die Kreisordnungsbehörden an Gefahrenstellen nicht weniger schwerverletzte Personen sowie 67 % weniger leicht- mehr mit der Rechtsprechung vereinbar ist. Daher ist von verletzte Personen im Vergleichszeitraum) hervor; unter dem Einsatz semistationärer Geschwindigkeitsmessanlagen https://www.kreis-mettmann.de/Kreis-Politik/Presse- abzusehen. Die Zuständigkeit der (Kreis-) Ordnungsbehörden Kommunikation/Pressemitteilungen/Archiv- auf anderen Straßen außer Bundesautobahnen bleibt unbe- Pressemittelungen-Kreis-Mettmann/Gericht- rührt. Auch bestehen – jedenfalls nicht auf Grundlage der o.g. best%C3%A4tigt-Bu%C3%9Fgeldbescheide-des- Entscheidungen – keine grundsätzlichen Bedenken gegen den Kreises.php?object=tx,2.1.1&ModID=7&FID=2023.4290. 1&sNavID=2023.663&mNavID=2023.66 (6.3.2018). ______

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