GEORGE STUBBS 1 7 2 4 —1 8 0 6

GEORGE STUBBS 1724 —1806 DIE SCHÖNHEIT DER TIERE | VON DER WISSENSCHAFT ZUR KUNST

Herausgegeben von Herbert W. Rott

Mit Beiträgen von Brian Allen, Werner Busch, Tim Clayton, Sophie Goldhagen, Oliver Kase, Martin Myrone, Herbert W. Rott und Francis Russell

PRESTEL BAYERISCHE STAATSGEMÄLDESAMMLUNGEN MÜNCHEN • • NEW YORK MÜNCHEN • NEUE PINAKOTHEK VORWORT

ESSAYS

8 Martin Myrone George Stubbs – Zwischen Markt, Natur und Kunst

22 Werner Busch Stubbs’ Ästhetik

42 Oliver Kase »Make the Knife go with the Pencil« –Wissenschaft und Kunst in George Stubbs’ ›Anatomy of the Horse‹

60 Tim Clayton Stubbs und die Druckgrafik

78 Francis Russell Stubbs und seine Auftraggeber

88 Brian Allen George Stubbs’ wechselvoller Nachruhm – Eine Rezeptionsgeschichte 1806–2012

94 Herbert W. Rott Einige deutsche Sammler britischer Kunst um 1800 KATALOG

104 THE ANATOMY OF THE HORSE

120 G E M Ä L D E

194 RADIERUNGEN

210 REPRODUKTIONSGRAFIK

ANHANG

234 George Stubbs — Daten zu Leben und Werk

237 Bibliografie

239 Leihgeber Klaus Schrenk

VORWORT

Es mag ungewöhnlich erscheinen, einen Maler wie George Stubbs Evolution im Sinne des Fortschritts glaubens der Aufklärung. Diese einem deutschen Publikum vorzustellen. Er gehört hierzulande Bilder zeigen aber auch die neuen Ideale von Schnelligkeit und Ele- nicht zu jenen Künstlern, deren Name allein Garant für hohe Be - ganz, Selbstbewusstsein und Modernität als äußerem Ausdruck des sucherzahlen und besondere öffentliche Aufmerksamkeit ist. Als Erfolgs und des hohen Selbstwertgefühls der britischen Gesellschaft Schöpfer von außergewöhnlichen Pferdeporträts ist er bei Kunst- in einer Epoche, in der England mit dem neuen Ideal einer natur- und Tierliebhabern zumindest bekannt. Dass er aber zu den heraus- nahen Kunst bald geschmacksbildend auf ganz Europa wirkte. ragenden Künstlern seiner Epoche gehört, ist hierzulande erst noch Ebenso einzigartig ist die Fundierung der Stubbs’schen Kunst zu entdecken. Diese Ausstellung und der hier vorgelegte Katalog sol- in einem Empirismus, wie er im . Jahrhundert in keinem anderen len dazu Gelegenheit geben. Land ausgeprägter zu finden war als in England. Die unmittelbare Die Neue Pinakothek beherbergt eine der bedeutendsten Betrachtung der Natur war die Grundlage für die Entstehung von Sammlungen britischer Malerei des . und . Jahrhunderts auf Bildern, die Anschauung war die Richtschnur für den Erkenntnis- dem europäischen Kontinent. Die Anfänge dieser Sammlung liegen prozess. Stubbs ist, um diese Erfahrung zu gewinnen, weiter ge - in der Zeit um , als die ersten Bilder von den britischen Inseln gangen als nahezu jeder andere Künstler vor oder nach ihm. Die nach München gelangt sind. Dazu gehörte auch der Spanish Pointer Vorstellung, wie er für seinen Traktat The Anatomy of the Horse in von George Stubbs, vielleicht überhaupt das erste Gemälde des einsa mer Abgeschiedenheit eigenhändig Tiere getötet, seziert und Künstlers, das Großbritannien verlassen hat. Noch heute ist es eines gezeichnet hat, mag heutigen Betrachtern seiner Werke schauerlich der wenigen seiner Werke auf dem Kontinent und das einzige Bild erscheinen. Doch offenbart dieses Vorgehen einen unbedingten Wil- in einem deutschen Museum. Um  und dann vor allem in den len zur Wahrheit, zur eigenen durchdringenden Anschauung, der er und er Jahren wurde die Sammlung britischer Malerei charakteristisch für seine künstlerische Haltung ist. Dass er die dabei in München beträchtlich erweitert, sodass heute fast alle heraus - gewonnen Erkenntnisse in sorgsam komponierte, ausgesprochen äs- ragenden Künstler der Epoche von Hogarth über Reynolds und thetische Bilder umgesetzt hat, kennzeichnet seinen künstlerischen Gains borough bis zu Lawrence, Constable und Turner mit teilweise Rang. Selten sind in der Geschichte der europäischen Kunst Empirie bedeutenden Werken vertreten sind. So bietet diese historisch ge- und Ästhetik eine so enge Verbindung eingegangen wie im Werk wachsene Sammlung die Folie, vor der das Werk dieses außer - dieses Künstlers. gewöhnlichen Individualisten entfaltet werden kann. Die Beiträge dieses Katalogs beleuchten diese Zusammen- Die Bilder von George Stubbs zeigen unverkennbar eine spe- hänge aus unterschiedlichen Blickwinkeln. Martin Myrone resü- zifisch britische Lebenswelt: Pferde und Jagdhunde, die Themen der miert die ungewöhnliche Karriere des zunächst erfolgreichen, später ›Sporting Art‹ reflektieren die Interessen und das Lebensgefühl der vergessenen Künstlers vor dem Hintergrund der Gegebenheiten des britischen Oberschicht des . Jahrhunderts, die das naturnahe Leben Kunstmarktes in England, der sich nach der Mitte des . Jahrhun- auf ihren Landgütern als Gegenentwurf zur städtischen Zivilisation derts mit beträchtlicher Dynamik entwickelte. Werner Busch um- kultiviert und verfeinert hat. Tiere spielten dabei eine wichtige Rolle, reißt mit Naturwahrheit und Kunstanspruch die beiden Pole, zwi- insbesondere Pferde, deren Zucht und Pflege Leidenschaft, Wissen- schen denen Stubbs sein Œuvre zu verorten suchte. Oliver Kase schaft und Spiel zugleich waren. Das Englische Rasse vollblut, dessen analysiert eindringlich die besondere Stellung, die der Traktat zur bedeutendste Vertreter Stubbs in meisterhaften Porträts festgehalten Pferdeanatomie unter den frühneuzeitlichen Anatomiepublikatio- hat, steht für beides: für die neue kommerzielle Welt des Sports, des nen einnimmt – als das Werk einer auf strengster Empirie gegründe- Vergnügens, aber auch für die Wei ter entwicklung der Natur durch ten Ästhetik. Tim Clayton behandelt mit der Druckgrafik einen we-

6 sentlichen Aspekt des Werkes von George Stubbs, zählen doch seine res Zeichen kollegialer Zusammenarbeit, dass auch Hauptwerke aus Radierungen zum Schönsten, was auf diesem Gebiet im England dem Besitz jenes Sammlers in der Ausstellung gezeigt werden kön- des . Jahrhunderts entstanden ist. Francis Russell beleuchtet das nen, der wie kein anderer für die Wiederentdeckung George Stubbs’ dichte Geflecht von Beziehungen und persönlichen Verhältnissen, im . Jahrhundert steht: Paul Mellon, dessen Sammlung britischer das die Auftraggeber des Künstlers untereinander verband. Brian Kunst im Yale Center for British Art in New Haven beheimatet ist. Allen berichtet über die wechselhafte Reputation des Künstlers, die Guter Wille und Entschlossenheit auf Münchner Seite hätten bei Stubbs größeren Schwankungen unterworfen war als bei jedem allein nicht ausgereicht, um die Ausstellung möglich zu machen. anderen britischen Künstler seines Formats. Herbert Rott schließlich Entscheidend war die Unterstützung britischer Kollegen, die mit Rat blickt auf die Verbindungen zwischen Deutschland und England im und Tat behilflich waren. Judy Egerton, die beste Kennerin des Wer- späten . Jahrhundert, als in Deutschland die ersten Sammlungen kes von George Stubbs und Autorin des bewunderungswürdigen britischer Kunst entstanden. Allen Autoren sei für ihre Beiträge ge- Werkverzeichnisses, hat das Vorhaben von Anfang an mit Enthusi- dankt, die diesen außergewöhnlichen Künstler erstmals einem deut- asmus und Herzenswärme unterstützt. Leider war sie aus gesund- schen Publikum nahebringen. heitlichen Gründen nicht in der Lage, sich mit Beiträgen an Katalog Anlass des vorliegenden Bandes ist die Ausstellung mit Zeich- und Ausstellung so zu beteiligen, wie sie es sich und wir es uns ge- nungen, Grafiken und Gemälden von George Stubbs in der Neuen wünscht hätten. Ihre Ermutigung und spontaner Zuspruch und ihr Pinakothek. Dass dies möglich geworden ist, verdanken wir allein Rat aber haben das Projekt entscheidend gefördert. Ebenso entschei- der Bereitschaft der Leihgeber, uns ihre kostbaren Werke auf Zeit zu dende Hilfe hat Francis Russell geleistet, indem er Kontakte zu Leih- überlassen. Die großen britischen Museen und Sammlungen, die gebern hergestellt, Türen geöffnet und jederzeit als Ratgeber und Royal Collection, die National Gallery, das und die Gesprächspartner zur Verfügung gestanden hat. Nicholas Penny hat Tate in London wie auch die National Gallery of Scotland haben unerlässliche Hilfestellung geboten, wie auch David Moore-Gwyn sich unserem Vorhaben gegenüber von Beginn an aufgeschlossen und Emmeline Hallmark bei der Vermittlung von Leihgaben behilf- und hilfsbereit gezeigt. Die Manchester Art Gallery leiht mit dem lich waren. Allen diesen Kolleginnen und Kollegen sind wir für die großartigen Cheetah and Stag eines der Hauptwerke des Museums gute Zusammenarbeit von Herzen dankbar. Ein besonderes Wort nach München. Dass die empirischen Grundlagen und die wissen- des Dankes gilt Sir Ronald Grierson für seine Unterstützung bei der schaftliche Komponente der Kunst von George Stubbs veranschau- Vorbereitung der Ausstellung. licht werden kann, verdanken wir der Kooperationsbereitschaft der Mit großer Überzeugungskraft hat Herbert Rott als Initiator Royal Academy in London, die eine Auswahl der dort aufbewahrten und verantwortlicher Kurator der Ausstellung dieses Projekt voran- Anatomiezeichnungen leiht, und auch den bedeutenden naturwis- getrieben, erstmals Kunstwerke von George Stubbs für eine Präsen- senschaftlichen Sammlungen der Brüder William und John Hunter tation in einem deutschen Museum zusammenzuführen. Dank der in Glasgow und in London, für die Stubbs Porträts exotischer Tiere generösen Unterstützung durch die Leihgeberinnen und Leihgeber gemalt hat. Den Aspekt des zeitgenössischen Sammelns englischer ist es ihm gelungen, ein exzellentes Konzept in eine großartige Drucke in Deutschland dokumentieren die Reproduktionsgrafiken Ausstellung zu verwandeln. Für seine intensive Arbeit in den zu- nach Stubbs, die aus den Kabinetten in Aschaffenburg, Coburg und rückliegenden Monaten und sein nicht nachlassendes Engagement Nürnberg geliehen werden konnten. bei der Realisierung dieses ambitionierten Vorhabens gilt Herbert Viele der schönsten und bedeutendsten Bilder von George Rott mein großer Dank und meine vorbehaltlose Anerkennung. Stubbs befinden sich nach wie vor im Besitz der Nachkommen der Unterstützt wurde er durch eine junge Kollegin, Sophie Goldhagen, Sammler und Auftraggeber, die die Bilder vor mehr als zwei Jahr- die bei der Vorbereitung von Katalog und Ausstellung Erstaunliches hunderten bei Stubbs erworben haben. Und so war es eine entschei- geleis tet hat. dende Voraussetzung für das Gelingen unseres Vorhabens, dass etwa Dass der Katalog diese schöne Form angenommen hat, ver- die Bilder, die Stubbs für Lord Rockingham und für den Duke of danken wir dem Prestel Verlag, insbesondere der unermüdlichen Rutland gemalt hat, für die Ausstellung zur Verfügung gestellt wur- und präzisen Arbeit der Projektleiterin Anja Besserer. Es ist der Ini- den. Insbesondere Lady Juliet Tadgell sei für dieses Entgegenkom- tiative des Verlags zu danken, dass parallel zur deutschen auch eine men sehr gedankt, ebenso den Besitzern der kostbaren, selten oder englische Ausgabe des Katalogs vorgelegt werden kann. Rachel King bislang gar nicht öffentlich gezeigten Bilder, die aus Belvoir Castle ist dabei für ihren Einsatz zugunsten der englischen Übersetzungen in Leicestershire, Grimsthorpe Castle in Lincolnshire, Mount Stuart zu danken. Dass das Paul Mellon Centre for Studies in British Art in Schottland, Bodrhyddan Hall in North Wales oder Squerryes einen Zuschuss für die Kosten der Abbildungen gewährt hat, sei ab- Court in Kent nach München gereist sind. Zuletzt ist es ein besonde- schließend mit Dankbarkeit vermerkt.

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Martin Myrone

GEORGE STUBBS ZWISCHEN MARKT, NATUR UND KUNST

George Stubbs zählt zu den wenigen britischen Künstlern des . treter der ›Sporting Art‹ des . Jahrhunderts, ja der Kunstgeschichte Jahrhunderts, dessen Name auch außerhalb der englischsprachigen überhaupt anerkannt. Die Vorrangstellung in diesem Genre ist je- Welt ein Begriff ist. Neben Werken von William Hogarth (‒ doch an eine zweite künstlerische Leistung geknüpft: Stubbs wird ), (‒), (‒ vor allem als vorurteilsloser, klarsichtiger Beobachter der Natur ge- ) und vielleicht noch (‒) und Joseph schätzt. Wie Werner Busch in seinem Beitrag darlegt, scheint gerade Wright of Derby (‒) haben auch einige der bedeutendsten die Nüchternheit und Klarheit, mit der Stubbs die Phänomene der Gemälde von Stubbs den Status von ›Ikonen‹ erlangt. Die Versteige- Natur behandelt, zu einem künstlerischen Ansatz jenseits von ästhe- rung eines seiner berühmtesten Pferdeporträts, Gimcrack on Newmar- tischen Kategorien zu führen. So gilt Stubbs neben Joseph Wright ket Heath, für den Rekordpreis von mehr als  Millionen Pfund im of Derby als einer der bedeutendsten Vertreter des großen Projekts Juli  bestätigte seinen Stellenwert, zumindest in den Kreisen der Aufklärung im Bereich der bildenden Kunst – jenem Streben des wohlhabender Sammler. Gemälde wie dieses wurden immer wieder . Jahrhunderts hin zu Vernunft, Empirie und politischer Freiheit. reproduziert und diskutiert, nicht nur als Hauptwerke dieses einen Wrights berühmte Darstellungen wissenschaftlicher Experimente Künstlers, sondern ebenso sehr als bildmächtige Vergegenwärtigung und frühindustrieller Lebenswelten markieren eine entschiedene der Werte einer ganzen Epoche. Während Hogarths handfeste mo- Hinwendung zu zeitgenössischen, modernen Themen und eine po- ralische Bilderfolgen und Porträts seiner Zeitgenossen ein lebendiges sitive Haltung gegenüber der Zukunft. Stubbs’ große anatomische Bild der Londoner Gesellschaft im frühen . Jahrhundert zu vermit- Projekte und Gemälde wie Whistlejacket scheinen mit ihrer sachlich teln scheinen, sieht man in den prachtvollen Porträts von Reynolds, präzisen und zugleich monumentalen Schau der Natur auf vergleich- Gainsborough und Romney das schmeichelhafte Spiegelbild der bare Weise einen neuen Blick auf die Welt zu bieten. High Society der Epoche. Gleichzeitig bieten Gainsboroughs Bilder Beide Sichtweisen der Stubbs’schen Kunst – die eine, die seine von Bauern in lichtdurchfluteten englischen Landschaften aber auch Fähigkeit betont, eine verlockende, seinen Auftraggebern schmei- einen anderen Blick auf Großbritannien, einen Blick auf ländlichen chelnde Vision des britischen Landlebens zu entwickeln, und die an- Wohlstand und die überwältigende Schönheit der Natur. Stubbs’ dere, die ihn als Künstler von heldenhaft unbeirrbarem und von Tra- Bilder wurden traditionell einer ähnlichen Kategorie zugeordnet, ditionen unbelastetem Verstand ausweist – haben manches für sich. geben sie doch Einblicke in die exklusive Welt des Pferderennsports. Doch beide sind nicht unangreifbar. Das Konzept der Aufklärung Sein unbefangener Blick auf Pferde, Pfleger und Jockeys, auf edle hat durch die neuere Forschung an Komplexität gewonnen: Was als Tiere und exotische Wildtiere wird oft gleichgesetzt mit den drei monolithische Bewegung hin zum modernen Rationalismus galt, er- größten Leidenschaften der britischen Oberschicht: Hunde, Pferde weist sich inzwischen als komplexes und facettenreiches Phänomen und ›Rural Sports‹. mit vielfältigen lokalen Ausprägungen in ganz Europa. Es gab eine Wie bei allen großen Künstlern wurde auch das Œuvre von schottische und eine englische, es gab eine französische Aufklärung, George Stubbs aus unterschiedlichen Perspektiven wissenschaftlich und jede hatte ihren eigenen Charakter; ein allgemein gültiges Mo- untersucht und kritisch beleuchtet. Die Schlüsse, die man aus der dell existiert nicht. Historiker bezweifeln inzwischen auch, dass der Beschäftigung mit seinen Werken gezogen hat, sind so unterschied- Rationalismus, dem jede Form von Aufklärung verpflichtet war, aus- lich wie widersprüchlich. Seit langem ist er als der bedeutendste Ver- schließlich positiv besetzt war, hatte das Streben nach wissenschaft-

9 Martin Myrone | ZWISCHEN MARKT, NATUR UND KUNST

licher Erkenntnis und Vernunft doch auch seine dunklen Seiten. Für trätmaler zu profilieren und lebte einige Zeit in Wigan und Leeds. Stubbs als dem vermeintlichen Exponenten des Mythos einer ge- Danach ging er für einige Jahre nach York. Am dortigen Kranken- nuin britischen Identität aber bedeutet dies, dass genau jene Motive, haus betrieb er anatomische Studien und stieg in kurzer Zeit zum die einst vielleicht ein goldenes Zeitalter des Friedens, der Ruhe und Lehrer für Anatomie auf, was aus heutiger Sicht beunruhigend er- der einfachen Vergnügungen repräsentierten, heute umstrittener sind scheinen mag, war Stubbs doch gerade erst Anfang . Von Dr. John denn je. Ländliche Besitzrechte und das als ›Blood Sports‹ bezeich- Burton, der Geburtshelfer am York Hospital war, erhielt er den Auf- nete Quälen und Töten von Tieren zum sportlichen Vergnügen trag, die Illustrationen für dessen Traktat An Essay Towards a Complete haben sich zu erbittert umkämpften politischen Themen entwickelt. New System of Midwifery zu stechen, der  erschienen ist. Die Angesichts dieser Widersprüche in Stubbs’ Werk neigt die For- Tafeln sind technisch unausgereift (vgl. S. , Abb. ). Stubbs hatte schung dazu, die Einzigartigkeit des Künstlers zu betonen und die keinerlei druckgrafische Erfahrung, und auch nachdem ein Haus - bestimmende Kraft seiner Kunst in seiner Persönlichkeit zu suchen. maler aus Leeds ihm die Grundlagen des Radierens beigebracht Judy Egerton, als Autorin des grundlegenden Werkverzeichnisses hatte, fehlte ihm das passende Werkzeug. Anstelle einer professionel- und führende Stubbs-Expertin in diesem Katalog nicht ohne Grund len Radiernadel soll er eine haushaltsübliche Nähnadel verwendet häufig zitiert, kommt zu dem Schluss, die größte Qualität des Ma- haben. Die geätzten Platten überarbeitete er mit Werkzeugen, die er lers habe darin bestanden, dass er seinen eigenen Neigungen gefolgt sich bei einem örtlichen Uhrmacher lieh. und, unbeeinflusst von den vorherrschenden Moden und ökonomi- An diesen ersten datierten Arbeiten von Stubbs ist zweierlei schen Interessen, seinen Themen treu geblieben sei.1 Diese Einsicht bemerkenswert: Zum einen zeigen sie uns einen Künstler, der un- lässt uns den besonderen Charakter des Werdegangs von George mittelbar in die wissenschaftliche Forschung seiner Zeit involviert Stubbs besser verstehen, zumindest in streng biografischer Hinsicht. ist; zum anderen erinnern sie an die dunkle, schauerliche Seite der Doch wie die Essays in diesem Band belegen, kann Stubbs’ Kunst Naturwissenschaften im . Jahrhundert, an die umstrittenen und keinesfalls unabhängig von den gesellschaftlichen Verhältnissen und kommerziellen Aspekte damaliger wissenschaftlicher Publikationen. der theoretischen Diskussion seiner Zeit betrachtet werden. Wären sie nicht mit dem Namen Stubbs verbunden, würden wir die kleinen und etwas unbeholfen ausgeführten Tafeln in Burtons Essay heute wohl als hastig hergestellte Produkte aus der Welt der kom- BESCHEIDENE ANFÄNGE merzialisierten (und nicht selten ausbeuterischen) medizinischen Forschung des . Jahrhunderts abtun; kaum würden wir in ihnen Der Vater des Künstlers, John Stubbs, war in Liverpool als selbststän- die eindringlichen Visualisierungen natürlicher Sachverhalte erken- diger Handwerker in der Lederverarbeitung tätig. Stubbs selbst war nen, als die sie heute gelegentlich beschrieben werden. im wesentlichen Autodidakt. Nur für eine kurze Zeit – wohl nur we- Im Jahr  oder  zog Stubbs, der »unentwegt Porträts nige Wochen – arbeitete er  bei dem lokalen Maler Hamlet malte und Leichen sezierte«,3 erneut um, diesmal nach Hull. Dem Winstanley und kopierte in Knowsley Hall bei Liverpool Altmeister- folgte  ein kurzer Aufenthalt in Italien. Für ambitionierte Künst- gemälde. So kam er mit einem wenig bedeutenden Segment des ler war die Italienreise zunehmend unverzichtbar geworden, einer- Kunstmarktes in Berührung: Winstanley war Porträtmaler in der eng- seits um sich künstlerisch weiterzubilden, mehr aber noch um in lischen Provinz und versah daneben die Aufgaben eines Hofmalers Kontakt zu den adligen Reisenden zu kommen, die auf ihrer Grand für den . Earl of Derby in Knowsley Hall. Auch wenn biografische Tour Italien und hier vor allem Rom besuchten. Dass ein Aufenthalt Berichte von einer früh nach Höherem strebenden Leidenschaft für in Italien der Karriere eines Künstlers eine neue Richtung geben die Kunst wissen wollen, folgte Stubbs in seinen ersten Jahren doch konnte, belegen zahlreiche Beispiele. Besonders spektakulär verlief eher einer Laufbahn nach Winstanleys Vorbild; er lief Gefahr, wie die Verwandlung im Fall von Joshua Reynolds. Er verließ England dieser als ein Provinzmaler zu enden, als der er heute längst vergessen  als vielversprechender junger Porträtmaler mit vorwiegend pro- wäre. Wir wissen, dass Stubbs nach der möglicherweise im Streit er- vinziellem Hintergrund und kehrte  als Mitglied eines einfluss- folgten Trennung von Winstanley einige Jahre in Liverpool ver- reichen Netzwerks von Künstlern und Auftraggebern und mit neuen brachte, zeichnete und Anatomiestudien betrieb. Laut Humphrys Ideen aus Italien zurück, sodass er während der folgenden drei Jahr- Memoir hatte er die Absicht, sich auf dem Gebiet der Historien- und zehnte die Entwicklung der britischen Kunst maßgeblich bestim- Bildnismalerei weiterzubilden.2 Er versuchte sich zunächst als Por- men konnte.

10 George Stubbs gehörte wie Reynolds, der Bildhauer Joseph ren zum Konservieren und Aufhängen der Pferdekörper, das Ozias Wilton (‒), der Architekt William Chambers (‒) Humphry, Stubbs’ Erinnerungen folgend, in allen Einzelheiten be- und der Landschaftsmaler Richard Wilson (‒) einer Gene- schrieb.5 ration britischer Künstler an, die mehr oder weniger gleichzeitig in Wie Werner Busch und Oliver Kase in ihren Beiträgen ausführ- Italien waren, um später wichtige Rollen in der sich rasch entwickeln- licher darlegen, handelte es sich in der Tat um ein singuläres Vor- den britischen Kunstszene zu übernehmen. Während die anderen haben. Der einzige Vorläufer auf diesem Gebiet war Carlo Ruinis Künstler ihren Ehrgeiz auf die  in London gegründete Royal mit relativ groben Holzschnitten bebilderte Pferdeanatomie von Academy of Arts richteten, blieb Stubbs allerdings zu dieser elitären . Sie war vielfach plagiiert und auch von den zahlreichen veteri- Institution lange Zeit auf Distanz; stattdessen schloss er sich der de- närmedizinischen Traktaten des . Jahrhunderts mit geringerem An- mokratischeren Society of Artists an, der er bis  verbunden blieb. spruch nicht übertroffen worden. Stubbs hingegen führte mit seiner Die Royal Academy und ihre Künstler vertraten eine idealisti- Anatomy of the Horse einen Grad von Sorgfalt und wissenschaftlicher sche Auffassung der Kunst, die ihre Wurzeln in der Antike und in Präzision in die Tieranatomie ein, der bis dahin allein den Studien der bildnerischen Praxis und Theorie der französischen und italieni- zur menschlichen Anatomie vorbehalten war. Sein Unternehmen schen Kunst des . Jahrhunderts hatte. Die Erfahrung einer Italien- war daher nicht nur einzigartig, sondern auch ein wenig exzentrisch reise und die Möglichkeit, dort die großen Vorbilder zu kopieren, und vor allem gefährlich. In einer Zeit ohne effektive Desinfektions- sollte den nach hohen Idealen strebenden Künstlern zu einer soli- methoden wurden Anatome häufig von Krankheiten befallen, die den Grundlage verhelfen. Stubbs’ erster Biograf legte jedoch Wert tödlich enden konnten. Stubbs aber hatte vor, sich mit der Veröf- auf die Feststellung, dass Stubbs während seines Romaufenthalts fentlichung seiner Pferdeanatomie einen Namen zu machen.  weder kopiert noch nach Antiken gezeichnet habe.4 Spätere Autoren oder  ging er mit den Zeichnungen nach London. Nachdem er äußerten Zweifel an dieser Darstellung und meinten, Stubbs müsse keinen professionellen Reproduktionsstecher finden konnte, der be- zumindest antike Skulpturen aufmerksam studiert haben. Seine Be- reit war, ein so komplexes Projekt zu übernehmen, stach er die handlung des ›Horse and Lion‹-Motivs, das er ab  in einer Reihe Zeichnungen selbst.  erschien The Anatomy of the Horse und von Gemälden, Drucken und auf Wedgwood-Porzellan variierte, wurde begeistert aufgenommen. wurde ohne Zweifel von der lebensgroßen antiken Skulpturengrup - pe inspiriert, die er im Hof des Konservatorenpalastes hatte sehen können. Reproduktionen dieser Gruppe waren indes bei den Reisen- »MR STUBBS, THE HORSE PAINTER« den der Grand Tour so beliebt, dass Stubbs mühelos auch erst später, nach seiner Rückkehr nach England, einen Stich oder eine Bronze- Der Vorstoß in das Gebiet der Pferdemalerei scheint wohlüberlegt fassung der antiken Plastik hätte sehen können. Von dieser eher aka- gewesen zu sein. Der Markt wollte erobert werden. Die Gattung war demischen Debatte abgesehen, scheint es wichtig festzuhalten, dass so weit heruntergekommen, dass der Schweizer Maler André Rou- die Italienreise so gut wie keinen Einfluss auf Stubbs’ weitere Kar- quet (‒), der von  bis  in London lebte, sich ein- riere hatte. Nicht umsonst verweist Francis Russell in seinem Beitrag drücklich über deren Zustand beklagte.6 Von den führenden Vertre- darauf, dass Stubbs in Rom offenbar keinen Kontakt zu seinen spä- tern der ›Sporting Art‹ hatte John Wootton (‒) das Genre teren Auftraggebern Lord Bolingbroke und dem . Duke of Grafton inzwischen zugunsten der Landschaftsmalerei aufgegeben; James hatte, obwohl beide sich zur selben Zeit auf ihrer Grand Tour befan- Seymour (‒) war einige Jahre zuvor verstorben. Die Bahn den; die ersten Gemälde bestellten sie erst Jahre später bei ihm. Der- war frei für Stubbs, und dank seiner langjährigen und außergewöhn- weil ging Stubbs  nach seiner Rückkehr aus Italien wieder zu- lichen Erfahrung mit anatomischen Studien gelang es ihm, der rück nach Liverpool, wo er zwei Jahre verbrachte, ohne dass seine Kunst der ›Sporting Pictures‹ neue Impulse zu geben. Karriere erkennbare Fortschritte gemacht hätte. Stubbs hatte in seinen anatomischen Zeichnungen die techni- So waren  seine Aussichten nicht viel besser als zehn Jahre sche Präzision und den geistigen Anspruch seiner ehrgeizigen Kon- zuvor. Doch dann begann Stubbs jenes Projekt, das seinen späteren zeption unter Beweis gestellt. So gelang es ihm innerhalb kürzester Ruhm begründen sollte. Gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin Zeit, eine Reihe hochrangiger Auftraggeber zu gewinnen, die auf Mary Spencer zog er sich nach Lincolnshire zurück. Innerhalb von dem Gebiet der Jagd- und Pferdemalerei nach etwas Neuem verlang-  Monaten sezierte er ein Pferd nach dem anderen, arbeitete an ten.  erhielt Stubbs den Auftrag zu drei großformatigen ›Spor- jedem von ihnen mehrere Wochen lang, machte Notizen und fertigte ting Scenes‹ für Charles Lennox, . Duke of Richmond (Abb.  –). detaillierte Zeichnungen an, die später die Grundlage einer Veröffent- Der Duke, noch keine  Jahre alt, hatte an der fortschrittlichen Lei- lichung zur Pferdeanatomie bilden sollten. Er entwickelte ein Verfah- dener Universität studiert und  die Grand Tour absolviert. Er war

11 Martin Myrone | ZWISCHEN MARKT, NATUR UND KUNST

 George Stubbs, The rd Duke of Richmond with the Charlton Hunt, um , Öl auf Leinwand, ,  , cm Trustees of the Goodwood Collection, Goodwood House, West Sussex

Mitglied der naturwissenschaftlichen Royal Society und hatte seine niens in den Siebenjährigen Krieg (‒) zu sehen, in dessen Londoner Galerie mit Abgüssen nach klassischen Skulpturen für Verlauf ein Anstieg von Nationalstolz festzustellen war. Kunststudenten zugänglich gemacht. Er gehörte einer jüngeren Ge- In den er Jahren war Stubbs weitestgehend mit ›Sporting neration von Mäzenen an, die sich vom Sammeln der üblichen Pictures‹ beschäftigt. Er arbeitete hauptsächlich für den eng vernetz - Alten Meister abwandten und stattdessen junge britische Künstler ten Zirkel von pferde- und rennsportbegeisterten adligen Grund- förderten. Als weitere wichtige Auftraggeber von Stubbs kamen unter besitzern. Zu Stubbs’ Auftraggebern gehörte aber auch ein Selfmade- anderem der . Duke of Grafton, Lord Spencer, Lord Bolingbroke man des Pferderennsports wie William Wildman, ein Fleischgroß - und Lord Rockingham hinzu. Wie Francis Russell in seinem Beitrag händler aus Smithfield, der mit Investitionen im Pferdesport zu ausführt, unterhielten diese Männer – allesamt Grundbesitzer und Geld und Ansehen gelangt war. Wildman war der erste Besitzer von Mitglieder der oppositionellen Whig-Partei – enge persönliche, mit- Gimcrack und Auftraggeber eines ersten Porträts dieses berühmten unter vertrauliche familiäre und politische Beziehungen zueinander; Hengstes. Noch vor dessen legendärem Sieg in Newmarket hatte er und sie förderten Joshua Reynolds, der für Stubbs’ Etablierung in das Pferd an Viscount Bolingbroke verkauft, der anlässlich eines wei- diesem Kreis durchaus eine wichtige Rolle gespielt haben könnte. teren Rennsieges in Newmarket im Juli  Stubbs mit einem zwei- Möglicherweise ist ihre Unterstützung eines aufstrebenden britischen ten Porträt des Pferdes beauftragte. Dieses Gimcrack-Porträt bietet Künstlers auch vor dem Hintergrund der Verwicklung Großbritan- eine weitaus größer angelegte Komposition; zugleich ist es jenes Bild,

12  George Stubbs, The Duchess of Richmond and Lady Louisa Lennox Watching Racehorses in Training at Goodwood, um , Öl auf Leinwand, ,  , cm Trustees of the Goodwood Collection, Goodwood House, West Sussex

das bei der Auktion  den erwähnten Rekorderlös erzielte. Es zeigt ererbtem Reichtum wie Bolingbroke gemalt wurden, imaginieren Gimcrack, wie er bereits trockengerieben wird, während rechts im einen Schauplatz von nahezu unterkühlter Ruhe. Wie weit dies von Bild andere Pferde auf der Rennstrecke zu sehen sind (Abb. ). der Realität entfernt war, wissen wir aus Berichten über Pferderen- Stubbs hat mit einer verhältnismäßig kleinen Zahl von Bild- nen der Zeit und von anderen ›Sporting Pictures‹. Die Rennplätze formeln gearbeitet, die er wieder und wieder mit feinen, aber be- waren überfüllte, laute und schmutzige Orte, an denen Menschen deutsamen Unterschieden variiert hat. Das ›Rubbing House‹ in aus allen sozialen Schichten sich mischten, wetteten und spielten Newmarket, ein Stallgebäude, in dem die Pferde vor und nach dem (Abb. ). Dieser gesellschaftliche Freiraum schien den besonderen Rennen gepflegt wurden, taucht in verschiedenen seiner ›Sporting Reiz des Pferderennsports auszumachen: Gentlemen führten offen Pictures‹ auf, so auch in drei Gemälden dieser Ausstellung. Es ist ein ihre Geliebten aus, verprassten ihr Geld und verfolgten Box- oder augenfälliges Indiz dafür, wie der Maler sich in Gemälden mit sehr Hahnenkämpfe, auf die sie Wetten abschlossen. Im Strudel dieses ähnlicher Funktion für sehr ähnliche Auftraggeber wiederholt hat. ausschweifenden Zeitvertreibs verschwammen, wenn auch nur teil- Stubbs’ Pferdeporträts und Bilder von den Rennplätzen, gleich ob weise und vorübergehend, die Grenzen zwischen erwachsenem und sie für einen Unternehmer wie Wildman oder für Pferdebesitzer mit kindischem Benehmen, zwischen Ober- und Unterschicht. Pierre-

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 George Stubbs, Gimcrack on Newmarket Heath, um , Öl auf Leinwand, ,  , cm Privatbesitz

Jean Grosley, der sich  für einige Wochen in England aufhielt Smithfield, die von ihrem hohem Rang und ihrer Würde (wie sie und später einen dreibändigen Reisebericht veröffentlichte, stellte die größten unter ihnen besaßen) herabstiegen und zu Taschendie- fest: »Viele vermögende Gentlemen ruinieren sich mit diesen Ver- ben wurden«.8 So war der Rennplatz eine verkehrte Welt auf Zeit: gnügungen [...]. Mit allergrößtem Erstaunen sah ich, wie sehr sich Die Reichen benahmen sich wie Gauner oder spielten wie Kinder, die Zuschauer aller Klassen für Hahnenkämpfe begeistern, die am und auch die Armen kamen zu ihrem Vergnügen. Die Rennbahn Ende doch nur ein Kinderspiel sind [...]. Bei den Rennen gibt es des . Jahrhunderts war ein Schauplatz dessen, was der einflussrei- weder Starterlisten noch Absperrungen: die Pferde laufen mitten che Kulturtheoretiker Mikhail Bakhtin als »das Karnevalistische« be- durch die Menge, die nur gerade so viel Platz macht, dass das Feld schrieb: ein Ort, an dem gesellschaftliche Normen außer Kraft ge- hindurchpasst, und es dabei mit Gesten und lauten Rufen anfeuert. setzt wurden und die Welt, zumindest für kurze Zeit, Kopf stand.9 Im Ziel hat der Sieger es schwer, sich von der Menge loszumachen, Eines der bestimmenden Merkmale der Stubbs’schen Ge- die ihn beglückwünscht und umarmt, mit einer herzlichen Leiden- mälde ist das vollständige Fehlen jeden Hinweises auf diese ›karne- schaft, die sich kaum vorstellen kann, wer sie nicht selbst gesehen valistische‹ Unordnung (vgl. Kat. Nr. ,  und ). Menschenmas - hat«.7 Schon zuvor hatte Daniel Defoe den Auflauf von hohem und sen kommen in seinen Bildern schlicht nicht vor. Stubbs entwirft niederem Adel bei den Pferderennen in Newmarket bemerkt und ein abstraktes Bild des Renngeschehens, losgelöst nicht nur von der berichtet, dass »alle so angespannt, so verbissen, so geschäftig den Realität des Pferderennens als gesellschaftlichem Ereignis, sondern spielerischen Teil des Sports verfolgten, mit ihren Einsätzen und auch abstrakt in der Verwendung einer begrenzten Palette von Bild- Wetten, dass sie mir vorkamen wie eine Horde Pferdetreiber in elementen, die er immer wieder neu arrangiert zu einer Serie ›neuer‹,

14 einander allesamt ähnlicher Kompositionen. Was uns in diesen Ge- es zwar in London, doch wurde sie bis in die er Jahre hinein mälden gegenübertritt, ist nicht die Dokumentation und das Geden- nur sehr informell betrieben. Erst der von Reynolds und anderen ken einzelner Rennen oder gar einzelner Pferde, sondern ein Lob- Künstlern angeführten Initiative gelang es, eine striktere Organisa- preis der Kunst, die imstande ist, das Bild einer höheren und jenseits tion unter königlichem Patronat einzuführen. Am Ende dieser Be- spezifischer Umstände existierenden Ordnung zu entwerfen – eine mühungen stand  die Gründung der Royal Academy. Stubbs Ansicht, der Stubbs’ Auftraggeber, als soziale Klasse einschließlich stand – wie Wright of Derby und Gainsborough – in einem distan- der (wenigen) Selfmademen des Rennsports und der reichen Erben, zierten Verhältnis zur Akademie, war gewissermaßen nur halb ein- gerne zustimmten. gebunden. Er wurde zwar  zum assoziierten und  zum Voll- In diesem Sinne haben Stubbs’ Gemälde selbst zur Neuord- mitglied gewählt, hat jedoch nie das obligatorische Probestück nung und Regulierung des Rennsports beigetragen. Um die Mitte eingereicht, das seine Mitgliedschaft formal besiegelt hätte. Bis  des . Jahrhunderts waren Pferderennen wegen ihrer Unbotmäßig- unterstützte er stattdessen die konkurrierende Society of Artists und keit und Störung der sozialen Ordnung zunehmend in die Kritik ge- demonstrierte damit eine gewisse Unabhängigkeit gegenüber den raten. Gesetze zur strengeren Überwachung der Wetten traten in elitären und exklusiven ästhetischen Prinzipien der Royal Academy. Kraft, und um  wurde der aristokratische Jockey Club als selbst Gleichwohl war Stubbs durchaus bestrebt, mit den neuen äs- gewähltes Kontrollorgan gegründet. Der Club führte das System der thetischen Anforderungen der akademischen Malerei zu konkurrie- Jockeyfarben ein und gab autorisierte Publikationen zur Dokumen- ren, insbesondere nachdem im Lauf der er Jahre die Aufträge tation von Rennen und zur Genealogie der Pferde heraus. Das aus den Reihen der pferdebegeisterten Whigs allmählich weniger Renngeschehen wurde einem Prozess der Rationalisierung unterwor- wurden. Am deutlichsten zeigt sich dies in einer Reihe von Darstel- fen, mit dem Effekt, dass die Öffentlichkeit besser und genauer in- lungen, in denen ein Löwe ein Pferd erschreckt, angreift oder ver- formiert, zugleich aber auch die Vorrangstellung des Adels unter- schlingt. Beginnend mit einem Großformat für den Marquess of mauert wurde. Ein Renntag mochte noch immer eine raue, Rockingham von  schuf Stubbs bis in die er Jahre hinein unkultivierte Angelegenheit sein, doch die Richtlinien für einen or- zahlreiche Varianten dieser gewaltsamen Begegnung zwischen den dentlichen Verlauf der Rennen selbst waren jetzt gesetzt. Mit seinen ungleichen Tieren in Form von Gemälden und Stichen (Kat. Nr. Gemälden brachte auch Stubbs (dessen Auftraggeber nicht selten –). Mit diesen Bildern zielte er auf ein Publikum, das sich erst Mitglieder im Jockey Club waren) seine Angelegenheiten in Ord- nach  mit den neu entstandenen Kunstausstellungen und dem nung. In seiner Kunst, wie auch in den gedruckten Rennaufzeich- Grafikmarkt entwickelt hatte und weit über den kleinen Kreis der nungen und -regularien, wurden die Rennpferde nach einem streng Auftraggeber für ›Sporting Pictures‹ hinausreichte. Stubbs zeigte formalisierten System klassifiziert und nobilitiert. Stubbs’ Darstellungen aus der Welt des Pferdesports bewegen sich auf einer unscharfen Linie zwischen ästhetisch verfeinerter Prä-  John Nixon, Brighton Races, , Aquarell, ,  , cm zision und deskriptiver Sachlichkeit. Je nach Blickwinkel sind es ent- New Haven, Yale Center for British Art, Paul Mellon Collection weder herausragende Bilder natürlicher Schönheit, die weit über die oft banalen Umstände ihrer Entstehung hinausweisen, oder es sind schonungslose Zergliederungen der sichtbaren Wirklichkeit. Man kann den Versuch unternehmen, zwischen diesen Positionen zu ver- mitteln, oder man schwankt zwischen ihnen hin- und her; Stubbs’ umstrittene Stellung in der Kunstgeschichte jedenfalls, die Brian Allen in seinem Katalogbeitrag beleuchtet, hat ihre Ursache in eben dieser Ambivalenz. Diese kunsthistorischen Fragen zu seinem Werk und nach der Einschätzung seiner künstlerischen Leistung hat man erst lange nach dem Tod des Künstlers zu stellen begonnen. Stubbs selbst sah sich in seiner Zeit vor sehr viel konkretere Herausforderungen gestellt. Der Kunstbetrieb war in einem sehr weitgehenden Maß formalen Regeln unterworfen. Um eine künstlerische Ausbildung zu erhalten, musste man in das Atelier eines etablierten Meisters eintreten, ent- weder in der Heimat oder auch im Ausland. Eine Zeichenschule gab

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 George Stubbs, Haymakers, , Öl auf Holz, ,  , cm London, Tate

verschiedene Fassungen des Themas bei der Society of Artists rende ›Grand Manner‹, die eng mit der Royal Academy verknüpft in den Jahren , ,  und . Die Gemälde wurden in war, so weit als möglich gemieden. Immerhin aber sind diese Werke Drucken reproduziert, das Motiv erscheint auf Keramikreliefs von dokumentiert und so müssen wir annehmen, dass Stubbs tatsächlich Wedgwood, später auch auf kunstgewerblichen Produktionen ver- bereit und imstande war, sich mit diesen Stoffen auseinanderzuset- schiedener Manufakturen. Mit dieser weiten Verbreitung war das zen. Dass es freilich offenbar nur wenige Gemälde dieser Art gab, ›Horse and Lion‹-Motiv das über lange Zeit beliebteste und popu- lässt dagegen den Schluss zu, dass er diese Versuche doch als mehr lärste seiner Sujets. oder weniger misslungen angesehen hat. Diese Werkgruppe zeigt aber auch, dass sich Stubbs durchaus dessen bewusst war, dass die Pferdemalerei mit ihrer bescheidenen Geschichte und ihrem vermeintlichen Mangel an intellektuellem NEUE TECHNIKEN UND NEUE THEMEN Gehalt im Allgemeinen wenig angesehen war. In der akademischen Kunstlehre, die mit der Gründung der Royal Academy neue Ver- Erfolgreicher waren dagegen seine Bemühungen, sein künstlerisches bindlichkeit erlangt hatte, stand die Tiermalerei auf der niedrigsten Repertoire auf das Gebiet der Darstellung exotischer Tiere auszuwei- Stufe der Künste. Stubbs versuchte also durchaus, das Image des ten. Als im . Jahrhundert die ersten Exemplare fremder Arten ›Sporting Artist‹ zu überwinden; er malte sogar eine Reihe von Sze- nach England gelangten, stieß dies auf ein ungeheueres öffentliches nen aus der klassischen Mythologie. Während davon lediglich Phae- Interesse.  kam das erste Zebra auf die Insel, es wurde in Buck- ton mit dem Sonnenwagen des Helios in Fassungen auf Leinwand und ingham House, dem späteren Buckingham Palace, zur Schau gestellt als Wedgwood-Keramik erhalten ist, wissen wir, dass Stubbs auch und danach auf eine Tournee durch das ganze Land geschickt; große Darstellungen von Herkules und Acheloos () und Herkules, Stubbs malte ein Porträt des Tieres, das er bei der Society of Artists Dejanira und der Kentaur Nessus () gemalt und ausgestellt hat, au- ausstellte (Kat. Nr. ). Als  der erste Elch aus Kanada eintraf, ßerdem ein Urteil des Herkules, das mit seinem künstlerischen Nach- bestellte der Arzt und Naturforscher William Hunter bei Stubbs ein lass versteigert wurde. Wären diese Gemälde erhalten, müssten wir Porträt des Tieres, um die Unterschiede zwischen dem kanadischen vielleicht unsere Auffassung revidieren, Stubbs habe die idealisie- und dem ausgestorbenen irischen Elch zu veranschaulichen (Kat.

16  George Stubbs, Reapers, , Öl auf Holz, ,  , cm London, Tate

Nr. ). Um Hunters Argumentation zu verdeut lichen, fügte Stubbs diese Werke zu Stubbs’ brillantesten und besterhaltenen Arbeiten das Geweih der einheimischen Spezies links unten im Bild ein. Der zählen, war das Verfahren hochriskant und führte nie zu vollauf zu- Reiz des Exotischen erfasste und verband die Welt der populären friedenstellenden Ergebnissen. Stubbs’ Vorstoß in die Druckgrafik wandernden Tierschauen, die Wissenschaften und das allgemeine und seine Entdeckung der Radierung als eigenständiges kreatives Interesse des Jägers und Naturliebhabers an solchen Dingen. Stubbs’ Medium sind, wie Tim Clayton in diesem Katalog ausführt, ein wei- Gemälde funktionierten in jedem dieser Kontexte. Unabhängig von terer Beleg für die experimentierfreudige Haltung des Künstlers. den Umständen ihrer Entstehung zeichneten sie sich durch stets die- Mit besonderer Ausdauer widmete sich Stubbs den Motiven selben Eigenschaften aus: seinen Sinn für die Besonderheiten des der Haymakers und Reapers, mit denen er das Feld der ländlichen Tieres, dessen Farbe und Textur, die körperliche Beschaffenheit; Genremalerei zu erobern hoffte.  war er mit diesen beiden Ge- seine Fähigkeit, die fremdartigen Kreaturen zu bedeutsamen Bildge- mälden in der Ausstellung der Royal Academy vertreten, nachdem genständen zu erheben und in atmosphärische Naturlandschaften er sich seit  gar nicht mehr beteiligt hatte (Abb. ‒).  zeigte einzubetten. Jedes dieser Bilder zeugt von Stubbs’ Begabung, ein er sie auf einer Ausstellung der Society for Promoting Painting and tatsächliches Abbild der Natur zu schaffen, was es nach den Maßstä- Design in Liverpool.  kündigte er zwei Stiche nach den Gemäl- ben der Zeit unmöglich machte, ihn als Künstler ernst zu nehmen. den als Teil einer Serie von Druckgrafiken an, die schließlich  Zugleich gelang es ihm aber, diese Faktizität des Naturabbilds als vi- auf den Markt kam (vgl. Kat. Nr.  und ).  ⁄ wiederholte er suelles Spektakel zu inszenieren. Die Kultur der Aufklärung mit die Motive noch einmal in Form von drei ovalen Emailgemälden ihrem Verlangen, die Dinge offenzulegen, zu bestimmen und zu (Haymakers und Haycarting befinden sich heute in der Lady Lever klassifizieren war auch eine Kultur der Kommerzialisierung. Art Gallery in Liverpool, Reapers im Yale Center for British Art in Auch Menschen hat Stubbs gelegentlich porträtiert – mit New Haven). Mit Haymakers und Reapers hoffte Stubbs ein breiteres mäßigem Erfolg, zumindest, was Josiah Wedgwood anbetrifft, einen Kunstpublikum anzusprechen, wie es sich in jenen Jahren entwi- seiner wichtigsten Auftraggeber auf diesem Gebiet. Die Verbindung ckelte. Drucke ländlicher Szenen, meist in der weichen Tonigkeit der zu Wedgwood kam zustande, als Stubbs mit Emailfarben auf Punktiermanier ausgeführt – die auch Stubbs  für die Reproduk- Wedgwood-Keramik experimentierte. Wiederholt versuchte er mit tionen der beiden Bilder verwendete –, verkauften sich hervor - beständigeren Materialien als Ölfarbe auf festeren Bildträgern als ragend. Adressat dieser Motive war insbesondere ein städtisches Leinwand zu arbeiten, zuerst mit Emailfarben auf Kupfer (Kat. Nr. Publikum, das auch die Kunstausstellungen besuchte. Den Städtern ), später mit Malereien auf Keramikplatten (Kat. Nr. ). Obwohl boten diese Motive ein mythisches und idealisiertes Bild vom Land

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als einem Ort der sicheren, beständigen Werte und eine Bestätigung zu gotisch«. Der Begriff ›gotisch‹ steht hier für eine als unzeitgemäß dafür, wie sehr doch das Landleben Herz und Seele berührte. empfundene Formalisierung, die man heute eher mit der Frührenais- Doch während die Mehrzahl der Bilder von Landarbeitern da- sance assoziieren würde. Er verweist aber auch ganz allgemein auf rauf abzielte, diese möglichst lebensnah und daher mitunter auch in die nüchterne Präzision, mit der Stubbs seine Motive in eine etwas schmutzigen und zerlumpten Kleidern darzustellen, sowohl zum trocken anmutende, sperrige Komposition gekleidet hat. Das ent- Beweis für die ›Natürlichkeit‹ der Szene als auch wegen ihrer ›male- sprach wiederum gar nicht den ästhetischen Vorgaben der Akade- rischen‹ Qualitäten, treten die Arbeiter bei Stubbs erstaunlich sauber mie, deren erklärtes Ziel eine mehr poetisch durchdrungene Auf- und ordentlich in Erscheinung. Die Männer tragen Schnallenschuhe fassung war, die den Intellekt und die schöpferische Kraft des und Kniehosen, in denen das Bücken unbequem gewesen wäre, und Künstlers reflektierte. Die ›gotische‹ Künstlichkeit dieser Darstellun- die Frauen modische Kleider. Aus zeitgenössischen Berichten wissen gen jedenfalls dürfte der Grund dafür gewesen sein, dass sie, falls wir, dass Landarbeiter oft besser gekleidet waren, als wir heute ver- sie überhaupt dafür gedacht waren, am Ende nicht markttauglich muten würden, und dass Arbeiterinnen auf dem Feld bisweilen die- waren. selbe Kleidung trugen wie bei ihren anderen Aufgaben, etwa als Die zeitgenössische Kritik an Haymakers und Reapers zeigt, Dienstmädchen, für die ein gewisses Maß an Eleganz unerlässlich dass Öffentlichkeit und Sammler nicht bereit waren, in Stubbs etwas war. Doch selbst gemessen daran erscheinen Stubbs’ Arbeiter außer- anderes als einen ›Sporting Artist‹ zu sehen. Wie Brian Allen in sei- gewöhnlich reinlich gekleidet und dürften damit kaum die sentimen- nem Beitrag zeigt, beeinflusste die Tatsache, dass Stubbs ›nur‹ als talen Reaktionen eines städtischen Publikums hervorgerufen haben, Pferdemaler eingestuft wurde, seine Rezeption bis weit in das . die mit solchen Bildern eigentlich beabsichtigt waren. Jahrhundert hinein. Der in der oben zitierten Kritik enthaltene Vor- Stattdessen hat Stubbs seine Figuren in einem festen Rhyth- wurf, Stubbs’ Gemälde wirkten unnatürlich, ist dagegen schwerer mus gruppiert. In Haymakers bilden die Arbeiter eine sorgsam kom- nachzuvollziehen, wenngleich solche Vorwürfe damals tatsächlich ponierte Pyramide, in der jede Figur eine bestimmte Rolle in einem erhoben wurden. Ein Zeitungskritiker etwa erblickte in einem  vorgegebenen Ablauf übernimmt; in Reapers formen sie eine sanfte ausgestellten Stubbs-Gemälde von Kühen »unnatürliche, kalte und Bewegung unterschiedlicher Tätigkeiten, eingebunden in eine Ku- tönerne Szenen«.10 Man neigt dazu, über derartige Äußerungen hin- lisse aus Kirchturm, berittenem Aufseher und hoch aufragenden wegzusehen oder sie als voreingenommen und unqualifiziert abzu- alten Eichen, die die wirtschaftlichen, religiösen und zeitlichen Rah- tun. Doch sollte man bedenken, dass für den ›Naturalismus‹ in der menbedingungen ihrer Existenz bezeichnen. Beide Gemälde entwer- Kunst keine universellen Normen existieren, im . Jahrhundert fen das Bild einer strengen Ordnung, die aus heutiger Sicht zu rigide ebenso wenig wie heute. Kritikern und Kommentatoren, die eine und unwirklich anmuten mag. Stubbs mag darauf gehofft haben, akademischere Definition des malerischen Realismus verfochten, dass sein städtisches Publikum in einer Zeit wachsender Probleme eines Realismus, der die Erscheinungen der Natur veredelte und zu auf dem Land die Gewissheit haben wollte, dass wenigstens die einem zeitlos vollkommenen Ideal perfektionierte, mussten Stubbs’ Landarbeiter streng diszipliniert wären. Doch er sollte sich täuschen. Gemälde mit ihrer sorgfältigen Behandlung kleinster Details und Als Haymakers und Reapers  erstmals öffentlich gezeigt ihrem Interesse an Texturen und Lichteffekten ›unnatürlich‹, ja sogar wurden, fanden die Bilder wenig Anerkennung. Der Kritiker der hässlich und verwirrend vorkommen. Morning Post vom . Mai  wies Stubbs’ Ambitionen jedenfalls scharf zurück: »Als Pferdemaler ist dieser Künstler unerreicht; was aber seine Schnitter angeht, hätte sein Ruhm keinen Schaden ge- DIE LETZTEN JAHRE nommen, hätte er sie gar nicht erst gemalt. Wie schwer ein Mann doch davon zu überzeugen ist, seinen Stärken zu folgen«. Der Kriti- Während also Stubbs von der gesellschaftlichen Elite, vom Adel ge- ker des Daily Universal Register vom . Mai  hielt Stubbs zwar fördert wurde und auch von anderen Seiten Unterstützung erfuhr zugute, dass er »zu seinen vereinigten Brüdern zurückgekehrt ist und und Anerkennung erhielt, bestanden gleichwohl weiterhin Zweifel seine feindselige Haltung aufgegeben hat«, indem er nach mehreren am Wesen seiner Kunst und den Beschränktheiten des Genres, mit Jahren wieder in der Academy ausstellte, bemerkte jedoch auch: »Die dem er am stärksten identifiziert wurde – der ›Sporting Art‹. Kritik Stärke dieses Meisters sind Tiere; den Figuren fehlt es zweifellos an und Öffentlichkeit waren nicht bereit, in Stubbs mehr zu sehen als Geschmack in der Anlage, und die Komposition erscheint insgesamt ›nur‹ einen Maler von Pferden und Hunden.

18  George Stubbs, Hambletonian, Rubbing Down, , Öl auf Leinwand,    cm Mount Stewart House and Garden, County Down, Northern Ireland (The National Trust)

Angesichts der neueren Tendenz, in Stubbs einen heroischen deutung waren dabei die Gemäldegalerien, die die Verleger John Verfechter eines aufklärerischen Naturalismus zu sehen, der sich Boydell, Robert Bowyer und Thomas Macklin gegen Ende der nicht um Geld und Konventionen scherte, überrascht seine maßgeb- er Jahre gegründet hatten. Mit den dort ausgestellten Gemälden liche Beteiligung an einem kommerziellen Projekt. Bereits im fortge- britischer Künstler mit literarischen und historischen Themen sollten schrittenen Alter hob er  gemeinsam mit seinem Sohn die Turf ebenfalls Kunden für grafische Reproduktionen der Bilder geworben Gallery aus der Taufe. Den von Judy Egerton veröffentlichten Re- werden. Obwohl die Turf Gallery wohlwollend aufgenommen wurde cherchen David Oldreys zufolge waren die Erben von Colonel und das Sporting Magazine ausführlich berichtete, scheint das öffent- Denis O’Kelly (dem Besitzer des berühmten Rennpferds Eclipse) die liche Interesse sehr begrenzt gewesen zu sein. Nach der Veröffentli- treibende Kraft hinter dem Projekt.11 In der Galerie sollten Stubbs’ chung nur einiger weniger Stiche wurde die Galerie  wieder ge- Gemälde berühmter Rennpferde gezeigt und Subskribenten für die schlossen. Laut Humphrys Memoir hatte der Krieg mit Frankreich die Drucke gewonnen werden, die George Townley Stubbs nach den Ge- Ausfuhr von Druckgrafik verhindert und so das Geschäft unrentabel mälden des Vaters anfertigen würde. Die Serie sollte  Porträts um- gemacht. Das Scheitern des Projekts könnte aber auch ein Indiz für fassen, begleitet von einer Chronik des Pferderennsports. Die Arbeit die kommerziellen Grenzen der ›Sporting Art‹ sein. Während Pfer- an der Turf Gallery nahm Stubbs sehr in Anspruch. Zwischen  desportliebhaber sich vielleicht für die Bilder interessierten, gab es und  beteiligte er sich an keiner Ausstellung der Royal Academy, unter den Kunstsammlern offenbar nicht genügend Käufer, die ein sodass das Sporting Magazine die Eröffnung der Turf Gallery in der solch ehrgeiziges Projekt zu unterstützen bereit waren. Londoner Conduit Street  als Gelegenheit pries, endlich wieder In der ersten biografischen Veröffentlichung zum Künstler von Werke von Stubbs in der Öffentlichkeit zu sehen. In den Jahren Joseph Mayer () heißt es, an Stubbs erinnere man sich, wenn zuvor hatte es mehrere ähnliche Projekte gegeben. Von größter Be- überhaupt, nur deshalb, weil sein Name auf Stichen in »alten Land-

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Rennen mit einer halben Halslänge. Sein monumentales Porträt wurde in der Royal Academy ausgestellt, stieß jedoch auf Vorbehalte (Abb.). In der Presse fand es kaum Erwähnung, und der Morning He- rald traf die für ein Stubbs-Gemälde ungewöhnliche Feststellung, die menschlichen Figuren seien besser gelungen als das Pferd, das »nur eine sehr geringe Vorstellung von seiner überlegenen Schnelligkeit vermittelt«. Aus nicht bekannten Gründen verweigerte Vane-Tempest die Zahlung des vereinbarten Honorars. Der Fall kam vor Gericht, wo George Garrard, Ozias Humphry und Thomas Lawrence zu Stubbs’ Gunsten aussagten, während und John Hoppner sich »sehr heftig gegen die Forderung« des Malers aussprachen.13 Stubbs gewann zwar den Prozess, sein Ruf aber hatte gelitten. Der Maler Joseph Farington jedenfalls notierte wenig später in seinem Tagebuch, er habe, nachdem ein potenzieller Auftraggeber ihn nach einem geeig- neten Porträtisten für sein Pferd gefragt hatte, »Garrard empfohlen, weil ich das Gefühl hatte, Stubbs könnte zu teuer werden«.14 Stubbs’ letztes großes Projekt war eine Serie von Zeichnungen nach sezierten Tigern, Hühnern und Menschen. Sie sollten als Vor-

‒ George Stubbs, A Comparative Anatomical Exposition of the Human Body with that of a Tiger and a Common Fowl, ‒  Menschlicher Körper im aufrechten Gang, Bleistift, ,  , cm  Menschliches Skelett im Kriechgang, Bleistift, ,  , cm  Skelett eines Tigers, Bleistift, ,  , cm New Haven, Yale Center for British Art, Paul Mellon Collection

gasthäusern in Yorkshire« erscheine. Kunsthistoriker kannten ihn laut Mayer damals nur als »einen Mann, der Rennpferde gemalt hat«.12 Der Welt des Jagd- und Pferdesports konnte Stubbs zeit lebens nicht entrinnen.  gab der junge und temperamentvolle Henry Vane- Tempest ein Porträt seines Pferdes in Auftrag, das kurz zuvor in Newmarket Joseph Cooksons Diamond geschlagen und damit Sir Henry einen beträchtlichen Wettgewinn gesichert hatte. Zeitgenössi- schen Berichten zufolge trieben beide Jockeys ihre Pferde mit Sporen und Gerte an, bis sie bluteten. Hambletonian gewann das brutale

20 lagen für die Tafeln einer großen Publikation zur vergleichenden die Comparative Anatomy als ein letztes Monument des aufkläreri- Anatomie dienen und »die Analogien zwischen dem menschlichen schen Glaubens an die Macht der Bilder verstehen, die uns von der Körperbau, dem eines Vierbeiners und dem eines Vogels zeigen, mit Wahrheit überzeugen soll. Stubbs’ begrenzter kommerzieller Erfolg einer genauen Beschreibung der Knochen, Knorpel, Muskeln, Seh- aber und die schon zu Lebzeiten wie auch später geäußerten Zweifel nen, Bänder &c. &c. (die er anschließend auf die Pflanzenwelt aus- an seiner künstlerischen Stellung deuten auf einen komplexeren In- dehnen wollte)«.15 Die mehr als  erhaltenen Zeichnungen und teressenskonflikt hin: die Diskrepanz zwischen seinen persönlichen vier Manuskriptbände mit Text (davon zwei in französischer Spra- künstlerischen Idealen, der Wirklichkeit der Kunstwelt und den un- che) demonstrieren die gigantischen Dimensionen des Projekts. terschiedlichen geistigen und ästhetischen Ansprüchen seiner Auf- Mensch, Tiger und Huhn sind in vergleichbaren Körperhaltungen traggeber, der einfachen Kulturkonsumenten wie den konkurrieren- dargestellt: von vorn, von der Seite und von hinten, mit und ohne den Berufsgruppen. Angesichts der Makellosigkeit seiner Gemälde Haut und bis auf das Skelett reduziert. Unklar bleibt, wie das Projekt mag es vielleicht unangemessen erscheinen, von einem ›Scheitern‹ wohl »auf die Pflanzenwelt« hätte ausgedehnt werden sollen. als Künstler zu sprechen. Doch gerade dieses ›Scheitern‹, die Fremd- Stubbs starb im Juli , ohne die Comparative Anatomy voll- artigkeit und die aus mancherlei Sicht mangelnde Kohärenz der ständig veröffentlicht zu haben. Humphry zufolge waren seine letz- Kunst von George Stubbs haben dazu beigetragen, dass sie Bestand ten Worte: »Den Tod fürchte ich nicht, ich verspüre keinen beson- hat und uns noch heute fasziniert. deren Wunsch weiterzuleben. Tatsächlich hatte ich gehofft, meine Comparative Anatomy zu vollenden, bevor ich gehe, aber um an- 1 »I suggest, he is unique (certainly among his contemporaries) in having followed 16 dere Dinge sorge ich mich nicht«. Am Ende seiner mehr als sechs his own bent, unswayed by the prevailing grand manner or by sensationalism, Jahrzehnte währenden Laufbahn als Künstler scheint Stubbs hoch remaining faithful to his preferred subject-matter despite awareness that it was deemed to occupy only a lowly place in the academic hierarchy; and, in pursuing verschuldet gewesen zu sein, insbesondere bei Lady Isabella Salton- his own projects, unconcerned with making money«. Egerton, George Stubbs, 2007, stall. Der Erlös der Nachlassauktion floss an sie, und Joseph Faring- S. 97f. 2 »… to qualify himself for painting Rural, Pastoral & familiar subjects in History as ton vermerkte in seinem Tagebuch: »Es heißt, nachdem ihre An- well as portraiture.« Zur Geschichte des Memoir von George Stubbs, das Ozias sprüche befriedigt sind, wird nicht mehr viel übrig sein.«17 Man Humphry auf der Basis von Gesprächen mit dem alternden Künstler verfasste, siehe Egerton, George Stubbs, 2007, S. 10. Für diesen Beitrag wurde die erste voll- könnte dies als ein Indiz für die Selbstvergessenheit eines Künstlers ständige Abschrift des Manuskripts von Helen Macintyre herangezogen, werten, der ohne Rücksicht auf materielle Belange sein Leben ganz veröffentlicht in Ausst. Kat. Fearful Symmetry, 2000, S. 195–212, hier: S. 201. 3 Ausst. Kat. Fearful Symmetry, 2000, S. 202. der Kunst gewidmet hat. Es spricht jedoch vieles dafür, dass dies 4 »It does not appear that whilst he resided in Rome he ever Copied one picture or eher ein Hinweis auf Stubbs’ stetes – und nur bedingt erfolgreiches even designed one subject for an Historical Composition; nor did he make one drawing or model from the antique.« Vgl. Ausst. Kat. Fearful Symmetry, 2000, S. 202. – Bemühen ist, seine Fähigkeiten und Interessen einem komplizier- 5 Ebenda, S. 211. ten und veränderlichen Markt anzupassen. Bei der Versteigerung sei- 6 »As soon as a race horse has acquired some fame, they have him immediately drawn to the life: this for the most part is a dry profile, but in other respects nes künstlerischen Nachlasses verkauften sich die Emailgemälde bearing a good resemblance; they generally clap the figure of some jockey or und Porträts exotischer Tiere sehr gut, die weniger aufregenden Pfer- other upon his back, which is but poorly done.« André Rouquet, The Present State of the Arts in England, London 1755, S. 58. deporträts aus der Turf Gallery dagegen eher schlecht, und die Dru- 7 Pierre-Jean Grosley, A Tour to London, or, New Observations on England, and its cke, die eigentlich als finanzielle Absicherung des Künstlers gedacht Inhabitants, 2 Bde., aus dem Französischen übersetzt von Thomas Nugent, London 1772, hier: Bd. 2, S. 156–158. waren, fanden kaum Interesse. 8 Daniel Defoe, A Tour Through the Whole Island of Great Britain, Harmondsworth Die Comparative Anatomy hätte Stubbs’ letztes großes Werk 1971, S. 98. 9 Zur Anwendbarkeit von Bakhtins ›Karneval‹-Begriff auf das Großbritannien des und künstlerisches Vermächtnis werden sollen, doch die Veröffent- 18. Jahrhunderts siehe Peter Stallybrass und Allon White, The Politics and Poetics lichung der Drucke hat kaum ein Zeitgenosse zur Kenntnis genom- of Transgression, London 1986. 10 »unnatural, cold and clayey scenes«; vgl. Egerton, George Stubbs, 2007, Nr. 107. men. Zwar war der Gedanke einer vergleichenden Anatomie von 11 Ebenda, S. 547. Mensch und Tier in der Zeit geläufig, Stubbs jedoch war zu einer 12 Joseph Mayer, Early Exhibitions of Art in Liverpool with some Notes for a Memoir of George Stubbs, Liverpool 1876, S. 93. isolierten Figur geworden, und seine Darstellungen wirken heute 13 Kenneth Garlick et al. (Hrsg.), The Diary of Joseph Farington, 17 Bde., New Haven seltsam befremdlich. Wie das künstlerische Werk in seiner Gesamt- und London 1978–1998, hier: Bd. 4, S. 1536. 14 Ebenda, S. 1574. heit mag man sie als Ausdruck einer singulären künstlerischen Vor- 15 »… shewing the analogy between the Human frame, the Quadruped and the fowl, stellung verstehen. Die Illustrationen streben nach einer vollständi- giving also an accurate description of the bones, cartilages, muscles, fascias, gen Verschmelzung von Ästhetik und Naturwissenschaft. Jede ligaments &c &c (which he intended to have carried on to the vegetable world)«; vgl. Ausst. Kat. Fearful Symmetry, 2000, S. 207. einzelne Kreatur wirkt wie lebendig, Beleuchtung und Pose verwan- 16 »I fear not death, I have no particular wish to live. I had indeed hoped to have deln sie von einem Gegenstand wissenschaftlicher Betrachtung in finished my Comparative Anatomy eer I went, but for other things I have no anxiety«; vgl. Ausst. Kat. Fearful Symmetry, 2000, S. 208. ein ästhetisches Objekt (Abb. ‒). Aus historischer Sicht ließe sich 17 Garlick 1978–1998 (wie Anm. 13), Bd. 8, S. 3056.

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Werner Busch

STUBBS’ ÄSTHETIK

Ästhetik? Kann es bei einem Künstler, der als bloßer Pferdemaler lischer oder platonischer Lehre verfügen. Vereinfacht gesagt: Das gilt und die Dinge so genau wiedergibt, wie sie erscheinen, und sich eine Mal destilliert er aus dem breiten Wirklichkeitsangebot einen dabei auch wissenschaftlich absichert, überhaupt sinnvoll sein, von idealen Typus heraus, das andere Mal ist er göttlich inspiriert, schaut Ästhetik zu reden? Haben wir vor seinen Bildern nicht eher den im Geiste die reine Schönheit und bringt sie in seinem Werk zur An- Eindruck, es handele sich um eine bloße Addition von genau Beob- wendung. Die eine Schönheit entsteht a posteriori, als Resultat von achtetem, um ein bloßes Nebeneinanderstellen? Was soll da die Erfahrung und Studium, die andere stellt sich a priori beim begeis- Frage nach der Ästhetik? Kann bloß Dokumentiertes überhaupt terten Künstler ein und entäußert sich im Schaffensrausch. eine Ästhetik haben? Der bloß nachahmende Künstler dagegen verfährt mecha- Unser Begriff von Ästhetik ist immer noch, ob wir es wollen nisch, uninspiriert und unintellektuell, rein handwerklich. Das, was oder nicht, klassisch-idealistischer Natur. Bilder sollen komposito- er vor sich sieht, überträgt er möglichst eins zu eins, ohne Rest, je- risch ausgewogen sein, aber nicht steif und unbeweglich. Möglichst denfalls nach dieser Vorstellung, ins Bild. Nun hat die klassische sollen sie etwas erzählen, sich entfalten, einen Anfang, einen Höhe- Theorie nicht nur ein Schönheitsideal propagiert, sondern, vielleicht punkt und Abschluss haben. Bilder sollen ein Zentrum haben, auch noch wichtiger und eng mit dem Idealentwurf verflochten, eine Hie- in gedanklicher Hinsicht. Dieses Zentrum soll möglichst nicht auf rarchie der Gegenstände bzw. Gattungen der Malerei. Diese Hierar- der senkrechten Mittelachse platziert sein, was Bewegung stillstellen chie hatte spätestens seit dem . Jahrhundert Gültigkeit, doch end- würde, sondern unseren europäischen Lesegewohnheiten folgend gültig ausformuliert wurde sie erst überraschend spät: in André leicht aus der Mitte nach rechts verschoben sein. Die übrigen Ge- Félibiens »Préface« zu seiner Herausgabe der Conférences von , genstände der Bilder sollen auf dieses Zentrum bezogen sein bzw. also der Diskussion über bestimmte, besonders hervorragende Bil- von da ihren Sinn bekommen. Insofern soll ein Bild aus Über- und der an der französischen königlichen Akademie der Künste unter Unterordnung bestehen, die Dinge sollen sich möglichst harmo- dem Vorsitz des Akademiepräsidenten Charles Lebrun. Félibien nisch fügen. Dankbar sind wir zudem, wenn das Bild eine nachvoll- schreitet fort von den niederen zu den hohen Gegenständen, von ziehbare räumliche Entfaltung aufweist, wenn es Atmosphäre zeigt, den unbelebten zu den belebten und steigert diese in ihrer Bedeut- fließende Übergänge. samkeit. Ganz unten ist das Stillleben angeordnet, der französische Zugegeben: Dem widerspricht die Moderne nicht selten in Begriff ›nature morte‹ verweist ausdrücklich auf ihre Leblosigkeit. vielfacher Hinsicht, doch historischer Kunst fordern wir die geschil- Dem folgt die Landschaftsdarstellung, auch sie ist im Kern unbeweg- derte lebendige Bildordnung ab, sie bestimmt unseren Bild- und lich. Die folgenden Tierdarstellungen beschäftigen sich immerhin Kunstbegriff. Stubbs’ Zeitgenossen sahen diese Anforderungen an schon mit Lebewesen, aber sie erregen nicht unser individuelles In- das Bild bei seinen Werken nur sehr begrenzt eingelöst. Sie hatten teresse. Das tut allein der Mensch. Seine Wiedergabe im Porträt für seine Kunst ein einfaches Abqualifizierungsmodell parat, das zeigt den Maler zwar auf dem Wege zu den höchsten Gegenständen, sich gänzlich klassischer Kunsttheorie verdankt. Für sie war Stubbs doch ist das Porträt, selbst wenn es schon eine Tendenz zur Verschö- ein reiner Naturnachahmer und von daher waren er und seine nerung aufweist, immer noch primär Naturnachahmung, schließlich Kunst niedrig einzuschätzen. Dahinter steht der Gedanke, dass ei- geht es um Ähnlichkeit. Erst der Übergang von der Einzelfigur zum gentliche Kunst die Natur nicht bloß so wiedergibt, wie sie ist, son- Figurenensemble durch die Erstellung eines szenischen Zusammen- dern wie sie sein soll, und das heißt in idealisierter Form einem be- hanges, das Erzählen einer Geschichte von exemplarischem Charak- stimmten Schönheitsbegriff folgend, einem Idealtypus. Über einen ter – bedeutend in der Geschichte, gefällig in der Dichtung – er - entsprechenden Schönheitstypus kann der Künstler nach aristote - öffnet den Weg zur Perfektion. Allerdings – und hier überbietet

23 UNVERKÄUFLICHE LESEPROBE

Herbert W. Rott, Brian Allen, Werner Busch, Tim Clayton, Oliver Kase, Martin Myrone, Francis Russell George Stubbs (1724-1806) Die Schönheit der Tiere. Von der Wissenschaft zur Kunst

Gebundenes Buch mit Schutzumschlag, 240 Seiten, 25x30 150 farbige Abbildungen ISBN: 978-3-7913-5169-8

Prestel

Erscheinungstermin: Februar 2012

Edle Pferde, Reiter, Hunde – ein außergewöhnlicher Bildband

Der englische Tiermaler George Stubbs ist der bedeutendste Vertreter der sogenannten „sporting art“, die sich im 18. Jahrhundert zu einem Höhepunkt entwickelte. Pferdezucht, Rennsport und Jagd sind die Themen dieser edlen und beeindruckenden Gemälde. Gezeigt werden Porträts von schönen Rassepferden und ihren Reitern, von Hunden, Jagdszenen und wunderbare Landschaften. Mit subtil ausgewogenen, gelegentlich kühnen Kompositionen erreicht Stubbs eine Klassizität mit Bildinhalten, die dem Leben einer prosperierenden Oberschicht entnommen sind.

Stubbs’ schönste Gemälde werden erstmals in einer deutschsprachigen Monografie gezeigt, die anlässlich einer Ausstellung in der Neuen Pinakothek erscheint, der ersten Schau zu diesem Künstler in einem europäischen Museum außerhalb Großbritanniens. Der Band ist reich bebildert mit Gemälden, Zeichnungen und Druckgrafiken – ein besonderes Geschenkbuch für alle Kunst- und Pferdeliebhaber.

Begleitbuch zur Ausstellung.