Bodendenkmäler in Nordrhein‑Westfalen Erkennen, Erfassen, Erhalten Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis

Vorwort 4

Denkmallandschaft Nordrhein‑Westfalen 7

Was ist ein Denkmal? 19

Das Bodendenkmal im Planungs‑ und Genehmigungsverfahren – die Praxis 22

Das gerettete Denkmal 24

Struktur und Organisation der archäologischen Fachämter in Nordrhein‑Westfalen 28

Wie erkenne ich ein Bodendenkmal? – die Kriterien 33

Methoden der Denkmalerkundung 51

Das erkannte Bodendenkmal – Beispiele aus NRW 54

Bodendenkmäler stiften Identität 117

Adressen der Fachämter 122

Impressum 124 Vorwort Vorwort

Liebe Leserin, lieber Leser, Da in Nordrhein-Westfalen das konstitutive Die Denkmalerfassung ist eine „never ending Verfahren bei der Eintragung der Denkmä‑ story“, denn flächendeckend wird es nie‑ ler angewendet wird, galt bis zum Jahr 2013 mals möglich sein, alle im Boden versteckten der rechtlich bindende Schutz nur für einge‑ Denkmäler zu erfassen. Deshalb erfolgt die tragene Bodendenkmäler. Mindestens zehn‑ Denkmalerfassung meist vorhabenbezogen. mal so groß wie die Zahl der unter Schutz ge‑ Nordrhein-Westfalen ist reich an archäolo‑ Der Schutz archäologischer Fundstellen stellten Bodendenkmäler ist allerdings schon In diesem Heft finden sich Beschreibungen, gischen Fundstellen, die unser kulturelles steht an oberster Stelle. Aber hier müs‑ nach heutigem Kenntnisstand die Zahl der Hinweise und Erläuterungen zu den soge‑ Erbe prägen. sen Archäologinnen und Archäologen oft archäologischen Fundstellen, von denen aus‑ nannten „vermuteten Bodendenkmälern“ Kompromisse eingehen, vor allem, wenn reichend Hinweise vorliegen, dass sich im und eingetragenen Bodendenkmälern. Mit Die meisten Bodendenkmäler befinden sich unvermeidbare Baumaßnahmen anste‑ Boden tatsächlich denkmalwerte Substanz dieser Veröffentlichung wollen die archäo‑ allerdings unsichtbar im Boden, dort sind sie hen. Wenn in die Denkmalsubstanz ein‑ befindet. Diese Fundorte sind nun auch auf logischen Fachämter in Nordrhein-Westfa‑ zumeist mehr oder weniger geschützt und greifende Ausgrabungen und entsprechen‑ gesetzlicher Grundlage genauso schützens‑ len eine Handreichung für Planer, Kommu‑ vor Zerfall bewahrt. Zu den Aufgaben des de Dokumentationen der archäologischen wert wie die bereits formell eingetragenen nen, Denkmalbehörden, Archäologinnen, Denkmalschutzes gehört vorrangig das Er‑ Befunde und Funde unvermeidlich sind, Denkmäler. Archäologen und interessierte Laien zur Ver‑ halten und Bewahren der archäologischen ist zuvor die Denkmalerfassung für Pla‑ Nach der Artikeländerung des Denkmal‑ fügung stellen, die in Planungsvorhaben ein‑ Substanz. Aber man kann nur schützen, nungen und Kalkulationen unerlässlich. schutzgesetzes NRW genießen seit Jahres‑ gebunden sind. Sie soll dazu beitragen, bei was man auch kennt. Deshalb ist die mög‑ Nur so lassen sich bereits im Vorfeld belast‑ mitte 2013 auch noch nicht eingetragene, allen Planungen und Maßnahmen zu sen‑ lichst flächendeckende Denkmalerfassung bare Aussagen und damit Sicherheit für Pla‑ aber vermutete archäologische Fundstel‑ sibilisieren, um auf Indizien zu achten, ob in Form einer Inventarisation der archäolo‑ ner und Investoren herstellen, zugleich auch len (Bodendenkmäler) den größtmöglichen Bodendenkmäler vorhanden sein könnten. gischen Fundstellen eine existenzielle Aufga‑ Prognosen über die entstehenden Kosten Schutz des Gesetzes. Es ist die Aufgabe der be der Fachämter im Rheinland und in West‑ und das erforderliche Zeitmaß für archäo‑ Fachämter, die Listen der Fundstellen auf Nur durch eine frühzeitige Beteiligung der falen-Lippe. Diese Fachämter sind bei den logische Rettungsgrabungen abschätzen. dem aktuellen Stand zu halten und die In‑ archäologischen Fachämter lassen sich Pla‑ Landschaftsverbänden Rheinland (LVR-Amt Seit dem Jahr 2013 ist das sogenannte Verur‑ formationen in Datenbanksystemen zu nungshindernisse im Vorfeld vermeiden. für Bodendenkmalpflege im Rheinland) und sacher- bzw. Veranlasserprinzip im Denkmal‑ verwalten. Westfalen-Lippe (LWL-Archäologie für West‑ schutzgesetz NRW verankert. In § 29 DSchG falen) sowie der Stadt Köln (Römisch-Ger‑ NRW ist festgelegt, dass derjenige, der ein In der Archäologie gibt es mittlerweile eine Jürgen Kunow (Bonn) manisches Museum der Stadt Köln/Amt für eingetragenes oder vermutetes Bodendenk‑ Vielzahl an Verfahren, um Denkmäler zu Archäologische Bodendenkmalpflege und mal verändern oder beseitigen möchte, eine erfassen. Hier helfen neben archivalischen Michael M. Rind (Münster) -denkmalschutz) angesiedelt. wissenschaftliche Untersuchung und die Ber‑ Recherchen und oberflächigen Aufsamm‑ gung und Dokumentation von Funden und lungen (Feldbegehungen) unter anderem Marcus Trier (Köln) Befunden sicherstellen und die dafür anfal‑ die Luftbildarchäologie, geophysikalische lenden Kosten im Rahmen des Zumutbaren Magnetometerprospektionen, Radarunter‑ tragen muss. suchungen und digitale Geländemodelle.

4 5 Einführung Einführung

Denkmallandschaft Nordrhein‑Westfalen

Nordrhein‑Westfalen ist reich an Bodendenk‑ Weltbekannt sind dabei die Fundstellen aus mälern aus allen Zeiten. Viele davon sind dem Devon von Lindlar (um 370 Mio. Jah‑ auch weit über die Landesgrenzen bekannt re v. Chr.) oder der Steinbruch in Hagen‑Vor‑ und nicht nur Objekte der Wissenschaft, son‑ halle mit seinen einzigartigen Libellenfun‑ dern auch touristische Anziehungspunkte. den aus dem Karbon (um 300 Mio. Jahre Nicht alle davon sind vom Menschen ge‑ v. Chr.). macht. Auch Zeugnisse tierischen oder Die ältesten von Menschen hergestellten pflanzlichen Lebens aus erdgeschichtlicher Relikte in Nordrhein‑Westfalen sind etwa Zeit geben Auskunft über die Entwicklungs‑ 300.000 Jahre alt. Tiefentsandungen und geschichte unserer Region. Meist handelt es Auskiesungen geben immer wieder Reste sich um Fossillagerstätten, Steinbrüche, in eiszeitlicher Tiere preis. Auch wenn einige denen Versteinerungen aus allen Perioden Fundstellen wie die namengebende des Ne‑ der Erdgeschichte zutage treten. andertalers bei Mettmann heute verschwun‑ den sind, zeugen etwa der Hohle Stein bei Rüthen‑Kallenhardt oder der Kartstein bei Mechernich von der Anwesenheit des Men‑ schen während des Paläolithikums.

Mettmann. Hier wurde das Skelett des berühmten Rüthen‑Kallenhardt. Der hohle Stein, eine Neandertalers gefunden. LWL‑AfW/ M. Baales. Rentierjägerhöhle, um 10.000 v. Chr. LWL‑AfW/ M. Baales.

Hagen‑Vorhalle. Versteinerte Libelle, Karbon, ca. 300 Mio. Jahre v. Chr. LWL‑Museum für Naturkunde/ G. Thomas.

6 7 Einführung Einführung

Lotte‑Wersen. Großsteingrab „Große Sloopsteene“. LWL‑AfW/ I. Pfeffer.

Nach dem Ende der letzten Eiszeit wur‑ Die nach den Verzierungen ihrer Keramik‑ den bevorzugt Flussauen als Aufenthalts‑ gefäße als Linienbandkeramiker oder Band‑ platz von Mensch und Tier aufgesucht, wie keramiker bezeichneten Menschen sorgten der rund 11.500 Jahre alte Fundplatz von sich nicht nur um ihr tägliches Leben, son‑ Mönchengladbach‑Geneicken eindrucksvoll dern kümmerten sich um ihre Toten. Wäh‑ dokumentiert. rend im Rheinland bisher nur einfache Kör‑ Mit Beginn der Jungsteinzeit (ab 5.400 v. perbestattungen bekannt sind, zeugen in Chr.) änderte sich der Umgang des Menschen Westfalen Großsteingräber aus der Trich‑ mit der ihn umgebenden Natur, indem er terbecherkultur (ab 3.700 v. Chr.), wie etwa Ackerbau und Viehzucht betrieb. Aus dem die„Sloopsteene“ bei Westerkappeln, vom Rhein‑Main‑Gebiet eingewanderte Bevölke‑ hohen Aufwand der Jenseitsvorsorge. rungsgruppen begannen damals, erstmals In Ihnen bestatteten die jungsteinzeitlichen Flächen gezielt zu roden und in Ackerland Siedler über Generationen hinweg ihre To‑ Mönchengladbach-Geneicken. umzuwandeln. Spuren ihrer Langhäuser und ten zusammen mit Waffen und Schmuck. Jagdbeute steinzeitlicher Jäger, um 9.500 v. Chr. Siedlungen sind vor allem aus den Lössgebie‑ und Blick auf die Fundstelle. ten des Rheinlandes und Westfalens, aber artemus GmbH/ M. Heinen. auch aus den Auen des Rheintales bekannt.

8 9 Einführung Einführung

Ab etwa 2.000 v. Chr. verbreitete sich auch Während einige der Gräberfelder weiter in Mitteleuropa die Kenntnis der Metallver‑ bestanden, wurden andere, wie etwa in arbeitung. Während aus der Frühbronze‑ Moers‑Hülsdonk, mit dem Beginn der Ei‑ zeit in Nordrhein‑Westfalen neben einigen senzeit ab etwa 700 v. Chr. neu angelegt. Gräbern und Siedlungen vor allem Depot‑ In der Eisenzeit nahm die Bevölkerungszahl funde bekannt sind, in denen Bronzebar‑ zu, weite Gebiete wurden landwirtschaft‑ ren, Geräte, Waffen, aber auch Goldobjek‑ lich genutzt, so dass ein dichtes Netz klei‑ te niedergelegt worden waren, nimmt die ner Siedlungen und Einzelhöfe das Land Zahl der Fundstellen in der nachfolgenden überzog. In der späten Eisenzeit entstan‑ Urnenfelderzeit (13.–8. Jahrhundert v. Chr.) den dann sogar einzelne größere Siedlun‑ stark zu. Neben Siedlungen sind es jetzt die gen, die z. T. mit Graben und Wall befestigt namengebenden Gräberfelder, die vielfach wurden und vielleicht sogar zentrale Funk‑ bis in die nachfolgende Vorrömische Eisen‑ tionen übernommen haben. Im Sauer‑ und zeit weitergenutzt wurden und auch heute Siegerland lässt sich ab dem 3. Jahrhundert noch oft durch ihre markanten Grabhügel v. Chr. eine frühe Eisenindustrie, getragen im Gelände sichtbar sind. von keltischen Spezialisten aus dem Süden, fassen. Eisenzeitliche Burgen sind Anzeichen für eine differenzierte Sozialstruktur. Eisenzeitsiedlungen in der rheinischen Braunkohleregion Tagebau Inden. DROBOTEC Titz.

Köln‑Merheim. Grabhügelfeld, 1936. RGM Köln.

Köln‑Merheim. Grabhügelfeld. Kartengrundlage: Olsberg. Eisenzeitbefestigung Bruchhauser Steine. Land NRW (2018). dl-de/by-2-0. www.govdata.de/ LWL‑AfW/ H. Menne. dl-de/by-2-0. RGM Köln/ G. Wegener.

10 11 Einführung Einführung

Haltern am See. Hauptlager/Aliso. LWL‑AfW/ S. Brentführer. Köln. Archäologisches Quartier MiQua. Ruhr‑Universität Bochum/ B. Song.

Mit der Expansion des römischen Reiches In Westfalen war die römische Okkupation bis an den Rhein und, zumindest unter Kai‑ nur eine kurze Episode, von der vor allem die ser Augustus, auch darüber hinaus, verän‑ Kette der Römerlager an der Lippe zeugt. derte sich die vorher deutlich einheitliche‑ re Kulturlandschaft Nordrhein‑Westfalens. Westlich des Limes, der dem Rheinverlauf Die östlich des Rheins gelegene Landeshälfte Nach dem Ende des Römischen Reiches im folgenden Grenze, entstanden die großen war durch germanische Bevölkerungsgrup‑ 4. Jahrhundert glichen sich die Verhältnis‑ römischen Städte Köln, Bonn, Neuss und pen geprägt. Obwohl sie intensiven Kontakt se beiderseits des Rheines wieder an, als Xanten. Die über 95,4 km lange Wasserlei‑ zum Römischen Reich pflegten, behielten sie germanische Bevölkerungsgruppen sich in tung, die Trinkwasser aus den Eifelquellen ihre überlieferten Siedlungsstrukturen und der ehemaligen römischen Provinz nieder‑ nach Köln lieferte, ist neben den gut aus‑ Gräberfelder bei. Oft wurden die Gehöfte ließen. Trotz eines starken Bevölkerungs‑ gebauten Fernstraßen ein noch heute sicht‑ im Siedlungsbereich kleinräumig verlagert, rückgangs bestand aber in den ehemaligen bares Zeugnis römischer Ingenieurskunst. so dass diese „wandernden Dörfer“ im Lau‑ römischen Zentren ein städtisches Leben, Weitere kleine Städte wie Aachen, Zülpich fe der Zeit riesige Flächen einnahmen. Auch wenn auch in geringerem Umfang, weiter. oder Jülich und ein dichtes Netz von Guts‑ wenn wir einige germanische Stammesna‑ In Westfalen sind Kulturkontakte nach Nor‑ höfen erschlossen das Land und gaben ihm men kennen, lassen sich die archäologischen den und Nordwesten bis in den Küstenraum eine römische Prägung. Lediglich am nördli‑ Funde und Siedlungsgebiete nicht eindeutig spürbar. chen Niederrhein scheinen die angestamm‑ Stämmen zuweisen. ten Strukturen deutlich stärker erhalten ge‑ Xanten. Colonia Ulpia Traiana. blieben zu sein. Ruhr‑Universität Bochum/ B. Song.

12 13 Einführung Einführung

Detmold. Falkenburg. LWL‑AfW/ T. Pogarell.

Ab dem 6. Jahrhundert ist die Entwicklung Im Mittelalter begann die Entwicklung der geprägt durch die langanhaltenden Ausein‑ heute noch vorhandenen Siedlungs‑ und andersetzungen zwischen Franken und Kulturlandschaft. Ihre Struktur ist meistens Sachsen. Sie endeten mit der Christianisie‑ durch die bäuerliche Wirtschaftsweise ge‑ rung Westfalens und seiner Eingliederung prägt, die von regionalen Klima‑ und Boden‑ in das karolingische Reich. Dörfer und Grä‑ vorraussetzungen abhängig war. Der Adel si‑ berfelder, deren Bestattungen meist mit cherte seine Territorien durch den Bau von umfangreichen Grabbeigaben ausgestattet Burgen. Entlang von Rhein und Hellweg, den waren, haben obertägig keine Spuren hin‑ wichtigsten Handelsrouten des Mittelalters, terlassen, geben aber mit ihren archäologi‑ entstanden Städte. schen Befunden ein gutes Bild des frühen Mittelalters.

Höxter. Kloster Corvey. LWL‑Denkmalpflege, Landschafts‑ und Baukultur in Westfalen.

14 15 einführung einführung

Neu gebaute Kirchen mit den umgebenden Bereits im Mittelalter begann in Nord‑ Auch aus dem 20. Jahrhundert finden sich in Friedhöfen dienten in vielen Fällen als Kris‑ rhein‑Westfalen die Gewinnung und Verar‑ der Landschaft noch viele Bodendenkmäler, tallisationskern für die Entstehung heute beitung von Bodenschätzen, vor allem in der die von der z. T. unrühmlichen, „unbeque‑ noch vorhandener Dörfer und Städte. Ihre Eifel, im Sieger‑ und im Sauerland. Die Wei‑ men“ Geschichte zeugen. Dies reicht von mittelalterliche Struktur lässt sich meist noch terverarbeitung geschah meist in mit Was‑ landschaftsprägenden Objekten wie dem aus dem Stadtgrundriss ablesen, oft sind serkraftanlagen ausgestatteten Hütten an Westwall über Anlagen der Rüstungsindus‑ noch eindrucksvolle Relikte z. B. der Stadt‑ Rur und Wupper sowie ihren Nebenflüssen trie bis zu Konzentrationslagern. befestigung bis heute erhalten. Auch das und ‑bächen. Aus anfänglich kleinen Betrie‑ Straßensystem im Stadtkern ist – wenn nicht ben, wie etwa der seit 1758 produzierenden Diese über Jahrtausende verlaufende Ent‑ auf antike – dann auf mittelalterliche Pla‑ St. Antony‑Hütte in Oberhausen, entstand wicklung hat in der Landschaft Spuren hin‑ nungen zurückzuführen. Landwehren mar‑ die Industrieregion des Ruhrgebietes. terlassen, die mit archäologischen Mitteln kieren erste lokale Territorialgrenzen. gelesen werden können. Sie zeugen von Essen. Münster. Stadtarchäologie Essen. der Entwicklung des Menschen und der Ge‑ staltung und Nutzung seiner Umwelt. Mö‑ gen sie auf den ersten Blick auch manch‑ mal unscheinbar sein, so ist doch jede Fundstelle ein bedeutendes Puzzleteil der Menschheitsgeschichte.

Soest. Stadtbefestigung. G. Röing. Aachen. Westwall. LVR‑ABR/ W. Wegener.

16 17 Denkmalbegriff Denkmalbegriff Was ist ein Denkmal?

Die Landesverfassung des Landes Nord‑ Baudenkmäler (§ 2 Abs. 2 DSchG), Denkmal‑ rhein‑Westfalen nennt in Art. 18 Abs. 2 die bereiche (§ 2 Abs. 3 DSchG), bewegliche und Denkmäler der Kunst, der Geschichte und unbewegliche Denkmäler (§ 2 Abs. 4 DSchG) der Kultur. Die Konkretisierung dieses verfas‑ und Bodendenkmäler (§ 2 Abs. 5 DSchG). sungsrechtlich garantierten Denkmalschut‑ Bei den hier im Vordergrund stehenden zes erfolgt durch das Denkmalschutzgesetz Bodendenkmälern handelt es sich nach des Landes NRW. Zur Ausführung des Denk‑ § 2 Abs. 5 DSchG um bewegliche oder un‑ malschutzgesetzes wurde die Verwaltungs‑ bewegliche Denkmäler, die sich im Boden vorschrift vom 11.04.2014 zum DSchG (VV befinden oder befanden. Als Bodendenk‑ zum DSchG) erlassen (MBl.NRW, Ausgabe mäler gelten auch Zeugnisse tierischen und 2014, Nr. 15, S. 279–288). Denkmäler sind pflanzlichen Lebens aus erdgeschichtlicher nach § 2 Abs. 1 Denkmalschutzgesetz NRW Zeit, ferner Veränderungen und Verfärbun‑ (im Folgenden: DSchG) Sachen, Mehrhei‑ gen in der natürlichen Bodenbeschaffenheit, ten von Sachen und Teile von Sachen, an die durch nicht mehr selbstständig erkenn‑ deren Erhaltung und Nutzung ein öffent‑ bare Bodendenkmäler hervorgerufen wor‑ liches Interesse besteht. Ein öffentliches In‑ den sind, sofern sie die Voraussetzungen des teresse besteht, wenn die Sachen bedeu‑ Absatzes 1 erfüllen. Es handelt sich bei dem tend für die Geschichte des Menschen, für nordrhein‑westfälischen Bodendenkmalbe‑ Städte und Siedlungen oder für die Entwick‑ griff daher um einen Spezialfall des Denk‑ lung der Arbeits‑ und Produktionsverhältnis‑ mals nach § 2 Abs. 1 DSchG. se sind und für die Erhaltung und Nutzung künstlerische, wissenschaftliche, volkskund‑ Das eingetragene Bodendenkmal liche oder städtebauliche Gründe vorliegen. Eine Sache ist nach § 2 Abs. 1 DSchG bedeu‑ Die Bestimmungen des § 3 DSchG be‑ tend, wenn ihr eine besondere Eignung zum treffen die Rechtswirkungen der Unter‑ Aufzeigen und Erforschen geschichtlicher schutzstellung von Denkmälern und ihre Entwicklungen zu kommt. Höhere Anfor‑ Reichweite im Rahmen des gesetzlichen derungen werden an dieses Merkmal nicht Vollzuges. Ortsfeste Bodendenkmäler sind gestellt. Insbesondere ist nicht zu verlan‑ nach § 3 Abs. 1 DSchG in die Denkmalliste gen, dass sich die Sache in Bezug auf die einzutragen. Nach § 3 Abs. 1 S. 1 2. HS sind für die Denkmaleigenschaft nach dem ers‑ bewegliche Denkmäler – und damit auch ten Teil der Vorschrift maßgebenden Krite‑ bewegliche Bodendenkmäler – nur einzu‑ rien als einzigartig oder herausragend er‑ tragen, wenn dies wegen der besonderen weist. (OVG NRW, Urt. v. 14.08.1991–7 A Bedeutung, die auch in einem historisch 1048/89). Die Beurteilung des Tatbestands‑ begründeten Ortsbezug liegen kann, ange‑ merkmals „bedeutend“ ist eine Fachfrage. bracht erscheint. Dabei sind weitere Grün‑ Dabei erfährt der Begriff des Denkmals auch de für die Annahme einer besonderen Be‑ Rosendahl. Turmhügelburg Barenborg. LWL‑AfW. eine starke fachliche Untergliederung in deutung denkbar.

18 19 Denkmalbegriff DenkmalBegriff

Liegt eine besondere Bedeutung nicht vor, Das Bodendenkmal im Planungs‑ und unterliegen diese beweglichen Denkmäler Genehmigungsverfahren – nicht dem Schutz des Denkmalschutzgeset‑ die rechtliche Seite zes. Es erfolgt eine Orientierung an dem Vorliegen eines gesteigerten öffentlichen Das Denkmalschutzgesetz stellt in seiner ak‑ Nach § 1 Abs. 3 S. 2 DSchG sind die für den Interesses. Bei Fehlen dieser besonderen Be‑ tuellen Fassung in § 1 Abs. 3 DSchG sicher, Denkmalschutz und die Denkmalpflege zu‑ deutung kann keine – auch keine nachricht‑ dass bei öffentlichen Planungen und Maß‑ ständigen Behörden frühzeitig einzuschal‑ liche – Eintragung erfolgen. Jene beweg‑ nahmen sowohl die Belange von eingetra‑ ten und so mit dem Ziel in die Abwägung lichen Bodendenkmäler, welche von einer genen als auch von nicht in die Denkmalliste mit anderen Belangen einzubeziehen, dass öffentlichen Einrichtung betreut werden, eingetragenen Bodendenkmälern angemes‑ die Erhaltung und Nutzung der Denkmäler bedürfen keiner Eintragung; sie unterliegen sen zu berücksichtigen sind und grundsätz‑ und Denkmalbereiche sowie eine angemes‑ gleichwohl den Vorschriften des Denkmal‑ lich abwägungsrelevant sein können. Dies sene Gestaltung ihrer Umgebung möglich schutzgesetzes. Eine nachrichtliche Eintra‑ bezieht sich auf alle Verfahrensarten und auf sind. Vermutete Bodendenkmäler können gung ist zulässig. Das bewegliche Boden‑ alle Vorhabenträger. § 11 DSchG konkreti‑ nach ausdrücklicher Erläuterung in der Ver‑ denkmal muss aber die nach § 3 Abs. 1 S. 1 2. siert diese Verpflichtung aus § 1 Abs. 3 DSchG waltungsvorschrift zum DSchG nur dann in HS geforderte besondere Bedeutung auf‑ für Bodendenkmäler von Kommunen und den Genehmigungsverfahren, Planfeststel‑ weisen. Andernfalls entfällt die Eintragung Behörden als Planungsträger, insbesondere lungverfahren und in der Bauleitplanung schon aufgrund der mangelnden Bedeu‑ in der Bauleitplanung durch die Gemeinden, Berücksichtigung finden, wenn konkrete, tung. Ist damit zu rechnen, dass ein Denk‑ Nordrhein‑Westfalen und das Rheinland sind der Landschaftsplanung durch die Kreise wissenschaftlich begründete Anhaltspunk‑ mal in die Denkmalliste eingetragen wird, reich an archäologischen Fundstellen. und kreisfreien Städte und der Flurbereini‑ te für ihr Vorhandensein vorliegen. LWL‑AfW/ U. Brieke. so soll die Untere Denkmalbehörde nach § gung durch die Flurbereinigungsbehörde. 4 Abs. 1 DSchG anordnen, dass das Denkmal als vorläufig eingetragen gilt. die Vorschriften der §§ 1 Abs. 3, 11, 13 bis Das vermutete Bodendenkmal 17, 19, 28 und 29 DSchG unabhängig von der Eintragung der Bodendenkmäler in die Der Schutz des Denkmalschutzgesetzes Denkmalliste gelten. §§ 13–19 DSchG regeln greift grundsätzlich erst mit der Eintragung Fallgruppen der Ausgrabung, Entdeckung oder der vorläufigen Unterschutzstellung und Ablieferung von Bodendenkmälern. des Denkmals. Eine Ausnahme ist – wie dar‑ Auch das mit § 28 DSchG erweiterte Betre‑ gelegt – für den Fall der Betreuung durch tungsrecht gilt für vermutete Denkmäler. Zu‑ eine öffentliche Einrichtung nach § 3 Abs. 1 dem sind vermutete Bodendenkmäler nach S. 3 DSchG gegeben. Eine andere Ausnah‑ § 29 DSchG auch hinsichtlich der Kostentra‑ me bildet das sogenannte vermutete Boden‑ gung von notwendigen archäologischen denkmal. Aufgrund der Tatsache, dass sich Maßnahmen zur wissenschaftlichen Unter‑ Bodendenkmäler mehrheitlich noch uner‑ suchung, Bergung von Funden und Doku‑ kannt und nicht unter Schutz gestellt im Bo‑ mentation zu berücksichtigen. Die fachliche den befinden, ist eine Vorwirkung des Denk‑ Prüfung, ob ein Bodendenkmal zu vermuten malschutzes für nicht eingetragene, aber oder den Umständen nach anzunehmen ist, Nur etwa 10 % davon sind als ortsfeste Boden‑ vermutete Bodendenkmäler von großer Be‑ erfolgt an Kriterien, die im Weiteren aus‑ denkmäler in die Denkmallisten der Kommunen eingetragen. LWL‑AfW/ U. Brieke. deutung. § 3 Abs. 1 S. 4 DSchG normiert, dass führlich dargelegt werden.

20 21 Denkmal und planung denkmal und planung

Das Bodendenkmal im Planungs‑ und Genehmigungsverfahren – die Praxis

Über Millionen von Jahren haben Tiere und Entscheidend ist es, über die Existenz, Aus‑ Daher ist in jedem Fall eine Anfrage bei den Häufig ist es möglich, durch Abstimmungen Pflanzen aus erdgeschichtlicher Zeit und der dehnung und Bedeutung eines Bodendenk‑ zuständigen Ämtern für Bodendenkmalpfle‑ mit den archäologischen Fachämtern Pla‑ Mensch Spuren im Boden hinterlassen. An‑ mals so früh wie möglich im Bilde zu sein. ge der Landschaftsverbände Rheinland und nungen so zu konzipieren, dass Eingriffe in gesichts der intensiven modernen Nutzung Nur dann lässt sich rechtzeitig entscheiden, Westfalen‑Lippe erforderlich, die als „Trä‑ Bodendenkmäler vermieden oder vermin‑ unserer Kulturlandschaft ist die Chance groß, wie mit dem Kulturgut umzugehen ist. Inso‑ ger öffentlicher Belange“ für die Vertretung dert werden können. Falls dies nicht mög‑ bei Eingriffen auf Teile dieses archäologi‑ fern ist die in vielen Verfahren obligatorische von Bodendenkmalschutz und -pflege in den lich ist, können die dann erforderlichen ar‑ schen Archivs zu stoßen. Passiert das über‑ Prüfung der Auswirkungen von Planungen Verfahren zuständig sind. Sie halten die Er‑ chäologische Untersuchungen so frühzeitig raschend bei der Umsetzung einer öffent‑ auf das archäologische Kulturgut keine lästi‑ kenntnisse zum archäologischen Teil unserer durchgeführt werden, dass sie den Bauab‑ lichen oder privaten Planung, ist nicht nur ge Pflichtübung, sondern gehört zur Risiko‑ Kulturlandschaft zentral vor und nehmen in lauf nicht beeinträchtigen – ein gravierender der Schaden für das Bodendenkmal groß: vorsorge jeder umsichtigen Planung. Daten jedem Einzelfall fachliche Einschätzungen Vorteil, von dem sowohl der Bodendenkmal‑ Die Folgen für das Vorhaben sind dann oft zu den in die Denkmallisten der Kommunen des archäologischen Potenzials vor. Wäh‑ schutz im öffentlichen Interesse als auch der spontaner Baustopp, andauernde archäolo‑ eingetragenen Bodendenkmälern werden rend diese Anfrage bei öffentlichen Planun‑ Vorhabenträger profitieren. Von der Mög‑ gische Untersuchungen, Umplanungen und von den unteren Denkmalbehörden vorge‑ gen wie Raumordnung, Straßenbau oder lichkeit, unverbindliche Anfragen auch au‑ unkalkulierte Kostensteigerungen. Das lässt halten und können dort bei berechtigtem Bauleitplanung bereits die Regel ist, fallen ßerhalb von Genehmigungsverfahren an sich vermeiden. Interesse abgefragt werden. Daten zu der andere Maßnahmen oft durch dieses Ras‑ die Fachämter zu stellen, wird daher durch weitaus größeren Zahl der „vermuteten“ ter. Das betrifft vor allem Bauvorhaben oder Planungsbüros und Vorhabenträger zuneh‑ Bodendenkmäler sind hingegen nur bei den andere Bodeneingriffe in den historischen mend Gebrauch gemacht. Die archäologi‑ archäologischen Fachämtern bei den Land‑ Stadt‑ und Ortskernen (z. B. Baugenehmi‑ schen Fachämter können fast immer schnell schaftsverbänden bzw. der Stadt Köln zu fin‑ gungen, Abrissanträge oder Verfahren nach und unbürokratisch eine erste Einschätzung den. Sie müssen von den dort tätigen Fach‑ § 34 BauGB) sowie Genehmigungen und Ver‑ darüber abgeben, ob Belange des Denkmal‑ leuten jeweils vorhabenbezogen evaluiert fahren nach § 35 BauGB (z. B. Windenergie‑ schutzes, ob archäologische Fundstellen von oder auch aktualisiert werden und sind da‑ anlagen oder Mastställe). Dabei ist gerade einer Planung betroffen sein können. Sie her nicht in öffentlichen Portalen zu finden. hier der Flächenverbrauch mit dem Risiko, sind auch jederzeit bereit, Vorhabenträger Überdies verbietet ihr Schutz vor Raubgrä‑ ein Bodendenkmal zu treffen, oft immens. zu beraten oder nach Kompromissen zu su‑ bern und illegalen Metallsondengängern chen, wie sich die Umsetzung einer Planung ihre Veröffentlichung. und der Schutz des kulturellen Erbes im Bo‑ den miteinander verbinden lassen.

22 23 das gerettete denkmal Das gerettete Denkmal

Das gerettete Denkmal

Hinter Gittern – eine Arrestzelle in Paderborn

Das Paderborner Landgericht liegt im südöst‑ Stellplätze unter einer Glasplatte sichtbar lichen Teil der karolingischen Burg und erhalten wurde. Im Rahmen von Gruppen‑ späteren Domburg. Ein Bauprojekt mach‑ führungen kann ein Einstieg über einen te 2005 Grabungen im Innenhof erforder‑ Kanalschacht in die Arrestzelle erfolgen. lich. Außer dem Grundriss eines Saalbaus Zu sehen sind in dem bedrückend engen – vermutlich eine Kurie des Domkapitels Raum die Überreste des vergitterten Licht‑ aus dem späten 11. Jahrhundert – wur‑ schachtes und die Latrine. den die Reste des bischöflichen Landgerich‑ Hierin fanden sich auch Gegenstände, tes aus dem 17. Jahrhundert untersucht. die bis in die Bauzeit des Gerichtsgebäu‑ Nach Abriss des Gebäudes Anfang der des zurückreichen, darunter ein verzier‑ 1950er-Jahre war nur noch die Grundstücks‑ ter Glasbecher, ein sogenannter Warzen‑ mauer sichtbar erhalten. Während der Aus‑ becher. Um einen Ausbruch unmöglich zu grabung legte das Grabungsteam noch sechs machen, waren die Außenmauern 1,40 m der insgesamt acht Arrestzellen im Keller dick. An einem Ring in der Wand konnte des Gerichtes frei. Eine der Zellen hatte man die Gefangenen zusätzlich anketten. sich im Boden noch so gut erhalten, dass Der Zugang erfolgte über zwei Türen auf ei‑ diese statt der ursprünglich vorgesehenen nen Gang, der wiederum gesichert werden konnte. Die Decken waren mit einem mas‑ siven Tonnengewölbe versehen.

Lit.: B. Lißner, In der Zelle des Bischofs. Bericht über die Ausgrabungen im Innenhof des Paderborner Land‑ und Amtsgerichts 2005. Archäologie in Ostwestfalen 10, 2008, 79–84.

Paderborn. Gläserner Becher aus der Latrine der Arrestzelle. LWL‑AfW/ S. Spiong. Paderborn. Freigelegte Arrestzelle des 17. Jahrhunderts. LWL‑AfW/ S. Spiong.

24 25 das gerettete denkmal das gerettete denkmal

Zwischen Zechen und Zisterziensern – Wandern auf der Stadtgeschichte

Im Rahmen des Stadtumbaus der Innenstadt In enger Abstimmung und Diskussion zwi‑ Das größere der beiden konnte im Anschluss Vermutlich hatte man das Kanalprojekt be‑ von Kamp‑Lintfort verbindet der Wander‑ schen der Stadtverwaltung Kamp‑Lint‑ erhalten und unter einem entsprechenden reits aufgegeben, bevor es zur Bauausfüh‑ weg die historischen Pole, das Kloster Kamp fort, dem ausführenden Planungsbüro Schutzbau für die Besucher wieder zugäng‑ rung im besonders feuchten Bruchgebiet und das Bergwerk West. Landschaftsarchitekten Reinders und dem lich gemacht werden. kommen konnte. Das von der Planungsgruppe Hoff/Reinders LVR‑Amt für Bodendenkmalpflege wurde Auch für die Planung der Fossa‑Promena‑ entwickelte Planungskonzept griff verschie‑ zunächst die Erhaltungsqualität der Befunde de, die den Verlauf der ehemaligen Fossa Planung und Bau des Wanderweges in denste historische Bezüge auf und machte im Bereich des „Alten Gartens“ durch geo‑ Eugeniana im Bereich des Kamper Bruchs Kamp‑Lintfort haben gezeigt, wie erfolg‑ sie für den Besucher erneut erlebbar. physikalische Messungen und anschließende nachzeichnen sollte, wurden in Kooperation reich sich historische Landschaftselemen‑ Im ersten Bauabschnitt wurde neben dem Sondagen untersucht. zwischen Planungsträger, Landschaftsarchi‑ te in ein städtisches Bauvorhaben integrie‑ Stephanswäldchen auch der sogenann‑ Dabei wurden zwar keine Spuren der ehe‑ tekten und LVR‑Amt für Bodendenkmalpfle‑ ren lassen und so dazu beitragen, ein Stück te „Alte Garten“, der barocke Gemüsegar‑ maligen Wegeführungen und Pflanz‑ ge Untersuchungen durchgeführt. historischer Vergangenheit erneut erlebbar ten des ehemaligen Zisterzienserklosters beete, dafür aber die Grundmau‑ Diese konnten allerdings keine Hinwei‑ zu machen. Kamp, nach alten Plänen und den Ergeb‑ ern zweier Gartenhäuser freigelegt. se auf eine tatsächliche Ausführung der nissen archäologischer Untersuchungen wie‑ Fossa im untersuchten Bereich erbringen. der hergestellt.

Kamp‑Lintfort. Kloster Kamp. LVR‑ABR/ C. Keller. Kamp‑Lintfort. Der „Alte Garten“ des Klosters Kamp. LVR‑ABR/ C. Keller.

26 27 struktur und organisation struktur und organisation

Struktur und Organisation der archäologischen Fachämter in Nordrhein‑Westfalen

MI ST HF Münster BOR MS Bielefeld Münster BI LIP GT COE WAF Detmold

Xanten RE HX KLE WES HAM PB BOT GE UN SO OB HER DO BO DU MH E KR EN HA VIE Düsseldorf ME Arnsberg D W MK HSK MG NE SG RS OE Sie sind dabei an fachliche Weisungen nicht Archäologische Maßnahmen im Arbeits‑ HS LEV Olpe Landesteile GL Landschaftsverband Titz GM gebunden. gebiet des LVR‑ABR werden über eine ein‑ BM K Westfalen-Lippe (LWL) Köln Overath SI Landschaftsverband Im Rheinland werden die meisten Arbeiten deutige Aktivitätsnummer als Hauptverwal‑ AC DN Köln Rheinland (LVR) SU AC Grenzen Nideggen Bonn 30km im Bereich Denkmalerfassung, Denkmal‑ tungsnummer erfasst. Analoge Dokumente SU BN Land Kreis, kreisfreie Stadt schutz und Trägerschaft öffentlicher Belan‑ werden über die Ortsarchivsignatur (soge‑ EU Regierungsbezirk Bezirke der Bodendenkmalpflege ge zentral von dem LVR‑ABR in Bonn wahr‑ nannte OA‑Nr.) verwaltet, die als Findnum‑ LVR und Stadt Köln Bodendenkmalpflege genommen. Die Aufgaben der praktischen mer für alle entsprechenden Dokumen‑ Fachamt LWL, LVR und Archäologische Bodendenkmalpflege Stadt Köln Bodendenkmalpflege konzentrieren sich in tationen dient. Diese bezieht sich auf die Außenstelle im Bereich der Braunkohleabbaugebiete den Außenstellen Nideggen, Overath, Titz geographische Lage der Aktivität, d. h. un‑ ist die Außenstelle Titz tätig in Westfalen entsprechen die Grenzen und Xanten. ter einer OA‑Nr. werden alle Aktivitäten zu‑ der Regierungsbezirke den Einzugsgebieten der Außenstellen Kartengrundlage: Geographische Kommission für Westfalen In Westfalen werden hingegen auch die sammengefasst, die örtlich zusammengehö‑ Denkmalerfassung, der Denkmalschutz und ren (Zeitstellung etc. sind egal). Die OA‑Nr. In Nordrhein‑Westfalen gibt es – anders als • fachliche Beratung und Erstattung von die Trägerschaft öffentlicher Belange durch folgt der Nummerierung der jeweiligen in anderen Bundesländern – drei Fachämter, Gutachten in allen Angelegenheiten des die Außenstellen Bielefeld, Münster und Deutschen Grundkarte mit fortlaufender die die Belange der archäologischen Denk‑ Denkmalschutzes und der Denkmalpflege Olpe wahrgenommen. Unterstützt werden Unternummer. malpflege (Bodendenkmalpflege) wahrneh‑ • wissenschaftliche Untersuchung und Er‑ sie dabei durch die Fachreferate für Provinzi‑ Beide Ordnungssysteme bilden den vorhan‑ men: den Landschaftsverband Rheinland forschung der Denkmäler sowie ihre alrömische Archäologie und Archäologie des denen Kenntnisstand ab. Um auch die ver‑ mit dem LVR‑Amt für Bodendenkmalpflege Veröffentlichung Mittelalters und der Neuzeit; die paläonto‑ mutliche Ausdehnung bekannter oder ver‑ (LVR-ABR), den Landschaftsverband Westfa‑ • wissenschaftliche Ausgrabungen …, Über‑ logische Bodendenkmalpflege betreut das muteter Bodendenkmäler zu erfassen, dient len‑Lippe mit der LWL‑Archäologie für West‑ wachung dieser Maßnahmen sowie Erfas‑ LWL‑Museum für Naturkunde in Münster. die sogenannte Archäologiefläche. Diese falen (LWL-AfW) und die Stadt Köln mit der sung der beweglichen Bodendenkmäler Alle archäologischen Fachämter in NRW ar‑ wird digital im zentralen Erfassungssystem Archäologischen Bodendenkmalpflege beim • Wahrnehmung der Interessen der Denk‑ beiten mit digitalen Fundstellenarchiven, in BODEON geführt. Die Archäologiefläche er‑ Römisch‑Germanischen Museum. Gemäß § malpflege bei Planungen und sonsti‑ denen sämtliche Dokumentationen zu Fund‑ möglicht es, die Ausdehnung auch abgegan‑ 22 Abs. 3 Denkmalschutzgesetz NRW sind gen Maßnahmen als Träger öffentlicher plätzen und Funden in NRW archivgerecht gener, rekonstruierter und vermuteter Bo‑ ihre Aufgaben u. a.: Belange. erfasst und erschlossen werden. dendenkmalflächen zu kartieren.

28 29 struktur und organisation struktur und organisation

Für das gut 400 km² große Stadtgebiet Köln Alle diese vielfältigen Entwicklungen haben vereint das Römisch‑Germanische Museum im Boden Überreste hinterlassen, die der De‑ die Funktionen des Fachamtes für Archäolo‑ finition von Bodendenkmälern gemäß § 2 gische Bodendenkmalpflege und‑ denkmal‑ DSchG NRW entsprechen. schutz sowie der Unteren Denkmalbehörde Das Römisch‑Germanische Museum der Stadt (lex colonia). Die Erfassung der archäologi‑ Köln bewahrt das archäologische Erbe aus schen Maßnahmen erfolgt jahrgangsweise 100.000 Jahren Menschheitsgeschichte der über eine eindeutige Fundberichtsnummer, Region und aus über 2.000 Jahren Kölner die eine Zuordnung analoger und digitaler Stadtgeschichte. Mit der Datenbank Digi‑ Dokumente ermöglicht. Eine flächengenaue Kult wird die Kölner Sammlung künftig di‑ Verortung der archäologischen Maßnahmen gital erschlossen. auf Kölner Stadtgebiet wird bereitgestellt. Ortsaktenarchiv. LWL‑AfW/ C. Grünewald. Delos, Fachdatenbank. LWL‑AfW/ M. Kloss. Das Ortsarchiv umfasst etwa 3.500 Fundbe‑ richte nur für den Innenstadtbereich, sowie rund 500 eingetragene Bodendenkmäler. Auch im Umland des historischen Stadtzen‑ In Westfalen werden alle Fundstellen in ih‑ Die gesamte Innenstadt ist archäologisches trums haben sich zahllose archäologische rem geographischem Bezug in der Daten‑ Fundgebiet. Gegründet wurde die Stadt kurz Zeugnisse im Boden erhalten. bank Delos erfasst. Anders als im Rheinland vor Christi Geburt. Spätestens die Erhebung Die ältesten menschlichen Artefakte no‑ haben hier die Fundstellen eine eindeuti‑ zur Colonia führte zu einem starken Bevöl‑ madischer Jäger und Sammler sind auf ge Nummer, die Aktivitäten wie Grabun‑ kerungswachstum. Das frühe Mittelalter hat Kölner Gebiet rund 100.000 Jahre alt. gen, Funde, denkmalrechtliche Verfahren Köln als urbanes Zentrum erlebt. Aus der Vor allem die fruchtbaren Böden der Land‑ etc. sind nachgeordnet. Alle digitalen Do‑ frühmittelalterlichen Handelsmetropole ent‑ schaft westlich des Rheins haben seit der kumente, auch Fotos und Zeichnungen kön‑ wickelte sich die Freie Reichsstadt Köln, eine Jungsteinzeit (Bandkeramik) Menschen sess‑ nen hier der jeweiligen Fundstelle zugeord‑ international bedeutende und stark befes‑ haft werden lassen. Im Laufe der Jahrtau‑ net werden. Ebenfalls in Delos erfasst und tigte Stadt im Mittelalter. In preußischer Zeit sende entwickelten sich in vorrömischer Zeit verwaltet werden alle Planungsverfahren, wurde Köln zu einer der größten Festungen dichte Siedlungsstrukturen. an denen die LWL‑Archäologie für Westfa‑ Europas ausgebaut. Die römische Stadt war engmaschig von len als Träger öffentlicher Belange beteiligt Gutshöfen umgeben, die das landwirtschaft‑ wird. Umfangreiche Such‑ und Kartierungs‑ liche Rückgrat für die Versorgung der Men‑ möglichkeiten sorgen dafür, dass Stellung‑ schen bildeten. Doch auch im Frühmittelalter nahmen zu Planungsverfahren schnell und war die Kölner Bucht landwirtschaftlich in‑ effizient erstellt werden können. Analoge tensiv erschlossen. Die frühmittelalterlichen Dokumente werden im Ortsaktenarchiv ge‑ Siedlungen bildeten vielfach die Wurzeln der Delos, Fachdatenbank. LWL‑AfW/ C. Grünewald. ordnet nach Fundstellen verwahrt. ehemaligen Höfe und Dörfer im Weichbild der Stadt; sie sind nun Stadtteile der moder‑ nen Millionenmetropole.

30 31 Fachliche Kriterien Fachliche Kriterien

Wie erkenne ich ein Bodendenkmal? – die Kriterien

Die Kriterien nach der Verwaltungsvorschrift zum Denkmalschutzgesetz

Zur Ausführung des Denkmalschutzgesetzes Als Beispiel und Erläuterung wird im Wei‑ wurde am 11.04.2014 eine Verwaltungsvor‑ teren in der Verwaltungsvorschrift zum schrift zum Denkmalschutzgesetz erlassen Denkmalschutzgesetz ausgeführt: „Lässt (MBl.NRW, Ausgabe 2014, Nr. 15, S. 279– etwa eine Luftbild‑ oder Laserscan‑Aufnah‑ 288). Sie nennt Kriterien für die Vermutung me das Vorhandensein eines Bodendenk‑ von Bodendenkmälern. Sie nimmt dabei Be‑ mals oder einer Reihe von Bodendenkmä‑ zug auf § 1 Abs. 3 Denkmalschutzgesetz und lern (z. B. bronzezeitliche Grabhügel oder damit auf vermutete Bodendenkmäler in Ge‑ römische Burgus‑Anlagen) in Verbindung nehmigungsverfahren, Planfeststellungsver‑ mit Analogieschlüssen zu bereits bekannten fahren und in der Bauleitplanung. Nach der Fundplätzen klar erkennen, ist eine genaue Verwaltungsvorschrift ist Voraussetzung für Vermessung oder terrestrische Prospekti‑ eine Berücksichtigung dieser vermuteten Bo‑ on zur Begründung des vermuteten Boden‑ dendenkmäler, dass konkrete, wissenschaft‑ denkmals nicht notwendig. Diese Konkreti‑ lich begründete Anhaltspunkte für deren sierung wird erst im Falle einer Eintragung Vorhandensein vorliegen. Dazu ist nach der des Bodendenkmals in die Denkmalliste oder Verwaltungsvorschrift eine wissenschaftlich im Zusammenhang mit einer Umwelt‑ oder fundierte Begründung nötig, die je nach den Verträglichkeitsprüfung relevant. konkreten Umständen etwa • durch Fundstücke (Oberflächenfunde wie Ziegel, Keramik, Werkzeuge) • durch Bodenveränderungen • durch Luftbilder • durch Vergleiche mit erforschten Situationen • durch Analogieschlüsse erfolgen kann.

Borken. Dieser karolingische Beschlag wurde an der Stelle eines untergegagenen Hofes gefunden. LWL‑AfW/ B. Linnemann. Borgentreich Rösebeck. Bandkeramisches Haus als Bewuchsmerkmal. Ruhr‑Universität Bochum/ B. Song.

32 33 Fachliche Kriterien Fachliche Kriterien

Fachliche Kriterien zur Erkennung eines Bodendenkmals aus Sicht der Archäologie

Der Archäologischen Denkmalpflege bzw. Im konkreten Bedarfsfall, etwa wenn eine Schriftzeugnisse angewiesen ist, arbeitet in Bodendenkmalpflege stehen unterschiedli‑ Planung ansteht, müssen die Daten in jedem hohem Maße mit Vergleichen, sogenann‑ che wissenschaftlich anerkannte Methoden Einzelfall fachlich neu evaluiert und projekt‑ ten Analogieschlüssen. Wenn aus anderen zur Verfügung, Bodendenkmäler anhand bezogen konkretisiert und qualifiziert wer‑ Untersuchungen bekannt ist, dass ein Ob‑ von Indizien zu erkennen. Wichtig ist dabei, den, sei es durch Akten‑ oder Quellenstudi‑ jekt in eine bestimmte Zeit gehört, wird da‑ Bearbeitete Feuersteine, die auf einem Acker auf‑ dass der Weg jederzeit objektiv nachprüfbar um, durch Begehungen oder Befliegungen von ausgegangen, dass gleiche oder ähnli‑ gelesen wurden, sind Beleg für einen steinzeitli‑ chen Rast‑ oder Werkplatz. und belegbar ist; Willkür oder vage Ahnun‑ des Areals, geomagnetische Messungen, che Objekte ebenfalls in diese Zeit und zum LWL‑AfW/ C. Grünewald. gen haben hier ebenso wenig Platz wie Eso‑ durch Heranziehen alter Karten oder Son- selben Kulturkreis gehören. terik oder mangelhafte Quellenkritik. Die‑ dagen und Bohrungen (die sogenannte har‑ Wenn es in einem geographisch umgrenzten se Methoden sind durch jahrzehntelange te Prospektion). Dies ist auch der Grund da‑ Raum üblich ist, Siedlungsstellen auf beson‑ Praxis in der Archäologischen Denkmalpfle‑ für, dass diese Datenbanken nicht der Öf‑ deren topographisch definierten Plätzen an‑ ge derart abgesichert, dass sie auch einer fentlichkeit zur Verfügung gestellt werden. zulegen, kann mit sehr hoher Wahrschein‑ Dabei ist die absolute Zahl der Funde oft rechtlichen Prüfung standhalten. Dabei er‑ Eine unsachgemäße Nutzung kann insbe‑ lichkeit davon ausgegangen werden, dass nicht ausschlaggebend, da sie durch die Häu‑ fordern unterschiedliche Objekte auch oft sondere bei Planungen zu extremen Fehl- an Plätzen mit identischen Merkmalen auch figkeit der Begehung oder die Möglichkeit unterschiedliche Methoden des Aufspürens, einschätzungen führen. So ist es beispiels‑ Siedlungsstellen anzutreffen sind. Die Grün‑ zur Beobachtung beeinträchtigt sein kann. oft muss auch eine Kombination aus mehre‑ weise fatal, aus der Tatsache, dass an einer de für die Platzwahl können in der Boden‑ So sind von Grünflächen oder frisch abgeern‑ ren Methoden angewandt werden, bis die Stelle die Karte keinen Eintrag zeigt, darauf güte liegen, aber auch in einer strategisch teten Äckern nicht so viele Funde zu erwar‑ potentielle Denkmaleigenschaft feststeht. zu schließen, dass hier kein Bodendenkmal gut geschützten Lage oder der Nähe zu ei‑ ten wie von gepflügten und abgeregneten sei, denn wir kennen bei weitem nicht alle nem Verkehrsweg: Das ist im Einzelfall ganz Ackerflächen. Selbstverständlich sind rezen‑ So sammeln die Fachämter in Nord‑ im Boden verborgene Fundstellen, vielleicht unterschiedlich. Dieser Analogieschluss ist in te Funde in aller Regel bei der Beurteilung rhein‑Westfalen seit mehr als 100 Jahren nur etwa 10%. Daher sind im Lande weit der Verwaltungsvorschrift des Landes expli‑ einer Fläche zu vernachlässigen, es sei denn, Informationen aller Art zu archäologischen mehr Bodendenkmäler zu vermuten als bis‑ zit als anerkanntes Kriterium für den Nach‑ es handelt sich z. B. um ein Objekt aus den Fundstellen und Aktivitäten, mittlerwei‑ her bekannt sind. weis eines Bodendenkmals genannt. In der beiden Weltkriegen oder um eine wüst ge‑ le beläuft sich deren Anzahl auf mehr als denkmalpflegerischen Praxis spaltet sich das fallene Industrieanlage. Im nächsten Schritt 130.000. Verzeichnet sind hier nicht nur ar‑ Die Verwaltungsvorschrift des Ministeriums aber weiter zu unterschiedlichen Kriterien muss geprüft werden, ob Indizien dafür vor‑ chäologische Fundstellen, sondern auch z. B. für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und auf, die hier im Einzelnen vorgestellt wer‑ liegen, dass die Funde eventuell sekundär schriftlich überlieferte Standorte wichtiger Verkehr des Landes NRW zur Ausführung den sollen. an diese Stelle verlagert worden sind, z. B. Anlagen, auffällige Luftbilder, Veränderun‑ des Denkmalschutzgesetzes vom 11.04.2014 durch Bodenauftrag. Abschließend ist zu klä‑ gen in der Bodenoberfläche oder sonstige, gibt als Anhaltspunkte für die Existenz ei‑ Am einfachsten ist es sicher, wenn archäolo‑ ren, ob z. B. topographische Gesichtspunk‑ möglicherweise relevante Beobachtungen. nes vermuteten Bodendenkmals Fundstü‑ gische Funde von der Planungsfläche – meist te eine Ein‑ oder Abgrenzung des Boden‑ Allerdings sind dies reine Fachdatenbanken, cke von dem Areal, Bodenveränderungen, Scherben oder Steingeräte – vorliegen, die denkmals ermöglichen. So können unter deren Informationen für Laien wenig Aussa‑ Luftbilder oder Vergleiche mit erforschten z. B. durch den Pflug aus im Boden verbor‑ Umständen durch geringfügige Planungs‑ gekraft haben, denn die Qualität und Ver‑ Situationen an. Die archäologische Wissen‑ genen Befunden (Gruben, Pfostengruben änderungen Bodendenkmäler vor Beein‑ lässlichkeit dieser Daten kann im Einzelfall schaft, die ja weitgehend auf Situationen etc.) heraufgeholt wurden. trächtigungen geschützt werden. sehr unterschiedlich sein. und Funde aus schriftloser Zeit oder ohne

34 35 Fachliche Kriterien Fachliche Kriterien

Ganz ähnlich ist die Nachweiskette, wenn wenn die Funde bei Entsandungsarbeiten Die Jäger der Mittelsteinzeit hielten sich be‑ die Funde nicht von der Planungsfläche gemacht wurden. Dann muss versucht wer‑ vorzugt auf geneigten Hangflächen in Ge‑ selbst, sondern aus der näheren Umgebung den, durch Sichtung alter Unterlagen, Gelän‑ wässernähe auf. Quellen und Flüsse gelten stammen. Neben den oben genannten Krite‑ debegehungen, Schürfe etc. das Ausmaß der seit alters her als Kontaktzone zum Jenseits rien ist hier ausschlaggebend, ob es Hinweise Zerstörung zu rekonstruieren. und werden als Opferplätze genutzt. auf den Charakter der Fundstelle und damit ihre potentielle Ausdehnung gibt. Der Mensch in vor‑ und frühgeschichtlicher Aus der Kenntnis der Lage einer großen So hat ein mittelsteinzeitlicher Rastplatz mit‑ Zeit bevorzugte für die Anlage seiner Sied‑ Anzahl erforschter Bodendenkmäler las‑ unter nur einen Radius von wenigen Metern, lungen, Befestigungen und Friedhöfe ganz sen sich – wiederum im Analogieschluss – wobei oft mehrere in engster Nachbarschaft bestimmte, spezifische topographische La‑ weitere Bodendenkmalflächen herausar‑ liegen, während ein Urnengräberfeld der gebedingungen. So wurden Burgen entwe‑ beiten, sei es über Geländearbeit oder über Sehen und gesehen werden: Höhenburgen, hier Bronzezeit, eine Siedlung der Eisenzeit oder der in exponierter Höhenlage oder in ab‑ ein GIS‑Programm. der Desenberg bei Warburg. LWL‑AfW/ M. Esmyol. ein Kriegsgefangenenlager des Ersten Welt‑ gelegener Tiefenlage, manchmal auch an kriegs sich über mehrere Hektar erstrecken bedeutenden Handelswegen angelegt. Mit‑ Jungsteinzeitliche Grabhügel finden sich können. Selbstverständlich muss hier wie in telalterliche Warttürme mussten ein weites an alten Wegen, an denen sie als Erinne‑ allen Fällen geklärt werden, ob Indizien da‑ Areal überblicken können, auch Windmüh‑ rungsort und Orientierungsmarke dienten. für vorliegen, dass das Objekt durch späte‑ len sind auf Höhenlagen angewiesen; Was‑ Bäuerliche Ansiedlungen hingegen liegen re Aktivitäten gestört oder beseitigt wurde. sermühlen hingegen liegen selbstverständ‑ meist auf den hochwasserfreien Terras‑ Darüber können schon die Fundumstände lich an Wasserläufen. senkanten oberhalb der Flussauen, wo sie erste Anhaltspunkte geben, beispielsweise die trockenen Flächen als Acker, die feuch‑ ten als Weide nutzen konnten. Beliebt wa‑ Vor‑ und frühgeschichtliche Siedlungen sind oft immens groß. Scherbenfunde können erstes Indiz sein. ren auch durch Bachmündungen oder durch LWL‑AfW/ S. Deiters. Flussschleifen geschützte Flächen, während frühgeschichtliche Friedhöfe oft auf den der Siedlung gegenüberliegenden Flussufern angelegt wurden. Aus diesen objektspezifi‑ schen Merkmalen lassen sich somit mit ho‑ her Sicherheit Bodendenkmäler nachweisen. Hierzu müssen nicht unbedingt schon Funde von der Fläche bekannt sein, die anderen ge‑ nannten Indizien allein reichen meist schon als Nachweis aus.

Die siedlungsgünstigen Terrassenkanten der Flüsse werden oft für Sand‑ und Kiesabbau ge‑ nutzt – ein Problem für die Bodendenkmalpflege. LWL‑AfW/ M. Esmyol.

36 37 fachliche kriterien fachliche Kriterien

Viele Städte haben bereits eine archäolo‑ Wenn nun der bestehende Kirchenbau jün‑ gische Bestandserhebung durchgeführt, in ger ist als die erste schriftliche Erwähnung der anhand von Verlustflächenkartierungen einer geistlichen Einrichtung – das ist fast im‑ dargestellt wird, wo noch Denkmalsubstanz mer der Fall – kann man mit hoher Sicherheit – selbst unter neuzeitlichen Kellern – erhal‑ davon ausgehen, dass sich Reste der Vorgän‑ ten sein kann. Wo solch eine Erhebung nicht gerbauten unter der Kirche im Untergrund existiert, muss eine projektbezogene Einzel‑ verbergen. Oft lässt sich die Baugeschichte falluntersuchung Klarheit bringen. einer Kirche in unserem Raum von der Früh‑ Nur wenige Denkmalgattungen haben eine zeit der Christianisierung bis zur Neuzeit lü‑ ähnliche Platzkontinuität wie Kirchen, Klös‑ ckenlos in einer großen Zahl von Grundrissen ter und andere geistliche Einrichtungen. verfolgen. Selbst wenn die damaligen Bau‑ Während landwirtschaftliche Anwesen frü‑ leute die alten Fundamente restlos für einen her oft regelmäßig in der Feldflur verlegt Neubau herausgebrochen haben, kann man wurden, wurden sie fast immer wieder an die Bauform der älteren Kirche noch aus den derselben Stelle neu erbaut. sogenannten Ausbruchsgruben herauslesen.

In den heutigen Kirchen sind oft die Überreste der Vorgängerbauten, aber auch Bestattungen erhalten, hier die Christuskirche in Ibbenbüren. LWL‑AfW/ R. Klostermann.

Der mittelalterliche Stadtgrundriss von Horstmar im Kreis Steinfurt ist im Luftbild eindeutig ablesbar. Jede Stadt als wirtschaftliche Einheit muss als ein zusammenhängendes Bodendenkmal gewertet werden. C. Birghan.

Als ein eigenständiges Bodendenkmal auf‑ Öffentliche Einrichtungen sind ohne ihr Um‑ gefasst werden muss zunächst auch jede feld, ohne die Träger von Handel, Wirtschaft mittelalterliche Stadt in den Grenzen ihrer und Handwerk ebenso wenig denkbar wie größten Ausdehnung in und mit der Stadt‑ ohne die städtische Infrastruktur oder ein befestigung. Gleiches gilt auch für die mit‑ ortsspezifisches Gewerbe. Auch oder gerade telalterlichen Dorfkerne. Stadt und Ort las‑ dort wo die Schriftquellen schweigen, sind sen sich in zeitgemäßer Denkmalpflege nicht aus den archäologischen Quellen unersetz‑ mehr untergliedern in Denkmäler wie Kir‑ liche Erkenntnisse für die Stadt‑ und Orts‑ chen, Klöster oder Rathäuser einerseits und geschichte zu erwarten. Überlieferte Struk‑ nicht denkmalwerte Restbereiche mit Bür‑ turen wie alte Parzellenteilungen können ger‑ oder Handwerkervierteln andererseits. ältere Höfe andeuten; der Verlauf der Stadt‑ Seit ihrer Entstehung auf meist unbekann‑ befestigung prägt die Identität einer Stadt ter Wurzel sind Stadt und Ort sich dynamisch ebenso wie ihre Bauwerke. Ohne Brunnen entwickelnde Organismen, bei denen allen und Latrinen kam kein Ort aus. Teilen Bedeutung für das Ganze zukam.

38 39 fachliche Kriterien Inhalt

Zudem waren die Kirchen und ihr Um‑ die flächendeckend in der ersten Hälfte Auf dem Land helfen manchmal Gerichts‑ feld meist noch bis in das 19. Jahrhundert des 19. Jahrhunderts gezeichnet wurden. protokolle, wenn bei Besitzrechtsstreitigkei‑ auch die zentralen Bestattungsplätze der Besonders in Verbindung mit dem Urflur‑ ten die umstrittenen Ländereien skizziert Orte und Städte. Im Laufe der Jahrhunder‑ buch, in dem die Namen der Grundstücksei‑ wurden. Überlagert man diese Altkarten mit te wurden manchmal Tausende Gräber an‑ gentümer, der Flurname, die Nutzung und modernen Katasterunterlagen, lassen sich gelegt, deren Erforschung Aufschluss über die Einschätzung der Grundsteuer festge‑ sogenannte Persistenzkarten herstellen, die Bestattungssitten geben können. Anthro‑ halten sind, erlauben sie häufig eine Rück‑ den Grad von Erhaltung bzw. Zerstörung in pologische Untersuchungen der Skelettres‑ schau in mittelalterliche Besitzverhältnisse einer Landschaft aufzeigen. te malen ein Bild der Bevölkerung, Alter und und die vorindustrielle Landschaft. Abge‑ Geschlecht der Toten sind ebenso ablesbar gangene Höfe sind dort oft ebenso noch Aus den Daten im Urflurbuch und anderen wie Ernährungszustand und Krankheiten. verzeichnet wie alte Wege oder Landweh‑ Überlieferungen setzen sich die Karten der ren, Mühlenstandorte und längst verfüll‑ Flurnamenatlanten zusammen. Diese Flur‑ Die Anfänge einer systematischen Karto‑ te Steinbrüche. Für manche Städte liegen namen bezeichnen oft die Eigentümer eines graphie in NRW wurden um 1800 mit dem bereits ältere Stadtpläne wie beispielswei‑ Grundstücks (Müllers Kamp), die Nutzung Tranchot'schen Kartenwerk für das Rhein‑ se in Münster der Alerdinck’sche Plan von (Kuhkamp) oder besondere Eigenschaften land und Le Coq für Westfalen angelegt. 1636 vor, die den damaligen Zustand par‑ (Sandacker, Lehmpfuhl). Sie können aber Präziser und im einheitlichen Maßstab zellenscharf in Vogelschau abbilden, oft auch auf mittelalterliche Wüstungen hin‑ Das Luftbild zeigt keinen vorgeschichtlichen Grab‑ von 1:25.000 gehalten sind die Urmess- sogar mit Details der einzelnen Gebäude. weisen. Typische Flurnamen sind dann Kirch‑ hügel, sondern den Ringofen einer Ziegelei bei Dülmen‑Merfeld. LWL‑AfW/ J.-S. Kühlborn. tischblätter der preußischen Uraufnahme, hof, Wüste oder Worth oder sie tragen so‑ gar noch den Namen des Dorfes oder Hofes, Nicht nur die im Emschertal heute rekonstruierte Burg Henrichenburg, sondern auch die ihr vorausge‑ der hier untergegangen ist (Saller Wiesen hende Turmhügelburg sind im Aufmaß des Emscherlaufs von 1818 zu sehen. für Salle, Völsmerspoel für Volkesmehre). schwächer wachsen, wo dies nicht der Fall Landesarchiv NRW, Abt. Westfalen, Kartensammlung A 4145. Auf prähistorische Friedhöfe weisen Flur‑ ist, z. B. über Steinfundamenten. So lassen namen wie Heidenkerkhoff, während Borg sich bei guten Beobachtungsbedingungen stedde auf eine untergegangene Befesti‑ manchmal komplette Grundrisse von Gebäu‑ gung schließen lässt. Auch auffällige Wech‑ den oder die Umrisse von frühgeschichtli‑ sel der Flurformen, beispielsweise große, chen Grabgruben auf Äckern oder Wiesen runde oder polygonale Parzellen inmitten erkennen. Man kann sich hierbei auch zu‑ von Streifenfluren deuten auf wüst gefal‑ nutze machen, dass Schnee in Vertiefungen lene Höfe. Sind Höfe in Reihen angeordnet oder auf Gräben langsamer schmilzt als auf oder im Kreis um eine gemeinsam genutz‑ ungestörtem Boden. Filtert man geologi‑ te Flur (den Esch), lassen sich in Lücken alte sche Strukturen oder Pflanzenmerkmale her‑ Höfe rekonstruieren. aus, lassen sich im Luftbild Bodendenkmäler meist gut erkennen. Allerdings ist die Me‑ Weithin bekannt ist die Methode der Luft‑ thode stark von Wetterbedingungen abhän‑ bildarchäologie. Sie beruht auf der Tatsa‑ gig. Daher ist es zwar als Beleg für die Exis‑ che, dass Pflanzen dort stärker wachsen, wo tenz eines Bodendenkmals eindeutig, wenn mehr Nährstoffe und Wasser zur Verfügung das Luftbild einen Befund zeigt, aber ein Ne‑ stehen – z. B. weil im anstehenden Boden gativbeweis für das Nichtvorhandensein von ein mit Humus verfüllter Graben liegt – und Bodendenkmälern gelingt so in keinem Fall.

40 41 Inhalt fachliche Kriterien

Seit einigen Jahren steht der Archäologie mit dem Digitalen Geländemodell DGM (auch Airborne Laserscan) eine weitere Me‑ thode zum Erkennen und Lokalisieren ober‑ tägig sichtbarer Denkmäler zur Verfügung. Man bedient sich hier Daten der Landesver‑ messung. Sie führt regelmäßig flächende‑ ckend Befliegungen durch und sendet vom Flugzeug aus Milliarden von Laserstrahlen auf die Oberfläche. Aus der Zeit, die der re‑ flektierte Laserstrahl wieder zurück bis zum Flugzeug benötigt, lässt sich sehr genau die Höhe der Geländeoberfläche berechnen. Mit speziellen Filtern kann man dann se‑ kundäre Strukturen wie Gebäude, vor al‑ lem aber Wald, automatisch herausrechnen und hat so einen direkten Blick auf die Erd‑ 0 200 m oberfläche. Dabei sind in Deutschland schon Viel besser als im Luftbild zeigen sich die Wälle Tausende von bisher unbekannten Boden‑ Man könnte fast den Dorfplan zeichnen, so deutlich zeichnen sich die Häuser der bandkeramischen der Burg Babilonie bei im Digitalen Ge‑ denkmälern wie Grabhügel, Landwehren, Siedlung am Desenberg bei Warburg ab. Messung: LWL‑AfW/ J. Kainz. ländemodell. Kartengrundlage: Land NRW (2018). Wölbäcker oder Bergbaurelikte entdeckt dl-de/by-2-0. www.govdata.de/dl-de/by-2-0. worden, die bislang in den Wäldern ver‑ borgen waren. Selbstverständlich muss je‑ Die weitaus meisten Bodendenkmäler sind Bodengefüge darstellen, die von der Erd‑ des Objekt im Gelände überprüft werden. für Laien ohne weiteres nicht erkennbar oberfläche aus messbar sind. Je nach Dichte der Laserstrahlen geben sich (sogenannte untertägige Bodendenkmä‑ So lassen sich manchmal ganze Siedlungsplä‑ Zu den ältesten und einfachsten Methoden auch viele Details zu bereits bekannten Ob‑ ler), sei es, dass obertägige Strukturen nie ne auf den Bildschirm rekonstruieren, ohne der Denkmalerkenntnis zählt die Beobach‑ jekten wie Burgen jetzt zu erkennen, die existiert haben, sei es, dass sie im Laufe der dass der Archäologe den Spaten ansetzen tung und Vermessung von Veränderungen im Gelände kaum noch zu sehen sind. Gan‑ Zeit eingeebnet wurden. Bei begründetem muss. Nachteil ist, dass nur ein zweidimen- der Bodenoberfläche (sogenannte obertägi‑ ze Flursysteme mittelalterlicher Wüstungen Verdacht gelingt ihr Nachweis unter güns‑ sionales Bild erzeugt wird, das das Nachein‑ ge Bodendenkmäler). Wälle sind Hinweis auf lassen sich bei guter Erhaltung vom Bild‑ tigen Voraussetzungen trotzdem mit nicht‑ ander verschiedener Strukturen nicht abbil‑ vergangene Mauern oder Erdbefestigungen, schirm aus erkennen und zumindest grob invasiven, also zerstörungsfreien Methoden den kann. Auch fehlen oft konkrete Anhalts‑ Gruben können auf alten Bergbau oder halb dokumentieren und vermessen. Die Me‑ aus der Geophysik. Je nach Art des Objekts punkte zur Datierung und Einordnung der verschüttete Keller hindeuten, Hügel kön‑ thode erlaubt auch die Rekonstruktion von und der Fundstelle können einzeln oder in erkannten Befunde. Wie bei der Luftbildar‑ nen Begräbnisstätten aus vor‑ und frühge‑ Sichtbeziehungen zwischen verschiedenen Kombination Geomagnetik, Georadar, Geo‑ chäologie gilt hier auch, dass die Geophysik schichtlicher Zeit sein, aber auch Schlacken‑ Objekten, die Simulation von Hochwasser- seismik und andere Methoden angewandt nicht zweifelsfrei belegen kann, dass kein halden oder Meilerplätze. Oft erschließt sich ereignissen und viele Szenarien mehr, die werden. Alle beruhen darauf, dass Denk‑ Bodendenkmal existiert, denn längst nicht die Deutung einer Bodenveränderung erst helfen, das Siedlungsverhalten prähistori‑ malstrukturen wie Gräben, Gruben, Funda‑ alle Objekte lassen sich so erkennen. aus dem topographischen Zusammenhang. scher Gesellschaften zu untersuchen. mente etc. Veränderungen im natürlichen

42 43 Fachliche Kriterien fachliche kriterien

Zuweilen lassen auch Schriftquellen Rück‑ Hier muss fast flächendeckend mit Boden‑ schlüsse auf die Lage von Bodendenkmä‑ denkmälern gerechnet werden; eher ist nach lern zu. So geben z. B. Gerichtsprotokolle Arealen zu suchen, in denen keine Boden‑ Angaben zu benachbarten Gebäuden oder denkmäler vorhanden sind, vielleicht weil Höfen, z. B. wenn es um Grenzstreitigkeiten die Fläche durch Rohstoffabbau bereits zer‑ oder Wegebeschreibungen geht. Mehr zur stört ist. In diesen herausragenden Fund‑ Deutung von Bodendenkmälern und weni‑ landschaften wie z. B. der Warburger Bör‑ ger zu ihrer Lokalisierung sind Bildquellen de sind flächendenkend Bodendenkmäler zu geeignet. Bekannt sind die weit verbreite‑ vermuten, wurde hier doch über 7.000 Jahre ten Merian’schen Stadtansichten, aber auch intensiv gesiedelt. Aber auch wenn hier jetzt bei Landschaftsbildern lassen sich manchmal schon eine große Anzahl von Fundstellen be‑ heute nicht mehr existierende Gebäude oder kannt ist, ist doch jede weitere wichtig, um Kulturlandschaftselemente finden. die Dynamik der Besiedlung mit ihren Hö‑ Selbst unter den in vor‑ und frühgeschicht‑ hen und Tiefen genauer rekonstruieren zu licher Zeit dicht besiedelten Landschaften können. Je mehr man beispielsweise über Nordrhein‑Westfalens stechen einige noch die Abstände zeitgleicher Siedlungen weiß, besonders hervor, die zu unterschiedlichen umso besser kann man die jeweilige Be‑ Zeiten aus unterschiedlichen Kriterien ganz völkerungsdichte, die Größe und Nutzung besonders attraktiv für die Menschen wa‑ der landwirtschaftlichen Flächen und die ren. Das kann eine besondere Bodengüte Infrastruktur exakter rekonstruieren und sein, günstiges Klima oder eine besonde‑ Prognosen für andere Regionen erstellen. re Lage im Verkehrsnetz sowie Bodenschät‑ ze, um nur einige Beispiele zu nennen.

Das Gemälde von Bartholdus Schonlau zeigt nicht Im Mittelalter erschlossen, im 20. Jahrhundert nur das Kloster Dalheim, sondern auch die frühe‑ verschlossen: der Venetianerstollen bei Bestwig ren Gärten. Das hat ihre archäologische Unter‑ im Sauerland. suchung und Rekonstruktion stark vereinfacht. LWL‑AfW/ M. Baales. R. Pieper.

45 fachliche Kriterien fachliche Kriterien

In vielen Fällen ist die geologische oder bo‑ Jahrhunderte schon nach Rohstoffen ge‑ denkundliche Situation in einer Landschaft sucht und ihre Spuren hinterlassen haben. ausschlaggebend für den Nachweis einer be‑ Zusätzlich ist in der Nähe der Bergbau- stimmten Denkmalkategorie. Einsichtig sein stätten natürlich immer auch mit Verarbei‑ dürfte das bei historischen Steinbrüchen, die tungszentren zu rechnen, beispielsweise Ei‑ natürlich an entsprechende Rohstoffvorkom‑ senverhüttungsanlagen oder Kohlenmeilern. men gebunden sind. Besonders auffällig ist der Zusammenhang zwischen Geologie und Andere Denkmalgattungen sind an die we‑ Denkmallandschaft in den Montanregionen nigen noch ursprünglichen Moore gebun‑ Südwestfalens. Sind Stollen, Pingen etc. vom den. Dies können hölzerne Wegeverbindun‑ Vorhandensein bestimmter Erze oder Koh‑ gen, sogenannte Knüppeldämme sein, in len abhängig, so kann umgekehrt mit ho‑ seltenen Fällen aber auch Opferplätze wie her Sicherheit davon ausgegangen werden, Minden‑Unterlübbe oder Fundstellen von dass auch auf anderen entsprechenden La‑ Moorleichen. gerstätten die Prospektoren vergangener

Eiszeitliche Tierreste wie dieser Bisonschädel sind In jedem Fall sind Moore unersetzliche Archi‑ im Untergrund unserer Flusstäler nicht selten. ve organischer Substanzen, wie Pflanzenres‑ LWL‑Museum für Naturkunde/ G. Thomas. te, Pollen oder Holz, die Daten insbesondere zur Vegetations‑ und Klimageschichte kon‑ servieren. In größere Tiefen geht es nicht nur bei Millionen Jahre alten Kohleflözen mit den darin enthaltenen Pflanzenresten, son‑ dern z. B. auch bei den sogenannten Kno‑ Aus dem Recker Moor sind zwar noch keine chenkiesen, einer spezifischen Kiesschicht, archäologischen Funde bekannt, das Potential ist die vor etwa 65.000 Jahren insbesondere aber immens, zumindest für pflanzliche Reste zur im Emscherraum abgelagert wurde, den Rekonstruktion der Klimageschichte. LWL‑AfW/ C. Grünewald. Rheinkiesen oder den Sandablagerungen im Münsterland.

46 47 Fachliche Kriterien

Die im Untergrund enthaltenen eiszeitlichen Nordrhein‑Westfalen ist auch hier eine rei‑ Tierknochen und – seltener – Feuerstein‑ che Fundlandschaft, man denke nur an die werkzeuge des Neandertalers sind üblicher‑ mit fast 2 m Durchmesser größten Ammoni‑ weise durch meterdicke jüngere Ablagerun‑ ten der Welt bei Lüdinghausen ‑ Seppenrade. gen geschützt. Bei Tiefbaumaßnahmen in dieser Region werden diese Schichten im‑ Alle Kenntnis der verschiedenen Denkmal‑ mer wieder angeschnitten und Funde kön‑ kategorien und der vielfältigen Methoden, nen geborgen werden. Schaut man noch sie zu orten und zu erforschen ist aber um‑ tiefer in die Erdgeschichte, so können aus sonst, wenn die Fachleute nicht rechtzeitig der Kartierung erdgeschichtlicher Boden‑ in die Planungsprozesse einbezogen werden und Gesteinsschichten meist gute Progno‑ und ihr Urteil nicht gehört wird. Dann sind sen darüber abgeben werden, wo Fossilien vermeidbare Bauverzögerungen durch not‑ – versteinerte Tier- und Pflanzenreste – an‑ wendige Dokumentationsarbeiten vielleicht zutreffen sind. noch das kleinere Übel gegenüber dem Ver‑ lust an einzigartigen Geschichtsquellen.

Die größten Ammoniten der Welt wurden in Lüdinghausen‑Seppenrade gefunden. LWL‑Museum für Naturkunde Münster.

Diese Steingeräte aus der Zeit des Neandertalers traten bei einer Tiefentsandung bei Wadersloh zutage. LWL‑Museum für Naturkunde Münster/ M. Schlösser.

48 49 methoden methoden

Methoden der Denkmalerkundung

Um im Erdboden verborgene Fundstellen aufzuspüren, stehen in der Archäologie eine ganze Reihe von Methoden zur Verfügung, die je nach Fragestellung, Ressourcen und Fundplatzart ausgewählt und eingesetzt werden.

Feldbegehung

Die älteste Methode ist die schon seit über einhundert Jahren eingesetzte Feldbege‑ hung. Hierbei werden archäologische Fun‑ de, die durch Pflügen an die Ackeroberflä‑ che gebracht werden, gesucht, in ihrer Lage vermessen und eingesammelt. Dank moderner Messtechniken ist man heu‑ te in der Lage, jeden Fund individuell einzu‑ messen. Nach Bestimmung aller Funde lässt sich so ihre Verteilung thematisch sortiert kartieren. Anhand von Fundkonzentratio‑ nen oder in Kombination mit anderen Infor‑ Feldbegehung. E. Cott. mationen, z. B. historischen Karten oder Bo‑ denkarten, lassen sich so Rückschlüsse auf im Boden vorhandene archäologische Fundstel‑ len gewinnen. Dies gelingt aber nur dann, wenn die archäologischen Befunde nicht durch mächtige Erdschichten (Kolluvien oder Eschüberdeckungen) überlagert und so vor der Einwirkung des Pfluges geschützt sind.

LWL‑AfW/ C. Grünewald. Fundeinmessung. LVR‑ABR/ K. Salewski.

50 51 Methoden methoden und beispiele

Geophysikalische Prospektion Wurden zunächst obertägig sichtbare Re‑ likte fotografiert, erkannte man bald, dass Eingriffe in den natürlichen Boden lassen sich auch im Untergrund verborgene Fund‑ sich mit verschiedenen geophysikalischen stellen unter günstigen Voraussetzungen Messmethoden nachweisen. Bei der Geo‑ durch Merkmale im Bewuchs erkennen las‑ physik werden minimale Veränderungen des sen. Über Mauern wächst Getreide schlech‑ Erdmagnetfeldes gemessen, die durch die ter und reift früher, da hier weniger Wasser Verfüllung archäologischer Befunde verur‑ zur Verfügung steht. Verfüllte Gruben und sacht werden. Die Widerstandsmessung be‑ Gräben speichern mehr Wasser und Nähr‑ stimmt die Leitfähigkeit des Bodens, wäh‑ stoffe, so dass hier Pflanzen besser wach‑ rend beim Bodenradar die Reflektion des sen oder später reifen. Manchmal kommen ausgesandten Signals an archäologischen auch Wärmebildkameras oder Falschfarben‑ Befunden gemessen wird. filme zum Einsatz. Bei geeigneten Wetterbe‑ Spätrömischer Burgus im Bereich des vicus Belgica Alle drei Methoden sind zeitaufwändig, so dingungen ist es so möglich, archäologische bei Euskirchen. Grauwertdarstellung der Magne‑ tikmessungen (‑5nT schwarz bis +5 nT weiß). Qualifizierte Prospektion im Neubaugebiet süd‑ dass sich ihr Einsatz vor allem auf schon be‑ Fundstellen aus der Luft zu erkennen. Wie Geophysikalisches Messbild. lich von Gut Müllenark in Inden‑Schophoven. Ver‑ kannten Fundstellen und Verdachtsflächen auch in der geophysikalischen Prospektion LVR‑ABR/ J. M. Wippern. teilung der römischen (rot) und mittelalterlichen lohnt. Außerdem ist zu bedenken, dass je sind nur wenige Befunde bereits anhand ih‑ (blau) Einzelfunde. C. Keller auf Basis der Prospek‑ tion durch Büro für Prospektion/ M. Aeissen. nach Boden und Befundart viele Befunde im res Grundrisses datierbar. Vielfach bedarf es Trotz hoher Kosten ist dies noch die sichers‑ Messbild nicht erkennbar sind und sie zeit‑ zusätzlicher Feldbegehungen, um anhand te Methode, valide Informationen über lich nicht differenzierbar sind. So entziehen der Oberflächenfunde eine zeitliche Einord‑ Befunde und Funde in einer Fläche zu be‑ sich beispielsweise steinzeitliche Rastplätze nung zu ermöglichen. kommen. Kleinräumige Befunde wie Einzel‑ völlig der geophysikalischen Prospektion. gräber oder Hortfunde können so aber nur Systematische Sondagen im Ausnahmefall erkannt werden. Überdies Luftbildbefunde ist die Anlage solcher Suchschnittraster häu‑ Je nach örtlicher Situation lassen sich archäo‑ fig vom Rhythmus der landwirtschaftlichen Bereits kurz nach der Entwicklung der Flug‑ logische Fundstellen nur über die systemati‑ Nutzung abhängig, da Eingriffe in bestell‑ zeuge erkannten Archäologen und archäo‑ sche Anlage von Suchschnitten lokalisieren. te Ackerflächen nach Möglichkeit vermie‑ logisch interessierte Piloten, dass man aus Hierzu werden nach einem festen Raster um den werden. In Einzelfällen werden auch der Luft archäologische Fundstellen erken‑ die 10 % des fraglichen Arials mit Sondagen Bohrungen durchgeführt, z. B. um Erkennt‑ nen und prospektieren kann. untersucht. nisse zum Bodenaufbau oder Überdeckung von Fundplätzen durch jüngere Aufschüt‑ Geophysikalische Prospektion. Sondage in der Ruraue bei Jülich. LVR‑ABR. tungen zu gewinnen. In Feuchtböden wer‑ LVR‑ABR/ Geophysik. den mit Kernbohrungen Proben für Pollen‑ Plan der Ausgrabung südlich von Gut Müllenark in analysen gezogen. Inden‑Schophoven. Römische (rot) und mittelal‑ terliche (blau) Befunde. C. Keller auf Basis der Aus‑ Die Synthese aller Prospektionsmethoden grabung durch Fa. artemus/ M. Heinen, J. Englert. erlaubt eine fachlich optimal abgesicherte Abgrenzung eines Bodendenkmals, sei es für die Eintragung in die Denkmalliste oder für die Planung und Konzeptionierung ei‑ ner Ausgrabung.

52 53 Kriterium Topographie kriterium topographie

Das erkannte Bodendenkmal – Beispiele aus NRW

Wohnen am Ufer Weeze‑Vorselaer, Kr. Kleve

Ausgangslage: Einzelfunde und Sachstandsermittlung (Begehung, kl. Sondagen: fünf Flächen mit Fundkonzentrationen) Planung: Abgrabung (Kies) Verifizierung: 2007–2011 Flächengrabung Ergebnis: mehrperiodiger Siedlungsplatz

In Weeze‑Vorselaer, Kr. Kleve, fanden im Die Lage der Grabungsflächen in der Topo‑ Vorfeld einer Kiesgrubenerweiterung ar‑ graphie: H. Berkel auf Grundlage von Daten (DGM10) von Geobasis NRW. chäologische Untersuchungen eines seit LVR‑ABR/ H. Berkel, bearbeitet von M. Brüggler. der Bronzezeit bis in römische Zeit besiedel‑ ten Platzes statt. Die Siedlung liegt auf dem Uferwall der Vorselaerer Ley, einem Altarm der Niers. Pfosten markieren diverse Grund‑ risse von Wohngebäuden und Speichern, er‑ gänzt wurden die Hofanlagen durch Gru‑ benhäuser. Trotz des nahen Baches wurden mehrere Brunnen angelegt. Der Platz ist von den damaligen Menschen günstig gewählt: Er liegt gegenüber der Bachaue um etwa 2 m höher und damit hochwasserfrei. Auf sei‑ nen lehmig‑sandigen Böden konnte Acker‑ bau betrieben werden. Zugleich nutzte man die schweren, feuchten Böden der nahen Weeze‑Vorselaer. Die regelmäßigen, dunklen Bachaue als Weideland. Die Lage ist typisch Verfärbungen im Sand zeichnen den Grundriss eines hölzernen Hauses der Vorrömischen Eisen‑ für Siedlungen fast aller Zeitstellungen am zeit nach. LVR‑ABR/ M. Brüggler. Weeze‑Vorselaer. Gesamtplan. LVR‑ABR/ H. Berkel, bearbeitet von M. Brüggler. Niederrhein: Donken und Uferwälle, insbe‑ sondere deren Rand zu einer Niederung hin Literatur: M. Brüggler, Vorselaer – Fundplatz V: eine wurden bevorzugt aufgesucht. eisenzeitliche bis frührömische Siedlung. Archäologie im Rheinland 2010 (2011) 97–99.

54 55 Kriterium Topographie Inhalt

Jungsteinzeit im Münsterland Nottuln‑Uphoven, Kr. Coesfeld

Ausgangslage: Topographische Lage und Bodenverhältnisse Planung: keine Verifizierung: Begehungen, Luftbilder und Geophysik, gering dimensionierte Grabungen Ergebnis: mittelneolithische Siedlung, jungneolithisches Erdwerk, spätneolithi- scher Wohnplatz Nottuln‑Uphoven. Das Erdwerk wurde mit einem langen Suchschnitt 1983 prospektiert. Oberhalb der Steverquellen liegt bei LWL‑AfW/ J. Eckert. Nottuln ein nach Süden hin exponierter Der Graben des Erdwerks wies mehrere Durch‑ Hang der Baumberge, der durch ein kerbar‑ lässe auf. Die Innenfläche lag im Norden, aber Älter als das Erdwerk: Keramik der Rössener Kultur. LWL‑AfW/ S. Brentführer. auch außerhalb des Grabens konnten Befunde tiges Trockental begrenzt wird. Außerdem dokumentiert werden. Westfälische Wilhelms‑ gehören diese Ackerflächen zu einer der we‑ Universität Münster/ S. Bußmann. nigen Inseln fruchtbaren Lößbodens im an‑ sonsten durch Sand und Lehm geprägten Münsterland. Aufgrund der Geländetopo‑ Ackerbauern aus den Hellwegbörden ein‑ graphie und der Bodenverhältnisse stellt gewandert ist und dabei ihre Lebens‑ und sich Nottuln‑Uphoven als eine typische Sied‑ Wirtschaftsweise als „neolithisches Paket“ lungslage früh‑ und mittelneolithischer Bau‑ mitgebracht hat. Während der Michelsber‑ ernkulturen dar. ger Kultur (um 4.000 v. Chr.) befand an die‑ Systematische Begehungen durch ehren‑ ser Stelle ein aus Graben, Wall und Palisa‑ amtliche Mitarbeiter und die Universität de bestehendes Erdwerk. Den Abschluss der Münster ergaben mehrere hundert typisch Siedlungsspuren bildet ein Wohnplatz der neolithische Feuersteinartefakte. Zusätzlich späten Trichterbecherkultur (3.000–2.800 v. erfolgten Luftbildauswertungen und geo‑ Chr.). Dank zahlreicher naturwissenschaft‑ physikalische Prospektionen. Schließlich licher Analysen dürfte die Fundstelle eine fanden 1983/84 und 2007/08 kleinere Gra‑ der wichtigsten Informationsquellen für die bungen durch die LWL‑Archäologie und die Entwicklung der Jungsteinzeit im nördlichen Universität Münster statt. Demnach begann Westfalen sein. die jungsteinzeitliche Besiedlung in Nottuln mit einer der am weitesten in die norddeut‑ Literatur: J. Eckert, Ein mittel‑ und jungneolithischer sche Tiefebene vorgeschobenen Siedlung Siedlungsplatz bei Nottuln, Kreis Coesfeld. Bericht über die Ausgrabungen 1983–1984. Ausgrabungen der Rössener und Bischheimer Kultur (4.700– und Funde in Westfalen‑Lippe 4, 1987, 39–63. 4.300 v. Chr.). Rohmaterialien der Mahlstei‑ – C. Groer, Neolithisierung im Münsterland: Neues ne, aber auch Ergebnisse der Archäobotanik zum Siedlungsplatz von Nottuln‑Uphoven. Archäologie sprechen dafür, dass hier eine Gruppe von in Westfalen‑Lippe 2007 (2010), 169–172.

56 57 kriterium analogie kriterium analogie

Wohnen und Bestatten am Bach Bielefeld‑Sieker, Stadt Bielefeld

Ausgangslage: unbebaute Grundstücke an In Herzebrock‑Clarholz/Heerde, Kr. Gü‑ Aus den Beobachtungen lässt sich deutlich der Stralsunder Straße tersloh, konnten 1989 zwanzig Brandgrä‑ ablesen, dass viele kaiserzeitliche Siedler in Planung: Erweiterung des Sieker Friedho- ber und ein Körpergrab des 5. Jahrhunderts Ostwestfalen ihre Toten zur Bestattung über fes und Bebauung n. Chr. untersucht werden. Bisher einmalig einen Bach oder ein Gewässer trugen. Of‑ Verifizierung: Flächengrabungen 1960– in Ostwestfalen war die Aufdeckung von fensichtlich gehörte dieser Brauch zu den 1986 zeitgleichen Scheiterhaufenresten in einer Bestattungsriten bzw. mythologischen Vor‑ Ergebnis: Brandgräber und Siedlungen in wasserführenden, morastigen Senke unmit‑ stellungen der damaligen Menschen. typischer Konstellation telbar neben dem Gräberfeld. Etwa 500 m entfernt liegt ein spätkaiserzeitlicher Sied‑ Literatur: W. Best, Beobachtungen zum topografi‑ Blick aus der Vogelperspektive auf die kaiserzeit‑ An der Stralsunder Straße erstreckte sich eine lungsplatz, der heute von einem Bach durch‑ schen Verhältnis von Siedlungen und Friedhöfen der liche Siedlung in Bielefeld‑Sieker mit dem Bach Römischen Kaiserzeit und Völkerwanderungszeit in und dem Friedhof am rechten unteren Bildrand. Siedlung der Römischen Kaiserzeit und der flossen wird. Ostwestfalen. Archäologie in Ostwestfalen 8, 2003, LWL‑AfW/ G. Riedel. frühen Völkerwanderungszeit (2.–5. Jahr‑ In Petershagen‑Windheim, Kr. Minden‑Lüb‑ 47–53. hundert n. Chr.) mit 25 Haupt‑ und Neben‑ becke, waren drei Urnengräber des 4. Jahr‑ gebäuden, Speichern und Grubenhäusern hunderts n. Chr. an einem Altarm der am östlichen Ufer eines Bachlaufes. Bei ei‑ zwischen Brandgräbern der frühen Vorrömi‑ ner Erweiterung des Sieker Friedhofes etwa schen Eisenzeit beigesetzt. Jenseits der Flut‑ 300 m entfernt am westlichen Ufer des Ba‑ rinne, etwa 400 m entfernt, traten bei einer ches kamen 66 fast zeitgleiche Brandgräber Ausgrabung geringe Reste einer spätkaiser‑ zutage. Die Zusammengehörigkeit von Sied‑ zeitlichen Siedlung zutage. lung und Friedhof ist unbestritten. In Kirchlengern, Kr. Herford, wurde unmittel‑ bar an einem Bach eine Siedlung der Vorrö‑ Gräberfelder der Römischen Kaiserzeit be‑ mischen Eisenzeit und der Römischen Kaiser‑ finden sich in Westfalen oft in Sichtweite zeit untersucht. Jenseits des Baches sind bei der Siedlungen. Darüber hinaus ist eine kla‑ Feldbegehungen geringe Reste verbrannter re Trennung des Bereichs der Lebenden von Knochen gefunden worden, die auf einen den Toten durch einen Bach oder ein Gewäs‑ Bestattungsplatz hindeuten können. Brandbestattung in einer Urne aus ser in Ostwestfalen mehrfach nachgewie‑ Andere Friedhöfe des 2.–5. Jahrhunderts Bielefeld‑Sieker. LWL‑AfW/ W. Best. sen worden. In Hiddenhausen‑Oetinghau‑ etwa in Enger‑Siele, Kr. Herford, in Min‑ sen, Kr. Herford, wurde 1990 eine Siedlung den oder ‑Costedt, Kr. Min‑ des 3.–6. Jahrhunderts n. Chr. untersucht. den‑Lübbecke, sind ebenfalls in der Nähe In 400 m Entfernung fanden sich, durch ei‑ von Gewässern angelegt worden. Zu die‑ nen Bach vom Siedlungsgelände getrennt, sen Friedhöfen sind bisher keine Siedlungen 10 Brandgräber des 4./5. Jahrhunderts n. Chr. bekannt. Es wäre eine spannende Aufgabe, als Reste eines völlig zerpflügten größeren nach den Siedlungen jenseits der Gewässer Freigelegter Hausgrundriss in Hiddenhausen‑Oe‑ Gräberfeldes. zu suchen. tinghausen. Hinter dem Baum am linken Bildrand fließt der Bach, der Siedlung und Friedhof trennt. LWL‑AfW/ W. Best.

58 59 kriterium altfunde

Luxuriöses Wohnen bei den Römern Merzenich‑Golzheim, Kr. Düren

Ausgangslage: Altfunde von der Fläche Planung: Überbauung, B‑Plan B6 Verifizierung: Einzelfundkartierung, Ausgrabung Ergebnis: Villa rustica

Bereits seit Anfang des 20. Jahrhunderts war eine römische Fundstelle westlich der Ort‑ schaft Golzheim bekannt. Die Prospektion der Oberflächenfunde und die sich anschließenden Sondagen belegten das Vorhandensein der römischen Fundstel‑ le, deren Ausdehnung bereits von August Schoop zutreffend skizziert worden ist. Die nachfolgenden Ausgrabungen legten mehrere Gebäudefundamente einer größe‑ ren Villa rustica frei, die vom 1. bis in das 4. Merzenich‑Golzheim. Bergung von verstürztem Wandputz. Goldschmidt Archäologie/ H. Glasmacher. Jahrhundert hinein besiedelt gewesen ist. Östlich des in der Prospektion untersuchten Hauptgebäudes wurde ein weiterer, vermut‑ Merzenich‑Golzheim. Recherche und Ergebnis: lich zugehöriger Gebäudetrakt aufgedeckt. Einzelfundkartierung und Grabungsplan. LVR-ABR/ C.Keller. Trotz jüngerer Mauerausbrüche waren noch Bodenreste zweier Wasserbecken und Teile der Heizanlage erhalten, die eine Nutzung als Badehaus belegen. Funde von Fenster‑ Zwei weitere Wirtschaftsgebäude gehörten glas in diesem Bereich belegen die luxuriö‑ ebenfalls zur Ausstattung des Landgutes. se Ausstattung. Ein schlecht erhaltenes Grubenhaus belegt Ein Spitzgraben, der Fundamente des Haupt‑ die Nachnutzung des Hofgeländes im 6. oder gebäudes durchschneidet, stellt einen der 7. Jahrhundert. Es konnte allerdings nicht jüngsten Befunde dar. Vermutlich han‑ geklärt werden, ob es sich dabei um einen delt es sich um die äußere Befestigung ei‑ Ausschnitt einer größeren Siedlung oder le‑ nes noch nicht ergrabenen Burgus des 4. diglich um eine kurzzeitige Ansiedlung zur Jahrhunderts. Gewinnung von Altmetall gehandelt hat. Merzenich-Golzheim. Kanalleitung aus zweitver‑ wendeten Dachziegeln nach der Freilegung. Goldschmidt Archäologie/ H. Glasmacher.

60 61 Kriterium Fundplatz Kriterium: Fundplatz

Germanen an der Emscher Castrop‑Rauxel-Ickern, Kr. Recklinghausen

Ausgangslage: Lesefunde eines Privat- (2.800–2.000 v. Chr.). Eine dauerhafte Be‑ sammlers , Flintartefakte und ca. 100 siedlung ist ab der frühen Eisenzeit (ab Scherben Eisenzeit bis Hochmittelalter ca. 800 v. Chr.) belegt. Die Mehrheit der Planung: Hochwasserrückhaltebecken der zahlreichen Funde und Befunde gehören Emschergenossenschaft aber zu einer germanischen Siedlung, die Von der Eisenzeit bis zum Ende des Bergbaus: Im Im Schlamm entsorgt: Eine römische Schöpfkelle Verifizierung: Suchschnitte, Geomagnetik vom 1. bis zum Ende des 4. Jahrhunderts verlandeten Emscherbett finden sich die Spuren. und Siebe waren Bestandteil von Trinkgelagen. LWL‑AfW/ B. Gerdemann. LWL‑AfW/ S. Brentführer. Ergebnis: Einzelfunde vom Endpaläoli- n. Chr. bestand. Während dieser Zeit wur‑ thikum bis zur Jungsteinzeit, flächige Be- de eine Hofstelle innerhalb des Grabungs‑ siedlung von der Eisenzeit bis zur Völker- areals mehrfach verlegt. Eine weitere kur‑ wanderungszeit, altes Emscherbett, spät- ze Aufsiedlung erfolgte in der ersten Hälfte mittelalterlicher Hof auf ca. 20 ha des 13. Jahrhunderts n. Chr. mit einer einzel‑ 14.000 Jahre Siedlungsgeschichte in einem Plan: Das Hochwasserrückhaltebecken Castrop‑Rauxel-Ickern. nen Hofstelle. In der Emscheraue wurden ne‑ LWL‑AfW/ J. Pape. Als im Jahr 2004 Pläne für den Bau eines ben Torf‑ und Auelehmschichten zahlreiche Hochwasserrückhaltebeckens (über 30 ha) alte Flussgerinne angeschnitten. In einigen bei Castrop‑Rauxel-Ickern bekannt wurden, der verlandeten Gerinne fanden sich gro‑ waren von dort nur wenige Scherben und ße Mengen von Abfall aus den benachbar‑ Feuersteingeräte bekannt. Sie ließen eine ten eisen‑ bis kaiserzeitlichen Siedlungen. Fundstelle der Römischen Kaiserzeit unmit‑ Zudem zeigten dort erhaltene Holzpfahl‑ telbar nördlich der Emscher auf einem höher stümpfe die Standorte einfacher Stegbau‑ gelegenen sandigen Flugsandrücken vermu‑ ten der Eisen‑ bzw. Kaiserzeit im Fluss. Die ten. Derartige hervorgehobene Areale wur‑ Feuchtböden in den Auen mit ihren hervor‑ den in der Prähistorie vom Menschen immer ragenden Erhaltungsbedingungen für orga‑ wieder als Siedlungsfläche genutzt. nische Materialien sind ein einzigartiges Ar‑ Aus diesen Gründen wurde 2006 mit Such‑ chiv der Landschafts‑ und Kulturgeschichte. schnitten prospektiert, die die Notwendig‑ Deren Auswertung mit Hilfe archäologischer keit einer Flächengrabung im Bereich des Fachdisziplinen (z. B. Archäobotanik) liefer‑ Flugsandrückens belegten. In den Jahren te in Ickern neue Einblicke in die Umwelt‑ 2007–2010 konnten dann ca. 12 ha unter‑ geschichte an der Emscher von der Späteis‑ sucht werden. zeit bis in die heutige Zeit und zeichnet die Die erzielten Ergebnisse übersteigen bei wei‑ tiefgreifenden Veränderungen in der Land‑ tem die Erwartungen. So ist eine deutlich schaft in Folge zunehmend intensiver Nut‑ längere und intensivere Nutzung des Are‑ zung durch den Menschen nach. als nachzuweisen als zuvor angenommen. Einzelfunde sprechen für einzelne Aufent‑ Literatur: J. Pape, A. Speckmann (Hrsg.), Emscherzeit‑ halte des Menschen vom Spätpaläolithikum läufe. 14000 Jahre Mensch und Umwelt in Castrop‑Rauxel. (Darmstadt 2011). (ca. 11.000 v. Chr.) bis zum Endneolithikum

62 63 kriterium fundplatz kriterium fundplatz

Abgebrannt: ein mittelalterlicher Hof Hamm-Westhafen, Stadt Hamm.

Ausgangslage: Alte Fundmeldung das Hochmittelalter ergaben. Im gleichen Planung: Hafen an der Lippe Jahr legte dann noch ein gut 60 m langer Verifizierung: Sondagen, flächige Baggersondageschnitt zahlreiche relevante Ausgrabung archäologische Befunde frei. Diese waren Ergebnis: Früh‑ bis hochmittelalterliche letztlich Anlass für eine mehrjährige großflä‑ Siedlung mit Friedhof chige Ausgrabung auf dem Areal, die insge‑ samt eine Fläche von 4,2 ha betraf. Als der Bebauungsplan für das Westhafen‑ Dabei wurden neben Siedlungsresten der gelände in Hamm unweit der Lippe bzw. Vorrömischen Eisen‑ und Römischen Kaiser‑ des Datteln‑Hamm‑Kanals aufgestellt wur‑ zeit und einem kleinen frühmittelalterlichen de, kannten die Archäologen von dem hier Friedhof mit Schwertbeigaben vor allem überplanten, mehrere Hektar Fläche einneh‑ hochmittelalterliche Siedlungsreste doku‑ menden Gelände nur eine relevante Fund‑ mentiert. Von besonderer Bedeutung ist ein meldung. Danach ist hier 1938 bei Bauar‑ kompletter Hof aus einem großen Haupt‑ beiten ein Grubenbefund angeschnitten haus von knapp 35 m Länge und mehreren worden, in dem „germanische“ Keramik‑ Stall‑ bzw. diversen Nebengebäuden sowie scherben lagen. Tatsächlich handelte es zwei Brunnen, dessen Bauten mehrmals er‑ Hamm‑Westhafen. Luftbild des knapp 35 m langen Hauptgebäudes der hochmittelalterlichen Hofstelle. sich jedoch um hochmittelalterliche Kera‑ neuert wurden. Links im Bild (= Osten) ist die Kellergrube mit Brandschutt zu erkennen. LWL‑AfW/ H. J. Beck. mik, wie eine Überprüfung der Funde im Schadfeuer hatten u. a. eine Kellergrube Gustav‑Lübcke‑Museum Hamm ergab. des Haupthauses sowie ein südlich gele‑ Ausgehend von diesem alten Bericht wurden genes Grubenhaus zerstört; in dem Brand‑ im Jahr 2000 auf dem Areal Oberflächen‑ schutt lagen zahlreiche gut erhaltene Fun‑ prospektionen durchgeführt, die zahlreiche de, darunter der Fuß eines Kerzenleuchters Funde von der Römischen Kaiserzeit bis in in Hirschform. Die Größe der Anlage und ihre reichen, teils besonderen Funde bele‑ Hamm‑Westhafen. Ausschnitt aus der Grabungs‑ gen, dass hier ein Angehöriger der „besse‑ fläche mit den Befunden der hochmittelalterli‑ ren Gesellschaft“ residierte. chen Hofstelle. Aufgrund der Datierung der Schadfeuer in LWL‑AfW/ E. Cichy. die erste Hälfte des 13. Jahrhunderts ist nicht auszuschließen, dass die Hofanlage im Jah‑ re 1225 nach der Ermordung des Erzbischofs Engelberts von Köln in den sich bis in den Hamm‑Westhafen. Kerzenleuchterfuß (12,3 cm Raum Hamm hinein massiv auswirkenden lang u. 12,8 cm hoch) aus einer Kupferlegierung, Wirren untergegangen ist. gefunden im Brandschutt des Grubenhauses, das südlich des Hauptgebäudes lag. Ein deutlicher Literatur: E. Cichy, Der Siedlungsplatz Hamm‑West‑ Hinweis auf die gehobene Stellung der Bewohner. hafen. Bodenaltertümer Westfalens 46 (Mainz 2008). LWL‑AfW/ E. Cichy.

64 65 Kriterium Nähe zu Fundplatz Inhalt

Altmetallsammler Borken „West“, Kr. Borken

Ausgangslage: Gruben mit Fundmaterial der Römischen Kaiserzeit (1945) Planung: Wohnbebauung Verifizierung: Suchschnitte Ergebnis: Siedlungs‑ Markt‑ und Handels- platz des 1.–6. Jahrhunderts

1945 wurden am westlichen Stadtrand von Ein großer Teil der Bronzefunde war bereits Borken mehrere „Brandgruben“ mit Fund‑ verbogen und/oder zerbrochen in den Bo‑ material der Römischen Kaiserzeit entdeckt, den gelangt. Sehr wahrscheinlich handel‑ die kurz zuvor bei Schanzarbeiten ange‑ te es sich um Buntmetallschrott, der wohl schnitten worden waren. Dieser Fund war überwiegend aus römischer Provenienz nach Ende 1993 Anlass für eine Baggerschnittpro‑ Borken „West“ gelangte um hier weiterver‑ Auswahl römischer und germanischer Bronze‑ und Eisenfunde aus Borken „West“. spektion, als westlich der Altfundstelle ein handelt oder weiterverarbeitet zu werden. LWL‑AfW/ S. Brentführer. neues Baugebiet erschlossen werden sollte. Die Sondierung erbrachte Funde und Befun‑ Literatur: J. Gaffrey, A. Remme, Eine germanische de, die auf ein germanisches Siedlungsareal Handwerkersiedlung bei Borken. In: H. G. Horn u. a. (Hrsg.), Fundort Nordrhein‑Westfalen. Millionen schließen ließen und führte im Folgenden Jahre Geschichte (Mainz 2000), 337–338. – P. Ilisch, zu einer großflächigen Ausgrabung, bei der Römische Münzen aus Borken. In: H. G. Horn u. a. von 1994–1997 etwa 23.000 qm untersucht (Hrsg.), Fundort Nordrhein‑Westfalen. Millionen Jahre werden konnten. Geschichte (Mainz 2000), 341–342. – R. Wiegels, Rö‑ Das überaus reichhaltige Fundmaterial (ein‑ mische Bronzeplatten aus Borken. In: H. G. Horn u. a. (Hrsg.), Fundort Nordrhein‑Westfalen. Millionen Jahre 1 heimische und römische Keramik, Metall‑ Geschichte (Mainz 2000), 339–340. 2 gegenstände) zeigt eine zeitliche Spanne vom 1.–6. Jahrhundert n. Chr. und lässt ei‑ nen Schwerpunkt im 3. und 4. Jahrhundert vermuten. Bemerkenswert sind vor allem die zahlreichen kaiserzeitlichen und völker‑ wanderungszeitlichen Metallfunde, z. B. rö‑ 0 100m mische Münzen, Fibeln, Nadeln, Toilettege‑ räte, Reste von Bronzegefäßen, Bruchstücke Borken „West“. Fundstelle von 1945 (1) und Gra‑ Bronzetafelfragmente mit römischen einseitig beschrifteter Bronzetafeln, Gürtel‑ bung 1994–1997 (2). Geobasisdaten der Kommu‑ Namensinschriften. LWL‑AfW/ S. Brentführer. nen und des Landes NRW © Geobasis NRW 2016/ teile, Beschläge Teile von Pferdegeschirren, LWL‑AfW/ U. Brieke. Fingerhüte und Messer.

66 67 Inhalt Kriterium topographie

Die Wüstung Rozedehusen Warburg‑Bonenburg, Kr. Höxter

Ausgangslage: Historische Überlieferung Topgraphische Geländestrukturen Planung: Abgrabung Verifizierung: Flächige Untersuchung Ergebnis: Grangienwüstung Rozedehusen mit Buntmetallgießerei

Ein Haupthof Rozedehusen wird – damals noch zu Hessen gerechnet – Mitte des 11. Warburg-Bonenburg. Blick über das Wüstungs‑ Jahrhunderts erstmals urkundlich erwähnt. Warburg-Bonenburg. Die Grangienwüstung Roze‑ areal mit dem deutlich erkennbaren Mikrorelief. Der Besitz ging zu diesem Zeitpunkt an die dehusen. Plan der Grabungen 1995–1999. LWL‑AfW/ R. Bergmann. Entwurf: LWL‑AfW/ R. Bergmann/ Kartographie: Bodenkacheln und Krug des 13. Jahrhunderts aus Paderborner Kirche. Erste Hinweise auf die Maßwerke GbR Münster. dem Grangienhof. LWL‑AfW/ S. Brentführer. Lokalisierung des Ortes, der bereits im 14. Jahrhundert wieder wüst fiel, gab der Flur‑ name „Zu Rohzen“. In der Landschaft fass‑ bar war eine flache Quellmulde im Grünland. Ein zweiter Hof war mit einem Steinkel‑ Auffällig waren einige hügelartige Erhebun‑ ler ausgestattet – zwischen beiden lag ein gen, besonders aber der Rest eines Dam‑ künstlich aufgestauter Teich. Umgeben war mes. Die archäologischen Untersuchungen das Ensemble von handwerklichen Einrich‑ im Vorfeld der Zerstörung durch fortschrei‑ tungen: zwei Schmieden, einer Buntmetall‑ tenden Tonabbau haben die Bau‑ und Nut‑ gießerei und einer Bäckerei, die sicher alle zungsgeschichte in entscheidenden Punkten über den Eigenbedarf hinaus produzierten. geklärt. Danach beginnt die Besiedlung mit Bereits nach weniger als 100 Jahren endete einem landwirtschaftlich orientierten Hof in die Geschichte des Ortes, als – vielleicht be‑ der Zeit um 800. Im frühen 13. Jahrhundert dingt durch lokale Fehden – das Dorf Bonen‑ änderte sich der Charakter des Ortes zu ei‑ burg im Schutz einer Burg gegründet wurde. nem klösterlichen Wirtschaftshof, einer so‑ genannten Grangie. Ein Hof besaß als Kern Lit.: R. Bergmann, Die zisterziensische Grangienwüs‑ ein quadratisches Steinwerk, in dem Vorräte tung Rozedehusen in Westfalen. In: Rolf Bärenfänger (Hrsg.), Zisterzienser im Norden. Neue Forschungen vor Feuer geschützt gelagert werden konn‑ zur Klosterarchäologie. Internationale Archäologie. ten und an das sich ein langgestrecktes Vor‑ Arbeitsgemeinschaft, Symposium, Tagung, Kongress, derhaus anschloss. Verzierte Bodenfliesen Band 9 (Rahden/Westf. 2007), 57–65. und Fragmente von mehreren Aquamani‑ len zeugen von gehobenem Lebensstandard.

69 kriterium alter ort kriterium alter ort

Dicht besiedelt – Die Aachener Altstadt Aachen, Stadt Aachen

Ausgangslage: Alter Ort, Baubeobachtungen, Weltkulturerbe Aa- chener Dom Aachen. Eine römische Jaspisgemme (wohl 2. Planung: Stadterneuerung Jahrhundert) mit Darstellung eines Silen/Satyr, der einen Ziegenbock mit Weintrauben füttert. Verifizierung: Grabungen und Stadt Aachen/ A. Schaub. Baubeobachtungen Ergebnis: Dichte, kontinuierliche Besiedlung mit umfangreicher Stratigraphie

Die Aachener Altstadt ist geprägt durch die Aus ihr entwickelte sich die hoch‑ und spätmit‑ beiden sich zeitlich ablösenden mittelalter‑ telalterliche Reichsstadt. Unzählige Boden‑ lichen Stadtumwehrungen des späten 12. eingriffe der letzten Jahrzehnte zeigen, dass bzw. des 13./14. Jahrhunderts. Ihre Verläu‑ sich in nahezu der gesamten Altstadtfläche fe, der Alleenring außen und der Graben‑ Bodendenkmäler unterschiedlicher Qualität ring innen, sind prägend für das heutige und Zeitstellungen erhalten haben. Stadtbild. Innerhalb des älteren Stadtmau‑ Dazu trägt auch der Umstand bei, dass an‑ errings (sogenannte „Barbarossamauer“) be‑ thropogene Schichten teils bis über 7 m un‑ findet sich auch die rund 25–30 ha große ter die heutige Geländeoberfläche reichen. Siedlungsfläche des römischen Vicus „Aquae Dies führt dazu, dass sich selbst unterhalb Granni“, dessen orthogonales Straßensys‑ neuzeitlicher Keller oft noch bedeutende tem sich zum Teil bis heute im Stadtbild archäologische Schichten erhalten haben. abzeichnet. Im 5. Jahrhundert erhielt Aa‑ Vor diesem Hintergrund muss die gesamte chen eine Befestigung, Beleg für eine kon‑ Altstadt auch dort als bodendenkmalpfle‑ tinuierliche Besiedlung über den Zusam‑ gerische Verdachtsfläche gelten, wo gesi‑ menbruch des Römischen Reichs hinaus. cherte Hinweise auf konkrete Befunde bis‑ Im Zentrum der Stadt liegt die karolinger‑ her nicht vorliegen. zeitliche Pfalzanlage mit dem Unesco Welt- erbe „Aachener Dom“. Die Grabungen 2008 im Elisengarten zeigten exemplarisch die dichte Befundlage in der Altstadt. Stadt Aachen.

70 71 kriterium alter ort Inhalt

Das Dorf im Dorf Paderborn‑Wewer, Kr. Paderborn

Ausgangslage: unbebautes Wiesenstück Gleiches gilt für die hauptsächlich zum We‑ (ehemaliger Pfarrgarten) im historischen ben genutzten Grubenhäuser, bei denen Ortskern, 60–100 m nördlich der Kirche St. es zu mehrfachen Überschneidungen kam. Johann Baptist, keine Lesefunde bekannt Im 12. Jahrhundert gibt es keine Grubenhäu‑ Planung: Neubau einer Wohnanlage ser mehr und die Pfostenhäuser werden all‑ Verifizierung: Flächengrabung auf dem mählich von Schwellbalkenhäusern abgelöst. 1.700 qm großen Areal der anstehenden Im Boden erhalten sich Spuren dieses neu‑ Bodeneingriffe en Bautyps nur dann, wenn sie unterkellert Grabungsergebnisse: Siedlungsausschnitt sind. Allerdings lässt sich auch anhand der aus der frühen Dorfgeschichte mit Teilen Grubenverteilung noch ein Weiterleben der von drei Höfen aus der Zeit vom 7./8. Jahr- Höfe bis ins frühe 14. Jahrhundert nachwei‑ hundert –13./14. Jahrhundert. sen. Da keine jüngeren Siedlungsspuren auf der untersuchten Fläche vorhanden waren, Die flächige Ausgrabung ergab eine un‑ müssen wir davon ausgehen, dass mitten in erwartet hohe Befunddichte. Auf einem Ortskern von Wewer mehrere Hofstellen im seit dem Spätmittelalter unbebauten Are‑ 14. Jahrhundert wüst fielen. Blick auf vier sich überlagernde Grubenhäuser des 9.–11. Jahrhunderts. LWL‑AfW/ S. Spiong. al konnte erstmals ein Teil der Gründungs‑ und Frühgeschichte des Ortes archäologisch Lit.: S. Spiong, Die ältesten Höfe im Ortskern von Pa‑ erfasst werden. Bei mindestens zwei der drei derborn‑Wewer. Archäologie in Westfalen‑Lippe 2013 (2014), 100–103. – S. Spiong, Archäologen forschen neu entdeckten Hofstellen reichen die Nach‑ im Ortskern von Paderborn‑Wewer. Westfalen 93, weise bis ins 7./8. Jahrhundert zurück. Da‑ 2015, 173–205. mit ist der Ort mindestens hundert Jahre älter als seine erste schriftliche Überliefe‑ rung von 835. Spätestens um 1000 kommt eine dritte Hofstelle hinzu, die allerdings nur in ihrem äußersten nördlichen Randbe‑ reich untersucht werden konnte. Anhand der Grabungspläne lassen sich die einzel‑ nen Hofareale bis weit ins 11. Jahrhundert gut voneinander abgrenzen. Zu jedem Hof gehörten ein größerer, als Wohnhaus ge‑ nutzter ebenerdiger Pfostenbau und ein Grubenhaus als Nebengebäude. Beim fast vollständig erfassten nordwestlichen Hof zeichnen sich über Jahrhunderte gleich‑ bleibende Flächennutzungen ab. So wurde Warum diverse Rinder und Schweine im Hofareal Phasenplan der Grabung mit Befunden des 8.–14. Jahrhunderts. LWL‑AfW/ O Heilmann, S. Spiong. das Wohnhaus mehrmals an gleicher Stelle vergraben wurden, ist ein Rätsel. LWL‑AfW/ S. Spiong. bzw. nur leicht versetzt wieder aufgebaut.

72 73 kriterien kriterium kirchenstandort

In Heiden war der älteste Bau eine dem hei‑ ligen Kilian geweihte Saalkirche mit Recht‑ eckchor, der wohl um 1200 entstand. Nach‑ weisen ließ sich noch ein Glockenturm, über den die Schriftquellen natürlich nichts berichten. Nach Kriegszerstörungen im 15. Jahrhun‑ dert wurde eine neue Kirche auf den alten Zu früh gestorben: unverheiratet gestorbene Grundmauern errichtet, diesmal mit Polygo‑ Frauen wurden mit einer Totenkrone nalchor. Sie wurde 1891 durch einen Neubau geschmückt. LWL‑AfW/ S. Eismann. ersetzt, dessen Qualität aber wohl so mäßig war, dass er bereits nach weniger als 100 Jah‑ ren baufällig war, Kriegszerstörungen taten ihr Übriges. Von ihm konnten vor allem noch Drei untergangene Kirchen große Strebepfeiler dokumentiert werden. Heiden, Kr. Borken Vor dem Chor der gotischen Kirche lag eine Klerikerbestattung, im nördlichen Seiten‑ Ausgangslage: Parkanlage „Alter schiff das Grab einer jungen Frau. Auf dem Kirchplatz“ Kopf trug sie eine Totenkrone, wie man sie Planung: Bebauung vor allem im 17. und 18. Jahrhundert unver‑ Verifizierung: Suchschnitte, Grabung heirateten Frauen mit ins Grab gab. Ergebnis: Drei sich ablösende Kirchenbau- Die Untersuchungen belegen nicht nur die ten im Grundriss fast vollständig erhalten Erfahrung, dass bei Kirchenbauten mit ho‑ her Platzkontinuität zu rechnen ist, sie be‑ Kirchen wechseln nur ausgesprochen selten leuchten auch das wechselvolle Auf und Ab ihren Standort, so dass in aller Regel an den des kirchlichen Lebens in einem münster‑ überlieferten Standorten mit älteren Bau‑ ländischen Dorf. ten und Spuren von Umbauten gerechnet werden muss – ganz zu schweigen von Be‑ Literatur: S. Eismann, Drei Kirchen, eine Totenkrone, stattungen in der Kirche und dem umgeben‑ ein Brunnen – die Ausgrabung der Alten Kirche in Hei‑ den. Archäologie in Westfalen 2010 (2011), 181–184. den Kirchhof. Im Dorfzentrum von Heiden sollte die Park- anlage „Alter Kirchplatz“ überbaut werden. Bis in die 1970er-Jahre stand hier die ka‑ Vor der Grabung: ein beschaulicher Dorfplatz. tholische Pfarrkirche St. Georg. Seitens der Das Bodendenkmal ruht unter dem Pflaster. LWL‑AfW/ S. Eismann. Kommune wurde dargelegt, dass die letz‑ te Kirche gesprengt worden sei und daher keine Reste mehr zu erwarten seien. Erste Probeuntersuchungen zeigten, dass nicht nur Fundamente dieser Kirche erhalten wa‑ Immer wieder am gleichen Platz: die Kirchen von Heiden. LWL‑ AfW/ S. Eismann. ren, sondern auch solche ihrer Vorgänger.

74 75 Kriterium kirchenstandort Inhalt

Bestattet – Umgebettet Grevenbroich‑Frimmersdorf, Rhein ‑Neuss ‑Kreis

Ausgangslage: Ehemaliger Friedhof und dokumentieren. Darüber hinaus fan‑ Planung: Überbauung den sich in diesen Grablegen die Skelettres‑ Verifizierung: Ausgrabung te älterer Beisetzungen, die wieder bestat‑ Ergebnis: Friedhof und Ossuarium tet worden waren. Die Altersstellung der ältesten aufgedeck‑ Beim Anlegen einer behindertengerechten ten Gräber, die sich durch eine separat ein‑ Zugangsmöglichkeit zur Kirche St. Martin in gegrabene Nische für den Kopf zu erkennen Frimmersdorf stießen Bauarbeiter auf ein‑ geben, ist noch unklar. Möglich ist, dass sie zelne menschliche Skeletteile. Dass man sich aus der Zeit der ersten schriftlichen Über‑ hier auf einem im 19. Jahrhundert aufgege‑ lieferung der Pfarre aus dem 13. Jahrhun‑ benen Friedhofsareal befand, war aus dem dert stammen. Ein besonderer Befund die‑ kollektiven Gedächtnis scheinbar verdrängt ser Art war eine Grube, die mit Skelettteilen worden, so dass keine vorherige Beteiligung von mindestens 220 Toten gefüllt war. Eine der Denkmalfachbehörden stattgefunden vorherige denkmalfachliche Beurteilung der Aufsicht auf eines der ältesten Gräber des Friedhofes bei der Kirche St. Martin in Frimmersdorf mit hatte. Die verständigten Archäologen des Bauplanung hätte sicherlich zur denkmal‑ separat ausgearbeiteter Nische für den Kopf der bestatteten Person. LVR‑ABR/ C. Schwabron. LVR‑Amtes für Bodendenkmalpflege muss‑ schonenden und die Totenruhe berücksichti‑ ten in der Folge vor der Bebauung die genden Umplanung der Zufahrtsrampe füh‑ Reste von insgesamt 101 Gräbern freilegen ren können. Aufsicht auf das freigelegte Ossuarium mit den Resten von mindestens 220 Toten, die wohl im Zuge des Übersichtsaufnahme der Untersuchungsfläche in Frimmersdorf mit dem freigelegten Ossuarium für das Jahr 1765 belegten Ausbau der Kirche aus älteren Gräbern umgebettet wurden. zwischen Kirche und Pfarrhaus. LVR‑ABR/ C. Haase. LVR‑ABR/ C. Haase.

76 77 kriterium altkarten kriterium altkarten

Dritter Menzenberger Hof – Weingut der Kölner Jesuiten Bad Honnef, Rhein ‑Sieg ‑Kreis

Ausgangslage: Fundstelle auf Altkarten Planung: keine Halling, 1689–1700 Hilger Ließem, 1700– Verifizierung: Geländebegehung 1728 Peter Urbach, 1728–1740 Johann Stein‑ Ergebnis: Denkmalerfassung bach und bis 1837 Witwe Heinrich Steinbach urkundlich benannt. 1751 wird die Lieferung In der Karte zum Güterverzeichnis des Köl‑ von 1.300 Dachziegeln von J. Th. Quinck und ner Jesuitenkollegs von 1739 ist am Men‑ 1834 werden das Wohnhaus, ein Kuhstall zenberg in Bad Honnef ein dem Kloster und das Kelterhaus in den Aufzeichnungen Die Lage des Weingutes auf der preußischen Ein Bruchsteinhügel als letzter Rest des gehörendes und aus mehreren Gebäuden des Jesuitenkollegs Köln aufgeführt. Urkatasterkarte von 1825 mit Haupt‑ und ehemaligen Wohngebäudes im heute bewaldeten Nebengebäuden, Grundlage für die Eintragung Gelände. LVR‑ABR/ U. Ullrich‑Wick. bestehendes Weingut eingezeichnet. Die als Nach der Säkularisation 1803 gelangten die des Bodendenkmalschutzbereiches. „Dritter Menzenberger Hof“ bezeichnete Jesuitenbesitzungen 1815 in preußischen Land NRW (2018). dl-de/by-2-0. www.govdata.de/ Anlage ist seit 1625 historisch belegt. Da‑ Domänenbesitz und wurden dem Bergi‑ dl-de/by-2-0. Bearbeitung: LVR‑ABR/ C. Wohlfarth. mals verkauften die Besitzer Johann Krechen schen Schulfond zugewiesen. 1835 wur‑ und Giertgen Haller ihren Besitz während de der ehemalige jesuitische Pachthof für des Dreißigjährigen Kriegs für 3.050 Taler an 1.930 Reichstaler versteigert und gelang‑ Catharina von Merl in Bonn, diese verlieh das te in Besitz des vermögenden Kaufmanns Der Winzerhof (0,2 ha) lag Südsüdwest- Die kartographischen Darstellungen und Gut an Arndt Krempgen und Margaretha. C. W. Rüping aus Düsseldorf, ebenso wie das orientiert auf einem natürlichen Plateau, historischen Überlieferungen belegen so‑ 1638 verkaufte sie das Weingut für 4.000 heutige „Weingut Menzenberg“. Nach dem umgeben von steil terrassierten Weinbergen. mit eine mehr als 300 Jahre alte Existenz des Taler an die Jesuiten. In den knapp 200 Jah‑ großen Reblausbefall von 1874 konnte das Das Gelände bildet hier eine von drei Seiten Weingutes und der Weinberge in der Flur ren jesuitischen Besitztums werden verschie‑ Weingut nicht länger gehalten werden, 1884 geschlossene Naturarena um die ehemalige „Im Alten Berge“. Selbst auf der Topographi‑ dene Pächter und Halbwinner wie Dederich erfolgte dann der Abbruch der Gebäude. Hofanlage. An der damaligen Hofeinfahrt schen Karte von 1966 ist noch der Grundriss ist eine alte Eiche erhalten. Ansonsten sind des ehemaligen Wohngebäudes eingetra‑ die historischen Relikte als Bruchsteinhalden gen. Luftbildaufnahmen von 1957 und 1967 der abgebrochenen Gebäude erkennbar und belegen die Aufforstung der einstigen Wein‑ mit jüngeren Laubbäumen bewachsen. Zum berge und des Hofareals des Weingutes. Teil sind die Grundmauern bzw. Fundament‑ oder Kellermauerzüge noch sichtbar. Literatur: A. Nekum, 1100 Jahre Weinbau in Honnef Die Gebäude waren teils massiv mit lokal (Bad Honnef 1993). – A. Nekum, Tausend Jahre Selhof, hundert Jahre Bürgerverein (Bad Honnef 1988) 33, 38. anstehenden Basaltbruchsteinen (Wohnge‑ – K. Freckmann, Aspekte des historischen, ländlichen bäude) als auch Ziegelsteinen, teils in Fach‑ und kleinstädtischen Hausbaues am Siebengebirge. werk (Wirtschaftsgebäude) errichtet. Eini‑ In: B. Schmidt, H. Köhren‑Jansen und K. Freckmann, ge Gebäude waren schindelgedeckt, wie Auf den Spuren alter Häuser. Jahrringdatierung und Funde von gelochten Schieferplatten vor Bauweise 2 (Marburg 2001), 289–368, Abb. 242. Ort belegen. Das Fachwerk war verputzt, Reste von Wandverputz lagen bei den Bad Honnef. Jesuitische Besitztümer am Menzenberg 1739 mit Kartierung der heutigen Wüstung Bruchsteintrümmerstücken. „Dritter Menzenberger Hof“. Stadt Köln, Historisches Archiv/ KStA Best. 223 (Jesuiten) A 105.

78 79 kriterium altkarten kriterium altkarten

Flussauenlandschaft — Eine Hochflutwehr der Niers an der ehemaligen Wasserburg Clörath Viersen, Kr. Viersen

Ausgangslage: Wüstung, Tranchotkarte, Luftbild Planung: Anlage von Kleingewässern im Bereich des historischen Niersverlaufs im Rahmen der Neuaufstellung eines Landschaftsplanes Verifizierung: Archäologische Begleitung der Maßnahme Ergebnis: Schleuse, Uferrandbefestigungen Niersverlauf bei Clörath in der ersten Hälfte des Luftbild 2002: Verlauf der Blänken auf dem Die Niers erfuhr im Kr. Viersen in den 1920er- Sie war noch in einer Breite von 13,5 m 19. Jahrhunderts. Tranchotkarte. ehemaligen Niersbett. Das in den 1920er-Jahren angelegte, begradigte Flussbett ist in der linken Jahren eine Begradigung bzw. Überführung bzw. einer Länge von 5,8 m erhalten und unteren Bildecke zu sehen. Land NRW (2018). dl- in ein neues Bett. Ihr alter Verlauf wie auch diente der Regulierung des Wasserzulaufs de/by-2-0. www.govdata.de/dl-de/by-2-0. die von ihr gespeisten ehemaligen Wasser‑ in Richtung auf Haus Clörath bei Hochwas‑ gräben von Haus Clörath – einer Burg aus ser. Dies war unter anderem auch nötig, um der frühen Neuzeit – sind bis heute in wei‑ die Mahltätigkeit der zugehörigen Öl‑ und ten Teilen der Auewiesen noch als Senke er‑ der Getreidemühle, die heute noch existiert, kennbar. Es war damit zu rechnen, dass etwa reibungslos zu gewährleisten. Das Boden‑ Mühlenreste oder wassertechnische Einbau‑ denkmal konnte in Gänze erhalten bleiben ten freigelegt werden würden. Zutage ka‑ und wurde wieder mit Erdreich überdeckt. men hölzerne Uferrandbefestigungen und der Rahmen eines Bootssteges sowie eine Literatur: J. Obladen‑Kauder, Kulturlandschafts‑ und massiv aus Steinmaterial erbaute, dreiteili‑ Bodendenkmalpflege am Beipiel der Wasserburg Clörath. Archäologie im Rheinland 2001 (2002) ge Sperrschleuse aus dem 18. Jahrhundert. 119–120. – I. Martin, Ein wiederentdecktes Wehr an der Niers bei Haus Clörath. Archäologie im Rheinland 2001 (2002) 121–122.

Anlage eines neuen, begradigten Bettes der Niers Hochflutwehr während der Ausgrabung. in den 1920er-Jahren. Niersverband. LVR‑ABR/ H. Berkel.

80 81 kriterium altkarten methode luftbild digitales geländemodell

Frühneuzeitliche Belagerungswerke Rheinberg, Kr. Wesel

Ausgangslage: Historische Karten Planung: keine Verifizierung: Luftbilder, Laserscan‑ Aufnahmen Ergebnis: Denkmalerfassung

Die einstige Rheininsel bei Rheinberg Dabei zeigen die Altkarten eine erstaunlich war im Spanisch‑Niederländischen Krieg detaillierte Darstellung einzelner Befesti‑ ( 1568 –1648 ) für Angreifer wie Verteidiger gungsanlagen aus dem Umfeld der Stadt. von großer strategischer Bedeutung. Laserscan und Luftbildarchäologie weisen 1606 wurde Rheinberg belagert, jedoch be‑ darüber hinaus weitere Befunde auf, die auf reits 1517 zeigt ein Kupferstich eine Schan‑ keiner Karte eingetragen sind. Deutlich zu ze. Da vor allem der Osten Rheinbergs bis erkennen sind auf allen Abbildungen unter heute größtenteils unbebaut ist, liegen anderem die ausgeprägten Gräben, wie das besonders günstige Bedingungen vor, um Beispiel im direkten Umfeld der Effer Schanz eine gezielte Auswertung von LIDAR‑Da‑ eindrucksvoll dokumentiert. ten, Luftbildern und Altkarten der mehrpe‑ riodigen Belagerungswerke aus dem Spa‑ Literatur: E. Rung, Neue Erkenntnisse zum Umfeld der nisch-Niederländischen Krieg vorzunehmen. Effer Schanz bei Rheinberg. Archäologie im Rheinland Genau vermessen: Die Stadt Rheinberg und ihre 2015 (2016) 201–203. Sie führte zur Entdeckung von rund 30 Be‑ Befestigungen. Oben links im Bild die Effer Schanz. Altkarte. Stadtarchiv Rheinberg. festigungselementen aus der wechselvollen frühneuzeitlichen Belagerungsgeschichte.

Die sternförmige Effer Schanz im Digitalen Geländemodell, jetzt ganz deutlich. Land NRW (2018). dl-de/by-2-0. www.govdata.de/ Im Luftbild kaum zu sehen: die Effer Schanz bei dl-de/by-2-0. LVR‑ABR/ E. Rung. Rheinberg. Ruhr-Universität Bochum/ B. Song.

82 83 kriterium flurnamen kriterium flurnamen

Steinerner Wohnturm – Die Wüstung Elsinchusen Geseke, Kr. Soest

Ausgangslage: Flurnamen Verifizierung: Begehung, Prospektion, flä- chige Grabung Ergebnis: Haupthof Elsinchusen mit Wohnturm

Auf Altkarten wie dem preußischen Urkata‑ ster der 1830er-Jahre verweisen spezifische Flurnamen auf mittelalterliche wüstgefalle‑ ne Höfe und Siedlungen. Dies sind u. a. alle mit -hof zusammengesetzten Flurbenennun‑ gen und solche, die den Begriff „Worth“ enthalten. Derartige Geländebereiche sind In der Flur „Aufm Kirchhofe“ konnte die Blick über die Grabungsfläche mit den Fundamenten des Wohnturms. LWL‑AfW/ R. Bergmann. nachfolgend mit konventionellen Metho‑ Wüstung Elsinchusen durch mehrere Scherben‑ konzentrationen nachgewiesen werden. Kartie‑ den prospektiert worden. Durch die Prospek‑ rung: LWL‑AfW/ R. Bergmann nach Urkataster tion mittels der kartographischen Metho‑ von 1821. de, die schnell und wenig kostenintensiv ist, sind in Westfalen rund 360 Ortswüstungen (32 %) des historisch nachweisbaren Gesamt‑ Ein Brunnen sicherte die Wasserversorgung. bestandes an Wüstungen archäologisch lo‑ Oberflächenfunde belegen, dass hier Eisen kalisiert worden. Auch der in der Flur „Auf verarbeitet wurde, während Kinderspiel‑ dem Kirchhofe“ lokalisierte und nachfol‑ zeug zeigt, dass es sich hier nicht ausschließ‑ gend aufgrund seiner Gefährdung unter‑ lich um ein Wirtschaftsgebäude gehandelt suchte grundherrschaftliche Haupthof Elsin‑ hat. Ein Rätsel bleibt, dass Elsinchusen erst chusen wurde so nachgewiesen. 1358 erstmals in den Schriftquellen auf‑ Im Zentrum stand ein steinerner Wohnturm taucht, nach Ausweis der Funde aber zu die‑ von ca. 11,8 x 11,3 m Außenmaß. Die Mau‑ sem Zeitpunkt nicht mehr bestand. erstärke von 1,5 m weist auf ein mehrstöcki‑ ges Gebäude. Im Erdgeschoss wurden sicher Literatur: R. Bergmann, Der hochmittelalterliche Vorräte gelagert, während die Obergeschos‑ Wohnturm in der Ortswüstung Elsinchusen bei Geseke, Kr. Soest. In: B. Trier (Hrsg.), Zwischen Pflug se zu Wohnzwecken dienten. und Fessel. Mittelalterliches Landleben im Spiegel der Wüstungsforschung. Ausstellungkatalog Westfälisches Museum für Archäologie (Münster 1993) 93–102. Kinderspielzeug wie das Miniaturgefäß und das Pferdchen sorgten für Zeitvertreib. LWL‑AfW/ S. Brentführer (links), LWL‑Denkmalpflege, Landschafts‑ und Baukultur (rechts).

84 85 Inhalt Kriterium geländemerkmale

Diese zunächst unscheinbaren Strukturen im Wald gaben sich durch die Ausgrabung als eine Reihe Aufsicht auf eine fast vollständig ausgegrabene Ofenanlage der Römischen Kaiserzeit mit Ofenküche im mehrerer Kalkbrennöfen der Römischen Kaiserzeit zu erkennen. LVR‑ABR/ E. Claßen. Bildvordergrund, der Ofenschnauze im Mittelgrund und die dahinterliegende Brennkammer. Tegutec, LVR‑ABR/ M. Green.

Kalkbrennen bei den Römern Bergisch Gladbach‑Sand, Rheinisch‑Bergischer Kreis

Ausgangslage: Geländebegehung dass hier während der Römischen Kaiserzeit Eine zufällige Entdeckung, die eine kleine Verifizierung: Teilausgrabung keine Ziegel gebrannt wurden, sondern min‑ Sensation zu Tage förderte: Denn sie belegt Ergebnis: Römische Kalkbrennöfen destens vier Kalkbrennöfen betrieben wor‑ nachdrücklich, dass auch der rechtsrheini‑ den waren. sche Raum während der Römischen Kaiser‑ Beim Querfeldeinlauf fielen einem inter‑ Da aus den Öfen keine Funde geborgen wer‑ zeit zur wirtschaftlichen Versorgung der essierten Bürger in einem Waldgebiet bei den konnten, wurden mehrere Altersbe‑ linksrheinischen Provinz germania inferior Bergisch Gladbach einige Ziegelfragmente stimmungen mittels Thermoluminiszens‑ intensiv genutzt wurde. auf, die er dem LVR‑Amt für Bodendenk‑ datierung und C14‑Analyse durchgeführt. malpflege meldete. Eine Begutachtung er‑ Sie weisen am ehesten in das 1. oder 2. Jahr‑ Literatur: E. Claßen, R. Gerlach, J. Rethemeyer, gab, dass es sich um römische Dachziegel, hundert n. Chr. Die Öfen waren in den an‑ U. Tegtmeier; H. M. Weber, A. M. Zander, Eine Kalk‑ brennerei der römischen Kaiserzeit in der germania sogenannte tegulae, handelte. Bei weiter‑ stehenden Boden eingetieft. Die Feuerung „Stolpersteine“: Diese Dachziegelfragmente der magna. Archäologie im Rheinland 2015 Römischen Kaiserzeit führten zur Entdeckung der gehenden Untersuchungen am Ort konn‑ der liegenden Öfen erfolgte von der Ofen- (2016) 142–144. Kalbrennöfen. LVR‑ABR/ E. Claßen. ten auffällige Geländemerkmale entdeckt kuhle aus über die sogenannte Ofenschnau‑ werden, deren teilweise Ausgrabung zeigte, ze in die danebenliegende Brennkammer.

86 87 Kriterium obertägige geländemerkmale DGM

Montanrevier im Laserscan Geländeprospektionen über als auch unter Kreuztal‑Burgholdinghausen, Tage belegen, dass hier mit Schlackenhal‑ Kr. Siegen‑Wittgenstein den aus der Vorrömischen Eisenzeit bis hin zu den neuzeitlichen Untertagebergwer‑ Ausgangslage: Bergbauareal, Gelände‑ ken und Übertagerelikten gut 2.000 Jahre strukturen Montangeschichte auf relativ engem Raum Planung: Forstwirtschaft überliefert sind. Dies ist eine in Mitteleu‑ Verifizierung: Digitales Geländemodell, ropa sich kaum wiederholende Situation, Begehung, Vermessung wie vor allem durch die modernen Prospek‑ Ergebnisse: Rekonstruktion der tionsverfahren, ergänzt um die klassische Funktionszusammenhänge Überprüfung im Gelände, verdeutlicht wer‑ den konnte. Der „Südzipfel“ von Westfalen, das Sie‑ Das Areal ist mittlerweile als Bodendenk‑ gerland, ist besonders reich an Hinterlas‑ mal in die Denkmalliste der Stadt Kreuztal senschaften einer knapp 2.500-jährigen rechtskräftig eingetragen. Mit dem Grundei‑ Montangeschichte. Bereits um 300 v. Chr. gentümer ist es gelungen, die hier notwen‑ siedelten keltische Berg‑ und Hüttenleute digen forstwirtschaftlichen Betriebswege so aus dem Süden kommend die Region auf denkmalverträglich wie nur irgend möglich und betrieben eines der größten Montanre‑ herzustellen. Große neuzeitliche Bergehalden prägen das Gelände um die Zechen Victoria und Heinrichssegen. viere der Vorrömischen Eisenzeit. In der Fol‑ Deutsches Bergbau‑Museum Bochum/ P. Thomas. ge beuteten mittelalterliche und neuzeitli‑ che Gemeinschaften die Region bis nach dem Zweiten Weltkrieg weiter aus. So entstand eine Vielzahl an höchst unterschiedlichen Relikten der Montangeschichte. Die obertägigen Bodendenkmäler, die mit‑ unter auch auf Untertagebauwerke ver‑ Im Grubenareal Victoria und Heinrichssegen sind weisen, lassen sich in den mittels Airborne im Digitalen Geländemodell (DGM) großflächig Bergbaurelikte erkennbar. – 1: Westlicher Pingen‑ Laserscaning generiertem Digitalem Gelän‑ zug. – 2: Östlicher Pingenzug. – 3: Schachthalde demodell (DGM) sehr gut ausmachen. Victoria. – 4: Stauteich der Grube Heinrichsse‑ Ein Beispiel hierfür ist ein Areal östlich gen. – 5: Stauteich der Aufbereitung Victoria. von Kreuztal‑Burgholdinghausen. Im Um‑ – 6: Bremsbahn Victoria. – 7: Rosina‑Stollen. – 8: feld der neuzeitlichen Zechen Victoria und Unverhofftsegen-Stollen. – 9: Maschinenschacht Victoria. – 10: Rosina‑Schacht. – 11: Pingenzug (im Heinrichssegen sind im DGM sehr gut die Norden) u. Kunstschachthalde Heinrichssegen. – 10 cm großflächigen Pingenzüge (Schachtmünder), 12: Oberer Stollen Victoria. – 13: Hollandstollen die Halden vor Stollenmundlöchern, eine Heinrichssegen. – HW: Hoher Wald. – M: Neuzeit‑ Diese große hölzerne Holm einer untertägigen Bergehalde, eine neuzeitliche sogenannte liche Platzmeiler. – Schraffur: Bereich eisenzeitli‑ Fördereinrichtung (Haspel) war von Raubgräbern unter Tage aus dem mittelalterlich‑neuzeitlichen Bremsbahn, Deichanlagen der Flotationstei‑ cher sowie mittelalterlicher Verhüttungshalden. – Kursive Zahlen: Höhe in m ü NN. Altenberg & Bergwerk Victoria entfernt worden, konnte aber che sowie Terrassen von Meilern der Holz‑ Stahlberg e.V./R. Golze u. LWL‑AfW/ M. Zeiler auf von der LWL‑Archäologie noch gesichert werden. kohleproduktion erkennbar. Grundlage DGM 1. Land NRW (2018). dl-de/by-2-0. LWL‑AfW/ H. Menne. www.govdata.de/dl-de/by-2-0.

88 89 kriterium ortsüberlieferung kriterium ortsüberlieferung

Keine Karolinger – Die Wüstung „Alt‑Distelrath“ Düren, Kr. Düren

Ausgangslage: historisch belegte Wüstung „Alt‑Distelrath“ neben der Kirche St. Si- mon und Judas Thaddäus Planung: Ortsumgehung B 56n durch StraßenNRW Verifizierung: Suchschnitte auf der geplan- ten Straßentrasse Ergebnis: zwei hochmittelalterliche Hofplätze

Östlich von Düren liegt die im Volksmund als „Ühledömche“ bezeichnete Kapel‑ le St. Simon und Judas Thaddäus. Sie war das Zentrum der heute fast vollständig ver‑ schwundenen Ortschaft Distelrath. In der Blick über die Grabungsfläche des südlichen Hofplatzes auf die Kirche St. Simon und Judas Thaddäus. heimatkundlichen Forschung werden ihre ABS Gesellschaft für Archäologische Baugrund‑Sanierung Köln. Ursprünge im Hochmittelalter, wenn nicht sogar in der Karolingerzeit gesehen, ohne Ausschnitt mit hochmittelalterlichen Hofarealen Die Ausgräber vermuten ein großes Brand‑ Literatur: M. Schneider, Unterwegs im Dürener Osten. dass hierfür bisher archäologische Belege und vorgeschichtlichen Siedlungsrelikten. ereignis am Ende des 12. oder frühen 13. Siedlungsspuren verschiedener Zeitstellungen im ABS Gesellschaft für Archäologische Baugrund‑ Bereich der Ortsumgehung B 56n. Archäologie im vorliegen. Jahrhunderts als Ursache, das sich in der Sanierung Köln/ F. Kempken, M. Schneider. Rheinland 2016 (2017) 188–190. Auch die Größe und Ausdehnung der mittel‑ Brandschuttverfüllung zweier Erdkeller ab‑ alterlichen Siedlung, die sich um die kleine zeichnet. Augenscheinlich hat man nach Kirche erstreckte, war bisher nicht bekannt. dieser Zerstörung die Höfe nicht mehr auf‑ Als die Planungen für die Trasse der neuen Beiderseits der alten Dorfstraße „Im Alt‑ gebaut und das Gelände nur noch sehr spo‑ Ortsumgehung Düren diesen Bereich tan‑ werk“ wurde jeweils ein hochmittelalterli‑ radisch genutzt. gierten, wurden daher 2016 archäologische cher Hofplatz angeschnitten und auf Breite Die archäologischen Quellen unterstützen Untersuchungen notwendig. der geplanten Straße untersucht. Jeweils ein somit die schon von historischer Seite ver‑ Zunächst wurde die Befundsituation durch großes mehrschiffiges Pfostengebäude bil‑ mutete Gründung Distelraths im Hochmit‑ einen Suchschnitt im Trassenverlauf prospek‑ dete das Haupthaus der Hofstellen. telalter, worauf auch auch das Suffix „‑rath“ tiert. Die dabei angeschnittenen mittelalter‑ Pfostenlöcher von Nebengebäuden, Erdkel‑ hinweist. lichen Siedlungsbefunde zeigten deutlich, ler und Siedlungsgruben vervollständigen Belege für eine karolingerzeitliche Orts‑ dass die historisch nachgewiesene Wüstung das Bild. gründung konnten allerdings nicht ent‑ auch westlich der Kirche in Richtung Düren Die geborgene Keramik entstammt schwer‑ deckt werden. gelegen hat. Daraufhin wurden die Gra‑ punktmäßig dem 12. Jahrhundert. Bereits im Brandschuttschicht in der Verfüllung von bungsflächen erweitert und der gesamte 13. Jahrhundert sind beide Hofplätze wüst Erdkeller 141. ABS Gesellschaft für Archäologische Baugrund‑Sanierung Köln. Trassenbereich der B 56n untersucht. gefallen.

90 91 kriterium archivalien kriterium archivalien

Ora et Labora – Die Abtei Liesborn Wadersloh‑Liesborn, Kr. Warendorf Situationsplan der Abtei Liesborn 1827/28, erstellt von Geometer Scheck. St AM Kartenslg. A 1049. Ausgangslage: Historische Überlieferung, neuzeitliche Abteigebäude Planung: Überbauung Verifizierung: Flächige Untersuchung Ergebnis: Vorgängerbebauung, Abtei‑ und Ortsfriedhof

Die Abtei Liesborn gehörte bis zur Säkula‑ Das umfangreiche Fundmaterial beleuchtet risation zu den bedeutendsten geistlichen nicht nur das klösterliche Leben über fast Einrichtungen im Fürstbistum Münster. Auch ein Jahrtausend, sondern belegt eindrück‑ wenn sich der Mythos, die Gründung auf die lich, dass das Kloster ein florierendes Wirt‑ Familie Karls des Großen zurückzuführen, schaftsunternehmen mit vielfältigen Aktivi‑ Das Grabungsareal nördlich der Abteikirche um Baumsargbestattungen der Frühphase des nicht belegen lässt, hat die Abtei seit dem täten war. Umgeben war die Klosterkirche 1990. LWL‑AfW/ R. Klostermann. Klosters. LWL‑AfW/ R. Klostermann. 9. Jahrhundert im südlichen Münsterland von einem riesigen Friedhof, dessen frühes‑ eine große Rolle gespielt. Der umfangrei‑ te Bestattungen noch in das 9. Jahrhundert chen historischen Datenlage stand nur eine datieren. Dies war nach der Ausgangslage sehr schwache archäologische Basis gegen‑ nicht anders zu erwarten. Wissenschaftlich über. Bekannt sind aber grundsätzliche Bau‑ von großer Bedeutung ist aber, dass sich der konventionen bei Klöstern, die Funktion und frühe Friedhof an der Kirche in seinem Er‑ Auftrag durch entsprechende bauliche Ein‑ scheinungsbild ganz ähnlich darstellt wie richtungen sicherstellen. Bei den Ausgrabun‑ die spätesten „heidnischen“ Friedhöfe ab‑ gen hat sich diese Erwartung zumindest für seits der Siedlungen und damit den kultu‑ die Perioden ab dem 12. Jahrhundert voll be‑ rellen und religiösen Wandel nach den Sach‑ stätigt. Es gelang, die bauliche Entwicklung senkriegen anschaulich begreifbar macht. des Klosters vom 9. Jahrhundert bis zur Sä‑ kularisation zu rekonstruieren, Ergebnisse, Literatur: B. Trier (Hrsg.), Ausgrabungen in der Abtei die weit über die aus Archivalien erschließ‑ Liesborn. Eine Dokumentation des Westfälischen Museums für Archäologie im Museum Abtei Liesborn, baren Fakten hinausgehen. Die Grabungen Heimathaus des Kreises Warendorf, 4. Juli–15. August lieferten auch Indizien dafür, dass die Grün‑ 1993 (Münster 1993). dung des Klosters nicht – wie bislang vermu‑ tet – von einer nahegelegenen Burg ausging, sondern von einem Hof direkt am Standort.

92 93 Inhalt kriterium boden

Viehzucht und Ackerbau vor 7.000 Jahren Bad Sassendorf und Werl, Kr. Soest

Ausgangslage: Geologische Situation „Lößlandschaft“ Planung: Gewerbegebiet, Baugebiet Verifzierung: Flächige Grabung Ergebnis: Jungsteinzeitliche Siedlungen in der Lößbörde Werl, Soester Straße. In einer Grube wurden Hunderttausende verbrannte Getreidekörner entdeckt; offenbar ist der Teil einer Ernte ver- Die fruchtbaren Bördelandschaften Mit‑ brannt und hier entsorgt worden. Darunter diese teleuropas werden seit über 7.000 Jahren beiden Körner vom „Ur‑Weizen“ Emmer (Triticum landwirtschaftlich genutzt. Schon die ersten dicoccon). LWL‑AfW/ M. Baales. Bauerngemeinschaften – die sogenannten Linienbandkeramiker von etwa 5.300 – 4.900 v. Chr. und die folgende Rössener Kultur um 4.750–4.500 v. Chr. – haben hier auf großen Bad Sassendorf, Landerpfad. Unmittelbar anschließend an ein kleines linienbandkeramisches Haus aus Arealen gesiedelt. Ihre Hinterlassenschaf‑ der jüngeren Siedlungsperiode fanden sich zwei ungewöhnliche Zaunanlagen. Im Osten eine große ten in Form ausgedehnter Siedlungsflächen leicht schiefrechteckige Anlage und im Westen ein bisher einmaliger runder Zaun. Garten oder Viehkral? mit zahlreichen großen Hausgrundrissen, So mussten in den letzten Jahren in Werl ABS Gesellschaft für Archäologische Baugrund-Sanierung Köln u. LWL‑AfW/ A. Müller. Zaun‑ und Grabenanlagen, Abfall‑ und Ma‑ und in Bad Sassendorf jeweils neue linien‑ Bad Sassendorf, Landerpfad. Noch während die Spuren der gut 7.000 Jahre älteren„Vorgängerbebau‑ terialentnahmegruben sowie mitunter auch bandkeramische bzw. Rössener Siedlungen ung“ archäologisch dokumentiert wurden, sind bereits die ersten Häuser der Neubebauung entstanden. Gräberfeldern werden in solchen Altsiedel‑ im direkten Umfeld (d. h. im Abstand von LWL‑AfW/ M. Baales. landschaften immer wieder angetroffen. wenigen hundert Metern) bekannter Sied‑ Im Raum Bochum–Werl–Soest–Bad Sassen‑ lungsflächen dieser Zeitstellung auf meh‑ dorf, der westfälischen Hellwegzone oder reren Hektar Fläche ausgegraben werden. Hellwegbörde, sind in den vergangenen Um für solche Bereiche bei Überplanungen etwa hundert Jahren – besonders zahlreich rechtzeitig Planungssicherheit herstellen zu nach dem Zweiten Weltkrieg – immer wie‑ können, ist eine frühzeitige Überprüfung der derartige Siedlungsflächen der frühen der ins Auge gefassten Gelände mittels Bag‑ Jungsteinzeit (Alt‑ und Mittelneolithikum) gersondagen der beste Weg. Nur so kann die entdeckt worden. Es hat sich gezeigt, dass Vermutung auf Bodendenkmäler zielfüh‑ diese Siedlungen nicht isoliert in der Land‑ rend und schnell überprüft werden. schaft liegen, sondern in Gruppen, so dass mehrere Ansiedlungen zusammengenom‑ Literatur: P. Schönfeld, I. Jöns, Neue Ausgrabungen men große Siedlungsräume einnehmen. Es am jungstein‑ und eisenzeitlichen Siedlungsplatz in Bad Sassendorf. Archäologie in Westfalen‑Lippe 2015 ist daher nicht überraschend, dass bei Bau‑ (2016), 38–42. – S. Schamuhn, T. Zerl, Wie Spreu im arbeiten im Umfeld bekannter Siedlungen Winde …“ – ein linearbandkeramischer Getreidefund dieser Zeit weitere, bisher noch unbekann‑ aus Werl. Archäologie in Westfalen‑Lippe 2012 (2013), te Siedlungen angetroffen werden. 199–201.

95 kriterium boden Inhalt

Im Moor versenkt Hille‑Unterlübbe, Kr. Minden‑Lübbecke

Ausgangslage: Wiesengrundstück am süd- Der Moorfundplatz Unterlübbe ist seit 1916 Die Ausgräber glaubten, die Siedlung sei lichen Rand des Hiller Moores bekannt. Erste Grabungen fanden in den kurz nach Christi Geburt in Schutzlage wäh‑ Planung: Bohrung neuer Tiefbrunnen mit Jahren 1938 und 1939 statt. In Reihen ste‑ rend der germanisch‑römischen Auseinan‑ Absenkung des Grundwassers hende, gut erhaltene Holzpfosten und zwei dersetzungen angelegt worden. Verifizierung: Flächige Grabung 1985, 1986 Feuerstellen führten zu der Vermutung, Res‑ Die Grabungen 1985/86 und 1988 legten und 1988 te einer Siedlung gefunden zu haben. Her‑ neben aufrecht stehenden Pfosten auf ei‑ Moderne Ausgrabungen 1986 legen eine Inter‑ Ergebnis: Mooropferplatz ausragende Funde waren ein hölzernes Joch ner Fläche von etwa 124 x 15 m komple‑ pretation des Platzes als Opferstelle nahe. LWL‑AfW/ W. Best. und eine Augenfibel aus dem Beginn des ers‑ xe Lagen aus Holzknüppeln frei, die stel‑ ten Jahrhunderts n. Chr. lenweise bis zu 30 cm in das anstehende 1936 wurde in Hille-Unterlübbe zum ersten Mal Moor hinabreichten. Eine sinnvolle Anord‑ Erst die gemeinsame Betrachtung der Befun‑ mit großem Aufwand gegraben. LWL‑AfW. nung war nicht feststellbar. Zentral befand de und Funde, wobei den Menschenknochen sich der Wurzelstock eines mächtigen Bau‑ besondere Bedeutung zufällt, führt zu einer mes. Zwischen den Hölzern lagen zahlrei‑ Deutung des Platzes. Vergleichbare Fund‑ che Scherben von Rauhtöpfen der Vorrö‑ und Befundzusammensetzungen sind von mischen Eisenzeit, Steine sowie Tier‑ und Mooropferplätzen Mittel‑ und Nordeuropas Menschenknochen. bekannt. Es ist daher naheliegend, auch die Etwa 10 m nordöstlich der beschriebenen Fundstelle in Hille‑Unterlübbe diesem Kreis Befund‑ und Fundkonzentration wurden von Mooropferplätzen zuzurechnen. zehn parallel in Nord‑Süd‑Richtung orien‑ tierte Rundhölzer auf einer Fläche von 3,5 Literatur: B. Ahrens, Der eisenzeitliche Moorfundplatz m x 1,5 m nachgewiesen. Die äußeren Seiten Unterlübbe, Westfalen. In: B. Herring, E. Treude, Mi‑ chael Zelle (Hrsg.), Römer und Germanen in Ostwest‑ bildeten längere Stangen. Das am Ostrand falen‑Lippe. Untersuchungen zu kulturhistorischen Ent‑ liegende Holz stützte ein kleiner, senkrecht wicklungen von der Mittellatènezeit bis zur jüngeren stehender Pflock. römischen Kaiserzeit 2 (Oldenburg 2013) 8–112. Aus heutiger wissenschaftlicher Sicht ist die Interpretation, den Befund als Siedlungs‑ rest anzusehen, nicht mehr haltbar. Auch die Grabungen der 1980er-Jahre erbrach‑ ten keine Hinweise auf Bebauung und an‑ dauernden Aufenthalt von Menschen. Dar‑ über hinaus ist der Fundplatz überwiegend in vorchristliche Zeit zu datieren.

Die 7 cm lange Augenfibel aus Bronze gehört zu den bedeutenden Funden aus der Grabungskam‑ pagne von 1939. LWL‑AfW/ S. Brentführer.

96 97 kriterium gestein kriterium paläontolgie

Die Skelettreste werden im Grabungsplan eingezeichnet und vermessen. LWL‑Museum für Naturkunde Münster

Minden. Steinbruch Lutternsche Egge im Wiehengebirge. Grabungsstelle in der Südwand. LWL‑Museum weiteren Theropoden entdeckt. Grundsätz‑ Daneben traten marine Faunenelemente für Naturkunde Münster. lich sind Fossilien von Vertebraten (Wirbel‑ wie Ammoniten, Belemniten, Brachiopo‑ tiere) im norddeutschen Jura relativ selten. den und Muscheln, besonders der Auster Raubsaurier in Westfalen Oliver Rauhut, Tom Hülsner und Klaus-Peter Gryphaea dilatata auf. Minden, Kr. Minden‑Lübbecke Lauser führten eine wissenschaftliche Unter‑ suchung des ersten Theropoden‑Exemplars Literatur: O. W. M. Rauhut, T. R. Hübner, K.‑P. Lanser, Ausgangslage: Aufgelassener Steinbruch Kimmeridge (mittlerer Malm) abgebaut. durch und ordneten es einer neuen, bislang A new megalosaurid theropod dinosaur from the late Middle Jurassic (Callovian) of north‑western Germany: Verifizierung: Aufsammlungen, Sondagen Als besonders fossilreich erwies sich der Or‑ unbekannten Gattung zu. Der Saurier erhielt Implications for theropod evolution and faunal im Steinbruch, Ausgrabung naten‑Ton des Callovium (oberster Dogger) den Namen Wiehenvenator albati. Obwohl turnover in the Jurassic. Palaeontologia Electronica Planung: Steinabbau im Liegenden der harten Gesteinsfolge. von dem Skelett nur einzelne Elemente, wie 19.2.26A, 2016, 1–65. Ergebnis: Zahlreiche Fossilreste, Neue Art Die Grabungen in den obersten Schichten z. B. typische Zähne, erhalten waren, konnte des Ornaten‑Tons erbrachten zahlreiche Fos‑ auf seine Ausmaße geschlossen werden. W. Das Weser‑Wiehengebirge wird aus Schich‑ silien. Herausragend war eine Konzentra‑ albati ist mit 8–10 m Länge der größte Raub‑ ten des oberen Dogger und des Malm tion von Skelettelementen eines Theropo‑ saurier, der jemals in Deutschland gefun‑ (mittlerer und oberer Jura) aufgebaut. Den den (Raubsaurier). Dazu gehören mehrere den worden ist. Er war ein Landbewohner, Kamm des Wiehengebirges bilden die har‑ Zähne, die Bananen‑Größe besitzen und in wurde aber in marinen Sedimenten gefun‑ ten kalkigen und sandigen Gesteine der typischer Weise zum Rachen hin gekrümmt den. Im Dogger war Mitteleuropa von einem Heersumer Schichten und des Korallen- sind. Auffällig waren reiche Vorkommen von Meer bedeckt. Es wird vermutet, dass Wie‑ ooliths (Oxford‑Stufe, unterer Malm). In den stark inkohlten Hölzern von z. T. beträchtli‑ henvenator albati auf Inseln in diesem Meer Steinbrüchen wurden diese Gesteinsserien cher Größe. 1999 wurden ca. 30 m von der lebte und dass das Exemplar in den marinen Oberkiefer des Raubsauriers in Fundposition. wie auch die noch jüngeren Schichten des ersten Fundstelle entfernt Reste eines Ablagerungsraum eingeschwemmt wurde. LWL‑Museum für Naturkunde Münster.

98 99 kriterium Erdgeschichte kriterium Erdgeschichte

Seit 10 Millionen Jahren im Kies: Das Walskelett vom Kervenheim. Grabungsfoto. LVR‑ABR/ S. Mentzel.

Der Wal in der Kiesgrube Kevelaer‑Kervenheim, Kr. Kleve Lebensbild. Die letzten Minuten des Wals. Geodaten NRW/ G. Lemmen.

Ausgangslage: Zufallsfund Planung: Kies‑ und Sandabbau Verifizierung: Notbergung Ergebnis: Ausstellung

1987 wurde durch Mitarbeiter des dama‑ Seine erhaltene Länge beträgt insgesamt 6,5 Nach der Bergung des gesamten Sediment‑ Literatur: C. Weber, Ein tertiäres Walskelett aus ligen Geologischen Landesamtes Nord‑ von ursprünglich etwa 7 – 8 m, wobei alleine blockes gelangte der sogenannte Wal von Kervenheim. Archäologie im Rheinland 1987 (1988) 21–22. – J. Klostermann, Ein zehn Millionen Jahre alter rhein‑Westfalen (heute Geologischer Dienst der Schädel rund 2 m misst. In seiner unmit‑ Kervenheim zunächst zur weiteren Präpara‑ Wal am Niederrhein. In: H. Hellenkemper et al. (Hrsg.), NRW) in einer ehemaligen Kiesgrube das gut telbaren Umgebung wurden auch Haifisch‑ tion in das Westfälische Museum für Natur‑ Archäologie in Nordrhein‑Westfalen. Geschichte im erhaltene Skelett eines Wals, vermutlich ei‑ zähne und -wirbel geborgen, die ein Licht kunde nach Münster und später in die Nie‑ Herzen Europas (Köln 1990) 113–119. nes Bartenwals in feinsandigen Ablagerun‑ auf das Geschehen nach Verenden des Wals derlassung des Geologischen Dienstes NRW gen des Tertiärs aufgefunden. Das Jungtier werfen: Offensichtlich wurde der Kadaver in Krefeld, wo er auch heute noch in der Ein‑ war vor mehr als 7 Mio. Jahren gestorben von Haifischen angefressen, wobei eben‑ gangshalle besichtigt werden kann. und auf dem Grund des zu diesem Zeitpunkt falls einige dieser Raubfische zu Tode kamen. in der Niederrheinischen Bucht befindlichen Meeres liegen geblieben.

100 101 Kriterium Höhle Inhalt

Die Blätterhöhle Hagen‑Holthausen, Stadt Hagen

Ausgangslage: Geländeprospektion durch Sie zeigen, dass der Vorplatz der Blätterhöh‑ Höhlenforscher le über Jahrtausende immer wieder als Rast‑ Planung: Hydrologisches Gutachten platz genutzt wurde, hier wurden Gerät‑ Verifizierung: Freiräumen des Höhlengangs schaften erneuert und Tierbeute verwertet. Ergebnis: Besiedlung späte Altsteinzeit, 2016/17 konnten auf dem Vorplatz erstmals Mittelsteinzeit und späte Jungsteinzeit auch späteiszeitliche Sedimente und Stein‑ geräte der ausgehenden Altsteinzeit ange‑ In den Dolomitkalkgebieten Nordrhein‑West‑ troffen werden – wiederum eine für die wei‑ falens sind zahlreiche Höhlensysteme be‑ tere Region einmalige Situation. kannt. Durch Bautätigkeit, natürliche Erdbe‑ wegungen und gezielte Nachsuche wird ihre Die Untersuchungen an der Blätterhöhle Zahl ständig erhöht. 1983 wurde am soge‑ zeigen eindrücklich, welch großes Potential nannten Weißen Stein bei Hagen‑Holthau‑ Höhlen und ihre Eingangsbereiche für die sen von der Speläogruppe „Arbeitskreis Klu‑ Erforschung der ältesten Landesgeschichte terthöhle e. V.“ der verschüttete Eingang zu bereithalten. Wurden Höhlen früher meist einer unbekannten Höhle entdeckt und 2004 zügig ausgeräumt und unsachgemäß „un‑ näher untersucht. In dem schmalen Höhlen‑ tersucht“, können heute mit einer differen‑ Unter einer gut 10 m hohen Felswand des Dolo‑ Die Grabungsbedingungen in der schmalen Höhle gang wurden dabei unerwartet Menschen‑ zierten Grabungstechnik und unter Hinzu‑ mitkalkfelsens „Weißer Stein“ bei Hagen‑Holt‑ sind mitunter extrem. LWL‑AfW/ W. Heuschen. hausen befindet sich der Eingang zu einer kleinen und Tierknochen entdeckt. Nähere Untersu‑ ziehung zahlreicher naturwissenschaftlicher Höhle, aus der spektakuläre steinzeitliche Funde chungen ergaben, dass hier Menschenreste Disziplinen – wie an der Blätterhöhle – de‑ stammen. LWL‑AfW/ H. Menne. aus der frühen Mittelsteinzeit (um 8.600 v. taillierte Einblicke in längst vergangene Zei‑ Chr.) aus der späten Jungsteinzeit (um 3.500 ten gewonnen werden. Höhlen sind daher v. Chr.) freigelegt worden waren. Die kleine von großer Bedeutung für die archäologi‑ Der nahezu vollständige Schädel einer jungen Höhle ist demnach zu verschiedenen Zeiten sche Forschung, nicht nur für die Steinzeiten. Frau aus der späten Jungsteinzeit (um 3.500 v. Chr.) gehört zu den herausragenden Funden aus als Bestattungsort genutzt worden. der Höhle. LVR‑LandesMuseum Bonn/ J. Vogel.

In der Folge hatte Jörg Orschiedt über meh‑ rere Jahre Grabungen in der Höhle durchge‑ führt. Diese wurden ergänzt durch Untersu‑ chungen auf dem schmalen Vorplatz unter einer steilen Felswand. Diese ergaben eine vollständige Nutzungsabfolge durch die letz‑ ten Jäger und Sammler der Mittelsteinzeit, Die elfjährigen Grabungen auf dem Vorplatz der ein für NRW und darüber hinaus einmaliges Höhle haben eine überraschend vollständige Abfolge von der späten Altsteinzeit um etwa Grabungsergebnis. Unter anderem wurden 10.000 v. Chr. bis zum Ende der folgenden Feuerstellen, Steingeräte und Tierknochen Mittelsteinzeit um 5.000 v. Chr. ergeben. gefunden. LWL‑AfW/ W. Heuschen.

102 103 methode Luftbild methode Luftbild

Burg unterm Pflug – Der Hünenknäppen Ahlen‑Dolberg, Kr. Warendorf

Ausgangslage: Altgrabung 1901, Luftbild Planung: keine Verifizierung: Begehungen, Sondage Ergebnis: Befestigung und Innenbebauung

Aus alten Unterlagen war bekannt, dass nahe Ahlen‑Dolberg auf der Terrassenkan‑ te zur Lippe eine etwa quadratische Wallan‑ lage existierte. Grabungen 1901 erfassten eingetiefte Keller und belegten eine frühgeschichtliche Zeit‑ stellung der Anlage. In den 1970er- Jahren wurde sie bedauerli‑ cherweise eingeebnet. 2011 war sie aber im frisch gepflügten Acker aus der Luft ausge‑ zeichnet zu sehen. Daraufhin angesetzte Sondagen und Bege‑ Im Luftbild nicht zu übersehen: Die zerpflügten Wälle des Hünenknäppen bei Ahlen‑Dolberg. hungen erbrachten aber über das Bekannte LWL‑AfW/ M. Esmyol. hinaus überraschende Ergebnisse. Erfasst wurde der Graben in einer Breite von 3 m und einer Tiefe von 1 m; im Innenraum fand sich eine Herdstelle als Hinweis auf ein 0 1,5 cm Erst vor 40 Jahren verfüllt: der Wehrgraben des Hünenknäppen. LWL‑AfW/ L. Fischer. Gebäude. Der Lesefund eines Sondengän‑ gers, ein vergoldeter Beschlag, unterstreicht Stilisierte Pflanzenornamentik ziert den ver‑ die besondere Stellung der Besitzer der Be‑ goldeten Beschlag aus der Zeit um 800 n. Chr. LWL‑AfW/ S. Brentführer. festigung, weitere Funde zeugen von einer Vornutzung in der Eisenzeit. Völlig unerwar‑ tet konnte aber noch ein flacher Graben ent‑ deckt werden, der zu einem jungsteinzeitli‑ Lit.: C. Grünewald, Gräben eben ‑ neue For‑ chen Erdwerk der Michelsberger Kultur aus schungen am Hünenknäppen bei Ahlen‑Doberg. Archäologie in Westfalen‑Lippe 2012 (2013) 80–82. dem 4. Jahrtausend v. Chr. gehörte.

104 105 Topographie Luftbild methode Luftbild

Der dunkle Kreis im Luftbild war erster Hinweis auf einen Burggraben. Luftbild. Ruhr‑Universität Bochum/ B. Song.

Motte im Neubaugebiet Am südlichen Ortsrand von Schermbeck Schermbeck, Kr. Wesel konnte eine Niederungsburg des 11. Jahr‑ hunderts mit einer Vorgängersiedlung aus Ausgangslage: Luftbild mit Befunden, die dem 10. Jahrhundert archäologisch unter‑ auf eine Motte und weitere Grabenstruk- sucht werden. Die Lage am Mühlenbach in turen hindeuten feuchtem, tief liegendem Gelände hatte zu‑ Verifizierung: 2014 Ausgrabung nächst nicht an einen siedlungsgünstigen Planung: Neubaugebiet Ort denken lassen. Der Mottengraben um‑ Ergebnis: Motte mit Vorgängerbebauung schloss eine Fläche von rund 16–17 m Durch‑ messer ohne Nachweis eines Gebäudes. Von der älteren Siedlung konnten drei Pfosten‑ bauten weitestgehend vollständig, zwei wei‑ tere Hausgrundrisse zum Teil dokumentiert werden. Weiterhin kamen drei Vierpfosten‑ bauten, ein Grubenhaus sowie ein Brunnen zutage.

Literatur: M. Brüggler, U. Ocklenburg, Eine Motte mit Die Burg mit ihrem Graben überbaute eine ältere Siedlungsstelle mit hölzernen Gebäuden. Vorgängersiedlung am Mühlenbach in Schermbeck. Grabungsplan. Ocklenburg-Archäologie Essen/ U. Ocklenburg, LVR‑ABR/ M. Brüggler und J. Tieke. Archälogie im Rheinland 2014 (2015) 172–175.

Schermbeck. Hölzerner Brunnenkasten des frühen 11. Jahrhunderts mit Anbau. Ocklenburg-Archäologie Essen/ U. Ocklenburg.

106 107 methode geophysik methode geophysik

Römisches Auxiliarlager am Steincheshof Bedburg‑Hau, Kr. Kleve

Ausgangslage: Illegale Sondengängersuche Verifizierung: 2008/09 Begehung und geo- physikalische Messungen; 2010/11 Grabung Ergebnis: Römerlager

Am Steincheshof in Till‑Moyland ist schon seit Jahrzehnten eine römische Fundstelle bekannt. Der Flurnamenbestandteil „Stein‑ Rechteckige Barackengrundrisse im ches“ für „kleine Steine“ lässt am naturstein‑ Grabungsplanum. LVR‑ABR/ H. Berkel. armen Niederrhein auf eine ehemalige Be‑ bauung schließen. Tatsächlich fallen dort im gepflügten Acker eine dunklere Färbung so‑ wie Konzentrationen von Baumaterial und Keramik römischer Zeitstellung auf – ein Tat‑ bestand, der leider auch zahlreichen illega‑ Das Römerlager im Magnetogramm mit interpretierender Umzeichnung. len Sondengängern in den letzten Jahrzehn‑ Universität zu Köln/ Manuel Buess, LVR‑ABR/ verändert durch H. Berkel. ten nicht entgangen ist. Bei der Begehung wurden zur schärferen Till‑Moyland, Steincheshof. Römischer Armschienenpanzer (Manica) aus Messing. Abgrenzung des Fundplatzes die Dichte der LVR‑Medienzentrum/ D. Schmitz. Ziegelstreuung ermittelt und weitere Fun‑ de aufgelesen. Als Ergebnis der geomagnetischen Prospek‑ tion des Archäologischen Instituts der Uni‑ versität zu Köln zeichneten sich deutlich die Umrisse eines bislang unbekannten, an‑ scheinend zweiphasigen Auxiliarkastells ab. Durch die Suchschnitte ließen sich zwei rö‑ Fundverteilung (Baumaterialien) und Topogra‑ mische Lager aus dem 1./2. Jahrhundert in phie. LVR‑ABR/ H. Berkel. einer Größe von 2,1 ha und 3,4 ha lokalisie‑ ren. Die in Holz‑Erde‑Bauweise errichteten Baracken wurden mehrfach erneuert.

Literatur: M. Brüggler et al., Ein neues Römerlager am Niederrhein. Archäologie im Rheinland 2009 (2010), 79–82. – M. Brüggler u. M. Drechsler, Suchschnitte im neu entdeckten Auxiliarlager am Steinches Hof bei Till. Archäologie im Rheinland 2010 (2011), 105–107.

108 109 methode digitales geländemodell Inhalt

Digital erfasst – Das Hügelgräberfeld „Hövelsberg“ Velen‑Ramsdorf, Kr. Borken

Ausgangslage: Obertägig erhaltenes Hü- gelgräberfeld der späten Jungsteinzeit/frü- hen Bronzezeit bis Eisenzeit Planung: keine Verifizierung: Vergleich mit älterer Planaufnahme/Geländekontrolle

Das Hügelgräberfeld Ramsdorf liegt am Nord- Auch die südöstlich vorgelagerte Grup‑ ostrand des Höhenrückens „Die Berge“, der pe von fünf sogenannten Langbetten, sich auf ca. 5 km Länge zwischen Borken und langrechteckige Grabanlagen von etwa Velen erstreckt. Nachdem Anfang des 20. 5 x 30 m und 0,3 – 0,6 m Höhe zeichnet sich Jahrhunderts noch über 200 Grabhügel ge‑ klar ab, ebenso wie etwa ein Dutzend gro‑ zählt werden konnten, belegt eine 1947 er‑ ßer, über das Areal verteilter Rundhügel folgte Geländeaufnahme einen immer noch (Durchmesser 11–20 m), die im DGM sogar großen Bestand mit ca. 120 obertägig er‑ teilweise Störungen durch zentrale Angra‑ Plan des Hügelgräberfeldes nach einer Gelän‑ Das Hügelgräberfeld Ramsdorf im Digitalen haltenen Grabanlagen. Eine versuchte Be‑ bungen erkennen lassen. Letztlich gelingt deaufnahme von 1947. Geländemodell. LWL‑AfW/ Archiv Außenstelle Münster. Geobasisdaten der Kommunen und des Landes standsprüfung in den frühen 2000er-Jah‑ auch der Präsenznachweis eines Feldes eng NRW © Geobasis NRW 2016/ LWL‑AfW/ I. Pfeffer. ren gestaltete sich schwierig bis unmöglich, zusammen liegender kleiner Grabhügel da die forstwirtschaftlich genutzte Fläche etwa 100 m südwestlich des Hövelsberges, durch Windbruch und starken Strauchauf‑ deren stark verflachte und überwachsene schlag teilweise unbegehbar bzw. nicht ein‑ Anlagen mit ca. 5–10 m Durchmesser und um sehbar war. Als praktikable Alternative er‑ 0,3 m Höhe bei einer üblichen Geländebege‑ wies sich das Digitale Geländemodell (DGM). hung nur noch vereinzelt lokalisiert wären. So lässt ein 2016 erstelltes Modell das Rams‑ dorfer Gräberfeld in allen wesentlichen De‑ Literatur: J. Gaffrey, Velen‑Ramsdorf, Kr. Borken: Hü‑ tails nachvollziehen. Besonders eindrucks‑ gelgräberfeld Ramsdorf. In: H. G. Horn (Hrsg.), Theiss Archäologieführer: Westfalen‑Lippe (Stuttgart 2008) voll kommt dabei der größte Grabhügel des 192–193. – W. Winkelmann, Das vorgeschichtliche Gräberfeldes, der im Norden liegende „Hö‑ Hügelgräberfeld Ramsdorf. In: Führer zu vor‑ und früh‑ velsberg“ zur Geltung, dessen doppelte Um‑ geschichtlichen Denkmälern 46: Münster – Westliches wallung in den derzeit offenen Sichtachsen Münsterland – Tecklenburg. Teil II: Exkursionen (Mainz fotografisch nicht dokumentierbar ist. 1981) 130–132.

Der Hövelsberg – mit etwa 25 m Durchmesser und über 2 m Höhe einer der größten Grabhügel Westfalens. Blick von Norden. LWL‑AfW/ J. Gaffrey.

110 111 methode unterwasserarchäologie Inhalt

Taucharchäologie auf der Bislicher Insel Xanten, Kr. Wesel

Ausgangslage: Altfunde Planung: Eintragung Niedergermanischer Limes in die Welterbeliste UNESCO Verifizierung: Tauchuntersuchungen und Sedimentecholotmessungen im Jahr 2009 Ergebnis: Uferrandbefestigungen

In den 1950er-Jahren wurden in einer Kies‑ grube südöstlich von Xanten bedeuten‑ de römische Funde geborgen. In anschlie‑ ßenden Tauchuntersuchungen lokalisierte man altes Mauerwerk, das durch mittelal‑ terliche Rheinverlagerungen verstürzt war und ordnete es dem römischen Legionslager Vetera II zu. Einer jüngeren Hypothese zu‑ folge ist es allerdings auch möglich, dass sich die Militärfestung weiter westlich befand. Als Ergebnis der jüngsten Untersuchungen kann festgestellt werden, dass sich im süd‑ lichen Teil der Kiesgrube lineare Struktu‑ Kiesgrubenfunde und Mauern in den Untersu‑ Echolotmessungen 2009. UWARC – Archäologie unter Wasser, Staufen im Breisgau/ M.Mainberger. ren befinden, die allerdings parallel zu den chungen der 1950er-Jahre. Plan: LVR‑ABR/ T. Könings. in den 1950er-Jahren betauchten Mauern verlaufen. Wahrscheinlich handelt es sich hier um Relikte ehemaliger Uferrandbe‑ festigungen oder Kribben, die dem konti‑ nuierlichen Vordringen des Rheins in süd‑ westliche Richtung entgegenwirken sollten. Eine Quelle aus dem Jahr 1578 berich‑ tet von entsprechenden Hochwassermaß‑ nahmen (Veener Gerichtsprotokoll, un‑ Literatur: M. Mainberger u. J. Obladen‑Kauder, veröffentlicht). Die Vergeblichkeit dieses Vetera II: Unterwasseruntersuchungen 1955 und 2009. In: J. Kunow (Hrsg.), Caelius … und danach? Vorhabens wird auch dadurch dokumen‑ Materialien zur Bodendenkmalpflege im Rheinland 13 tiert, dass die Ortschaft Birten nachweislich (Köln 2011) 125–132. – D. Schmitz, Bemerkungen zur viermal aufgegeben und an anderer Stelle Lokalisierung des Legionslagers Vetera II. In: J. Kunow neu gegründet werden musste. Römische (Hrsg.), Caelius ... und danach? Materialien zur Boden‑ Befunde ließen sich an keiner Stelle orten. denkmalpflege im Rheinland 13 (Köln 2011) 119–124. Uferbefestigung in Form eines Geröllwalls 2009. Mauerverlauf 1950er-Jahre, markiert durch UWARC – Archäologie unter Wasser, Staufen im Ballons. RLMB/ H. von Petrikovits. Breisgau/ M.Mainberger.

112 113 Inhalt kriterium siedlungslandschaft

Die umfangreichen Forschungsergebnis‑ se und das zahlreich geborgene Fundma‑ terial aus der „Schlüsselregion mittleres Merzbachtal“ bilden auch heute noch eine wertvolle Grundlage für weitreichende Aus‑ wertungen zu demographischen und sozial‑ Grabungssituation der Fundstelle Niedermerz 4 in geschichtlichen Interpretationen der band‑ den 1970er-Jahren. LVR‑ABR. keramischen Kultur.

Das interdisziplinäre Projekt bezog von Literatur: R. Kuper, J. Lüning, A. Zimmermann, Das Anfang an ein breites Spektrum an natur‑ DFG‑Projekt „Siedlungsarchäologie des Neolithikums der Aldenhovener Platte“. Das erste langfristige wissenschaftlichen Disziplinen zur Rekon- Forschungsunternehmen im Rheinischen Braunkoh‑ struktion der Landschaft sowie der Land‑ lenrevier. In: Th. Otten/J. Kunow/ M. M. Rind/M. und Waldwirtschaft ein. Innovativ war Trier (Hrsg.), Revolution Jungsteinzeit. Schriften zur auch die Entwicklung eines Aufnahmesys‑ Bodendenkmalpflege in Nordrhein‑Westfalen 11, 1 tems für Grabung und Fundinventare und (Darmstadt 2015) 305–311. – P. Stehli, Merzbachtal – Umwelt und Geschichte einer bandkeramischen Begehung und Dokumentation der Fundstellen an der Abbaukante. LVR‑ABR. deren statistische Auswertung, die heu‑ Siedlungskammer. Germania 67, 1989, 51–76. – te noch Anwendung finden. Die Ergebnis‑ A. Zimmermann, Das Hofplatzmodell ‑ Entwicklung, Die Siedlungslandschaft Merzbachtal auf se der großflächigen Untersuchungen des Probleme, Perspektiven. In: R. Smolnik (Hrsg.), Sied‑ der Aldenhovener Platte, Kr. Düren Siedlungsraumes entlang des Merzbachtals lungsstruktur und Kulturwandel in der Bandkeramik. wurden zeitnah wissenschaftlich ausgewer‑ Beiträge der Internationalen Tagung „Neue Fragen zur Bandkeramik oder alles beim Alten?!“ Leipzig 23.–24. Vor ca. 50 Jahren startete das mehrjähri‑ Institut für Ur‑ und Frühgeschichte der Uni‑ tet und publiziert. Sieben Siedlungen und Sept. 2010. Arbeits‑ und Forschungsberichte der ge Forschungsunternehmen zur Siedlungs‑ versität zu Köln in Kooperation mit dem ein Gräberfeld ließen die Siedlungskammer Sächsischen Bodendenkmalpflege, Beih. 25 (Dresden archäologie des Neolithikums auf der Al‑ Rheinischen Landesmuseum Bonn und den der ersten Bauern im mittleren Merzbachtal 2012) 11–19. denhovener Platte, das in vielerlei Hinsicht Rheinischen Braunkohlenwerken (heute im Detail mit ihren Beziehungen unterein‑ die Kenntnisse zur neolithischen Siedlungs‑ RWE Power AG). In den folgenden Jahren ander wieder auferstehen. geschichte und die Methodik in Datener‑ wurde die damals ca. 4 km lange Abbau‑ fassung, Grabungstechnik und Forschung kante des Tagebaus durch eine Arbeitsge‑ revolutionierte. Die verschiedenen theore‑ meinschaft aus Studenten des Kölner Ins‑ tischen Aspekte und Fragestellungen, die titutes beobachtet mit dem Ergebnis 84 heute zusammengefasst unter dem Begriff neuer Fundstellen. Das von der Deutschen „Landschaftsarchäologie“ fester Bestandteil Forschungsgemeinschaft finanzierte plan‑ der archäologischen Forschung sind, wurden mäßige Grabungsprogramm „Siedlungsar‑ hier mitbegründet. chäologie des Neolithikums der Aldenhove‑ Am Beginn der Untersuchungen stand die ner Platte“ machte dann ab 1971 insgesamt Auffindung von Scherben und Gruben der 23 großflächige archäologische Ausgrabun‑ Rössener Kultur im Vorfeld des Braunkoh‑ gen möglich und legte den Schwerpunkt der letagebaus Inden durch einen Schüler. „Mit Untersuchungen auf die Jungsteinzeit. dem Bagger im Nacken“ erfolgte die Ret‑ Grabungssituation Langweiler 2. LVR‑ABR. Luftbild und Plan des mittleren Merzbachtal. tungsgrabung dieser Fundstelle durch das A. Zimmermann.

114 115 identität

Bodendenkmäler stiften Identität

Das archäologische Erbe unserer Vergangen‑ heit wird nicht nur von Vorhabenträgern und Beteiligten in Planungsverfahren oft als limitierender Faktor wahrgenommen, der wie der Naturschutz oder die Kampfmittel‑ problematik bei Vorhaben notgedrungen zu berücksichtigen ist. Dabei lässt sich das kulturelle Erbe auch ganz außerordentlich vorteilhaft imagesteigernd oder als weicher Standortfaktor nutzen, weil das allgemei‑ ne Interesse an der archäologischen Hin‑ terlassenschaft unserer Vergangenheit und dem Leben unserer Vorfahren ungebrochen groß ist. So bieten auch Bodendenkmäler die Möglichkeit, für Ortsgemeinschaften iden‑ titätsstiftend zu wirken und Örtlichkeiten mit markanten Alleinstellungsmerkmalen zu versehen, die ihnen eine besondere Aufent‑ haltsqualität verleihen und sie aus der Mas‑ Modell einer Kunst zur Wasserhebung unter Tage se herausheben. Die zahlreichen Beispiele, im Besucherzentrum des Altenberg & Stahlberg e. V. Müsen. R.Golze. die es dafür bereits gibt, zeigen, wie groß das Spektrum entsprechender Umsetzungs‑ möglichkeiten ist. Man denke nur an das Hermannsdenkmal im Teutoburger Wald. Castrop‑Rauxel. Die Burg Henrichenburg als Nach dem Motto „Man sieht nur, was man archäologischer Landschaftspark. LWL AfW/ E. Dickmann. weiß“, muss Archäologie dafür im alltäg‑ lichen Umfeld der Menschen erlebbar ge‑ macht werden. In Castrop-Rauxel kann man im Archäologischen Landschaftspark den Grundriss der Burg Henrichenburg wahrnehmen.

Das Hermannsdenkmal bei Detmold. Lippisches Landesmueum Detmold.

116 117 identität identität

Oberhausen‑Osterfeld. Unter Glas: Die Fundamente der 1758 gegründeten St. Antony-Hütte. Neuss. Der historische Nordkanal, integriert in die moderne Bebauung. LVR‑ABR. LVR‑Industriemuseum/ M. Schmalen.

Da sind etwa die Aufdeckungen von Origi‑ Der sogenannte „ArcheoPoint“, ein archäo‑ Relativ verbreitet sind Markierungen ehe‑ nalbefunden, die in „archäologischen Fens‑ logischer Schauraum in Düsseldorf, thema‑ maliger Gebäude und Baustrukturen in tern“ Einblick in das ansonsten unsichtba‑ tisiert die Festungsvergangenheit der Lan‑ der Geländeoberfläche historischer Orts‑ re archäologische Archiv gewähren, wie deshauptstadt. Das Grab des Poblicius ist im kerne, etwa die einer römischen Herberge die vorgeschichtlichen bis mittelalterlichen Römisch‑Germanischen Museum in Köln zu auf dem Promenadenplatz in Neuss oder Befunde in der sogenannten „Vitrine“ im besichtigen. Doch auch ohne das Original – ausnahmsweise auch einmal vertikal – der Aachener Elisengarten und die römischen zu tangieren, lassen sich Anlagen vergange‑ Umriss des mittelalterlichen „Silberkuhls- Mauern unter dem Fußboden eines Droge‑ ner Zeiten anschaulich visualisieren wie die turms“ an der Fassade eines gleichnamigen riemarkts in Aachen oder die Fundamente Cortenstahlstruktur über der römischen Villa Neubaus in Essen. und technischen Anlagen der historischen von Blankenheim (Kr. Euskirchen) oder die St. Antony-Hütte in Oberhausen. Darstellung des historischen Nordkanals in Beliebte Ausflugsziele sind beispielsweise Neuss (Rhein‑Kreis Neuss) über der erhalte‑ auch die Kirchenruinen auf dem Jostberg nen Bodendenkmalsubstanz zeigen. bei Bielefeld, Borbergs Kirchhof bei Brilon (Hochsauerlandkreis) oder die Kreuzkapelle auf dem Wittekindsberg bei Porta Westfalica (Kr. Minden‑Lübbecke). Ist es nicht möglich, die Befunde vor Ort zu erhalten, kann ihre Translozierung eine Möglichkeit sein, sie an Ins Museum gerettet: Das Grabmal des Poblicius anderer Stelle in ihrem stadtgeschichtlichen im Römisch‑Germanischen Museum Köln. Römisch‑Germanisches Museum Köln. Kontext zu erklären.

118 119 Identität Identität

Wie sehr sich die archäologische Hinterlas‑ Diese wenigen Beispiele zeigen – neben senschaft unserer Vergangenheit dazu eig‑ den weiterhin wachsenden Besucherzahlen net, zur Identitätsbildung in unserer Gegen‑ in unseren archäologischen Museen – wie wart beizutragen, zeigen die Darstellung wichtig es ist, die Chance zu ergreifen und des Megalithgrabs „Düwelsteene“ im Wap‑ das archäologische Erbe nicht als Belastung, pen der Gemeinde Heiden (Kr. Borken), sondern als Chance zu begreifen. die überdimensionierte Nachbildung eines Schwertes in einem Kreisverkehr am Orts- eingang der Stadt Beckum (Kr. Warendorf), die auf ein bedeutendes frühmittelalterli‑ ches „Fürstengrab“ hinweist und die stilisier‑ Balve. Überall in der Stadt sieht man Mammuts. ten Mammutfiguren im Stadtgebiet Balves LWL‑AfW/ T. Poggel. (Märkischer Kreis), die an den europaweit Das Schwert des „Fürsten von Beckum“ prangt bedeutenden steinzeitlichen Fundplatz der auf dem Kreisverkehr am frühmittelalterlichen Friedhof. P. Tönißen. Balver Höhle erinnern. Mettmann. Der Neandertaler wacht über sein Tal. LWL‑AfW/ M. Baales.

Aber auch mit künstlerischer Interpreta‑ Die Gemeinde Hilchenbach‑Müsen (Kr. Sie‑ tion und Reminiszenzen lässt sich unsere gen‑Wittgenstein) pflegt ihr reiches mon‑ moderne Lebenswirklichkeit mit den Zeit‑ tanhistorisches Erbe mit einem Museum, schichten unserer Vergangenheit verbinden. einem Besucherbergwerk und einem Frei‑ Die Cortenstahl‑Figuren eines römischen Le‑ lichtmuseum und präsentiert sich auf dem gionärs in Pulheim (Rhein‑Erft‑Kreis), eines Ortsschild als „Bergbaudorf“. Die Gemein‑ mittelalterlichen Soldaten in Rheinberg (Kr. de Netphen (Kr. Siegen‑Wittgenstein) hat Wesel) und des Neandertalers in Mettmann überregional bedeutende Fundstellen der (Kr. Mettmann) oder das Hologramm eines Eisenzeit durch einen Themenwanderweg, historischen Lebensbildes an der Stadtmau‑ den „Keltenweg“ erschlossen. In die Bron‑ er von Viersen‑Dülken (Kr. Viersen) sind nur zezeit führt der Archäologische Lehrpfad in wenige Beispiele dafür. Schlangen‑Oesterholz (Kr. Lippe).

Das Wappen von Heiden im Kreis Borken: Das Megalithgrab Düwelsteene. Gemeinde Heiden.

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Adressen der Fachämter

LVR‑Amt für Bodendenkmalpflege im Rheinland LWL‑Archäologie für Westfalen Endenicher Straße 133 | 53115 Bonn An den Speichern 7 | 48157 Münster Tel.: 0 28 9 83 40 | Fax: 02 28 9 83 41 19 Tel.: 02 51 5 91 88 01 | Fax: 02 51 5 91 88 05 www.bodendenkmalpflege.lvr.de www.lwl‑archaeologie.de Mail: [email protected] Mail: lwl‑[email protected]

Gebietsreferate: Gebietsreferate: Außenstelle Nideggen Außenstelle Overath Außenstelle Bielefeld Außenstelle Münster Zehnthofstraße 45 | 52385 Nideggen Gut Eichthal | 51491 Overath Am Stadtholz 24 a | 33609 Bielefeld An den Speichern 7 | 48157 Münster Tel.: 0 24 25 9 03 90 | Fax: 0 24 25 9 03 91 99 Tel.: 0 22 06 9 03 00 | Fax: 0 22 06 90 30 22 Tel.: 02 51 5 91 89 61 | Fax: 02 51 5 91 89 89 Tel.: 02 51 5 91 89 11 | Fax: 02 51 5 91 89 28 Mail: [email protected] Mail: [email protected] Mail: lwl‑archaeologie‑[email protected] Mail: lwl‑archaeologie‑[email protected]

Außenstelle Titz Außenstelle Xanten Außenstelle Olpe Ehrenstraße 14–16 | 52445 Titz Augustusring 3 | 46509 Xanten In der Wüste 4 | 57462 Olpe Tel.: 0 24 63 9 91 70 | Fax: 0 24 63 9 91 71 60 Tel.: 0 28 01 77 62 90 | Fax: 0 28 01 7 76 29 33 Tel.: 0 27 61 9 37 50 | Fax: 0 27 61 93 75 20 Mail: [email protected] Mail: [email protected] Mail: lwl‑archaeologie‑[email protected]

Archäologische Bodendenkmalpflege der Stadt Köln Römisch‑Germanisches Museum Roncalliplatz 4 | 50667 Köln Tel. 02 21 22 12 23 04 | Fax: 02 21 22 12 40 30 www.stadt‑koeln.de/service/adressen/roemisch‑ germanisches‑museumarchaeologische‑bodendenkmalpflege Mail: rgm@stadt‑koeln.de

122 123 Impressum

Herausgeber: Autoren: Ulla Münch Martin Vollmer‑König Landschaftsverband Michael Baales LVR‑Amt für Bodendenkmalpflege LVR‑Amt für Bodendenkmalpflege Westfalen‑Lippe (LWL) LWL‑Archäologie für Westfalen Außenstelle Titz Abteilung Denkmalschutz / Praktische LWL‑Archäologie für Westfalen Außenstelle Olpe Bodendenkmalpflege An den Speichern 7 Claudia Obladen‑Kauder 48157 Münster Werner Best LVR‑Amt für Bodendenkmalpflege Christine Wolfarth Tel.: 02 51 5 9188 01 LWL‑Archäologie für Westfalen Außenstelle Xanten LVR‑Amt für Bodendenkmalpflege E‑Mail: lwl‑archä[email protected] Außenstelle Bielefeld Abteilung Prospektion Bianca Petzhold Schriftleitung: Steve Bödecker LVR‑Amt für Bodendenkmalpflege Manuel Zeiler LWL‑Archäologie für Westfalen LVR‑Amt für Bodendenkmalpflege Rechtsangelegenheiten LWL‑Archäologie für Westfalen Christoph Grünewald Außenstelle Xanten Außenstelle Olpe Julia Obladen‑Kauder Hans Otto Pollmann Christoph Keller Marion Brüggler LWL‑Archäologie für Westfalen LVR‑Amt für Bodendenkmalpflege Außenstelle Bielefeld Koordination und Redaktion: Außenstelle Xanten LWL‑Archäologie für Westfalen Eugen Rung Erich Claßen LVR‑Amt für Bodendenkmalpflege Gestaltung: LVR‑Amt für Bodendenkmalpflege Fachdienste Öffentlichkeitsarbeit LWL‑Archäologie für Westfalen Außenstelle Overath Maike Kloss Andreas Schaub Klaus Frank Stadt Aachen © LWL / LVR 2018 LVR‑Amt für Bodendenkmalpflege Außenstelle Overath Dirk Schmitz In enger Kooperation mit: Römisch‑Germanisches Museum Köln LVR‑Amt für Bodendenkmalpflege Jürgen Gaffrey im Rheinland LWL‑Archäologie für Westfalen Lothar Schöllmann Endenicher Straße 133 Außenstelle Münster LWL‑Museum für Naturkunde 53115 Bonn Telefon: 02 28 9 83 40 Renate Gerlach Sven Spiong E‑Mail: [email protected] LVR‑Amt für Bodendenkmalpflege LWL‑Archäologie für Westfalen Zeittafel Seite 126: Abteilung Prospektion Außenstelle Bielefeld LWL‑AfW/ V. Brieske, B. Schulte-Linnemann. Römisch‑Germanisches Museum Archäologische Bodendenkmalpflege Christoph Grünewald Bernhard Stapel Umschlag vorne: Roncalliplatz 4 LWL‑Archäologie für Westfalen LWL‑Archäologie für Westfalen Borgentreich-Bühne. Airborne Laserscan 50667 Köln Außenstelle Münster Außenstelle Münster vom Erdwerk. ArcTron GmbH. Tel.: 02 21 22 12 23 04 E‑Mail: rgm@stadt‑koeln.de Christoph Keller Petra Tutlies Umschlag hinten: LVR‑Amt für Bodendenkmalpflege LVR‑Amt für Bodendenkmalpflege Bruchhauser Steine. Hauptwall. Abteilung Prospektion Außenstelle Nideggen LWL‑AfW/ H. Menne.

124 125 Zeittafel Inhalt

Geol. Klima- Zeitstufen Epochen Kulturen Stufen stufen 2018 Neuzeit

1500 Mittelalter Spätes Mittelalter m

u Hohes Mittelalter Landesherrschaften 1000 Karolingerzeit »Engern«, »Westfalen«

lan ti k Merowingerzeit fränk. und sächs. Ein üsse t

500 a Völkerwanderungszeit b

u Römische Kaiserzeit Rhein-Weser-Germanen; Römer S 0 Eisenzeit Späte Eisenzeit Kontakte zur Latène-Kultur

ngholozä n regionale Gruppen Mittlere Eisenzeit J u Frühe Eisenzeit 1000 Bronzezeit Späte Bronzezeit Emskultur; kleinere regionale Gruppen Mittlere Bronzezeit Hügelgräberkultur

Frühe Bronzezeit Wickelschnurkeramik; Sögel-Wohlde-Kreis 2000 Neolithikum Endneolithikum Glockenbecher bo r ea l

b Schnurkeramik u S Einzelgrabkultur Spätneolithikum 3000 Trichterbecher Kultur; Wartbergkultur

Jungneolithikum Michelsberger Kultur h

4000 c

Mittelholozä n Mittelneolithikum Bischheimer Gruppe Rössener Kultur Frühneolithikum Großgartacher Kultur 5000

Linearbandkeramik; La Hoguette tiku m

Moderner Men s Mesolithikum Spätmesolithikum Rhein-Maas-Schelde-Gruppe

6000 Atla n

Frühmesolithikum

7000

8000 Altholozä n Bo r ea l

9000 Prä - bo r ea l

Paläolithikum Spätpaläolithikum Ahrensburger Rentierjäger Spät- 10000 pleistozän Federmessergruppen

Jungpaläolithikum Hamburger Kultur; Magdalénien

25000

Aurignacien Mittelpaläolithikum Blattspitzengruppen/Moustérien

50000 chsel-Kaltzei t i

e Keilmessergruppen W

75000 J ungpleistozä n Klingenindustrie ale r t r e

100000 an d

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Warmzeit N x - e 150000 ozä n e Jungacheuléen eis t Saa l omp l K elp l

126 300000 127 Mit t Holstein Altpaläolithikum