Deutschland Die Legende von Hilden Nachrichtendienste Der BND war nicht nur der NSA ein willfähriger Partner, sondern auch der CIA. In einer Geheimoperation machten sich deutsche Beamte möglicherweise strafbar.

ie wöchentliche Reinigung im öffentlichen Sitzung des NSA-Untersu - sich als Techniker des US-Mutterkonzerns „Büro für EDV Datenkommunika - chungsausschusses die Datenabschöpfung aus. In den Räumen, in denen die rund Dtionssysteme“ war bis ins Detail ge - beschrieben wurde, räumte er denn auch 200 Server standen, schlossen sie an die regelt. Alle Böden wurden gesaugt, die ein: „Was Sie da schildern, geht natürlich Glasfaserkabel ein Überwachungsgerät an, Fliesen abgeledert, der Abfall entsorgt und so gar nicht.“ Im BND selbst war man sich womit Gespräche und Faxe unbemerkt an Schreibtische wie Monitore abgewischt, für der möglichen Folgen der heiklen Opera - den BND und die CIA weitergeleitet wer - 143,20 Euro im Monat plus Mehrwertsteu - tion durchaus bewusst. In einem internen den konnten. Den deutschen Geschäfts - er. Außerdem, so stand es in der Verein - Papier von 2008 warnten die Verfasser vor führern erzählten sie angeblich, es handle barung mit der Reinigungsfirma, sollten einem „politischen Skandal“, sollte die sich um ein Warngerät gegen Internetkri - auch die „Fingerabdrücke an Türen und Operation auffliegen. Glotaic, das wird all - minelle. „Wir haben den Baum im Wald Schränken“ entfernt werden. Alle Spuren mählich deutlich, öffnet in der Affäre um versteckt“, sagte der verantwortliche BND- zu beseitigen, dafür war bestens gesorgt. den BND eine neue Dimension. Beamte im NSA-Untersuchungsausschuss. Das Büro auf 110 Quadratmetern, in das Die Geschichte der höchst fragwürdigen Vorausgegangen waren lange Verhand - der neue Mieter 2004 einzog, lag an einer Kooperation begann im Juli 2002, ein knap - lungen zwischen CIA, NSA und BND so - „sehr stark befahrenen Straße“ irgendwo pes Jahr nach den Anschlägen von 9/11. wie MCI, dessen amerikanische Geschäfts - in Bayern, die Kaution betrug 12 528 Euro. Die amerikanischen Geheimdienste such - führung in die Operation eingeweiht war. Zwei Tiefgaragenplätze wurden gemietet, ten fieberhaft nach Ansätzen, um dem Ter - Es gab wohl Streit zwischen CIA und NSA, für 80 Euro im Monat, dann konnte die rornetzwerk al-Qaida beizukommen. Die wer für die Operation verantwortlich sein Arbeit beginnen: Es war eine streng gehei - deutschen Dienste sahen sich vor der Auf - sollte. Die NSA war eigentlich zuständig me Operation namens „Glotaic“. Hinter gabe, in der Terrorismusabwehr „mehr Er - für technische Aufklärung, doch die CIA dem harmlos wirkenden EDV-Büro steckte gebnisse zu liefern“, wie es ein BND-Mit - behielt bei Glotaic die Regie. Sie führte der Bundesnachrichtendienst (BND). arbeiter im Untersuchungsausschuss for - damals den Krieg gegen den Terror, sie Nun, elf Jahre später, beschäftigen die mulierte. Um über mögliche gemeinsame entführte Terrorverdächtige und ließ sie Anmietung der Tarnimmobilie und die da - in Geheimgefängnissen foltern. Sollte auch mit verbundene Geheimaktion den NSA- Audiodaten der abgehörten Glotaic dafür Informationen liefern? Hal - Untersuchungsausschuss des Bundestages. fen die Deutschen also mit in diesem In der kommenden Woche sind Zeugen Gespräche wurden schmutzigen Krieg? geladen, die helfen sollen, die Hintergrün - offenbar direkt in die Zunächst galt es, die Frage zu klären: de von Glotaic aufzuhellen, jener Operati - Wie konnte man unauffällig Zugang zu on, die so geheim war, dass selbst ihr Name USA geroutet. den Kabeln in Deutschland bekommen? in Unterlagen und Vernehmungen lange Dazu machten die deutschen Beamten bei nicht genannt wurde. Von „Glo“ war nur Operationen zu beraten, trafen sich die einem Treffen im Juli 2003 offenbar einen die Rede, denn im zweiten Teil hätte man, Spitzen der Geheimdienste mal in Langley, ungewöhnlichen Vorschlag. Man könne )

rückwärts gelesen, den Kooperationspart - dem Hauptquartier der CIA bei Washing - der deutschen MCI-Tochter ja vortäuschen, . O (

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ner des BND entdecken können: die CIA, ton, mal im Saal „Alter Fritz“ in der Prä - eine Überwachungsgenehmigung zu besit - I A L

/ den Auslandsgeheimdienst der USA. sidentenvilla auf dem Gelände des BND zen, eine sogenannte G-10-Anordnung. N N Die zweifelhafte Zusammenarbeit von in Pullach bei München. Diese verpflichtet Telekommunikations - A M G N deutschen mit amerikanischen Diensten Glotaic, so war schließlich der Plan, soll - unternehmen, bei der Überwachung zu ko - I R E L hat schon für reichlich politische Empörung te in Hilden bei Düsseldorf den Telekom - operieren. Nach einem Vermerk des BND L E

N gesorgt, ein Untersuchungsausschuss des munikationsverkehr des Anbieters MCI lehnte der US-Chef von MCI die G-10-Le - A H P E Bundestages versucht seit März 2014, die überwachen. Die deutsche Tochter des US- gende ab. Er hätte zu viele Personen im T S

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Ausspähungen durch ausländische Nach - Unternehmens bot günstige Tarife für Te - Unternehmen einweihen müssen. Deshalb U (

S richtendienste in Deutschland aufzuklären. lefonate in den Nahen Osten an und hatte entschied die Runde wohl, die deutschen E M I T

Bislang stand dabei die Kooperation der viele Kunden. Hilden war neben London MCI-Chefs im Dunkeln zu lassen. K R O Y NSA, des technischen Auslandsgeheim - der wichtigste Knotenpunkt für den inter - Allein der Versuch, eine G-10-Anord - W E N dienstes der USA, mit dem BND im Mit - nationalen Telefonverkehr des US-Riesen, nung vorzutäuschen, wäre nach Meinung E H T

telpunkt. Die Operation Glotaic offenbart der heute zum Verizon-Konzern gehört. des Berliner Juraprofessors und Experten / T T E

nun, dass auch die CIA, eher zuständig für Ziel sei es, so steht es in einer Vor - für Internetrecht Niko Härting eine Straf - N R U B die Beschaffung von Informationen durch lage für den damaligen BND-Präsidenten tat. „Wir reden mindestens von Urkunden - D I V Agenten und Informanten, den BND dazu August Hanning, die Transitverkehre in fälschung und Amtsanmaßung.“ Der Karls - A D

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F benutzte, an Daten aus deutschen Telekom - Deutschland aufzuklären, vor allem bei ruher Verfassungsrechtler Matthias Bäcker, I A L / munikationsnetzen zu gelangen. Terrorfinanzierung und Geldwäsche. Al - der im NSA-Untersuchungsschuss bereits X U D E

Die Deutschen halfen dabei so eifrig mit, lerdings sollten nur Inhaltsdaten von Te - als Sachverständiger auftrat, sieht ebenfalls R / S E

dass sie den Amerikanern direkten Zugriff lefonaten und Telefaxen zwischen aus - die Grenze zur Strafbarkeit überschritten. M I T K

auf die Daten ermöglichten. Nach Einschät - ländischen Anschlüssen herausgefiltert „Wenn diese Angaben so stimmen sollten, R O Y W

zung von Rechtsexperten könnten sie sich werden. Deutsche Kunden sollten nicht be - wäre das skandalös.“ E N

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zudem strafbar gemacht haben. lauscht werden. Wie geheim der BND die Operation Glo - H T

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Als Innenminister Thomas de Maizière Im Mai 2004 betraten mehrere BND- taic hielt, zeigt auch eine Anordnung Han - S O T O

(CDU) von Abgeordneten in einer nicht Leute die MCI-Büros in Hilden. Sie gaben nings vom 15. Oktober 2003. Alle operati - F

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erhalten“, versicherte ein BND-Beamter. Entweder wusste er von der amerikani - schen Leihgabe nichts, oder er log die Par - lamentarier an. Dass die Operation auch von Pannen begleitet war, gab der verantwortliche BND-Mann hingegen unumwunden zu. Versehentlich seien Anfang 2005 auch Te - lefonate von Europäern überwacht wor - den. In einer internen E-Mail des BND spricht der Verfasser sogar von Strecken mit „massiv deutschen Verkehren“. Nach Meinung des BND-Kenners und Verfas - sungsrechtlers Bäcker kommt das öfter vor. „Dass auch die Kommunikation deutscher Grundrechtsträger mit abgefangen wird, halte ich technisch für unvermeidlich.“ Die Betroffenen hätten dann das Recht, über ihre Überwachung Auskunft zu erhalten. „Dafür müssten sie aber erst mal wissen, dass sie überwacht wurden.“ Nach außen erklärt der BND die Ope - ration Glotaic für legal. Telefonate vom FDP-Chef Lindner in *: „Opposition ist auch nicht Mist“ Ausland zum Ausland seien durch das Grundgesetz nicht geschützt. Für die Ope - große Hoffnungen gesetzt hatten – eine Ko - ration habe das BND-Gesetz gegolten, sag - alition mit den Grünen nach der nächsten te ein Beamter im Ausschuss aus. Eine Auf - Die gelbe Bundestagswahl. Schwarz-Grün, so die Er - fassung, die Verfassungsrechtler Bäcker für wartung, wäre die richtige Konstellation, „problematisch“ hält: „Die Überwachung um das Image der CDU zu entstauben. von Telekommunikationsinhalten ist näm - Gefahr Mit einem Wiedereinzug der FDP in den lich im BND-Gesetz gar nicht geregelt.“ hätten sich die schwarz-grünen Internetrechtler Härting sieht es genauso: Bündnisse Die FDP darf auf Träume wohl erledigt. Falls es mit den Li - „Wer behauptet, Artikel 10 des Grund- beralen reichen sollte, wäre es kaum mög - gesetzes, der das Fernmeldegeheimnis eine politische Wiederauf - lich, vor den CDU-Wählern und der Par - schützt, gelte nicht für in Deutschland erstehung hoffen. Die Anhänger teibasis den Pakt mit den Grünen zu recht - überwachte Kommunikation aus dem Aus - von Schwarz-Grün in der fertigen. Merkel selbst bezeichnete die land, steht mit dieser Meinung ziemlich FDP auf dem Bundesparteitag im Dezem - allein da.“ Union sehen das mit Schrecken. ber als „natürlichen Koalitionspartner“ der Intern beurteilte der Bundesnachrich - Union. Diese Worte hängen ihr nun an. tendienst seine geheime Aktion denn auch er dieser Tage Dabei hatten nach der vergangenen Bun - höchst kritisch. In einem „Stammblatt“ trifft, erlebt einen veränderten destagswahl selbst erklärte Konservative vom April 2008 warnen die Verfasser: Eine WMann. Das angestrengt Schnei - wie der stellvertretende CDU-Chef Tho - Aufdeckung der Operation hätte „schwer - dige, Westerwellehafte, das der FDP-Chef mas Strobl dafür plädiert, die Grünen als wiegende Risiken“ für den BND zur Folge, seit dem Desaster seiner Partei bei der ver - Partner nicht zu vernachlässigen. Merkel vor allem, wenn bekannt würde, dass die gangenen Bundestagswahl vor sich hertrug, war bereit, sich auf das Experiment einzu - Überwachung nicht durch das G-10-Gesetz ist verschwunden. Lindner wirkt neuer - lassen, und an der Union scheiterten die gedeckt gewesen sei. Man würde Vertrau - dings entspannt, wenn er über die Libera - Gespräche dann auch nicht, sondern an en verlieren, bei den Parlamentariern, in len spricht. Seine Wandlung ist nicht ver - der Grünen-Spitze. Seither schien der Start den Kontrollgremien und in der Öffent - wunderlich. Im Februar zog die FDP unter des Projekts Schwarz-Grün nur eine Frage lichkeit. Selbst eine „Schadensersatzklage“ der Führung von Katja Suding gestärkt in der Zeit zu sein. Selbst überzeugte Anhän - der US-Firma Verizon wird befürchtet, da die Hamburgische Bürgerschaft ein, knapp ger einer christlich-liberalen Koalition in bei Enthüllung der Spähaktion mit der Ab - drei Monate später gelang überraschend der CDU räumen ein, dass diese Aussicht wanderung von Kunden zu rechnen sei. der Sprung in die Bremische Bürgerschaft. nicht viele begeistert. „In Teilen der CDU Außerdem drohe die „Aufdeckung ähn- Bei den Landtagswahlen in Baden-Würt - gibt es eine Stimmung für Schwarz-Grün“, licher Operationen mit mindestens ebenso temberg und Rheinland-Pfalz im März ist sagt der Mittelstandspolitiker Carsten Lin - schwerwiegenden Risiken“. War Glotaic sogar eine Regierungsbeteiligung nicht aus - nemann. „Manche haben die Koalition mit also erst der Anfang? geschlossen. Und bundesweit nähert sich der FDP nicht nur in positiver Erinnerung.“ Gegenüber dem  wollten sich die FDP wieder der Fünfprozentmarke. Das ist diplomatisch formuliert. Ein Wirt - weder BND noch CIA zu ihrer geheimen Lindner hat Grund zur Zuversicht. schaftspolitiker wie Linnemann mag für Operation äußern. Auch Verizon hielt sich Was Lindner beglückt, löst anderswo Be - eine „zweite Chance“ für die Liberalen plä - bedeckt. Man betrachte das Thema als sorgnis aus. Ausgerechnet in der CDU sehen dieren, doch viele Unionsabgeordnete er - F I

„eine Angelegenheit zwischen zwei Regie - viele mit Sorge, dass in der FDP noch Leben innern sich an die Zusammenarbeit mit der A L / T L

rungen“, teilte die US-Zentrale mit. steckt. Ihr Wiederaufstieg gefährdet ein Pro - Laienspieltruppe um Westerwelle, Rösler R A

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Maik Baumgärtner, Martin Knobbe, Jörg Schindler jekt, in das viele CDU-Abgeordnete im Um - und Brüderle mit Schaudern. Und einige E N N Mail: [email protected] feld von Bundeskanzlerin weisen darauf hin, dass die Union in der A H O J

[email protected] Griechenlandpolitik bei der jüngsten Ab - : O T O

Twitter: @MartinKnobbe * Mit Parteikollegin Katja Suding Mitte Januar. stimmung mit der FDP keine Mehrheit ge - F

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