Ländlicher Raum, Landschaft Landinfo 4/2006

Hannes Bürckmann, neulandplus Stuttgart1

Angestoßene Steine am Rollen halten - Erfolgsfaktoren für nachhaltige Regionalvermarktung

Manchmal braucht es einen Anstoß von außen, um sich auf die eigenen Stärken zu besinnen und Ini- tiativen zu entwickeln. Welche Strukturen und Faktoren braucht es aber, begonnene Initiativen z. B. in der Regionalvermarktung „am Laufen“ zu halten?

Im Landkreis sind durch das Büro neuland+ im Auf- Streuobst-Initiative - durch die Arbeit des Modellprojek- trag des Landkreises Freudenstadt -Freudenstadt e.V. tes Freudenstadt in den letzten wurde das Modellprojekt initiiert, drei Jahren u. a. mehrere neue na- um die bestehenden Ansätze zu Im Rahmen der Arbeitsgruppe turschutzorientierte Vermarktungs- vertiefen, neue Produktbereiche in Regionalvermarktung des Modell- projekte entstanden: z. B. die Er- der Regionalvermarktung aufzu- projekts Freudenstadt wurde der zeugergemeinschaft Schwarzwald/ bauen, sowie touristische Angebo- Erhalt der landschaftsprägenden Nord, die Streuobst-Initiative Calw- te wie Landerleben (s. Landinfo und naturschutzfachlich wichtigen Enzkreis-Freudenstadt e.V. und Ausgabe 03/2006) zu entwickeln. Streuobstwiesen als ein wichtiges ein Direktvermarkterverzeichnis. Ziel definiert. Der Erhalt der Flä- Zum Aufbau neuer Produktlinien chen sollte durch die Teilnahme wurde eine Arbeitsgruppe Regio- der Erzeuger an einer Aufpreis- nalvermarktung eingerichtet, in der vermarktungs-Initiative erreicht Schlüsselpersonen aus verschie- werden. Nach der Evaluierung der denen Bereichen wie Landwirt- örtlichen Gegebenheiten stand schaft, Wirtschaft, Naturschutz fest, dass der Aufbau einer eige- und Verwaltung zusammen arbei- nen Vermarktungsinitiative im teten. Landkreis Freudenstadt aufgrund der geringen Mengen wenig Aus- sicht auf Erfolg haben würde. Erzeugergemeinschaft Schwarzwald/ Nord Aus diesem Grund und zur Nut- zung von Synergien wurde die Zentraler Baustein der Aktivitäten Kooperation mit dem im Nachbar- im Bereich Regionalvermarktung landkreis Calw bereits bestehen- Wie alles anfing war die Erzeugergemeinschaft den Projekt geprüft. Zeitgleich er- Schwarzwald/Nord (EZG), die zu folgten bereits Kooperationsge- Ausgangsbasis für die Regional- Projektbeginn als Vermittlungsstel- spräche zwischen dem Landkreis vermarktung im Landkreis und das le für die Produkte ihrer Mitglieds- Calw und dem Projekt des BUND Modellprojekt Freudenstadt war landwirte und -schäfer an Metzge- Regionalverbandes Nordschwarz- eine Studie zur Offenhaltung aus reien und Gastronomiebetriebe in wald im Enzkreis. Als Ergebnis der dem Jahr 2000 vom Büro neu- der Region in Form eines Vereins Kooperationsgespräche konnte im land+. Hier wurde u.a. die Bewei- etabliert war. Zur Verbesserung Jahr 2003 der erste gemeinsame dung der Flächen und die Ver- der Vermarktungsmöglichkeiten Streuobst-Apfelsaft unter dem La- marktung von Qualitätsrind- und wurde die Gründung einer GmbH bel „Schneewittchen – Besser als Lammfleisch als eine Möglichkeit mit einem eigenen Verarbeitungs- im Märchen“ auf den Markt ge- zur Verknüpfung der Offenhaltung betrieb aufgebaut. Die GmbH bracht werden. Dieses Produkt be- mit einer Steigerung der regiona- pachtete eine Metzgerei in Baiers- ruht in allen drei beteiligten Land- len Wertschöpfung beschrieben. bronn als Basis für die Verarbei- kreisen auf einheitlichen Erzeu- Nach dem Aufbau der Erzeuger- tung und Vermarktung der Produk- gungsrichtlinien (Bio-Richtlinie) gemeinschaft Schwarzwald/Nord te der Mitglieder. und wird von zwei Verarbeitungs- partnern hergestellt. Parallel zur Implementierung der GmbH und Etablierung des eige- 1 Der Autor war Projektleiter des Be- nen Verarbeitungsbetriebs wurden Weitere Produktbereiche reichs Regionalvermarktung im Mo- das Marketing professionalisiert dellprojekt Freudenstadt und ist sowie neue regionale Produkte zur Neben den beiden zentralen Be- Partner im Büro neuland+ - Touris- Erweiterung des Produktportfolios reichen Rindfleisch und Streuobst mus, Standort – Regionalenwicklung, in die Vermarktung aufgenommen. wurden weitere regionstypische Aulendorf Produkte in die Vermarktungsakti- 14 Landinfo 4/2006 Ländlicher Raum, Landschaft vitäten eingebunden bzw. Ansätze Weiterentwicklung der etabliert. Die Vermarktung von Projekte Lammfleisch, Honig, Fisch (insbe- sondere Forellen) sowie Wildbret Eine wichtige Aufgabe des Mo- erfolgte zum größten Teil über die dellprojekts Freudenstadt war es, bestehenden Strukturen der Er- die angestoßenen Projekte in zeugergemeinschaft Schwarz- selbsttragende Strukturen zu über- wald/ Nord. führen, um eine Fortführung nach der Projektphase zu gewährleis- Auch die Streuobst-Produkte wur- ten. Neben ausreichenden Grö- den hier neben einer eigenen ßenordnungen bei Erzeugung und Vermarktungsschiene mit einge- Vermarktung zählt hier vor allem bunden. Zusammen mit den Ak- die Entwicklung einer geeigneten teuren aus Erzeugung und Ver- Organisationsform zu den Haupt- marktung wurden Erzeugungskri- aufgaben. terien erarbeitet sowie die Bewer- bung der Produkte aufgebaut. Mit So wurde die Erzeugergemein- eigenen Aktionen, wie Gastrono- schaft Schwarzwald/Nord in Form mie-Kampagnen für Lammfleisch einer GmbH etabliert. Die Kapital- oder Verköstigungsaktionen wur- beschaffung zur Gründung erfolgte den die einzelnen Produktbereiche hauptsächlich über die Mitglieder, speziell kommuniziert. Zur Unter- die eine Einlage in den bereits be- stützung der Vermarktungsaktivitä- stehenden Verein erbrachten. Bild 1: Produktpalette der Streu- ten wurden weiterhin ein Regio- obst-Initiative Calw- nalvermarkterverzeichnis, dass Zusammen mit einer Beteiligung Enzkreis-Freudenstadt jährlich aktualisiert wird, aufgebaut durch die Geschäftsführung konn- e.V. und herausgegeben sowie mehre- te dann der „Verein zur Förderung re Bauernmärkte zusammen mit regionaler Erzeugung und gesun- dem Naturpark Schwarzwald Mit- der Ernährung (ReGio) Schwarz- te/Nord entwickelt und eingeführt. wald/Nord e.V.“ als Hauptgesell- schafter die Erzeugergemeinschaft Schwarzwald/Nord GmbH grün- den. Vor allem der Betrieb einer eigenen Metzgerei machte, zu- sammen mit den Anforderungen der Kunden und Haftungsfragen, die Abkehr von einem Verein als Vermarktungsorganisation not- wendig. Im Gegensatz dazu konnte im Streuobstbereich die Form eines gemeinnützigen Vereins als Dach- organisation genutzt werden, da hier die gesamte Vermarktung ausschließlich über die beiden Partner, die Firmen Franz Frucht- säfte in und Dürr Frucht- säfte in Neubulach-Martinsmoos, abgewickelt wird. Der Verein ist für die Organisation des Projektes, al- so Erstellung und Kontrolle der Richtlinien, Beratung der Erzeuger und Aufklärung der Verbraucher zuständig. Beide entwickelten Modelle erfül- len die Anforderung, als Grundla- ge für die nachhaltige Entwicklung zu dienen. Die Entwicklung der verschiedenen Ansätze zeigt aber die Notwendigkeit, auf die unter- Bild 2: Ministerpräsident Oettinger ist begeistert von den Produkten schiedlichen Ansprüche an die der Streuobst-Initiative Calw-Enzkreis-Freudenstadt e.V. Organisationsform einzugehen,

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Erfolgsfaktoren Die Abbildung 1 zeigt die methodi- sche Erfassung und Bewertung der Erfolgsfaktoren am Beispiel der Streuobst-Initiative Calw- Enzkreis-Freudenstadt e.V. zu Beginn und zum Ende des Mo- dellprojekts. Besonders deutlich wird hier die Bemühung, im Sinne des Mini- mumgesetzes, wonach das Wachstum durch die knappste Ressource eingeschränkt wird, al- le Erfolgsfaktoren auf ein mög- lichst gleiches Niveau zu bringen. Die bestehenden Schwachstellen im Streuobst-Projekt sollen in Zu- kunft mit folgenden Maßnahmen behoben werden:

Partner: Verstärkte Einbindung der Gastronomie in die Vermark- tungs- und Marketingaktivitäten Gewinnung neuer Partner und Absatzwege durch spezielle Streuobst-Produkte

Ressourcen: Erschließung finanzieller Mittel zur Ausdehnung der Vermark- tung, um Skaleneffekte zu schaffen

Kommunikation: Verstärkung der Pressearbeit

Abbildung 1: Erfüllung der Erfolgsfaktoren am Beispiel der Streu- Neue Internetpräsenz obst-Initiative Calw-Enzkreis-Freudenstadt e.V. Kontrollsystem: Verstärkung des Qualitätsma- nagement durch Schulung der ehrenamtlichen Berater

Herkunftsregion: die insbesondere durch das wicklung einer eigenen Vermark- Marktumfeld vorgegeben sind. tungsorganisation notwendig Auffangen schwankender Er- machte. Die Streuobst-Initiative zeugungsmengen aufgrund der Für die Fleischvermarktung der Calw-Enzkreis-Freudenstadt e.V. klimatischen Bedingungen vor Erzeugergemeinschaft Schwarz- konnte andererseits mit Vermark- allem in den Schwarzwaldlagen wald/Nord konnten in der Region tungspartnern kooperieren, die ih- durch Bevorratung. keine geeigneten Handelspartner rerseits ein starkes Interesse an gefunden werden, was die Ent- der Kooperation haben.

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Nachhaltigkeit chen Eignung der Akteure, also tionsform und die Sicherstellung der Bereitschaft, sich in einen der internen Kommunikation zu Zu den wichtigsten Faktoren zur Gruppenprozess einfügen zu kön- den wichtigsten Erfolgsfaktoren Schaffung einer dauerhaften Ver- nen, ist die interne Kommunikation gehören. Die Schaffung von hori- marktungsstruktur gehört die oben von größter Wichtigkeit. Es müs- zontalen Kooperationen erfordert beschriebene Organisationsform. sen von vorne herein klare „Spiel- ein hohes Maß an Engagement, Dazu zählt allerdings nicht nur die regeln“ in der Zusammenarbeit Kooperations- und Kommunikati- rechtliche Ausgestaltung der Or- aufgestellt und eingehalten wer- onsbereitschaft der beteiligten Ak- ganisation z.B. als Verein, Genos- den: teure. Der wirtschaftliche Erfolg senschaft oder GmbH, sondern einer horizontalen Kooperation auch die strukturelle Einbindung in Sicherstellung des Informati- hängt entscheidend vom unter- ein System von Partnern. onsflusses, nehmerischen Know-how oder der Einbindung von Vermarktungs- Im Rahmen von Vermarktungspro- Definition von Entscheidungs- partnern ab, die in einem System jekten wird in der Regel eine hori- findungsprozessen, gegenseitigen Nutzens dauerhaft zontale Kooperation von Erzeu- in die Partnerschaft eingebunden gern mit einer vertikalen Koopera- Umgang mit Problemen und sind. tion des nachgelagerten Bereichs Kritik sowie verknüpft. Dies ist in der Regel al- Regeln für Ein- und Ausstieg in leine schon in der fehlenden un- bzw. aus der Kooperation. Kontakt ternehmerischen Kompetenz auf der Erzeugerseite begründet. Die Diese Aufgaben fallen im Regelfall [email protected]; Partner müssen einen materiellen und insbesondere bei Konfliktsitu- www.neulandplus.de Nutzen an der Partnerschaft ha- ationen der Leitung der Kooperati- ben, es muss also eine Win-Win- on zu. Neben dem unternehmeri- Erzeugergemeinschaft Schwarz- Situation in der Partnerschaft vor- schen Bewusstsein ergibt sich wald/Nord: www.weidevieh.de handen sein, um die Dauerhaftig- auch die Anforderung einer be- Streuobst-Initiative Calw-Enzkreis- keit der Kooperation sicherzustel- sonders hohen Kommunikations- Freudenstadt e.V.: www.streuobst- len. und Teamfähigkeit für die Leitung initiative.de von Regionalvermarktungsprojek- Um die Nachhaltigkeit von natur- ten. Stiftung Naturschutzfonds: schutzorientierten Vermarktungs- www.stiftung-naturschutz-bw.de projekten sicherzustellen, bedarf es neben der „Organisation“ und Zusammenfassung der in Abbildung 1 dargestellten „harten“ Erfolgsfaktoren auch noch Die Ergebnisse beim Aufbau von weicher Schlüsselkompetenzen, naturschutzorientierten Vermark- sogenannter „soft skills“. Zentraler tungsprojekten im Rahmen des Punkt ist hier die Zusammenarbeit Modellprojekts Freudenstadt zei- der Akteure. Neben der persönli- gen, dass die Wahl der Organisa-

Kurz mitgeteilt Jahren 2004 und 2005 in Koopera- dienen vor allem dem Erhalt von tion mit Europarc Deutschland. 95 Kulturlandschaften und sind wich- Seit 50 Jahren Naturparke in Naturparke gibt es mittlerweile in tig für die Erhaltung der biologi- Deutschland - Landschaftliche Deutschland - von der Insel Use- schen Vielfalt. Landschaftspflege Vielfalt, Natur und Kultur erhal- dom bis zum Spessart und Süd- und umweltgerechte Landnutzung ten schwarzwald bieten sie ein um- sind Grundlage für ihre touristi- fangreiches und weitläufiges sche Attraktivität. (aid) - Zum Europäischen Tag der Spektrum an landschaftlicher Viel- Parke am 24. Mai erhielten 13 Na- falt. Die Naturparke sollen Men- Über die Bedeutung der Naturpar- turparke in Deutschland die Aus- schen Erholungsmöglichkeiten ke informiert auch ein neuer Inter- zeichnung "Qualitäts-Naturpark". bieten und dem Natur- und Land- netbeitrag des aid infodienst unter Die "Qualitätsoffensive Naturpar- schaftsschutz dienen. 25 Prozent www.aid.de/landwirtschaft/biotop_ ke" entwickelte der Verband Deut- der Fläche Deutschlands nehmen naturpark.php scher Naturparke (VDN) in den die Naturparke inzwischen ein. Sie aid-Presse-Info 21/06

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