E 4542 1-2/2004

Zeitschrift für die Praxis der politischen Bildung POLITIK &

Europa wählt – Europa wird größer!

Europa wählt Europa wird größer Europa wird anders

UNTERRICHT Perspektiven, Chancen und Probleme

ISSN 0344-3531 1-2/2004 1. Quartal 30. Jahrgang

INHALT POLITIK &

Europa wählt - Europa wird größer! UNTERRICHT

POLITIK & UNTERRICHT wird von der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg herausgegeben. Vorwort des Herausgebers ______1 Herausgeber und Chefredakteur: Dr. h. c. Siegfried Schiele, Direktor der Landeszentrale für Geleitwort des Ministeriums politische Bildung Baden-Württemberg für Kultus, Jugend und Sport ______2 Redaktionsteam: Geschäftsführender Redakteur: Dr. des. Reinhold Weber, Autor dieses Heftes ______2 Landeszentrale für politische Bildung, Stuttgart Ernst-Reinhard Beck, MdB, Oberstudiendirektor a. D., Pfullingen Judith Ernst-Schmidt, Studienrätin, Werner-Siemens-Schule (Gewerbliche Schule für Elektrotechnik), Stuttgart Ulrich Manz, Rektor der Schiller-Schule Esslingen Unterrichtsvorschläge (Grund- und Hauptschule mit Werkrealschule) Horst Neumann, Ministerialrat, Ministerium für Umwelt und Verkehr Baden-Württemberg, Stuttgart Einleitung ______3 Angelika Schober-Penz, Studienassessorin, Ministerium für Umwelt und Verkehr Baden-Württemberg, Stuttgart Baustein A Karin Schröer, Reallehrerin, Eichendorff-Realschule Europa wählt ______8 Reutlingen Baustein B Anschrift der Redaktion: Europa wird größer ______10 70184 Stuttgart, Stafflenbergstraße 38 Tel. (0711) 16 40 99-42/45, Fax (0711) 16 40 99-77 Baustein C E-Mails an die Redaktion: Europa wird anders ______13 [email protected] [email protected] Baustein D Perspektiven, Chancen und Probleme ______14 POLITIK & UNTERRICHT erscheint vierteljährlich Preis dieser Nummer: € 5,60 Literaturhinweise ______U 3 Jahresbezugspreis € 11,20. (Alle Bausteine Gerhart Maier) Unregelmäßig erscheinende Sonderhefte werden zusätzlich mit je € 2,80 in Rechnung gestellt. Verlag: Neckar-Verlag GmbH, Texte und Materialien 78050 Villingen-Schwenningen, Klosterring 1, für Schülerinnen und Schüler ______17–69 www.neckar-verlag.de Druck: PFITZER DRUCK GMBH, Benzstr. 39, 71272 Renningen Meine Meinung zur Erweiterung ______70 Namentlich gezeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Internetseiten zum Thema Meinung des Herausgebers und der Redaktion wieder. (Susanne Meir) ______71 Nachdruck oder Vervielfältigung auf elektronischen Datenträgern sowie Einspeisung in Datennetze nur mit Genehmigung der Redaktion. Politik & Unterricht im Internet Auflage dieses Heftes: 25 000 http://www.lpb.bwue.de/PuU/ 1

Vorwort Europa wählt – Europa wird größer! 15 Jahre nach dem Ende des Kalten Krieges und 25 Jahre nach den ersten Direktwahlen zum Europäischen Parlament könnten die Eu- des ropawahlen im Juni 2004 zum Symbol eines geeinten Europa werden, das seine künst- Herausgebers liche Spaltung überwunden hat. Die Erweiterung der EU um zehn bzw. zwölf eu- ropäische Staaten ist ein Vorgang von historischer Bedeutung – für die Europäische Union selbst und für die Beitrittsländer. Die Gemeinschaft steht vor ihrer bislang größ- ten Erweiterungsrunde: das ist eine historische Herausforderung und gleichzeitig eine Chance! Strukturelle und institutionelle Reformen sind dazu bereits auf den Weg gebracht. Mit der Verabschiedung einer Verfassung für das geeinte Europa ist ebenfalls im Jahr 2004 zu rechnen. Aber der Beitritt ist auch für die neuen Mitgliedstaa- ten eine tiefe Zäsur in ihrem Transformationsprozess. Mit großer Zustimmung der Bevölkerungen streben sie mit der Unterstützung der bisherigen EU-15 nach einer Teilhabe an den Werten der EU: Demokratie, Rechtsstaat, Schutz der Menschenrechte und der Minderheiten. Das geeinte Europa war in den vergangenen Jahren ein Ga- rant für Frieden, Sicherheit, politische Stabilität und wirtschaftlichen Erfolg. Die mittel- und osteuropäischen Län- der erhalten nun endlich die Chance auf die Teilnahme am Projekt der europäischen Integration. Wer macht was in Europa? Wie funktioniert Europa? Und wo betrifft Europa das alltägliche Leben der Menschen? Die Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg, die sich für 2004 den thematischen Schwerpunkt »Europa« gewählt hat, nimmt mit dieser Ausgabe von Politik & Unterricht das epochale Ereignis der EU-Erwei- terung und die Aktualität der Europawahlen gerne zum Anlass, Lernende und Lehrende zu einer Auseinander- setzung mit Europa einzuladen. Wir sind uns der Problematik bewusst, dass Europa oft nur als weit entfernt lie- gende und von den Bürgerinnen und Bürgern abgehobene »Brüsseler Bürokratie« wahrgenommen wird. Das zeigen auch die niedrigen Beteiligungsquoten bei den vergangenen Europawahlen. Aber Europa wird von »unten« gebaut und gelebt. Durch die Erweiterung wird die Europäische Union bunter und vielfältiger. Der Reichtum Europas liegt in seiner Vielfalt: in gesellschaftlicher, kultureller und geografischer Hin- sicht. Aber die Erweiterung bringt auch Schwierigkeiten mit sich, nicht nur wirtschaftlicher Art. Das geeinte Eu- ropa war jedoch schon immer ein offenes Vorhaben und eine Vision – und es wird auch weiterhin ein Projekt der Zukunft sein, nicht zuletzt ein Projekt der Jugend. Was in den vergangenen Jahrzehnten an engen Freundschaf- ten auf Bundes-, Länder- und kommunaler Ebene mit den bisherigen EU-Staaten gewachsen ist, wird sich glei- chermaßen mit den Ländern Mittel- und Osteuropas entwickeln. Dazu bedarf es großer Anstrengungen, die auf allen Ebenen bereits unternommen werden. Die Erweiterung der EU wird das persönliche Miteinander der Men- schen in Europa noch verstärken. Aber Europa bedeutet auch die Auseinandersetzung mit einem politischen Sys- tem, mit politischen Vorgängen und Institutionen. Wer diese kennt, kann die Abgrenzung und das Ineinander- greifen der unterschiedlichen Politikebenen besser verstehen und leichter eine Antwort auf die oben gestellten Fragen finden. Dr. h. c. Siegfried Schiele Direktor der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg

Horst Neumann 60 Jahre alt! Unser langjähriges Redaktionsmitglied Horst Neumann feierte am 21. März seinen 60. Geburtstag. Man möchte Einblick in seinen Personalausweis nehmen, um das zu glauben. Wer noch so viele Ideen hat, so viel Tatkraft, so viel Originalität, der ist auch mit 60 Jahren jung geblieben! Horst Neu- mann gehört zu den Gründungsvätern unserer Zeitschrift. Von 1975 an bis heute hat er engagiert in der Redaktion mitgearbeitet. Auf sein fundiertes und geschliffenes Urteil möchten wir nicht verzich- ten. Darüber hinaus hat er viele, viele Hefte als Autor gestaltet. Insider erkennen die »Neumann-Hefte« auf den ersten Blick: spritzige Themen, unkonventionell angelegt, motivierend ausgestaltet, stark nachgefragt. Wir haben also sehr zu danken und wünschen Horst Neumann, dass er weiterhin so erfrischend bleiben und »seiner Zeitschrift« die Treue halten möge. Siegfried Schiele

Frau Judith Ernst-Schmidt 50 Jahre alt! Am 20. Februar hat Frau Judith Ernst-Schmidt ihren 50. Geburtstag gefeiert. Wir gratulieren herzlich und wünschen ihr – und unserer Zeitschrift! – auch weiterhin so viel Tatkraft und Engagement. Die gebürtige Karlsruherin bereichert das Redaktionsteam von P&U seit 1997 – mit profunder di- daktischer Fachkenntnis und als kritische Begutachterin der Heftmanuskripte. 2002 hat die Studi- enrätin an der Werner-Siemens-Schule in Stuttgart mit dem Heft »Der Seminarkurs« einen wichti- gen Beitrag zum Thema Methodenkompetenz in der Schule geleistet. Dass die Ausgabe so schnell vergriffen war, ist für uns der beste Lackmustest für ihre Qualität. Wir freuen uns auf die weitere Zusammenarbeit mit Frau Ernst-Schmidt! Siegfried Schiele 2

Geleitwort Ein Fest für Europa: Ungarische Jugendliche werden in ihrer Schule in der Nacht vom dreißigsten April auf den ersten Mai feiern. Sie werden feiern, dass ihr Land des Ministeriums in die Europäische Union aufgenommen wird. Und auf einem großen Platz in für Kultus, Jugend Budapest läuft eine Stoppuhr, welche die verbleibenden Stunden, Minuten und Sekunden bis zum Eintritt in die EU zählt. Hier zu Lande sucht man so viel Eu- und Sport phorie oft vergebens. Die öffentliche Meinung ist von Sorgen und Ängsten ge- prägt. Dabei sind auch in den Beitrittsstaaten kritische Stimmen zu hören. So befürchten osteuropäische Staaten, dass ihre nationale Identität und ihre poli- tische Souveränität, die sie gerade erst mühsam gewonnen haben, im verei- nigten Europa nur eine geringe Rolle spielen werden. Umgekehrt fürchten langjährige EU-Staaten gerade dies: dass osteuropäische Länder eine politi- sche Kultur des Nationalismus mitbringen und dass sie ihre staatliche Souve- ränität nicht einschränken lassen wollen. In ihren Befürchtungen stehen sich alte und neue EU-Staaten also in nichts nach. Beiderseits sind mit der EU-Er- weiterung zahlreiche Fragen und ungelöste Probleme verbunden. Angesichts solcher Befürchtungen lohnt es sich, den Blick auf die ideelle Ba- sis der Union zu lenken. Nie war die Europäische Gemeinschaft nur ein auf wirt- schaftliche Interessen gegründeter Zweckbund. Immer war Europa mehr als ein Wirtschaftsverband, immer gab es die Vision eines friedlichen Miteinanders der europäischen Staaten, die von einem gemeinsamen Wertesystem und einer gemeinsamen europäischen Identität zusammengehalten werden. Dazu kommt noch etwas anderes: Das Projekt Europa ist einzigartig. Es gibt keine histori- schen Vorbilder. Das macht es einerseits so ungewiss, andererseits so span- nend. Das Projekt Europa ist ein System, das sich dauernd weiterentwickelt und sich in ständiger Bewegung befindet, dessen Ausgang offen ist und des- sen Zielsetzung einem dynamischen Prozess unterworfen ist, das im Entste- hen begriffen ist und doch schon funktioniert. Es ist ein Experiment, aber es könnte auch ein Modell werden: Mit großem Interesse betrachten Asien, der Nahe Osten und Süd- und Mittelamerika den europäischen Einigungsprozess. Die Landeszentrale für politische Bildung legt nun ein Heft vor, das aktuelle In- formationen und Unterrichtsmaterialien zum Thema Europa bietet. Damit kön- nen die Schülerinnen und Schüler handlungsorientiert und altersgerecht an eine schwierige Materie herangeführt werden und es ist zu wünschen, dass sie sich neugierig und zuversichtlich mit dem spannenden Projekt Europa auseinander setzen, dass sie die neuen Beitrittsländer willkommen heißen und dass die Wahlberechtigten unter ihnen im Juni 2004 ihr Wahlrecht nutzen. Und vielleicht feiern ja auch sie ein Fest für Europa, aller Ungewissheit und allen Befürch- tungen zum Trotz. Johanna Seebacher Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg

Gerhart Maier, Professor i. R., Autor dieses Heftes Esslingen am Neckar 3

Europa wählt – Europa wird größer!

Jugendlichen. Deren Wahrnehmung und Kenntnis- Einleitung stand hinsichtlich der europäischen Ebene ist unge- mein gering; die Undurchsichtigkeit und die Komple- xität der europäischen Entscheidungsprozesse schrecken sie eher ab. Die durch die europäische In- Das Jahr 2004 wartet auf der europäischen Bühne tegration gewonnenen Annehmlichkeiten – Freizü- gleich mit drei Ereignissen auf, die für den europäi- gigkeit, Mobilität, größeres und zumeist billiges Wa- schen Integrationsprozess von grundsätzlicher Be- renangebot u.a. – werden dagegen oft als schiere deutung sind und die Struktur der Europäischen Selbstverständlichkeit hingenommen. Union nachhaltig verändern werden. Folgende Neue- rungen stehen auf der europäischen Agenda: Dem Unterricht fällt die wichtige Aufgabe zu, den In- formationsstand anzuheben, die nach wie vor beste- • die Aufnahme von zehn mittel- und osteuropäi- hende Distanz zu Europa abzubauen und den Adres- schen Staaten in die EU der 15 und damit die saten bewusst zu machen, wie sehr wir vom größte Erweiterungsrunde in der Geschichte des europäischen Integrationsgeschehen und den Rege- europäischen Integrationsprozesses, lungen der europäischen Ebene betroffen sind, die in- • die sechste Direktwahl zum Europäischen Parla- zwischen tief in unser Alltagsleben eingreifen. Die not- ment, an welcher sich auch die Bevölkerungen wendige Verschiebung der Perspektive vom Natio- der neuen Mitgliedstaaten beteiligen werden, und • die Regierungskonferenz zur Neubegründung der EU durch die Verabschiedung einer Verfassung. Die Einstellung der Jugendlichen Im Jahr 2004 gehört es zu den vorrangigen Aufgaben zur europäischen Integration des Unterrichts in allen Schularten, die Bedeutung Nachdem Europa noch in den 1980er- und auch zu Be- dieser drei Ereignisse den Schülerinnen und Schülern ginn der 90er-Jahre ein wichtiges Thema gewesen ist, ist bewusst zu machen und durch geeignete Unter- die Bedeutung in der öffentlichen Aufmerksamkeit seitdem richtsverfahren und Materialangebote ihr Verständnis spürbar zurückgegangen ... Von der Sache her wird Eu- für das Wesen und die weitere Entwicklung der EU zu ropa von den Jugendlichen allerdings nicht in Frage ge- fördern. Da die hochgradige Aktualität der EU-Erwei- stellt. Insgesamt 47 Prozent ... sind der Meinung, dass terung, der Europawahl und der Verfassungsdiskus- sich die Europäische Union langfristig zu einem einheitli- sion auch in den Medien verstärkt ihren Nieder- chen Staat entwickeln und zusammenschließen sollte ... schlag findet, ist zu erwarten, dass bei den Jugendli- 26 Prozent lehnen diese Perspektive ab ... Europa ist für chen mehr als in Zeiten, in denen es um Europa eher die Jugendlichen in Deutschland offenbar eine Realität, zu der man sich positiv ins Verhältnis setzt. Die häufig be- ruhig ist, das Bedürfnis geweckt wird, auch in der schworene deutsche nationale Identität steht dem offen- Schule über die anstehenden Veränderungen infor- bar nicht entgegen. Im Gegenteil, die Mehrheit der Ju- miert und in die Diskussion einbezogen zu werden. gendlichen hält sogar einen einheitlichen europäischen Das Europathema einschließlich seiner Unterthemen Gesamtstaat für eine wünschenswerte Perspektive. Dass Erweiterung, Direktwahl zum Europäischen Parla- die Jugendlichen aus den neuen Bundesländern hierbei ment und Verfassungsvorschlag des europäischen etwas zurückhaltender sind, dürfte in Anbetracht der erst Konvents ist kein Unterrichtsgegenstand wie jeder an- seit 1989 vollzogenen deutschen Wiedervereinigung kaum überraschen ... dere. Zum einen müssen sich die Lehrenden darüber klar sein, dass die Schülerinnen und Schüler bei der Ähnlich verhält es sich gegenüber der so genannten Behandlung der europäischen Integration in ihre Le- Osterweiterung. Einer Aufnahme von Ländern aus Osteu- ropa wie etwa Tschechien, Ungarn oder Polen in die Eu- benswelt von morgen eingeführt werden: Ohne dass ropäische Union stimmen insgesamt 44 Prozent – hierbei uns dies in jedem Fall bewusst wird, fallen wichtige, 42 Prozent aus den alten Bundesländern und sogar 48 unser tägliches Leben beeinflussende Entscheidun- Prozent aus den neuen Bundesländern – explizit zu. Ab- gen heute nicht mehr in Stuttgart oder Berlin, sondern lehnend äußert sich in diesem Fall rund ein Drittel der Ju- auf der europäischen Ebene in Brüssel und Straß- gendlichen ... Trotz der in diesem Fall etwas größeren Vor- burg. Es gibt fast kein Themengebiet der Politik, das behalte unterstreicht auch dies noch einmal die nicht von der EU entschieden oder mindestens mit- »Europa-Orientierung«, die für die Mehrheit der Jugendli- entschieden würde: von den Friedensmissionen auf chen in Deutschland inzwischen charakteristisch ist … In dem Balkan und der Gleichstellung der Frauen bis zur der Gesamtschau dominiert ... bei den Jugendlichen ... Währungsstabilität, von den Zusammenschlüssen eine positive Grundeinstellung zu Europa und zu einer von Großunternehmen bis hin zum Dosenpfand und voranschreitenden weiteren Einigung. von der Buchpreisbindung bis zur Telekommunikati- Deutsche Shell (Hrsg.): Jugend 2002. Frankfurt/M. on und zu den Milch- und Butterpreisen. Zum ande- (Fischer), S. 127f. ren liegt die EU häufig außerhalb des Blickfelds der 4

Problem der Organisierten Kriminalität können von den Nationalstaaten europäi- schen Zuschnitts nicht mehr bewältigt werden. Die Europäische Union stellt des- halb den Versuch dar, Problemebene und Entscheidungsebene wieder in Einklang zu bringen (Werner Weidenfeld). Die Ge- meinschaft hat in ihrer bisherigen Ge- schichte – trotz ihrer Unvollkommenheit und mancher Rückschläge – bewiesen, dass die europäische Problemlösungs- ebene bei weitem effektiver ist als die ein- zelstaatliche Ebene. Nicht zuletzt wird dies auch durch den Wunsch der ost- und mitteleuropäischen Staaten bestätigt, möglichst rasch Mitglieder der Union zu werden.

2. Integration von Teilbereichen der Poli- tik (Übertragung von Entscheidungskom- Reisen »ohne Schlagbaum«, eine gemeinsame europäische Regierung und petenzen auf die europäische Ebene) bessere wirtschaftliche Chancen – das sind die herausragenden Errungen- nach der Maxime »So viel wie nötig« schaften und Wünsche, die Jugendliche mit Europa verbinden. Die EU-Mitgliedstaaten verzichten dort, wo sie es für zweckmäßig halten, auf ihre nalstaat auf die europäische Ebene kann jedoch nur Souveränität und übertragen die Zuständigkeit für po- gelingen, wenn auch die »jungen Europäer« sich von litische Entscheidungen in ausgewählten Bereichen Europa wirklich angesprochen fühlen und deshalb – europäischen Institutionen. Sie entscheiden aber über mehr als bisher – bereit sind, sich mit diesem wichti- diese Institutionen – insbesondere den Ministerrat – gen Phänomen auseinander zu setzen. auf der europäischen Ebene mit. Durch die Veranke- rung des Subsidiaritätsprinzips in den Verträgen ist Prinzipien der europäischen Integration gewährleistet, dass nur soviel wie nötig gemein- und der EU schaftlich geregelt wird und alle übrigen Zuständig- Wenn man den Jugendlichen das Wesen der Eu- keiten bei den Einzelstaaten verbleiben. »Man hat das ropäischen Union verdeutlichen will, ist es nicht Gesamtsystem der Politikverflechtung innerhalb der zweckmäßig, Einzelheiten des Institutionengefüges Europäischen Union auch als dynamisches Mehr- der Gemeinschaft oder die komplizierten Entschei- ebenensystem bezeichnet und so auf den Prozess- dungsprozesse auf der europäischen Ebene aus- charakter des Zusammenwirkens unterschiedlicher führlich zu beschreiben. Wichtiger ist es, dass die Ju- politisch verfasster Steuerungsebenen, von den Kom- gendlichen die Prinzipien, nach welchen Europa munen über die Regionen (in Deutschland auch die funktioniert und durch welche es sich von herkömm- Länder) und Nationalstaaten bis hin zur europäischen lichen und vertrauten politischen Strukturen unter- Ebene der Union hingewiesen. Die Nationalstaaten scheidet, kennen lernen und sich kritisch mit diesen sind zwar auf allen Ebenen beteiligt, sie können aber die Entscheidungen nicht mehr autonom kontrollie- auseinander setzen. Zur raschen und hinreichenden 1 Information über die EU-Organe und zahlreiche wei- ren.« Dabei entsteht zwar kein »Europäischer Bun- tere Einzelaspekte, die aus Zeitgründen im Unterricht desstaat«, die EU ist aber infolge der unbestrittenen oft nicht vertieft werden können, deren Kenntnis aber Verbindlichkeit ihrer Verordnungen und Richtlinien für bisweilen für die Schülerinnen und Schüler nützlich alle Mitgliedstaaten weit mehr als ein bloßer Staaten- ist, liegen zahlreiche auch zum Selbststudium der bund. Die EU ist ein System ganz eigener, unver- Adressaten geeignete Informationshefte und -bücher gleichlicher Wesensart; weder in der Geschichte noch für Jugendliche vor (vgl. Literaturhinweise für Schüle- in der Gegenwart gibt es ein Modell des Zusammen- rinnen und Schüler auf U 3 sowie Hinweise auf Inter- wirkens von Staaten, das mit der EU vergleichbar netseiten). wäre.

Die europäische Integration folgt einer Reihe von Prinzipien: 1. Gemeinsame Bewältigung grenzüberschreitender Herausforderungen durch die Schaffung einer supra- nationalen (europäischen) Handlungsebene

Zahlreiche und vielfältige Probleme etwa im Bereich 1 Rainer M. Lepsius, in: Reinhold Viehoff/Rien T. Segers der Umweltpolitik, der Sicherheits- und Verteidi- (Hrsg.): Kultur, Identität, Europa. Frankfurt/M. (Suhr- gungspolitik, Währungsturbulenzen oder auch das kamp) 1999, S. 213. 5

Mehrheitsentscheidungen möglich wären. Der Grund dafür ist, dass meis- tens Kompromisse zwi- schen unterschiedlichen In- teressen und Anliegen der fünfzehn Staaten gesucht und gefunden werden. Der Verfassungsentwurf des Europäischen Konvents sieht sogar die Möglichkeit eines Austritts aus der EU vor für den Fall, dass einer der Mitgliedstaaten die Ent- scheidungen auf der eu- ropäischen Ebene nicht mehr mittragen will.

5. Vorrang der intergouver- nementalen Zusammenar- beit Nach wie vor sind es die Staaten bzw. deren Regie- rungen im Europäischen Rat und im Rat der Eu- 3. Integration als Prozess ropäischen Union, die die politischen Weichen in Eu- ropa stellen. Zwar wurden die Zuständigkeiten des Die Europäische Union ist ein »System im Werden« Europäischen Parlaments im Laufe der bisherigen In- (Beate Kohler-Koch); weder ihre endgültige Struktur tegrationsgeschichte immer wieder erweitert, aber noch die Zahl ihrer Mitglieder sind gegenwärtig ab- von einer Parlamentarisierung der Europäischen Uni- sehbar. Die Union ist bis heute ein Staatenverbund on sind wir nach wie vor weit entfernt. Dies ist die not- ohne Finalität; weder ihre institutionelle Ausgestaltung wendige Konsequenz der Einflussnahme der Einzel- noch ihre geografischen Grenzen sind endgültig. staaten auf die EU-Politik, denn eine Übertragung der Durch immer wieder vorgenommene Vertragsergän- alleinigen Gesetzgebungsbefugnisse auf das Eu- zungen hat sich ein politisches Gebilde entwickelt, ropäische Parlament, wie sie in demokratischen Staa- das tief in die Einzelstaaten und in das Leben jedes ten selbstverständlich ist, würde eine völlig andere – einzelnen EU-Bürgers eingreift. Durch fortgesetzte Er- bundesstaatliche – Struktur der EU voraussetzen. Bis weiterungen ist aus der Sechsergemeinschaft der heute gilt deshalb: Die Regierungen der Mitglied- 1950er- und 60er-Jahre die EU der 15 entstanden, die staaten sind die »Herren der Verträge«, die Staats- sich nun durch die Aufnahme von zehn mittel- und ost- und Regierungschefs fassen im Europäischen Rat die europäischen Staaten erneut vergrößert.Weitere Bei- wegweisenden Beschlüsse. trittsaspiranten stehen vor der Türe der Ge- meinschaft. Der Verfassungsvorschlag des eu- ropäischen Konvents sieht abermals eine In- tensivierung (Vertiefung) der Union vor.

4. Gleichberechtigung aller Mitgliedstaaten und vorherrschende Entscheidungsfindung auf dem Kompromisswege Obgleich bei vielen Entscheidungen (Mehr- heitsentscheidungen) die Stimmen im Mi- nisterrat der EU nach der Größe der Mitglied- staaten gewichtet werden und im Europäi- schen Parlament die Zahl der Abgeordneten jedes Mitgliedstaates sich nach dessen Bevöl- kerungszahl richtet, ist für zentrale Entschei- dungen z.B. in der Sicherheitspolitik, bei der Frage der Aufnahme neuer Mitglieder oder bei Vertragsveränderungen die Zustimmung aller Mitgliedstaaten erforderlich. Zudem erfolgen auch dann die Beschlüsse im Ministerrat in der Regel einstimmig, wenn qualifizierte Zeichnung: Mester 6

6. Hinnahme eines »Europa unterschiedlicher sche Sicherheits- und Verteidigungspolitik: ESVP) so- Geschwindigkeiten« wie die engere Zusammenarbeit im Bereich der In- Der unterschiedliche ökonomische Entwicklungsstand nen-, Sozial und Justizpolitik errichtet, aber sie blei- der Mitgliedstaaten und die divergierenden Vorstel- ben hinsichtlich ihres Integrationsgrades und in der lungen darüber, was die Europäische Union ist und institutionellen Ausgestaltung bisher weit hinter der was sie einmal werden soll, haben dazu geführt, dass wirtschaftlichen Integration zurück. Die EU wird vor al- das Prinzip einer abgestuften Integration schließlich lem als Binnenmarkt und Währungsunion wahrge- sogar im Amsterdamer Vertrag fixiert wurde. Freilich nommen. Zur Charakterisierung des europäischen wurde dieses Prinzip auch schon zuvor praktiziert: so Integrationsprozesses wurde sogar von der »Ökono- hat Großbritannien die Europäische Sozialcharta erst misierung des Politischen« (Hans-Hermann Hartwich) 1992 ratifiziert und an der Währungsunion beteiligen gesprochen. sich nur zwölf der 15 EU-Mitgliedstaaten. Auch wer- den alle zehn Beitrittsländer erst mehrere Jahre nach 8. Europa als »Solidargemeinschaft« ihrem EU-Beitritt den Euro einführen. Auch wenn Als wichtiges Ziel formulieren die europäischen Ver- es das »Europa unterschiedlicher Geschwindigkei- träge die Verbesserung der Lebensbedingungen und ten« zulässt, dass einzelne Mitgliedstaaten sich nicht den Abbau regionaler Disparitäten innerhalb der Ge- an einem Gemeinschaftsprojekt beteiligen, obwohl sie meinschaft. Um diese Absicht zu verwirklichen, findet dazu in der Lage wären, so ist das eigentliche Motiv ein umfangreicher Finanztransfer von den reicheren ein anderes: Staaten, die ein Mehr an Integration ver- zu den weniger entwickelten Mitgliedstaaten statt, der wirklichen wollen und können, sollen vorangehen, al- über die Gemeinschaftsfonds erfolgt. In diese Fonds len übrigen muss ein späteres Mitmachen an den zahlen die Staaten nach ihrer jeweiligen Wirtschafts- jeweiligen Projekten der »verstärkten Zusammenar- stärke ein und entnehmen aus ihnen je nach ihrer Be- beit« möglich sein, sobald sie zu den vorangegangen dürftigkeit. Im Vordergrund der Transfers sollen ein- Staaten aufgeschlossen haben. deutig Infrastrukturmaßnahmen, Umschulungen und der Ausbau der transeuropäischen Netze stehen. Eine 7. Vorrang der ökonomischen Integration – häufig kritisierte – Ausnahme bilden die Direktzah- Obwohl bereits bei der Gründung der Gemeinschaft lungen an landwirtschaftliche Betriebe. Nutznießer in den 1950er-Jahren die politische Einigung Europas des Solidarprinzips der EU sind fast alle mittel- und als Fernziel formuliert wurde, ging es sowohl bei der osteuropäische Staaten, die im Jahre 2004 der EU Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl beitreten werden. (1951) wie auch bei der Europäischen Wirtschafts- gemeinschaft (EWG; 1957) vor allem um die In- tensivierung der Zusam- menarbeit auf dem Feld der Wirtschaft. Zollunion, Agrarpolitik, Außenhan- delspolitik und Schaffung eines europäischen Bin- nenmarktes bildeten die wichtigsten Errungen- schaften im europäischen Integrationsprozess. Um- fangreiche Normierungen auf der einen und ein- schneidende Deregulie- rungen auf der anderen Seite sollten einen mög- lichst einheitlichen Wirt- schaftsraum schaffen. Die Vergemeinschaftung wirt- schaftspolitischer Ent- scheidungen stand ganz im Vordergrund – und so ist es bis heute geblieben. Zwar wurden inzwischen als weitere »Säulen« die Außenpolitik (Gemeinsa- me Sicherheits- und Außenpolitik: GASP) und Quelle: Wolfgang Wessels: Das politische System der EU, in: Werner Weidenfeld (Hrsg.): die Verteidigung (Europäi- Europa-Handbuch. Gütersloh (Bertelsmann Stiftung) 2002, S. 330. 7

9. Verstärkung des europäischen Gewichts auf der für die zehn Beitrittsländer aus Mittel- und Osteuropa. internationalen Ebene Diese Vorteile können sich von Mitgliedstaat zu Mit- gliedstaat deutlich unterscheiden; sie reichen von Da die Möglichkeiten der relativ kleinen europäischen mehr Sicherheit über höhere Exportchancen bis zur Nationalstaaten für eine effektive Einflussnahme auf finanziellen Unterstützung aus dem EU-Haushalt. Die der internationalen Ebene im Alleingang gering sind Gemeinschaft ist nämlich mehr als ein »Nullsum- und ihre außenpolitischen Interessen häufig in ver- menspiel«, bei dem die Gewinne der einen die Ver- schiedene Richtungen gehen, wird der EU verstärkt luste der anderen sind. Vielmehr ziehen alle Mitglied- die Aufgabe zugewiesen, Europa »mit einer Stimme staaten – jeder für sich und alle gemeinsam – einen sprechen zu lassen«. Obgleich die Einzelstaaten ge- so großen Nutzen aus der Teilnahme am Integra- rade im Bereich der Außen- und Sicherheitspolitik un- tionsprozess, dass sich die Mitgliedschaft in jedem gern Einschränkungen ihrer Souveränität hinnehmen Falle auszahlt. wollen, ist in jüngster Zeit eine deutliche Intensivie- rung der gemeinsamen Außenpolitik der Europäer Sowohl am Themenkreis »Erweiterung der EU« als festzustellen. Andererseits wird die Beteiligung der auch am Beispiel »Europawahlen« können die vor- neuen Beitrittsländer an einer vergemeinschafteten gestellten Prinzipien konkretisiert und ihre perma- europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik nente Wirksamkeit im Integrationsgeschehen deutlich recht skeptisch bewertet, weil diese teilweise eine en- gemacht werden. Der Unterricht hat die Aufgabe, die gere Anlehnung an die Vereinigten Staaten von Ame- einzelnen Informationen den Prinzipien zuzuordnen rika einer genuin europäischen Außenpolitik vorzie- und so auf das Wesentliche zu reduzieren. Auf diese hen. Weise kann selbst bei Schülerinnen und Schülern der Mittelstufe das für sie schwer zugängliche Europa- 10. Realisierung des »Europäischen Mehrwerts« thema transparent gemacht werden. Das Wesen der Europäischen Union kann man zu- Weder die Erweiterung noch die sechste Direktwahl sammenfassend als »Wahrnehmung des europäi- des Europäischen Parlaments sollten also im Unter- schen Mehrwerts« durch jeden einzelnen Mitglied- richt isoliert betrachtet werden. Es geht vielmehr dar- staat beschreiben. Das heißt, dass die Mitgliedstaaten um, an diesen Beispielen das »Projekt Europa« vor- jeder für sich aus der Teilnahme an der Integration zustellen und den Jugendlichen Wesen und Funk- Vorteile ziehen. Dies gilt in besonderem Maße auch tionen des Integrationsprozesses zu verdeutlichen.

Strukturskizze zur Erweiterung der EU

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standen wurde, liegt der Anteil der Beteiligung inzwi- BAUSTEIN A schen bei über zwei Drittel der auf der europäischen Ebene erlassenen Regelungen, wobei in zahlreichen Fällen sogar ausdrücklich die Zustimmung des Eu- Europa wählt ropäischen Parlaments zu den Rechtssetzungen ver- traglich vorgeschrieben ist. Die dramatische Abnah- me der Wahlbeteiligung auf 52,8 Prozent im Juni 1999 Die Wahlen zum Europäischen Parlament scheint darauf hin zu deuten, dass das Europäische im Juni 2004 Parlament den Bürgerinnen und Bürgern seine Rolle und Leistungen nicht so vermitteln kann, dass diese Europa hat in den letzten Jahren tief greifende Ver- hierin einen Anreiz sehen, sich an den Wahlen zu be- änderungen erfahren. Der Zusammenbruch der So- teiligen. Oder wie es der frühere belgische Minister- wjetunion und das Ende des Kalten Krieges haben präsident Jean-Luc Dehaene formulierte: »Das Eu- auch den europäischen Einigungsprozess stark be- ropäische Parlament ... hat sein Ansehen in der schleunigt. Heute steht die Europäische Union vor der Öffentlichkeit nicht so verbessern können, wie es von größten Herausforderung ihrer Geschichte: zum Mai einer gewählten Volksvertretung eigentlich zu erwar- 2004 treten acht Länder Mittel- und Osteuropas (die ten gewesen wäre.«1 so genannten MOE-Länder) sowie Malta und Zypern mit insgesamt mehr als 100 Millionen Bürgerinnen Die häufig zu hörenden Klagen über das Demokra- und Bürgern der EU bei. 15 Jahre nach dem Ende der tiedefizit der Gemeinschaft gehen an der tatsächli- Spaltung Europas könnte die Europawahl im Juni chen Konstruktion der Europäischen Union vorbei. 2004 zum Symbol einer neuen Einheit Europas wer- Auch wenn das Europäische Parlament nicht oder den. nicht in vollem Umfang über die klassischen Funktio- nen einer Volksvertretung verfügt, hat es im »institu- Die Direktwahlen und das Europäische Parlament tionellen Dreieck der EU« (Ministerrat, Europäische im EU-System Kommission, Parlament) inzwischen eine Rolle ge- funden, die bereits an die Grenzen dessen stößt, was Die Wahlen zum Europäischen Parlament, die zwi- in einem Staatenverbund der »Vertretung der Bevöl- schen dem 10. und 13. Juni in allen Mitgliedstaaten kerungen« zugestanden werden kann: »Das Parla- abgehalten werden, werden die größten Wahlen sein, ment bildet ein Subsystem, das darauf spezialisiert die jemals in Europa stattgefunden haben. In den 25 ist, die von Kommission und Rat vorbereiteten und ge- Mitgliedstaaten der EU kann mit mehr als 238 Millio- troffenen Entscheidungen an seinen eigenen Kriteri- nen Wahlberechtigten gerechnet werden. In allen Mit- en zu prüfen und gegebenenfalls zu korrigieren. Es ist gliedstaaten finden die Wahlen zum Europäischen Parlament seit der Einführung der Direktwahl im Jahr 1979 eine deutlich geringere Resonanz als die Wah- 1 Hartmut Marhold (Hrsg.): Die neue Europadebatte. Leit- len zu den nationalen Parlamenten. Trotz aller bilder für das Europa der Zukunft, Bonn (Europa Union) Bemühungen der zuständigen Institutionen, von der 2001, S. 115. Europa-Union über die politi- schen Parteien und die Landes- zentralen für politische Bildung bis zu den Europaparlamenta- riern selbst, ging in Deutschland die Wahlbeteiligung von Mal zu Mal zurück. Die einzige Ausnah- me war das Jahr 1989, als gleichzeitig in fünf deutschen Ländern Kommunalwahlen statt- fanden. Diese Feststellung ist umso befremdlicher, als die Kom- petenzen des Europäischen Par- laments in den letzten 25 Jahren spürbar erweitert worden sind und inzwischen die große Mehr- zahl der EU-Gesetze sowie der Haushalt der Gemeinschaft der Zustimmung des Parlaments be- dürfen. Während nach der Grün- dung der EWG (1957) das Parla- ment nur an etwa 30 Prozent der politischen Entscheidungen le- diglich beteiligt und ihm keine Mitentscheidungsfunktion zuge- Zeichnung: Mester 9

mit anderen spezifischen Kontrollinstanzen, etwa dem • die Gesetzgebungsfunktion: Ist das Parlament Europäischen Gerichtshof und dem Europäischen tatsächlicher Gesetzgeber?3 Rechnungshof vergleichbar ... Durch die Etablierung des Parlaments als Entscheidungsorgan wird der auf- Dabei ist zu zeigen, dass das Straßburger Parlament einander abgestimmten Entscheidungstätigkeit von insbesondere im Hinblick auf die Wahl- und Kontroll- Kommission und Rat eine reflexive Schleife nachge- funktion über sehr geringe Kompetenzen verfügt, weil schaltet, die darauf hin angelegt ist, grobe Fehlent- die Europäische Union (bisher) ohne eine Regierung wicklungen zu korrigieren. Damit beschneidet das im eigentlichen Sinn auskommt. Wenn häufig die Eu- Parlament den gemeinsam von Kommission und Rat ropäische Kommission als »Regierung« bezeichnet in Anspruch genommenen Autonomiespielraum.«2 wird, entspricht dies keineswegs der europäischen Wirklichkeit: Die Kommission bestimmt nicht die Richt- Die fortbestehende Unkenntnis über das Gewicht des linien der Politik, sie hat vielmehr administrative und Parlaments im Zusammenspiel der EU-Organe legt – in begrenztem Umfang – exekutive Aufgaben. es nahe, die bevorstehende Direktwahl zu nutzen und im Unterricht schwerpunktmäßig die EU-Wahlen zu Die Schülerinnen und Schüler erkennen ferner, dass thematisieren. Dabei kann die im Wahljahr 2004 zu das Europäische Parlament zwar in vielen Fällen an erwartende Resonanz dieses Ereignisses in der Öf- der europäischen Gesetzgebung mitwirkt, aber nicht fentlichkeit und in den Medien produktiv aufgegriffen Gesetzgeber im eigentlichen Sinne ist. Die Feststel- werden. lung, dass man beim Straßburger Parlament trotz der beträchtlichen Ausweitung seines Einflusses auf die Didaktische Vorüberlegungen Entscheidungsprozesse in der EU immer noch nicht von einer Parlamentarisierung der EU sprechen kann, Bei der Behandlung der Europawahlen in den Schu- darf im Unterricht nicht zu einer abwertenden Beur- len gilt die didaktische Prämisse, nach welcher eine teilung dieser Institution führen. Die Defizite im Hin- isolierte Behandlung eines Ausschnitts aus dem um- blick auf die Parlamentarisierung und Demokratisie- fangreichen Europathema problematisch ist.Vielmehr rung der europäischen Ebene müssen vielmehr aus soll an dem gewählten Schwerpunkt das ganze Pro- dem aktuellen Status der Integration begründet und jekt »Europäische Integration« ins Bewusstsein der verständlich gemacht werden: Die EU ist eben kein Lernenden gebracht werden. Das heißt: Die Direkt- Staat im herkömmlichen Sinne. Eine durchgrei- wahl bildet das Vehikel, um den Schülerinnen und fende Parlamentarisierung würde den Europäi- Schülern das Wesen und die Prinzipien der Einigung schen Bundesstaat voraussetzen, den es (bisher) Europas und der EU anschaulich und exemplarisch nicht gibt. vorzustellen. Bei der Behandlung der Direktwahlen steht deshalb der spezifische Charakter des Eu- Andererseits verringert sich der Einfluss der Volks- ropäischen Parlaments, der die einzigartige Kon- vertretungen in den Einzelstaaten, weil immer mehr struktion der Europäischen Union als einer Mischung politische Regelungen von der EU vorgegeben wer- aus Supranationalität und intergouvernementaler Zu- den, bei welchen die nationalen Parlamente gar nicht sammenarbeit widerspiegelt, im Vordergrund. Wichti- oder nur in geringem Umfang beteiligt sind. Es ist eine ge Prinzipien der Integration – Vergemeinschaftung wesentliche Aufgabe des Europäischen Parlaments, von Teilbereichen der Politik, Subsidiaritätsprinzip, diesen Verlust an parlamentarischer Mitwirkung und eher europäische neben eher nationalen Institutionen, Kontrolle auf der Ebene der Einzelstaaten zu kom- »Europäischer Mehrwert« – können an der Stellung pensieren. Die Verlagerung des demokratischen Pro- und den Funktionen des Europäischen Parlaments er- zesses auf die europäische Ebene muss den Ler- arbeitet werden. nenden bei der Behandlung der Europawahlen und des Europäischen Parlaments vermittelt werden. Auf Es ist zweckmäßig, die Besonderheiten von Struktur, diese Weise erreicht man im Unterricht zwei bedeut- Aufgaben und Kompetenzen des Europäischen Par- same Einsichten: laments in einer Gegenüberstellung mit dem vertrau- ten Modell des Deutschen Bundestags mit den Ler- • Die EU hat eine besondere – mit herkömmlichen nenden zu erörtern und dabei zu überprüfen, in- politischen Modellen unvergleichbare – Struktur. wieweit die klassischen Parlamentsfunktionen auf das • Die Wahlen zum Europäischen Parlament sind Europäische Parlament Anwendung finden können, von hochgradiger Bedeutung. nämlich • die Wahlfunktion: Kann das Parlament die Regie- rung wählen? • die Artikulationsfunktion: Kann das Parlament die unterschiedlichen Interessen der Bevölkerungen in Europa artikulieren? 2 Thomas Gehring: Die Europäische Union als komplexe internationale Organisation. Baden-Baden (Nomos) • die Initiativfunktion: Kann das Parlament Geset- 2002, S. 239f. zesvorschläge einbringen? 3 Nach: Manfred Dreyer: Europawahl 1999. Demokratiede- • die Kontrollfunktion: Kontrolliert das Parlament die fizit in der EU? Politik betrifft uns, Heft 3 (1999), Aachen Exekutive? (Bergmoser + Höller) 1999, S. 24. 10

Unterrichtspraktische Hinweise BAUSTEIN B Die Wahlen zum Europäischen Parlament (A 1 – A 4) Die ausgewählten Materialien sollen die Bedeutung Europa wird größer der Europawahlen aufzeigen und zu Überlegungen über die niedrige Wahlbeteiligung bei diesen Wahlen anregen. Anhand der Karikaturen A 2 und den Daten Mit Recht spielt die Erweiterung der Europäischen zur Wahlbeteiligung (A 10) werden Gründe für die ge- Union in den Medien und in der Fachliteratur eine ringe Resonanz, welche die Europawahlen trotz des wichtige Rolle. Die EU erstreckt sich nun über einen gestiegenen Gewichts des Europäischen Parlaments weiten Teil des Kontinents und die Mehrzahl der eu- im Entscheidungsprozess der EU bis heute kenn- ropäischen Staaten vereinigt sich unter ihrem Dach. zeichnen, zusammengestellt. Es können Aktivitäten Die Aufnahme neuer Mitglieder ist seit der Gründung geplant werden, die zu einer höheren Wahlbeteiligung der Montanunion (1951) ein erklärtes Ziel der Ge- beitragen können (z.B. Erstellung einer kleinen Infor- meinschaft, aber die Erweiterungsrunde ab 2004 un- mationsbroschüre, die vervielfältigt an Interessenten terscheidet sich grundsätzlich von den bisherigen vier verteilt werden kann, oder Entwurf eines Plakates Erweiterungsschritten, die von der EWG der Sechs »Europawahlen – Wählen gehen!«, mit dem für die zur EU der 15 geführt haben: »Mit der Osterweiterung Beteiligung an der Europawahl 2004 geworben wer- ... eröffnet sich nach den bitteren Erfahrungen vor al- den kann). Ferner sollten alle Gelegenheiten genutzt lem in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts die his- werden, den Europawahlkampf 2004 zu beobachten torische Chance, Frieden, Freiheit und Sicherheit in und dabei die Kenntnisse, welche aus der Beschäfti- ganz Europa nachhaltig zu stärken« (Wolfgang gung mit den im Baustein A vorgelegten Materialien Schäuble). gewonnen wurden, in der Praxis zu überprüfen. Wahlverfahren – Wahlrecht – Wahlergebnisse Zur Bedeutung der Erweiterung (A 5 – A 12) Die historische Bedeutung der Erweiterung der EU Die Materialien informieren über die wichtigsten Mo- lässt sich mit folgenden Punkten charakterisieren: dalitäten des Wahlverfahrens und über die Ergebnis- se der Direktwahlen zum Europäischen Parlament seit 1. Die Europäische Union, die bisher schon einen 1979. Ein Vergleich mit den Bundestags- und Land- »Stabilitätsanker« und ein »Gravitationszentrum« in tagswahlen sowohl hinsichtlich des Wahlsystems als Europa bildete, übernimmt beim derzeitigen Beitritts- auch hinsichtlich der Ergebnisse kann zur Begründung prozess die neue Aufgabe, Staaten zu integrieren, die von Unterschieden führen. Hierbei ist besonderes Au- sowohl politisch als auch ökonomisch aus einer »an- genmerk auf die Unionsbürgerschaft und deren Aus- deren Welt« zu kommen scheinen und die erst jüngst wirkungen auf die Europawahlen zu richten (A 8 und – und zwar nicht ohne wirkungsvolle Unterstützung A 9). Die in A 10 wiedergegebenen Ergebnisse der der EU – demokratische und rechtsstaatliche Struk- bisherigen Direktwahlen können sowohl vor der Wahl turen aufgebaut haben. Sie erwarten von den west- zur Erstellung einer Wahlprognose als auch nach dem europäischen Mitgliedern der Gemeinschaft in viel 13. Juni zu einer Wahlanalyse eingesetzt werden. höherem Maße, als dies bei den Staaten, die in den früheren Beitrittsrunden die Mitgliedschaft erworben Das Europäische Parlament hatten, der Fall war, eine dauerhafte Verstetigung der Anhand der Materialen A 13 – A 22 können von den Ergebnisse des geleisteten Transformationsprozes- Jugendlichen die Zusammensetzung und die Funk- ses. tionen des Europäischen Parlaments erarbeitet wer- 2. Während bisher in einer Erweiterungsrunde maxi- den. Die Lernenden erkennen dabei die gewachsene mal drei Staaten in die Gemeinschaft aufgenommen Bedeutung und die vielfältigen Aufgaben dieses Par- worden sind, treten dieses Mal gleich zehn Staaten laments. Auch hier empfiehlt sich ein Vergleich mit der Gemeinschaft bei. Mit zwei weiteren (Rumänien dem Deutschen Bundestag, um die spezifischen We- und Bulgarien) werden bereits Beitrittsverhandlungen senszüge der »Vertretung der Bevölkerungen Euro- geführt. pas« zu erfassen. Dabei wird man auf Einzelheiten des überaus komplizierten europäischen Gesetzge- 3. Zum ersten Mal werden Staaten Mitglieder der EU, bungsverfahrens verzichten und vorrangig die Rolle die bis 1989 unter sowjetischer Herrschaft gestanden des Parlaments als unverzichtbares Korrektiv her- sind und ein halbes Jahrhundert lang eine den west- ausarbeiten und Gründe für die besondere Rolle im europäischen Staaten diametral entgegengesetzte »institutionellen Dreieck der EU« formulieren lassen. politische und wirtschaftliche Verfassung gehabt ha- Die Gegenüberstellung der beiden Karikaturen (A 21) ben. Sie pflegen, weil sie erst vor kurzem Freiheit und kann den Auftakt zu einer Abschlussdiskussion über Selbstbestimmung wiedergewonnen haben oder gar die Sonderstellung des Europäischen Parlaments bil- zum ersten Mal Demokratie westeuropäischer Prä- den, in welcher einerseits die Notwendigkeit der de- gung praktizieren durften, ein anderes Verhältnis zur mokratischen Legitimierung von Entscheidungen auf staatlichen Souveränität. Dies wird sich auch auf ihr der europäischen Ebene als auch die Grenzen einer Verhalten in den europäischen Organen auswirken weiteren Parlamentarisierung im Staatenverbund der und ihre Einstellung zur Weiterentwicklung (Vertie- EU thematisiert werden (vgl. A 20). fung) der EU prägen. 11

Zum »Familienfoto« stellen sich die Staats- und Regierungschefs der EU-Mit- gliedsländer am 16. April 2003 in Athen auf. Die 15 EU-Staaten und die zehn neuen Mitglieder unterzeichneten in einer feierlichen Zeremonie die Beitrittsver- träge am Fuße der Akropolis. Foto: picture-alliance/dpa

4. Der wirtschaftliche Rückstand der meisten der zehn oder zwölf neu- en Mitgliedstaaten gegenüber dem EU-Durchschnitt ist signifikant groß. »Die ökonomischen Unterschiede, die sich bereits jetzt im Verhältnis von eins zu sieben zwischen der am schwächsten und der am reichs- ten entwickelten Region in der EU manifestieren, werden sprunghaft zunehmen [...].«1 Daraus ergeben sich erhebliche Herausforderungen für die Gemeinschaftsfonds und schwer einzulösende Erwartungen hin- sichtlich der Solidarität der alten EU-Mitglieder. 5. Zum ersten Mal stellt die Erweiterung des Jahres 2004 die EU vor die Frage nach ihren Grenzen, die bisher geflissentlich verdrängt wur- de. Die EU wird unmittelbar Anrainer an Russland und wächst weit in den Balkan hinein. Es wird deutlich, dass die prinzipielle Einladung an alle europäischen Staaten, Mitglieder der Gemeinschaft zu werden, wohl nicht länger aufrechterhalten werden kann. Die EU muss nun ihre räumliche Finalität festlegen, wenn sie nicht Gefahr laufen will, an Inte- grationskraft und -fähigkeit zu verlieren. 6.Während frühere Erweiterungen lediglich geringfügige Anpassungen der EU-Institutionen und der EU-Entscheidungsprozesse erforderten, macht die Aufnahme von zehn Staaten eine grundsätzliche Revision der Organe unabdingbar. Diese Herausforderung war ausschlaggebend für die Verwirklichung der alten Forderung nach einer Neufestsetzung der Ziele, Strukturen und Kompetenzen der Gemeinschaft. 7. Die Osterweiterung wird zum entscheidenden Prüfstein für das »Pro- jekt Europa«: »Wenn uns die Europäische Union in diesem Maßstab von 25 Mitgliedern misslingt, ist das eine Enttäuschung, die über Eu- ropa hinausreicht. Denn wir werden sowohl in Asien als auch vom Na- hen Osten als auch von Süd- und Mittelamerika her als ein modellhaf- tes Projekt erlebt, nämlich als das Modell von zusammenarbeitenden Staaten, die nur Teile ihrer Souveränität aufgeben, aber im Übrigen Na- tionalstaaten bleiben.“2

1 Wichard Woyke: Die Agenda der Europäischen Union zu Beginn des 21. Jahr- hunderts, in: Wilfried Loth (Hrsg.): Das europäische Projekt am Beginn des 21. Jahrhunderts. Opladen (Leske + Budrich) 2001, S. 16. 2 Jutta Limbach; in: Blätter für deutsche und internationale Politik 2003/8, S. 944. © Institut der deutschen Wirtschaft Köln 12

Unterrichtspraktische Hinweise gewachsen sind. Damit ist eine organische Überlei- tung zum letzten Abschnitt dieses Bausteins gewon- Ausmaß und Bedeutung der Erweiterung nen, in welchem Wesen und Ziele der Integration the- (B 1 – B 8) matisiert werden. Die Materialien in diesem Abschnitt vermitteln einen Wesen und Ziele der Union und der Verfassungs- ersten Einblick in die Tragweite der Erweiterung der vorschlag des EU-Konvents (B 15 – B 26) Europäischen Union. Der Schwerpunkt sollte dabei zunächst auf den quantitativen Aspekt und auf die Die hier zusammengestellten Materialien ermöglichen Modalitäten des Erweiterungsprozesses gelegt wer- eine übersichtartige Zusammenfassung des EU-Sys- den. Die Schülerinnen und Schüler erarbeiten die Tat- tems durch die Schülerinnen und Schüler (B 15 – sache, dass ein permanenter Erweiterungsprozess B 17). Dies erscheint deshalb sinnvoll, weil die Ju- für die bisherige Geschichte der Gemeinschaft cha- gendlichen sich ein Bild der um die mittel- und osteu- rakteristisch ist. Sie sollten jedoch auch erkennen, ropäischen Staaten erweiterten Gemeinschaft erar- dass der Beitritt der mittel- und osteuropäischen Län- beiten sollen. Außerdem können bei der Beschäf- der sich grundsätzlich von den bisherigen Erweite- tigung mit diesem Unterkapitel die Auswirkungen, die rungsschritten – sowohl hinsichtlich der Zahl der neu- sich durch die Vergrößerung des EU-Raumes für die en Mitglieder als auch in politischer Hinsicht – innere Struktur der Union ergeben, aufgezeigt wer- unterscheidet. den. Die osteuropäischen Staaten kehren nach Europa In besonders motivierten und interessierten Klassen zurück. Diese »Wiedervereinigung Europas« und das kann zusätzlich die Diskussion über die Reform der Bewusstsein in den alten Mitgliedstaaten der EU, EU und die Verabschiedung einer Verfassung thema- dass die Aufnahme der zehn Staaten eine unaus- tisiert werden (B 18 – B 26). Dabei ist im Unterrichts- weichliche Aufgabe und Verpflichtung darstellt, ist be- gespräch auf die Forderung nach einer weiter ge- sonders herauszuarbeiten. Andererseits zeigen die henden Demokratisierung, nach einer Vereinfachung Materialien auch die breite Zustimmung in den Kan- der Entscheidungsprozesse sowie nach der Verklei- didatenländern zu ihrem Beitritt in die Gemeinschaft nerung der Institutionen und der größere Transparenz (vgl. B 6 – B 8). der Zuständigkeiten im EU-System besonderer Nach- druck zu legen. Der umfangreiche Vorschlag des Ver- fassungskonvents kann im Unterricht auf wichtige Der Erweiterungsprozess (B 9 – B 14) Aspekte verkürzt werden. Die Aufnahme in die EU erfolgt nicht zum »Nulltarif«. Die Tatsache, dass die Verabschiedung der EU-Ver- Um dies zu veranschaulichen, werden hier die Be- fassung nach der Vorlage durch den Konvent dingungen für den Beitritt der Kandidatenländer und zunächst gescheitert ist (B 25 und B 26), kann als die Modalitäten der Erweiterung in kurzer und über- Beispiel für die divergierenden Europavorstellungen sichtlicher Form dargestellt (B 9 und B 10). Die Ler- der Mitgliedstaaten dienen: Die Schülerinnen und nenden sollen anhand dieser Materialien erkennen, Schüler erkennen, dass einige Staaten innerhalb der dass den ehemals kommunistischen osteuropäischen 15er-EU (z.B. Großbritannien, Spanien und Däne- Staaten ein umfassender Anpassungsprozess (Trans- mark) sowie die meisten osteuropäischen Beitritts- formation) abverlangt wird. Gleichzeitig ist deutlich zu länder an einer Vertiefung der Gemeinschaft weniger machen, dass erst der revolutionäre Wandel in Ost- interessiert sind als andere und deshalb eine neutra- europa seit 1988 die Ausdehnung der Europäischen le oder gar ablehnende Haltung gegenüber dem Ver- Union nach Osten ermöglicht hat. fassungsentwurf einnehmen, während andere (z.B. In einer Diskussion mit verteilten Rollen, in welcher Deutschland, Frankreich und die Beneluxstaaten) den ein Teil der Klasse Regierungsvertreter eines osteu- weiteren Ausbau der EU und eine »verstärkte Zu- ropäischen Kandidatenlandes spielt und eine Ab- sammenarbeit« anstreben. schwächung der Bedingungen durchzusetzen ver- sucht und der zweite Teil der Klasse die Rolle von Kommissionsvertretern übernimmt, die auf die strikte Einhaltung des »Acquis Communautaire« pochen, kann die Problematik der Beitrittsverhandlungen ein- dringlich verdeutlicht werden. Als ein anderer Zugang zum Thema »Beitrittsprozess« bietet sich die Aus- wertung der Karikaturen (B 11) an, wobei jeweils eine Anforderungen aus anderen Bundesländern oder Schülergruppe die Interpretation einer Karikatur über- Wünsche nach einem Privat-Abonnement von nimmt. P&U erfüllen wir nur gegen Bezahlung. Bitte wen- Die Materialien B 12 und B 13 ermöglichen einen Ein- den Sie sich in diesen Fällen direkt an blick in die Auswirkungen einer derart weit gehenden Neckar-Verlag GmbH, Vergrößerung der Gemeinschaft. Die Auswertung 78008 Villingen-Schwenningen mündet in die Problemfrage, ob das Institutionenge- Fax (07721) 89 87 50; füge und die bisherigen Entscheidungsprozesse in E-Mail: [email protected] der EU dem Beitritt von zahlreichen neuen Mitgliedern 13

Hauptstädte und ausgewählte landschaftliche BAUSTEIN C oder kulturelle Sehenswürdigkeiten besucht wer- den sollen. Dabei stellen sie folgende Informatio- nen zusammen: Europa wird anders • Entfernung der Hauptstädte vom Schulort • Einwohnerzahlen der Länder und Hauptstädte • wichtigste Wirtschaftszweige und wichtigste Ex- portgüter • kulturelle Besonderheiten Reform der Institutionen und • landschaftliche Besonderheiten Entscheidungsverfahren (C 1 – C 4) • Landeswährungen und Umtauschkurs zum Euro Während im Baustein B schwerpunktmäßig die qua- • Nationalgerichte litativen Veränderungen thematisiert wurden, sollen • Ein typisches »Mitbringsel« aus jedem Land die Schülerinnen und Schüler jetzt die strukturellen usw. ... Konsequenzen der Vergrößerung der Gemeinschaft erarbeiten. »Die Erweiterung der EU-Bevölkerung um 2. Die Klasse wird in Kleingruppen aufgeteilt, von 20 Prozent dürfte den Kontinent durcheinander schüt- welchen jede eines der neuen EU-Länder aus- teln wie wenige Ereignisse zuvor.« (Alexander Ha- führlich beschreibt und anschließend den übrigen gelüken in Süddeutsche Zeitung, 3./4. Januar 2004). Mitschülerinnen und Mitschülern vorstellt. Wich- Andererseits ist immer wieder zu betonen, dass die tig ist, dass dabei auch die Erwartungen und Hoff- Gemeinschaft in ihrer fünfzigjährigen Geschichte nungen der Beitrittskandidaten einbezogen wer- zahlreiche Reformen ihres Systems durchlaufen und den. Erste Anregungen für diese Länderberichte sich immer wieder erfolgreich an neue Herausforde- bieten die Länderprofile des vorliegenden Heftes. rungen angepasst hat. Hinzu kommen die Auswertung geeigneter Lite- ratur sowie Internetrecherchen. Da die Verabschiedung der EU-Verfassung, welche der Verfassungskonvent vorgeschlagen hatte, infolge der Uneinigkeit der einzelstaatlichen Regierungen Wirtschaftliche Konsequenzen und Finanzierung aufgeschoben werden musste, ist bei den erweite- der Osterweiterung rungsbedingten Veränderungen vom Vertrag von Niz- Während bei den bisherigen Erweiterungen der EU za (2001) auszugehen. Die Materialien sollten vor al- die wirtschaftliche Struktur der Gemeinschaft sich nur lem hinsichtlich der Unterschiede zwischen dem geringfügig verändert hat, weil entweder nur eine sehr Stand vor und dem Stand nach Nizza ausgewertet kleine Zahl von Neumitgliedern aufgenommen wurde werden. Es empfiehlt sich zu diesem Zweck im Un- oder weil die Beitrittsländer im EU-Vergleich relativ terricht eine zweispaltige Wandzeitung anzufertigen homogene wirtschaftliche Voraussetzungen aufwie- und darin die Veränderungen eindeutig darzustellen. sen, bringt die Osterweiterung auch unter wirtschaft- Die Osterweiterung bringt nicht nur wirtschaftliche Herausforderungen und institutionelle Veränderungen in erheblichem Ausmaß mit sich, sie führt darüber hinaus zu einer kultu- rellen Bereicherung und vergrößert die landschaftliche Vielfalt der Ge- meinschaft. Die Europäische Union wird bunter und vielseitiger. Diese Aspekte werden im Unterricht an- hand der Länderprofile und Mate- rialien zu den neuen Mitgliedstaaten konkretisiert (C 5 – C 16). Mit den Hinweisen zu Internetseiten zum Thema kann dieser Aspekt erweitert und vertieft werden. Für die Auswertung bieten sich zwei produktionsorientierte methodische Zugriffe an: 1. Die Schülerinnen und Schüler entwerfen in Arbeitsgruppen Großflächige Werbung für den Euro in Krakow (Krakau), aufgenommen kurz eine Reise durch die zehn be- nachdem sich die Polen in einer Volksabstimmung im Juni 2003 mit großer ziehungsweise zwölf neuen Mit- Mehrheit für den Beitritt zur EU ausgesprochen hatten. gliedstaaten, bei welcher die Foto: picture-alliance/ZB 14

lichen und haushaltspolitischen Aspekten tief grei- fende Veränderungen mit sich. Anhand der Mate- BAUSTEIN D rialien C 17 – C 27 lassen sich diese Konsequenzen veranschaulichen und der geradezu revolutionäre Charakter des neuen Erweiterungsschrittes bewusst machen. Perspektiven, Chancen und Aus zeitökonomischen Gründen ist es zweckmäßig, Probleme die Klasse in zwei Gruppen aufzuteilen und die je- weiligen Ergebnisse im Anschluss an die Gruppenar- beit zusammenzuführen: • Gruppe A: Wirtschaftliche Veränderungen • Gruppe B: Auswirkungen auf den EU-Haushalt Die Schülerinnen und Schüler erkennen dabei die re- Wirtschaftliche Schwierigkeiten und Chancen der lative wirtschaftliche Rückständigkeit der Beitrittslän- Osterweiterung (D 1 – D 14 ) der und die enormen finanziellen Anforderungen, wel- che aus der Verpflichtung zu einer solidarischen Hilfe Nachdem die Schülerinnen und Schüler in den Bau- bei der Angleichung der mittel- und osteuropäischen steinen B und C die Bedeutung und das Verände- Staaten an das heutige EU-Niveau entstehen. Gleich- rungspotenzial der Osterweiterung kennen gelernt ha- zeitig ist jedoch herauszuarbeiten, dass diese Pro- ben, werden nun die zu erwartenden zukünftigen bleme bewältigbar sind und – nach den Erfahrungen Entwicklungen in das Blickfeld der Jugendlichen aus früheren Erweiterungen – ein Zuwachs an wirt- gerückt. Zunächst sollen sie sich die wirtschaftlichen schaftlichem Wohlstand sowohl in den bisherigen Mit- Perspektiven des Erweiterungsprojekts bewusst ma- gliedstaaten als auch in den Beitrittsländern zu er- chen. Dafür wurden zwei Schwerpunkte ausgewählt: warten ist. • die wirtschaftlichen Prognosen und • die zu erwartenden Konsequenzen für den Ar- beitsmarkt. Der Euro kommt später Ziel ist es, die Befürchtungen in den Beitrittsländern In vielen Kommentaren zur Erweiterung der EU wer- und den bisherigen EU-Mitgliedstaaten an einigen den Gefahren für die Stabilität der Gemeinschafts- Beispielen aufzuzeigen und gleichzeitig die Strategi- währung beschworen. Derartige Bedenken halten je- en zur Bewältigung der anstehenden Probleme zu doch einer kritischen Überprüfung nicht Stand. Denn analysieren. Die Anordnung der Texte, Grafiken und der Beitritt zur Europäischen Union schließt keines- Bilder ermöglicht eine sukzessive Entwicklung des fol- wegs automatisch die Einführung des Euro ein. Viel- genden Tafelbildes auf Seite 15. mehr müssen die neuen Mitgliedstaaten die strengen Maastricht-Kriterien (C 30) erfüllen, ehe sie Mitglie- Ost-West-Begegnungen: Die Menschen kommen der auch der Währungsunion werden können. Die sich näher (D 15 – D 18 ) Schätzungen, wann die Beitrittsländer diesen Anfor- derungen genügen werden, gehen weit auseinander. Nachdem bereits der Fall des »Eisernen Vorhangs« Inflationäre Auswirkungen auf die Stabilität des Euro in den späten 1980er-Jahren den Auftakt für eine sind aber auch dann wegen der niedrigen Wirt- große Zahl von Schul- und Städtepartnerschaften zwi- schaftskraft der Kandidaten nur in sehr geringem Maß schen Baden-Württemberg und den mittel- und ost- zu veranschlagen, zumal die neuen Mitgliedstaaten europäischen Ländern gebildet hat, ist nach dem Bei- nicht gleichzeitig, sondern zu verschiedenen Zeit- tritt dieser Länder eine Steigerung der Begegnungen punkten die Euro-Währung einführen werden. zwischen den Bevölkerungen der alten und der neu- en EU-Mitgliedstaten zu erwarten und zu wünschen. Um etwaige Vorbehalte der Schülerinnen und Schüler Die Materialien D 15 – D 18 beschreiben Wege und abzubauen, werden diese Aspekte in den Materialien Möglichkeiten von Schul- und Städtepartnerschaften C 28 – C 30 in knapper Form dokumentiert. Da und Erfahrungen bei grenzüberschreitenden Begeg- Währungsfragen für die Jugendlichen schwer zu- nungen; sie sollen das Interesse der Jugendlichen an gänglich sind, empfiehlt es sich, diese Materialien in derartigen Partnerschaften wecken. einem durch Lehrerinformationen unterstützten Un- terrichtsgespräch auszuwerten. Auch hier können Die Schülerinnen und Schüler können in einer Selbst- immanent wesentliche Prinzipien der europäischen tätigkeitsphase ausgehend von den vorgelegten Ma- Integration vermittelt werden: terialien folgende Informationen erarbeiten: • Flexibilisierung (»das Europa unterschiedlicher • Funktionen und Ziele von Schul- und Städtepart- Geschwindigkeiten«) nerschaften • Politische Union • Formen der Begegnungen und Aktivitäten • Vergemeinschaftung von Teilbereichen des Poli- • bevorzugte osteuropäische Länder tischen • beteiligte Gruppierungen und Institutionen • Vorrang der ökonomischen Integration. • mögliche Probleme und Hemmnisse. 15

Wirtschaftliche Konsequenzen der EU-Erweiterung

Schwierigkeiten/Befürchtungen Lösungsansätze und Vorteile

Beitrittsländer EU-15 Beitrittsländer EU-15

Überschwemmung mit west- Konkurrenz billiger Waren aus Übergangsregelungen zum Steigerung des Exports nach europäischen Waren den osteuropäischen Nied- Schutz der einheimischen In- Osteuropa riglohnländern dustrien Ankauf von Unternehmen und Benachteiligung bei der Neu- Übergangsregelungen für den Immobilien durch kaufkräftige verteilung der Beihilfen aus Kauf von Immobilien durch Westeuropäer den EU-Fonds Westeuropäer Begrenzung (»Deckelung«) Niedergang der Landwirt- unzumutbare Steigerung der Subventionen aus den EU- der EU-Ausgaben schaft Finanzbeiträge durch die Fonds (Hilfen für den Struktur- »Nettozahler« wandel) unzumutbare Forcierung des Ost-West-Migration (insbeson- Übergangsregelungen für die Transformationsprozesses dere in grenznahe Länder) Zuwanderung

Mitwirkung an der zu weit gehender Souverä- wachsende Arbeitslosigkeit EU-Gesetzgebung Notwendigkeit der Zuwande- nitätsverzicht rung von Arbeitskräften (Über- alterung der westeuropäi- schen Gesellschaften)

offene Fragen: Profitieren alte und neue Mitgliedstaaten gleichermaßen von der Erweiterung? Sind die Befürchtungen berechtigt? Reichen die Lösungsvorschläge zur Bewältigung der Schwierigkeiten aus?

Falls zwischen dem Schulort und einer oder mehre- Union mit sich, so sind die Folgen weiterer »Beitritts- ren osteuropäischen Städte bereits eine Partnerschaft wellen« für die Struktur, die Handlungsfähigkeit und besteht, ist eine Dokumentation bisheriger Begeg- die Finanzierbarkeit der EU heute noch kaum abzu- nungen durch die Klasse sinnvoll. Recherchen im Ar- schätzen. Das »Projekt Europa« ist an seinen Gren- chiv der örtlichen Zeitung oder die Befragung von Mit- zen angekommen; eine drohende »Überdehnung« ist arbeitern der für die Partnerschaft zuständigen Be- nicht mehr von der Hand zu weisen. hörden sind ein geeigneter Weg zur Erstellung einer Im letzten Teil der Unterrichtseinheit über die Erwei- solchen Dokumentation. Als – freilich anspruchsvol- terung sollen die Schülerinnen und Schüler sich mit les und aufwändiges – Projekt bietet sich schließlich dem Problem der räumlichen »Finalität« der EU aus- die Vorbereitung einer Schulpartnerschaft mit einer einander setzen. Ausgehend von der ursprünglichen der eigenen Schule vergleichbaren Schule in einem Zielsetzung, alle beitrittswilligen und -fähigen eu- der Beitrittsländer an. ropäischen Staaten unter dem Dach der Gemein- schaft zu vereinen, werden in einer offenen Diskussi- Stößt die EU an ihre Grenzen? (D 19 – D 26) on im Unterricht mögliche Grenzen Europas – und der Die Aufnahme von zehn mittel- und osteuropäischen Europäischen Union – bestimmt und die einzelnen Staaten in die Europäische Union bedeutet keines- Beitrittsaspiranten in konzentrischen Kreisen ent- wegs das Ende des Erweiterungsprozesses. Mit sprechend ihrer Nähe bzw. Ferne zur EU aufgelistet. Rumänien und Bulgarien wurden bereits Beitrittsver- In einer Informationsphase können die Lehrerinnen handlungen aufgenommen, nahezu alle übrigen Bal- und Lehrer Alternativen zur uneingeschränkten EU- kanstaaten haben einen Antrag auf Mitgliedschaft in Mitgliedschaft aufzeigen: der Gemeinschaft gestellt. Auch einige ehemalige So- wjetrepubliken wollen der EU beitreten, und der Tür- • Europa unterschiedlicher Geschwindigkeiten kei wurde bei der Kopenhagener Gipfelkonferenz im • Rückentwicklung der EU zur Freihandelszone Dezember 2002 der Kandidatenstatus zugesprochen. • Assoziierung und »Assoziierung plus« (wirt- Bringen schon die zehn neuen Mitglieder tief greifen- schaftliche und politische Sonderbedingungen, de Veränderungen und Herausforderungen für die aber keine Vollmitgliedschaft). 16

bereits im Jahr 2005 Beitrittsverhandlungen aufgenommen werden. Deshalb sollte bei der Erörterung einer etwaigen (späteren) türki- schen EU-Mitgliedschaft nicht vom heutigen Zustand des Landes ausgegangen werden. Vielmehr sind im Laufe der langwierigen Bei- trittsverhandlungen und etwaiger »Heran- führungsstrategien« tief greifende strukturel- le Transformationsprozesse in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft der Türkei die un- abdingbare Voraussetzung für eine Aufnah- me in die EU. Andererseits dürfen die beste- henden und teilweise berechtigten Bedenken gegen eine EU-Mitgliedschaft der Türkei im Unterricht nicht vernachlässigt oder verharm- Der Weg nach Europa: Die Kemal-Atatürk-Brücke über den Bosporus lost werden. Die Lernenden sollen sich des- verbindet in Istanbul den europäischen Teil der Türkei mit dem asiati- halb in diesem Zusammenhang auch mit der schen. Foto: picture-alliance/dpa Möglichkeit einer verstärkten Kooperation zwischen der Union und der Türkei unterhalb der Vollmitgliedschaft (»Assoziierung plus«) auseinander setzen. Die EU und die Türkei (D 27 – D 32) Eine Möglichkeit der Unterrichtsgestaltung kann die Einen besonderen Schwerpunkt sollte in diesem Zu- Aufteilung der Klasse in zwei Gruppen sein, von de- sammenhang die Frage nach einer EU-Mitgliedschaft nen die eine Argumente für und die andere Argu- der Türkei bilden, die wahrscheinlich auch im Euro- mente gegen die EU-Mitgliedschaft der Türkei sam- pawahlkampf 2004 eine Rolle spielen wird (D 27 – melt und in einem anschließenden Streitgespräch D 32). Die Lernenden sind darauf hinzuweisen, dass verteidigt. Aus den Materialien D 27 – D 32 kann ein ein baldiger Beitritt der Türkei nicht zu erwarten ist, großer Teil der jeweiligen Argumentationslinien her- selbst wenn – was eher unwahrscheinlich erscheint – ausgearbeitet werden.

Werkstattseminar Politik & Unterricht: Bilderwelten – Weltbilder. PC und Internet im Politikunterricht In einem zweitägigen Werkstattseminar von Politik & Unterricht wird mit Autorinnen und Autoren, Fachleuten und Praktikern eines der P&U-Hefte des Jahres 2005 intensiv erörtert. Konzeption und Manuskriptentwürfe werden diskutiert und Anwendungsmöglichkeiten auf ihre Praxistauglichkeit geprüft. Das Thema ist unter dem Stichwort »Medienkompetenz« von aktuellster Relevanz in den neuen Bildungs- plänen. Unterrichtspraktische Beispiele sind jedoch weiterhin Mangelware. Genau solche sollen an Hand fol- gender Themen erarbeitet werden: • Fakten, Fakten, Fakten? Manipulationsmöglichkeiten durch die Gestaltung von Statistiken und Dia- grammen • »Lernt den Bildern zu misstrauen...«: Bildfälschungen durch digitale Bildbearbeitung • »Gerüchteküche« Internet: Verschwörungstheorien und ihre Verbreitung im World Wide Web • Medienkompetenz entwickeln: Das WebQuest-Verfahren im Politikunterricht Termin: Beginn: Freitag, 8. Oktober 2004 (nachmittags) Ende: Samstag, 9. Oktober 2004 (nachmittags) Ort: Tagungsstätte Internationales Forum Burg Liebenzell, Bad Liebenzell Es werden weder Honorare bezahlt noch Teilnehmerbeiträge erhoben. Leitung des Seminars: Dipl.-Päd. Holger Meeh (Heidelberg) Organisation: Dr. des. Reinhold Weber, Sylvia Rösch (Stuttgart) Anmeldungen bitte schriftlich an: Sylvia Rösch, LpB Baden-Württemberg, Stafflenbergstraße 38, 70184 Stuttgart oder [email protected] Texte und Materialien für Schülerinnen und Schüler123 Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg

Europa wählt – Europa wird größer!

BAUSTEIN A Europa wählt A 1 bis A 4 Die Wahlen zum Europäischen Parlament A 5 bis A 12 Wahlrecht – Wahlergebnisse – Kandidaten A 13 bis A 22 Das Europäische Parlament

BAUSTEIN B Europa wird größer B 1 bis B 8 Ausmaß und Bedeutung der Erweiterung B 9 bis B 14 Der Erweiterungsprozess B 15 bis B 17 Wesen und Ziele der Europäischen Union B 18 bis B 26 Eine Verfassung für Europa

BAUSTEIN C Europa wird anders C 1 bis C 4 Reform der Institutionen und Verfahren C 5 bis C 16 Länderprofile: Die neuen Mitgliedstaaten C 17 bis C 20 Wirtschaftliche Konsequenzen der Erweiterung C 21 bis C 27 Haushalt und Finanzierung der EU der 25 C 28 bis C 30 Der Euro kommt später

BAUSTEIN D Perspektiven, Chancen und Probleme D 1 bis D 14 Die EU als Wirtschaftsraum D 15 bis D 18 Ost-West-Begegnungen: Die Menschen kommen sich näher D 19 bis D 26 Stößt die EU an ihre Grenzen? D 27 bis D 32 Die EU und die Türkei

Meine Meinung zur EU-Erweiterung

Neckar-Verlag GmbH aus: POLITIK & UNTERRICHT 78050 Villingen-Schwenningen Zeitschrift für die Praxis der Klosterring 1 politischen Bildung Postfach 1820 Heft 1-2/2004 C Reform der Institutionen und Verfahren 43

C 1 – C 30 Europa wird anders

der Lähmung in sich birgt ... Po- C 1 Zeit zu renovieren! litischen Sprengstoff birgt die Osterweiterung jedoch in erster Linie wegen ihrer Auswirkungen auf die Gemeinsame Agrarpoli- tik, die Strukturfonds und den Haushalt der Gemeinschaft. Bei Fortschreibung der geltenden Anspruchsvoraussetzungen würde die Einbeziehung der mittel- und osteuropäischen Staaten in die Gemeinsame Agrarpolitik und die Strukturpo- litik den Haushalt der Gemein- schaft sprengen.

Michael Kreile, Die Osterweiterung der Europäischen Union, in: Werner Weidenfeld (Hrsg.): Europa-Hand- buch. Gütersloh (Bertelsmann Stif- tung) 2002, S. 807f.

Zeichnung: Mester

C 2 Folgen der Erweiterung C 3 Die Reformkonferenzen von Amsterdam und Nizza

Für die EU ... bildet die Osterweiterung eine Heraus- Der Beitritt von zehn bzw. zwölf neuen Mitgliedstaa- forderung, die ihr Selbstverständnis sowie ihre kol- ten macht eine grundlegende Reform der EU unum- lektive Handlungsfähigkeit und Gestaltungskraft auf gänglich. Deshalb war es die wichtigste Aufgabe der die Probe stellt. Es liegt auf der Hand, dass die Auf- Regierungskonferenzen von Amsterdam (1997) und nahme von zehn ... mittel- und osteuropäischen Staa- Nizza (2001), die Institutionen und die Entschei- ten die Struktur der Gemeinschaft tief greifend ver- dungsprozesse der EU an die neuen Herausforde- ändern wird. Die Unterschiede innerhalb der EU rungen anzupassen. Dabei musste beispielsweise die werden sprunghaft zunehmen, weil die künftigen Mit- Zahl der Abgeordneten im Europäischen Parlament, glieder einen wirtschaftlichen Entwicklungsstand auf- die Zusammensetzung der Europäischen Kommissi- weisen, der, gemessen am Pro-Kopf-Einkommen, un- on und die Stimmengewichtung im Rat der Europäi- ter dem der ärmsten Länder der EU-15 liegt ... schen Union (Ministerrat) neu geregelt werden, um für die Beitrittskandidaten Platz und Einfluss zu schaf- Die Struktur der Europäischen Union wird durch eine fen, ohne dass sich die Machtverhältnisse zuunguns- Osterweiterung auch insofern verändert, als diese ten der bisherigen EU-Mitgliedstaaten verschoben. Gewichtsverschiebungen und neue Koalitionsbildun- gen zur Folge hat. Ist die EG schon bisher für Irland, Die Beschlüsse der Amsterdamer Konferenz bezüg- Griechenland und die iberischen Länder eine »Ent- lich der Vorbereitung auf die Osterweiterung blieben wicklungshilfegemeinschaft« gewesen, so wird die jedoch weit hinter den Erwartungen zurück. Insbe- Aufnahme von mittel- und osteuropäischen Staaten sondere gelang es nicht, das Institutionensystem so zwangsläufig dazu führen, dass diese Zielfunktion zu reformieren, dass es den Anforderungen der 25er- stärker betont wird, während gleichzeitig die Konkur- EU gerecht werden konnte. Alle substanziellen Re- renz um knappe Finanzmittel wächst und einen Ver- formen der Institutionen mussten wegen der Unei- teilungskampf zwischen alter und neuer Peripherie nigkeit unter den 15 Mitgliedern vertagt werden. auslöst. Die verbliebenen ungelösten Probleme sollten Für die Institutionen der EU gilt eine Erweiterung auf schließlich auf einer weiteren Konferenz in Nizza be- 27 Mitglieder ... weithin als Belastung, die das Risiko arbeitet werden. Dort wurde im Einzelnen festgelegt: C 44 Reform der Institutionen und Verfahren

• Die Stimmengewichtung im Rat trägt genauer als waren. Das Abstimmungsverfahren bleibt weiterhin bisher der unterschiedlichen Bevölkerungsstärke kompliziert und undurchsichtig. Die Kritiker der Er- der Staaten Rechnung. Für eine qualifizierte Mehr- gebnisse von Nizza merken ferner an, dass das na- heit sind zwei Drittel der Stimmen erforderlich. Zu- tionale Vetorecht in vielen wichtigen Politikbereichen, sätzlich wurde die Bedingung festgeschrieben, das schon bei 15 Mitgliedstaaten manche wichtige dass auf Verlangen sich in den Entscheidungen Entscheidung verhindert hat, nicht hinreichend des Ministerrats sowohl die Mehrheit der Staaten zurückgestutzt worden sei und dass deshalb die als auch die Mehrheit der Bevölkerungen (mindes- Handlungsfähigkeit der Union nach dem Beitritt von tens 62 Prozent) widerspiegeln muss. zehn oder mehr neuen Mitgliedern vollends in Frage gestellt werde. Deshalb eröffnete man unmittelbar • Die Politikbereiche, in denen der Rat mit qualifi- nach der Konferenz den so genannten »Post-Nizza- zierter Mehrheit – und nicht mehr einstimmig wie Prozess«, in dessen Mittelpunkt die Einberufung des bisher – beschließen kann, wurden ausgedehnt. EU-Verfassungskonvents stand, der Vorschläge für Bei zahlreichen Entscheidungen ist die Zustim- eine weitergehende Neuordnung der Europäischen mung des Parlaments erforderlich. Union erarbeiten sollte und an dem sich auch die Bei- In ihrer Schlusserklärung zur Konferenz von Nizza trittskandidaten beteiligen konnten. stellten die Staats- und Regierungschefs der EU fest: Endgültige Entscheidungen über die zukünftige Struk- »Die Konferenz ist sich darin einig, dass mit dem Ab- tur und über die Kompetenzverteilung zwischen der schluss der Regierungskonferenz der Weg für die Er- europäischen und der einzelstaatlichen Ebene er- weiterung der Europäischen Union geebnet worden wartete man von dem Verfassungskonvent, der im ist, und betont, dass die Europäische Union mit der Juni 2003 einen Vorschlag für eine neue Verfassung Ratifizierung des Vertrags von Nizza die für den Bei- für Europa vorgelegt hat. tritt neuer Mitglieder erforderlichen institutionellen Än- derungen abgeschlossen haben wird« (Das Parla- Nach: Auswärtiges Amt (Hrsg.): Information über die Gipfelkon- ment vom 15. Dezember 2002). ferenz von Nizza. Berlin 2001; Das Parlament vom 15. Dezem- ber 2000, S. 10; Frank R. Pfetsch: Die Europäische Union. Mün- Diese positive Bilanz konnte jedoch nicht darüber hin- chen (Fink) 2001, S. 261–266 und S. 299–308 sowie Wilfried wegtäuschen, dass keineswegs alle Stolpersteine auf Loth: Das europäische Projekt zu Beginn des 21. Jahrhunderts. dem Weg zur EU-Reform beiseite geschafft worden Opladen (Leske + Budrich) 2001.

C 4 Stimmen und Sitze in der EU der 27 nach dem Vertrag von Nizza Stimmen im Sitze im Mitglieder in der Ministerrat Europaparlament Europäischen Kommision EU-Mitglieder Bevölkerung in % der EU- neu bisher neu bisher neu bisher und Beitrittsländer* in Mio. Bevölkerung Deutschland 83,1 17,2 29 10 99 99 1 2 Großbritannien 59,3 12,3 29 10 72 87 1 2 Frankreich 59,2 12,3 29 10 72 87 1 2 Italien 57,5 11,9 29 10 72 87 1 2 Spanien 40,0 8,3 27 8 50 64 1 2 Polen* 38,7 8,0 27 - 50 - 1 - Rumänien* 22,4 4,6 14 - 33 - 1 - Niederlande 15,9 3,3 13 5 25 31 1 1 Griechenland 10,6 2,2 12 5 22 25 1 1 Tschechien* 10,3 2,1 12 - 20 - 1 - Belgien 10,3 2,1 12 5 22 25 1 1 Ungarn* 10,1 2,1 12 - 20 - 1 - Portugal 10,0 2,1 12 5 22 25 1 1 Schweden 8,9 1,8 10 4 18 22 1 1 Bulgarien* 8,3 1,7 10 - 17 - 1 - Österreich 8,1 1,7 10 4 17 21 1 1 Slowakei* 5,4 1,1 7 - 13 - 1 - Dänemark 5,3 1,1 7 3 13 16 1 1 Finnland 5,2 1,1 7 3 13 16 1 1 Litauen* 3,7 0,8 7 - 12 - 1 - Irland 3,6 0,7 7 3 12 15 1 1 Lettland* 2,3 0,5 4 - 8 - 1 - Slowenien* 2,0 0,4 4 - 7 - 1 - Estland* 1,4 0,3 4 - 6 - 1 - Quelle: Zypern* 0,8 0,2 4 - 6 - 1 - Europäische Luxemburg 0,4 0,1 4 2 6 6 1 1 Kommission Malta* 0,4 0,1 3 5 1 - C Länderprofile: Die neuen Mitgliedstaaten 45

Das vereinte Europa

Karte: Mediothek der Europäischen Kommission. C 46 Länderprofile: Die neuen Mitgliedstaaten

C 5 Bulgarien

Aktuelle Politik: Aktueller Konfliktpunkt ist das AKW Republik Bulgarien (Republika Bulgarija) Kosloduj. Wie von der EU gefordert, wurden zwei Hauptstadt: PKW-Kennzeichen: BG Blöcke abgeschaltet und die Stilllegung zweier weite- Sofia (Sofija) rer Blöcke zugesagt. Brüssel macht davon eine Auf- nahme Bulgariens in die EU abhängig. Das höchste Ge- Fläche: 110.912 km2 richt Bulgariens entschied jedoch, dass die Zusage an Einwohner: 7,8 Mio. Einwohner pro km2: 70 Brüssel nicht mit geltendem nationalen Recht verein- bar sei. Der Verzicht auf die Stromgewinnung aus dem Bevölkerungsgruppen: 84% Bulgaren, 9,5% Tür- Atomkraftwerk ist unpopulär, weil hier 40% des ken, 4,6% Roma u.a. Minderheiten (z.B. Armenier, Stroms in Bulgarien erzeugt und der Strom u.a. in die Russen) Nachbarländer exportiert wird. Sprachen: Bulgarisch (Amtssprache); daneben In ihrem letzten Bericht bescheinigte die EU-Kommis- Türkisch und Umgangssprachen anderer Minder- sion Bulgarien eine funktionierende Marktwirtschaft heiten und gute Fortschritte bei den Strukturreformen. Nur langsam aber schreitet die Privatisierung der Wirt- Religionen: 86% orthodoxe Christen, 13% Musli- schaft voran. Seit Anfang 2000 wird mit der EU über me u.a. Minderheiten den Beitritt verhandelt. 2007 soll es so weit sein. Urbanisierungsgrad: Bev.wachstum Historisches: Bulgarien wurde 681 gegründet und ist 68% 1980–2001: –0,5 % einer der ältesten Staaten Europas. 1878 wird das un- ter osmanischer Herrschaft stehende Land geteilt. Do- Währung: 1 Lew = 100 Stótinki = ca. 0,52 EUR Die Banybashi Moschee in Sofia ist ei- nau- und Hochbulgarien wird tributpflichtiges Fürs- nes von zahlreichen Beispielen islami- BIP gesamt: 15,2 Mrd. Euro (2001), davon Land- scher Architektur in Bulgarien. tentum; Ostrumelien erhält Autonomie unter einem wirtschaft 14%, Industrie 28%, Dienstleistungen christlichen Gouverneur. 1879 und 1887 wird jeweils 58% ein Deutscher zum Fürsten von Bulgarien gewählt. 1908 wird Bulgarien unabhängiges Za- renreich. 1946 wird nach einer Volksabstimmung die Monarchie abgeschafft und die Volksrepublik Bulgarien mit kommunistischer Prägung aus- gerufen. 1971 tritt eine Verfassung nach dem Vorbild der UdSSR in Kraft. 1989 beginnt der Demokratisierungsprozess. 1991 wird eine neue re- publikanische Verfassung verabschiedet. Besonderheiten: Zwei große Gebirgszüge gliedern das Land in vier Regionen: das Nordbulgarische Donauhügelland, das Balkangebirge, die Thra- kische Niederung und die Rhodopen.

C 6 Estland

Aktuelle Politik: Das Fehlen domi- Republik Estland (Eesti Vabariik) nierender Parteien hat seit 1991 zu Hauptstadt: einem zehnmaligen Regierungs- PKW-Kennzeichen: EST Tallinn (Reval) wechsel geführt. Alle bisherigen Regierungen waren sich jedoch im Fläche: 45.100 km2 Bemühen um eine schnelle Integra- Einwohner: 1,4 Mio Einwohner pro km2: 31 tion Estlands in die euro-atlanti- schen Strukturen einig. Mit der est- Bevölkerungsgruppen: 65% Esten, 28% Russen; nischen Unabhängigkeit bekam die Minderheiten: Ukrainer, Weißrussen und Finnen russischsprachige Minderheit den Sprachen: Estnisch (Amtssprache), daneben Rus- Status von Nicht-Staatsangehöri- sisch (rund 30% der Bev.) gen mit eingeschränkten politi- schen Mitwirkungsrechten. Aufent- Religionen: überwiegend Christen (Lutheraner), Die Altstadt von Tallinn. haltsberechtigte Nicht-Esten haben Minderheiten von Katholiken, Muslimen und Ju- nur das aktive Kommunalwahlrecht. den Historisches: 1230 wird Reval durch den Schwertbrüderorden mit Hilfe deutscher Kaufleu- Urbanisierungsgrad: Bev.wachstum te von der Insel Gotland gegründet. In der Blütezeit der Hanse gehören dieser die fünf be- 69% 1980–2001: –0,4% deutendsten Städte des Landes an. Im 16. Jahrhundert ist Estland unter schwedischer Herr- Währung: 1 Estnische Krone = schaft. Im 19. Jahrhundert beginnt die Russifizierung des Landes. Erst nach 1918 wird Estland 100 Senti = ca. 0,06 EUR unabhängig. Eine demokratische Verfassung sichert den nationalen Minderheiten (Deutschen, Russen, Schweden) weit gehende kulturelle Autonomie. 1940 wird das Land gewaltsam in BIP gesamt: 6,2 Mrd. Euro (2001), davon Land- die UdSSR eingegliedert. 1990 proklamiert Estland den stufenweisen Übergang zur Unab- wirtschaft 6%, Industrie 28%, Dienstleistungen hängigkeit. Die neue Verfassung tritt 1992 in Kraft. 66% Besonderheiten: Estland, der nördlichste und am dünnsten besiedelte der drei baltischen Staaten, ist nicht größer als Niedersachsen. Zu Estland gehören rund 1.400 Seen und ca. 1.500 Inseln. Fast die Hälfte des Landes ist von Wald bedeckt. Besonders eng sind die Verbindungen zu Finn- land. Die beiden Hauptstädte Helsinki und Tallinn sind über den Finnischen Meerbusen nur einen Katzensprung voneinander entfernt. Tallinn gilt als eine der am besten erhaltenen mittelalterlichen Städte in Europa. In der IT-Branche gilt Estland als eine der führenden Nationen in Europa. Ein Gesetz garantiert jedem Bürger als Grundrecht einen Internetzugang. C Länderprofile: Die neuen Mitgliedstaaten 47

C 7 Lettland

Aktuelle Politik: Rund 30% der Einwohner Lettlands sind Republik Lettland (Latvijas Republika) Russen. Für die Beobachtung der Minderheitenfrage wur- Hauptstadt: Riga PKW-Kennzeichen: LV de bis Ende 2001 eine OSZE-Mission eingesetzt. Die let- tische Regierung hat durch die Schaffung eines Ministe- Fläche: 64.589 km2

riums für Integration ihren Willen zu weiteren Fort- 2 schritten in diesem Bereich deutlich gemacht. Ab 2004 Einwohner: 2,3 Mio. Einwohner pro km : 37 wird dennoch Lettisch als einzige Unterrichtssprache ein- Bevölkerungsgruppen: 58% Letten, 30% Russen geführt. Die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Russland u.a. Minderheiten (Weißrussen, Polen) und Lettland betreffen vor allem Lettlands Funktion als Sprachen: Lettisch (Amtssprache); 62% sprechen Transitland für Erdöl und Erdgas. Im März 2003 unter- brach Russland seine Öllieferungen, weil es die russische Lettisch, daneben spielt Russisch bei 36% eine Minderheit im Land diskriminiert sieht. Riga versucht wichtige Rolle derzeit zu verhindern, dass dieser wichtige Wirtschafts- Religionen: 55% Lutheraner, 24% Katholiken, zweig unter die Kontrolle einer russischen Staatsfirma 9% Russisch-Orthodoxe gerät. Jetzt soll die EU vermitteln. Historisches: Um 1180 entdecken deutsche Kaufleute die Urbanisierungsgrad: Bev.wachstum von Liven besiedelte Düna-Mündung und nennen die Ge- 60% 1980–2001: –0,4 % gend Livland. Im 13. Jahrhundert wird Livland durch den Währung: 1 Lats = 100 Santims = ca. 1,52 EUR Das Freiheitsdenkmal in Riga sym- Deutschen Orden christianisiert. Eine deutsche Ober- und bolisiert die drei historischen Regio- Bürgerschicht (»Deutschbalten«) herrscht über die ein- BIP gesamt: 8,5 Mrd. EUR (2001), davon Land- nen Lettlands: Kurland, Livland und heimische Bauernbevölkerung. Es entsteht eine Konfö- wirtschaft 5%, Industrie 26%, Dienstleistungen Lettgallen. deration feudaler Kleinstaaten als Bestandteil des Heili- 69% gen Römischen Reiches. Bis zum 15. Jahrhundert sind zehn altlivländische Städte Mitglieder der Hanse. Im 18. Jahrhundert kommen Livland und Estland als »deutsche Ostseeprovinzen« unter russi- sche Herrschaft. 1940 wird der Anschluss Lettlands an die Sowjetunion erzwungen. Auch nach 1945 wird die massive Sowjetisierung fortgesetzt. 1990 proklamiert das Parlament die Wiederherstellung der souveränen Republik Lettland. Eine Volksbefragung bestätigt die Unabhängigkeit. Erst 1994 ziehen die letzten russischen Truppen ab. Besonderheiten: Lettland ist der mittlere der drei baltischen Staaten. Es ist Teil der osteuropäischen Tiefebene und wird von der Düna (Daugava) durchschnitten, die in Riga in die gleichnamige Bucht mündet. Zahlreichen Seen machen fast 2% der Landesfläche aus, weitere 40% sind bewal- det und 5% sind Sümpfe und Moore. Riga wurde 1201 gegründet und ist die größte baltische Stadt. Die vorteilhafte geografische Lage im Zen- trum des Baltikums macht Lettland zu einer Drehscheibe für den Handel. Der infrastrukturelle Ausbau (v.a. Verkehrswege) ist in vollem Gange. Die wasserreiche Landschaft, die mittelalterlichen Städte, Museen und Volksparks machen das Land auch für Touristen besonders attraktiv.

C 8 Litauen

Aktuelle Politik: Probleme haben die Litauer vor Republik Litauen (Lietuvos Respublika) allem mit der Energieversorgung. Denn nach den Hauptstadt: PKW-Kennzeichen: LT EU-Richtlinien muss das AKW in Ignalina, das ca. Wilna (Vilnius) 80% der Elektrizität liefert, bis 2009 abgeschaltet werden. Dann wird Litauen von russischem Erdöl Fläche: 65.301 km2 und Erdgas abhängig. Vertreter der russischen und Einwohner: 3,5 Mio. Einwohner pro km2: 53 polnischen Minderheiten (ca. 15% der Bevölke- rung) protestierten gegen die sprachenpolitische Bevölkerungsgruppen: 81% Litauer, 8% Russen, Entscheidung von 1989, Litauisch zur Amtsspra- 7% Polen und andere Minderheiten che zu machen. Sprachen: Litauisch (Amtssprache), Russisch, Historisches: Nach der dritten polnischen Teilung Polnisch zwischen Österreich, Preußen und Russland wird Religionen: 80% Katholiken, andere Minderheiten Die historische Altstadt von Vilnius bei Litauen 1795 russisches Gouvernement. Die bru- (Protestanten und orthodoxe Christen) Nacht. tale Russifizierungspolitik bewirkt eine starke Aus- wanderungsbewegung nach Nordamerika und eine Urbanisierungsgrad: Bev.wachstum: litauische Nationalbewegung. 1918 wird die unabhängige Republik Litauen proklamiert. 1941– 69% 1980–2001: 0,1% 1944 ist Litauen unter deutscher Besetzung. 1944 marschiert die russische Armee ein. Als Währung: 1 Litas = 100 Centas = ca. 0,29 EUR erste sowjetische Unionsrepublik erklärt Litauen 1990 seine Unabhängigkeit. Die neue Ver- fassung tritt 1992 in Kraft. Das Land beginnt mit dem Aufbau eines eigenen Wirtschaftssy- BIP gesamt: 13,4 Mrd. Euro (2001), davon Land- stems. Heute ist die Privatisierung der bis 1990 staatlich gelenkten Wirtschaft nahezu abge- und Forstwirtschaft 8%, Produzierendes Gewer- schlossen. be 31%, Dienstleistungen 60% Besonderheiten: Litauen ist flächenmäßig das größte der drei baltischen Länder. Es ist ein wasserreiches Land mit zahlreichen Flüssen und über 4.000 Seen. Nördlich von Wilna liegt der geografische Mittelpunkt Europas. Die Universität Wilna ist eine der ältesten Europas (1579 gegründet). Die mittelalterliche Altstadt wurde von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt. Die Litauer werden als »globales Volk« bezeichnet, weil ein Drit- tel der Litauer außerhalb Litauens über die Welt verstreut lebt. C 48 Länderprofile: Die neuen Mitgliedstaaten

C 9 Malta

Aktuelle Politik: Malta ist künftig das kleinste Republik Malta EU-Mitglied. Wirtschaftlich aber ist die Insel fit (Repubblika ta`Malta/Republic of Malta) für den EU-Binnenmarkt. Malta fürchtet Brüsse- Hauptstadt: Valletta PKW-Kennzeichen: M ler Umweltauflagen, denn trotz der größten Au- todichte in Europa sind Katalysatoren, Müll- Fläche: 316 km2 recycling oder Kraftwerkfilter fast unbekannt. Einwohner pro km2: Malta erkämpfte sich 77 Sonderklauseln ge- Einwohner: 395.000 genüber der EU. U.a. bleibt das Abtreibungsver- 1.250 bot dem katholisch geprägten Land erhalten. Bevölkerungsgruppen: Malteser, ca. 5% Briten Historisches: 1530 belehnt Kaiser Karl V. den und Italiener Johanniterorden mit Malta. 1798 beendet Na- Sprachen: Maltesisch und Englisch (Amtsspra- poleon Bonaparte die Ordensherrschaft. Malta chen), Italienisch sucht daraufhin den Schutz Großbritanniens. Religionen: 96% Katholiken 1814 wird die Insel britische Kronkolonie und wichtiger Flottenstützpunkt. Seit 1920 haben die Urbanisierungsgrad: Bev.wachstum Malteser eine eigene Regierung und ein eigenes 91% 1990–98: 0,9% Parlament. Unter dem Schutz der britischen Kro- Währung: 1 Maltesische Lira = 100 Cents Die prächtige Kathedrale von St. Johann in La ne wird die Inselgruppe 1964 unabhängig und Valetta. ist seit 1974 Republik. 1979 zogen die letzten = ca. 2,18 EUR britischen Truppen ab. Heute ist Malta eine par- BIP gesamt: 4,0 Mrd. Euro (2001), davon Land- lamentarische Demokratie im Commonwealth. Es besteht ein Zweiparteiensystem mit unge- wirtschaft 3%, Industrie 26%, Dienstleistungen fähr gleich starken Parteien. Dies hat eine stark polarisierende Wirkung auf alle Bereiche des 71% Lebens. Die Wahlbeteiligung liegt regelmäßig deutlich über 90%. Besonderheiten: Die Inselgruppe südlich von Sizilien besteht aus Malta, Gozo und Comino. Malta ist ein Schmelztiegel verschiedener Kulturen. Die maltesische Sprache ist dem Arabischen eng verwandt. So betet die mehrheitlich katholische Bevölkerung zu »Allah«, denn Gott heißt auf mal- tesisch »Alla«. Allein der Tourismus erwirtschaftet auf der attraktiven Insel etwa ein Drittel des Sozialprodukts. In Malta werden täglich mehr als 30.000 Paar Jeans für den EU-Markt produziert. Mit dem Beitritt wird die Ferieninsel zu einem der wichtigsten Jeansproduzenten in der EU.

C 10 Polen

Aktuelle Politik: Der EU-Verfassungs- Republik Polen (Rzeczpospolita Polska) gipfel zur gemeinsamen Verfassung Hauptstadt: scheiterte Ende 2003, weil sich die PKW-Kennzeichen: PL Warschau (Warszawa) Staats- und Regierungschefs nicht auf die künftige Stimmengewichtung der Fläche: 312 685 km2 Mitgliedstaaten bei Mehrheitsentschei- Einwohner: 38,6 Mio. Einwohner pro km2: 124 dungen verständigen konnten. Vor al- lem Polen und Spanien wollten am EU- Bevölkerungsgruppen: 98% Polen, Minderheiten Vertrag von Nizza festhalten, der beiden (Deutsche, Ukrainer, Roma, Tartaren) Ländern ein größeres Gewicht einräumt, Sprache: Polnisch als ihnen nach ihrer Bevölkerungszahl zustehen würde. Religionen: 90% römisch-katholische Christen, Minderheiten (orthodoxe Christen, Protestanten, Die Altstadt von Warschau. Historisches: Im 16. Jahrhundert war Juden) Polen einer der bedeutendsten Staaten Europas. Nach der ersten polnischen Teilung zwischen Preußen, Österreich und Russland im Urbanisierungsgrad: Bev.wachstum 18. Jhdt. wird die erste geschriebene Verfassung Europas (1772) in Polen verabschiedet. Po- 63% 1980–2001: 0,4% len wird noch weitere zwei Mal (1793 und 1795) geteilt. Auf dem Wiener Kongress (1815) Währung: 1 Zloty = 100 Groszy = ca. 0,23 EUR entsteht das Königreich Polen (»Kongress-Polen«) in Personalunion mit Russland. Alle Ver- suche zur Wiederherstellung des polnischen Nationalstaates im 19. Jahrhundert werden nie- BIP gesamt: 196,7 Mrd. Euro (2001), davon Land- dergeschlagen. 1918 wird Polen unabhängig. Am 1. September 1939 löst der deutsche An- wirtschaft 3%, Industrie 32%, Dienstleistungen griff auf Polen den Zweiten Weltkrieg aus. Polen wird zwischen Deutschland und Russland 65% aufgeteilt. Der nationalsozialistische und sowjetkommunistische Terror sucht das Land heim. Das Potsdamer Abkommen vom August 1945 regelt die Grenzen Polens. Mit der Vertreibung der Deutschen und der Zwangsumsiedlung der Po- len aus dem an die UdSSR gefallenen Ostpolen kommt es zu einer gewaltigen Bevölkerungsverschiebung. 1952 wird die kommunistische Volksrepublik Polen gegründet. Seit der Wahl des Krakauer Kardinals zum Papst Johannes Paul II. (1978) setzt in Polen eine religiöse Erneuerungsbewegung ein, die tief greifende Reformen fordert. 1980 muss die Regierung nach einer landesweiten Streikbe- wegung die unabhängige Gewerkschaft Solidarnosc unter Lech Walesa zulassen. 1989 wird die Bezeichnung Republik Polen wieder eingeführt. Die Solidarnosc erzielt einen überragenden Wahlsieg. Besonderheiten: Polen ist größtenteils Flachland. Es gliedert sich von Norden nach Süden in fünf geografische Zonen. Die Bergregionen sind die Sudeten, die Hohe Tatra sowie die Karpaten im äußersten Süden an der slowakischen Grenze. Krakau hat eine der ältesten Universitäten Europas (1364 gegründet). Nach seinem EU-Beitritt hat Polen die längste Außengrenze der EU. C Länderprofile: Die neuen Mitgliedstaaten 49

C 11 Rumänien

Aktuelle Politik: Die innenpolitische Lage ist geprägt Rumänien (România) von dem Bemühen, die Last der Ceausescu-Diktatur 5 Hauptstadt: PKW-Kennzeichen: RO weiter abzubauen und das Land auf demokratischer Bukarest (Bucureçti) Grundlage zu reformieren. In den Berichten der EU- Kommission wird insbesondere die fortdauernde Fläche: 238.391 km2 Korruption in Rumänien kritisiert. Einwohner: 22,4 Mio. Einwohner pro km2: 94 Historisches: Rumänien war im Altertum eine wich- Bevölkerungsgruppen: 90% Rumänen, 7% tige Provinz des Römischen Reiches. Der Staatsna- Magyaren (Ungarn) u.a. Minderheiten (Roma, me und die mit dem Lateinischen verwandte Spra- Russen, Deutsche, Serben, Türken und Bulgaren) che weisen noch heute darauf hin. Im 14. Jahr- hundert sind die Fürstentümer an der Moldau und in Sprachen: Rumänisch (Amtssprache), Ungarisch, der Walachei gezwungen, die türkische Oberhoheit Deutsch anzuerkennen. 1862 vereinigen sie sich unter dem Religionen: 87% Rumänisch-Orthodoxe, 5% Ka- Namen Rumänien. Auf dem Berliner Kongress (1878) tholiken u.a. Minderheiten erhält Rumänien seine volle Souveränität. 1947 ru- fen die Kommunisten die Volksrepublik aus. Vor al- Urbanisierungsgrad: Bev.wachstum 55% 1980–2001: 0,0% lem der letzte Staats- und Parteichef Ceausescu5 errichtet ein diktatorisches Regime. 1989 kommt es Währung: 1 Leu = 100 Bani zum Volksaufstand. Im Dezember 1991 verabschie- = ca. 0,00003 EUR Der Strand bei Constanta am Schwarzen det das Parlament eine rechtsstaatliche Verfassung. Meer. Alle Regierungen seit 1996 setzen sich das Ziel, den BIP gesamt: 44,4 Mrd. Euro, davon Landwirt- wirtschaftlichen und politischen Rückstand gegen- schaft 12%, Industrie 37%, Dienstleistungen 51% über den anderen Transformationsländern abzubauen. Seit 2000 laufen die Beitrittsverhand- lungen mit der EU. 2007 soll Rumänien der Union beitreten. Besonderheiten: Tiefe Schluchten und Täler zergliedern Rumänien in einzelne Gebirgsmassive. Die hügelige Moldaulandschaft bedeckt den Nord- osten Rumäniens. Die Walachei mit der Hauptstadt Bukarest verläuft südlich von den Transsylvanischen Alpen bis zur Donau hin. Im Osten liegt die Dobrudscha, ein Hügelland, das bis zum Schwarzen Meer reicht. Das Karpatenland lockt derzeit immer mehr deutsche Investoren. Hauptan- ziehungspunkt ist dabei die Region um das ehemalige Temeschburg – das Banat, Rumäniens westlichster Zipfel an der Grenze zu Ungarn und Ser- bien. Während anderswo auf dem Balkan die heftigen Konflikte zwischen verfeindeten Volksgruppen nachwirken, praktizieren hier Rumänen, Ser- ben, Ungarn und Deutsche ein friedliches Miteinander.

C 12 Slowakische Republik

Aktuelle Politik: Die Slowakische Slowakische Republik (Slovenská Republika) Republik ist neben der Tschechi- Hauptstadt: PKW-Kennzeichen: SK schen Republik einer der beiden Pressburg (Bratislava) Nachfolgestaaten der Tschecho- slowakei. Bald nach der »Samte- Fläche: 49.034 km2 nen Revolution« von 1989 setz- Einwohner: 5,4 Mio. Einwohner pro km2: 110 ten sich diejenigen Kräfte in der Slowakei durch, die für eine Bevölkerungsgruppen: 86% Slowaken, 10% grundsätzlich neue Stellung der Magyaren (Ungarn), 9% Roma u.a. Minderheiten Slowakei eintraten. 1993 erfolgte (Tschechen, Ukrainer, Deutsche) die Gründung der Slowakischen Sprachen: Slowakisch (Amtssprache), Ungarisch, Republik. Tschechisch Auf dem Gebiet der Slowakei le- Religionen: 69% Römisch-Katholisch, 8% Protes- ben verschiedene Minderheiten. tanten, 7% Evangelische Augsburger Kirche Die Kulturpolitik räumt ihnen Mit- Das Schloss in der slowakischen Hauptstadt Bratislava. Urbanisierungsgrad: Bev.wachstum sprache ein. Die Roma sind die zweitgrößte Minderheit im Land. Vor allem im Osten der Slowakei sind sie aufgrund ihres ge- 58% 1980–2001: 0,4% ringeren Bildungsniveaus, der hohen Arbeitslosigkeit und der mangelnden Integration ein so- Währung: 1 Slowakische Krone = 100 Heller ziales Problem. = ca. 0,02 EUR Historisches: Bis 1918 steht die Slowakei unter ungarischer und damit ab dem 16. Jahr- BIP gesamt: 22,3 Mrd. Euro (2001), davon Land- hundert unter habsburgischer Herrschaft (»Oberungarn«). Bis ins 19. Jahrhundert hinein be- wirtschaft 4%, Industrie 30%, Dienstleistungen stimmen Einflüsse aus Ungarn und Österreich die kulturelle Entwicklung des Landes. 1918 66% wird das Land Teil der Tschechoslowakei. Von 1945 bis 1989 ist die Slowakei Teil der kom- munistisch regierten CSSR. 1990 erfolgt die Umwandlung in eine föderative Republik innerhalb der Tschechoslowakei. Die Slowakei erlangt 1993 erstmals nach tausend Jahren wieder ihre völlige Souveränität und ist seitdem eine unabhängige Republik mit parlamentarischer Demokratie. Besonderheiten: Im Zentrum der Slowakei liegen die parallel verlaufenden Gebirgszüge der Niederen und der Hohen Tatra sowie des Slowaki- schen Erzgebirges. In Pressburg findet man zahlreiche mittelalterliche und barocke Bauten. In der Kirche von Levoca steht der höchste gotische Altar der Welt. Die Burg Spissky besitzt das weitläufigste mittelalterliche Befestigungssystem in Mitteleuropa (UNESCO-Weltkulturerbe). Die Slo- wakei ist seit dem Abschluss der Beitrittsverhandlungen mit der EU zum Steuerparadies geworden: Reiche und Arme zahlen einheitlich nur 15% Steuern auf ihr Einkommen. C 50 Länderprofile: Die neuen Mitgliedstaaten

C 13 Slowenien

Aktuelle Politik: Slowenien gilt als Republik Slowenien (Republika Slovenija) Vorzeigekandidat unter den neuen EU-Mitgliedstaaten. Das Land hat Hauptstadt: PKW-Kennzeichen: ökonomisch den Anschluss an die Laibach (Ljubljana) SLO EU geschafft, denn das Pro-Kopf- Fläche: 20.253 km2

BIP erreichte bereits 2002 das Ni- 2 veau von Griechenland und Portu- Einwohner: 2,0 Mio. Einwohner pro km : 98 gal. Nicht unerheblich für den Bevölkerungsgruppen: 84% Slowenen u. a. Min- wirtschaftlichen Erfolg ist die poli- derheiten (Kroaten, Serben, Ungarn, Italiener) tische Stabilität. Sprache: Slowenisch (Amtssprache) Historisches: Mit dem Ende der Religionen: 71% Katholiken u.a. Minderheiten (Lu- Habsburger Monarchie schließen theraner, Orthodoxe, Muslime) sich die Slowenen 1918 mit den Die Altstadt der slowenischen Hauptstadt Ljubljana. Serben und Kroaten zu einem Kö- Urbanisierungsgrad: Bev.wachstum nigreich (seit 1929 Jugoslawien) 49% 1980–2001: 0,2 % zusammen. Teile des Landes bleiben bei Österreich bzw. werden italienisch. 1945/46 wird Währung: 1 Tolar = 100 Stotin = ca. 0,004 EUR Slowenien eine Teilrepublik der Volksrepublik Jugoslawien. 1990 erklärt sich Slowenien nach einer Volksabstimmung gleichzeitig mit Kroatien zum souveränen Staat. Damit beginnt die BIP gesamt: 20,9 Mrd. Euro (2001), davon Land- Auflösung Jugoslawiens. Im Dezember 1991 verabschiedete das slowenische Parlament eine wirtschaft 3%, Industrie 38%, Dienstleistungen neue Verfassung nach dem Vorbild westlicher Demokratien. Aufgrund des 1994 einsetzen- 58% den Wirtschaftswachstums kann sich Slowenien deutlich stärker konsolidieren als die ande- ren Nachfolgestaaten Jugoslawiens. Besonderheiten: Slowenien nimmt eine Brückenfunktion zwischen der alten EU und dem Balkan ein. Das Land hofft deshalb, beim Warenhandel nach Mittel- und Westeuropa eine wichtige Rolle zu spielen. Deshalb wird eifrig am Ausbau der Verkehrsinfrastruktur gearbeitet. Slowenien be- steht vorwiegend aus Gebirgen und wird deshalb auch die »Schweiz des Ostens«genannt. Die römische Stadtgründung Laibach (Ljubljana) gehört zu einer der Touristenattraktionen des Landes. Auch architektonisch weist die Stadt auf die historischen Verbindungen des Landes zu Italien und Österreich hin. Mit seiner abwechslungsreichen Landschaft zwischen Gebirge und Meeresküste besitzt Slowenien die besten Voraussetzungen für einen blühenden Tourismus.

C 14 Tschechische Republik

Aktuelle Politik: Mit klarer Mehrheit Tschechische Republik (77%) haben sich die Tschechen im (Ceská` Republika) Juni 2003 für den Beitritt ihres Landes Hauptstadt: PKW-Kennzeichen: CZ zur EU ausgesprochen. Die Prager Po- Prag (Praha) litiker feierten das Ergebnis als endgül- tigen Abschluss des Kalten Krieges und Fläche: 78.866 km2 als Rückkehr Tschechiens in den Wes- Einwohner: 10,2 Mio. Einwohner pro km2: 130 ten. Immer noch und immer wieder stehen die Beneš-Dekrete im Zentrum Bevölkerungsgruppen: 90% Tschechen, 4% Slo- einer erbitterten Debatte. Eine Aufhe- waken u.a. Minderheiten bung der Dekrete würde nach Prager Sprache: Tschechisch (Amtssprache), Slowakisch Befürchtungen auch die Enteignungen aufheben und Tschechien mit nicht Religionen: 39% Katholiken, 5% Protestanten, 3% Die Karlsbrücke und das Schloss in Prag. leistbaren Rückgabeforderungen über- Orthodoxe, ca. 40% konfessionslos ziehen. Urbanisierungsgrad: Bev.wachstum: Historisches: Die ehemaligen tschechischen Kronländer Böhmen, Mähren und Schlesien 75% 1980–2001: 0,0% gehören bis 1918 zu Österreich-Ungarn. Von 1918 bis 1939 bilden sie den größten Teil der Währung: 1 Tschechische Krone = 100 Heller Tschechoslowakei. Im Münchner Abkommen (1938) wird das Land zerschlagen. Nach 1945 = ca. 0,03 EUR ist Tschechien erneut der dominierende Teil in der kommunistisch regierten Tschechoslowa- BIP gesamt: 63,3 Mrd. Euro (2001), davon Land- kei. Erst nach dem Zusammenbruch der kommunistischen Herrschaft im Zuge der »samte- wirtschaft 4%, Industrie 41%, Dienstleistungen nen« Revolution mit dem Zentrum Prag erfolgt 1990 die Umwandlung der Tschechoslowakei 55% in eine föderative Republik. 1993 wird die Tschechische Republik zum souveränen Staat. Besonderheiten: Den westlichen Teil des Landes nehmen v.a. das Böhmische Massiv und das Böhmische Becken ein. Das Böhmische Becken wird vom Erzgebirge, dem Böhmerwald, den Sudeten und der Böhmisch-Mährischen Höhe umschlossen. Die beiden großen Flüsse Elbe und Moldau durchströmen das Becken und fließen bei Prag zusammen. Das Land produziert weltberühmtes Bier sowie Mineralwasser aus über 900 Naturquellen. Die Hauptstadt Prag ist über 1.000 Jahre alt und weist

einen großen Reichtum an historischen Bauten auf. Die Karls-Universität in Prag (1348 gegründet) ist eine der ältesten Universitäten Europas und war^ Jahrhunderte lang ein geistiges Zentrum. Berühmte Tschechen sind der Reformator des 15. Jahrhunderts Jan Hus und die Komponisten Dvo- rák und Smetana. C Länderprofile: Die neuen Mitgliedstaaten 51

C 15 Ungarn

Aktuelle Politik: Eine gute Infra- Republik Ungarn (Magyar Köztársaság) struktur und qualifizierte Arbeits- kräfte machen Ungarn zu einem Hauptstadt: Budapest PKW-Kennzeichen: H Investitionsmagneten unter den Fläche: 93.030 km2

neuen EU-Mitgliedstaaten. Prio- 2 rität im Land hat auch deshalb die Einwohner: 10,2 Mio. Einwohner pro km : 110 Reorganisation des Hochschul- Bevölkerungsgruppen: 96% Ungarn, 4% Roma systems und Reformen in der u.a. Minderheiten (Deutsche, Serben) Schulpolitik. Kritik musste sich die Sprache: Ungarisch (Amtssprache) ungarische Regierung im Bereich Religionen: 68% Katholiken, 20% Calvinisten, 5% Das ungarische Parlament am Ufer der Donau in Budapest. der Menschenrechte gefallen las- sen. Die EU-Kommission forderte Lutheraner u.a. Minderheiten Ungarn auf, die Situation der ethnischen Minderheit der Roma zu verbessern. Urbanisierungsgrad: Bev.wachstum Historisches: Nach einem Krieg gegen die Türken zerfällt das unabhängige Königreich Un- 65% 1980–2001: –0,2 % garn 1526 in drei Teile: Den Westen erhalten die Habsburger, im Osten entsteht das Fürs- Währung: 1 Forint = 100 Filler = ca. 0,004 EUR tentum Siebenbürgen und die Mitte wird türkisch besetzt. Im 19. Jahrhundert wird Ungarn der österreichischen Verwaltung eingegliedert. 1867 wird Ungarn in Realunion mit Öster- BIP gesamt: 58,0 Mrd. Euro (2001), davon Land- reich selbständiges Königreich. Mit dem Ende der Habsburger Monarchie wird 1918 die Re- wirtschaft 4%, Industrie 34%, Dienstleistungen publik Ungarn ausgerufen. Bereits 1921 wird die Monarchie wiederhergestellt. 1944 beset- 62% zen erst deutsche und dann sowjetrussische Truppen das Land. Bis 1989 steht die »Volksdemokratie Ungarn« unter kommunistischer Herrschaft. Ein Volksaufstand wird 1956 von den Sowjettruppen gewaltsam niedergeschla- gen. Fast 200.000 Ungarn flüchten in den Westen. Seit den 1960er-Jahren verfolgt Ungarn ein eigenständiges Sozialismusmodell, das zu sozia- len Verbesserungen, einem Wirtschaftsaufschwung und gewissen Liberalisierungen führt (sog. »Gulasch-Kommunismus«). Im Mai 1989 flüch- ten Tausende aus der DDR nach Ungarn, das seine Sperranlagen an der Grenze zu Österreich abgebaut hat. Der Umbruch in der DDR und in ganz Osteuropa wird dadurch beschleunigt. Im Oktober 1989 tritt die modifizierte neue Verfassung Ungarns in Kraft. Besonderheiten: Ungarn besteht überwiegend aus Tiefland und den weiten fruchtbaren Ebenen des Donaubeckens. Der Plattensee, eine der Tou- ristenattraktionen des Landes, ist der größte Binnensee in Mitteleuropa. Die ungarische Sprache weist keine Verwandtschaft mit den Sprachen der Nachbarländer auf. Sie ist entfernt mit dem Finnischen und dem Estnischen verwandt. In Ungarn hat die Musik einen hohen Stellenwert: berühmte ungarische Komponisten sind Liszt und Bartók. In Budapest fuhr die erste Untergrundbahn des europäischen Kontinents.

C 16 Zypern

Aktuelle Politik: Formal ist Zypern eine präsidia- Republik Zypern (Kypriaki Dimokratía) le Republik mit zwei sich selbst verwaltenden Hauptstadt: Volksgruppen. De facto aber besteht die Insel aus PKW-Kennzeichen: CY dem international anerkannten griechisch-zyprio- Nikosia (Lefkosía) tischen Südteil und dem türkisch-zypriotischen Fläche: 9.251 km2

Nordteil, der nur von der Türkei anerkannt wird. 2 Die Lösung des Zypern-Konflikts wird von vielen Einwohner: 797.000 Einwohner pro km : 82 europäischen Politikern als eine der Vorbedin- Bevölkerungsgruppen: 85% griechische Zyprio- gungen für die Beitrittsverhandlungen mit der Tür- ten, 12% türkische Zyprer u. a. Minderheiten kei angesehen. Traditionelles Korbflechten auf Zypern. Sprachen: 80% Griechisch, 20% Türkisch, Historisches: Die Vorherrschaft des Christentums gemeinsame Verkehrssprache: Englisch hat in Zypern Ende des 4. Jahrhunderts begonnen. 1098 errichteten Kreuzfahrer auf Zypern Religionen: 95% orthodoxe Christen (im Süden), einen Stützpunkt für ihre Eroberungszüge im Heiligen Land. 1571 eroberten die Türken Tei- 95% sunnitische Muslime (im Norden) le der Insel. Unter osmanischer Herrschaft wird eine muslimische Minderheit auf der Insel angesiedelt. 1878 hissen dann die Briten ihre Flagge auf Zypern. 1960 erhält Zypern die Un- Urbanisierungsgrad: Bev.wachstum abhängigkeit. Als das Militärregime in Athen 1974 einen Putsch der Nationalisten gegen den 70% 1990–98: 1,4 % Insel-Staatschef inszeniert, marschieren türkische Truppen ein und besetzten den Nordteil Währung: 1 Zypern-Pfund = 100 Cents der Insel. 1983 wird die Türkische Republik Nordzypern ausgerufen. = ca. 1,71 EUR Besonderheiten: Zypern ist die drittgrößte Mittelmeerinsel. Nikosia ist die einzige geteilte BIP gesamt: 10,2 Mrd. Euro (2001) davon Land- Hauptstadt Europas. Hier fand am 23. April 2003 nach fast 30 Jahren Restriktionen erstmals wirtschaft 5%, Industrie 23%, Dienstleistungen eine Grenzöffnung statt. Bewohner beider Teile der Insel können sich seitdem zu Tagesbe- 72% suchen treffen. Die wichtigsten Wirtschaftszweige auf Zypern sind der Tourismus, die Be- kleidungsindustrie und das Kunsthandwerk.

Alle Länderportraits C 5 – C 16 zusammengestellt von Dagmar Meyer, nach: Fischer Weltalmanach 2004. Zahlen Daten Fakten. Frankfurt/M. (Fischer) 2003; Jahrbuch 2004. Die Welt in Zahlen, Daten, Analysen. Hamburg (Spiegel Buchverlag) 2003; Aktuell 2004. Dortmund (Harenberg Lexikon Verlag), 2003; Der Brockhaus multimedial 2004 premium. Mannheim (Bibliografisches Institut & F.A. Brockhaus AG) 2004; www.auswaertiges- amt.de/www/de/laenderinfos. Alle Fotos: Mediathek der Europäischen Kommission. C 52 Wirtschaftliche Konsequenzen der Erweiterung

C 17 Kennzahlen der Beitrittsländer

Quelle: eurostat, Stand 2001

anschlüssen. Nun befürchten Polens Bauern, sie soll- C 18 Der wirtschaftliche ten nach dem Beitritt zur EU als Landwirte zweiter Rückstand Klasse behandelt werden, weil die EU nicht bereit ist, ihnen die gleichen Beihilfen zu gewähren, wie sie die Landwirte in der EU derzeit erhalten. Beispiel: Die Landwirtschaft Polens Frankfurter Allgemeine Zeitung, 4. Februar 2002 (Michael Lud- Ein Viertel der polnischen Erwerbstätigen sind in der wig). Landwirtschaft beschäftigt (zum Vergleich: Deutsch- land: 3,5 Prozent) und fast die Hälfte des Landes ist landwirtschaftliche Nutzfläche. Polens Landwirtschaft steckt ... in einer Krise. Sie ist auf zu viele kleine Höfe zersplittert (nur 20 Prozent der Höfe haben mehr als 10 Hektar Nutzland), leidet unter Kapitalmangel, und der Ausbildungsstand der Bauern ist gering. Statt Ar- beitskräfte in die Industrie abzugeben, hat sie in den vergangenen Jahren Menschen, die ihre Arbeitsplät- ze verloren hatten, aufnehmen müssen, mit der Fol- ge, dass von der versteckten Arbeitslosigkeit auf dem Lande etwa eine Million Polen betroffen sind. Im polnischen Vergleich ist das flache Land in jeder Hinsicht benachteiligt, zum Beispiel beim Zugang zu Bildungseinrichtungen und ärztlicher Versorgung. Es fehlt an Wasserleitungen, Kanalisation und Telefon- Foto: Michael Engler/Bilderberg (keine Online-Rechte) C Wirtschaftliche Konsequenzen der Erweiterung 53

C 19 Anpassungsschwierigkeiten: Ungarn: • hohe Auslandsverschuldung ein Überblick • Strukturschwäche der Landwirtschaft (zahlreiche Kleinstbetriebe) • mangelhafte Umweltpolitik Estland: Zypern: • hohes Defizit in der Leistungsbilanz, bedingt • fortbestehende Teilung der Insel (griechisch-zyp- durch einen zu großen Anteil des staatlichen Wirt- rischer Süden/türkisch-zyprischer Norden) schaftssektors Bulgarien: • schleppende Integration der russischen Bevölke- rungsminderheit (ein Drittel der Einwohner Est- • extrem niedriger Lebensstandard lands) • hohe Arbeitslosenquote • schwerwiegende Umweltprobleme (Folgen des • zu hoher Anteil der Staatsbetriebe Uranabbaus während der Sowjetzeit) • Problem der organisierten Kriminalität Lettland: Rumänien: • unbefriedigende Stabilisierung der Staatsfinan- • Rückstände beim Übergang zur Marktwirtschaft zen und zum freien Wettbewerb • zögerliche Reform des öffentlichen Dienstes • verbreitete Armut (über 40 Prozent der Bevölke- • mangelhafte Infrastruktur rung unter der Armutsgrenze) • zu hoher Anteil der unproduktiven Landwirtschaft Litauen: • fortbestehende Minderheitenprobleme • mangelhafte Haushaltsdisziplin • Rückstände bei der Reform von Justiz und öf- fentlicher Verwaltung sowie bei der Bekämpfung von Korruption und Kriminalität • Problem der russischen Enklave Kaliningrad (Zu- C 20 Willkommen in der EU! gang über litauisches Gebiet) Malta: Es ist leichter auf Defizite hinzuweisen, anstatt die rie- • Nachholbedarf bei der Übernahme der Regeln sigen Anstrengungen, die alle Länder des europäi- des Gemeinsamen Binnenmarktes und des frei- schen Ostens mit kärglichsten Mitteln unternehmen, en Wettbewerbs ... zu würdigen ... Als das sowjetkommunistische Sys- tem zusammenbrach, war die Entscheidung zuguns- Polen: ten einer liberalen Marktwirtschaft in den Ländern des • rückständige Landwirtschaft Ostens scheinbar selbstverständlich. Dort hat man die • erhebliche Probleme in den Bereichen Umwelt, Einladung ernst genommen, im »Freien Westen« mit Energie und Infrastruktur (vor allem im Verkehrs- offenen Armen empfangen zu werden. bereich) Nun stehen die ärmsten Länder des alten Ostblocks • große soziale und regionale Unterschiede ... wie Bittsteller vor der Tür, und die reichen, geizigen • defizitärer Staatshaushalt Europäer wollen den Ärmeren lange nicht die Unter- • Probleme bei der Sicherung und Kontrolle der stützung gewähren, mit der einst der Marshallplan ih- längsten Außengrenze aller EU-Mitgliedstaaten nen selbst auf die Beine geholfen hat ... Die histori- (1.200 Kilometer) sche und vor allem die moralische Dimension des Vorgangs tritt gegen kleinliche Fragen der Wohl- Slowakei: standssicherung und der Taxierung der neuen Kan- • ungelöste Minderheitenprobleme (etwa 300.000 didaten meist zurück ... bis 500.000 Roma) Die Europäer des Westens haben allesamt große Pro- Slowenien: bleme mit der Armut des Ostens. Sie fürchten reale • relativ hohe Inflationsquote Verluste ihres beachtlichen Wohlstandes, obwohl die • zu starker Einfluss des Staates auf die Wirtschaft Frage erlaubt sein kann, ob eine gemeinschaftliche und den Finanzsektor Stabilisierung des Kontinents und eine Aufbauhilfe an • andauernde Streitigkeiten mit dem Nachbarland die neuen Demokratien diesen Preis nicht wert ist. Zu- Kroatien dem handelt es sich nicht nur um Länder, die das Ende des Kalten Krieges mit hohem Risiko für die Be- Tschechien: völkerung maßgeblich bewerkstelligt haben, sondern • verschleppte Reform von Justiz und Verwaltung um Kulturen, die nach 1945 vollkommen zu Unrecht • fortbestehende hohe Korruption und Kriminalität den Preis für die ideologische Zweiteilung des Konti- • rückständiges Fernstraßennetz nents zahlen mussten. • andauernder deutsch-tschechischer Streit um die Dirk Schümer: Das Gesicht Europas: ein Kontinent wächst zu- Beneš-Dekrete sammen. Hamburg (Hoffmann und Campe) 2000, S. 266–268. C 54 Haushalt und Finanzierung der EU der 25

C 21 Die Erweiterung und C 23 die Kosten

Quelle: Handelsblatt-Grafik

C 22 C 24

Droht ein Streit über die Finanzierung der EU?

Die Finanzplanung der Europäischen Union steht im Konflikt zwischen Netto- zahlern und Empfängerstaaten. Durch die Erweiterung wird sich das verschär- fen, weil die bisher Begünstigten finan- zielle Einbußen fürchten. Die Agenda 2000, die den Finanzrahmen der Eu- ropäischen Union bis zum Jahr 2006 festlegt, ... gilt bis 2006. Die mittelfristi- ge Finanzplanung für die Zeit von 2007 bis 2013 muss also bald in Angriff ge- nommen werden. Besonders strittig ist die Verteilung der Mittel für die Agrar- und Strukturpolitik ... Die Mitgliedstaa- ten müssen über finanzielle Fragen ein- stimmig entscheiden und sind ... von na- tionalen Interessen blockiert. Die Finanzierung der Erweiterung wird die Zeichnung: Luff Gemeinschaft deshalb auf eine erhebli- che Belastungsprobe stellen.

Der Tagesspiegel (Berlin), 17. April 2003 (Mariele Schulze Berndt) C Haushalt und Finanzierung der EU der 25 55

C 25

Grafik: Felix Brocker (Frankfurter Allgemeine Zeitung)

C 26 Wie teuer wird die C 27 An den Kosten darf die Erweiterung? – Ein Überblick Erweiterung nicht scheitern

• Die Kommission will im Zeitraum von 2004 bis 2006 Über den enormen Gewinn an politischer Stabilität für die Erweiterung mehr als 40 Milliarden Euro be- hinaus sind sich die Forschungsinstitute ... weit ge- reitstellen. hend einig darüber, dass auch die ökonomische Bi- • Dieser Betrag ist vergleichsweise nicht besonders lanz für alle Beteiligten – mit unterschiedlichen Ak- hoch. Im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt der zenten – positiv ausfallen wird. Diese Argumente Europäischen Union sind es nur 0,5 Prozent. gelten in besonderer Weise für Deutschland ... Die mit- • Die Agrarausgaben für die zehn neuen Mitglied- tel- und osteuropäischen Länder haben seit 1999 mit staaten in Höhe von etwa 10 Milliarden Euro set- stark steigender Tendenz mehr zum deutschen Ex- zen sich folgendermaßen zusammen: Für Direkt- portvolumen beigetragen als der Handel mit den USA. zahlungen und Agrarmarktordnungen sind in den Die in der Öffentlichkeit stark diskutierten Kosten der drei Jahren 2004 bis 2006 4,8 Milliarden Euro vor- Erweiterung werden hingegen von der Mehrzahl der gesehen; für die Entwicklung des ländlichen Experten als beherrschbar angesehen. Insbesonde- Raums dagegen 5,1 Milliarden Euro. re setzt die von der EU einstimmig verabschiedete • Während in den vier ärmsten Ländern der bisheri- Ausgabenobergrenze von 1,27 Prozent des Bruttoin- gen EU (Spanien, Portugal, Griechenland und Ir- landsprodukts für Gesamtausgaben des EU-Haus- land) etwa 230 Euro an Regionalhilfe pro Kopf der halts dem finanziellen Spielraum der Ausgaben im Bevölkerung bezahlt werden, können die Neumit- Zuge der Erweiterung enge Grenzen. glieder je Einwohner nur mit etwa 150 Euro rechnen. Johannes Varwick: EU-Erweiterung: Stabilitätsexport oder • Polen bekommt von 2004 bis 2006 ungefähr 67 Instabilitätsimport?, in: Aus Politik und Zeitgeschichte Euro pro Jahr und Einwohner, Ungarn 49 Euro und B 1-2/2002, 4. Januar 2002, S. 27. die Tschechische Republik sogar nur 29 Euro. Zum Vergleich: Griechenland (Mitglied seit 1981) erhielt Fiskalisch fallen die gut vierzig Milliarden Euro, wel- im Jahr 2000 immer noch 437 Euro pro Kopf. che die Aufnahme der zehn neuen Mitgliedstaaten in • Im Schnitt kostet die Erweiterung jeden EU-Bürger den Jahren 2004 bis 2006 kosten soll, nicht beson- 25 Euro im Jahr. ders in Gewicht. Was sind vierzig Milliarden Euro, • Sachverständige rechnen damit, dass ab 2007 die wenn sich die Europäische Union anschickt, die Tei- Transferleistungen der EU in die zehn neuen Mit- lung des alten Kontinents zu überwinden? Allein die gliedstaaten etwa 15 bis 20 Milliarden Euro pro Subventionen für die Bauern in der heutigen Fünf- Jahr ausmachen werden. Da Deutschland etwa ein zehnergemeinschaft verschlingen in einem Jahr mehr Viertel des EU-Haushaltes aufzubringen hat, wird Geld als die gesamte Erweiterung bis 2006 kosten sich der deutsche Beitrag für die Osterweiterung soll, und die Anlaufkosten für das größer werdende auf vier bis fünf Milliarden Euro oder etwa 80 Euro Europa machen nicht einmal die Hälfte eines Jahres- pro Einwohner belaufen. etats für die heutige Gemeinschaft aus. Das ist wenig • In der Agenda 2000, welche die Finanzplanung der dafür, dass die EU zum weltweit größten Binnenmarkt Europäischen Union bis zum Jahr 2006 festlegt, mit beinahe 500 Millionen Menschen heranwachsen sind für die bisherige 15er-Gemeinschaft rund 600 kann und sich die heutigen Mitgliedstaaten neue Ab- Milliarden Euro eingeplant. Die armen Vettern aus satzmärkte erschließen. dem Osten dagegen müssen sich mit rund 80 Mil- Nach: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 14. Februar 2002 und liarden zufrieden geben. 16. Dezember 2002 (Helmut Bünder) C 56 Der Euro kommt später

C 28 Auf den Euro müssen die C 30 Der Fahrplan neuen EU-Staaten warten zum Euro Frühestens zwei Jahre nach dem EU-Beitritt könnte in den Beitritts- ländern auch der Euro eingeführt werden. Dass die Mehrzahl der zehn Voraussichtliche Termine für die neuen Mitgliedstaaten die europäische Währung haben will, daran Einführung der Einheitswährung gibt es … kaum Zweifel. Die Frage ist, ob sich die Beitrittsstaaten auch in den zehn Beitrittsländern so schnell für den Euro qualifizieren können und welche Folgen das für ihre Wirtschaft hätte … Vor allem bei den Staatsverschuldungen Mai 2004: sieht es in vielen Beitrittsstaaten noch schlecht aus. In Polen, Ungarn Estland, Lettland, Litauen, Malta, und Tschechien liegen die Haushaltsdefizite (2003) voraussichtlich Polen, Slowenien, Slowakei, bei fünf bis acht Prozent des Bruttoinlandsprodukts, weit oberhalb der Tschechien, Ungarn und Zypern erlaubten 3-Prozent-Grenze … Für den Eurobeitritt müssten die ost- treten der Europäischen Union europäischen Länder ihre Verschuldung deshalb spürbar zurückfah- bei. ren … Das aber hätte eine »rigorose Sparpolitik« zur Folge … Damit würde wiederum das Wachstum dieser Länder in den kommenden Spätsommer 2004: Jahren spürbar gebremst. Teilnahme am Europäischen Aber auch der Wechselkurs ist ein »kritische Größe« … Denn die Vor- Wechselkurssystem EWS II: gabe für den Eurobeitritt heißt: Erst wird ein bestimmter Wechselkurs Für jede nationale Währung wird etwa des Zloty zur europäischen Einheitswährung festgelegt, an- ein Wechselkurs gegenüber dem schließend dürfen die Schwankungen am Devisenmarkt zwei Jahre Euro festgelegt. Die Währungen lang nicht mehr als 15 Prozent nach oben und unten betragen … Wie dürfen in der Folge höchstens um schwierig das sein wird, zeigen die teils heftigen Schwankungen, de- 15 Prozent von dem Referenz- nen die Währungen Polens, Ungarns und Tschechiens in den ver- kurs abweichen. Bricht eine gangenen Jahren unterworfen waren. Währung aus, müssen nationale Die Schätzungen, wann die Beitrittsländer den Euro einführen wer- Notenbank und Europäische den, gehen denn auch weit auseinander. (Sie reichen vom Jahr 2006 Zentralbank (EZB) intervenieren. über fünf Jahre bis hin zum »Ende dieses Jahrzehnts«.) Dennoch werden die Osteuropäer damit schneller sein als die Briten … Für die Spätsommer 2006: Europäische Zentralbank würde ein Beitritt Großbritanniens zum Eu- Der Ecofin (Rat der europäischen rosystem eine wesentlich größere Herausforderung darstellen als alle Finanzminister) prüft, ob die zehn osteuropäischen Staaten zusammen. Denn die Wirtschaftskraft der neuen EU-Länder die Maastricht- neuen EU-Mitglieder beträgt insgesamt nur knapp zehn Prozent des Kriterien erfüllt haben. gesamten Bruttoinlandsprodukts der Eurozone. Und der Inflations- Voraussetzung zur Prüfung: durchschnitt im Euroraum wird laut Schätzungen durch diese Staa- zwei Jahre ohne Abwertung im ten um lediglich 0,1 Prozentpunkte nach oben steigen. Das ist zu we- EWS II. nig, um die Geld- und Zinspolitik der Eurohüter nachhaltig zu beein- Die Maastricht-Kriterien sind: flussen … 1. Die Inflationsrate darf den Stuttgarter Zeitung, 11. Juni 2003 (Holger Paul). Durchschnitt der drei nie- drigsten EU-Länder um nicht mehr als 1,5 Prozentpunkte überschreiten. C 29 Keine Gefahr für den Euro! 2. Die langfristigen Zinsen dür- Von der Osterweiterung der Europäischen Union gehen keine Ge- fen den Durchschnitt der drei fahren für den Euro aus. Im Gegenteil: Die Vergrößerung des niedrigsten EU-Länder um Währungsgebiets nach Osten wird den Euro stärken ... nicht mehr als 2 Prozent- punkte überschreiten. Erstens können die Beitrittskandidaten erst dann beitreten, wenn sie 3. Das Haushaltsdefizit darf die strikten Bedingungen für den Beitritt zur Währungsunion erfüllen, 3 Prozent des Bruttoinlands- und zweitens sind diese Länder ökonomisch betrachtet so klein, dass produkts nicht überschreiten. ihr Beitritt keine nennenswerten Auswirkungen auf Euroland hat ... Das Sozialprodukt der zehn Beitrittskandidaten ... macht zusam- Anfang 2007 mengenommen nur etwa sechs Prozent der Wirtschaftskraft der heu- Frühestmögliche Einführung des tigen Europäischen Währungsunion aus. Damit ist offensichtlich, dass Euro als Recheneinheit. diese Staaten keinen bestimmenden Einfluss auf die Wirtschaftsent- wicklung in Euroland ausüben werden. Ab 2008 Betrachtet man die umlaufende Geldmenge, wird der Unterschied Die neuen EU-Länder geben noch deutlicher: Die ... Geldmenge der Bewerberstaaten beträgt nur Euro-Scheine und -Münzen aus. etwa drei Prozent der Geldmenge der derzeitigen Europäischen Währungsunion. Die ZEIT, 12. Dezember 2002. Norbert Walter in: Das Parlament vom 12. Januar 2001, S. 13. B 30 Ausmaß und Bedeutung der Erweiterung

B 1 – B 26 Europa wird größer

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Der frühestmögliche Termin für Beginn von Beitrittsverhandlungen mit der Türkei ist der Juli 2005. Der Beginn ist abhängig von ei- ner Stellungnahme der Europäischen Kommission Ende des Jahres 2004. B Ausmaß und Bedeutung der Erweiterung 31

durch die Integration herstellen. Die Alternative wäre, B 3 Ein Ereignis von eine Zone der Unsicherheit östlich unserer Grenzen historischer Tragweite zuzulassen. Mit Blick auf die Interessen unseres Lan- des wäre das die fälscheste Politik, die man sich vor- stellen kann. Heute werden wir ... die Verträge über die Erweiterung (Das Parlament vom 24./31. Dezember 1999) der Europäischen Union unterzeichnen ... Wir schließen uns damit zu einer demokratischen Union mit 25 Mitgliedstaaten zusammen ... Die Europäische Jean-Claude Juncker, Ministerpräsident von Lu- Union überwindet mit diesem Schritt endgültig die xemburg: Spaltung des europäischen Kontinents in Ost und Das enorme Wohlstandsgefälle ist eine Bedrohung für West, die politische Teilung seiner Staaten und die Frieden und Sicherheit ... Wer Konflikte ... vermeiden schmerzvolle Trennung seiner Völker, wie sie als Fol- will, muss einsehen, dass es keine Alternative zur ge des Zweiten Weltkrieges entstanden sind ... Osterweiterung der EU gibt. Es geht darum eine »Zeit- bombe« zu entschärfen. Die Einigung Europas ist eine Erfolgsgeschichte. Die- (Die Welt vom 13. März 1998) se schreiben wir mit der Erweiterung fort und begin- nen zugleich ein neues Kapitel. Denn die jetzige Er- Alexander Kwasniewski, polnischer Staatspräsi- weiterung der Europäischen Union eröffnet eine neue dent: historische Dimension für die gemeinsame Zukunft: 25 Staaten mit nahezu 450 Millionen Bürgerinnen und Für uns heißt die EU vor allem, dass wir die Lebens- Bürgern schließen sich zu einer politischen Einheit und Wirtschaftsbedingungen im eigenen Land end- und zu einem der weltweit größten Wirtschaftsräume lich verbessern können. zusammen. Damit ... vollenden wir einen politischen (Der Spiegel vom 2. Juli 2001) Prozess, der bereits in den Gründungsverträgen von Rom angelegt war und der mit dem Fall des Eisernen Václav Havel, ehemaliger tschechischer Staatsprä- Vorhanges 1989 Realität wurde ... Die Erweiterung ist sident: die logische Folge der friedlichen Revolution von 1989 Die einzig sinnvolle Aufgabe für Europa ... besteht dar- und der gemeinsamen Anstrengungen um ein ver- in, sein »besseres Selbst« zu sein, das heißt, seine bessertes Verhältnis in Europa. Sie setzt im Verhält- besten geistigen Traditionen ins Leben zurückzurufen nis zu den mittel- und osteuropäischen Ländern die und dadurch auf eine schöpferische Weise eine neue Versöhnung der Völker fort, die in den westeuropäi- Art des globalen Zusammenlebens mitzugestalten. schen Ländern vor 50 Jahren begonnen hat. (Stuttgarter Zeitung vom 27. April 2003) »Für ein gemeinsames Europa« – Auszug aus der gemeinsa- men Erklärung von Bundeskanzler Gerhard Schröder, dem schwedischen Ministerpräsidenten Göran Persson und dem ungarischen Ministerpräsidenten Péter Medgyessy vom 15. April 2003.

B 5 Rückkehr nach Europa

Es sind nicht nur die durch die Europäische Union for- B 4 Prominente Stimmen zur mulierten Bedingungen nach Demokratie und Rechts- Erweiterung der EU staatlichkeit oder der alleinige Glaube an wirtschaftli- che Vorteile der Westöffnung, die in Mittelosteuropa den Wunsch nach Integration laut werden lassen. Es Wolfgang Schäuble MdB (CDU), ehemaliger Partei- ist ebenso das Verlangen, die durch die sowjetsozia- vorsitzender der CDU: listische Einflussnahme durchtrennten historischen Die Einigung Europas ist das wertvollste Erbe der westeuropäischen Wurzeln wiederzubeleben. So hat zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Dabei ist klar: beispielsweise Estland enge geschichtliche Bezie- Die neuen Mitglieder in der Europäischen Union wer- hungen nach Finnland und Schweden, Polen ent- den nicht erst jetzt Europäer, sie sind es immer ge- wickelte seit dem 16. Jahrhundert politische und kul- wesen. Europa erweitert sich nicht, sondern Europa turelle West-Bindungen. Es ist also nicht weiter überwindet seine Teilung. erstaunlich, wenn diese Länder die Beitrittsverhand- lungen als historisch einmalige Chance zur Rückkehr (Das Parlament vom 14./21. Juli 2003) nach Europa sehen.

Bundesaußenminister Joschka Fischer: Jürgen Boeckh: Wohin treibt Osteuropa?, in: Benjamin Benz Europa wird nach dem Ende des Kalten Krieges nur u.a.: Sozialraum Europa. Opladen (Leske + Budrich) 2000, eine Sicherheit haben. Diese Sicherheit müssen wir S. 180f. B 32 Ausmaß und Bedeutung der Erweiterung

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B 7 Ein Fest zum EU-Beitritt B 8 Polnische Zeitungen zum Beitritt Polens zur EU

ZYCIE WARSZAWY: Wir sind in Europa. Dem Ver- einten Europa. Auch wenn es banal klingen mag – dies ist ein großer Tag für Polen. Dies ist die Krönung der Bemühungen vieler Generationen von Polen, die ihr Heimatland in der Familie freier, demokratischer und reicher Nationen sahen. Wir sind in den exklusi- ven Schnellzug eingestiegen, in den Waggon erster Klasse. RZECPOSPOLITA: Wir haben Ja zur Europäischen Union gesagt. Wir haben bestätigt, dass wir mit glei- chen Rechten an der Schaffung eines gemeinsamen Europas teilhaben wollen, von dem uns die Ge- schichte für viele Jahrzehnte abgeschnitten hat. Wir haben die wichtigste Entscheidung seit den ersten freien Wahlen Polens nach der demokratischen Wen- de im Juni 1989 getroffen. Von uns hängt es ab, was wir mit dieser Zukunft machen ... Von ... den Eigen- schaften, die es uns erlaubten, die Nacht des Kom- munismus zu durchbrechen und den Bau eines un- abhängigen Polens zu beginnen. Die Mitgliedschaft in der Union soll die Erfüllung und Krönung dieses Baus sein.

Süddeutsche Zeitung vom 10. Juni 2003 (Blick in die Presse).

In Vilnius/Litauen feiert die Bevölkerung im Mai 2003 das deutliche Ja der Bevölkerung zum EU-Beitritt. Foto: Petras Malukas/afp B Der Erweiterungsprozess 33

B 9 Die »Kopenhagen-Kriterien«

»Acquis «

»Acquis «

Auf seinem Gipfel 1993 in Kopenhagen hat der Eu- Er rief die Kandidatenstaaten dazu auf, offenste- ropäische Rat Bedingungen für den Beitritt weiterer hende Grenzstreitigkeiten vor ihrem Beitritt beizule- Kandidaten zur EU genannt. Man nennt diese Bedin- gen. gungen die »Kopenhagen-Kriterien«. Die Erfüllung der politischen Beitrittskriterien war die Beim Europäischen Rat 1995 in Madrid wurde er- Voraussetzung für die Aufnahme von Beitrittsver- gänzend festgelegt, dass der Verwaltungs- und Jus- handlungen. Die wirtschaftlichen Kriterien mussten tizapparat in jedem Beitrittsland so geordnet sein bis zum Abschluss der Verhandlungen erfüllt sein. muss, dass er in der Lage ist, das EU-Recht auf na- Das Kriterium der vollen Übernahme des Besitzstan- tionaler Ebene jederzeit angemessen umzusetzen. des (»Gemeinschaftskriterium«) konnte von den Kan- 1999 fügte der Europäische Rat in Helsinki hinzu, didatenländern bis zum Beitritt nur eingeschränkt er- dass die Beitrittsländer die im Vertragswerk nieder- füllt werden. Deshalb war eine große Zahl von gelegten Werte und Ziele der EU teilen müssen. Übergangsregelungen erforderlich.

B 10 »Acquis Communautaire«

»Acquis Communautaire« ist Europajargon für den Konkret bedeutet das zum Beispiel: rechtlichen gemeinschaftlichen Besitzstand der Eu- ropäischen Union. Der Acquis entwickelt sich ständig Zu den vier Elementen des Gemeinsamen Europäi- weiter und umfasst den Inhalt, die Grundsätze und die schen Binnenmarkts gehört neben den freien Kapital, politischen Ziele der Verträge, die in Anwendung der Waren- und Dienstleistungsverkehr das Recht aller Verträge erlassenen Rechtsvorschriften und Rechts- Unionsbürger, sich im gesamten Gebiet der Union frei akte sowie die im Rahmen der Union angenomme- zu bewegen und aufzuhalten, sowie das Recht, in al- nen Erklärungen und Entschließungen. Dabei handelt len EU-Staaten wie ein Inländer behandelt zu werden. es sich um rund 14.000 Rechtsakte auf mehr als Für die Beitrittsländer bedeutet dies, dass sie alle Be- 80.000 Seiten. schränkungen der Einreise, des Aufenthalts, der Nie- derlassung und der Beschäftigung für Angehörige der Für die Zwecke der Beitrittsverhandlungen wurde der 15 EU-Staaten abbauen müssen. Acquis in 31 Kapitel aufgeteilt, z.B.: Die Kommission der Europäischen Union unterstützt • Freier Warenverkehr die Beitrittsländer im »Heranführungsprozess« bei der • Freizügigkeit Schaffung der erforderlichen gesetzlichen Vorausset- • Freier Dienstleistungsverkehr zungen und der Einrichtung entsprechender Behör- den und Ämter. Sie überwacht darüber hinaus die un- • Wettbewerbspolitik eingeschränkte Durchsetzung des Freizügigkeits- • Landwirtschaftspolitik, usw. ... gebots nach dem Beitritt in die Gemeinschaft. B 34 Der Erweiterungsprozess

B 11 Die EU-Erweiterung in der Karikatur

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Zeichnungen 1 und 2: Mohr, Zeichnungen 3 und 4: Mester, Zeichnung 5: Thomas Plaßmann B Der Erweiterungsprozess 35

Runde. Manche Sprachkom- B 12 Am Rande notiert binationen wie beispielswei- se Finnisch-Tschechisch werden sich wohl nicht direkt übersetzen lassen; es muss dann eine so genannte »Brückensprache« wie Eng- lisch oder Deutsch dazwi- schengeschaltet werden, die dann weiter übersetzt wird. 5. Für den Haarschnitt, der in Kiel 15 Euro kostet, verlangt ein Frisör im polnischen Po- sen umgerechnet nur 2,50 Euro. Es wäre jedoch nicht korrekt zu behaupten, dass der Haarschnitt in Posen nur ein Sechstel des Haar- schnitts in Deutschland wert ist. 6. Polnische Nilpferde dürfen sich freuen, denn die polni- schen Zoogehege für Wild- katzen, Nilpferde und Schim- Gruppenfoto auf dem EU-Gipfel in Kopenhagen im Dezember 2002. pansen erfüllen die EU- Foto: Europäische Kommission Auflagen für die Haltung von wilden Tieren nicht. Nach Po- lens Beitritt zur EU bleibt den dortigen Zoos noch eine Frist 1. Der Athener Erweiterungsgipfel am 16. April 2003 von zwei Jahren, um etwaige Beanstandungen ließ ahnen, welche Größenordnung auf die EU jetzt europäischer Zoodirektoren an der artgerechten zukommt. Fast eine ganze Stunde lang dauerte Tierhaltung zu beheben. das Händeschütteln. Um den Festakt nicht aus- ufern zu lassen, war vereinbart worden, dass jeder 7. In den für die Erweiterung entscheidenden Jah- der 25 Regierungschefs vor seiner Unterschrift un- ren 2000 bis 2002 waren rund 350 Beamte der ter die in 20 Sprachen abgefassten Beitrittsverträ- Europäischen Kommission und über 700 Mitar- ge nur eine kurze Rede halten sollte. Trotzdem beiter der Außenstellen der Kommission in den dauerte die Zeremonie fast vier Stunden. Beitrittsländern mit den Verhandlungen über die Aufnahme der neuen Mitglieder in die Europäi- 2. Beim Festakt in Athen blieben die Stühle der sche Union befasst. ebenfalls geladenen türkischen Regierungsver- 8. Die holländische Volkswirtschaft ist größer als die treter leer. Sie wollten damit gegen die Aufnahme aller Beitrittskandidaten zusammen. Zyperns in die EU protestieren, nachdem die Tür- kei seit Jahren vergeblich versucht hatte, die Auf- 9. In Polen verdient ein Arbeiter rund ein Zehntel nahme der Insel, deren Nordteil sie militärisch be- dessen, was ein Arbeiter in Deutschland be- setzt hält, zu verhindern. kommt, in Rumänien sogar nur ein Zwanzigstel. 3. Deutschland rückt nach der Aufnahme von zehn 10. Der am 16. April 2003 unterzeichnete Beitritts- neuen Mitgliedstaaten in die EU nicht nur geo- vertrag zwischen der EU und den zehn ost- und grafisch in die Mitte der Gemeinschaft. In den mit- mitteleuropäischen Ländern ist ein Dokument, tel- und osteuropäischen Beitrittsländern spre- das über 5.000 Seiten umfasst. chen auch mehr Leute Deutsch als Französisch. Dies ist auch mit ein Grund, weshalb sich Frank- 11. Im Kleinstädtchen Löcknitz in Mecklenburg-Vor- reich für die osteuropäischen Länder Bulgarien pommern weiß man schon heute, dass die eu- und Rumänien stark macht: Sofia und Bukarest ropäische Zukunft nicht unbedingt in Rostock oder gelten als frankophil. Ihre Aufnahme soll die wach- Schwerin liegt, sondern im zwanzig Kilometer ent- sende »Deutsch-Lastigkeit« der Union entgegen- fernten polnischen Stettin. Warum nicht in Stettin steuern. einmal als Arzt oder Architekt arbeiten? Die Hälf- te der Schüler des Gymnasiums in Löcknitz hat 4. Das Europaparlament bereitet sich auf künftig 19 sich diese Frage bereits beantwortet und als zwei- Amtssprachen statt bisher elf vor. Das Wort vom te Fremdsprache nicht Französisch, sondern Pol- Babel mit verwirrend vielen Idiomen macht die nisch gewählt. B 36 Der Erweiterungsprozess

spiel die französische Regierung auf die Barrikaden B 13 Droht eine neue babyloni- ginge: Französisch muss gleichwertig gepflegt wer- sche Sprachverwirrung? den, verlangt Paris. Französisch als Verwaltungs- sprache, das sei Europa seiner kulturellen Eigen- ständigkeit einfach schuldig. Die Frage, wie viel der EU die Verständigung unter- Also Englisch und Französisch nebeneinander. Bei einander künftig wert ist, wird immer brennender. der NATO funktioniert das ganz gut, bei der EU nicht. Schon heute arbeiten rund ein Viertel aller EU-Ange- Denn so viel Diskriminierung kann die deutsche Bun- stellten in Brüssel als Dolmetscher für die Entwirrung desregierung nicht hinnehmen. »Deutsch ist die bei Babylons. Nach der Erweiterung kommen zu den elf weitem meist gesprochene Sprache in der EU«, sagt Amtsprachen mindestens zehn weitere hinzu, was Kanzler Gerhard Schröder. Doch ... Deutsch als EU- sich dann zu 420 Sprachkombinationen summiert, Idiom wollen die Spanier nur akzeptieren, wenn Spa- von Estnisch-Dänisch bis Tschechisch-Ungarisch. Bis nisch, immerhin Weltsprache, bei allen Sitzungen, jetzt sind es nur 110.Tausende neuer Mitarbeiter müs- Konferenzen, Presseterminen auch übersetzt wird. sen ... eingestellt werden, unzählige Konferenzräume Sofort tritt Italien auf den Plan, bevölkerungsmäßig mit über 20 Dolmetscherkabinen müssen gebaut wer- eineinhalbmal so groß wie Spanien. Dass im Gefolge den ... die Niederländer, die Griechen, die Portugiesen, die Dänen und die Finnen auf eigenen Dolmetschern be- Die heikle Frage, ob man wirklich alle Sprachen zu je- stehen, versteht sich von selbst ...Von den neuen Mit- der Zeit und überall braucht, ist auf dem Tisch. Bei den gliedsländern bringen zehn ihre eigene Sprache mit 20.000 Brüsseler Beamten und in vielen Sitzungen ... Vorsorglich haben auch Malta und Zypern schon der Kommission hat sich Englisch längst durchge- Ansprüche angemeldet ... setzt. Nur festschreiben oder gar für alle Konferenzen verbindlich machen kann man das nicht, weil zum Bei- Die WOCHE, 1. Februar 2002 (Alois Berger).

B 14 Der lange Weg zur EU der 25

Dezember 1991 »Europaabkommen« (Assoziierungsabkommen) zwischen der EU, Polen und Ungarn; wirtschaftliche Zusammenar- beit, Errichtung von Zollunionen, Heranführung an die EU (weitere Assoziierungsabkommen bestehen bereits seit 1962 mit der Türkei, seit 1971 mit Malta und seit 1973 mit Zypern). Dezember 1992 »Europaabkommen« mit Bulgarien. Februar 1993 »Europaabkommen« mit Rumänien. Juni 1993 Verabschiedung der »Kopenhagener (Beitritts-)Kriterien«. Oktober 1993 »Europaabkommen« mit Tschechien und der Slowakei. April 1994 Erste EU-Beitrittsanträge osteuropäischer Länder: Ungarn und Polen. Januar 1995 EU-Beitritt Finnlands, Österreichs und Schwedens. Februar 1998 »Europaabkommen« mit Estland, Lettland und Litauen. März 1998 Aufnahme der Beitrittsverhandlungen mit den sechs Beitrittskandidaten Estland, Polen, Slowenien, Tschechien, Ungarn und Zypern. November 1998 Erste »regelmäßige Berichte« der EU-Kommision über die Situation in den Beitrittsländern. Februar 1999 »Europaabkommen« mit Slowenien. Februar 2000 Beginn der Beitrittsverhandlungen mit weiteren Staaten: Lettland, Litauen, Bulgarien, Rumänien, Slowakei, Malta und Zypern. Dezember 2000 Gipfelkonferenz der europäischen Staats- und Regierungschefs in Nizza: Im Vertrag von Nizza wird die Neuordnung der Institutionen und der Stimmmenverhältnisse im Ministerrat der EU beschlossen. Der Gipfel verabschiedet ein »Strategiepapier zur Erweiterung«. März 2001 Erklärung der Beitrittspartnerschaft der Türkei durch die Staats- und Regierungschefs der EU. Oktober 2002 Vorlage der »Fortschrittsberichte« durch die EU-Kommission. Zehn Beitrittskandidaten werden als »beitrittsreif« be- urteilt. Dezember 2002 Europäischer Gipfel in Kopenhagen: Abschluss der Beitrittsverhandlungen. Beschluss des Europäischen Rats über die Aufnahme von zehn Beitrittskandidaten. März bis Volksabstimmungen in den Beitrittsländern (mit Ausnahme Zyperns). November 2003 April 2003 Feierliche Unterzeichnung der Beitrittsakte durch die Staats- und Regierungschefs der EU und der Beitrittsländer in Athen. 1. Mai 2004 Vollzug des Beitritts der zehn neuen Mitgliedstaaten. Juni 2004 Beteiligung der Bevölkerungen der neuen Mitgliedstaaten an den Wahlen zum Europäischen Parlament. November 2004 Amtsantritt der neuen Europäischen Kommission. B Wesen und Ziele der Europäischen Union 37

Rechnungshof. Die Regierungen sind an B 15 den Beschlüssen durch ihre zuständigen Minister im Rat der Europäischen Union beteiligt. • In anderen Politikbereichen arbeiten die Regierungen eng zusammen und be- schließen Wichtiges gemeinsam, ansons- ten aber entscheiden sie nach wie vor al- lein, verfolgen dabei aber gemeinsame Ziele und stimmen ihr Handeln weit ge- hend aufeinander ab. • In allen übrigen Bereichen der Politik ent- scheidet jeder Staat weiterhin allein, nimmt dabei jedoch auf die Interessen der anderen Mitgliedstaaten Rücksicht.

Presse- und Informationsamt der Bundesregie- rung (Hrsg.): Europa 2002. Berlin 2000, S. 22f.

B 16 Die EU – ein Staatenverbund? Auch wenn der Begriff der Europäischen Union ein schillernder ist, lassen sich doch gewisse Gemeinsamkeiten herauskristalli- sieren. Einigkeit besteht darüber, dass es sich bei der Politischen Union um ein föde- ratives System handeln soll, d.h. dass ein stärker zentralistisch ausgerichtetes Sys- tem auf europäischer Ebene aufgrund der kulturellen und sozialen Besonderheiten der europäischen Nationalstaaten kaum realisierbar erscheint. So sollte in einer eu- ropäischen Union die staatliche Gewalt auf verschiedene Regierungsebenen verteilt Stand: Anfang 2004 © Globus Infografik GmbH sein, das Subsidiaritätsprinzip angewendet werden, der Entscheidungsprozess auf mehreren Ebenen, zumindest der europäi- Die Europäische Union ist kein Staat. Deshalb ist in schen und der nationalstaatlichen, erfolgen und Kom- der Union vieles anders als in ihren Mitgliedstaaten. petenzstreitigkeiten zwischen den Organen durch ei- Sie hat keine Hauptstadt und keine Regierung, und nen europäischen Gerichtshof entschieden werden ... doch haben 166 Staaten der Welt diplomatische Be- ziehungen zu ihr. Sie erlässt Gesetze und hat ein Par- Rechtlich gesehen handelt es sich bei der Union lament, das alle fünf Jahre direkt von den Völkern der zunächst um einen Verfassungsverbund ... Mit dem EU gewählt wird. Sie erhebt keine Steuern, stellt aber Maastrichter Vertrag (1992) und mit dem Amsterda- einen Milliardenhaushalt auf. Ihre Mitgliedstaaten sind mer Vertrag (1997) sind Entwicklungen eingeleitet enger miteinander verbunden als in jedem anderen worden, durch die die Union gerade in der Währungs- Bündnis von Staaten dieser Welt. Was also ist das für politik sowie in der Justizpolitik wichtige Kompeten- ein Gebilde, die Europäische Union? zen erhält ... Die Europäische Union ist damit zu ei- Die Europäische Union ... ist ein Verbund von 15 Staa- ner Organisation der umfassenden Regulierung und ten (ab Mai 2004 von 25 Staaten), die miteinander Koordination geworden ... Nun könnte man meinen, vertraglich vereinbart haben: dass die Kompetenzen auf die ökonomischen Aspek- te begrenzt seien. Doch die Union besitzt Kompeten- • Die Regierungen aller Mitgliedstaaten handeln in ei- zen auch in Bezug auf zentrale Gebiete klassischer nigen Politikbereichen gemeinschaftlich, fassen also Staatsaufgaben: Gerechtigkeit, Sicherheit und direk- Beschlüsse gemeinsam, die für alle so verbindlich te Regelung der Zugehörigkeit. sind, als wären es ihre eigenen Gesetze. • Dafür wurden gemeinsame »europäische« Organe Wichard Woyke, Die Agenda der Europäischen Union zu Be- geschaffen: eine Kommission, die Vorschläge für alle ginn des 21. Jahrhunderts, in: Wilfried Loth (Hrsg.): Das eu- Beschlüsse macht, ein Parlament, das an den Be- ropäische Projekt zu Beginn des 21. Jahrhunderts. Opladen schlussfassungen beteiligt ist, ein Gerichtshof, ein (Leske + Budrich) 2001, S. 21. B 38 Wesen und Ziele der Europäischen Union / Eine Verfassung für Europa

B 17 Das Kind braucht B 18 Karikaturen einen Namen

Die passende Bezeichnung für die EU kann lauten:

geeignet ungeeignet

teils bundesstaatlicher Zweckverband Staatenbund supranationales Entscheidungssystem Staatenverbund zwischenstaatliche Organisation politisches System im Zeichnung: Mester Werden Rechtsgemeinschaft

föderaler Zusammenschluss überstaatliche politische Ordnung Staatengemeinschaft verfassungsrechtliche Mischform internationale Organisation

Bundesstaat

Staat im Werden

Zeichnung: Mester

B 19 Bisherige Stationen der Europäischen Verfassung

Handelsblatt, 15. Dezember 2003. B Eine Verfassung für Europa 39

Der Vorsitz im Verfassungskonvent wurde B 20 Auf dem Weg zu einer Verfassung dem ehemaligen französischen Staatspräsi- der Europäischen Union denten Giscard d’Estaing übertragen. Die Beratungen dauerten vom März 2002 bis zum Juli 2003. Obgleich die Positionen der Mitglieder des Konvents sehr unterschiedlich waren, gelang es diesem, einen »Entwurf über eine Verfassung für Europa« – ein rund 350 Artikel umfassendes Dokument – vorzu- legen, der die ursprünglich auf diese Ver- sammlung gesetzten Erwartungen weit über- traf: »Die größte Leistung des Konvents besteht sicherlich darin, den Regierungen der Mitgliedstaaten nicht einen Text mit zahl- reichen Optionen, sondern einen einheitli- chen Verfassungstext übergeben zu haben. Der geplanten Regierungskonferenz wird es somit zumindest schwer gemacht, den Ver- fassungsentwurf auseinander zu nehmen und neu zu verhandeln« (Wolfgang Wagner).

Auf ihrem Gipfeltreffen in Thessaloniki im Juli 2002 bewerteten die Staats- und Regie- rungschefs der EU den Verfassungsentwurf als eine »gute Ausgangsbasis für die Regie- Nachdem die Regierungskonferenzen von Amster- rungsverhandlungen«. Die ursprüngliche Absicht, die dam (1998) und Nizza (2002) nur zu wenig überzeu- neue EU-Verfassung bereits am Ende des Jahres genden Entscheidungen hinsichtlich der konstitutio- 2003 zu verabschieden, konnte jedoch nicht verwirk- nellen Gestaltung der EU geführt hatten, beschlossen licht werden. Eine große Zahl von Änderungsvor- die Staats- und Regierungschefs der EU bei ihrem schlägen, darunter vor allem die Kritik Polens und Gipfeltreffen im Dezember 2001 im belgischen Lae- Spaniens an den vom Konvent vorgelegten Modalitä- ken, einen völlig neuen Weg zu beschreiten: Sie rie- ten für die künftigen Abstimmungen im EU-Minister- fen einen »Konvent zur Zukunft Europas« ein, dem rat (»doppelte Mehrheit«), machten einen Strich durch nicht nur Vertreter der Regierungen der EU-Mitglied- den Zeitplan. staaten angehören sollten, wie dies bisher bei Ver- tragsänderungen üblich war, sondern der in seiner Mehrzahl aus Mitgliedern der nationalen Parlamente und des Europäischen Parlaments zusammengesetzt wurde. An dem Konvent nahmen – ohne Stimmrecht B 21 Die Vorschläge des – außerdem Regierungsvertreter und Parlamentarier aus den Kandidatenländern Mittel- und Osteuropas Verfassungskonvents teil. Vertreter der deutschen Bundesländer im Ver- fassungskonvent war der baden-württembergische • Zusammenführung der bisherigen Verträge (EG- Ministerpräsident Erwin Teufel. Vertrag, EU-Vertrag, Vertrag von Amsterdam, Ver- Wenn die Erklärung von Laeken auch betonte, dass trag von Nizza) in einem Gesamtdokument dieser Konvent nicht die eigentliche Regierungskonfe- • Schaffung eines »Führungs-Dreigestirns« für die renz ersetzen kann, so sah man doch in einer solchen EU Einrichtung eine Chance, umfassende und öffentlich • eindeutige Abgrenzung der Kompetenzen zwi- diskutierte Konzepte für die zukünftige Ausgestaltung schen regionalen, nationalen und europäischen der EU zu erarbeiten. Die Staats- und Regierungschefs Organen übertrugen dem Konvent folgende Aufgaben: • Überführung weiter Teile der Innen- und Justiz- • eindeutige Abgrenzung der Zuständigkeiten der politik in den Bereich der Mehrheitsentscheidun- EU, der Mitgliedstaaten und ihrer Regionen gen (bisher: Einstimmigkeit) • Anpassung der Institutionen an die Herausforde- • Betonung der sozialpolitischen Verantwortung der rungen der erweiterten Gemeinschaft EU • Verbesserung der Transparenz der Entschei- • Trennung der Gesetzgebungs- und der Exekutiv- dungsprozesse und der Effizienz der Arbeit auf funktion des Ministerrats der europäischen Ebene • Einführung der qualifizierten Mehrheit im Minis- • Ausarbeitung von Vorschlägen zur Gestaltung ei- terrat als Regelverfahren statt des bisher häufig ner Verfassung für die europäischen Bürgerinnen geltenden Vetorechts jedes einzelnen Mitglied- und Bürger. staates (Ausnahmen: Außen-, Sicherheits- und B 40 Eine Verfassung für Europa

Bundesrat zu vertreten, um mich auf diese Weise bei der Erarbeitung einer europäi- schen Verfassung für die Belange der deut- schen Länder und der regionalen und loka- len Einheiten in Europa einzusetzen. Bei meiner Arbeit im EU-Konvent habe ich mich stets von dem Gedanken leiten lassen, dass die Gemeinden und Regionen Europas in der Zukunft im europäischen Gefüge die Berück- sichtigung finden müssen, die ihrer Bedeu- tung im Leben der Bürgerinnen und Bürger entspricht. Ein wirkliches Europa der Bürger setzt nach dem so genannten Subsidiaritäts- grundsatz Befugnisse der Regionen und Kommunen zur Lösung derjenigen Probleme voraus, die vor Ort am besten gelöst werden können. Die EU muss demzufolge von unten nach oben aufgebaut sein, beginnend auf der Ebene der kommunalen Selbstverwaltung. Denn es sind die Städte und Gemeinden, die Regionen und die Mitgliedstaaten, die für das tägliche Leben der Bürger entscheidend sind. Es liegt auf der Hand, dass sich dieser sub- sidiäre Aufbau der Union auch in der Verfas- sung widerspiegeln muss. Es war für mich Verteidigungspolitik sowie Steuerpolitik und Han- während des gesamten Konventsprozesses daher delspolitik) auch ein zentrales Anliegen, die Kompetenzen der Union und der Mitgliedstaaten klar voneinander abzu- • Mehr Mitbestimmungsrechte des Europa-Parla- grenzen und die Achtung der regionalen und kommu- ments bei der Gesetzgebung (Mitentscheidungs- nalen Ebene im Verfassungsvertrag zu verankern … verfahren als Regelverfahren) Aus Sicht der deutschen Länder und der regionalen • Wahl des Kommissionspräsidenten durch das Eu- und lokalen Gebietskörperschaften in Europa sind we- ropäische Parlament (auf Vorschlag des Europäi- sentliche Anliegen, insbesondere deutliche Verbesse- schen Rats) rungen bei der Kompetenzabgrenzung und eine Stär- • Verkleinerung der EU-Kommission vom Jahr 2009 kung des Subsidiaritätsprinzips, erreicht worden: an auf 15 Kommissare (bisher 20; bzw. nach der Erweiterung 33) und 10 »beigeordnete Kommis- Eine wesentliche Neuerung ist das so genannte sare« ohne Stimmrecht Frühwarnsystem. Dieser Mechanismus sieht vor, dass die nationalen Parlamente bzw. ihre beiden Kammern, • Einführung eines Klagerechts nationaler Parla- in Deutschland also Bundestag und Bundesrat, früh- mente gegen EU-Entscheidungen zeitig über Gesetzesvorschläge der Kommission in- • Möglichkeit einer »engeren« (verstärkten) Zu- formiert werden und sie dazu Stellung nehmen kön- sammenarbeit in der Sicherheits- und Verteidi- nen. Erhebt mehr als ein Drittel der nationalen gungspolitik derjenigen Mitgliedstaten, die dazu Parlamente Einspruch, weil sie das Subsidiaritäts- bereit sind prinzip verletzt sehen, muss die Kommission nach- • Vorbereitung zukünftiger Verfassungsänderungen bessern, d.h. ihren Vorschlag zurückziehen oder zu- durch weitere Konvente (auf Antrag des Europäi- mindest begründen, warum sie daran festhält. Dies schen Parlaments) bedeutet für die deutschen Länder, dass sie über den • Möglichkeit des Austritts eines Landes aus der EU Bundesrat direkt in den Gesetzgebungsprozess ein- gebunden sind und sich entsprechendes Gehör ver- schaffen können. Das Frühwarnsystem wird durch ein Klagerecht der B 22 Erwin Teufel zum Vorschlag nationalen Parlamente bzw. ihrer Kammern gegen die des Verfassungskonvents Verletzung des Subsidiaritätsprinzips ergänzt. Da- durch wird die Möglichkeit eröffnet, dass die deut- Frage an den Ministerpräsidenten des Landes Baden- schen Länder über den Bundesrat Klage vor dem Eu- Württemberg, Dr. h.c. Erwin Teufel (CDU): Wie muss ropäischen Gerichtshof erheben können. Durch das zukünftige Europa aussehen, um den Interessen innerstaatliche Regelungen kann darüber hinaus be- der Regionen gerecht zu werden? werkstelligt werden, dass eine Klageerhebung des Bundesrates auch aufgrund eines Antrags eines ein- … Ich (habe) im Februar 2002 gerne die Aufgabe zelnen Landes erfolgt. Dies bedeutet für den deut- übernommen, im Konvent zur Zukunft Europas den schen Föderalismus eine wesentliche Stärkung … B Eine Verfassung für Europa 41

Ein wichtiger Erfolg für die Länder ist auch die Fest- – Deutschland hat die Forderung durchgesetzt, dass legung von drei Kompetenzkategorien. Neben den die Regierungen der Mitgliedstaaten darüber ent- ausschließlichen Zuständigkeiten der Union, die nur scheiden können, wie viele Bürger aus Ländern wenige Bereiche umfassen, stehen die zwischen der außerhalb der EU in das jeweilige Land einreisen Union und den Mitgliedstaaten geteilten Zuständig- und dort Arbeit suchen dürfen. Damit wurde ver- keiten sowie die Bereiche, in denen die Union ledig- hindert, dass das Asylrecht europäischen Mehr- lich unterstützend tätig wird, die im Grundsatz aber heitsentscheidungen unterworfen wird. den Mitgliedstaaten vorbehalten bleiben. Auf diese – Die Notenbanken verlangen eine bessere Veran- Weise wird eine klare Zuordnung der Kompetenzen kerung des Euro-Stabilitätspakts und der Unab- auf die verschiedenen Ebenen erreicht. hängigkeit der Europäischen Zentralbank und der Erstmals wird in einem Vertragsdokument die regio- einzelstaatlichen Notenbanken in der Verfassung. nale und kommunale Ebene als Bestandteil der Uni- – Die Beitrittsländer Polen und Spanien sowie unter on gewürdigt. Dieser Durchbruch entspricht einer den deutschen Parteien die CDU und die CSU for- langjährigen Forderung der Regionen und Kommu- dern einen Gottesbezug in der Präambel der Uni- nen. Ein wichtiger Erfolg für die Länder ist ferner, dass onsverfassung. im Ministerrat in der Zukunft die Möglichkeit einer Ver- tretung durch regionale Minister besteht, wenn dort Themen behandelt werden, die in ausschließliche Länderzuständigkeiten fallen. Der Ausschuss der Regionen hat eine Stärkung erfahren. Ein Klagerecht B 24 Anspruch und Wirklichkeit zur Wahrung seiner Rechte und gegen die Verletzung des Subsidiaritätsprinzips sichert ihm einen wirksa- men Rechtsschutz vor dem Europäischen Gerichts- hof. Auch wenn in dem Verfassungsentwurf nicht alle For- derungen der Länder und der regionalen Ebene Berücksichtigung gefunden haben, ist er ein wichtiger und großer Schritt auf dem Weg zu einem Europa der Regionen, das diesen Namen auch verdient.

Aus: Baden-Württemberg. Eine kleine politische Landeskun- de, hrsg. von der Landeszentrale für politische Bildung Baden- Württemberg, 5. Aufl., Stuttgart 2003, S. 107.

B 23 Kritik am Verfassungsentwurf

Während Deutschland, Frankreich und Italien den Vorschlag des Verfassungskonvents möglichst nicht mehr abändern wollen, verlangt die Mehrheit der EU- Mitgliedstaaten und der Kandidatenländer, dass das Konvent-Paket wieder aufgeschnürt werden soll: – Die kleineren Länder fordern, dass jeder Staat ei- nen Kommissar in die Europäische Kommission entsendet. Dieser Vorschlag wird auch vom Kom- missionspräsidenten Romano Prodi unterstützt. – Spanien und Polen verlangen, dass das dreistufi- ge Abstimmungsverfahren, das in Nizza vereinbart worden ist, nicht durch die »doppelte Mehrheit« er- setzt werden soll. – Dänemark, Österreich und andere Mitgliedstaaten wollen die Macht des Ratspräsidenten zugunsten der Kommission beschränken. – Tschechien und andere ziehen das bisherige Ro- tationsprinzip im EU-Vorsitz der Schaffung eines Präsidenten mit längerer Amtszeit und größeren Vollmachten vor. – Großbritannien und weitere Staaten beharren auf der Einstimmigkeit in den Bereichen europäisches Straf- und Zivilrecht. Zeichnungen: Mohr B 42 Eine Verfassung für Europa

im Ministerrat der EU künftig mit einer Mehrheit der B 25 »Auf die lange Bank Mitgliedstaaten, die gleichzeitig 60 Prozent der EU- geschoben« Bevölkerung vertreten müssen (so genannte »dop- pelte Mehrheit«), getroffen werden sollen. Sie be- standen auf der Übernahme der in den Nizza-Vertrag aufgenommenen Bestimmung, nach welcher bereits eine Sperrminorität von 88 der insgesamt 321 Stim- men einen Beschluss des Ministerrats zu Fall bringen kann. Die beiden Staaten wollen so ein Übergewicht der bevölkerungsreichsten Mitgliedsländer verhin- dern, zumal ihnen der Vertrag von Nizza einen im Ver- hältnis zu ihrer Bevölkerungszahl äußerst günstigen Stimmenanteil zugebilligt hat. Deutschland und Frank- reich, aber auch Italien und Großbritannien hielten da- gegen unbeirrt am Prinzip der doppelten Mehrheit des Verfassungsentwurfs fest. Da 2004 das Europäische Parlament gewählt wird und außerdem in den Jahren 2004 und 2005 in mehreren Mitgliedstaaten der EU nationale Wahlen stattfinden, ist zu befürchten, dass eine Kompromisslösung zur Verabschiedung der Konventsverfassung auf lange Sicht nicht realisierbar ist, mag diese Verfassung für die erweiterte Union auch noch so bedeutsam sein.

B 26 »Keine Katastrophe«

Aus einem Interview mit dem EU-Erweiterungskom- missar Günter Verheugen: Frage: Herr Verheugen, ist die EU mit dem Scheitern der Regierungskonferenz in eine Krise gestürzt? Verheugen: In eine Krise ja, aber nicht in eine Kata- strophe.Wir haben schon oft in der Union erlebt, dass in der Krise auch eine Chance liegt. Frage: Ist die EU mit bald 25 Mitgliedstaaten auf Grundlage des Nizzavertrages handlungsfähig? Verheugen: Rein technisch ja. Wir haben die Institu- tionen und wir haben klare Regeln.Viele denken aber, dass es nicht gut funktionieren wird ... Ich gehöre zu Die zukünftige Stimmenverteilung im EU-Ministerrat nach der den Skeptikern. Eine EU der 25 oder mehr Staaten EU-Erweiterung. verträgt keine Vetorechte. Dieser größeren Union muss das Entscheiden erleichtert und nicht erschwert Die geplante Verabschiedung der Verfassung der Eu- werden. ropäischen Union auf der Gipfelkonferenz vom 12. Frage: Zu der ... angestrebten Steigerung der Effizi- und 13. Dezember 2003 in Brüssel kam nicht zustan- enz wird es also nicht kommen? de. Im Vordergrund der umstrittenen Themen stand Verheugen: Nein. Wir müssen uns jetzt erst mal mit bei den Staats- und Regierungschefs der Gemein- dem zurechtfinden, was der Vertrag bietet. Aber das schaft die im Verfassungsentwurf vorgeschlagene wäre ja sowieso der Fall gewesen, da die Verfassung Ausgestaltung der Institutionen. Denn über die Insti- erst in ein paar Jahren in Kraft getreten wäre. So dra- tutionen nehmen die Mitgliedstaaten Einfluss auf die matisch ist die Situation also nicht ... EU-Politik, und je stärker ihre Position in diesen Insti- tutionen ist, umso größer ist ihr Gewicht in der Union Frage: Wann werden die Gespräche wieder aufge- und die Möglichkeit, ihre spezifischen nationalen In- nommen? teressen bei der Vorbereitung und der Verabschie- Verheugen: ... Ich wage keine Vorhersage. Der im dung von Gesetzen und Regelungen auf der eu- letzten Jahr von Italien aufgebaute Zeitdruck hatte nur ropäischen Ebene durchzusetzen. symbolische Bedeutung. Natürlich können wir noch Spanien und Polen lehnten den Vorschlag des Ver- 2004 abschließen. fassungskonvents ab, dass Mehrheitsentscheidungen Handelsblatt, 15. Dezember 2003. A 18 Die Wahlen zum Europäischen Parlament

A 1 – A 22 Europa wählt

A 1

»Europa – eine gute Wahl«

Unter dem Motto »Europa – eine gute Wahl« tourt der Euro- pa-Bus seit September 2003 durch zahlreiche deutsche Städ- te. Im Auftrag des Europäischen Parlamentes, der Europäischen Kommission und der deutschen Bundesregierung wirbt er für die Erweiterung der EU, für die Eu- ropawahlen und für eine Eu- ropäische Verfassung. Foto: Matthias Lüdecke

A 2 Karikaturen zu den Europawahlen

Zeichnung: Frank Cerny Zeichnung: Freimut Wössner A Die Wahlen zum Europäischen Parlament / Wahlrecht – Wahlergebnisse – Kandidaten 19

1979: fanden zum ersten Mal in allen Mitglied- A 3 Wie wichtig sind eigentlich staaten vom 7. bis 10. Juni Direktwahlen zur die Europawahlen? »Gemeinsamen Versammlung« statt; daran beteiligten sich rund 62 Prozent der Wahl- Seit 1979 wählen die Bürgerinnen und Bürger in der berechtigten; sie entsandten 410 Abgeord- Europäischen Union die Abgeordneten im Straßbur- nete nach Straßburg. ger Europaparlament in direkten, geheimen und un- mittelbaren Wahlen.Trotz der Bedeutung dieser Wah- 1986: Erst jetzt wurde die Bezeichnung »Ge- len ist das Interesse an ihnen erstaunlich gering, viel meinsame Versammlung« offiziell durch geringer als an der Bundestagswahl oder an den »Europäisches Parlament« abgelöst. Landtagswahlen. Wahlforscher machen für die nied- Gleichzeitig erhielt das Parlament zusätzli- rige Beteiligung an den Wahlen zum Europäischen che Befugnisse und Funktionen wie z.B. Parlament vor allem die mangelhaften Informationen das Recht zur Mitentscheidung bei Erwei- über die Bedeutung dieses Parlaments und die nach terungen der Gemeinschaft und beim Ab- wie vor undurchsichtigen Entscheidungsabläufe in der schluss von Assoziierungsabkommen. EU verantwortlich. Hinzu kommt, dass wegen der 1994: Bei der vierten Direktwahl kam es zu zwei Größe der Wahlkreise bei den Europawahlen die Ab- wichtigen Änderungen: Die Deutschland zu- geordneten nur wenig bekannt sind und im Gegen- stehende Abgeordnetenzahl wurde als Fol- satz zu Gemeinderäten oder Landtagsabgeordneten ge der deutschen Einheit von bisher 81 auf nur selten in unmittelbaren Kontakt mit ihren Wähler- 99 Sitze erhöht; gleichzeitig stieg die Ge- innen und Wählern treten können. samtzahl der Sitze im Europäischen Parla- Es sind vor allem drei Gründe, die für eine Beteiligung ment von 518 auf 567, weil auch anderen an den Europawahlen sprechen: Mitgliedstaaten eine größere Mandatszahl • Durch die Einführung der Mitentscheidung im eu- zugestanden wurde. Erstmals durften jetzt ropäischen Gesetzgebungsverfahren wird das aufgrund des Vertrags über die Europäische Parlament an den meisten Entscheidungen, die Union EU-Bürger in dem Staat, in dem sie auf europäischer Ebene fallen, beteiligt. Von der wohnten, dessen Staatsangehörigkeit sie durch die Wähler bestimmten Zusammensetzung aber nicht besaßen, das passive und das hängt es ab, wie diese Entscheidungen im Eu- aktive Wahlrecht bei den Wahlen zum EP ropäischen Parlament ausfallen. ausüben; davon waren rund 5 Millionen Menschen betroffen. • Mit der Teilnahme an den EP-Wahlen können die Wahlberechtigten ihr Interesse an einer Demo- 1995: Mit der Erweiterung der EU um Finnland, kratisierung der Europäischen Union betonen: Österreich und Schweden kam es zu einer Eine hohe Wahlbeteiligung stärkt das Gewicht der weiteren Erhöhung der Parlamentsmanda- direkt gewählten Volksvertretung im System der te. Nunmehr waren 626 Abgeordnete aus Europäischen Union. 15 europäischen Mitgliedstaaten im Euro- • Schließlich ist die Stimmabgabe bei den EP- päischen Parlament vertreten. Wahlen ein Zeichen der Zustimmung zur Mit- gliedschaft des eigenen Landes in der Europäi- 1999: Zum ersten Mal wurden die Abgeordneten schen Gemeinschaft. Trotz aller Unvollkommen- bei der fünften Direktwahl auf der Grundla- heiten und Mängel ist die europäische Integrati- ge eines europaweit einheitlichen Wahl- on ohne Alternative; jeder Wahlberechtigte kann rechts gewählt, nachdem die britische Re- mit seiner Teilnahme an der Wahl zeigen, dass er gierung ein regionales Verhältniswahlrecht die Fortsetzung und die weitere Ausgestaltung statt des bisher in Großbritannien üblichen des europäischen Integrationsprozesses bejaht. Mehrheitswahlrechts zugelassen hatte.

A 4 Zur Geschichte der A 5 Wissenswertes zu den europäischen Direktwahlen Europawahlen

1952: Vorläufer des Europäischen Parlaments war a) Legislaturperiode: Das Europäische Parlament die Gemeinsame Versammlung der Eu- wird jeweils für einen Zeitraum von fünf Jahren ge- ropäischen Gemeinschaft für Kohle und wählt. Stahl (EGKS), die im September 1952 zum b) Kandidaten: Sie werden in den einzelnen Mit- ersten Mal zusammentrat. Diese Versamm- gliedstaaten jeweils für ihr Land von den Parteien lung setzte sich aus 79 von den sechs Mit- aufgestellt. Auf nationaler Ebene wird auch der gliedstaaten entsandten Parlamentariern Wahlkampf organisiert. zusammen und hatte überwiegend bera- c) Wahlverfahren: Die Wahlverfahren variieren von tende Funktion. Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat. In der Regel wird A 20 Wahlrecht – Wahlergebnisse – Kandidaten

das eigene Wahlsystem geringfügig angepasst. f) Fünfprozentklausel: In der Bundesrepublik wird Insgesamt gilt aber in allen 15 Staaten bei den diese Hürde auch bei den Europawahlen ange- Europawahlen ein Verhältniswahlsystem. wandt. Dies hatte z.B. zur Folge, dass die FDP bei d) Wahlkreiskandidaten: Im Gegensatz zu den Bun- den Europawahlen von 1984, 1994 und 1999 destags- und Landtagswahlen sind die Europa- nicht im Straßburger Parlament vertreten war. wahlen reine Listenwahlen. Die Wählerinnen und g) Wahltermin: Die Wahlen finden nicht in allen Mit- Wähler können die Reihenfolge der Kandidaten gliedstaaten am gleichen Tag statt.Es wurde viel- auf den Listen auch nicht verändern wie etwa bei mehr ein Wahlzeitraum von vier Tagen festgelegt, den Kommunalwahlen in Baden-Württemberg. innerhalb welchem jedes Land seinen Wahltag e) Landes- und Bundeslisten: Nur die CDU bzw. die bestimmen kann. In Deutschland finden die Wah- CSU treten in Deutschland mit Landeslisten in al- len immer an einem Sonntag statt. len 16 deutschen Ländern an. Alle übrigen Par- h) Briefwahl: Sie ist natürlich auch bei den Europa- teien stellen bundesweit gültige Bundeslisten auf. wahlen möglich.

A 6

Bei der Europawahl 1999 enthielt der Stimmzettel in Baden-Württemberg 20 Wahlvorschläge. A Wahlrecht – Wahlergebnisse – Kandidaten 21

A 7 Aus dem Wahlgesetz § 6c Verbot der mehrfachen Bewerbung zur Wahl Niemand kann sich gleichzeitig in der Bundesrepublik Deutschland und in einem anderen Mitgliedstaat der § 1 Allgemeine Wahlrechtsgrundsätze Europäischen Gemeinschaft zur Wahl bewerben ... (1) Auf die Bundesrepublik Deutschland entfallen 99 Abgeordnete des Europäischen Parlaments. Sie wer- Quelle: Gesetz über die Wahl der Abgeordneten des Europäi- den in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und schen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland (Eu- geheimer Wahl für fünf Jahre gewählt. ropawahlgesetz – EuWG). (2) Mitglieder des Deutschen Bundestages können zugleich Abgeordnete des Europäischen Parlaments sein. § 2 Wahlsystem, Sitzverteilung A 8 Unionsbürgerschaft und (1) Die Wahl erfolgt nach den Grundsätzen der Ver- Wahlrecht hältniswahl mit Listenwahlvorschlägen. Listenwahl- Die Einführung des Wohnsitzprinzips bei den Wahlen vorschläge können für ein Land oder als gemeinsa- zum Europäischen Parlament und bei Kommunal- me Liste für alle Länder aufgestellt werden. Jeder wahlen in den Mitgliedstaaten ist das Kernstück der Wähler hat eine Stimme ... Unionsbürgerschaft ... Jeder Unionsbürger mit Wohn- (6) Bei der Verteilung der Sitze auf die Wahlvorschlä- sitz in einem Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörig- ge werden nur Wahlvorschläge berücksichtigt, die keit er nicht besitzt, hat in diesem Mitgliedstaat das mindestens 5 vom Hundert der im Wahlgebiet abge- aktive und passive Wahlrecht. Das gilt sowohl für die gebenen gültigen Stimmen erhalten haben. Kommunalwahlen als auch für die Wahlen zum Eu- § 6 Wahlrecht, Ausübung des Wahlrechts ropäischen Parlament. Dabei gelten für ihn dieselben Bedingungen wie für die Angehörigen des betreffen- (1) Wahlberechtigt sind alle Deutschen im Sinne des den Mitgliedstaats. Artikels 116 Abs. 1 des Grundgesetzes, die 1. das achtzehnte Lebensjahr vollendet haben, Anke Gimbal: Unionsbürgerschaft, in: Werner Weidenfeld/Wolf- gang Wessels (Hrsg.): Europa von A bis Z. Bonn (Europa Uni- 2. seit mindestens drei Monaten on Verlag) 2002, S. 342f. a) in der Bundesrepublik Deutschland oder b) in den übrigen Mitgliedstaaten der Europäi- schen Gemeinschaft eine Wohnung inneha- ben oder sich sonst gewöhnlich aufhalten ... A 9 Auswirkungen der (3) Wahlberechtigt sind auch alle Staatsangehörigen der übrigen Mitgliedstaaten der Europäischen Ge- »Unionsbürgerschaft« meinschaft (Unionsbürger), die in der Bundesrepublik 5,7 Millionen der Wahlberechtigten zu den EP-Wah- Deutschland eine Wohnung innehaben oder sich len im Jahre 2004 leben in einem anderen EU-Mit- sonst gewöhnlich aufhalten und die am Wahltage gliedsland und haben nicht dessen Staatsangehörig- 1. das achtzehnte Lebensjahr vollendet haben, keit, davon allein über zwei Millionen in der Bundes- 2. seit mindestens drei Monaten republik Deutschland. Mit dem Beitritt der zehn neuen a) in der Bundesrepublik Deutschland oder Mitgliedstaaten kommen 965.000 Wähler hinzu, die b) in den übrigen Mitgliedstaaten der Europäi- sich in einem anderen Land aufhalten; auch hier steht schen Gemeinschaft eine Wohnung inneha- Deutschland mit 412.000 an der Spitze. ben oder sich sonst gewöhnlich aufhalten ... Um diesen EU-Bürgern im derzeitigen Aufenthaltsland (4) Das Wahlrecht darf nur einmal und nur persönlich das aktive und das passive Wahlrecht zu gewährleis- ausgeübt werden. Das gilt auch für Wahlberechtigte, ten, müssen folgende Bedingungen erfüllt sein: In die zugleich in einem anderen Mitgliedstaat der Eu- Deutschland sind alle EU-Bürgerinnen und EU-Bürger ropäischen Gemeinschaft zum Europäischen Parla- wahlberechtigt, die seit mindestens drei Monaten hier ment wahlberechtigt sind. wohnen und das 18. Lebensjahr vollendet haben. Sie dürfen in keinem anderen Mitgliedstaat ihr Wahlrecht § 6b Wählbarkeit verwirkt haben.Voraussetzung ist ferner, dass sie sich (1) Wählbar ist, wer am Wahltage in das deutsche Wählerverzeichnis eintragen lassen 1. Deutscher im Sinne des Artikels 116 Abs. 1 des und dabei versichern, dass sie ihr Wahlrecht nur hier Grundgesetzes ist und und nicht auch in ihrem Heimatland ausüben werden. 2. das achtzehnte Lebensjahr vollendet hat. Die Europäische Kommission hat vor allem die neu- (2) Wählbar ist auch ein Unionsbürger, der in der Bun- en Mitgliedstaaten aufgefordert, möglichst umgehend desrepublik Deutschland eine Wohnung innehat oder die rechtlichen und administrativen Voraussetzungen sich sonst gewöhnlich aufhält und der am Wahltage zu schaffen, um allen EU-Bürgerinnen und EU-Bür- 1. die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates gern die Teilnahme an der Europawahl 2004 zu er- der Europäischen Gemeinschaft besitzt und möglichen. 2. das achtzehnte Lebensjahr vollendet hat ... Nach: Europäische Zeitung 2003/7, S. 29. A 22 Wahlrecht – Wahlergebnisse – Kandidaten

A 10 Wahlergebnisse und Wahlbeteiligung 1979–1999 A Wahlrecht – Wahlergebnisse – Kandidaten 23

A 11 Kandidatinnen und 5. Dr. Ingeborg Gräßle MdL 6. Dr. Thomas Ulmer Kandidaten aus 7. Prof. Dr. Kurt Joachim Lauk Baden-Württemberg 8. Dr. Bis auf die CDU stellen alle Parteien bundesweit gül- SPD (Bundesliste) tige Listen – so genannte Bundeslisten – auf. Auf die- 12. Evelyne Gebhardt sen Listen ist kenntlich gemacht, auf welchen Plätzen Kandidatinnen und Kandidaten aus den 16 deutschen 29. Gabi Rolland Ländern kandidieren. Nur die CDU und die CSU tre- 33. Peter Simon ten mit Landeslisten an. 50. Jochen Gewecke Nach den Europawahlen vom Juni 1999 stellten die 55. Axel Lipp Baden-Württemberger insgesamt neun Abgeordnete 70. Gerald Sander im Europäischen Parlament: Die CDU sechs, die SPD zwei und Bündnis 90/Die Grünen eine Abgeordnete. Bündnis 90/Die Grünen (Bundesliste) Auf Bundesebene bekamen CDU und CSU 53, die 3. Heide Rühle MdEP SPD 33 und Bündnis 90/Die Grünen sieben Manda- 6. Cem Özdemir te zugesprochen. Die PDS hatte auf Bundesebene 18. Alfonso Fazio sechs Mandate gewonnen, allerdings keines davon in 19. Anne Brooks Baden-Württemberg. Die FDP war im Europäischen Parlament nicht vertreten. 24. Memet Kilic Die baden-württembergischen Kandidaten der ein- 25. Stefanie Hähnlein zelnen Parteien und ihre Platzierung auf den Listen FDP (Bundesliste) für die Europawahlen im Juni 2004: 1. Dr. Silvana Koch-Mehrin CDU (Landesliste): 8. Dietmar Bachmann 1. Rainer Wieland MdEP 27. Erik Schweickert 2. 32. Thomas Schmitt 3. Dr. Karl von Wogau MdEP 39. Ellen Winkler-Obermann 4. MdEP 47. Jörg Brehmer

A 12 Wahlaufrufe

© Schwenk Film/dialog design, 1999. © Europäisches Parlament (Informationsbüro für Deutschland). A 24 Das Europäische Parlament

A 13 Das Europäische Parlament in Straßburg

Die Abgeordneten des Europäischen Parlamentes in Straßburg applaudierten Parlamentspräsident Pat Cox, als er am 9. April 2003 die Zustimmung zur Aufnahme der zehn neuen EU-Mitgliedstaaten unterzeichnete. Diese nehmen im Juni 2004 erstmals auch an den Europawahlen teil. Foto: picture-alliance/dpa

A 14

Vertretung der Mitgliedstaaten im Europäischen Parlament A Das Europäische Parlament 25

A 15 Das Europäische Parlament – kurz und bündig

• Das Parlament wird seit 1979 in direkter Wahl alle fünf Jahre von den Bevölkerungen der EU-Mit- gliedstaaten gewählt. • Die 13 bis 14 Plenarversammlungen, bei welchen die Beschlüsse des Parlaments gefasst werden, finden in der Regel in Straßburg statt. Die Aus- schüsse und die Fraktionen tagen in Straßburg oder in Brüssel. • Das Europaparlament bildet 17 ständige und 5 nichtständige Ausschüsse. Es wählt seinen Prä- sidenten und dessen Stellvertreter auf jeweils zweieinhalb Jahre. • Das Parlament ist grundsätzlich berechtigt, über jeden Gegenstand zu verhandeln, hierzu mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen Ent- schließungen anzunehmen und diese den ande- ren EU-Organen vorzulegen. • Im Europaparlament sind über 100 nationale Par- teien vertreten, die sich zu europäischen Fraktio- nen zusammengeschlossen haben. Zurzeit gibt es sieben Fraktionen. • Hinsichtlich der Chancengleichheit von Mann und Frau war das Europäische Parlament mit einem Das Europäische Parlament in Brüssel. Foto: picture-alliance/dpa Anteil von 31 Prozent weiblicher Abgeordneter einsame Spitze, denn in den nationalen Parla- menten der heutigen EU beträgt dieser Anteil durchschnittlich nur 25 Prozent, in den Beitritts- • Das Parlament hat – je nach Politikbereich – das ländern sogar nur 14,6 Prozent. Es ist zu be- Recht auf Zustimmung, Mitwirkung oder Mitent- fürchten, dass die neuen Mitgliedsländer weniger scheidung sowie auf Anhörung und Beratung. Frauen nach Straßburg entsenden werden als die alte EU der 15. • Das Europaparlament bildet zusammen mit dem Ministerrat die Haushaltsbehörde der EU; es kann den Haushalt in letzter Instanz ablehnen. • Das Parlament kann der Kommission das Miss- trauen aussprechen und sie so geschlossen zum Rücktritt zwingen. • Die jährlichen Kosten für das Europäische Parla- ment betragen über eine halbe Milliarde Euro. • Auch das 2004 zu wählende Parlament wird kei- neswegs die Einwohnerzahlen der einzelnen Mit- gliedsstaaten widerspiegeln: Ein deutsches Mit- glied des Europäischen Parlaments vertritt etwa 830.000 Bürgerinnen und Bürger, ein belgischer Abgeordneter dagegen nur 340.000 und ein lu- xemburgischer sogar nur 70.000. • Bisher erhielten die Europaabgeordneten die glei- chen Diäten wie die Volksvertreter in ihrem jewei- ligen nationalen Parlament. Dies führte im Straß- burger Parlament zu großen Unterschieden und Ungerechtigkeiten. So erhält zurzeit ein italieni- scher Volksvertreter fast 11.000 Euro monatlich, während der neben ihm sitzende Spanier ledig- lich 2.850 Euro bezieht. Deshalb wurde vorge- schlagen, dass alle gleichermaßen eine monatli- Das Europäische Parlament in Straßburg. che Grundvergütung von rund 8.500 Euro im Foto: Europäisches Parlament Monat bekommen. A 26 Das Europäische Parlament

A 16 Funktionen und Befugnisse des Europäischen Parlaments

Grafik nach: Frank R. Pfetsch: Die Europäische Union. München (Fink) 2001, S. 159.

A 17 A Das Europäische Parlament 27

A 18 Das Mitentscheidungsverfahren

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© 8421medien, 2004

Im Maastrichter Vertrag (1990) wurde das Mitentscheidungsverfahren neu eingerichtet. Dadurch wurden dem Parlament bei der Rechtsetzung auf der europäischen Ebene erstmals echte Mitwirkungsrechte eingeräumt. Einmal hat das Parlament die Möglich- keit im Rechtsetzungsverfahren zu Vorhaben umfangreich Stellung zu beziehen, sie zu billigen oder abzulehnen oder auf Verände- rungen hinzuwirken. Nach erfolgloser Einschaltung des Vermittlungsausschusses kann das Parlament in letzter Konsequenz das Zustandekommen eines Rechtsaktes endgültig verhindern. Nach: Pascal Richter: Die Erweiterung der Europäischen Union. Baden-Baden (Nomos) 1997, S. 75f. A 28 Das Europäische Parlament

Kollegen oder internationalen Organisationen nehme A 19 Was macht ein ich auch immer wieder an Veranstaltungen in ande- Europaabgeordneter? ren europäischen Ländern teil. Gerne diskutiere ich auch mit Schülerinnen und Schülern im Rahmen ih- res Unterrichts über Europapolitik. P&U befragte im Herbst 2003 Dr. Rolf Linkohr nach seiner Arbeit als Abgeordneter. Dr. Linkohr ist seit Öffentlichkeitsarbeit: Dazu zählen Pressemitteilun- 1979 Mitglied des Europaparlaments und gehört dort gen, Redaktionsbesuche, die wöchentliche Aktuali- für die SPD der Fraktion der Sozialdemokratischen sierung meiner Homepage und die Herausgabe eines Partei Europas an. monatlichen Newsletters. Da mein Betreuungsgebiet halb Baden-Württemberg umfasst, bin ich in der Öf- Plenarsitzungen: Pro Jahr finden zwölf Sitzungen à fentlichkeit leider nicht so präsent wie die örtlichen vier Tage in Straßburg statt und weitere sechs Sit- Mandatsträger. Immerhin hat das Interesse der Me- zungen à zwei halbe Tage in Brüssel. Hinzu kommen dien an Europa in den letzten Jahren zugenommen. Fraktionssitzungen in Brüssel. Die Arbeitsgruppen – also Ausschussmitglieder, die einer Fraktion an- gehören – und die gesamte Fraktion kommen jeweils in der Woche vor einer Plenarsitzung zusammen und beraten über die zur Abstimmung stehenden Geset- zestexte (Berichte). A 20 Besteht in der EU ein Studientagungen: Zwei Fraktionssitzungen pro Jahr Demokratiedefizit? finden als Studientagung außerhalb von Straßburg oder Brüssel statt. Der Tagungsort liegt häufig im Land Dem Europäischen Parlament fehlen ... (wesentliche) der jeweiligen Ratspräsidentschaft. Dort diskutieren Attribute eines echten Parlaments. Über das Recht wir mit nationalen Parteiführern und Abgeordneten zur Gesetzgebung, das vornehmste Recht einer vom über die politische und wirtschaftliche Situation des Volk gewählten Volksvertretung, verfügt innerhalb der Gastlandes oder bereiten gezielte politische Initiati- EU der Rat der Europäischen Union (Ministerrat), die ven vor. Die Fraktion der Sozialdemokratischen Par- Vertretung der Regierungen der Mitgliedsländer. In tei Europas, der ich angehöre, tagt in diesem Jahr in der europäischen Rechtsetzung hat das Europäische Athen und in Bologna. Parlament nur Mitwirkungsrechte und innerhalb der Ausschusssitzungen in Brüssel: Ich gehöre dem vier verschiedenen Gesetzgebungsverfahren ist es Ausschuss für Industrie, Außenhandel, Forschung nur im Verfahren der so genannten »Mitentschei- und Energie als ordentliches Mitglied an. Außerdem dung« dem Ministerrat gleichgestellt. bin ich stellvertretendes Mitglied im Ausschuss für Umweltfragen, Volksgesundheit und Verbraucher- Das Europäische Parlament hat auch nicht das Recht, schutz. Die Ausschüsse tagen in der Regel an zwei im Parlament Gesetzesinitiativen einzubringen. Das bis drei Tagen in den dafür vorgesehenen Ausschuss- ausschließliche Recht zur Gesetzesinitiative besitzt die wochen, von denen es etwa 18 pro Jahr gibt. Europäische Kommission, die damit der eigentliche Hüter und Motor der europäischen Integration ist … Delegationen: Das Europäische Parlament pflegt parlamentarische Beziehungen zu fast allen Regio- Das Europäische Parlament hat auch nicht das Recht, nen der Welt. Ich bin Präsident der Delegation für La- das Exekutivorgan zu wählen. Der Kommissionsprä- teinamerika und Mercosur (Gemeinsamer Markt im sident wird einvernehmlich von den Regierungen der Südlichen Lateinamerika). In diesem Jahr haben wir Mitgliedsländer, die einzelnen Kommissare … im Ein- zur 16. Interparlamentarischen Konferenz EU/La- vernehmen mit dem künftigen Kommissionspräsi- teinamerika nach Brüssel eingeladen. Diese Konfe- denten ernannt. Das Europäische Parlament kann der renz haben wir mit unseren Kollegen aus dem la- Kommission nach der Ernennung durch die nationa- teinamerikanischen Parlament Parlatino im Rahmen len Regierungen nur als Kollektivorgan seine Zustim- einer Delegationsreise nach Brasilien vorbereitet. mung verweigern … Parteipolitische Veranstaltungen: In Veranstaltun- Dem Argument vom Demokratiedefizit ist … entge- gen der Ortsvereine und Kreisverbände berichte ich genzuhalten, dass eine Demokratisierung im struktu- über meine Arbeit, die Osterweiterung der EU und die rellen Rahmen der EU die bisherigen vertraglichen Reform der europäischen Institutionen. In diesem Jahr Bestimmungen der EU sprengen würde. Bestimmend war die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik für die EU ist nicht das Demokratieprinzip, das sich in als Folge des Irak-Kriegs ein besonders gefragtes mehr Kompetenzen des Europäischen Parlaments Diskussionsthema. niederschlagen würde. Vertragskonstituierend für die Mitgliedsländer der EU ist der angestrebte Ausgleich Vorträge, Seminare und Konferenzen: Besonders zwischen einem gemeinsamen europäischen Inte- intensiv beschäftige ich mich mit der Energiewirt- resse einerseits und nationalen Interessen der Mit- schaft und Energiepolitik, neuen Technologien, dem gliedstaaten andererseits. Klimaschutz sowie der Forschungsförderung. Zu die- sem Thema halte ich Vorträge auf hochrangigen Kon- Manfred Dreyer: Europawahl 1999. Demokratiedefizit in der ferenzen, organisiere Workshops und schreibe Beiträ- EU? Politik betrifft uns, Heft 3/1999. Aachen (Bergmoser + Höl- ge in Büchern oder Zeitschriften. Auf Einladung von ler), 1999, S. 1f. A Das Europäische Parlament 29

A 21 Das Europäische Parlament: Ein »Papiertiger«?

Zeichnung: Mester Zeichnung: Luff

A 22 Ein kurzer Abschlusstest

weiß ich richtig falsch nicht Die Wahl zum Europäischen Parlament findet alle vier Jahre statt. Deutschland wählt 99 Abgeordnete in das Europäische Parlament. Die ersten Direktwahlen zum Europäischen Parlament gab es im Jahre 1979. Bei den Europawahlen hat jede Wählerin und jeder Wähler zwei Stimmen. In Deutschland wohnhafte polnische Staatsbürger dürfen bei den Europawahlen in Deutschland teilnehmen. Die Wahlbeteiligung bei den Europawahlen war bisher niedriger als bei den Bundestagswahlen. Jeder Mitgliedstaat entsendet die gleiche Zahl an Abgeordneten in das Euro- päische Parlament. Das Europäische Parlament hat keinen Einfluss auf die Verabschiedung des Haushalts der EU. Das Europäische Parlament wählt die europäische Regierung. Das Europäische Parlament hat kein Initiativrecht. Im Europäischen Parlament sitzen die Abgeordneten in alphabetischer Reihenfolge. Das Europäische Parlament kann der Europäischen Kommission das Misstrauen aussprechen. Das Europäische Parlament hat dieselben Rechte wie der Deutsche Bundestag. Das Europäische Parlament kann nur über die Themen verhandeln, die ihm der Rat der EU vorgelegt hat. D Die EU als Wirtschaftsraum 57

D 1 – D 32 Perspektiven, Chancen und Probleme

D 1 Befürchtungen in den D 2 Viele begehrte Standorte Beitrittsländern

Mit der EU-Mitgliedschaft verbindet man in den Staaten Ostmitteleuropas nicht nur Hoff- nungen, sondern zunehmend auch negati- ve Erwartungen. Die wichtigsten Befürch- tungen lauten: • Die einheimischen Unternehmen sind dem Wettbewerb im europäischen Bin- nenmarkt nicht gewachsen; die Über- schwemmung mit billigeren und besse- ren Produkten aus Westeuropa droht den Firmen in Osteuropa ihre bisherigen Absatzmärkte wegzunehmen. • Ausländische kapitalstarke Gesellschaf- ten könnten die Firmen in den ostmittel- europäischen Ländern aufkaufen und diese zu »verlängerten Werkbänken« ih- rer Produktionsstätten in der bisherigen EU der 15 machen. • Die EU-Regelung, dass jeder in jedem Grafik: Institut der deutschen Wirtschaft Köln Mitgliedsland Immobilien erwerben darf, könnte zum Ausverkauf des eigenen Landes führen, einer Landnahme in den Staaten Unterschiedliche Risiken für des ehemaligen Ostblocks mit dem Scheckbuch. D 3 • Die traditionelle Landwirtschaft mit ihren vielen deutsche Unternehmen Kleinbetrieben ist in Gefahr, weil die Bauern in den Transformationsländern wegen Kapital- Die Sorgen vor der Erweiterung variieren nach Be- knappheit und erschwertem Zugang zu Bankkre- triebsgröße, Regionen und Branchen: So fürchten bei- diten nicht mit den modernen und kapitalstarken spielsweise die ... baden-württembergischen Unter- westeuropäischen landwirtschaftlichen Betrieben nehmen den Beitritt nicht, weil sie keinen zusätzlichen Schritt halten könnten. Wettbewerbsdruck erwarten. Anders stellt sich dies • Die Beitrittsländer könnten auf Dauer mit einer für die grenznahen Regionen dar und dort vor allem »Mitgliedschaft zweiter Klasse« abgespeist wer- im Niedriglohnsektor. den, da die Altmitglieder nicht auf ihre Subventio- Risiken der Erweiterung sehen dort vor allem die Un- nen und erworbenen Rechte und Vorteile in der ternehmen mit bis zu 49 Beschäftigten. Bei Firmen mit Gemeinschaft verzichten wollen. 50 bis 99 Mitarbeitern halten sich die zu erwartenden • Tschechien und Polen droht eine Vielzahl von An- Chancen und Risiken die Waage, Firmen mit mehr als sprüchen auf Rückgabe der bei der Vertreibung 100 Beschäftigten sehen eher Chancen. Den Beitritt der Deutschen nach dem Zweiten Weltkrieg in fürchten eher regional ausgerichtete Unternehmen tschechischen und polnischen Besitz übergegan- und hier vor allem die kleinen Betriebe, Unternehmen genen ehemaligen deutschen Liegenschaften. der Möbel- und Textilindustrie, der Hotel- und Gast- • Die politische Souveränität und die nationale stättenbereich, die Bauwirtschaft, die Landwirtschaft Identität der Staaten, die eben erst ihre Unab- und der Sektor der Informationstechnik. hängigkeit erlangt haben, könnten in einem ver- Die Produktion wird im Bereich des Niedriglohnsek- einigten Europa nur noch eine untergeordnete tors in Niedriglohnländer verlagert, um im Preiskampf Rolle spielen. konkurrenzfähig zu bleiben. Da der Import vereinfacht wird, nimmt der Wettbewerbsdruck bei einfachen ar- Nach: Das Parlament, 12./19. Mai 2003 und Markus Milten- beitsintensiven Produkten zu ... Die mittleren und obe- berger: Die Europadebatte in Politik und Öffentlichkeit der ost- ren Lohngruppen werden unter Druck geraten, weil die mitteleuropäischen EU-Kandidatenländer, in: Aus Politik und kostengünstige Fertigung im Wettbewerb die alles ent- Zeitgeschichte B 1-2/2002, 4. Januar 2002, S. 3–10. scheidende Rolle spielen wird. Erwartet wird jedoch, D 58 Die EU als Wirtschaftsraum

dass der Beitritt auf mittlere Sicht die Lohnangleichung in den Beitrittsländern nach oben beschleunigen wird. Der Niedriglohnsektor, der bereits in der Vergangen- heit von Deutschland Richtung Mittelosteuropa »ab- gewandert« ist, wird dann weiter nach Südosten ver- lagert, d.h. von Slowenien und Ungarn beispielsweise weiter nach Bulgarien und Rumänien. Dagmar Boving: Die EU-Erweiterung. Berlin (Deutscher Indus- trie- und Handelskammertag) 2003, S. 15f.

D 4 Übergangsregelungen: Beispiele

Die Angleichung medizinischer Produkte an die EU- Standards muss in Polen bis 2009 und in Slowenien bis Ende 2008 erfüllt werden. Bis dahin dürfen medi- zinische Produkte dieser Länder nur auf dem heimi- schen Markt abgesetzt und nicht in andere EU-Mit- gliedstaaten exportiert werden. Der Erwerb von land- und forstwirtschaftlichen Im- mobilien durch westeuropäische Unionsbürger ist in Tschechien, Ungarn und der Slowakei bis Ende 2011, in Polen sogar bis Ende 2016 nicht gestattet. In Ungarn und Polen dürfen Beihilfen (Subventionen) an kleine und mittlere Unternehmen – entgegen den EU-Richtlinien – bis 2011 gewährt werden. Zwei unsichere Atomkraftwerke vom Tschernobyl-Typ dürfen in Litauen bis 2009 weiter betrieben werden.

Nach: Dagmar Boving: Countdown EU-Erweiterung. Ber- lin (Deutscher Industrie- und Handelstag) 2003, S. 8f. und S. 21–23.

Grafik: Institut der deutschen Wirtschaft Köln D 5 Kleine Annäherungsschritte

Die zehn Beitrittsländer schaffen derzeit mit einer Wirtschaftsleistung von insgesamt 433 Milliarden Euro gerade einmal ein Zwanzigstel des Bruttoin- D 6 Günstige Prognosen für die landsprodukts (BIP) der aktuellen EU-15. Zwar haben Beitrittsländer die zehn Neuen in puncto Lebensstandard in den ver- gangenen Jahren etwas aufgeholt: So liegt das durch- Die Aussicht auf die Mitgliedschaft in der EU hat in schnittliche nominale BIP je Einwohner – bereinigt um den mittel- und osteuropäischen Beitrittsländern zu Kaufkraftunterschiede – inzwischen bei umgerechnet einer überdurchschnittlichen Steigerung des Wirt- 11.637 Euro. Das sind 48 Prozent des EU-Niveaus – schaftswachstums geführt und ihnen zwischen 1993 1995 kamen die Beitrittskandidaten erst auf 42 Pro- und 2003 durchschnittliche jährliche Wachstumsraten zent. Bleibt es allerdings auch künftig bei diesem Kon- des Bruttoinlandprodukts von 4,5 Prozent beschert. vergenz-Tempo, wird es allein 44 Jahre dauern, den Gleichzeitig hat sich dort die Produktivität in der ge- heutigen Abstand zu halbieren. werblichen Wirtschaft spürbar verbessert. Zudem kam Aus: iwd Nr. 1, 1. Januar 2004, S. 8. es zu einer tief greifenden Umorientierung des Außen- D Die EU als Wirtschaftsraum 59

handels: die früher bestehende Ausrichtung auf die nien, Irland und Portugal, die am weitesten von den Länder des ehemaligen Ostblocks wich der deutlichen Beitrittsländern entfernt sind, können dagegen kaum Steigerung der Exporte in die EU-15 und der Impor- positive Wachstumseffekte aus der Erweiterung er- te aus der EU-15. Es wird erwartet, dass sich diese warten. Diese Länder werden vielmehr eher negative Tendenz nach dem vollzogenen Beitritt in die Ge- Folgen zu spüren bekommen, da finanzielle Mittel aus meinschaft fortsetzen wird. dem EU-Haushalt, die bisher ihnen zugeflossen sind, Die Erfahrungen aus früheren Erweiterungen der EU nach 2006 in die neuen Mitgliedstaaten umgeleitet zeigen, dass die Mitgliedschaft in der Gemeinschaft, werden. die mit dem Abbau der Handelsbeschränkungen im Von solchen Einbußen sind möglicherweise auch Re- Europäischen Binnenmarkt und finanziellen Leistun- gionen in Ostdeutschland und in einigen Ländern der gen aus den Gemeinschaftsfonds verbunden ist, ins- alten Bundesrepublik betroffen, weil sie in der erwei- besondere in wirtschaftlich eher rückständigen neu- terten EU nicht mehr unterhalb der »Armutsgrenze« en Mitgliedstaaten zu einer spürbaren Verbesserung liegen, die zu Subventionen aus den EU-Struktur- der gesamtwirtschaftlichen Situation führt. Mit einem fonds berechtigt. Diese Einschränkungen mindern je- schnellen Aufschließen zum Westen ist freilich nicht doch – aufs Ganze gesehen – den wirtschaftlichen zu rechnen, dazu ist der Abstand zu groß. Selbst Gewinn aus der Erweiterung nur in geringem Maße. wenn die zehn neuen Mitglieder ihren Wachstums- vorsprung aufrechterhalten können, werden sie mehr als ein Vierteljahrhundert brauchen, um den beste- henden Rückstand gegenüber der EU der 15 auch nur zu halbieren.

D 8

D 7 Auch die Wirtschaft der alten EU profitiert von der Erweiterung

Für die bisherigen EU-Mitglieder werden sich die po- sitiven wirtschaftlichen Folgen der Erweiterung in Grenzen halten, und zwar ganz einfach deshalb, weil die Volkswirtschaften der Beitrittsländer sehr klein sind. Zusammen macht ihr Bruttoinlandsprodukt ins- gesamt gerade fünf Prozent der jetzigen EU-Mitglie- der aus – das entspricht dem Bruttoinlandsprodukt des EU-Mitgliedstaates Niederlande. Die EU-Kommission errechnete, dass das Bruttoin- landsprodukt der EU-15 innerhalb von zehn Jahren durch den Beitritt von zehn neuen Staaten gerade ein- mal um 0,5 Prozent steigen wird. Die Abwicklung des Warenaustauschs mit Osteuropa wird sich dagegen deutlich vereinfachen, weil Zolldokumente und ande- re Exporthindernisse im gemeinsamen Binnenmarkt entfallen. Allerdings muss man zwischen den einzelnen Län- dern der bisherigen EU klar unterscheiden: Länder mit direkter geografischer Nähe zu Osteuropa – also Deutschland, Österreich, Schweden und Finnland – werden mit einem voraussichtlichen Anstieg um zwei bis drei Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts die ein- deutigen Gewinner der Erweiterung sein. Vor allem © Globus Infografik GmbH die deutsche Investitionsgüterindustrie profitiert von Deutschlands Handel mit Osteuropa hat sich deutlich belebt. den Aufträgen aus den mittel- und osteuropäischen Gemessen am Außenhandelsumsatz (Einfuhr und Ausfuhr) ist Staaten. Schon heute liefert die deutsche Wirtschaft Tschechien das wichtigste Partnerland. 40 Prozent seiner Ex- 50 Prozent der Waren, die von den Beitrittsländern portprodukte lieferte es nach Deutschland. Umgekehrt bezog importiert werden. Diese sind deshalb für den deut- die Tschechische Republik rund ein Drittel aller Importwaren schen Export inzwischen wichtiger als die USA. Spa- aus Deutschland. D 60 Die EU als Wirtschaftsraum

D 9 Neue Märkte

Foto oben: Deutsche Betriebe investieren in Polen, wie etwa Henkel Polska in Ratibor/Oberschlesien. Für diese Produkte wird selbstverständlich auch geworben. Foto: Paul Glaser

Foto rechts: In der polnischen Grenzstadt Slubice ist man auf deutsche Kundschaft bestens eingestellt. Slubice liegt am rech- ten Ufer der Oder und ist mit der Stadtbrücke mit dem be- nachbarten Frankfurt/Oder verbunden. Durch seine günstige Lage an der deutsch-polnischen Grenze ist Slubice ein wich- tiges Handels- und Dienstleistungszentrum. Auf dem Gebiet der Gemeinde liegen die drei größten Grenzübergänge an der Westgrenze Polens. picture alliance/dpa

D 10 Exporte Baden-Württembergs 2002 D Die EU als Wirtschaftsraum 61

D 11

Bis zu vier Millionen Menschen werden voraussichtlich aus den fünf größten Beitrittsländern Polen, Rumänien, Slowakei, Tsche- chien und Ungarn in den ersten 15 Jahren nach der EU-Erweiterung nach Deutschland kommen. Hochgerechnet auf alle zehn ost- europäischen Beitrittsländer wären es an die fünf Millionen Menschen. Der größte Anreiz für die Migranten ist das vergleichsweise hohe Lohnniveau in Deutschland. Zudem wird sich das Problem der Arbeitslosigkeit in den Beitrittsländern durch anstehende Pri- vatisierungen und Umstrukturierungen verschärfen. © Globus Infografik GmbH

einwanderungsland« werden – trotz offener Grenzen D 12 Droht eine nach der EU-Osterweiterung ... Massenzuwanderung? Auch die Erfahrungen mit den Beitritten von Irland, Griechenland, Portugal und Spanien stützen die Er- wartungen der Experten, die Migration aus dem Während in den 1980er-Jahren die Menschen ihre Osten werde die EU nicht aus den Fugen heben. Ein Koffer für immer packten, um Unterdrückung und Ar- starkes Lohngefälle, wie es damals auch zwischen mut zu entgehen, will heute – nach einer Umfrage der den Südstaaten und dem Kerneuropa herrschte, löst polnischen Zeitung »Gazeta Wyborcza« – kaum ei- allein keine Massenwanderung aus, weil sich den Da- ner länger als ein paar Monate oder ein Jahr im Wes- heimgebliebenen durch den EU-Beitritt eine Zu- ten bleiben ... Der Trend der Wanderung dreht sich so- kunftsperspektive eröffnete. Je mehr sich diese Chan- gar in Richtung Osten. Immer mehr Polen, die in den cen konkretisierten, desto weniger waren Portugiesen achtziger oder neunziger Jahren in den Westen ge- oder Iren zum Exodus bereit. Heute sind beide Staa- gangen sind, kehren jetzt zurück. Zwar wandern noch ten – damit hatte damals kein Experte gerechnet – immer mehr Menschen aus als heimkehren, doch begehrte Ziele von Jobsuchern. schon nach 2006, meinen Experten, dürfte das his- torische Auswanderungsland Polen zu einem »Netto- Der Spiegel, 9. Dezember 2002 (Winfried Didzoleit). D 62 Die EU als Wirtschaftsraum / Ost-West-Begegnungen: Die Menschen kommen sich näher

Übergangsfristen für die Aderlass, den die deutsche Wirtschaft nicht verkraf- D 13 ten kann ... Das sind zu wenig Kinder, zu wenig Ar- Zuwanderung aus den beitskräfte, zu wenig Konsumenten, zu wenig Bei- Beitrittsländern tragszahler und – zu viele Alte. Keine noch so leistungsfähige Volkswirtschaft über- Auf Druck Deutschlands und Österreichs setzte die lebt eine derart dramatische Entwicklung ohne Scha- Europäische Kommission eine siebenjährige Über- den. Doch welch ein glücklicher Zufall: Die Lösung des gangsfrist für die Arbeitnehmerfreizügigkeit und sen- Problems liegt quasi vor der Haustür.Wenn ... ein Dut- sible Dienstleistungen, Reinigungs- und Sozialdiens- zend mitteleuropäische Staaten Mitglieder in der EU te sowie Sicherheitsdienste durch. Die alten und werden, erwerben sie das Recht auf Freizügigkeit. neuen Mitgliedstaaten haben damit grundsätzlich die Dann können ihre Bürger Arbeit in jedem EU-Land su- Wahl, ihren Arbeitsmarkt ohne Einschränkung auf be- chen, selbstverständlich auch in Deutschland ... Rich- stimmte Branchen bis zu sieben Jahre lang abzu- tig ist, dass mit der Freizügigkeit etwa in grenznahen schotten. Regionen der Konkurrenzdruck auf dem Arbeitsmarkt wächst, dass mancher Handwerker und mittelständi- Jahre nach dem Arbeitnehmer- Voraussetzung sche Unternehmer um seinen Markt kämpfen muss. Beitritt freizügigkeit für die Aufrecht- Aber solche Risiken sind überschaubar und lassen erhaltung der sich begrenzen. Sie dürfen nicht den Blick auf die Schutzklausel Nöte der gesamten Wirtschaft verstellen, die Zuwan- Phase 1 kein sanktionier- tritt automatisch in derung braucht. (bis zu 2 Jahre) bares Recht auf Kraft Arbeitnehmer- Die ZEIT, 22. Februar 2001 (Klaus-Peter Schmid). freizügigkeit Phase 2 möglicherweise einseitige förmli- (2–5 Jahre) gegeben che Mitteilung der Alt-Mitgliedstaaten an die EU-Kom- mission erforder- lich, ob und inwieweit die Schutzklausel D 15 Die Bedeutung von weitergeführt wird Schulpartnerschaften Phase 3 wahrscheinlich einseitige förmli- (5–7 Jahre) che Erklärung der Alt-Mitgliedstaaten Nicht ganz einfach war ... die Schulpartnerschaft, die an die EU-Kom- die Realschule Oberesslingen (RSO) 1996 mit der mission, wenn ZSP Nr. 2 in der Schwesterstadt Piotrkòw Trybujnals- schwer wiegende Störungen des ki einging. »Wir hatten mit Vorurteilen zu kämpfen, Arbeitsmarktes nicht bei den Schülern, aber bei den Eltern«, gestand vorliegen bzw. Realschulrektor Hartmut Selke. Dass die Jugendlichen wenn solche keinerlei Berührungsängste hatten und haben, be- Störungen ernst- stätigen die beiden RSO-Schülerinnen Annalena Kolb haft befürchtet und Ursula Brutscher. »Alle Leute in Piotrkòw sind werden sehr nett und gastfreundlich und wir haben bis heute spätestens 7 Jahre nach dem Beitrittsdatum gilt überall die Kontakt zu unseren Austauscheltern«, schildern sie volle Freizügigkeit von Arbeitnehmern ihre Erlebnisse und beantworten damit zugleich die Frage, ob die Begegnungen die Menschen einander Grafik nach: Dagmar Boving: Countdown EU-Erweiterung. Ber- näher gebracht haben. »Auf jeden Fall sind wir uns lin (Deutscher Industrie- und Handelstag) 2003, S. 13. näher gekommen«, unterstrich Wladylaw Adaszek von der Piotrkòwer Ost-West-Gesellschaft. »Wir konnten neue Formen des Lebens und neue Dinge kennen ler- nen.« Für Adaszek ist die Partnerschaft »das Funda- ment für den Bau des europäischen Hauses, und des- halb legen wir auch großen Wert darauf, dass sich D 14 Deutschland braucht unsere Jugend begegnet.« Dass Fahrten nach Polen Zuwanderung aus Osteuropa aber noch weit davon entfernt sind, ein »Selbstläufer« zu werden, weiß Elke Demirbas von der Esslinger West-Ost-Gesellschaft. »Es gelingt nur dann Jugend- Ohne Zuwanderung aus dem Ausland wird die Be- liche einzubinden, wenn es von oben, also im Rahmen völkerung der Bundesrepublik innerhalb von fünfzig einer Schulpartnerschaft iniziiert wird.« Jahren von heute 82 Millionen Bürgern auf unter 60 Millionen sinken. Minus 20 Millionen – das ist ein Esslinger Zeitung, 21. Juni 2002. D Ost-West-Begegnungen: Die Menschen kommen sich näher 63

D 16 Ost-West-Begegnungen

Schüleraustausch zwischen allgemein bildenden und beruflichen Schulen in Baden-Württemberg und Schulen in den mittel- und osteuropäischen Beitrittsländern (Stand 2002)

Zahl beteiligte Zahl der beteiligte der Begegnungen Schülerinnen und Begegnungen Schülerinnen und Schüler Schüler

in Baden-Württemberg in Osteuropa

Polen 71 1.756 83 2.228

Ungarn 76 1.677 68 2.027 Tschechien 18 539 17 361 Rumänien 5 89 3 41 Bulgarien 3 82 2 53 Lettland 2 25 2 26 Estland 1 23 1 19 Slowenien 1 22 1 17 Slowakei 1 9 2 15 Insgesamt 178 4.222 179 4.747

Quelle: Mitteilung des Ministeriums für Kultus und Sport Baden-Württemberg.

D 17 Fröbel-Schule Fellbach zweige, aber auch einzelne Betriebe, sollten zum The- ma Dezentralisierung beraten werden. Die Schulpartnerschaft mit der Éltes-Mótyás-isko- Zeitgleich … entstand eine Chorfreundschaft zwi- láközpont in Pécs/Ungarn wurde am 20. November schen dem Singener Männerchor Konkordia und dem 1999 mit einem offiziellen Partnerschaftsvertrag beim Kammerchor Celje. Im Laufe der Jahre entwickelte Lebkuchenfest in Fellbach besiegelt. Als Paten unter- sich somit ein Austausch im Sport- und Kulturbereich. stützen die Landräte und Oberbürgermeister beider Diese Verbreiterung in unterschiedliche gesellschaft- Städte die Partnerschaft. Inzwischen fanden mehre- liche Bereiche hinein führte schließlich zur Besiege- re Schüler- und Lehreraufenthalte sowohl in Pécs als lung der Städtepartnerschaft, die 1989 in Singen und auch in Fellbach statt. Auch auf Elternebene wurden 1990 in Celje unterzeichnet wurde. Kontakte geknüpft. Zahlreiche Freundschaften und Die erste Bewährungsprobe musste die Partnerstadt Bekanntschaften wurden geschlossen und in Telefon- gleich im ersten Jahr beweisen: Celje wurde von ei- bzw. Briefkontakten weitergeführt. nem verheerenden Hochwasser heimgesucht. Die Singener Feuerwehr, das Rote Kreuz und das Kran- Ministerium für Kultus und Sport Baden-Württemberg (Hrsg.): kenhaus leisteten Hilfe – ein Freundschaftsdienst, der Begegnungen über Grenzen hinweg. Stuttgart 2000, S. 17f. die Institutionen bis heute sehr eng zusammenführte. Insbesondere das Rote Kreuz war in den vergange- nen Jahren immer wieder gefordert, die Flüchtlinge aus den Krisengebieten (zunächst aus Kroatien, spä- ter dann aus Bosnien), die in Celje untergebracht wa- D 18 Städtepartnerschaft Singen ren, mit zu versorgen. Viele Begegnungen und Hilfstransporte fanden seither statt. und Celje Im Gegensatz zu den anderen Singener Partner- städten gibt es hier auch Ansätze zu einem wirt- Seit über 25 Jahren bestehen bereits Kontakte zwi- schaftlichen Austausch: So präsentieren sich bei- schen Singen am Hohentwiel und der Stadt Celje im spielsweise einige Singener Betriebe und die In- Nordosten Sloweniens. Die ersten Kontakte gehen in dustrie- und Handelskammer auf der jährlich in Celje die 1970er-Jahre zurück. Damals baute die IG-Metall stattfindenden Gewerbemesse. Singen Beziehungen zu den Gewerkschaften in Cel- je auf. Die nach 1945 verstaatlichten Wirtschafts- Quelle: www.in-singen.de (Partnerstädte) D 64 Stößt die EU an ihre Grenzen?

D 19 Vor den Toren der EU D 21 Ein Plädoyer für die Balkanstaaten Status: Staaten: Beitrittskandidaten Der Brite Chris Patten ist Mitglied der Europäischen (Verhandlungen bereits Bulgarien und Rumänien Kommission und dort für Außenbeziehungen der EU aufgenommen): zuständig: Beitrittskandidat Ebenso wie es moralisch, politisch und ... wirtschaft- (Verhandlungen noch nicht Türkei aufgenommen): lich richtig war, die Länder des ehemaligen Ostblocks in die EU aufzunehmen, so ist es richtig, die Länder Albanien, Bosnien-Herzego- Beitrittsaspiranten des westlichen Balkan beitreten zu lassen, wenn die- wina, Kroatien, Mazedonien, (Beitritt in Aussicht gestellt): se bereit sind. Bis dahin wird ein Teil des europäischen Serbien und Montenegro Puzzle fehlen. Dass dies geografisch zutrifft, bestätigt Ukraine, Moldawien, Weiß- Beitrittsinteressenten: allein ein Blick auf die Landkarte Europas. Doch es russland geht auch um die Frage der Stabilität unseres Konti- nents ... So wie die Aussicht auf EU-Mitgliedschaft nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion half, in Mittel- und Osteuropa die Stabilität zu wahren, so ist sie auch jetzt zum entscheidenden Faktor in den im- mer noch labilen Balkanländern geworden ... D 20 Schlagzeilen Würden wir versuchen, Völker auszuschließen, die auf Grund ihrer Geschichte europäisch sind, liefen wir nicht nur Gefahr, einen neuen Eisernen Vorhang zu errichten, sondern würden auch den Druck durch il- legale Einwanderung, organisierte Kriminalität und il- legalen Handel jeder Art auf uns erheblich erhöhen ... Die EU-Mitgliedstaaten haben wiederholt die Aus- sichten der Balkanländer auf einen EU-Beitritt be- kräftigt. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die westli- chen Balkanländer ohne Anstrengungen in die EU gleiten ... Der Weg nach Europa lässt sich nicht mit guten Absichten bewerkstelligen, sondern mit Refor- men, die greifbare Ergebnisse zeitigen, mit schmerz- haften Anstrengungen zur Angleichung der Rechts- vorschriften, mit der Liberalisierung der Wirtschaft, der qualitativen Verbesserung der Regierungsführung und der Verinnerlichung der demokratischen Werte, der Menschenrechte und der Achtung der Rechts- staatlichkeit ...Vor den westlichen Balkanländern liegt noch ein recht langes Stück Weg.

Frankfurter Rundschau, 20. Juni 2003 (Chris Patten).

D 22 Die Grenzen Europas

Es gibt zahlreiche Argumente, mit denen die Ge- meinsamkeit Europas begründet und seine Grenzen definiert werden. Tragfähig sind vor allem zwei: ers- tens der Verweis auf die gemeinsame Kultur. Religi- on, Geschichte, Sitte, Recht, politische Kultur und übereinstimmende Werte sind verbindende Elemen- te. Dabei dürfen natürlich die zahlreichen und tief grei- fenden kulturellen Unterschiede innerhalb Europas nicht übersehen werden. Zweitens erweist sich das D Stößt die EU an ihre Grenzen? 65

Argument des verbindenden Kommunikationszusam- menhangs als tragfähig, also der Verweis auf den D 23 Beitrittsperspektiven Austausch zwischen Herrschenden, Wissenschaft- ... Die jetzige Erweiterungsrunde (mit Rumänien und lern, Künstlern und Gebildeten, aber auch auf das Bulgarien) läuft planmäßig und wird vermutlich im Wandern der Handwerksgesellen, den Verkehr zwi- Jahr 2007 abgeschlossen sein ... Mittelfristig ... haben schen den Kaufleuten und den öffentlichen Austausch die Balkanländer eine Beitrittsperspektive. Aber sie der politischen Argumente ... sind – vielleicht mit der Ausnahme von Kroatien – so Mit beiden Argumenten kommt man weit, wenn man weit davon entfernt, auch nur die Mindestvorausset- den inneren Zusammenhang Europas begründen will. zung für die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen zu Aber zu einer scharfen Grenzziehung im Osten Eu- erfüllen, dass noch nicht einmal eine Spekulation über ropas führen sie nicht ... Letztlich werden die Gren- einen Zeitrahmen möglich ist ... zen ein Produkt politischer Entscheidung sein, aller- Es gibt Nachbarn, für die eine Beitrittsperspektive der- dings unter Beachtung der gegebenen Verhältnisse zeit nicht besteht, die aber gerne in die EU möchten. und orientiert an ausgewiesenen Kriterien. Es gibt aber auch Nachbarn, die überhaupt nicht bei- Das Erste ist der Bezug auf die Werte der Union. Nur treten wollen. Allen diesen Nachbarn bieten wir eine wer sie teilt, kann zu Europa im Sinne der Europäi- für sie maßgeschneiderte Politik an ... Die Vision, die schen Union gehören ... Das Kriterium »Wertebezug« ich dabei habe, ist die, dass wir um den Kern des in- reicht (jedoch) ... nicht aus, um Grenzziehungen zu tegrierten Europa herum einen Ring von uns freund- begründen. Deshalb muss ein zweites Kriterium schaftlich verbundenen Staaten haben, die auf berücksichtigt werden: das der »demokratischen bestimmten Feldern sogar am Prozess der europäi- Handlungsfähigkeit«. Damit ein politisches Gebilde schen Integration teilnehmen. Ich könnte mir im End- handlungsfähig und zugleich demokratisch ist, stadium eine große, politisch angereicherte Frei- braucht es einen gemeinsamen Fundus von innerer handelszone vorstellen, die alle diese Länder einbe- Kommunikation und relevanten Gemeinsamkeiten. Es zieht. darf nicht zu heterogen und muss in sich ausbalan- ciert sein ... Würde man das beim Auf- und Ausbau Aus einem Interview mit dem EU-Erweiterungskommissar Europas nicht beachten, würde man sich überneh- Günter Verheugen in: Stuttgarter Zeitung, 10. Januar 2004 men. Man schüfe ein Gebilde, das bald wieder zerfal- (Karl-Ludwig Günsche). len müsste ... Die Hürden für jede spätere Erweiterung sollten sehr hoch gelegt werden. Grenzveränderungen in späte- ren Jahren und Jahrzehnten sollten an ein sehr ho- D 24 Der EU-Gipfel 2003 hes Quorum und an die Zustimmung der europäi- in Thessaloniki schen Bevölkerung in einem Referendum gebunden werden, verknüpft mit dem Recht unterliegender Mit- Aus der Erklärung des europäischen Gipfeltreffens gliedstaten auszutreten. Fest steht: Jetzt und in ab- vom 21. Juni 2003 im griechischen Thessaloniki: sehbarer Zeit würde sich Europa übernehmen, wenn es Länder wie die Türkei und Russland einbezöge. Wir, die Staats- und Regierungschefs der Mitglied- Das muss rasch und eindeutig gesagt wer- staaten der Europäischen Union, der Beitritts- und den ... Kandidatenstaaten, Albaniens, Bosnien-Herzego- Die Entwicklung besonderer Beziehungen zu Nach- winas, Kroatiens, der früheren Jugoslawischen Re- barn, die dadurch der Union assoziiert werden, kann publik Mazedonien, Serbiens und Montenegros als die Ablehnung ihrer vollen Mitgliedschaft in ihren psy- potenziellen Kandidaten ... verständigten uns heute chologischen Wirkungen entschärfen und den Druck auf Folgendes: von den Nachbarn nehmen, unbedingt beitreten zu 1. Wir alle teilen die Werte der Demokratie, Rechts- wollen ... staatlichkeit, die Achtung der Menschen- und Min- Dass die Integration Europas, je nach unterschiedli- derheitenrechte, Solidarität und eine Marktwirt- cher Fähigkeit und Neigung der einzelnen Mitglieder, schaft im vollen Bewusstsein, dass sie die eine Integration mit unterschiedlichen Geschwindig- Grundfesten der Europäischen Union bilden. Die keiten werden muss und nicht homogen im Gleich- Achtung des Völkerrechts, die Unverletzlichkeit in- schritt erfolgen kann, ist klar. Je weiter sich die Union ternationaler Grenzen, die friedliche Beilegung ausdehnt, desto heterogener wird sie im Innern. Des- von Konflikten und die regionale Zusammenarbeit halb muss einzelnen Gruppen von Mitgliedstaaten die sind Grundsätze von höchster Bedeutung, denen Möglichkeit geboten werden, in bestimmten Poli- wir verpflichtet sind. Nachdrücklich verurteilen wir tikbereichen, beispielsweise der Sozialpolitik, unter- Extremismus, Terrorismus und Gewalt ... einander enger zu kooperieren als mit den anderen 2. Die EU bekräftigt ihre einhellige Unterstützung der Mitgliedstaaten. Entsprechende Instrumente kennen europäischen Perspektive für die Länder des die EU-Verträge schon heute, doch ihre Anwendung westlichen Balkans. Die Zukunft des Balkans liegt muss erleichtert und ihr Spektrum vergrößert werden. innerhalb der Europäischen Union.

Jürgen Kocka; in: Die ZEIT, 28. November 2002. Internationale Politik 2003/8 (W. Bertelsmann Verlag), S. 102. D 66 Stößt die EU an ihre Grenzen? / Die EU und die Türkei

D 25 Offene Terminfragen D 26

Obwohl die Europäische Union seit 1999 kontinuier- lich ihre Absicht erklärt hat, die gesamte Region des Balkan zu integrieren, ist es offensichtlich, dass eini- ge Mitgliedstaaten es vorziehen würden, den Erwei- terungsprozess nach der aktuellen Beitrittsrunde zu verlangsamen, damit die Union genügend Zeit erhält, ihre Politiken und Strukturen der großen Mitglieder- zahl anzupassen. Auf der anderen Seite haben Län- der wie Italien und Griechenland, die ausgeprägte In- teressen in der Balkanregion haben, vor einer »Erweiterungsmüdigkeit« gewarnt, da die Balkan- staaten eine Verlangsamung des Tempos als Erste zu spüren bekämen.

Ettore Greco: Prioritäten der italienischen EU-Präsidentschaft, Zeichnung: Mohr in: integration 2003/3, S. 197

D 27 Die Türkei und Europa

1948 Die Türkei gehört zu den Gründern der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit in Europa (OEEC).

Beitritt zum Europarat sowie in der Folge Beitritt zu allen anderen (west-)europäischen Zusammenschlüssen jener Jah- 1949 re (z.B. Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte, Grundfreiheiten und Europäische Zahlungsunion). 1952 Bei nur einer Gegenstimme und einer Enthaltung stimmt das türkische Parlament dem NATO-Beitritt zu.

1959 Die Türkei stellt einen Antrag auf Mitgliedschaft in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG). Im September 1963 wird in Ankara ein Assoziierungsabkommen mit der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) 1963 geschlossen. Darin war die Aussicht auf eine Vollmitgliedschaft unter bestimmten Bedingungen ausdrücklich eingeräumt. Die Türkei sei ein Teil Europas, heißt es, beim Abschluss dieses Abkommens. 1970 Unterzeichnung eines Protokolls über den Beitritt der Türkei in drei Phasen. Weitere Bemühungen der Türkei um die Fortentwicklung des Assoziierungsverhältnisses scheitern (nicht zuletzt am wie- 1980er derholten Veto Griechenlands). 1987 Die Türkei reicht offiziell ihren Antrag auf EG-Vollmitgliedschaft ein. Die Europäische Kommission veröffentlicht ihre Reaktion auf den Antrag. Die »grundsätzliche Beitrittsfähigkeit« der Tür- kei stellt sie nicht in Frage. Ansonsten aber lässt sie keinen Zweifel daran, dass die Türkei weder politisch noch wirt- 1989 schaftlich für eine Mitgliedschaft in der EG reif sei. Die Europäische Kommission lehnt den Beitrittsantrag ab. Auf der Grundlage des Assoziierungsabkommens werden die Beziehungen zwischen der Türkei und der Union intensiviert. Im März 1995 beschließt der Assoziationsrat EU – Türkei die Errichtung einer Zollunion zum 1. Januar 1996. Im Dezember 1995 1995 ratifiziert das Europäische Parlament trotz großer Bedenken diese Entscheidung. Das Parlament fordert, die Tür- kei müsse bei der Vertiefung der Demokratie und der Einhaltung der Menschenrechte Fortschritte machen.

1999 Der Europäische Rat in Helsinki erkennt den Kandidatenstatus der Türkei an. Bei der EU-Gipfelkonferenz in Nizza wird ein Vertrag über die »Beitrittspartnerschaft« der Türkei unterzeichnet. Er for- 2000 muliert Vorbedingungen für die Aufnahme von Beitrittsgesprächen. Das türkische Parlament verabschiedet das »EU-Integrationsgesetz«. 14 Gesetzesänderungen sollen zur Umsetzung 2002 der »Kopenhagen-Kriterien« führen. Wenige Monate später beschließt die EU-Gipfelkonferenz: Die Entscheidung über den Beginn der Beitrittsgespräche mit der Türkei wird auf Dezember 2004 verschoben. Falls die EU-Kommission im Dezember 2004 eine positive Empfehlung ausspricht, können frühestens 2005 Aufnahme- 2004 verhandlungen mit der Türkei beginnen.

Stand: Januar 2004. Nach: Udo Steinbach: Türkei, in: Werner Weidenfeld (Hrsg): Europa-Handbuch. Gütersloh (Bertelsmann Stiftung) 2002, S. 307–313. D Die EU und die Türkei 67

D 28 Karikaturen

Zeichnungen: Mester

D 29 Strukturdaten der Türkei

Strukturdaten der Türkei (Stand 2001)

Türkei EU-15 Bevölkerung in Mio. 65,3 378,8 Einwohner pro km2 85 118 Landesfläche in km2 814.578 3.191.120 BIP (je Einwohner, zu jewei- ligen Preisen in Kaufkraft- 5.200 23.200 standards) Inflationsrate (in %) 57,6 2,3 Arbeitslosenquote (in %) 8,5 7,4 Haushaltsdefizit (in %) - 28,7 - 0,8 Anteil der Landwirtschaft an der Bruttowertschöpfung 12,1 2,1 in % Exportanteil in die EU (in %) 51,6 – Zahl der PKW auf 67 469 1.000 Einwohner Zahl der PC auf 100 Ein- 4,1 31,0 wohner

Quelle: eurostat

Karte: Munzinger-Archiv GmbH D 68 Die EU und die Türkei

Syrien, Irak und Iran grenzt, hätte als Freihandelszo- D 30 Die Türkei ist kein Teil des ne noch eine Zukunft, aber nicht als politische Union »Projekts Europa« … Wer die europäische Einigung vertiefen will, darf keine Erweiterung ohne Rücksicht auf die Geschich- te und die Zukunft Europas betreiben. Eine solche Er- Mit der Türkei würde ein Land Mitglied der EU wer- weiterung wäre eine Ausdehnung ohne Maß und Ziel. den, das geografisch überwiegend nicht zu Europa Eine maßlos erweiterte EU könnte an kein europäi- gehört. Die politische Kultur der Türkei unterscheidet sches »Wir-Gefühl« mehr appellieren. Ein Europa, sich noch immer sehr von der des Westens. Der Mo- das kein Bewusstsein seiner Identität hat, würde eine dernisierungsprozess, dem sich die Türkei seit der Renaissance der Nationalismen erleben … Das Pro- Präsidentschaft Kemal Atatürks (1923–1938) unter- blem des türkischen Beitritts ist die Nagelprobe für die zogen hat, lief auf eine mit autoritären Mitteln durch- Zukunft des Projekts Europa … gesetzte Teilverwestlichung hinaus. Aus: Heinrich August Winkler: Grenzen der Erweiterung. Die Zwar ist die Türkei seitdem der einzige durch freie Türkei ist kein Teil des »Projekts Europa«, in: Internationale Wahlen legitimierte, rein weltliche Nationalstaat im is- Politik (W. Bertelsmann Verlag) 2003/2, S. 59–66. lamischen Nahen Osten, aber bis heute beruht diese Errungenschaft auf einem hohen Maß an Zwang. Das Militär übt im politischen Entscheidungsprozess eine Vetomacht aus, die mit westlichen Vorstellungen von Demokratie unvereinbar ist … Trotz aller Reformen des Rechtssystems, zu denen sich die Türkei …, zu- mindest auf dem Papier, bereit gefunden hat, ist sie D 31 Mondsichel am Horizont – noch immer keine Demokratie westlicher Prägung die Türkei und die EU und weit davon entfernt, eine entwickelte Zivilgesell- schaft zu sein. Aus einer Rede des Vorsitzenden der Europäischen In allen Staaten, die der EU bis 2004 beitreten wer- Unions-Kommission des Türkischen Parlaments und den, gibt es, wenn auch in unterschiedlichem Maß, ehemaligen Außenministers der Türkei, Yasar55 Yakis, historische Voraussetzungen für ein europäisches am 20. November 2003 in Stuttgart: »Wir-Gefühl«. Der Ausbau der Grundlagen von De- mokratie und Zivilgesellschaft bedarf in manchen die- Verdient die Türkei ein festes Datum für den Beginn ser Staaten noch großer Anstrengungen; die Gültig- der Beitrittsverhandlungen? Ich glaube ja. Denn die keit der westlichen Werte aber stellt keiner von ihnen Türkei befindet sich auf einem viel fortgeschrittene- in Frage … Von einer Verinnerlichung westlicher Wer- ren Stand als die übrigen Beitrittsländer zu der Zeit, te durch die türkischen Eliten oder gar durch die tür- als ihre Beitrittsverhandlungen begannen. Viele Bei- kische Gesellschaft im Ganzen wird man aber nicht trittsländer erfüllten die Kopenhagener Kriterien erst sprechen können. Zu den westlichen Werten gehören vollständig, nachdem die Beitrittsverhandlungen die Religions- und Meinungsfreiheit. Der Religions- schon begonnen hatten. Doch wenn es um die Türkei freiheit steht in der Türkei noch immer ein antipluralis- geht, soll sie diese im Voraus erfüllen. Dieser unfairen tischer und repressiver, mit Zwangsmitteln aufrecht- Behandlung zum Trotz hat die Türkei einen langen erhaltener Staatslaizismus entgegen. Die politische Weg bei der Beseitigung der noch bestehenden Dis- Meinungsfreiheit endet spätestens dort, wo nationa- krepanzen zu den Kopenhagener Kriterien zurückge- le Tabus verletzt werden. Solche Tabus sind die Dok- legt ... wie die Abschaffung der Todesstrafe ..., die trin von der einheitlichen türkischen Nation und Spra- Freiheit des Denkens, des Ausdrucks und der Ver- che, die … anhaltende Diskriminierung der über zehn sammlung wurde erweitert ..., das Verbot politischer Millionen Kurden und die offizielle Leugnung des Völ- Parteien wurde auf Ausnahmefälle beschränkt ..., der kermords an den Armeniern im Ersten Weltkrieg. Bau von Gebetsstätten einschließlich Kirchen wurde möglich gemacht ... Wirtschaftlich und sozial gesehen ist die Türkei in ei- ner schwächeren Position als alle anderen Beitritts- Die Erfüllung der wirtschaftlichen Kopenhagener Kri- kandidaten. Sie erreicht gerade einmal 22% des terien stellt keine Voraussetzung für die Eröffnung von durchschnittlichen Pro-Kopf-Einkommens der Eu- Beitrittsverhandlungen dar. Die Zollunion-Überein- ropäischen Union und bleibt damit noch weit hinter kunft mit der EU hat die Wirtschaft der Türkei stärker dem ärmsten der zehn Staaten zurück, die 2004 in in den Wettbewerb gebracht und sie mehr mit der EU- die EU aufgenommen werden … Wirtschaft verflochten, als dies bei den Wirtschaften der neuen Mitgliedstaaten der Fall ist. Dennoch trei- Die Frage eines türkischen Beitritts zur EU berührt die ben wir unsere Bestrebungen, unsere Wirtschaft noch Identität dieser Gemeinschaft wie kein anderer Auf- mehr den Normen und Standards der EU anzupas- nahmeantrag. Die Probleme der unterschiedlichen po- sen, weiter voran ... litischen Kulturen und des sozialökonomischen Ge- fälles sind eng verknüpft mit einem weiteren Problem: Ich komme jetzt zu den möglichen Vorteilen, die die der Gefahr … der räumlichen Überdehnung auf Kos- Türkei der EU bringen kann, wenn sie ein vollwerti- ten des inneren Zusammenhalts … Eine EU, die an ges Mitglied wird: D Die EU und die Türkei 69

Die türkische Regierung glaubt, dass eine Mitglied- Man kann sagen, dass die 2,5 Millionen türkischen schaft der Türkei in der EU Symbol des harmonischen Bürger, die in Deutschland wohnen, und die etwa Zusammenlebens verschiedener Kulturen sein wird 4 Millionen türkischen Bürger, die in den europäischen und die geistige Struktur der EU bereichern wird. Als Ländern leben, als Bürger der EU betrachtet werden regionaler Schlüsselakteur und Verbündeter, der geo- können. grafisch in unmittelbarer Nähe zu den bestehenden oder möglichen brenzligen Stellen auf der europäi- schen und internationalen Tagesordnung angesiedelt ist, kann die Türkei helfen, die Stabilität zu erhöhen und den Wohlstand auf dem Balkan, im Kaukasus, in D 32 Stößt die EU an Zentralasien und im Mittleren Osten zu fördern. Sie trägt zur fortwährenden Annäherung von Europa und ihre Grenzen? Asien bei und hilft folglich, moderne Werte in ganz Eu- rasien auszuweiten. Ist die Türkei erst Mitglied der EU, Klaus Hänsch (Mitglied des Europäischen Parla- wird sie in der Lage sein, viel mehr zur allgemeinen ments): Außen- und Sicherheitspolitik beizutragen ... »(Die) Grenzen ergeben sich nicht daraus, wie viele Staaten hinein wollen, sondern wie viele die Europäi- Ein modernes, säkulares und wohlhabendes Land sche Union verkraften kann. Die EU wird geografisch, wie die Türkei mit überwiegend muslimischer Bevöl- kulturell, wirtschaftlich und politisch immer weniger kerung wäre eine Bereicherung für die EU, und die sein als das ganze Europa – oder sie wird weder eu- Aufnahme in die EU wäre eine Bestätigung für die ropäisch noch eine Union sein.« Universalität der europäischen Kultur ... Frankfurter Rundschau, 23. Februar 2000 Momentan leben über 10 Millionen Muslime in den EU-Ländern. Die Mitgliedschaft eines säkularen Lan- Romano Prodi (Präsident der EU-Kommission): des wie der Türkei mit überwiegend muslimischer Be- völkerung in der EU kann zu einem besseren Ver- »Die Union lässt sich nicht unbegrenzt ausdehnen. ständnis der Säkularität bei der muslimischen Und sie ist ... auch keine Freihandelszone, der jedes Bevölkerung in den EU-Ländern beitragen. Umge- Land beitreten könnte. Sie ist ein homogener Raum kehrt kann dies auch dazu beitragen, den islamischen von Nationen und Völkern, die unter Achtung ihrer kul- Extremismus in den EU-Ländern an den Rand zu turellen und geschichtlichen Vielfalt eine Gesamtheit drängen. von Werten und Grundsätzen teilen ... Nach Festle- gung der EU-Außengrenzen müssen wir in einem Kli- Unternehmer türkischer Herkunft haben bereits mehr ma gegenseitigen Vertrauens und enger Zusammen- als 80.000 Unternehmen in den verschiedenen EU- arbeit einen »Ring befreundeter Länder« schaffen. Mit Ländern aufgebaut, die meisten davon befinden sich den dazu gehörigen Ländern ... müssen wir alles tei- in Deutschland. Sie haben hundertausende Arbeits- len können – mit Ausnahme der Einbindung in die EU- plätze in diesen Ländern geschaffen ... Institutionen.« Frankfurter Allgemeine Zeitung, 11. Dezember 2002 Die Türkei wird sich zu einem jungen, dynamischen und sich rasch entwickelnden großen Markt innerhalb Peter Glotz (früherer SPD-Politiker, heute Gastpro- der EU wandeln ... fessor an der Universität St. Gallen): Das Land Baden-Württemberg nimmt einen wichtigen »Eine EU 28 wird mehr ... dem Europarat oder den Platz in den türkisch-deutschen Beziehungen ein. Vereinigten Nationen ähneln als einem föderalen Eu- Über 400.000 Türken leben in diesem Bundesland. ropa, wie es sich die Gründerväter nach dem Zwei- 9.000 von ihnen besitzen ihr eigenes Geschäft ... ten Weltkrieg vorgestellt haben. Die Gefahr, dass die Rund 3.000 Türken beantragten im Jahr 2001 ihr ei- Europäische Union ... durch Überdehnung ihrer genes Gewerbe. Drei Prozent der in Baden-Würt- Raumvorstellungen sich selbst zerstört, ist groß.« temberg im Jahr 2001 gegründeten Betriebe gehören Die ZEIT, 16. November 2000 Türken.

... Baden-Württemberg nimmt eine wichtige Stellung im Handel mit der Türkei ein. Der Export in die Türkei im Jahr 2002 betrug 1,1 Milliarden, der Import liegt ebenfalls bei 1,1 Milliarden Euro. Der Anteil Baden- Württembergs am Gesamtimport aus der Türkei ent- spricht 15,6 Prozent, sein Anteil am Gesamtexport entspricht 16,6 Prozent ... Baden-Württemberg ist gleichzeitig das Bundesland, aus dem die höchste An- zahl von Touristen in die Türkei kommt. Im Jahr 2002 betrug die Zahl der Touristen aus Baden-Württemberg 450.000. D 70

Meine Meinung zur Erweiterung

stimmt stimmt nicht unentschieden Über die Erweiterung der EU sollten die Deutschen in einer Volks- abstimmung entscheiden dürfen Mich interessiert an der Erweiterung vor allem, dass ich nun auch nach Osteuropa ohne Pass und Zollformalitäten reisen und dort viel- leicht auch bald mit dem Euro bezahlen kann Die Erweiterung kostet einfach zu viel Geld; deshalb sollte man lie- ber darauf verzichten Die Erweiterung sichert den Frieden und die politische Stabilität in Europa Damit die neuen Mitgliedstaaten rasch zum EU-Durchschnitt auf- holen können, sollten mehr finanzielle Mittel bereitgestellt werden Die Erweiterung wird zu einer Aufweichung und »Verwässerung« der europäischen Integration führen Auf längere Sicht sollte man auch den Beitrittskandidaten Türkei in die EU aufnehmen

Die Erweiterung bedeutet eine kulturelle Bereicherung für Europa

Der Beitritt von mittel- und osteuropäischen Staaten in die EU er- höht das Gewicht Europas in der internationalen Politik Die Erweiterung der EU hat für mich persönlich keine Auswirkun- gen und interessiert mich deshalb nicht

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www.europa-digital.de/laender Internetseiten zum Thema Die Länder Europas im Profil: Informationen zur nationalen Politik der alten und neuen Mit- Zusammengestellt von Susanne Meir (Stuttgart) gliedsstaaten. Für den Inhalt und die Aktualität der aufgelisteten Seiten ist weder der www.datenbank-europa.de/index.htm Herausgeber noch der Autor verantwortlich. Ein beispielhaftes Schulprojekt aus Erlangen: Datenbank Europa – Hintergrundinformatio- nen, Zahlen und Fakten zu Politik, Geschichte und Kultur der Staaten Europas. 1. Links zur Europawahl rungsprozess und mit Hintergrundinformatio- nen zu den einzelnen Staaten. 2.3 Die Erweiterung der EU im Unterricht www.europa.wahl-baden-wuerttemberg.de Das Wahlportal der Landeszentrale für politi- www.europarl.eu.int/presentation/15plus/ www.elearning-politik.de/europa/didaktik/ sche Bildung Baden-Württemberg. default_de.htm Wie kann das Thema Europa und die Erweite- Das Europäische Parlament und die Erweite- rung der EU im Unterricht ansprechend umge- www.statistik-bw.de/Wahlen rung der Europäischen Union. Informationen setzt werden? Auf dieser Seite der Landeszen- Reichhaltige Informationen des Statistischen zur Geschichte der Erweiterung. trale für politische Bildung finden Sie zahlreiche Landesamts Baden-Württemberg mit Landes- Vorschläge für die Unterrichtsgestaltung: ne- und Regionaldaten. www.eiz-niedersachsen.de/frames-ewb.html ben Webquests oder Rollenspielen werden in- www.europa-eine-gute-wahl.de Interessante Website des Europäischen Infor- teressante Möglichkeiten vorgestellt, die mit Das Europäische Informationszentrum Nieder- mationszentrums (EIZ) Niedersachsen. dem PC bzw. im Internet oder aber auch ohne sachsen mit vielseitigen Informationen zu den www.europa.eu.int/pol/enlarg/index_de.htm PC im Unterricht umgesetzt werden können. Wahlen und dem Europäischen Parlament. Die Informationen der EU mit Links zu ihren aktu- Aufgaben und Rechte des Parlaments werden ellen Berichten zur Erweiterung. 2.4 Links zum EU-Beitritt der Türkei innerhalb eines virtuellen Rundgangs darge- www.auswaertiges-amt.de/www/de/ stellt und durch ein Glossar ergänzt. www.europa.eu.int/pol/enlarg/overview_de. htm laenderinfos/laender/laender_ausgabe_html? type_id=15&land_id=176 www.europa-digital.de/aktuell/dossier/ Animationen zum Thema EU-Erweiterung. wahl04 Informationen des Auswärtigen Amts zum EU- Fragen zur Europawahl mit Antworten der Lan- www.europa.eu.int/comm/enlargement/ Beitritt der Türkei. deszentrale für politische Bildung NRW in Zu- communication/ppt/erweiterung.ppt www.europa.eu.int/scadplus/leg/de/lvb/ sammenarbeit mit europa-digital (s.a. www.eu- Eine Powerpoint-Präsentation der EU zur Er- e40111.htm ropa-digital.de/aktuell/dossier/wahlkampf04). weiterung mit vielseitigen Informationen und Schaubildern zum Erweiterungsprozess. Informationen der EU zum Beitritt der Türkei. www.parties-and-elections.de/ U.a. werden hier die für die Türkei festgelegten indexd.html www.zdf.de/ZDFde/mediathek/0,1903,FL- Prioritäten aufgeteilt in einzelne Bereiche aus- Die Ergebnisse der Parlamentswahlen in den 2038203,00.html führlich dargestellt. europäischen Staaten seit 1945. Was halten die Bürger Europas von dem Bei- tritt? Eine Animation des ZDF, aufbauend auf www.europa.eu.int/comm/enlargement/ www.europarl.eu.int/workingpapers/poli/w13/ einer Umfrage der Europäischen Kommission report_2003/pdf/rr_tk_final_de.pdf country_de.htm im Rahmen des Eurobarometers unter ande- Regelmäßiger Bericht über die Fortschritte der Eine Übersicht über die Wahlgesetze der EU- rem zur Erweiterung und zur europäischen Türkei auf dem Weg zum Beitritt. Mitgliedsstaaten. Identität. www.mfa.gov.tr/grupa/ad/adc/default.htm 2. Links zur EU-Erweiterung www.zukunft- Englischsprachige Internetseite der türkischen europa.org/flash/flashabspiel.htm Regierung zum EU-Beitritt. 2.1. Hintergrundinformationen zum Erweite- Chancen und Auswirkungen der Osterweite- www.tuerkischebotschaft.de/de/eu/index.htm rungsprozess rung: eine sehr informative Flash-Animation Informationen der türkischen Botschaft in Ber- des Presse- und Informationszentrums der www.bpb.de/themen/AEEN2Y,0,0, lin, u.a. zur Geschichte der Beziehungen der Bundsregierung. Die_EUOsterweiterung.html Türkei zur EU. Das Angebot der Bundeszentrale für politische Bildung zum Thema EU-Erweiterung. 2.2. Daten und Hintergrundinformationen zu www.eab-berlin.de/berichte/tuerkei0602/ den neuen Mitgliedstaaten berichtfaruk_sen140602.PDF www.auswaertiges-amt.de/www/de/eu_politik/ vertiefung/erweiterung_html www3.mdr.de/scripts/eu-erweiterung/ Türkei-EU-Beziehungen aus der Sicht der »Eu- Informationen des Auswärtigen Amts mit in- output/frameset_main.html ropa-Türken«: Ein Bericht des Direktors des teressanten Links zu Dokumenten der Erweite- Vielseitige Hintergrundinformationen des MDR Zentrums für Türkeistudien in Essen. zu den Beitrittsstaaten mit integriertem EU-Le- rung. www.europa-digital.de/aktuell/dossier/ xikon. www.auswaertiges-amt.de/www/de/ tuerkei/index.shtml infoservice/download/pdf/publikationen/ www.zdf.de/ZDFde/mediathek/0,1903,FL- Dossier mit verschiedenen Berichten zum The- eu-erweiterung.pdf 2038203,00.html ma EU-Beitritt der Türkei von europa-digital. Eine Publikation des Auswärtigen Amtes zu Be- Vielseitige Informationen des ZDF zu den ein- www.zft-online.de/de/aktuelles/ deutung, Kosten und Ursachen der Erweite- zelnen Ländern. pressemitteilungen/detail.php? rung. www.europa-waechst- ds=7c0d367f7ee6871d51aa6ce398504f51 www.europa.eu.int/comm/enlargement/ zusammen.de/index.php?noflash=false Positive Einstellung der Deutschen zum EU- index_de.html Das Wirtschaftsministerium Baden-Württem- Beitritt der Türkei. Das Ergebnis einer Umfra- Die Europäische Kommission zur Erweiterung berg mit Informationen zur Geschichte, Ge- ge des Zentrums für Türkeistudien vom De- mit vielseitigen Informationen zum Erweite- genwart und Zukunft der EU. zember 2003. 72

… bei der Landeszentrale NEU für politische Bildung Baden-Württemberg

DIDAKTISCHE REIHE ZEITSCHRIFT Methodentraining für den DEUTSCHLAND & EUROPA Politikunterricht, herausgegeben Reihe für Politik, Geschichte, Deutsch, von Siegfried Frech, Hans Werner Kuhn, Geographie, Kunst, Heft 48/2004 Peter Massing, 240 Seiten, DIN A4, Rhône-Alpes: Partnerregion 5,- EUR zzgl. Versandkosten. Baden-Württembergs, 64 Seiten mit Abbildungen und Beiträgen.

REIHE BAUSTEINE Durch Faszination zur Macht – E-LEARNINGKURS die Faszination der Macht. Europ@Online für alle Zum Verhältnis von Macht und Manipu- März bis Mai 2004, lation. Handreichungen für den Unter- Dauer 8 Wochen, richt, herausgegeben von der LpB und 30,- EUR, Lehrende dem Erzieherausschuss der Gesellschaft bekommen den für christlich-jüdische Zusammenarbeit. Kurs zum Einsatz im Loseblattwerk, 47 Seiten, DIN A4. Unterricht kostenlos zur Verfügung gestellt. Info und Kontakt: www.elearning- REIHE „SCHRIFTEN ZUR politik.de/europa/anmeldung/2003/ POLITISCHEN LANDESKUNDE“ • Band 30: Martin Blümcke (Hrsg): Alltagskultur in Baden-Württem- CD-ROM berg, Stuttgart 2004, 230 Seiten, „Grundrechte-Jogging“ 5,- EUR zzgl. Versandkosten. Mit Eselsbrücken kann man hier die • Band 31: Michael Eilfort (Hrsg.): Grundrechte kennen lernen und sich Parteien in Baden-Württemberg, einprägen. 2,50 EUR zzgl. Versand- Stuttgart 2004, 270 Seiten, kosten oder kostenlos auf der LpB- 5,- EUR zzgl. Versandkosten. Homepage (www.lpb.bwue.de) zum Onlinespielen oder Herunterladen.

BESTELLUNGEN bitte an die Landeszentrale für politische Bildung, Marketing, Stafflenbergstr. 38, 70184 Stuttgart, Fax: 0711 164099-77 Die Publikationen sind, soweit nicht Landeszentrale e-Mail: [email protected] anders vermerkt, kostenlos. Sendungen für politische Bildung ab 1 kg Gewicht werden unfrei ver- Baden-Württemberg Web-Shop: www.lpb.bwue.de schickt. Boving, Dagmar: Countdown EU-Erweiterung, Berlin (Deut- Literaturhinweise: scher Industrie- und Handelstag) 2003. Boving, Dagmar: Die EU-Erweiterung, Berlin (Deutscher In- Europäische ntegration/I EU – allgemein dustrie- und Handelstag) 2003. Bergmann, Jan: Recht und Politik der Europäischen Union, Hasse, Rolf H. u.a (Hrsg.): Erweiterung und Vertiefung der eu- Grevenbroich (OMNIA) 2001. ropäischen Union, Baden-Baden (Nomos) 2000. Blume, Till u.a. (Hrsg.): Herausforderung Europa – von Visio- Hörburger, Hortense (Hrsg.): Einbahnstraße EU-Erweiterung, nen zu Konzepten, Baden-Baden (Nomos) 2003. Marburg (Schüren) 2001. Gasteyger, Curt: Europa von der Spaltung zur Einigung, Bonn Institut der deutschen Wirtschaft Köln (Hrsg.): Neue Sterne (Bundeszentrale für politische Bildung) 2001. am Himmel – die Osterweiterung der Europäischen Gehring, Thomas: Die Europäische Union als komplexe inter- Union, Köln 2003. nationale Organisation, Baden-Baden (Nomos) 2002. Langewiesche, Renate/Tóth, András (Hrsg.): Die Einheit Eu- Herz, Dietmar: Die Europäische Union, München (Beck) ropas. Zur politischen, wirtschaftlichen und sozialen Di- 2002. mension der EU-Erweiterung, Münster (Westfälisches Dampfboot) 2002. Holtmann, Dieter/Riemer, Peter (Hrsg.): Europa: Einheit und Vielfalt, Münster (Lit) 2001. Loth, Wilfried (Hrsg.): Vertiefung und Erweiterung der Eu- ropäischen Union, Opladen (Leske + Budrich) 2000. Jachtenfuchs, Markus/Kohler-Koch, Beate (Hrsg.): Europäi- sche Integration, Opladen (Leske + Budrich) 1996. Niedermayer, Oskar: Die öffentliche Meinung zur zukünftigen Gestalt der EU, Bonn (Europa Union) 2003. Laufer, Thomas (Hrsg.): Vertrag von Nizza, Bonn (Europa Union) 2002. Weise, Christian u.a.: Die Finanzierung der Osterweiterung der Europäischen Union, Baden-Baden (Nomos) 2002. Loth, Wilfried (Hrsg.): Das europäische Projekt zu Beginn des 21. Jahrhunderts, Opladen (Leske + Budrich) 2001. Mickel, Wolfgang W. (Hrsg.): Handlexikon der Europäischen Union, 3. Aufl., Grevenbroich (OMNIA) 2004. Literatur für Schülerinnen und Schüler: Pfetsch, Frank R.: Die Europäische Union. Geschichte, Insti- Brunn, Gerhard: Die europäische Einigung, Stuttgart tutionen, Prozesse, 2. Aufl., München (Fink) 2001. (Reclam) 2002. Schelonke, Michael: Die Zukunft Europas – Europapolitik vor Bundeszentrale für politische Bildung (Hrsg.): Europäi- neuen Herausforderungen, Paderborn u.a (Schöningh) sche Union. Informationen zur politischen Bildung Heft 2001. 279, Bonn 2003. Schmitz, Thomas: Integration in der supranationalen Union, Europäische Kommission (Hrsg.): Wer macht was in der Baden-Baden (Nomos) 2001. 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Themen- Bertelsmann Stiftung/Forschungsgruppe Europa (Hrsg.): blätter im Unterricht Nr. 15, hrsg. von der Bundeszen- Kosten, Nutzen und Chancen der Osterweiterung, Gü- trale für politische Bildung, Bonn 2003. tersloh (Bertelsmann Stiftung) 1998. Anschriften Hauptsitz in Stuttgart s. links * 70178 Stuttgart, Paulinenstraße 44–46, Fax 0711/164099-55 Abteilung/Tagungsstätte Haus auf der Alb, Hanner Steige 1, 72574 Bad Urach, Stafflenbergstraße 38, 70184 Stuttgart Tel. 07125/152-0, Fax -100 Telefax 0711/16 40 99-77 Außenstelle Freiburg, Friedrichring 29, [email protected] 79098 Freiburg, Tel. 0761/20773-0, Fax -99 http://www.lpb.bwue.de Außenstelle Heidelberg, Plöck 22, Telefon Stuttgart: 0711/16 40 99-0 69117 Heidelberg, Tel. 06221/6078-0, Fax -22 Durchwahlnummern Außenstelle Stuttgart, Paulinenstraße 44–46, Direktor: Dr. h. c. Siegfried Schiele ...... -60 70178 Stuttgart, Tel. 0711/164099-51, Fax -55 Referat des Direktors: Dr. Jeannette Behringer, Sabine Keitel .... -62 Außenstelle Tübingen, Herrenberger Straße 36, Controlling: Gudrun Gebauer ...... -11 72070 Tübingen, Tel. 07071/200-2996, Fax -2993 Frauenvertreterin: Gordana Schumann ...... 07125/152-121 LpB-Shops/Publikationsausgaben 1 Querschnittsabteilung Zentraler Service Bad Urach Tagungsstätte Haus auf der Alb, 11 Grundsatzfragen: Günter Georgi (Abteilungsleiter) ...... -10 Hanner Steige 1, (Tel. 07125/152-0) 12 Haushalt und Organisation: Jörg Harms ...... -12 Montag bis Freitag 8–16.30 Uhr 13 Personal: Ulrike Hess ...... -13 Freiburg Friedrichring 29 14 Information und Kommunikation: Wolfgang Herterich .... -14 (Martina Plajer, Tel. 0761/20773-10) 2 Querschnittsabteilung Marketing Dienstag und Donnerstag 9–15 Uhr 21 Marketing: Werner Fichter (Abteilungsleiter) ...... -63 Heidelberg Plöck 22 22 Öffentlichkeitsarbeit: Joachim Lauk ...... -64 (Maria Melnik, Tel. 06221/6078-11) Dienstag 9–15 Uhr, Mittwoch und Donnerstag 13–17 Uhr 3 Abteilung Demokratisches Engagement 31* Geschichte und Verantwortung: Stuttgart Stafflenbergstr. 38 Konrad Pflug (Abteilungsleiter) ...... -31 (Ulrike Weber, Tel. 0711/164099-66) 32 Frauen und Politik: Christine Herfel ... -32, Beate Dörr.... -75 Montag und Donnerstag 9–12, 14–17 Uhr, 33* Freiwilliges Ökologisches Jahr: Steffen Vogel ...... -35 Dienstag 9–12 Uhr 34 Jugend und Politik: Wolfgang Berger ...... -22 Tübingen Herrenberger Straße 36 35* Schülerwettbewerb des Landtags: Monika Greiner ...... -26 (Claudia Häbich/Sonja Danner, Tel. 07071/2002996) Mittwoch und Donnerstag 9.15–11.45 Uhr, 4 Abteilung Medien Dienstag 9.15–15 Uhr 41 Neue Medien: Karl-Ulrich Templ (stv. Dir., Abt.leiter) .... -20 42 Redaktionen Der Bürger im Staat/Didaktische Reihe: Nachfragen Siegfried Frech ...... -44 Publikationen (außer Zeitschriften) 43 Redaktion Deutschland und Europa: Ulrike Weber, Telefon 0711/164099-66 Dr. Walter-Siegfried Kircher ...... -43 [email protected] 44 Redaktion Politik und Unterricht/Landeskundliche Reihe: Der Bürger im Staat Dr. des. Reinhold Weber ...... -42 Barbara Bollinger, Telefon 0711/164099-21 5 Abteilung Regionale Arbeit [email protected] 51 Außenstelle Freiburg: Deutschland & Europa und Politik & Unterricht Dr. Michael Wehner, Tel. 0761/2077377 Sylvia Rösch, Telefon 0711/164099-45 52 Außenstelle Heidelberg: [email protected] Dr. Ernst Lüdemann (Abteilungsleiter), Tel. 06221/6078-14 Bestellungen 53* Außenstelle Stuttgart: bitte schriftlich an die zuständigen Sachbearbeiterinnen (s.o.): Dr. Iris Häuser, Tel. 0711/164099-52, Peter Trummer -50 54 Außenstelle Tübingen: Stafflenbergstr. 38, 70184 Stuttgart, Rolf Müller, Tel. 07071/2002996 Fax 0711/164099-77, E-Mail: [email protected] 6 Abteilung Haus auf der Alb Tel. 07125/152-0 Webshop: www.lpb.bwue.de 61 Natur und Kultur: Dr. Markus Hug (Abteilungsleiter) .... -146 62 Zukunft und Bildung: Robert Feil ...... -139 63 Europa – Einheit und Vielfalt: Dr. Karlheinz Dürr ...... -147 64 Frieden und Entwicklung: Wolfgang Hesse ...... -140 Thema des nächsten Heftes: 66 Modernisierung in Staat und Wirtschaft: Eugen Baacke ...... -136 Kinder 67 Bibliothek/Mediothek: Gordana Schumann ...... -121 68 Hausmanagement: Erika Höhne ...... -109

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