DIE WEISHEIT DER PARTEI EIN ABRISS DER GESCHICHTE DES ÄLTES­TENRATS DER LINKEN DIE WEISHEIT DER PARTEI EIN ABRISS DER GESCHICHTE DES ÄLTES­TENRATS DER LINKEN IMPRESSUM

Herausge­geben von der Rosa-Luxemburg-Stiftung­ 2. Auflage 2019­ V. i. S. d. P.: Ulrike Hempel­ Franz-Mehring-Platz 1 · 10243 · www.rosalux.de ISBN 978-3-9818987-6-7 · Redaktionsschluss: Juni 2018­ Korrektorat: Angelika Nguyen, Marion Schütrumpf Layout/Herstellung: MediaService GmbH Druck und Kommunikation INHALT

Zum Geleit 4

Die Weisheit der Partei 8 Warum schuf sich die SED/PDS einen Rat der Alten? 9 Der Rat der Alten der PDS als Mahner der Partei und ihrer Führung 13 Der Ältestenrat der Partei DIE LINKE als kritischer Begleiter ­ des Partei­formierungsprozesses 38 Europa-Politik im Zentrum der Aufmerksamkeit 61

Zeittafel 84

Personelle Zusammen­setzung 98

Biografische Skizzen 104

Dokumente 118 Satzung des Ältestenrates der Partei DIE LINKE 119 Erklärungen und Stellung­nahmen 120

Nach­betrachtung 160 ZUM GELEIT 4 — 5

In vielen Kulturen der Welt finden sich Hinweise Die Älteren unter ihnen hatten Krieg und fa- auf einen «Rat der Alten», einen «Ältestenrat» schistische Diktatur erlebt, waren im Wider- oder den Stammesältesten. Die Gerusia – der stand oder in der Emigration, wollten nach Ältestenrat im antiken Sparta – wird häufig im dem Krieg eine gerechte Gesellschaft auf- Kreuzworträtsel nachgefragt. Lebensweishei- bauen und erlebten nun das Ende ihrer Hoff- ten, Erfahrungen, der Rat der Älteren einer nungen. Aber sie wollten nicht aufgeben. Viele Gesellschaft wurden und werden gehört. Ein erkannten Fehler, Versäumnisse, Irrtümer, bekanntes deutsches Sprichwort fordert: «Die auch eigene, und wollten sich aktiv einbringen Ansicht eines Weisen und den Rat eines Grei- in die Erneuerung ihrer Partei. sen soll man nicht von sich weisen.» Es waren Künstlerinnen und Künstler, Wis- In der politischen Wendezeit verließen tau- senschaftlerinnen und Wissenschaftler, Poli- sende Mitglieder der SED ihre Partei. Die tikerinnen und Politiker, zugegeben lange Zeit Gründe waren sehr vielschichtig. Da waren die mit deutlichem Übergewicht männlicher Re- Ent- bzw. Getäuschten, die an eine neue Ge- präsentanten, die auf dem Außerordentlichen sellschaft geglaubt hatten, die sich mit ganzer Parteitag der SED/PDS im Dezember 1989 Kraft in deren Aufbau einbrachten und nun vor gebeten wurden, in einem Rat der Alten ihren den Scherben ihrer Hoffnungen standen. Sie Beitrag zur Aufarbeitung der Geschichte von zweifelten an sich, an ihren Lebenszielen, fühl- DDR und SED zu leisten und zugleich den Ver- ten ihre Ideale verraten. änderungsprozess der SED zu unterstützen. Zu Da waren aber auch die, die sehr schnell er- denen zählten in den ersten Jahren auch Men- kannten, dass mit dieser Partei, der sie oftmals schen wie Walter Janka und , ihre Laufbahn verdankten, keine Karriere mehr die in DDR-Zeiten in Ungnade gefallen waren. zu machen ist. Da war das Parteibuch dann gehörte von Anfang an zu den schnell entsorgt. Nicht wenige von ihnen wur- aktiven Förderern des Rates. So brachte er den später zu den heftigsten Gegnern und sind 1990 in das Präsidium des Parteivorstandes heute längst in konformen Parteien unterge- «Vorschläge für eine effektivere Gestaltung schlüpft. Und dann gab es die Mitglieder, die der Tätigkeit des Rates der Alten» ein. Seit die Ereignisse im Sommer und Herbst 1989 1991 ist er dessen Vorsitzender. Blickt man auf als Chance für Veränderung sahen, ohne ihre die personelle Zusammensetzung des Ältes­ Vorstellungen einer gerechten Welt aufgeben tenrates seit seiner Gründung bis heute (vgl. zu müssen. dazu Anhang: Personelle Zusammensetzung) fällt auf, dass nicht wenige Mitglieder eher zu tuell und eben nicht ausreichend beantwortet. den «Querdenkern» der Partei zu zählen sind. Dazu gehört die Frage nach dem Platz der LIN- Lebhaft kann man sich dann kontroverse Dis- KEN im politischen System der Bundesrepub- kussionen bei den Sitzungen vorstellen. Über- lik und deren Beziehung zu Europa ebenso wie einstimmend wird aber von allen betont, dass die nach dem Verhältnis zur SPD aus histori- es trotz manch unterschiedlicher Sichtweisen scher und aktueller Sicht. und Herkunft immer Respekt im Umgang mit- Immer wieder angemahnt wurde die Notwen- einander und eine große Kompromissbereit- digkeit einer tiefgreifenden strategischen De- schaft gab. Auftretende Ost-West-Dissonan- batte über eine gesellschaftliche Alternative, zen wurden, anders als oftmals in der Partei die aus Sicht des Ältestenrates nur eine anti- selbst, kulturvoll ausgetragen. kapitalistische sein könne. Kritisch begleitet Jochen Weichold und dem Kollektiv des Histo- wurde und wird die Regierungsbeteiligung rischen Zentrums des demokratischen Sozia- von PDS/DIE LINKE in einigen Bundesländern lismus der Rosa-Luxemburg-Stiftung gebührt und die Diskussion um eine Regierungsbeteili- ein großer Dank für den historischen Abriss zur gung auf Bundesebene. Geschichte des Ältestenrates der SED/PDS/ Von nicht zu unterschätzender Bedeutung war DIE LINKE und für die Zusammenstellung in- die «Einmischung» des Ältestenrates in die Be- teressanter Dokumentationen, die sich im An- wältigung krisenhafter Entwicklungen in der hang finden. Parteigeschichte. Und es war der Ältestenrat, Es lohnt aber auch aus anderer Perspektive, der sich mit jugendpolitischen Grundsätzen sich mit der Geschichte dieses Gremiums zu auseinandergesetzt hat und forderte, jungen befassen. Dass es den Ältestenrat bis heute Mitgliedern mehr Chancen auf Mitgestaltung gibt, ist der großen Hartnäckigkeit einiger der Parteiarbeit auf allen Ebenen zu geben. Ne- Unentwegten, wie etwa Hans Modrow, zu ben grundsätzlichen Themen hat sich das Gre- danken, die immer wieder den Finger in die mium aber immer wieder auch aktuellen poli- berühmte Wunde legten, im besten Sinne als tischen Entwicklungen gewidmet. Das waren «Mahner» der Partei und kritischer Begleiter internationale Ereignisse genauso wie Folgen auftraten und -treten. von Rentenungerechtigkeit oder Auswirkun- Viele Fragen, mit denen sich die Mitglieder des gen der Massenarbeitslosigkeit. Ältestenrates in seiner bald 30-jährigen Ge- In diesen nun fast 30 Jahren sind eine Vielzahl schichte befassten, sind auch heute noch ak- von Diskussionspapieren entstanden, die es 6 —7 lohnt, auch heute noch zu lesen. Dazu gehö- die Frage gestellt, ob der Ältestenrat überhaupt ren die Erklärung «Wir brauchen Meinungs- von der Partei gebraucht würde. Bereits 1993 vielfalt und gemeinsames Handeln» von 1991, gab es im Rat einen Antrag auf Auflösung. der Brief «Unverwechselbares sozialistisches Interessant ist auch der Hinweis, dass der Ältes­ Profil» von 2002 oder die Erklärung «Für die Er- tenrat erst mit Beschluss des Erfurter Parteita- neuerung einer Europa-Diskussion in der Par- ges 2011 in die Satzung aufgenommen wurde. tei DIE LINKE» vom März 2018. Ein Blick in die Geschichte des Ältestenrates, Nach der letzten Bundestagswahl von Septem- so wie er mit dem jetzt vorliegenden histori- ber 2017 mahnte der Ältestenrat eine selbstkri- schen Abriss von Jochen Weichold möglich tische Analyse der Ergebnisse an und forderte, ist, ein Blick vor allem auf Ergebnisse seiner Ar- dass die Partei wieder zur «Kümmererpartei» beit, sollte allerdings als Aufforderung an den werden sollte. Das Gremium schloss sich aus- Parteivorstand verstanden werden, den Rat der drücklich der Position von Horst Kahrs, Refe- Alten ernst zu nehmen, ihm einen festen Platz rent der Rosa-Luxemburg-Stiftung, an, der in den Debatten des Parteivorstandes, der Par- feststellte, «dass ein stabiles Ergebnis für eine teitage und vor allem der Parteibasis einzuräu- Partei, die auf fortschrittliche gesellschaftliche men. Veränderungen setzt, nicht befriedigen kann.» Austausch und Streit der Generationen müssen Ganz sicher war der Ältestenrat zu keinem Zeit- als belebendes Element der Parteientwicklung punkt ein bequemer Partner für den Parteivor- genutzt werden. Der Ältestenrat der LINKEN stand. Das wollte und sollte er auch nicht sein. sollte seine Aufgabe als «Mahner und Berater» Immer wieder haben Mitglieder des Gremiums auch künftig engagiert wahrnehmen. JOCHEN WEICHOLD DIE WEISHEIT DER PARTEI EIN ABRISS DER GESCHICHTE DES ÄLTESTENRATS DER LINKEN 8 — 9

Der Ältestenrat der heutigen Partei DIE LINKE einzuladen»3. Es handele sich um Ernst Engel- hat einen Vorgänger: den Anfang 1990 ge- berg, Herbert Fechner, Erwin Geschonneck, schaffenen Rat der Alten der Sozialistischen Harald Hauser, Stephan Hermlin, Benny Heu- Einheitspartei Deutschlands/Partei des Demo­ mann, Walter Janka, Erich Knorr, Jürgen Ku- kratischen Sozialismus (SED/PDS), zunächst czynski, Gerhard Leo, Gunther Kohlmey, Kurt auch als «Beirat der Alten» bezeichnet, der seit Maetzig, Moritz Mebel, Arno Mohr, Bernhard dem 27. April 2001 den Namen «Ältestenrat Quandt, Eberhard Rebling, Wolfgang Ruge, der PDS» trug.1 Karl Schirdewan, Steffi Spira, Friedel Trappen, Ruth Werner und Markus Wolf.4 Vorwiegend aus diesem Personenkreis erfolgte am 12. Ja- WARUM SCHUF SICH DIE SED/PDS nuar 1990 die offizielle Konstituierung des EINEN RAT DER ALTEN? Rates der Alten beim Parteivorstand der SED/ PDS.5 Auf dem Außerordentlichen Parteitag der Jürgen Kuczynski reklamierte später in einem SED/PDS erklärte der damalige stellvertre- Brief an das Präsidium des Parteivorstandes tende Parteivorsitzende Wolfgang Berghofer der PDS vom 29. Oktober 1990 die Idee, ei- am 16. Dezember 1989 im Auftrag der Ta- nen Rat der Alten zu schaffen, für sich.6 Edwin gungsleitung, dass es der Parteivorstand für Schwertner, in den 1990er Jahren einer der angebracht hält, dass der Parteivorsitzende drei Sprecher des Rates, nannte neben Ku­ einen Rat «aus älteren, kampfer- czynski namentlich noch Stephan Hermlin und fahrenen Genossen» beruft, «um sich mit ihm entsprechend den Erfordernissen zu Grundfra- gen der Theorie und Praxis, der Politik zu kon- 1 Vgl. Edwin Schwertner: Dem Grundkonsens der PDS ver- sultieren»2. Dem Parteivorsitzenden als Jünge- pflichtet. Zur Geschichte des «Rates der Alten» beim Parteivor- stand. In: Disput, Berlin, 2003, Nr. 1, S. 35. 2 Außerordentli- rem sollten die Erfahrenen beratend zur Seite cher Parteitag der SED/PDS. Protokoll der Beratungen am 8./9. gestellt werden. Berghofer informierte darü- und 16./17. Dezember 1989 in Berlin, hrsg. von Lothar Horn- ber, dass «das Präsidium des Parteivorstandes bogen, Detlef Nakath, Gerd-Rüdiger Stephan, Berlin 1999, S. 172. 3 Ebenda, S. 172/173. 4 Vgl. ebenda, S. 173. 5 Vgl. folgende Genossinnen und Genossen um ihre ebenda. 6 Vgl. Brief von Jürgen Kuczynski vom 29. Oktober Mitarbeit in diesem Rat bittet und beabsich- 1990 an das Präsidium [des Parteivorstandes] der Partei des De- mokratischen Sozialismus. In: Archiv Demokratischer Sozialis- tigt, sie und weitere Genossinnen und Genos- mus (Kurzform: ADS), Bestand Parteivorstand der PDS – Die Ära sen in Kürze zu einer ersten Zusammenkunft Gysi (1989 bis 1993) (Kurzform: PDS-PV), Signatur 339, Bl. 46. Markus Wolf als Anreger für die Schaffung ei- Mitbestimmung», schrieb Edwin Schwertner nes solchen Gremiums.7 Das erklärt das Über- rückblickend. «Sie traten aktiv für die Erneu- gewicht von Kommunisten jüdischer Herkunft erung der SED/PDS als Partei des demokrati- im Rat in den Anfangsjahren seines Beste- schen Sozialismus ein.»10 hens. Um dem neuen Gremium die notwen- Zum Hintergrund der Schaffung eines Ra­ dige Repräsentativität zu verleihen, bedurfte tes der Alten gehört auch, dass der seit dem es der Herstellung einer bestimmten poli- Spätherbst 1989 vorangetriebene Erneue- tisch-gesellschaftlichen Breite in seiner perso- rungsprozess der Partei nicht nur auf das Auf- nellen Zusammensetzung – eine Aufgabe, der brechen verkrusteter Parteistrukturen und auf sich mit der Auswahl der Mitglieder des Rates einen personellen Wechsel in den Führungs- der Alten und ihrer Gewinnung insbesondere etagen gerichtet war, sondern auch auf eine Prof. Dr. , Mitglied des deutliche Verjüngung des Führungspersonals. Bundesvorstandes der PDS, und Heinz Vietze, Die Mitglieder der neu gewählten Führungs- der langjährige stellvertretende Vorsitzende riege der SED/PDS auf der Republik-, Bezirks- bzw. Parlamentarische Geschäftsführer der und Kreisebene waren zumeist zwischen 40 PDS-Fraktion im Landtag von , und 50 Jahre alt oder jünger. Eine immobile widmeten (wie auch dann wieder 2007 Heinz Parteiführung, wie sie 1989 exemplarisch das Vietze gemeinsam mit Thomas Händel, dem SED-Politbüro verkörperte, dessen Mitglieder Schatzmeister der WASG, bei der Bildung des zu einem großen Teil längst im Rentenalter Ältestenrates der Partei DIE LINKE).8 waren, sollte in Zukunft verhindert werden. Gründungsmitglieder des Rates waren ältere Dem diente nicht zuletzt die Einführung einer und in der Politik erfahrene Mitglieder der SED/PDS, die in der Vergangenheit oftmals Schwierigkeiten mit der offiziellen Politik der 7 Vgl. Edwin Schwertner: Dem Grundkonsens der PDS ver- SED hatten, unter ihnen aus der Partei Ausge- pflichtet, a.a.O., S. 34. 8 Vgl. Telefongespräche des Autors schlossene, Verfolgte und Inhaftierte, oder die mit Heinz Vietze am 10. und am 20. April 2018. 9 Vgl. Edwin durch ihr künstlerisches Schaffen bzw. als an- Schwertner: Dem Grundkonsens der PDS verpflichtet, a.a.O., S. 34; Bericht des Ältestenrates an die 2. Tagung des 4. Parteita- erkannte Wissenschaftler bekannt waren und ges der Partei DIE LINKE. URL: https://archiv2017.die-linke.de/ damit Vertrauen auch über die Partei hinaus fileadmin/download/parteitage/berlin2014/berichte/berlin2014_ 9 bericht_aeltestenrat.pdf (abgerufen am 22.03.2018). 10 Edwin erworben hatten. «Ihr Anliegen war eine bes- Schwertner: Dem Grundkonsens der PDS verpflichtet, a.a.O., sere DDR, waren mehr Demokratie und echte S. 34. 10 —11

Begrenzung der Amtszeit für hauptamtliche Als die 1. Tagung des 2. Parteitages der PDS, Wahlfunktionen auf zehn Jahre.11 Gabriele die am 26. und 27. Januar 1991 in Berlin zu- Zimmer, die Vorsitzende der Fraktion Vereinte sammentrat, die Bildung eines Parteirates als Europäische Linke/Nordische Grüne Linke Delegiertengremium der Gesamtpartei mit (GUE/NGL) im Europa-Parlament, erinnerte Konsultativ- und Kontrollfunktion beschloss, in einem Interview Anfang Februar 2018 «an fand auch der Rat der Alten Berücksichtigung. den Grundsatz aus dem Ende der DDR-Zeit, als Diesem 75-köpfigen Gremium sollten nicht wir davon gesprochen haben, dass rechtzeitig nur geheim gewählte Vertreter*innen der Wechsel stattfinden müssen. Wohin das Kle- Landesverbände, der bundesweit agieren- ben an Posten führt, haben wir in der DDR ja den Interessen- und Arbeitsgemeinschaften, erlebt.»12 Andererseits sollte der Erfahrungs- Plattformen u. ä. innerparteilicher Zusammen- schatz der alten Parteimitglieder bewahrt und schlüsse sowie der Bundestagsfraktion ange- für die Arbeit der Partei fruchtbar gemacht hören, sondern auch zwei Vertreter des Rates werden. Der Rat sollte auf diese Art und Weise der Alten.13 Im Statut der PDS fand der Rat der mithelfen, von der alten SED zur neuen PDS zu Alten als «Beirat der Alten» erstmals in der Fas- kommen. sung vom Juni 1991 Erwähnung – und zwar Obwohl die personelle Zusammensetzung im Kontext des Parteirates. Dem Parteirat, so des Rates der Alten keineswegs spannungs- wurde damals beschlossen, gehören neben frei war, spielten in den Debatten im Rat die Vertretern anderer innerparteilicher Zusam- verschiedenen Strömungen und Plattformen in der Partei keine Rolle, wohl aber verschie- dene politisch-ideologische Standpunkte, Le- 11 Im Statut der SED/PDS vom 17. Dezember 1989 wurde fest- benserfahrungen und Lebenswege. Als zum gelegt, dass hauptamtliche Wahlfunktionen der Partei nicht Beispiel Mitte der 1950er Jahre Walter Janka länger als 10 Jahre auf der gleichen Ebene ausgeübt werden dürfen. Vgl. Statut der SED/PDS – Partei des Demokratischen in einem politischen Prozess in der DDR vor Sozialismus. In: Außerordentlicher Parteitag der SED/PDS – Par- Gericht stand, saß Karl Schirdewan zur glei- tei des Demokratischen Sozialismus. 8./9. und 16./17. Dezember chen Zeit im Politbüro des Zentralkomitees 1989, Berlin 1990, S. 145. 12 Keine gemeinsame Vision von Europa. Gabriele Zimmer über die Linke und die LINKE und deren der SED, bevor auch er 1958 in Ungnade fiel. Leerstellen in Sachen europäische Integration [Interview]. In: Altersweisheit und Altersmilde waren sicher Neues Deutschland, Berlin, 06.02.2018, S. 3. 13 Vgl. Beschluß des 2. Parteitages der PDS über die Bildung eines Parteirates. In: moderierende Faktoren für die Arbeit im Rat 2. Parteitag [der PDS], 1. Tagung, Berlin, 26./27. Januar 1991, der Alten. [Berlin 1991], S. 203/204. menschlüsse auch solche des «Beirates der effektivere Gestaltung der Tätigkeit des Rates Alten» an.14 der Alten zu unterbreiten: Die Beratungen des Der Rat der Alten fungierte seit seinen ersten Rates der Alten seien in Zukunft längerfristig Tagen als Beratungsorgan für den Parteivor- nach Themen und Terminen zu planen, und sitzenden und für den Parteivorstand. «Er notwendige Materialien für den Erfahrungs- funktionierte völlig unkompliziert», erinnerte austausch seien rechtzeitig auszuarbeiten sich Edwin Schwertner 2003. «Bei Bedarf und zu unterbreiten. Die Beratungen seien in wurde seine Meinung oder die einzelner Mit- der Regel zu einem begrenzten Thema vorzu- glieder eingeholt, es gab größere und kleinere bereiten und durchzuführen. Für den Monat Diskussionsrunden und viele Einzelgesprä- Oktober 1990 schlug Modrow das Thema «Zur che.»15 Dabei sei es meist um die Diskussion Wahlstrategie der PDS» vor. Er regte zudem über die Vergangenheit, über Probleme auf an, die Zusammensetzung des Rates der Alten dem Weg von der SED zur PDS und über die so zu ergänzen, dass auch solche älteren Par- Rolle einer neuen, linkssozialistischen Partei teimitglieder, die inzwischen die Erneuerung in der damals noch existierenden DDR ge- der Partei aktiv mitgestaltet hätten, aufgenom- gangen. Ein Arbeitsplan habe nicht existiert. men werden. Schließlich empfahl Hans Mo- Beratungen hätten von Fall zu Fall oder auf drow, regelmäßig gemeinsame Beratungen Wunsch des Parteivorsitzenden stattgefun- mit Vertretern der Arbeitsgemeinschaft Junge den.16 Die Erklärungen und Stellungnahmen, Genoss*innen durchzuführen.18 Das Präsidium die der Rat der Alten und später (bis heute) des Parteivorstandes der PDS folgte diesen der Ältestenrat öffentlich abgaben, kamen oft nach langen Diskussionen zustande und spie- gelten jeweils die Mehrheitsmeinung im Rat 14 Vgl. Statut der Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS). wider.17 In: 2. Parteitag [der PDS], 2. Tagung, Berlin, 21. bis 23. Juni 1991, [Berlin 1991], S. 127. 15 Edwin Schwertner: Dem Grundkon- Allerdings brachten die einzelnen Mitglieder sens der PDS verpflichtet, a.a.O., S. 34. 16 Vgl. ebenda. 17 So des Rates in der Anfangszeit jene Themen Aussagen von Teilnehmer*innen an den Beratungen. Vgl. und Besorgnisse in die Debatten ein, die ihnen Gespräch mit Evelin Nowitzki am 13. März 2018 im Karl-Lieb- knecht-Haus in Berlin; Telefongespräch mit Moritz Mebel am besonders dringlich erschienen. Das veran- 23. März 2018. 18 Vgl. Ehrenvorsitzender der PDS [Hans Mo- lasste den Ehrenvorsitzenden der PDS, Hans drow]: Vorlage für das Präsidium des Parteivorstandes der PDS. Betr.: Vorschläge für eine effektivere Gestaltung der Tätigkeit Modrow, im Juli 1990 dem Präsidium des des Rates der Alten, Berlin, 17.7.1990. In: ADS, PDS-PV - 191, Parteivorstandes der PDS Vorschläge für eine Bl. 44/45. 12 —13

Vorschlägen und fasste am 23. Juli 1990 einen text verlangte Kuczynski, dass die Partei end- gleichlautenden Beschluss.19 lich ideologisch in die Offensive gehen müsse. Die Zusammensetzung des Rates der Alten Es reiche nicht aus, wenn Gregor Gysi selbst veränderte sich im Laufe der Jahre mehrfach. sowie André Brie, der schön schreiben könne, «Ein relativ großer Teil der Gründungsmitglie- und Klaus Höpcke, der klug argumentieren der ist inzwischen verstorben, einige haben könne, in den Medien präsent seien. Wo blie- ihre Mitarbeit eingestellt und neue Mitglieder ben die anderen Präsidiumsmitglieder, warum aus den alten Bundesländern kamen hinzu»20, höre man so wenig von den Sitzungen des Prä- stellte Edwin Schwertner bereits 2003 fest. sidiums?23 Zudem sei das der PDS nahe ste- Ab 2001 seien – so Schwertner – unter ande- hende «Neue Deutschland» – «in schärfstem ren hinzugekommen: Hans-Dieter Fritschler, Gegensatz» etwa zur «» – Prof. Dr. Erich Hahn, Klaus Herrmann (Nie- «äußerlich so langweilig wie möglich aufge- dersachsen), Hans Jacobus, Ingrid Langbein macht». «Versteht denn keiner dort etwas vom (Rostock), Dr. Kurt Libera, Jolanda Putz (Bay- Layout?», fragte der renommierte Wirtschafts- ern), Johann Scheringer, Horst Siebeck, Prof. wissenschaftler und kritisierte: «Und auch dort Willi Sitte, Margot Theben und Prof. Dr. Man- nicht der mindeste Offensivgeist!»24 fred Wekwerth.21 In der zweiten Oktober-Hälfte 1990 beschädigte der als «Putnik-Affäre» bekanntgewordene Fi- nanzskandal, bei dem mit einer illegalen Trans- DER RAT DER ALTEN DER PDS aktion versucht worden war, Parteivermögen ins ALS MAHNER DER PARTEI UND Ausland zu verbringen, um es vor dem staatlichen IHRER FÜHRUNG Zugriff zu sichern, das Ansehen der PDS in der Öffentlichkeit nachhaltig. Der stellvertretende Im Vorfeld der Landtagswahlen in den ostdeut- schen Bundesländern im Herbst 1990 mahnte Jürgen Kuczynski als Mitglied des Rates der 19 Vgl. Beschluß des Präsidiums des Parteivorstandes [der Alten die Entwicklung einer Strategie der PDS PDS] vom 23.07.1990: Vorschläge für eine effektivere Gestal- tung der Tätigkeit des Rates der Alten. In: ADS, PDS-PV - 324, an: «Ich glaube, wir haben eine ausgezeich- Bl. 75/76. 20 Edwin Schwertner: Dem Grundkonsens der PDS nete Taktik. Aber was ist unsere Strategie? Bis verpflichtet, a.a.O., S. 34. 21 Vgl. ebenda, S. 35. 22 Jürgen Ku- czynski in einem Brief an Gregor Gysi, Vorsitzender der Partei des vor kurzem war es schwer, sie zu entwickeln, Demokratischen Sozialismus, vom 13. Juli 1990. In: ADS, PDS- aber jetzt wird es an der Zeit.»22 In diesem Kon- PV - 339, Bl. 50. 23 Vgl. ebenda. 24 Ebenda, Bl. 51. In der kontroversen Programmdebatte von 1991 und 1992 sah sich eine verunsicherte Parteibasis mit neuen Sichtweisen und Begriffen wie «Moderne», «Zivilgesellschaft» oder «Transformation» konfrontiert.

Parteivorsitzende Wolfgang Pohl übernahm die statt, an der sich nicht nur ein kleiner Kreis von Verantwortung und trat zurück. In dem bereits Parteiintellektuellen, sondern auch die breite oben erwähnten Brief an das Präsidium des Par- Mitgliedschaft beteiligte. Sie war begleitet von teivorstandes der PDS vom 29. Oktober 1990 mehreren Entwürfen der Grundsatzkommission, schrieb Jürgen Kuczynski in seiner Funktion als unterschiedlichen Gegenentwürfen, diversen Mitglied des Rates der Alten an das Gremium Standpunktpapieren, von Programmkonferen- «in der schwierigen Situation, in die unsere Par- zen und von Debatten in den Basisorganisationen tei durch die Machenschaften des Genossen der PDS. «Die Pole waren schnell klar», schreibt Pohl geraten ist, einige Worte der Mahnung»25. rückblickend der Politikwissenschaftler Horst Er erinnerte angesichts der ganz offensichtlich Dietzel, der als Mitglied der Grundsatzkommis- schwächlichen Organisation der PDS daran, sion an den damaligen Kontroversen beteiligt dass es früher in der KPD neben dem Polleiter war. «Auf der einen Seite gab es die radikal-refor- für die politische Arbeit einen Organisations- merischen Kräfte, die untereinander unterschied- leiter gab. Er sei davon überzeugt, dass Wolf- liche Positionen zu Detailfragen vertraten, auf der gang Pohl «in seiner Geheimaktion glaubte, anderen Seite die Anhänger der Kommunisti- statt ein Verbrechen an der Partei zu begehen, schen Plattform.»27 Dazwischen habe eine mehr ihr nützlich zu sein». Aber schon die Tatsache, oder weniger verunsicherte Parteibasis gestan- dass er eine solche Geheimaktion unternehmen den, die zwar deutlich spürte, dass Neuerungen konnte, habe gezeigt, dass das Präsidium «nicht nötig waren, aber mit neuen Sichtweisen und Be- kollektiv arbeitet». Gregor Gysi sei völlig über- lastet und bedürfe dringend eines Organisa­ tionsleiters, der ihm zur Seite steht und «mit ihm 25 Brief von Jürgen Kuczynski vom 29. Oktober 1990 an das die entscheidende Verantwortung dafür trägt, Präsidium [des Parteivorstandes] der Partei des Demokratischen daß das Präsidium als Kollektiv arbeitet».26 Sozialismus, a.a.O., Bl. 46. 26 Ebenda, Bl. 47. 27 Horst Dietzel: Von der PDS-Programmatik zum Programmentwurf der Partei In den Jahren 1991 und 1992 fand in der PDS eine DIE LINKE. In: JahrBuch für Forschungen zur Geschichte der äußerst kontrovers geführte Programm­debatte Arbeiterbewegung, Berlin, 2011/I, Januar, S. 60/61. 14 —15 griffen wie «Moderne», «Zivilgesellschaft» oder bereiche bis zur sozial gerechteren Gestaltung «Transformation» konfrontiert wurde, die nicht des Rentenrechts). In der Diskussion verlangte ins gewohnte Denkschema passten.28 Erwin Geschonneck ein energisches Eintreten In dieser Situation meldete sich der Rat der für die Rechte der Wehrdienstverweigerer. Alten mit der Erklärung «Wir brauchen Mei- Ruth Werner fand es sehr fragwürdig, offene nungsvielfalt und gemeinsames Handeln» im Grenzen für alle Flüchtlinge zu fordern, wenn Vorfeld der 3. Tagung des 2. Parteitages der sich eine solche Forderung in der praktischen PDS, die für den 14./15. Dezember 1991 ge- Politik als undurchführbar erweise. Stephan plant war, zu Wort und mahnte einen sachli- Hermlin machte sich dafür stark, die für ihn chen Meinungsstreit in der Partei an. Dabei zum Teil unerträglichen Ereignisse um die Aka- dürfe die geschichtliche Erfahrung nicht igno- demie der Künste Ost und West30 auch im Bun- riert werden, dass nicht nur erzwungene «Ein- destag zur Sprache zu bringen.31 heit und Geschlossenheit», sondern auch das Mehrere Mitglieder des Rates der Alten, dar- Fehlen von Übereinstimmung die Partei zer- unter Hans Jendretzky, Benno Heumann und stören könne. «Unser offener, schonungsloser Harald Hauser, befassten sich in ihren Debat- Meinungsstreit muß zu gemeinsamer Politik, tenbeiträgen mit Fragen der Aufarbeitung der zu gemeinsamen Aktionen führen. … Von der Geschichte und mit dem Verhältnis der PDS kommenden 3. Tagung des 2. Parteitags der zur Sozialdemokratie. In die Aussprache wur- PDS erhoffen und erwarten wir einen entschie- den viele Erfahrungen aus dem politischen denen Schritt in diese Richtung.»29 Kampf in der Weimarer Republik und aus der Am 27. März 1992 trafen sich die Mitglieder des Zeit des Widerstandes gegen den Faschismus Rates der Alten mit der stellvertretenden Vor- eingebracht und davor gewarnt, bei aller Un- sitzenden der Gruppe der PDS/Linke Liste im Deutschen , Andrea Lederer, zur Dis- kussion über die parlamentarische Arbeit der 28 Vgl. ebenda, S. 61. 29 Erklärung des Rates der Alten: Wir PDS. Andrea Lederer informierte den Rat darü- brauchen Meinungsvielfalt und gemeinsames Handeln (un- ber, mit welchen gesetzgeberischen Initiativen, datiert, ca. Ende November/Anfang Dezember 1991). In: ADS, PDS-PV - 039, Bl. 18. 30 Die Akademie der Künste der DDR fusi- Anfragen und Anträgen die Gruppe versuche, onierte in einem schwierigen Vereinigungsprozess 1993 mit der die Interessen insbesondere der Bevölkerung in Akademie der Künste Berlin (West) zur Akademie der Künste von Berlin, die von den Ländern Berlin und Brandenburg getragen den neuen Bundesländern wahrzunehmen (von wurde. 31 Vgl. Kritischer Rat der Alten. In: PDS-Pressedienst, Bemühungen um den Erhalt industrieller Kern- Berlin, 1992, Nr. 14 (vom 03.04.1992), S. 4. terschiedlichkeit politischer Standpunkte in Jürgen Kuczynski wandte sich dagegen, zum Sektierertum oder politische Engherzigkeit damaligen Zeitpunkt ein neues Programm der abzugleiten. Jürgen Kuczynski forderte vom PDS anzustreben. Die Formulierung wesent- Vorstand, den Rat der Alten wirklich ernst zu licher Grundzüge und humanistischer Prinzi- nehmen. Wenn ihn der Parteivorsitzende und pien würde völlig genügen. Doch die Mehrheit der Parteivorstand nicht als beratendes Organ der Anwesenden teilte diese Auffassung nicht. nutzen würden, dann könnte ihn die nächste Moritz Mebel gab zu bedenken, dass ein Groß- Parteitagssitzung gleich auflösen – ein Stand- teil der Parteibasis ein neues Programm for- punkt, bei dem Kuczynski die Mehrheit der dere. Stefan Doernberg wies darauf hin, dass Ratsmitglieder auf seiner Seite hatte.32 sich der vorangegangene Parteitag klar für die Am 14. September 1992 traf sich Gregor Gysi Ausarbeitung eines neuen Parteiprogramms mit dem Rat der Alten im Berliner Karl-Lieb- ausgesprochen habe und Vorstand und Par- knecht-Haus. Der Parteivorsitzende erinnerte teirat damit in der Pflicht stünden. Einigkeit an die Gründung des Gremiums und an die herrschte im Rat der Alten allerdings darüber, Intentionen, die er damit verband: Als er da- dass der Entwurf der Grundsatzkommission mals mit knapp über 40 Jahren den Vorsitz der gedanklich straffer, sprachlich verständlicher SED/PDS übernahm, habe er eine Runde zu- und letztlich kürzer gefasst werden müsste. sammenführen wollen, die helfen sollte, Erfah- Steffi Spira lobte den Slogan «Kopf hoch, nicht rungen nutzbar zu machen, Neues im Lichte die Hände» als programmatische Aussage, des Gewesenen zu sehen, also einen Kreis, die eingehe. Max Schmidt bekräftigte das He- der kluges Abwägen ebenso wie originäres rangehen, globale Menschheitsfragen zum Denken verhieß. Gysi referierte dann über die Ausgangspunkt des Programms zu nehmen. Klausurtagungen von Bundestagsgruppe und Heinrich Taut plädierte für programmatische Parteivorstand sowie über die Beratung von Überlegungen zur Entwicklung einer neuen Vorstand und Parteirat, die den 3. Parteitag der gesellschaftlichen Bedürfnisstruktur. Stefan PDS einberief. Im Referat wie in der anschlie- Doernberg hielt es für eine der wichtigsten ßenden Debatte ging es insbesondere um die Programmdiskussion der Partei, um die Hal- tung zur SPD, um die Ergebnisse der Politik 32 Vgl. ebenda. 33 Vgl. Rat der Alten für Gregor Gysi. Von ei- nem Treffen am 14. September [1992] im Karl-Liebknecht-Haus. des Anschlusses der DDR an die Alt-BRD und In: PDS-Pressedienst, Berlin, 1992, Nr. 39 (vom 25.09.1992), um die Asyl- und Flüchtlingspolitik.33 S. 11/12. 16 —17

Aufgaben, den Menschen in ganz Deutschland der dort vorhandene große Erfahrungsschatz Perspektiven in dieser Gesellschaft aufzuzei- nicht mehr genügend für die PDS fruchtbar gen. Harald Hauser erinnerte an die Alternative gemacht werden könne. Ernst Engelberg und «Sozialismus oder Barbarei» und verlangte, die Bernhard Quandt knüpften daran an und erläu- Chancen zu nutzen, die sich daraus für breite terten, wie sich die PDS in den bevorstehen- Bündnisse ergeben würden. Und Karl Schir- den Wahlkämpfen stärker als entschiedene dewan unterstrich, dass ohne die Sozialde- linke Opposition profilieren könnte.35 mokratie – das bleibe bei aller erforderlichen Wolfgang Gehrcke schlug vor, den Rat der Auseinandersetzung stets zu beachten – eine Alten von einem Gremium beim Parteivorsit- gesellschaftliche Entwicklung nach vorn nicht zenden zu einer Beraterrunde beim Parteivor- zu machen sei.34 stand umzugestalten. Es gelte insbesondere, Mit Wolfgang Gehrcke, dem stellvertretenden zentrale Fragen wie die Grundlinie der PDS in PDS-Bundesvorsitzenden, und Hans Modrow, Wahlkämpfen oder das generelle Herangehen dem Ehrenvorsitzenden der Partei, traf sich der an Geschichtsdiskussionen zu besprechen. Rat der Alten am 14. Juni 1993, um die gene- Zudem sei zu erwägen, den Rat der Alten per- relle Frage «Wie weiter mit dem Rat?» zu dis- sonell um weitere hervorragende Persönlich- kutieren, nachdem es um das Gremium in den keiten aus allen Bereichen des gesellschaft- vorangegangenen Monaten sehr still gewor- lichen Lebens der ehemaligen DDR und aus den war. Insbesondere Ruth Werner und Karl den alten Bundesländern zu erweitern. Hans Schirdewan sprachen sich in der Debatte dafür Modrow regte an, dem auf der 2. Tagung des aus, den Rat der Alten ersatzlos aufzulösen, da 3. Parteitages der PDS neugewählten Partei- sich seine Funktion erschöpft habe. Konsulta- vorstand Vorschläge zu unterbreiten, welche tionen des Parteivorsitzenden mit einzelnen zwei Themen im zweiten Halbjahr 1993 dem Mitgliedern des Rates könnten hier produk- Rat vorgelegt werden sollten. Anfang 1994 tiver sein. Ein Standpunkt, dem auch Moritz könnte dann endgültig entschieden werden, Mebel mit den Worten beipflichtete: Wenn ob der Rat der Alten seine Tätigkeit einstellt man sich nicht gegenseitig brauche, dann oder wie seine weitere Arbeit gestaltet wird.36 Schluss damit. Gegenteiliger Meinung waren Stefan Doernberg, Oskar Fischer und Eber- 34 Vgl. ebenda. 35 Vgl. Rat der Alten – Entscheidung An- hard Rebling. Sie vertraten den Standpunkt, fang 1994. In: PDS-Pressedienst, Berlin, 1993, Nr. 24 (vom dass mit einer Auflösung des Rates der Alten 18.06.1993), S. 6. 36 Vgl. ebenda. Am 31. Januar 1994 befasste sich dann Anfang 1994 wurden die Tätigkeit des Rates der Parteivorstand der PDS u. a. mit der erweitert: Einflussnahme auf die Streitkultur, weiteren Tätigkeit des Rates der Alten Geschichtsarbeit und die Teilnahme an Grund- und beschloss die in der Vorlage von satzdiskussionen der Partei sollten nun auch und Hans Modrow enthal- zu seinem Arbeitsgegenstand gehören. tenen Punkte 1 bis 4 «mit geringfügigen Änderungen».37 Konstatiert wurde in der Vorlage zunächst, dass der Rat der Alten, der Wahlprogramme der Partei zu beraten. Vier­ anfänglich eine Beratungsfunktion wahrnahm, tens werde der Rat der Alten zwei Beratungen im Laufe der Zeit zu einem Gremium der Infor- durchführen: (a) zur Geschichtsproblematik mation über wichtige Politikfelder der Partei für und (b) zur Auswertung der Ergebnisse der die Mitglieder des Rates durch den Vorsitzen- Landtags-, Europa- und Bundestagswahlen.39 den und den Ehrenvorsitzenden geworden sei. Vor diesem Hintergrund beriet dann der Rat Im Rat sei deshalb mehrfach kontrovers über der Alten am 25. Februar 1994 in Berlin über die Einstellung der Arbeit diskutiert worden.38 seine weitere Arbeit.40 Die Aufgabenstellung Vorgeschlagen und beschlossen wurde nun, des Rates wurde inhaltlich erweitert: Beratung dass erstens die Tätigkeit des Rates fortgesetzt und Stellungnahmen zu politischen Grund- werden sollte, um die vom Rat gesammelten fragen, die Einflussnahme auf die politische Erfahrungen zu nutzen. Zweitens werde der Streitkultur innerhalb der PDS, die Geschichts- Rat um Persönlichkeiten erweitert, die fähig arbeit und die Teilnahme an Grundsatzdiskus- und in der Lage seien, Parteimitglieder und Sympathisant*innen zur gemeinsamen Be- arbeitung speziell interessierender Probleme 37 Vgl. Parteivorstand der PDS: Beschlußprotokoll der Sitzung zu gewinnen und so beratend dem Vorsitzen- des Parteivorstandes am 31.01.1994, Berlin, 31.01.1994, S. 3. In: ADS, Bestand Parteivorstand der PDS (1993 bis 2007), Alt-Sign. den zur Seite zu stehen. Drittens wurden der 2003-XII-331. 38 Vgl. Lothar Bisky, Hans Modrow: Vorlage für Vorsitzende und der Ehrenvorsitzende beauf- den Parteivorstand / Sitzung am 31. Januar 1994: Zur weiteren tragt, in Vorbereitung auf die 3. Tagung des Arbeit des Rates der Alten, S. 1. In: ebenda. 39 Vgl. ebenda, S. 1/2. 40 Vgl. Von den Anfängen. Eine illustrierte Chronik der 3. Parteitages mit den berufenen Mitgliedern PDS. 1989 – 1994, erarbeitet von Otfried Arnold, Frank Schu- des Rates und jenen Persönlichkeiten, die neu mann, Edwin Schwertner, Reinhard Thyzel und Helmut Zessin, Berlin 1995, S. 197. 41 Vgl. Edwin Schwertner: Dem Grundkon- berufen werden könnten, gemeinsam über die sens der PDS verpflichtet, a.a.O., S. 34. 42 Vgl. Von den Anfän- weitere Arbeit des Rates der Alten und über die gen. Eine illustrierte Chronik der PDS. 1989–1994, a.a.O., S. 210. 18 —19 sionen der Partei sollten nun auch zum Arbeits- zentralistischen, demokratiefeindlichen Po- gegenstand des Rates der Alten gehören. Dazu litik der SED und dem Stalinismus. Die PDS sollten Jahresarbeitspläne aufgestellt und die will eine Zukunft, die anders ist, als die DDR Kontakte der Ratsmitglieder zu Basisorganisa- war.»45 Notwendig sei ein neuer Gesellschafts- tionen ausgebaut und gefestigt werden.41 Am vertrag, der Fundamente für eine Lebensweise 16. Mai 1994 diskutierte der Rat der Alten in des 21. Jahrhunderts schafft.46 Gegenwärtig diesem Sinne dann das Thema «Pluralismus stehe eine Regierungsbeteiligung der PDS und Toleranz» als Grundbedingung für die wei- auf Landesebene nicht zur Diskussion, für die tere Entwicklung der PDS.42 Zukunft werde sie jedoch nicht ausgeschlos- Im Wahlkampf zur Bundestagswahl im Herbst sen.47 «Die PDS strebt eine Gesellschaft an, in 1994 beschimpfte Bundeskanzler der demokratische, soziale und Freiheitsrechte in der zweiten August-Hälfte in Frankfurt/Oder garantiert sind.»48 Sozialismus wurde nicht als und in Dortmund Mitglieder der PDS und diese gesellschaftliches Ziel benannt. Partei pauschal als «kommunistischen Pöbel» Der Rat der Alten beriet am 17. Dezember 1994 und als «rotlackierte Faschisten». Am 23. Sep- mit dem Bundesgeschäftsführer der PDS, tember 1994 beschwerten sich daraufhin Martin Harnack, über das Dokument und emp- Mitglieder des Rates der Alten beim Bundes- fahl dem Parteivorstand, auf eine Beschluss- präsidenten darüber, dass sie als «rotlackierte fassung zu den «10 Thesen» auf der damals Faschisten» beleidigt wurden. Sie forderten in bevorstehenden 1. Tagung des 4. Parteitages der Sache ein klärendes Wort des Staatsober- der PDS zu verzichten. Die Thesen hätten noch hauptes.43 nicht die Reife und die Aussagen, «die für die Am 28. November 1994 befasste sich der Par- Positionsbestimmung der Partei in den gegen- teivorstand der PDS mit den «10 Thesen zum wärtigen und künftigen politischen Kämpfen weiteren Weg der PDS» und beschloss deren klar und verständlich erforderlich sind»49. Veröffentlichung.44 In den Thesen wurde kon- statiert, dass die PDS in den fünf Jahren ih- res Bestehens den schwierigen Weg zu einer 43 Vgl. ebenda, S. 225 und 233. 44 Vgl. ebenda, S. 247. 45 10 demokratisch-sozialistischen Partei zurück- Thesen zum weiteren Weg der PDS (Entwurf), Berlin, 25.11.1994, gelegt habe, ein Weg, der nicht abgeschlos- S. 14. In: ADS, Bestand Parteivorstand der PDS (1993 bis 2007), Alt-Sign. 2003-XII-332. 46 Vgl. ebenda, S. 8. 47 Vgl. ebenda, sen sei. «In ihren Reihen festigt die PDS den S. 16. 48 Ebenda, S. 19. 49 Zit. in: PDS-Pressedienst, Berlin, Grundkonsens der Wendezeit: Bruch mit der 1994, Nr. 51 (vom 23.12.1994), S. 9. In einer Meinungsäußerung zur Diskussion in würden, so der Rat der Alten, die PDS als poli- der PDS am 27. Januar 1995 charakterisierte tikfähige linke Opposition charakterisieren. Der das Mitglied des Rates der Alten, der 87-jäh- Rat teile die Meinung der Delegierten, dass nur rige Karl Schirdewan, den Linksradikalismus die enge Verknüpfung von parlamentarischer als das entscheidende Problem auch in der Tätigkeit und einem stärker werdenden außer- Geschichte der SED. Der Linksradikalismus parlamentarischen Druck zu sozial gerechten habe durch die künstliche und unrealistische Veränderungen führen könne.52 Beschleunigung der historischen Prozesse in Mitglieder des Rates der Alten, des Parteivor- eine gesellschaftliche Tragödie geführt.50 standes, der Bundestagsgruppe und Vertreter In einer Erklärung vom 3. März 1995 nahm der der AG Seniorenpolitik berieten am 21. März Rat der Alten zu den Ergebnissen der 1. Ta- 1995 in Berlin über weitere Aktionen und Akti- gung des 4. Parteitages der PDS Stellung. Er vitäten der PDS gegen das Rentenstrafrecht.53 bekundete dem neu gewählten Vorstand seine Am 18. Dezember 1995 erörterte der Rat der solidarische Unterstützung und verwies auf die Alten die Notwendigkeit einer Strategiedebatte Fortschritte im Erneuerungsprozess der Partei. in der PDS, ihr Ziel und die Methoden, wobei die Die Standpunktbestimmung mit der Bekräfti- Politik gegenüber der SPD eine zentrale Rolle gung des Sozialismus als Ziel, der erneuten Ab- spielte. Nach einer Einführung von Prof. Dr. sage an den Stalinismus und der Darstellung Horst Schneider (Dresden) gab es eine offene der heute notwendigen und möglichen Verän- und konstruktive Diskussion, an der sich unter derungen im Rahmen der bestehenden Gesell- anderen Ernst Engelberg, Stefan Doernberg, schaftsordnung hätten die Zustimmung der Moritz Mebel, Friedel Trappen, Hans Modrow Delegierten gefunden und müssten die weitere und Lothar Bisky beteiligten. Kritisch wurde Arbeit der Partei bestimmen. «Wir unterstützen angemerkt, dass der Analyse der Wirklichkeit, die im Referat von Lothar Bisky formulierten die ja Voraussetzung von Politik und Strategie konkreten Aufgaben der PDS als oppositionelle Kraft gegen Sozialabbau, Massenarbeitslosig- keit und Rentenstrafrecht, für das Recht auf 50 Vgl. Chronik der PDS. 1989 bis 1997. Erarbeitet von Helmut Arbeit, Bildung und bezahlbaren Wohnraum, Zessin, Edwin Schwertner und Frank Schumann, Berlin 1998, gegen Frauenfeindlichkeit, Kulturabbau, Ras- S. 224/225. 51 Erklärung [des Rates der Alten, 3. März 1995]. In: PDS-Pressedienst, Berlin, 1995, Nr. 10 (vom 10.03.1995), sismus und den Einsatz deutscher Soldaten S. 8. 52 Vgl. ebenda. 53 Vgl. Chronik der PDS. 1989 bis 1997, im Ausland.»51 Die Ergebnisse des Parteitages a.a.O., S. 239. 20 —21 sei, in der PDS zu wenig Beachtung geschenkt SPD für einen Lernprozess in die Partei aufge- werde. Hans Modrow, der sich leidenschaftlich nommen» worden), wiesen andere auf anti- für eine intensive Strategiedebatte aussprach, faschistisch-demokratische Motive für einen sah dabei drei Ebenen: (1) Die historischen Er- stark ausgeprägten Einheitswillen sowohl auf fahrungen (positive wie negative) müssten ge- Seiten der KPD wie der SPD hin und wollten nutzt werden. (2) Die Strategiedebatte müsste spätere negative Entwicklungen nur bedingt sich vor allem auf die Lehren der Nachkriegs- im direkten Zusammenhang mit der Gründung zeit konzentrieren. (3) Eine exakte Analyse der der SED sehen.55 vor sich gehenden Prozesse sei unabdingbar.54 Am 16. September 1996 nahm der Rat der Al­ Der Rat der Alten debattierte am 29. März ten zu Versuchen politischer Gegner, die PDS 1996 mit Lothar Bisky Probleme der Vereini- als undemokratisch und nicht verfassungs- gung von KPD und SPD zur SED 1946. Der konform zu diskriminieren, sie zu spalten und Historiker Prof. Dr. Günter Benser wandte sich auszuschalten, Stellung: «Die PDS steht und gegen den «Kampfbegriff» von der «Zwangs- arbeitet auf dem Boden des Grundgesetzes vereinigung» und wollte «lauteres und über- der Bundesrepublik Deutschland.»56 Zur Er- zeugtes Handeln für die Einheit» ebenso ernst- neuerung der Partei gehöre die Absage an den genommen und gewürdigt sehen wie damals Stalinismus; genauso abzulehnen seien aber geäußerte Warnungen und Bedenken. Weder auch Erscheinungen des Antikommunismus. undifferenziertes «Hochloben» noch Verteufe- Der Rat der Alten empfahl, den Widerstand ge- lung seien am Platze. Wenn man die Entwick- gen Massenarbeitslosigkeit, soziale Ungerech- lung in Gesamtdeutschland seit dem Ende des tigkeiten und Benachteiligungen von Frauen, Zweiten Weltkriegs betrachte, müsse kon- Jugendlichen und älteren Menschen zum statiert werden, dass die kommunistischen Schwerpunkt der politischen Arbeit der Par- ebenso wie die sozialdemokratischen Kon- tei zu machen. Konkrete politische Aktionen zepte der Anfangszeit gescheitert seien. In der Debatte, in der die Teilnehmer immer wieder eine konkret-zeitbezogene Betrachtung der 54 Vgl. Horst Schneider: Ist eine Strategiedebatte notwendig? SED-Gründung anmahnten, wurden durchaus PDS-Rat der Alten tagte. In: PDS-Pressedienst, Berlin, 1996, unterschiedliche Sichten deutlich. Während Nr. 2 (vom 12.01.1996), S. 5. 55 Vgl. PDS-Pressedienst, Berlin, 1996, Nr. 14 (vom 04.04.1996), S. 8. 56 Rat der Alten: Stand- es Jürgen Kuczynski für grundfalsch hielt, von punkt zu aktuellen Fragen der Politik der PDS. In: PDS-Presse- einer Vereinigung zu reden (vielmehr sei «die dienst, Berlin, 1996, Nr. 38 (vom 20.09.1996), S. 20. auf der Basis des Parteiprogramms und einer wie diese mit Lothar Bisky offensichtlich nicht langfristig angelegten theoretisch fundierten die Regel. In einem Brief von Oskar Fischer, Strategie sollten nach Auffassung des Rates Moritz Mebel und Edwin Schwertner, der drei in Zukunft das Erscheinungsbild der Partei be- Sprecher des Rates der Alten, an Lothar Bisky stimmen.57 noch vom gleichen Tage dankten sie für die er- Lothar Bisky, der Bundesvorsitzende der PDS, haltenen Informationen, betonten aber: «Wir informierte am 11. April 1997 den Rat der Al­ erwarten allerdings, daß an den Sitzungen des ten über die Lage in der Partei und diskutierte Rates der Alten künftig der Vorsitzende oder die Situation mit den Ratsmitgliedern. Der Rat ein von ihm Beauftragter bis zum Abschluß der der Alten unterstrich, dass er eine seiner wich- Diskussion teilnimmt. Es wird auch erwartet, tigsten Aufgaben darin sehe, in Grundsatz- daß grundlegende Dokumente, so z. B. der diskussionen mitzuwirken, Vorschläge für die Entwurf des Wahlprogramms der PDS, vor der künftige Gestaltung der politischen Arbeit der Beschlußfassung im Vorstand […] im Rat der PDS zu machen und zu wichtigen Dokumen- Alten diskutiert werden können.»59 ten seine Meinung zu äußern. Der Rat wolle In der Folge informierte der Bundesgeschäfts- zu aktuellen Fragen und Problemen Stellung führer der PDS, , am 13. Juni nehmen, aus eigener Initiative oder auf Anfor- 1997 über die Arbeit des Bundesvorstandes derung Vorschläge für den Parteivorstand oder seit dem Schweriner Parteitag und stellte die den Vorsitzenden erarbeiten und neue Frage- Arbeitsweise der Bundesgeschäftsstelle vor. stellungen aufwerfen. Ein neues Feld der Ar- In der anschließenden Diskussion berichte- beit des Rates der Alten liege in der Teilnahme ten Ratsmitglieder auch über die Teilnahme an Konferenzen der PDS, an Veranstaltungen an Kongressen und Veranstaltungen. Zudem der Länder und Kreise – in eigener Verantwor- stellten sich neu berufene Ratsmitglieder vor.60 tung oder auf Anregung durch die jeweiligen Vorstände. Die Mitglieder des Rates wollten sich bei Jahrestagen oder anderen bedeuten- 57 Vgl. ebenda. 58 Vgl. Mitwirkung in Grundsatzdiskussion den Terminen als Referenten zur Verfügung bleibt wichtige Aufgabe. Der Rat der Alten tagte. In: PDS-Pres- sedienst, Berlin, 1997, Nr. 16 (vom 18.04.1997), S. 7. 59 Brief 58 stellen. der Sprecher des Rates der Alten an den Bundesvorsitzenden Entgegen den ursprünglichen Erwartungen der PDS vom 11.04.1997. In: ADS, Bestand Parteivorstand der PDS (1993 bis 2007), Alt-Sign. 2003-XII-245. 60 Vgl. Einladung der Mitglieder des Rates der Alten war eine sol- und Teilnehmerliste zum Treffen des Rates der Alten am 13. Juni che Debatte mit Vertretern der Parteiführung 1997. In: ebenda. 22 —23

Am 12. September 1997 referierte der Wahl- vierzig Jahre habe die DDR die antiimperialisti- kampfleiter der PDS, André Brie, zum Thema sche Alternative verkörpert. Für die menschli- «Die PDS in den Wahlen 1998/99» und stellte chen, ökonomischen und politischen Verluste sich der Diskussion mit den Ratsmitgliedern.61 und Opfer in der Zeit des Kalten Krieges und Am 5. Dezember 1997 befasste sich der Rat der Konfrontation seien primär jene verant- der Alten in Vorbereitung auf das Doppeljubi- wortlich, die 1947 die politischen Weichen läum 50 Jahre Gründung der Bundesrepublik entsprechend gestellt hätten.64 Deutschland (BRD) und 50 Jahre Gründung Stefan Doernberg setzte einen etwas anderen der Deutschen Demokratischen Republik Akzent. Die Volkskongressbewegung habe an (DDR) im Jahr 1999 mit der Volkskongress- die Vorstellungen der demokratischen Kräfte bewegung für Einheit und gerechten Frieden in der Revolution von 1848, an ihr Eintreten der Jahre 1947 bis 1949.62 Diese Bewegung für eine einheitliche deutsche Republik ange- war auf die Erhaltung Deutschlands als demo- knüpft. Die grundsätzlichen Befürchtungen kratischer und friedliebender Staat gerichtet. westdeutscher Politiker, die angestrebte Res- Ihr 3. Volkskongress nahm Ende Mai 1949 tauration alter Macht- und Besitzverhältnisse den Entwurf einer Verfassung der Deutschen nicht durchsetzen zu können, «wie auch Aktivi- Demokratischen Republik an, die dann am täten und taktische Züge der SED-Führung, die 9. Oktober 1949 zur ersten Verfassung der letztlich die eigene Hegemonie in der Ostzone DDR wurde. Zum Treffen des Rates der Alten einer mit Sicherheit zweitrangigen, wenn auch am 5. Dezember 1997 legten sowohl der His- einflußreichen Position in einem einheitlichen toriker Prof. Dr. Horst Schneider (Dresden) als Deutschland vorzog,»65 hätten die beträcht- auch der Historiker Prof. Dr. Stefan Doernberg (Berlin) Thesen zum Thema vor und führten in die Diskussion ein. 61 Vgl. Einladung zum Treffen des Rates der Alten am 12. Sep- tember 1997. In: ebenda. 62 Vgl. Zum 1. Deutschen Volkskon- Horst Schneider sah in der Volkskongress- greß. Diskussion im Rat der Alten. In: PDS-Pressedienst, Berlin, bewegung für Einheit und gerechten Frieden 1997, Nr. 50 (vom 12.12.1997), S. 15. – Der Rat der Alten erörter- «eine (letzte?) Chance, die Spaltung Deutsch- te auf dieser Sitzung auch Vorstellungen zum Entwurf des Wahl- programms der PDS und übermittelte anschließend Zustimmung lands zu verhindern, an der in erster Linie und Formulierungsvorschläge an die Grundsatzkommission. Vgl. die restaurativen Kräfte (Adenauer: Lieber ebenda. 63 Horst Schneider: Zur Rolle der SPD und der LDPD/ FDP in der Volkskongreßbewegung 1947/48 (Thesen), Dresden, das halbe Deutschland ganz als das ganze 01.11.1997, S. 2. In: ADS, Bestand Parteivorstand der PDS (1993 Deutschland halb) interessiert waren»63. Über bis 2007), Alt-Sign. 2003-XII-245. 64 Vgl. ebenda. lichen Chancen für die Erhaltung der Einheit Im März 1998 positionierte sich der Rat der Deutschlands in den Jahren 1947 bis 1949 Alten zum Wahlprogramm der PDS für die durchkreuzt. Doernberg regte an, sich als Rat Bundestagswahl im Herbst jenes Jahres und der Alten dazu zu äußern, in welchem Maße übermittelte seine Gedanken dazu dem Par- die dann erfolgte Bildung von zwei deutschen teivorsitzenden Lothar Bisky.67 In seiner Stel- Staaten ein Provisorium sein konnte, aber auch lungnahme zur Rolle der PDS in der Bundesre- für beide historisch und auch rechtlich legiti- publik und zum Wahlkampf 1998 erklärte der Rat der Alten, dass Deutschland angesichts Zum Wahlkampf 1998 erklärte der Rat, dass der fortdauernden Krisensituation Reformen Deutschland Reformen brauche zugunsten der brauche, die den Weg zu einer gerechten Re- Mehrheit des Volkes und nicht vorrangig für publik bahnen könnten, Reformen zugunsten die «Besserverdienenden», die Milliardäre und der Lohnabhängigen, der sozial Schwachen, Multimillionäre. der kleinen und mittleren Unternehmer, also zugunsten der Mehrheit des Volkes und nicht vorrangig für die «Besserverdienenden», die miert und von der Bevölkerung getragen war: Milliardäre und Multimillionäre. «Ein Schritt in «Vom Rat der Alten sollte damit eine Initiative die richtige Richtung muß heute die Bildung ausgehen, daß wir 1998/99 seitens der PDS ein einer neuen Koalition sein, die die abgewirt- richtiges Traditionsverständnis zum bevorste- schaftete Kohl-Regierung ablöst und einen henden 50. Jahrestag der Gründung der Bun- echten Politikwandel einleitet. Die PDS ist da- desrepublik Deutschland und der Deutschen her unter heutigen Bedingungen bereit, die Bil- Demokratischen Republik, zur Wahrung ihres dung einer von SPD und Bündnis 90/Die Grü- Erbes – des positiven wie des negativen, des nen getragenen Regierung zu unterstützen.»68 unterschiedlichen wie auch verbindenden – für die Gestaltung der heutigen und morgigen, wenn auch gegenüber 1949 ganz anders ge- 65 Stefan Doernberg: Thesen für die Beratung des Rats der Alten lagerten Aufgaben, vermitteln.» Letztlich gehe am 5.12.1997 (undatiert), S. 2. In: ADS, Bestand Parteivorstand der PDS (1993 bis 2007), Alt-Sign. 2003-XII-245. 66 Ebenda, es darum, aus der bisherigen Defensivposition S. 3. 67 Vgl. Edwin Schwertner: Dem Grundkonsens der PDS ver- in der Haltung zur Geschichte herauszutreten pflichtet, a.a.O., S. 35. 68 Je stärker die PDS-Bundestagsfraktion, desto größer ihr Einfluß auf politische Veränderungen. Der Rat der und «zugleich bei einer in allen Richtungen kri- Alten zur Rolle der PDS in der Bundesrepublik und zum Wahlkampf. tischen Befragung zu bleiben».66 In: PDS-Pressedienst, Berlin, 1998, Nr. 11 (vom 13.03.1998), S. 3. 24 —25

Die PDS werde mit ihrer Politik nachhaltig da- gen die Stimmen der PDS und einer Reihe Ab- für eintreten, dass es bei diesem Regierungs- geordneter von Bündnis 90/Die Grünen hatte wechsel auch zu spürbaren Veränderungen der Deutsche Bundestag zuvor für die Beteili- komme. Es gebe im Deutschen Bundestag gung deutscher Truppen am NATO-Krieg ge- keine andere Partei, die im Einklang mit dem gen Jugoslawien als «humanitärer Interven- Grundgesetz so entschieden wie die PDS für tion» votiert.74 eine neue Politik eintrete, für eine demokrati- In einer Erklärung vom 21. Mai 1999 unter- sche, sozial gerechte Republik. Je stärker ihre strich der Rat der Alten seine Unterstützung Fraktion sein werde, umso nachhaltiger ihr für die Ablehnung des Einsatzes deutscher Einfluss auf politische Veränderungen, die der Soldaten auf dem Balkan durch die PDS-Frak- Mehrheit der Menschen in ganz Deutschland tion im Bundestag im März 1999 und stimmte dienen.69 dem Friedensplan der PDS vom 5. April 1999 Im September 1998 rief der Rat dazu auf, bei uneingeschränkt zu. «Für uns ist es unerträg- der Bundestagswahl für die Kandidatinnen lich, daß deutsche Soldaten und Kriegsma- und Kandidaten der PDS zu stimmen.70 Nach schinen als Teil einer neuen Machtoligarchie der mit 5,1 Prozent erfolgreichen Wahl, die wieder dabei sind, wenn auf dem Balkan Krieg erstmals den Einzug der PDS in den Deutschen geführt wird», betonte der Rat. «Deshalb un- Bundestag in Fraktionsstärke ermöglichte,71 terstützen wir alle Bestrebungen, der Diploma- erarbeitete der Rat der Alten Vorschläge und tie und politischen Verhandlungen im Rahmen Empfehlungen für die weitere Arbeit des Par- und unter Verantwortung der Vereinten Natio- teivorstandes und ließ sie dem Parteivorsitzen- nen Raum zu geben, um das Töten in Südost- den zukommen.72 europa zu beenden und Frieden zu schaffen.»75 In den ersten Monaten des Jahres 1999 es- kalierte der Kosovo-Konflikt zwischen den

Sicherheitskräften der jugoslawischen Bun- 69 Vgl. ebenda. 70 Vgl. Edwin Schwertner: Dem Grundkonsens desregierung und der «Befreiungs-Armee der PDS verpflichtet, a.a.O., S. 35. 71 Vgl. Der Fischer Weltal- des Kosovo» UC¸K. Zur Unterstützung der UC¸K manach 1999. Zahlen, Daten, Fakten, Frankfurt am Main 1998, Sp. 237. 72 Vgl. Edwin Schwertner: Dem Grundkonsens der der kosovo-albanischen Nationalisten flog PDS verpflichtet, a.a.O., S. 35. 73 Vgl. Der Fischer Weltalma- die NATO nach den gescheiterten Rambouil- nach 2000. Zahlen, Daten, Fakten, Frankfurt am Main 1999, Sp. 416/417. 74 Vgl. ebenda, Sp. 233/234. 75 Gegen das Morden let-Verhandlungen – ohne ein Mandat der auf dem Balkan. Erklärung des Rates der Alten vom 21.5.1999. UNO – Luftangriffe gegen Jugoslawien.73 Ge- In: PDS-Pressedienst, Berlin, 1999, Nr. 21 (vom 28.05.1999), S. 1. Zugleich rief der Rat der Alten alle Freunde und glimpfungen und sich auf die sozialistischen Sympathisanten auf, bei der Europa-Wahl am Inhalte der Politik der PDS zu besinnen. Der Rat 13. Juni 1999 die PDS zu wählen: «Unterstützt unterstützte die Positionen des Parteivorsitzen- die Politik der PDS für eine friedliche, politi- den Lothar Bisky über die Notwendigkeit und sche Lösung des Krieges auf dem Balkan. Die die Schwerpunkte der Programmdiskussion. PDS als einzige Antikriegspartei im Deutschen Nach Auffassung des Rates der Alten sollten Bundestag gehört in das Europaparlament.»76 Grundprobleme in den Mittelpunkt der Debat- Edwin Schwertner erinnerte sich 2003, dass ten wie der Entscheidungen der bevorstehen- am Ende der 1990er Jahre im Rat der Alten den 3. Tagung des 6. Parteitages der PDS in erneut immer wieder die Frage auftauchte, Münster gerückt werden. Namentlich hob der ob seine beratende Funktion überhaupt noch Rat die Frage der Begrenzung und der Redu- benötigt werde und ob ein solches Gremium zierung der Dominanz des Großkapitals, seines noch zeitgemäß sei. Ursache dafür war, dass überdimensionalen Einflusses auf den Staat, der Kontakt zum Vorstand und zum Parteivor- die Innen- und Außenpolitik, auf alle Bereiche sitzenden nur noch sporadisch war und einige des gesellschaftlichen Lebens hervor. Der Rat Mitglieder des Rates daher keinen Sinn mehr der Alten forderte, dass die Politik der PDS stets in einer aktiven Mitarbeit erblicken konn- auch gesamteuropäisch und damit im wahrs- ten. Die Professoren Moritz Mebel und Horst ten Sinne internationalistisch angedacht sein Schneider erklärten ihren Rückzug, woraufhin sollte. Er unterstrich: «Wir dürften uns auch andere Ratsmitglieder ihrem Beispiel folgten. nicht ausschließlich mit heute Machbarem be- Nach intensiven Beratungen entschieden die gnügen. Als sozialistische Partei müssen wir verbliebenen Ratsmitglieder 1999 jedoch, die systemimmanenten Grenzen des ‹moder- dass der Rat der Alten nach wie vor seine Be- nen Kapitalismus› aufzeigen, also die histori- rechtigung habe und seine Arbeit fortsetzen sche Notwendigkeit seiner Überwindung.»78 sollte.77 Der Rat der Alten verabschiedete am 17. März 2000 eine Stellungnahme, die dem Parteivor- 76 Zit. in: PDS-Pressedienst, Berlin, 1999, Nr. 21 (vom sitzenden übergeben wurde. Es ging dem Rat 28.05.1999), S. 1. 77 Vgl. Edwin Schwertner: Dem Grundkon- um die Unterstützung der Anstrengungen sens der PDS verpflichtet, a.a.O., S. 35. 78 Bemühungen um Weiterentwicklung der PDS nachhaltig unterstützen. Stellung- zur Weiterentwicklung der PDS. Er forderte, nahme des Rates der Alten vom 17. März [2000]. In: PDS-Pres- Schluss zu machen mit gegenseitigen Verun- sedienst, Berlin, 2000, Nr. 12 (vom 24.03.2000), S. 3. 26 —27

Auf dem Parteitag der PDS am 14. und 15. Ok- Ab dem Frühjahr 2001 meldete sich der Äl­ tober 2000 fand ein Führungswechsel statt. testenrat der PDS zu wichtigen politischen Gabriele Zimmer wurde zur neuen Parteivor- Ereignissen zu Wort, gab Stellungnahmen ab sitzenden gewählt. Sie legte von Beginn ihrer und diskutierte mit Mitgliedern des Parteivor- Tätigkeit an großen Wert auf die Existenz des standes. In seiner Erklärung «Die Welt braucht Rates der Alten. Am 27. April 2001 konferierte Frieden» vom 13. September 2001 verurteilte sie mit den Mitgliedern des Rates über des- der Rat ganz entschieden die Terroranschläge sen weitere Arbeit und über die Einbeziehung gegen die USA, sprach den Angehörigen der weiterer linkssozialistischer Persönlichkeiten Opfer das Mitgefühl aus und gab der Hoff- aus den alten Bundesländern. In diesem Kon- nung Ausdruck, dass erlebte Gewalt nicht text wurde der Name in «Ältestenrat der PDS» neue, maßlose Gewalt hervorruft. «Terror ist umgewandelt. Zudem wurde eine neue Ge- menschenfeindlich, wir verabscheuen ihn.»81 schäftsordnung für den Rat diskutiert und we- Nachdem im Herbst 2001 von der Parteivorsit- nig später bestätigt.79 zenden ein Jugendrat berufen worden war, der Gabriele Zimmer berief dann die Mitglieder sich aus 25 jungen Menschen im Alter bis zu des Ältestenrates der PDS. Sie bat 34 Persön- 25 Jahren aus allen Landesteilen zusammen- lichkeiten, darunter den Maler Willi Sitte, den setzte, gab es mit dem Ältestenrat einen Aus- Regisseur Manfred Wekwerth, den Rechtsan- tausch durch gegenseitige Teilnahme an den walt Friedrich Wolff und den Frankfurter Ge- jeweiligen Treffen.82 werkschafter Jacob Moneta, ihre reichen Er- Am 9. November 2001 veröffentlichten die fahrungen aus der Zeit des Kampfes gegen den Sprecher des Ältestenrates im PDS-Presse- Faschismus, aus dem sozialistischen Versuch dienst eine Erklärung, in der sie den Dresde- in der DDR und seinem Scheitern, aus dem Kampf der Linken in der Alt-BRD und aus der 79 Vgl. Edwin Schwertner: Dem Grundkonsens der PDS ver- Entwicklung der PDS in die Gestaltung der Poli- pflichtet, a.a.O., S. 35. 80 Vgl. Rat der Alten jetzt Ältestenrat. tik der PDS einzubringen sowie die Vorsitzende In: PDS-Pressedienst, Berlin, 2001, Nr. 18 (vom 04.05.2001), im Parteivorstand zu beraten. Die Arbeit des Äl­ S. 8. 81 Ältestenrat: Die Welt braucht Frieden (13. Septem- ber 2001). In: PDS-Pressedienst, Berlin, 2001, Nr. 30 (vom testenrates sollte sich schwerpunktmäßig auf 21.09.2001), S. 3. 82 Vgl. 1. Tagung des 8. Parteitages der Beiträge zur Programmdebatte, zur Wertung PDS, 12. und 13. Oktober 2002, Gera. Tätigkeitsbericht des Parteivorstandes. URL: http://archiv2007.sozialisten.de/partei/ historischer Ereignisse und zur Gestaltung so- parteitag/pt0801/view_html?zid=28947&bs=1&n=29 (abgeru- zialistischer Politik heute konzentrieren.80 fen am 29.03.2018). ner Parteitag der PDS als wichtigen Schritt zur Sie tue es durch «eine ausgewogene, damit Konsolidierung der Partei würdigten. Mit dem auch kritische Bewertung der Vergangenheit, «Dresdener Friedensappell» sei eine vordring- der Auswirkungen des Kalten Krieges wie der liche Grundsatzentscheidung fixiert worden, Folgen von selbstverschuldeten Fehlentschei- damit das 21. Jahrhundert nicht das furcht- dungen. Deformationen der sozialistischen bare Menetekel eines dritten Weltkrieges mit Idee und Praxis, insbesondere das erhebliche unabsehbaren Gefahren für das weltweite Demokratiedefizit, haben wesentlich zum Überleben der ganzen menschlichen Zivilisa- Scheitern des historisch gerechtfertigten tion trägt. «Als Zeitzeugen und Überlebende Transformationsprozesses in der DDR beige- des von deutschem Boden entfesselten Zwei- tragen. Kritische Aufarbeitung historischer ten Weltkrieges betonen wir die besondere Lehren», warnte der Ältestenrat, «darf jedoch deutsche Verpflichtung für das Eindämmen nicht zur Diffamierung ausarten.»84 jeglicher Auswucherung militärischer Gewalt, Zur Bundestagswahl im Herbst 2002 veröffent- jeglicher brutaler Terror- wie Bomben- und Ra- lichten die Sprecher*innen des Ältestenrates ketenschläge, deren Opfer immer primär die der PDS am 12. September 2002 den Wahlauf- Zivilbevölkerung ist.»83 ruf «Eine starke PDS-Fraktion verhindert einen Anlässlich des 50. Jahrestages des Beschlus- Kanzler Stoiber», in dem sie dazu aufriefen, bei ses der 2. Parteikonferenz der SED über den der Bundestagswahl am 22. September 2002 Aufbau der Grundlagen des Sozialismus in die Stimme der PDS zu geben. Zwingender der DDR referierte und diskutierte der Histo- denn je sei eine starke parlamentarische Oppo- riker Prof. Dr. Günter Benser am 4. Juli 2002 sition gegen das herrschende unsoziale Sys- im Kreise des Ältestenrates zu diesem Thema. tem, das für die Massenarbeitslosigkeit, die Anschließend wandte sich der Ältestenrat mit klaffenden Lücken im Bildungs- und Gesund- einer Erklärung an die Mitglieder des Partei- heitswesen und wachsende Rüstungsausga- vorstandes und der Bundestagsfraktion. Er betonte, dass die PDS als sozialistische Partei in Deutschland in der Pflicht stehe, sich in ihrer 83 Weiterer Schritt zur Konsolidierung. Zum Dresdner Parteitag Traditionspflege zu den Entscheidungen und erklären die Sprecher des Ältestenrats. In: PDS-Pressedienst, Taten zu bekennen, die auf eine Transforma- Berlin, 2001, Nr. 45 (vom 09.11.2001), S. 16. 84 Kritische Auf- arbeitung historischer Lehren darf nicht zur Diffamierung ausar- tion von einer kapitalistischen zu einer sozia- ten. In: PDS-Pressedienst, Berlin, 2002, Nr. 30 (vom 26.07.2002), listischen Gesellschaftsordnung hinausliefen. S. 9. 28 —29 ben verantwortlich sei. Der neue Bundestag Diskussion über Inhalt und Profil der Politik brauche eine starke PDS-Fraktion.85 der PDS, insbesondere in der letzten Wahlpe- Bei der Bundestagswahl am 22. September riode, sowie die Grundlinien und Grundwerte 2002 verfehlte die PDS den Wiedereinzug als der Programmatik der Partei im Mittelpunkt Fraktion und war fortan nur noch mit zwei di- des damals bevorstehenden Geraer Parteita- rekt gewählten Abgeordneten (Gesine Lötzsch ges stehen. Auf diesem Parteitag sollte nach Ansicht des Ältestenrates die sta- Nach dem Wahldebakel 2002 sprach sich der Ältes- tutarisch festgelegte Wahl des tenrat für einen Sonderparteitag aus, um Zeit für eine Parteivorstandes erfolgen, aber gründliche Analyse zu gewinnen und der Basis mehr gleichzeitig durch Beschluss fest- Mitsprache zu ermöglichen. gelegt werden, in einem über- schaubaren kurzen Zeitraum mög- licherweise einen Sonderparteitag und ) im Parlament vertreten. Auf durchzuführen, der die Chance bieten würde, einer Beratung des Ältestenrates am 25. Sep- die Zusammensetzung des Parteivorstandes tember 2002 sprach die PDS-Vorsitzende neu zu bestätigen. Damit würde Zeit für eine Gabriele Zimmer über die Situation für die weitere gründliche Analyse der Lage gewon- Partei nach der verlorenen Bundestagswahl nen und zugleich auch der Basis der Partei und diskutierte mit den Ratsmitgliedern da- mehr Mitsprache ermöglicht werden.87 rüber. Daraufhin betonte der Ältestenrat am Der Geraer Parteitag fand am 12. und 13. Okto- 27. September 2002 in einem Brief an den ber 2002 statt. Auf dieser 1. Tagung des 8. Par- Parteivorstand der PDS angesichts stürmi- teitages der PDS diskutierten die Delegierten scher innerparteilicher Turbulenzen nach dem die Situation und die Aufgaben der Partei nach Wahldebakel, mehr als bisher brauche dieses Land die PDS «als Partei mit einem unver- wechselbaren sozialistischen Profil, als kon- 85 Vgl. Eine starke PDS-Fraktion verhindert einen Kanzler Stoiber. sequente Friedenskraft, als Partei, die sich der Wahlaufruf der SprecherInnen des Ältestenrats der PDS (12. Sep- tember 2002). URL: http://archiv2007.sozialisten.de/partei/struk- ungezügelten Dominanz des Großkapitals in turen/aeltestenrat/dokumente/view_html?zid=338&bs=1&n=7 diesem Lande mit ihren schlimmen Folgen für (abgerufen am 04.03.2018). 86 Unverwechselbares sozialisti- sches Profil. Brief des Ältestenrates an den Parteivorstand der die elementaren Lebensrechte der Menschen PDS (27. September 2002). In: PDS-Pressedienst, Berlin, 2002, entgegenstellt»86. Deshalb sollten die kritische Nr. 40 (vom 04.10.2002), S. 2. 87 Vgl. ebenda. der Niederlage bei der Bundestagswahl. Der konstruktiv die Konsolidierung der PDS voran- Parteitag war durch heftige Strömungskämpfe zubringen. Wir verurteilen alle Angriffe gegen gekennzeichnet, in denen der Reformerflügel die demokratisch herbeigeführten Beschlüsse der Partei, dem die Wahlschlappe angelastet von Gera. Erklärungen gegen diese mehrheit- wurde, eine herbe Niederlage erlitt.88 Sie äu- lich getroffenen Entscheidungen schädigen ßerte sich deutlich bei der Wahl des neuen Par- die Partei.» Aufgabe der PDS, all ihrer Politi- teivorstandes. Bei der Wahl des/der Parteivor- ker, müsse es sein, Aktionen und Reformen sitzenden unterlag der Reformer zur Schadensbegrenzung der Auswirkungen deutlich der bisherigen Amtsinhaberin Gabri- des Neoliberalismus durchzusetzen und diese ele Zimmer mit 96 zu 279 Stimmen. Diether mit einer grundsätzlichen Kapitalismuskritik Dehm wurde stellvertretender Parteivorsitzen- zu verbinden. «Das verstehen wir auch unter der und der wie Dehm zu den Parteilinken zäh- gestaltender Opposition, einer Verbindung von lende Uwe Hiksch Bundesgeschäftsführer.89 außerparlamentarischer und parlamentari- Die Delegierten nahmen mit 256 zu 125 Stim- scher Arbeit und der Wahrnehmung von Regie- men den von Zimmer verfochtenen Leitantrag rungsfunktionen in Ländern und Kommunen «Kein ‹Weiter so›. Zukunft durch Erneuerung» im Interesse unserer Wähler.»91 an, der vom alten Parteivorstand noch abge- Der Ältestenrat beriet am 14. Januar 2003 mit lehnt worden war.90 der PDS-Vorsitzenden Gabriele Zimmer. An- Nach dem Geraer Parteitag veröffentlichten schließend brachten die Ratssprecher in einem am 18. Oktober 2002 Stefan Doernberg, Os- Brief an den Parteivorstand ihre Unterstützung kar Fischer, Edwin Schwertner und Friedrich für die Parteivorsitzende, für ihre «klare Posi- Wolff als Sprecher des Ältestenrates der PDS tion», für «ihre prinzipiellen und zugleich behut- die Erklärung «Chance für reale Erneuerung» und verlangten, die PDS müsse sich eindeu- 88 Vgl. Manfred Behrend: Eine Geschichte der PDS. Von tiger zum Sozialismus bekennen. Sie begrüß- der zerbröckelnden Staatspartei zur Linkspartei, Köln 2006, ten die Beschlüsse des Geraer Parteitages der S. 121–123. 89 Vgl. 1. Tagung des 8. Parteitages der PDS, 12. PDS. Diese böten die Chance für eine reale Er- und 13. Oktober 2002, Gera. Wahlen zum Parteivorstand: Ein- zelwahlen. URL: http://archiv2007.sozialisten.de/partei/partei- neuerung der Partei als gesamtdeutsche sozi- tag/pt0801/view_html?zid=28841&bs=1&n=0 (abgerufen am alistische Partei: «Wir unterstützen das Bemü- 22.03.2018). 90 Vgl. Manfred Behrend: Eine Geschichte der PDS, a.a.O., S. 123. 91 Chance für reale Erneuerung (Erklärung hen der mit großer Mehrheit wiedergewählten der Sprecher des Ältestenrates der PDS, 18. Oktober 2002). In: Parteivorsitzenden Gabi Zimmer, sachlich und PDS-Pressedienst, Berlin, 2002, Nr. 44 (vom 01.11.2002), S. 7. 30 —31 samen Bemühungen um die Konsolidierung außerordentlichen Tagung des 8. Parteitages. der Partei» zum Ausdruck. Sie betonten: «Wir In der beschlossenen Erklärung hieß es: «Die stehen voll und ganz hinter den Beschlüssen seit der Bundestagswahl anhaltende Krisensi- des Geraer Parteitags, die nach unserer Auf- tuation der PDS hat bei uns tiefe Besorgnisse fassung den Weg zu einer weiteren Stärkung hervorgerufen. Die PDS hat nach unserer Mei- der PDS, ihres sozialistischen Profils und ihres nung nur dann eine Zukunft, wenn sie als poli- Einflusses in der Öffentlichkeit eröffnen. Wir tische Kraft handelt und zugleich ihren Prinzi- begrüßen eure Wahl in das höchste politische pien einer pluralistischen sozialistischen Partei Amt unserer sozialistischen Partei.»92 Um die treu bleibt. Die außerordentliche Tagung des Geschlossenheit der Partei zu stärken und ihr 8. Parteitages kann und wird zur Beilegung der neue Mitglieder und Sympathisanten zuzufüh- Krisensituation beitragen, wenn sie auf wirk- ren, erwarteten die Ratssprecher «unzweideu- lich demokratische Weise ein klar definiertes tige Positionen» hinsichtlich der prinzipiellen Profil, ein dringend erforderliches Aktionspro- Ablehnung jeglicher Mitwirkung der Bundes- gramm und eine stabile Führungsmannschaft republik an der Billigung oder Unterstützung der Partei bestätigt.»94 Nach Auffassung des eines ganz gleich wie motivierten Angriffs- Ältestenrates sollte der Parteitag eine überzeu- krieges wie auch der Androhung militärischer gende politische Erklärung an die Öffentlich- Gewalt in den internationalen Beziehungen, keit annehmen. Darin sollte die Krisensituation hinsichtlich der Eindämmung der fortschrei- benannt werden, in der sich die Bundesrepu- tenden Massenarbeitslosigkeit, hinsichtlich blik, ihre Sozial- und Innenpolitik wie auch die des Erhalts des in früheren Auseinandersetzun- internationale Situation befänden. Die PDS gen errungenen sozialen Sicherungssystems sollte die Entwicklung deutlich als Zuspitzung mit seinen staatlichen und gesellschaftlichen der dem kapitalistischem System innewoh- Verpflichtungen in allen Sphären der Zivilge- nenden Widersprüche definieren und daraus sellschaft und hinsichtlich der Verhinderung ei- die unbedingte Notwendigkeit progressiver nes weiteren Abbaus der Demokratie und einer Aushöhlung des parlamentarischen Systems 92 Ältestenrat unterstützt Gabi Zimmer. Brief der Rats-Sprecher 93 im Bund, in Ländern und Kommunen. an den Parteivorstand (14. Januar 2003). In: PDS-Pressedienst, Am 10. Juni 2003 beschäftigte sich der Ältes­ Berlin, 2003, Nr. 5 (vom 31.01.2003), S. 15. 93 Vgl. eben- da. 94 Zum Sozialismus bekennen. Erklärung des Ältestenra- tenrat der PDS gemeinsam mit Gabriele Zim- tes der PDS (10. Juni 2003). In: PDS-Pressedienst, Berlin, 2003, mer und Lothar Bisky mit der Vorbereitung der Nr. 25 (vom 20.06.2003), S. 3. Reformalternativen ableiten, für die sie sich als warnt, in ihm aber einen wesentlichen Beitrag gesamtdeutsche sozialistische Partei einsetze, zur Stabilisierung der gesamten Partei erblickt. und ihr grundsätzliches Bekenntnis zum Sozi- Dennoch seien viele Fragen offen geblieben – alismus bekräftigen. Kritik des mehr denn je so müssten die Begriffe «Gewaltfreiheit» und historisch überlebten und für die Zukunft der «Selbstbestimmung des Individuums» weiter Zivilisation höchst gefährlichen Kapitalismus präzisiert werden. Für ihn – so Neubert – sei die verbinde sich damit für die PDS mit gegenwär- soziale Gerechtigkeit die zentrale Frage sozialis- tig erforderlichen und machbaren Reformen tischer Politik. Er wies auf das komplizierte Ver- im Rahmen des bestehenden Systems.95 hältnis zur Sozialdemokratie hin, denn «ohne die Der neue (und alte) PDS-Vorsitzende Lothar SPD geht nichts, aber mit ihr geht auch nichts». Bisky, der auf der außerordentlichen Tagung Kurt Libera meinte, der Entwurf treffe augen- des 8. Parteitages gewählt worden war, be- scheinlich auf große Zustimmung an der Par- rief am 4. September 2003 24 Mitglieder in teibasis. Edith Graw war darüber erfreut, dass den neuen Ältestenrat der PDS. Er erörterte an wichtige Forderungen der Frauen- und Gewerk- diesem Tag mit den Mitgliedern des Rates den schaftsbewegung in den Programmentwurf Ein- neuen Entwurf des Parteiprogramms. Der Äl­ gang gefunden hatten. Johann Scheringer lobte testenrat befürwortete eine grundsätzliche Zu- die agrarpolitischen Aussagen. Friedel Juch be- stimmung der Delegierten des damals bevor- zog sich positiv auf die «jetzt vorhandene diffe- stehenden Chemnitzer Parteitages. Zugleich renzierte DDR-Betrachtung». Stefan Doernberg unterbreitete er Vorschläge zur Präzisierung erkannte «deutliche Verbesserungen» im neuen von einzelnen Aussagen, um das Profil der PDS Entwurf, zeigte sich zugleich aber skeptisch, ob als gesamtdeutsche sozialistische Partei noch das Programm die Partei voranbringen werde. stärker zu verdeutlichen und die Aussagekraft Viel wichtiger sei nach seiner Ansicht die Ausei- des neuen Programms weiter zu erhöhen. Der nandersetzung mit der aktuellen Politik.97 Rat schlug vor, der Parteitag möge neben dem In diesem Kontext kritisierten Achmed Cha- Programm ein Dokument annehmen, mit dem ker und Friedrich Wolff die Politik des Berliner sich die PDS in bündiger Form zu den aktuellen politischen Auseinandersetzungen in Deutsch- land artikuliert.96 95 Vgl. ebenda. 96 Vgl. Georg Fehst: Deutliche Zustimmung zum Programmentwurf. Lothar Bisky berief Ältestenrat und dis- In der Diskussion hatte zuvor Harald Neubert kutierte mit ihm vor dem Parteitag. In: PDS-Pressedienst, Berlin, vor einer Überschätzung des Programms ge- 2003, Nr. 37 (vom 12.09.2003), S. 2. 97 Vgl. ebenda. 32 —33

Im Jahr 2004 begann sich die politische Land- Gerechtigkeit, aus dem sich im Januar 2005 die schaft zu verändern. Vor dem Hintergrund der gleichnamige politische Partei gründete. Bei «Agenda»-Politik entstand die Wahlalternative der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen am Arbeit und Soziale Gerechtigkeit (WASG). 22. Mai 2005 trat die neue Sozialstaatspartei unter dem Kürzel WASG in Konkurrenz zur PDS an. Die WASG erreichte 2,2 Prozent der Stim- Senats, an dem die PDS damals beteiligt war. men, die PDS nur 0,9 Prozent. Beide scheiterten Wolff nannte diese Politik gar «verheerend damit aber an der Fünf-Prozent-Hürde. Die SPD für die PDS» und erblickte im neuen Pro- verlor diese Landtagswahl mit 37,1 Prozent der gramm-Entwurf eine «Bestätigung der bishe- Stimmen deutlich. Bundeskanzler Schröder rigen politischen Linie, die zur verlorenen Bun- nahm dies zum Anlass, um vorgezogene Wah- destagswahl führte». Heinz Marohn bekannte len zum Deutschen Bundestag zu verkünden.99 sich in diesem Sinne zu den Minderheitsvoten Zwei Tage später trat der frühere SPD-Vor- von Uwe-Jens Heuer, Ellen Brombacher und sitzende aus der Sozialde­ Winfried Wolf zum Programmentwurf. Günter mokratischen Partei Deutschlands aus und Sieber hielt dem entgegen, die fünfjährige Pro- unterbreitete das Angebot, bei der nächsten grammdebatte sei auch die Geschichte lang- Bundestagswahl für ein Linksbündnis zu kan- jähriger ideologischer Flügelkämpfe, die die didieren. Am 30. Mai 2005 fanden daraufhin Partei in die Krise gestürzt hätten.98 erste offizielle Gespräche zwischen den Bun- Anfang 2004 begann sich die politische Land- desvorständen der PDS und der WASG statt. schaft in Deutschland zu verändern. Vor dem In einem komplizierten, von vielen Irritationen Hintergrund der neoliberalen «Agenda»-Politik begleiteten Prozess einigte man sich in den der von Gerhard Schröder und Joseph Fischer kommenden Wochen und Monaten in der Na- geführten Bundesregierung aus SPD und Bünd­ mensfrage und in der Wahlprogrammatik für nis 90/Die Grünen entstanden sowohl eine Ini- einen gemeinsamen Antritt zur Bundestags- tiative Wahlalternative 2006 als auch eine Ini- wahl im Herbst 2005 und fasste bereits eine tiative Arbeit & soziale Gerechtigkeit, die sich von der wachsenden Protestbewegung gegen 98 Vgl. ebenda. 99 Vgl. dazu im Detail Jochen Weichold: Von die neoliberale Politik getragen fühlten. Anfang der Gründung der WASG bis zur Bundestagswahl 2005. In: /Thomas Händel (Hrsg.): Von der Sozialstaatspartei zur Juli 2004 vereinigten sich beide Initiativen in neuen LINKEN. Eine Geschichte der Wahlalternative Arbeit und dem Verein Wahlalternative Arbeit und Soziale soziale Gerechtigkeit (WASG), Hamburg 2016, S. 58–81. spätere Vereinigung beider Parteien ins Auge. dingungen ihr politisches Programm ableiten Die in Linkspartei umbenannte PDS, auf deren und sich dabei aktiv und überzeugend für die offenen Listen WASG-Vertreter kandidierten, Durchsetzung ihrer bereits heute machbaren erreichte bei der Wahl am 18. September 2005 alternativen Vorschläge zur Bändigung des Tur- 8,7 Prozent der Wählerstimmen und 54 Man- bokapitalismus einsetzen. «Wir brauchen da- date. Damit konnten zwölf Mitglieder der her für die langfristige politische Ausrichtung WASG in den Bundestag einziehen. Die Frak- der einheitlichen Partei der deutschen Linken tion DIE LINKE. im Bundestag entwickelte sich neben einem überzeugenden Aktionspro- in der Folgezeit zum Labor für die Schaffung gramm auch eine strategisch angelegte Aus- einer neuen Linkspartei in Deutschland.100 sage, dass die Partei eine sozial gerechte, eine In einem Positionspapier des Ältestenrates in wirklich demokratische und antimilitaristische Vorbereitung des Dresdener Parteitages, das Gesellschaft anstrebt. Und diese kann nur eine am 2. November 2005 bestätigt wurde, be- antikapitalistische sein, eine Gesellschaftsord- fürworteten die Mitglieder des Ältestenrates nung des demokratischen Sozialismus.»101 grundsätzlich den geplanten Vereinigungs- prozess von Linkspartei.PDS und WASG. Sie waren davon überzeugt, dass die komplizierte 100 Vgl. dazu im Detail ebenda, S. 81–110; Jochen Weichold: Situation, die sich aus der weiteren Verschär- Vom Sieg bei der Bundestagswahl 2005 bis zur Gründung der fung der ökonomischen, sozialen und politi- Partei DIE LINKE. In: Axel Troost/Thomas Händel (Hrsg.): Von der Sozialstaatspartei zur neuen LINKEN, a.a.O., S. 111–113. 101 Die schen Widersprüche und Gebrechen des ge- Mitglieder des Ältestenrats befürworten grundsätzlich den ge- genwärtigen Kapitalismus ergeben habe, den planten Vereinigungsprozess. Positionspapier des Ältestenrats in Vorbereitung des Dresdener Parteitages (Bestätigt am 2. Novem- Zusammenschluss aller aktiven linken Kräfte ber 2005). URL: http://archiv2007.sozialisten.de/partei/struktu- in Deutschland notwendiger denn je mache. ren/aeltestenrat/dokumente/view_html?zid=31201&bs=1&n=2 Ihrer historischen Notwendigkeit könne die (abgerufen am 05.03.2018). – Der Dresdener Parteitag, der am 10. und 11. Dezember 2005 stattfand, beschloss, dass das den angestrebte neue Linkspartei nur dann gerecht Delegierten vorliegende «Positionspapier des Ältestenrates» vom werden, wenn sie politikfähig und massenwirk- 2. November 2005 in die inhaltliche Weiterführung des Parteibil- sam sei und eine entsprechende organisatori- dungsprozesses der Linkspartei.PDS mit der WASG, einschließ- lich der Öffnung dieses Prozesses für soziale Bewegungen und sche und politische Verfasstheit aufweise. Sie andere Linke, als Dokument des Parteitages mit einzubeziehen müsse aus einer Analyse der zu Beginn des sei. Vgl. Zum Positionspapier des Ältestenrates. Beschluss der 3. Tagung des 9. Parteitages der Linkspartei.PDS. In: Gemeinsame neuen Jahrhunderts so grundsätzlich veränder- Ausgabe von Disput, Berlin, 2005, Dezember, und PDS-Presse- ten nationalen wie internationalen Rahmenbe- dienst, Berlin, 2005, N. 50/51, S. 62. 34 —35

Am 24. Februar 2006 beriet der Ältestenrat Um den Prozess des Zusammenwachsens von mit Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch Linkspartei.PDS und WASG voranzutreiben, über die Vorbereitung des 10. Parteitages der wurde die Einrichtung eines Gründungsaus- Linkspartei.PDS in Halle, den Verlauf des an- schusses und gemeinsamer Steuerungs- und gestrebten Vereinigungsprozesses mit der Programmgruppen vereinbart. Die zwölfköp- WASG sowie weitere aktuelle Probleme. In fige Programmgruppe aus Mitgliedern beider der Diskussion bedauerten die Mitglieder des Parteien erarbeitete in der Folge Eckpunkte für Rates, dass sich der Parteivorstand der Links­ das zukünftige Programm der geplanten Partei partei.PDS seit dem Dresdener Parteitag nicht DIE LINKE, deren erster Entwurf gegen Ende genügend zu grundsätzlichen inhaltlichen Februar 2006 vom Vorsitzenden der Linkspartei. Fragen der Politik geäußert habe. Er sollte PDS, Lothar Bisky, und vom Geschäftsführen- sich dringend zu dem unterschiedlichen Ab- den Vorstand der WASG, , der Öf- stimmungsverhalten der Abgeordneten der fentlichkeit vorgestellt wurde. Die Erarbeitung Linkspartei.PDS im EU-Parlament äußern und der «Programmatischen Eckpunkte» für die «dürfte sich nicht einer Bewertung der anti- Fusion der beiden Parteien sei im Detail nicht kubanischen Resolution des EU-Parlaments einfach gewesen, erinnerte sich Axel Troost als entziehen», schrieben die Sprecher des Ältes­ Mitglied der Programmgruppe später. «Der Be- tenrates, Stefan Doernberg und Horst Siebeck, griff Sozialismus hat in der WASG keine Rolle nach der Beratung in einem Brief an die Mit- gespielt, bei der PDS gehörte er zur Identität»104, glieder des Parteivorstandes. «Der Ältestenrat benannte Troost eines der zentralen Themenfel- spricht sich dafür aus, dass sich der Vorstand der, die die anschließenden Diskussionen über eindeutig von dieser Resolution distanziert, die die «Eckpunkte» dominierten.105 als Bestandteil der gegenwärtig verschärften antisozialistischen Hetzkampagne fungiert.»102

Schließlich unterbreitete der Ältestenrat den 102 Brief des Ältestenrates. In: PDS-Pressdienst, Berlin, 2006, Vorschlag, dass sich Vertreter der Programm- Nr. 9 (vom 03.03.2006), S. 5. 103 Vgl. ebenda. 104 «Alle haben kommission mit Mitgliedern des Rates zu ei- einen Sprung über den eigenen Schatten gemacht». Gespräch mit Axel Troost. In: Klaus Ernst, Thomas Händel, Katja Zimmer- nem Gedankenaustausch darüber treffen, wie mann (Hrsg.): Was war? Was bleibt? Wege in die WASG, Wege die Anregungen des Positionspapiers des Äl­ in DIE LINKE, Hamburg 2012, S. 131. 105 Vgl. zu den Debatten über die «Programmatischen Eckpunkte» im Detail Jochen Wei- testenrates vom 2. November 2005 mehr Be- chold: Vom Sieg bei der Bundestagswahl 2005 bis zur Gründung achtung finden könnten.103 der Partei DIE LINKE, a.a.O., S. 117–120 und 144–152. Ende 2006 kritisierte der Ältestenrat den menhang von Ziel, Weg und Wertesystem Entwurf der programmatischen Eckpunkte als demokratischen Sozialismus.»108 der LINKEN und forderte ein klares politisches In einer Stellungnahme des Ältestenrates Profil als sozialistische Partei. der Linkspartei. PDS, bestätigt am 28. No- vember 2006, forderte der Rat für die neue Partei DIE LINKE ein klares politisches Auf einer gemeinsamen Tagung am 22. Ok- Profil als sozialistische Partei. Viele der im tober 2006 in verabschiedeten die Vor- 3. Entwurf der programmatischen Eckpunkte stände von WASG und Linkspartei.PDS einen vorgenommenen Präzisierungen fänden die dritten Entwurf der «Programmatischen Eck- Zustimmung des Ältestenrates, «doch nicht punkte auf dem Weg zu einer neuen Linkspar- wenige stoßen auf unsere Kritik. So bleibt das tei in Deutschland». Ziel des Handelns – hieß es politische Profil der anvisierten neuen Partei in dem Entwurf in Anlehnung an das «Manifest weiter unscharf. Sie muss sich aber deutlicher der Kommunistischen Partei» von 1848 – sei als parlamentarisch wie auch außerparlamen- eine Gesellschaft, «in der die freie Entwicklung tarisch wirkende Organisation [zu] erkennen einer und eines jeden zur Bedingung der freien geben, die dem Kapitalismus als System die Entwicklung aller wird», eine Gesellschaft, die Stirn bietet und eine zukunftsträchtige Alter- über den Kapitalismus hinausweise und die ihn native, d. h. eine sozialistische weist.»109 Auch in einem transformatorischen Prozess über- der bisher anvisierte Name «Die Linke» oder winde. Die Alternative, die sich die neue Partei «Linkspartei» sei unscharf und könne leider auf die Fahnen schreibe, sei eine soziale, demo- kratische und friedliche Transformation statt des entfesselten Kapitalismus.106 Auf den Be- 106 Vgl. Programmatische Eckpunkte auf dem Weg zu ei- griff des «demokratischen Sozialismus» wurde ner neuen Linkspartei in Deutschland. Auf der gemeinsamen Sitzung der Vorstände von Linkspartei.PDS und WASG am in diesem Kontext allerdings verzichtet, da er – 22. Oktober 2006 in Erfurt verabschiedeter Entwurf. In: Neues so Klaus Ernst – «schwierig» sei, weil sich viele Deutschland, Berlin, 28./29.10.2006, Beilage, S. 3/4. 107 Vgl. WASG-Mitglieder nicht als Sozialisten fühl- Neues Deutschland, Berlin, 24.10.2006. 108 Programmatische Eckpunkte auf dem Weg zu einer neuen Linkspartei in Deutsch- 107 ten. Es hieß lediglich, Freiheit, Gleichheit, land, a.a.O., S. 3. 109 Ein klares politisches Profil als sozialis- Solidarität seien mit Frieden, Bewahrung der tische Partei. Stellungnahme des Ältestenrats der Linkspartei. PDS, bestätigt am 28. November 2006. URL: http://archiv2007. Natur und Emanzipation untrennbar verbun- sozialisten.de/partei/strukturen/aeltestenrat/dokumente/view_ den. «Viele von uns bezeichnen diesen Zusam- html?zid=34879&bs=1&n=1 (abgerufen am 05.03.2018). 36 —37 beliebig ausgelegt werden. Der Ältestenrat Ältestenrates rieten dazu, sich zunächst auf die bestand auf der strikten Ablehnung von Pri- Präzisierung des politischen Profils der ange- vatisierungen und verlangte eine Kursände- strebten Linkspartei mit ihrer pluralen Struktur rung in der Entwicklung der EU – weg vom zu orientieren. Sie hielten nach ihren Erfahrun- Europa des Finanz- und Industriekapitals hin gen auch «jegliche Versuche für abträglich, in zu einem demokratischen und solidarischen die neue Partei Tendenzen einer politischen Europa. In Anbetracht der Internationalisie- Polarisierung oder Hegemonie hineinzutra- rung wesentlicher Lebensbereiche sowie der gen»111. fortschreitenden europäischen Integration mit Die bisher vorliegenden Eckpunkte sollten der Konsequenz, dass immer mehr Aufgaben, nach Auffassung des Ältestenrates weiter die sich die Linken stellen, nur länderübergrei- Grundlage einer Diskussion sein, bei der An- fend zu lösen seien, müsse sich die vereinte hänger aller Strömungen ihre Vorstellungen zu Partei in jeder Hinsicht als eine internationalis- den aktuellen Forderungen wie zu der Ausge- tische Partei verstehen, die weiterhin aktiv in staltung der strategischen Ziele und den Prin- der Partei der Europäischen Linken (EL), in der zipien für den inneren Aufbau und die öffentli- Fraktion der Vereinten Europäischen Linken che Arbeitsweise der neuen Partei einbringen und der Nordischen Grünen Linken im EU-Par- könnten. Zunächst hielten sie jedoch die lament, im Forum der Neuen Europäischen Ausarbeitung und Annahme eines möglichst Linken mitwirkt. Zudem dürfe die Linkspartei kurzen und in seiner Klarheit überzeugenden nicht auf ihren bisher mühsam erarbeiteten Gründungsdokumentes oder Manifestes für Konsens zu historischen Fragen verzichten.110 erforderlich, das auf dem Vereinigungspartei- In einer Botschaft des Ältestenrates der Links­ tag verabschiedet werden sollte. Notwendig partei.PDS an die Delegierten des damals be- sei eine kurze Definition der Wesenszüge und vorstehenden Dortmunder Parteitages vom Grundwerte eines angestrebten demokrati- 6. März 2007 brachten die Mitglieder des Rates ihre uneingeschränkte Unterstützung für die Bemühungen zur Herausbildung einer 110 Vgl. ebenda. 111 Den historisch gewachsenen und bewähr- einflussreichen gesamtdeutschen Partei der ten Ideen des Sozialismus verpflichtet. Botschaft des Ältesten- Linken zum Ausdruck, die sich den historisch rates der Linkspartei.PDS an die Delegierten des Dortmunder Parteitages (6. März 2007). URL: http://archiv2007.sozialisten. gewachsenen und bewährten Ideen des Sozi- de/partei/strukturen/aeltestenrat/dokumente/view_html?- alismus verpflichtet sieht. Die Mitglieder des zid=35340&bs=1&n=0 (abgerufen am 06.03.2018). schen Sozialismus als Alternative zum gegen- menschluss beider Parteien ist als Erfolg eines wärtig herrschenden kapitalistischen System. professionellen Managements zweier Partei- Die bisher gefundene Formulierung, dass wir führungen im Zusammenspiel mit wichtigen den demokratischen Sozialismus als Ziel, Weg Akteuren der gemeinsamen Linksfraktion im und Wertesystem sowie als Einheit von Frei- Deutschen Bundestag zu sehen. Dieser konnte heits- und sozialen Grundrechten bezeichnen, gelingen, weil sich in einer Ausnahmesituation dürfte nicht ausreichen. Es sollte darauf hin- links von der in Regierungsarbeit verschlisse- gewiesen werden, dass eine Entwicklung, die nen SPD ein Aktionsraum für eine weitere linke über den Kapitalismus hinausführt, also eine Kraft auftat, den die WASG wie die Linkspartei. sozialistische Alternative zum jetzigen kapita- PDS gemeinsam und richtig genutzt hatten.»113 listischen System, weitgehende Veränderun- Bei der Gründung der Partei DIE LINKE 2007 gen der gegenwärtig vom Großkapital domi- wurde auch der Ältestenrat berufen. Dieser nierten Macht- und Eigentumsverhältnisse, Rat konstituierte sich am 12. Dezember 2007. der Außen-, Innen-, Wirtschafts- und Kultur- In der Einladung an die künftigen Mitglie- politik erfordere.112 der des Rates zur konstituierenden Sitzung schrieben die Ko-Parteivorsitzenden der Partei DIE LINKE, Oskar Lafontaine und Lothar Bisky, DER ÄLTESTENRAT DER PARTEI es gehe darum, «Eure politischen Erfahrungen DIE LINKE ALS KRITISCHER gebündelt in die öffentlichen Debatten der Par- BEGLEITER DES PARTEI­ tei zu holen»114. Lothar Bisky erklärte dann an- FORMIERUNGSPROZESSES lässlich der Konstituierung des Ältestenrates: «Der Ältestenrat ist ein Konsultationsgremium Obwohl es im Fusionsprozess von WASG und Linkspartei.PDS immer wieder hörbar knirschte, konnte dieser Prozess mit dem 112 Vgl. ebenda. 113 Andreas M. Vollmer: Arbeit & soziale Vereinigungsparteitag und der Gründung der Gerechtigkeit – Die Wahlalternative (WASG). Entstehung, Ge- Partei DIE LINKE am 16. Juni 2007 erfolgreich schichte und Bilanz, Baden-Baden 2013, S. 416. 114 Zit. in: Bilanz der Tätigkeit des Ältestenrates 2015. Kurzer Überblick – abgeschlossen werden. Der zu den kritischen vorgestellt auf einer Diskussion im Seniorenclub am 8. Dezem- Beobachtern von WASG und Linkspartei.PDS ber 2015. URL: https://www.die-linke.de/partei/parteistruktur/ kommissionen/aeltestenrat/erklaerungen-und-stellungnah- gehörende Politikwissenschaftler Andreas M. men-des-aeltestenrates/news/bilanz-der-taetigkeit-des-aeltes- Vollmer konstatierte zu Recht: «Der Zusam- tenrates-2015/ (abgerufen am 18.03.2018). 38 —39 und wird sich schwerpunktmäßig zur Entwick- unverzeihlichen Spaltungstendenzen unter lung der Partei, zu Bündnis- und internationa- den Linken missbraucht» worden. Provoziert len Fragen, zur Geschichte der Linken und zu worden sei dies nach Ansicht des Ältestenra­ möglichen Konsequenzen für die sozialistische tes durch den gegenüber der Gedenkstätte der Programmatik verständigen.»115 Sozialisten gesetzten «Stein mit der beliebig Auf dem Zentralfriedhof in Berlin-Friedrichs- auslegbaren und irreführenden Inschrift »Den felde wurde – wie alljährlich – am 13. Januar Opfern des Stalinismus«». Der vom Berliner 2008 der ermordeten KPD-Mitbegründer Rosa Landesvorstand ergangene Aufruf, ebenfalls Luxemburg und Karl Liebknecht gedacht. Ge- dort demonstrativ Nelken niederzulegen, habe genüber dem Mahnmal für die beiden Sozia- die Situation noch verschärft. «Wir missbilli- listen war 2006 ein Gedenkstein «Den Opfern gen alle auf Konflikte orientierte Aktionen im des Stalinismus» errichtet worden, an dem Umfeld dieses Steins, einschließlich jener, die die Spitzen der Berliner Linkspartei Nelken zur Herbeirufung von Polizeikräften benutzt niederlegten. Der Landesvorstand der Partei wurden.»117 DIE LINKE hatte dazu aufgerufen, beim Geden- Zugleich verurteilte der Ältestenrat die unter ken an Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht Stalin begangenen Verbrechen einmütig, ganz die Abertausenden Linken nicht zu vergessen, besonders auch jene Willkürakte, in deren die stalinistischen Verfolgungen zum Opfer ge- Folge vor allem 1937/38 so viele Kommunisten fallen waren. Darüber war Streit an der Basis der Linkspartei entbrannt, der sich in heftigen Diskussionen und Rangeleien am Gedenkstein 115 Zit. in: DIE LINKE.: Der Ältestenrat der Partei DIE LINKE. URL: https://www.die-linke.de/partei/parteistruktur/kommis- fortsetzte, in dem seine Gegner einen Kotau sionen/aeltestenrat/ (abgerufen am 06.03.2018). 116 Vgl. Laut vor dem antikommunistischen Zeitgeist er- und leise. Stilles Gedenken an den Gräbern von Karl und Rosa blickten. In der Folge rissen einige von ihnen und Rangelei am Stein des Anstoßes. In: Neues Deutschland, Berlin, 14.01.2008; Protest und Gedenken. In: junge Welt, Berlin, Blumen herunter und trampelten darauf he- 14.01.2008; Modrow kritisiert Gedenkstein. Buchpremiere im rum.116 ND-Club. In: Neues Deutschland, Berlin, 18.01.2008. 117 Zu Auf seiner Beratung am 5. Februar 2008 be- den Vorkommnissen während der diesjährigen Ehrung von Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg. Erklärung des Ältes- fasste sich der Ältestenrat unter anderem mit tenrates (5. Februar 2008). URL: https://www.die-linke.de/ den «bedauerlichen Vorkommnissen» wäh- partei/parteistruktur/kommissionen/aeltestenrat/erklaerun- gen-und-stellungnahmen-des-aeltestenrates/news/zu-den-vor- rend der Ehrung von Karl Liebknecht und Rosa kommnissen-waehrend-der-diesjaehrigen-ehrung-von-karl-lieb- Luxemburg. Die Gedenkkundgebung sei «zu knecht-und-rosa-luxemburg/ (abgerufen am 06.03.2018). der Sowjetunion und anderer Länder, darun- litischen und sozialen Kämpfen unserer Zeit, ter deutsche Emigranten, zu Opfern wurden. ihr Verhältnis zu den sozialen Bewegungen Diese Verbrechen dürften nicht verschwiegen sowie zu den internationalen Aspekten ihrer und nicht verharmlost werden, nicht zuletzt programmatischen Vorstellungen. Der Ältes­ weil sie Jahrzehnte lang ihre Schatten auf die tenrat mahnte dafür eine straffe Analyse und Idee und die Praxis des Sozialismus geworfen Einschätzung der gegenwärtigen bundesre- hätten. «Trotzdem halten wir nicht die Gedenk- publikanischen, europäischen und weltpoliti- stätte der Sozialisten, noch dazu die Grabstätte schen Situation an und trat insbesondere für der von der deutschen Reaktion und ihren Hel- eine deutliche Ausprägung des friedenspoliti- fershelfern ermordeten Rosa Luxemburg und schen Profils der Partei, für die notwendige Eli- Karl Liebknecht, für den geeigneten Ort eines minierung von Militärbündnissen und generell Gedenksteins. Und das ganz abgesehen von des militärischen Faktors in der Politik ein und der Inschrift, die als Steilvorlage von offenen verweigerte für Auslandseinsätze der Bundes- Antikommunisten und anderen Erzfeinden des wehr die Zustimmung.119 Sozialismus, von Propagandisten der Totalita- Der Ältestenrat unterstrich, dass die Partei rismustheorie und der verlogenen Gleichset- konkrete programmatische Vorstellungen zur zung der ‹zwei deutschen Diktaturen› miss- weiteren Entwicklung Gesamteuropas im All- braucht wird.»118 gemeinen und der Europäischen Union (EU) Auf seiner Sitzung am 5. Februar 2008 un- im Besonderen benötige. Es müsse bewusst terbreitete der Ältestenrat zudem ein Ange- gemacht und in praktische Aktion umgesetzt bot zum Fortgang der Programmdebatte in werden, dass viele anstehende Aufgaben im der Partei DIE LINKE. Die Partei befinde sich Kampf um linke Alternativen nur noch durch noch immer im Prozess der Konsolidierung. Er europaweite Zusammenarbeit, internationale müsse zügig voran gebracht werden, denn die Koordinierung und Aktion gelöst werden kön- Situation im Lande, in Europa und in der Welt mache eine einheitliche, aktionsfähige linke deutsche Partei dringend notwendig. Hierfür 118 Ebenda. 119 Vgl. Angebot des Ältestenrates zum Fort- gang der Programmdebatte. Auf der Sitzung des Ältesten­rates benötige die Partei einheitliche programmati- am 5. Februar 2008 bestätigt. URL: https://www.die-­linke. sche Vorstellungen. Programmatisch zu klären de/partei/parteistruktur/kommissionen/aeltestenrat/erklae- rungen-und-stellungnahmen-des-aeltestenrates/news/ange- seien Platz, Rolle und Funktion der Partei im bot-des-aeltestenrates-zum-fortgang-der-programmdebatte/ politischen System der BRD sowie in den po- (abgerufen am 07.03.2018). 40 — 41

nen. Als Mitglied der Partei der Europäischen ständnisses und ihrer Programmatik eine aus- Linken müsse sich DIE LINKE weiterhin für gewogene Bewertung der Geschichte der bei- eine Verständigung und Zusammenarbeit al- den deutschen Staaten in der Nachkriegszeit ler linken, antikapitalistischen, sozialistischen und ihres gegenseitigen Einwirkens wie auch und kommunistischen Kräfte einsetzen, auch der Entwicklung der Bundesrepublik nach über den Rahmen der Europäischen Linken dem Anschluss der DDR. «Deshalb halten wir hinweg.120 es auch für notwendig, sich kritisch zu gewis- sen realitätsfremden und bedenklichen Urtei- Eine ausgewogene Bewertung der Geschichte len über geschichtliche Vorgänge zu verhalten, der beiden deutschen Staaten wie auch wie sie gelegentlich im Namen der Partei geäu- der Entwicklung der Bundesrepublik nach ßert werden, die jedoch in der Mitgliedschaft dem Anschluss der DDR ist nötig. nicht auf Verständnis stoßen und dem Anse- hen der Partei nicht förderlich sind.»122 Am 16. Juli 2008 meldete sich der Ältesten­ Schließlich war dem Ältestenrat die program- rat erneut in der Programmdebatte der Partei matische Bestimmung des Verhältnisses zur DIE LINKE mit einer speziellen Erklärung zum Geschichte der Arbeiterbewegung – der sozi- Umgang mit der Geschichte zu Wort. Es gebe aldemokratischen, kommunistischen, gewerk- für jede Partei unverkennbar ein enges Wech- schaftlichen – generell und zum Sozialismus in selverhältnis zwischen ihrem vorherrschen- der DDR im Besonderen ein Herzensanliegen. Denn das Verhältnis zur Geschichte würde 120 Vgl. ebenda. 121 Ebenda. 122 Ebenda. – Die Tageszei- immer auch die Einstellung zur Zukunft wi- tung «junge Welt» druckte das «Angebot des Ältestenrates der derspiegeln. «Eben deshalb sollten wir uns zur Partei DIE LINKE zum Fortgang der Programmdebatte» in ihrer Legitimität der Herausbildung sozialistischer Ausgabe vom 28. März 2008 ab. Dazu erklärte Hans Modrow als Vorsitzender des Ältestenrates, dass der Abdruck «erfreu- Gesellschaftsformationen im 20. Jahrhundert lich» sei, merkte jedoch an: «Der dokumentierte Text ist eine bekennen, darunter auf deutschem Boden, so Aussage des Ältestenrates. Für die Bilder und ihre Unterzeilen unvollkommen und mit Fehlern belastet die liegt die Verantwortung bei der Redaktion. Wir wollen eine auf die Zukunft gerichtete Debatte.» (Zur Veröffentlichung des Entwicklung der DDR in den vier Jahrzehnten «Angebotes …» in der jW, 31. März 2008. URL: https://www. ihrer Existenz bis zu ihrem Zusammenbruch die-linke.de/partei/parteistruktur/kommissionen/aeltestenrat/ 121 erklaerungen-und-stellungnahmen-des-aeltestenrates/news/ auch war.» Unter diesem Gesichtspunkt zur-veroeffentlichung-des-angebotes-in-der-jw/ [abgerufen am brauche die Partei im Interesse ihres Selbstver- 08.03.2018]). den und in die Öffentlichkeit getragenen Ge- und widerspruchsvollen Epoche in der Ent- schichtsverständnis und ihrer aktuellen Politik. wicklung der menschlichen Zivilisation eröff- «In der aktuellen Situation wie in absehbarer net habe. Diese Epoche unterlag in den Jahren Zukunft gilt das für die Partei DIE LINKE ganz 1989 bis 1991 «einem tiefen Umbruch, da der besonders»123, betonte der Ältestenrat. Das Zusammenbruch des europäischen Sozialis- schließe durchaus kritisches Herangehen an mus globale Auswirkungen hatte. Weltweit die Bewertung der Vergangenheit ein. Sowohl und ganz besonders auch in Deutschland sa- eine Distanzierung von früheren Fehlentschei- hen sich alle linken Kräfte mit neuen Bedingun- dungen wie erst recht die Verurteilung von gen und Herausforderungen konfrontiert, die Untaten, die im Namen des Sozialismus be- zusätzlich zu den überkommenen zu bewäl- gangen wurden, blieben unverzichtbar. «Nur tigen sind.»125 Von ihrer Bewältigung hänge sollte man nach unserer Auffassung nicht der es daher weitgehend ab, ob auch nach dem Benennung von Fehlern den dominierenden Zusammenbruch der sozialistischen Staaten- Platz einräumen. Eine kritische Bewertung gemeinschaft in Europa die historisch seit län- geschichtlicher Ereignisse darf auch nicht in gerem herangereifte Übergangsperiode in der Verkennung oder gar bei bewusster Negierung Weltgeschichte ihre Fortsetzung finden und der jeweiligen konkreten historischen Situa- nicht als abgeschlossen gelten könne.126 tion vorgenommen werden. Dagegen sollte sie Der Ältestenrat trat am 25. September 2008 mit dem Hinweis auf zukunftsorientierte Leh- mit dem Diskussionspapier «Das schwedische ren zum Gewinn neuer aktueller Erkenntnisse Modell und die programmatische Arbeit in der beitragen.»124 Linken» an die Öffentlichkeit, da eine Reihe Po- Nach Auffassung des Ältestenrates sollte litiker der LINKEN dieses Modell als Vorbild für sich das Geschichtsverständnis der Partei Deutschland propagierte. Der Rat ging dabei DIE LINKE auf Schwerpunkte und vordringlich auf jene Probleme orientieren, die jeweils von aktueller Bedeutung in der politischen Ausein- andersetzung sind. Vordergründig würden sie 123 Anregungen zum Umgang mit der Geschichte. Erklärung des Ältestenrats der Partei DIE LINKE (16. Juli 2008). URL: ht- die Geschichte des 20. Jahrhunderts betref- tps://www.die-linke.de/partei/parteistruktur/kommissionen/ fen, in dem sich mit der russischen Oktober- aeltestenrat/erklaerungen-und-stellungnahmen-des-aeltes- tenrates/news/anregungen-zum-umgang-mit-der-geschich- revolution und ihren Ergebnissen weltweit das te-1/ (abgerufen am 08.03.2018). 124 Ebenda. 125 Eben- Anfangsstadium einer neuen, komplizierten da. 126 Vgl. ebenda. 42 — 43 sehr differenziert zwei Fragen nach: Erstens. Der Ältestenrat betonte andererseits: «Die Wie könnte vor dem Hintergrund der schwe- wohlfahrtsstaatliche Politik wurde unter den dischen Erfahrungen die Dominanz des privat- konkreten Bedingungen nicht gegen sondern kapitalistischen Eigentums zurück gedrängt im Interesse des Produktiv- und Finanzkapi- werden? Und zweitens: Taugt der schwedi- tals entwickelt.»128 Das «schwedische Mo- sche bzw. skandinavische Wohlfahrtsstaat als dell» könne Annahmen nicht bestärken, dass Gegenmodell zur neoliberalen Modernisierung Interessen an der Kapitalverwertung denen oder als Orientierung für eine demokratische der abhängig Beschäftigten bei Fortbestehen und soziale Gestaltung des gegenwärtigen der herrschenden Eigentumsverhältnisse am Kapitalismus? Dabei verstand der Ältestenrat machtgebenden Produktivkapital und Vermö- unter dem Begriff «schwedisches Modell» den gen untergeordnet werden könnten und auf erfolgreichsten modernen Wohlfahrtsstaat, diese Weise der Kapitalismus in eine sozialisti- wie er seit Mitte der 1930er Jahre unter 40-jäh- sche Gesellschaft zu transformieren wäre. Eine riger sozialdemokratischer Regierungsmacht vorrangige oder alleinige programmatische mit sehr starken Gewerkschaften bis zur Mitte Orientierung auf Eingriffe in die Verfügungsge­ der 1970er Jahre entwickelt und vor allem in walt über privates Produktiv- und Geldvermö- der internationalen Sozialdemokratie als Bei- gen würde der grundlegenden Erfahrung mit spiel eines «demokratischen Sozialismus» dem «schwedischen Modell» im Einsatz für ei- wirksam wurde. Der Rat hob hervor: «Die ge- nen demokratischen Sozialismus und für Wirt- lebte Dialektik von Klassenkompromissen, schaftsdemokratie widersprechen. Reformen, Arbeiterkämpfen und Aktionen eines kämpfe- die nicht auch Interessen von ökonomisch rischen Parlamentarismus in Schweden birgt Mächtigen unter sich ändernden Bedingungen wertvolle, aufzuarbeitende Erfahrungen für entsprechen, hätten keinen Bestand, wenn sie den gegenwärtigen, darunter den notwendig antikapitalistischen, Einsatz im Rahmen die- ser Gesellschaftsordnung. Eine Bedingung für die Erfolgsperiode in Schweden war die Ver- 127 Das schwedische Modell und die programmatische Ar­ beit in der Linken. Diskussionspapier des Ältestenrates knüpfung von Reformarbeit für die Verbesse- (25. September 2008). URL: https://www.die-linke.de/par- rung der alltäglichen Lebenslage der abhängig tei/parteistruktur/kommissionen/aeltestenrat/erklaerun- gen-und-stellungnahmen-des-aeltestenrates/news/das-schwe- Beschäftigten mit einer Vision von sozialer dische-modell-und-die-programmatische-arbeit-in-der-linken/ Gleichheit.»127 (abgerufen am 08.03.2018). 128 Ebenda. nicht durch revolutionäre, d. h. qualitative Ver- «Preis» für eine Regierungsbeteiligung verlas- änderungen/Reformen/Brüche gesichert wür- sen, bestünde die Gefahr, dass dies von ihren den. In den programmatischen Überlegungen Anhängern und Wählern als Verrat an ihren der Partei DIE LINKE sei davon auszugehen, Interessen und Anliegen wahrgenommen dass das europäische sozialdemokratische würde. Aus strategischer Sicht bleibe für die Sozialstaats- oder Wohlfahrtsstaatsprojekt der Zukunft die Forderung nach einer antikapitalis- Nachkriegszeit, einschließlich seines Proto- tischen Alternative. Dabei könne es sich auch typs in Schweden, weitgehend gescheitert sei nach Niederlagen und gewonnenen Erfahrun- und dass seine Wiedererrichtung, Erneuerung gen im 20. Jahrhundert nur um einen Sozialis- oder Wandlung keine realistische Orientierung mus im 21. Jahrhundert handeln.130 für eine sozialistische Partei sein könne.129 In Hannover beriet der Ältestenrat der Par- tei DIE LINKE am 2. April 2009 mit der Land- Grundlinien des Parteiprofils sollten die aus- tagsfraktion der Partei in Niedersachsen und schließlich friedliche Lösung internationaler veröffentlichte die Erklärung «Die aktuelle Konflikte und der Übergang zu einer sozial und Weltwirtschaftskrise weitet sich zu einer Sys- ökologisch nachhaltigen Wirtschaftspolitik sein. temkrise aus». Die gegenwärtige Finanz- und Wirtschaftskrise mit ihren gravierenden Aus- wirkungen auf viele Bereiche des gesellschaft- Am 19. Februar 2009 äußerte sich der Ältes­ lichen Lebens rechtfertige nach Auffassung tenrat in einem Positionspapier zum künftigen des Rates unterschiedliche, zum Teil sogar Profil der Partei DIE LINKE und zu ihrem Platz konträre Lösungsvarianten. Der Ernst der Si- in der bundesdeutschen Gesellschaft. Der tuation erfordere es jedoch, dass gemeinsam Rat sah als Grundlinien des Parteiprofils, die erarbeitete und nachdrücklich propagierte zugleich als Bindeglied für die Flügel und ver- Konzepte trotz unterschiedlicher Auffassungen schiedenen Strömungen innerhalb der Partei dienen könnten, die Verteidigung des Sozial- staates, die Lösung internationaler Konflikte 129 Vgl. ebenda. 130 Vgl. DIE LINKE – ihr künftiges Profil und ihr Platz in der bundesdeutschen Gesellschaft. Positionspa- mit ausschließlich friedlichen Mitteln und den pier des Ältestenrates (19. Februar 2009). URL: https://www. Übergang zu einer ökonomisch, sozial und die-linke.de/partei/parteistruktur/kommissionen/aeltestenrat/ erklaerungen-und-stellungnahmen-des-aeltestenrates/news/ ökologisch nachhaltigen Wirtschaftspolitik. die-linke-ihr-kuenftiges-profil-und-ihr-platz-in-der-bundesdeut- Würde die Partei diese Grundlinien etwa als schen-gesellschaft/ (abgerufen am 08.03.2018). 44 — 45 und innerparteilicher Debatten im Vordergrund auch weitere potenzielle Wähler*innen einer stehen. «Als ein ganz primäres Anliegen sehen wirklich alternativen Politik zu gewinnen. Wie wir es, die Erkenntnis zu vermitteln, dass die sich zeige, werde Geschichte im Wahlkampf gegenwärtige Krise und ihre weiter drohende zum Thema. Das erfordere ein deutliches Be- Verschärfung ihre Ursache im System des Ka- kenntnis der Partei DIE LINKE zu einem aus- pitalismus und seinen Widersprüchen selbst, gewogenen Geschichtsbild, das sowohl auf nicht in einzelnen Fehlverhalten oder Fehlent- einer positiven Haltung zu den Traditionen als scheidungen von Managern und Politikerinnen auch einer kritischen derselben Bewertung und Politikern hat.»131 Als eine wesentliche beruhen müsse. «Wir dürfen die Deutung der Schlussfolgerung – so der Ältestenrat – sollte Geschichte nicht den Urhebern der gegenwär- daraus abgeleitet werden, die wirtschaftliche tigen Krise des Kapitalismus überlassen.»133 und daraus sich ergebende politische Domi- Am 1. Oktober 2009 beriet der Ältestenrat zu nanz und Macht des Großkapitals mit seinem Fragen der Jugendpolitik der Partei DIE LINKE spekulativen und expansiven Profitstreben zu und unterbreitete in einem Diskussionspa- Gunsten des Gemeinwohls zu begrenzen.132 pier Überlegungen und Vorschläge dazu. Eine Zur Auswertung des Bundestagswahl-Partei- Durchsicht grundlegender Dokumente der tages der LINKEN 2009 traf sich der Ältestenrat Partei weise darauf hin, dass Jugendpolitik am 30. Juni 2009. In einer Erklärung begrüß- in der Politik der Partei nicht den Raum ein- ten seine Mitglieder die Ergebnisse des Partei- nehme, der ihr in einer linken Partei zukom- konvents. Mit der Annahme eines überzeugen- men müsste. Auch in der praktischen Politik den und recht detaillierten Wahlprogramms und der manifestierten Geschlossenheit hät- ten die Delegierten den Erwartungen all jener 131 Die aktuelle Weltwirtschaftskrise weitet sich zu einer Sys- entsprochen, die am stärksten von der gegen- temkrise aus. Erklärung des Ältestenrats zum Abschluss seiner Beratung in Hannover (2. April 2009).URL: https://www.die-linke. wärtigen tiefen Krise in der Bundesrepublik de/partei/parteistruktur/kommissionen/aeltestenrat/erklaerun- betroffen seien. Jetzt gehe es nicht zuletzt da- gen-und-stellungnahmen-des-aeltestenrates/news/die-aktuel- rum, dies im Bundestagswahlkampf deutlich le-weltwirtschaftskrise-weitet-sich-zu-einer-systemkrise-aus/ (abgerufen am 09.03.2018). 132 Vgl. ebenda. 133 Zur Auswer- sichtbar zu machen. Der Ältestenrat hielt es für tung des Bundestagswahlparteitages 2009. Erklärung des Ältes- zweckmäßig, einen auf die Hauptforderungen tenrates (30. Juni 2009). URL: https://www.die-linke.de/partei/ parteistruktur/kommissionen/aeltestenrat/erklaerungen-und-stel- orientierenden Wahlkampf zu führen, um mit lungnahmen-des-aeltestenrates/news/zur-auswertung-des-bun- ihm sowohl die vielen Sympathisant*innen als destagswahlparteitages-2009/ (abgerufen am 09.03.2018). der Partei spielten jugendpolitische Fragestel- ihre wesentlichen Erfahrungen hin analysieren lungen und Probleme nur eine untergeordnete sollte. Es charakterisiere diese Entwicklungen, Rolle. Aus Sicht des Rates sei es generell er- dass über theoretische Erwägungen zum So- forderlich, die jungen Parteimitglieder in die zialismus hinaus in der Praxis der Versuch un- verschiedenen Aktivitäten der Partei entspre- ternommen werde, Wege dahin zu bahnen. Sie chend ihrem Wissen und Können, ihren Erfah- würden gerade dadurch vor allem an Interesse rungen aktiv einzubeziehen, ihnen eigenver- gewinnen, dass sie die Etappe des Herankom- antwortliche Aufgaben zu übertragen, sie an mens an gesellschaftliche Veränderungen, an die Leitungsarbeit heranzuführen und ihnen eine «Schwelle» für machbare Schritte in eine auch die Möglichkeit zu schaffen, für Abge- neue Gesellschaft stärker ins Licht rücken wür- ordnetenmandate zu kandidieren. Nach Auf- den. Das sei ein Feld mit vielen Fragezeichen. fassung des Ältestenrates sollte ihnen in den Erfahrungen und Vorstellungen könnten ange- Basisorganisationen, in den Kreis- und Landes- sichts der unterschiedlichen konkreten Bedin- verbänden das Gefühl gegeben werden, etwas gungen auch nicht unbesehen übernommen für die Ziele der Partei – und damit für ihre eige- werden, aber grundlegende Möglichkeiten nen – tun zu können.134 und Strategien sollten nach Meinung des Äl­ Im Rahmen der Programmdebatte der Partei testenrates auf ihren wesentlichen Gehalt und DIE LINKE befasste sich der Ältestenrat am ihre Tauglichkeit unter den hiesigen Bedingun- 18. Januar 2010 mit Fragen des Sozialismus im gen geprüft werden.135 21. Jahrhundert und mit realen gesellschaftli- chen Prozessen zu linken Alternativen in der Ge- 134 Vgl. Überlegungen und Vorschläge zur Jugendpoli- genwart. Unter Einbeziehung externen Sach- tik der Partei DIE LINKE. Diskussionspapier des Ältestenra- verstands betrachtete er dazu die bestehenden tes (1. Oktober 2009). URL: https://www.die-linke.de/­partei/­ Realitäten in den Ländern Lateinamerikas, so- parteistruktur/kommissionen/aeltestenrat/erklaerungen-und-­ stellungnahmen-des-aeltestenrates/news/ueberlegungen-­ wie in Kuba und in der Volksrepublik China, um und-vorschlaege-zur-jugendpolitik-der-partei-die-linke/ (abge- im neuen Parteiprogramm auch ein modernes rufen am 09.03.2018). 135 Vgl. Sozialismus im 21. Jahrhundert und zeitgemäßes Verständnis von Sozialismus und reale gesellschaftliche Prozesse zu linken Alternativen in der Gegenwart. Positionspapier des Ältestenrates zur Programmde- zu entwickeln. In einem Positionspapier kam er batte (18. Januar 2010). URL: https://www.die-linke.de/partei/ zu der Schlussfolgerung, dass DIE LINKE die in- parteistruktur/kommissionen/aeltestenrat/erklaerungen-und-stel- lungnahmen-des-aeltestenrates/news/sozialismus-im-21-jahr- ternationalen gesellschaftlichen Prozesse mit hundert-und-reale-gesellschaftliche-prozesse-zu-linken-alterna- großer Aufmerksamkeit verfolgen und sie auf tiven-in-der-ge/ (abgerufen am 10.03.2018). 46 — 47

Die politischen Bestrebungen, für die Mil- Oskar Lafontaine Mitte November 2009 mitge- lionen Menschen ihre Kräfte und ihr Leben teilt hatte, sich einer Krebsoperation unterzie- einsetzen würden, seien es wert, «unsere So- hen zu müssen und erst danach zu entschei- lidarität und Unterstützung in wesentlich hö- den, wie seine politische Zukunft aussehen herem Maße als bisher zu stärken. Trotz hoch werde, brach eine öffentlich geführte Perso- anzuerkennender Initiativen der Bundestags- naldebatte aus, die inhaltliche Fragen der Po- fraktion der LINKEN bleibt die Haltung der litik der Partei in den Hintergrund treten ließ. Partei als Ganzes dazu bisher blass.»136 Hier Das war Anlass für den Ältestenrat der Partei müssten gemeinsam mit Solidaritätsbewe- DIE LINKE, sich am 23. Januar 2010 in einem gungen Ideen für wirksamere Aktionen entwi- Positionspapier mit großer Sorge zur Situation ckelt werden, was zweifelsfrei der Partei auch in der Partei zu äußern. Er konstatierte «mit Be- weitere Zustimmung aus der Bevölkerung zu- fremden die Verantwortungslosigkeit einiger führen könnte. Die LINKE könne es sich ohne führenden Genossen mit der öffentlich geführ- Gefährdung ihrer eigenen Identität nicht erlau- ten Personaldebatte gegenüber der Partei als ben, in Tendenzen der Verunglimpfungen und Ganzes und ihren Aufgaben»139. Entstellungen dieser Bewegungen einzustim- Dies wiege umso schwerer, als die Situation men, die die bürgerlichen Medien permanent in der Welt des Kapitalismus angesichts der offerieren. Nach Auffassung des Ältestenrates schwersten Wirtschaftskrise seit Jahrzehnten sollte sie, ohne die Probleme und Schwierig- eine außerordentliche Herausforderung für keiten auszublenden, zumindest in den von alle linken politischen Kräfte sei, wenn es gelte, ihr angeregten Veröffentlichungen und Erklä- andere gesellschaftliche Verhältnisse auf die rungen für eine sachlich richtige Information Tagesordnung zu setzen. Anstatt sich in Per- und klare Position zu diesen Prozessen Sorge sonaldebatten und kleinkariertem Postenstreit tragen.137 Bei der Bundestagswahl am 27. September 2009 hatte die Partei DIE LINKE mit 11,9 Pro- zent der Zweitstimmen ihr bisher bestes Wahl- 136 Ebenda. 137 Vgl. ebenda. 138 Vgl. Der Fischer Weltal- manach 2011. Zahlen, Daten, Fakten, Frankfurt am Main 2010, 138 ergebnis erzielen können. Nach erfolgrei- S. 149. 139 Zur Situation in der Partei DIE LINKE. Positionspapier chen Landtagswahlen hatte sich die Partei des Ältestenrats (23. Januar 2010). URL: https://www.die-linke. de/partei/parteistruktur/kommissionen/aeltestenrat/erklaerun- bundesweit als Machtfaktor etabliert. Doch gen-und-stellungnahmen-des-aeltestenrates/news/zur-situati- nachdem der Partei- und Fraktionsvorsitzende on-in-der-partei-die-linke/ (abgerufen am 12.03.2018). zu zerfleischen, müsse die Partei ihre Politik- In der Programmdebatte 2010 plädierte fähigkeit erhöhen, ernsthafter als bisher ver- der Ältestenrat für ein antikapitalistisches, suchen, die Bevölkerung für die alternativen, sozialistisches Profil der LINKEN, durch antikapitalistischen Vorstellungen der LINKEN das die Identität der Partei gefestigt werde. bei der Veränderung dieses krisengeschüttel- ten Gesellschaftssystems zu mobilisieren. Die Mitglieder des Ältestenrates betonten: «Wir Der Rat definierte fünf Schwerpunkte für die sind für einen inhaltlichen Meinungsstreit in weitere Programmarbeit: (1) Die vertiefende der Partei, aber Pluralismus darf nicht zu politi- Analyse der heutigen gesellschaftlichen Ver- scher Beliebigkeit degenerieren und politische hältnisse, «der Vertiefung der allgemeinen Meinungsbildung sollte nicht dem Feuilleton Krise des kapitalistischen Systems, denn sie in den Medien überlassen werden. […] Eine stellt die Fundierung der Grundaussage des handlungsfähige Linke ist notwendig, um eine Programmentwurfs dar, dass ein System- neue soziale Idee stark zu machen.»140 wechsel weg vom Kapitalismus notwendig Im Frühjahr 2010 legte die vom Parteitag 2007 ist»141. (2) Das Sozialismusverständnis der LIN- beschlossene Programmkommission einen KEN. (3) Die weitere Qualifizierung der Bezug- Entwurf für das Parteiprogramm der Partei nahme auf das Geschichtsverständnis der Par- DIE LINKE vor, der dann in Basisgruppen, in tei. Der Versuch im Osten Deutschlands, den speziellen Veranstaltungen der Kreise und ei- Sozialismus zu errichten, und die Erfahrungen niger Länder, in Bundesarbeitsgemeinschaf- der DDR würden zu dem Erbe gehören, zu ten und in Plattformen bzw. anderen Zusam- dem sich die LINKE bekennt und das sie nicht menschlüssen intensiv diskutiert wurde. Am pauschal verleumden lassen dürfe, auch wenn 2. September 2010 meldete sich der Ältesten­ sie sich eine kritische Sicht darauf erarbeitet rat mit einer Erklärung zu Wort, in der er für habe. (4) Das Programm müsse die Partei als eine konstruktive Programmdebatte und für «ein antikapitalistisches, ein sozialistisches Profil der Partei DIE LINKE» plädierte. Er sah 140 Ebenda. 141 Für eine konstruktive Programmdebatte. ein ganz bedeutendes Ziel der Programmdis- Erklärung des Ältestenrats (2. September 2010). URL: https:// kussion darin, die Partei zusammenzuführen, www.die-linke.de/partei/parteistruktur/kommissionen/aeltes- tenrat/erklaerungen-und-stellungnahmen-des-aeltestenrates/ ihre Identität zu festigen und das gemeinsame news/fuer-eine-konstruktive-programmdebatte/ (abgerufen am Profil klarer herauszuarbeiten. 12.03.2018). 48 — 49 antikapitalistische Kraft ausweisen, als eine und Positionen in einem Klima gegenseitiger Partei, die um eine sozialistische Perspektive Achtung. Der Rat machte darauf aufmerksam, ringe, als Partei, die konsequent für soziale dass im Programmentwurf bisher eine grund- Gerechtigkeit, für die Interessen der Mehrheit legende Charakteristik der gegenwärtigen der Menschen in diesem Lande kämpfe, als Staatsmacht fehle, obwohl im gesamten Ent- konsequente Friedenspartei. Das Programm wurf Staat und Recht bei der erstrebten Um- müsse ausweisen, was und welches die ori- gestaltung der Gesellschaft eine wesentliche ginären Ziele der Partei seien, wodurch sie Rolle zugedacht werde. «Aus diesem Defizit sich von anderen Parteien und linken Bewe- erwachsen einerseits Gefahren einer Über- gungen unterscheide. Nur so würde deutlich, schätzung der Möglichkeiten, was linke Politik was sie in Koalitionen einbringen könne bzw. durch, mit und in der gegenwärtigen Staats- womit eventuelle Partner zu rechnen hätten. macht erreichen könnte, und andererseits Ge- (5) Tiefere Beachtung und Analyse erfordere fahren einer Unterschätzung ihrer systemsi- die Dialektik des Nationalen und des Interna- chernden und repressiven Funktionen.»143 Der tionalen unter den heutigen Bedingungen. In Ältestenrat gab zu bedenken, dass wesentli- diesem Kontext müsse auch darauf verwiesen cher Gehalt und Normen des Grundgesetzes, werden, dass die Partei DIE LINKE als Mitglied vor allem seine wirtschaftspolitische Neutra- der Europäischen Linken in europäischer und lität, auf Umwegen über die EU zunehmend internationaler Verantwortung stehe. Schließ- unterhöhlt würden. Die Europäische Union lich wäre es im Sinne der Verbindung des sei – anders als laut Grundgesetz die Bundes- Heute mit dem Morgen gut, die Programmde- republik – auf eine neoliberale Wirtschaftspoli- batte mit den Fragen der gegenwärtigen prak- tik festgelegt.144 tischen Politik der LINKEN zu verknüpfen.142 Am 30. November 2010 befasste sich der Ältestenrat erneut mit dem Entwurf des Par- teiprogramms der LINKEN vom 23. März 142 Vgl. ebenda. 143 Über den Staat und die Rechtsordnung im 2010 – speziell mit den Positionen zu Staat und Entwurf des Parteiprogramms der LINKEN vom 23. März 2010. Stellungnahme des Ältestenrates (30. November 2010). URL: Rechtsordnung im Entwurf – und diskutierte https://www.die-linke.de/partei/parteistruktur/kommissionen/ und bedachte bei der Erarbeitung seines Posi- aeltestenrat/erklaerungen-und-stellungnahmen-des-aeltesten- rates/news/ueber-den-staat-und-die-rechtsordnung-im-ent- tionspapiers dazu, «wie stets im Ältestenrat» wurf-des-parteiprogramms-der-linken-vom-23-maerz-2010-1/ unterschiedliche Erfahrungen, Auffassungen (abgerufen am 14.03.2018). 144 Vgl. ebenda. In einer Erklärung des Ältestenrates der Partei gerechtere, friedlichere, ausbeutungs- und DIE LINKE mit dem Titel «Der Sozialismus ist unterdrückungsfreie Welt. Anstelle einer mi- im 21. Jahrhundert Anspruch unserer Zeit» litärstrategischen Parität, einer Bipolarität, sei vom 20. Januar 2011 setzte sich das Gremium zunächst die Dominanz der USA und der NATO mit «hysterischen Reaktionen» auf den Arti- getreten. In der Folgezeit seien neue Kraftzen- kel der Parteivorsitzenden Gesine Lötzsch in tren wie China, Indien, Brasilien entstanden. der «Jungen Welt» vom 3. Januar 2011 über Der Ältestenrat stellte fest, dass sich zwar eine «Wege zum Kommunismus»145 auseinander. multipolare Welt herauszubilden begann, je- Nach Auffassung des Rates würden diese Re- doch seien vor allem mehrere imperialistische aktionen auf Ausgrenzung und Diffamierung Machtzentren entstanden, die in Konkurrenz, der Linken und ihrer auf soziale Gerechtigkeit gemischten Bündnissen und Konflikten mit- und Frieden gerichteten Politik zielen. Anti- einander verbunden seien. Die LINKE müsse kommunistische Vorbehalte in der bundes- sich auf jähe Wendungen in der Entwicklung deutschen Gesellschaft würden geschürt, der Weltlage einstellen. Natürlich würden die um die langfristige Orientierung der Partei Linken wie auch andere progressive Kräfte den DIE LINKE auf einen demokratischen Sozi- Kampf um gesellschaftliche Veränderungen in alismus, auf die untrennbare Einheit von So- erster Linie im nationalen Rahmen führen. An- zialismus und Freiheit zu verunglimpfen. Der gesichts der globalisierten Welt werde dieser Ältestenrat zeigte sich in diesem Zusammen- Kampf jedoch umso erfolgreicher sein, je mehr hang überzeugt: «Der Kapitalismus ist nicht das Ende der Geschichte!»146

Am 28. April 2011 schätzte der Ältestenrat im 145 Stein des Anstoßes war der Satz im Artikel: «Die Wege zum Rahmen der Programmdiskussion147 die inter- Kommunismus können wir nur finden, wenn wir uns auf den nationale Lage ein und formulierte Herausfor- Weg machen und sie ausprobieren, ob in der Opposition oder in der Regierung.» (Gesine Lötzsch: Wege zum Kommunismus. derungen für die Partei DIE LINKE als internati- In: junge Welt, Berlin, 03.01.2011). 146 Der Sozialismus ist im onalistische Partei. Er konstatierte, dass es mit 21. Jahrhundert Anspruch unserer Zeit. Erklärung des Ältesten- der Zerstörung der UdSSR, der Niederlage des rates der Partei DIE LINKE (20. Januar 2011). URL: https://www. die-linke.de/partei/parteistruktur/kommissionen/aeltestenrat/ Sozialismus in Europa zu einer grundlegenden erklaerungen-und-stellungnahmen-des-aeltestenrates/news/ Veränderung des internationalen Kräftever- der-sozialismus-ist-im-21-jahrhundert-anspruch-unserer-zeit/ (abgerufen am 15.03.2018). 147 Das Programm der Partei DIE hältnisses gekommen sei, zu einem zivilisatori- LINKE wurde dann auf dem Erfurter Parteitag am 23. Oktober schen Rückschlag im Ringen um eine bessere, 2011 beschlossen. 50 — 51 es gelinge, ihn über die Ländergrenzen hinaus Orientierung für die weitere Arbeit geben. Der zu internationalisieren.148 Geschäftsführende Vorstand der LINKEN habe Im Frühjahr 2011 war die Partei DIE LINKE in zwar am 20. April 2011 dazu aufgefordert, die eine schwierige Situation geraten. Personal- «Debatte über das Führungspersonal sofort debatten wurden in den Medien ausgetragen einzustellen», aber es hätte deutlich gesagt und vermittelten in der Öffentlichkeit ein Bild werden müssen, dass hinter dieser Debatte in der Zerrissenheit der Partei. Es gab eine wach- Wirklichkeit unterschiedliche Auffassungen sende Unzufriedenheit der Mitglieder, weil die zur Politik der Partei, zur Programmatik und Stellungnahmen und Erklärungen der Füh- auch zu ganz aktuellen Problemen stünden. In rungsgremien offene und ehrliche Antworten einer pluralistischen Partei seien unterschied- auf die entstandene Situation vermissen lie- liche Auffassungen normal; es käme aber dar- ßen. Die schlechte Performance der beiden auf an, die Diskussionen darüber so zu führen, Parteivorsitzenden Gesine Lötzsch und Klaus dass sie dazu beitrügen, gemeinsame Grund- Ernst, die die Kritik unterschiedlicher Strömun- positionen zu erarbeiten, die das politische gen und Gruppierungen in der Partei auf sich Profil der Partei bestimmen. Das zu beschlie- zogen, löste den Ruf nach einem Sonderpar- ßende Programm müsse auch für Außenste- teitag zur vorzeitigen Wahl einer neuen Partei- hende deutlich machen, welches das «Allein- spitze aus.149 stellungsmerkmal» der LINKEN sei.150 In dieser Situation richtete der Ältestenrat am 5. Mai 2011 einen Offenen Brief an die Mit- glieder der LINKEN und forderte sie auf, jeden 148 Vgl. [Ältestenrat der Partei DIE LINKE]: Zur Einschätzung der gegenwärtigen internationalen Lage. Herausforderungen für die Tag zu zeigen: «Dies ist meine Partei!» Der Rat Partei DIE LINKE als internationalistische Partei (28. April 2011). drückte seine Sorgen um die Partei aus, die in URL: https://www.die-linke.de/partei/parteistruktur/kommissi- dieser bundesrepublikanischen Gesellschaft onen/aeltestenrat/erklaerungen-und-stellungnahmen-des-ael- testenrates/news/zur-einschaetzung-der-gegenwaertigen-inter- unersetzbar sei. Er hob hervor, dass die Mit- nationalen-lage/ (abgerufen am 15.03.2018). 149 Vgl. Eckhard glieder vor allem von den Führungsgremien Jesse/Jürgen P. Lang: DIE LINKE – eine gescheiterte Partei?, der Partei erwarten würden, dass sie bei aller München 2012, S. 161/162. 150 Vgl. Jedes Mitglied sollte je- den Tag demonstrieren: Dies ist meine Partei! Offener Brief des berechtigten Hervorhebung und Betonung Ältestenrates an die Mitglieder der Partei (5. Mai 2011). URL: von Erfolgen Misserfolge nicht kleinreden, https://www.die-linke.de/partei/parteistruktur/kommissionen/ aeltestenrat/erklaerungen-und-stellungnahmen-des-aeltes- sich mit ihnen kritisch und selbstkritisch aus- tenrates/news/jedes-mitglied-sollte-jeden-tag-demonstrie- einandersetzen und damit der gesamten Partei ren-dies-ist-meine-partei/ (abgerufen am 15.03.2018). Am 11. Oktober 2011 wandte sich der Äl­ allen Mitgliedern und Gruppen innerhalb der testenrat mit einem Brief an die Delegierten Partei als Grundlage für die praktische politi- der 2. Tagung des 2. Parteitages der Partei sche Arbeit anzuerkennen und zu praktizieren. DIE LINKE, der vom 21. bis zum 23. Oktober Der Rat betonte: «DIE LINKE kann nur stärker 2011 in Erfurt bevorstand und dessen Tages- werden, wenn sie sich nicht weiter mit sich selbst beschäftigt, sondern selbst- bewusst ihren antikapitalistischen, Auf dem Erfurter Parteitag wurde in die Satzung auf einen demokratischen Sozia- erstmals als eigenständiger Absatz aufgenommen, lismus gerichteten Kurs hält. DIE dass der Parteivorstand als Konsultationsgremium LINKE muss sich als »Partei für den einen Ältestenrat beruft. Alltag« und zugleich als Partei mit klarer sozialistischer Perspektive beweisen!»151 ordnung die Verabschiedung des neuen Erfur- Auf dem Erfurter Parteitag im Oktober 2011 ter Programms der Partei sowie Satzungsän- wurde in die Satzung der Partei DIE LINKE erst- derungen vorsah. Er forderte, die insgesamt mals in den § 20 als Absatz 7 aufgenommen, geringer werdende Akzeptanz der Politik der dass der Parteivorstand als Konsultationsgre- Partei bei den Bürgerinnen und Bürgern, wie mium einen Ältestenrat beruft: «Der Ältesten- dies die Wahlergebnisse insbesondere in Ber- rat berät aus eigener Verantwortung oder auf lin signalisiert hatten, gründlicher zu analysie- Bitte des Parteivorstandes zu grundlegenden ren. Dies gelte insbesondere hinsichtlich der und aktuellen Problemen der Politik der Partei. Problematik Regierungsbeteiligung, der stra- Er unterbreitet Vorschläge oder Empfehlungen tegischen Abhängigkeit vom Koalitionspart- und beteiligt sich mit Wortmeldungen an der ner sowie der Durchsetzungsfähigkeit eigener Zielstellungen linker Politik. Es sei dringend geboten, auf dem Parteitag eine offensive und kämpferische Handlungsorientierung zu ge- 151 An die Delegierten der 2. Tagung des 2. Parteitages der Par- ben, mit der Wähler zurück- und neugewon- tei DIE LINKE. Brief des Ältestenrates (11. Oktober 2011). URL: nen werden könnten. Mit der Verabschiedung https://www.die-linke.de/partei/parteistruktur/kommissionen/ aeltestenrat/erklaerungen-und-stellungnahmen-des-aeltesten- des Programms werde die strategische Orien- rates/news/an-die-delegierten-der-2-tagung-des-2-parteitages- tierung für DIE LINKE gegeben. Diese sei von der-partei-die-linke/ (abgerufen am 16.03.2018). 52 — 53 parteiöffentlichen Debatte.»152 In die nachfol- und zu aktuellen Fragen der kapitalistischen genden Fassungen des Statuts der Partei DIE Entwicklung in Deutschland und in der Welt LINKE vom Juni 2012, vom Juni 2013 und vom sowie praktische Wege zu ihrer Realisierung Mai 2014 sowie in die aktuelle Satzung vom ausweist. Er betonte, dass der pluralistische Juni 2015 wurde die Passage gleich lautend Charakter der Partei für den Erfolg des Zu- übernommen. Vorher fand der Ältestenrat im sammengehens linker Kräfte unabdingbar sei. Statut keine Erwähnung. Der Ältestenrat be- Pluralismus brauche aber ein solides wissen- schloss in seiner Sitzung am 15. Dezember schaftlich begründetes Fundament. «Ohne 2011 eine Satzung des Rates, die in der Sit- ein solches besteht die Gefahr der Beliebigkeit zung des Geschäftsführenden Parteivorstan- und des Entstehens von politischen Illusio- des am 21. Januar 2012 bestätigt wurde.153 nen»154, warnte der Rat. In seiner Beratung am 15. Dezember 2011, in In einem Brief vom 10. Mai 2012 an die De- der sich der Rat auch mit den Ergebnissen des legierten der 1. Tagung des 3. Parteitages der Erfurter Parteitages beschäftigte, würdigte Partei DIE LINKE in Göttingen beklagte der der Ältestenrat die Verabschiedung des Par- Ältestenrat, dass das in Erfurt beschlossene teiprogramms als eine wichtige Etappe in der Programm in der Vorbereitung des Göttinger Entwicklung der Partei und als unverzichtbare Parteitages im Leben der Partei in den ver- Grundlage für ihr zukünftiges Wirken. Obwohl gangenen Monaten kaum eine Rolle spielte. die Mitglieder an der Basis in einer Art «Auf- Der Rat machte erneut auf die Notwendigkeit bruchstimmung» konkrete Beschlüsse des Parteivorstandes und der Landesvorstände zur

Umsetzung des Programms erwartet hätten, 152 Bundessatzung der Partei DIE LINKE [Fassung vom Okto- habe nach dem Parteitag eine neue Runde der ber 2011]. URL: https://www.die-linke.de/fileadmin/download/ Personaldebatte und zur Frage eines mögli- grundsatzdokumente/bundessatzung/fruehere_fassungen/ die_linke_bundessatzung_erfurt2011.pdf (abgerufen am chen Mitgliederentscheids darüber begonnen 28.02.2018). 153 Vgl. DIE LINKE.: Der Ältestenrat der Partei DIE und damit das Programm als Errungenschaft LINKE, a.a.O. 154 Das Programm als Errungenschaft der gan- der ganzen Partei in den Hintergrund gedrängt. zen Partei wurde in den Hintergrund gedrängt. Überlegungen aus der Beratung des Ältestenrates (15. Dezember 2011). URL: Der Ältestenrat verlangte daher ein durchdach- https://www.die-linke.de/partei/parteistruktur/kommissionen/ tes Konzept zur politischen Bildung, das inhalt- aeltestenrat/erklaerungen-und-stellungnahmen-des-aeltes- tenrates/news/das-programm-als-errungenschaft-der-ganzen- liche Schwerpunkte zur wissenschaftlich-the- partei-wurde-in-den-hintergrund-gedraengt/ (abgerufen am oretischen Fundierung des Parteiprogramms 16.03.2018). der Analyse der vorgefundenen Verhältnisse sollte in der Öffentlichkeit als unser nationaler für eine erfolgreiche Politik aufmerksam und Beitrag zur internationalen Solidarität gewertet verwies darauf, dass die lang anhaltende werden. Die Front der Linken kann ihre Stärke Wirtschaftskrise und die Diktatur des Finanz- nur in gemeinsamen Bündnissen, im Dialog kapitals über das gesellschaftliche Leben, und schließlich in gemeinsamen sozialen und gekoppelt mit einem gravierenden sozialen politischen Kämpfen gewinnen.»155 Verfall und rigorosen Demokratieabbau in den Der Ältestenrat erinnerte daran, dass die deut- europäischen Staaten einen Erosionsprozess sche Linke einen weiten Weg mit Höhen und des europäischen kapitalistischen Integrati- Tiefen in sozialen Kämpfen und revolutionären onsgebildes eingeleitet hätten. Linke Kräfte Prozessen gegangen ist. Sie habe Chancen und kämpferische Gewerkschaftsorganisati- genutzt und Chancen verspielt. «Noch haben onen in Europa hätten auf die angespannte, wir die Chance, mit dem neuen Erfurter Pro- krisenhafte Situation der Europäischen Union gramm einen Wechsel der Politik zu erkämp- mit vielfachen Aktivitäten und Kampagnen fen und einen Wandel der gesellschaftlichen reagiert. Das verpflichte auch DIE LINKE als Verhältnisse anzustreben. Wenn wir sie heute sozialistische Partei mit aller Kraft, durch prä- verspielen, wird es Jahrzehnte dauern, ehe zise Analysen der Weltlage ihren internationa- sich eine neue sozialistische Linke formiert»156, listischen Charakter stärker auszuprägen und warnte der Ältestenrat. Und er appellierte an anknüpfend an demokratische und soziale die Delegierten: «Die Partei braucht eine Ori- Traditionen in Europa in einem breiten Zusam- entierung zur Stärkung der Partei, eine Füh- menwirken mit demokratischen Strömun- rung, die konsequent zur Verwirklichung des gen auf nationaler und internationaler Ebene Programm arbeitet, konstruktive Diskussionen die Front der Linken in Europa zu stärken. Es befördert, auf einheitliches Handeln orientiert, gelte zugleich konstruktiv und vor allem po- um die Partei aus der jetzigen schwierigen Si- litisch wahrnehmbar so zu agieren, dass die programmatischen Zielstellungen der LINKEN für eine grundlegende Umgestaltung der EU 155 An die Delegierten der 1. Tagung des 3. Parteitages der überzeugend wirksam werden könnten. Der Partei DIE LINKE. Brief des Ältestenrates (10. Mai 2012). URL: Ältestenrat unterstrich: «Unsere Forderung https://www.die-linke.de/partei/parteistruktur/kommissionen/ aeltestenrat/erklaerungen-und-stellungnahmen-des-aeltesten- nach einem Neustart der EU als eine demokra- rates/news/an-die-delegierten-der-1-tagung-des-3-parteitages- tische, soziale, ökologische und Friedensunion der-partei-die-linke/ (abgerufen am 16.03.2018). 156 Ebenda. 54 — 55 tuation zu führen. Es geht darum, eine breite doch die Gruppe B besiegt oder die Gruppe B Zustimmung in der Gesellschaft für unsere die Gruppe A. Für den Fall sage ich Euch offen: Ziele zu gewinnen.»157 Dann wäre es sogar besser, sich fair zu trennen Auf der 1. Tagung des 3. Parteitages der LIN- als weiterhin unfair, mit Hass, mit Tricksereien, KEN in Göttingen am 2. und 3. Juni 2012, auf mit üblem Nachtreten und Denunziation eine dem sich ostdeutsche Pragmatiker und west- in jeder Hinsicht verkorkste Ehe zu führen.»159 deutsche Radikale in der politischen Ausrich- Gysis dramatische Rede hatte wie ein reinigen- tung der Partei wie in der Entscheidung über des Gewitter gewirkt. die Wahl der neuen Parteivorsitzenden unver- Über die Ergebnisse des Parteitages der LIN- söhnlich gegenüberstanden, wurde die Wahl KEN in Göttingen beriet der Ältestenrat am der neuen Parteiführung zur Zerreißprobe. 28. Juni 2012 unter Teilnahme der neuen Der Versuch Oskar Lafontaines, noch einmal Ko-Vorsitzenden der Partei, . Vom die Parteiführung zu übernehmen, misslang. Ältestenrat erhoffte sie sich «kritische Beglei- Schließlich wählte der Parteikonvent die zur tung» und forderte ihn auf, sich an der Erar- Emanzipatorischen Linken zählende ostdeut- beitung des Bundestagswahlprogramms zu sche Bundestagsabgeordnete Katja Kipping beteiligen. Der Ältestenrat stellte fest, dass die und den westdeutschen Gewerkschafter von den verschiedenen in der Partei vertrete- Bernd Riexinger als Nachfolger der beiden nen unterschiedlichen Positionen, die vor dem glücklosen Vorsitzenden Gesine Lötzsch und Parteitag und auf dem Parteitag aufeinander Klaus Ernst an die Parteispitze.158 prallten und z. T. sogar zu persönlichen Ver- Zuvor hatte Gregor Gysi, der Fraktionsvorsit- letzungen geführt hätten, mit den Beschlüs- zende der LINKEN im Bundestag, angesichts der sich zum Teil hasserfüllt gegenüberstehen- den Flügel erklärt: «Entweder wir sind in der 157 Ebenda. 158 Vgl. Aert van Riel: LINKE probiert einen Burg- Lage, eine kooperative Führung zu wählen, die frieden. Katja Kipping und Bernd Riexinger auf einem Parteitag die Partei integriert und die organisiert, dass mit verhärteten Fronten als Spitzenduo gewählt. In: Neues wir in erster Linie wieder politisch wahrgenom- Deutschland, Berlin, 04.06.2012, S. 1; Uwe Kalbe: Das Gespenst, das ziemlich real ist. In Göttingen wurde vermieden, die Polarisie- men werden, von den Bürgerinnen und Bür- rung auf die Spitze zu treiben. In: ebenda, S. 2; Der neue Fischer gern, von den Medien, von den anderen Par- Weltalmanach 2013. Zahlen, Daten, Fakten, Frankfurt am Main 2012, S. 131. 159 Gregor Gysi: Wichtig für die Menschen [Rede teien. […] Oder aber wir sind dazu nicht in der auf dem Parteitag der LINKEN am 2. und 3. Juni 2012 in Göttin- Lage, was bedeutete, dass die Gruppe A nun gen]. In: Disput, Berlin, 2012, Juni, S. 25. Vom Göttinger Parteitag ging für den Ältestenrat eine weitere erfolgreiche Entwick- das Signal aus: DIE LINKE bleibt eine einheitliche lung der Partei und ihr aktives En- gesamtdeutsche linke Partei! gagement in der bundesdeutschen Gesellschaft darstellen. Von Göttin- gen sei das Signal ausgegangen: sen des Parteitages nicht einfach vom Tisch Die Partei DIE LINKE bleibe eine einheitliche seien. Die politischen Auseinandersetzungen gesamtdeutsche linke Partei! Der Ältestenrat seien keinesfalls ein Streit zwischen Ost und kritisierte in diesem Kontext die Veröffentli- West. Der Rat wolle mit seinen Möglichkeiten chung des Briefes der ostdeutschen Landes- auch weiterhin dazu beitragen, dass die politi- und Fraktionsvorsitzenden an Katja Kipping schen Auseinandersetzungen in sachlicher Art und Bernd Riexinger in der Presse, in dem sie und Weise und in solidarischer Atmosphäre ihre Erwartungen für «mehr Respekt» ihnen zum Nutzen für die Wirksamkeit der Gesamt- gegenüber zum Ausdruck gebracht hatten. partei ausgetragen werden. Er betonte, dass Diese Veröffentlichung habe dem Anliegen ge- die Grundlage des Wirkens der Partei das in Er- schadet, den gemeinsamen Kampf aller Lan- furt verabschiedete Programm sein und blei- desverbände in Ost und West ins Zentrum zu ben müsse.160 rücken und einen linken Dialog innerhalb der Am 6. September 2012 beschäftigte sich der Partei und einen Dialog der Partei DIE LINKE Ältestenrat gemeinsam mit dem Bundesge- mit allen Linken in Deutschland und der Euro­ schäftsführer Matthias Höhn mit der Entwick- päischen Linken zu entwickeln.161 lung und den Ergebnissen der Arbeit der Partei seit dem Göttinger Parteitag und tauschte sich vor allem zu den Schlussfolgerungen für die 160 Vgl. Hoffnungsvolle Ergebnisse des Parteitages. Informa- Vorbereitung der Bundestagswahl 2013 aus. tion über eine Beratung des Ältestenrates (28. Juni 2012). URL: https://www.die-linke.de/partei/parteistruktur/kommissionen/ Der Rat diskutierte zudem auf der Grundlage aeltestenrat/erklaerungen-und-stellungnahmen-des-aeltes- eines Vortrages von Prof. Dr. Michael Brie von tenrates/news/hoffnungsvolle-ergebnisse-des-parteitages/ der Rosa-Luxemburg-Stiftung insbesondere (abgerufen am 16.03.2018). 161 Vgl. Die Partei DIE LINKE – 120 Tage nach Göttingen Information über eine Beratung Alternativen zur aktuellen Politik sowie zu po- des Ältestenrates (6. September 2012). URL: https://www. litischen Projekten der Stiftung. Übereinstim- die-linke.de/partei/parteistruktur/kommissionen/aeltestenrat/ erklaerungen-und-stellungnahmen-des-aeltestenrates/news/ mend sei festgestellt worden, dass die Ergeb- die-partei-die-linke-120-tage-nach-goettingen/ (abgerufen am nisse des Göttinger Parteitages Grundlage für 16.03.2018). 56 — 57

Am 13. Dezember 2012 beriet der Ältestenrat Im Mittelpunkt der Beratung des Ältestenrates über die Entwicklung der Partei DIE LINKE seit am 7. März 2013 stand ein Bericht des Vorsit- dem Göttinger Parteitag und über die Wahlen zenden des Landesverbandes Niedersachsen 2013. Im Jahr 2013 werde sich entscheiden, so der Partei DIE LINKE, Manfred Sohn, über Ur- der Rat, ob in der Bundesrepublik Deutschland sachen und Erkenntnisse aus der Wahlnieder- weiterhin eine konservativ-liberale Koalition lage im Januar 2013.163 Er betonte, dass die Merkel/Rösler das Sagen habe. Erforderlich sei Mitglieder des Landesverbandes einen sehr aber nicht einfach ein Koalitionswechsel, son- aktiven Wahlkampf geführt hätten, der von an- dern ein genereller Richtungs- und Politikwech- deren Landesverbände sehr aktiv unterstützt sel. Und der sei ohne die Linke nicht realisier- worden sei. Wie sich jedoch zeigt habe, wür- bar. Die Partei DIE LINKE stehe also vor großen den kurzfristige, wahltaktische Manöver nicht Herausforderungen. Die Linke brauche daher zum Erfolg führen, wenn nicht längerfristig ein eine fundierte Analyse der politischen Weltlage klares politisches Profil der Partei ausgeprägt und der gesellschaftlichen Realität vor allem sei. Der Göttinger Parteitag habe den Streit in Deutschland. Nur auf einer solchen Grund- in der Partei zwar nach außen beruhigt. Aber lage könne sie ihre eigenen Positionen mit ei- die wesentlichen strategischen Fragen seien ner überzeugenden strategischen Orientierung nicht gelöst. Es finde keine wirkliche Debatte entwickeln und sie in den aktuellen politischen Kämpfen vertreten und damit deutlich machen, wofür die Linke in der heutigen Situation stehe. 162 Vgl. Die Entwicklung der Partei DIE LINKE seit dem Göttin- Nicht zuletzt würden damit auch Vorausset- ger Parteitag und die Wahlen 2013. Erklärung des Ältestenrates von seiner Tagung am 13. Dezember 2012. URL: https://www. zungen geschaffen, dass Stimmen einer brei- die-linke.de/partei/parteistruktur/kommissionen/aeltestenrat/ teren Bevölkerungsschicht in den Wahlen zum erklaerungen-und-stellungnahmen-des-aeltestenrates/news/ Landtag in Niedersachsen im Januar 2013, zum die-entwicklung-der-partei-die-linke-seit-dem-goettinger-partei- tag-und-die-wahlen-2013/ (abgerufen am 16.03.2018). 163 Der Bundestag im Herbst des Jahres 2013 und zum Ältestenrat der Partei DIE LINKE veröffentlichte die Thesen von Europäischen Parlament 2014 gewonnen wer- Manfred Sohn am 11. März 2013 als eigenständiges Dokument. den könnten. Es gelte in diesem Kontext, den Vgl. Lehren aus Niedersachsen. Nachträglich verschriftlichte Diskussionsthesen zum Einstieg in die Beratung des Ältesten- Prozess der Entwicklung und Stärkung der Eu­ rates – von Dr. Manfred Sohn, Landesvorsitzender in Nieder- ropäischen Linken zielstrebig zu fördern und da- sachsen. URL: https://www.die-linke.de/partei/parteistruktur/ kommissionen/aeltestenrat/erklaerungen-und-stellungnah- bei die Wahlen zum Europaparlament im Jahr men-des-aeltestenrates/news/lehren-aus-niedersachsen/ (ab- 2014 stärker ins Blickfeld zu rücken.162 gerufen am 16.03.2018). um die Frage der Eigenständigkeit der Partei zu gering. Die Spitzenkandidaten müssten als gegenüber SPD und Bündnis 90/Die Grünen, «Gesicht der Partei» jeweils für die ganze Par- um die Frage der Zugehörigkeit zu einem rot- tei (nicht nur für ein Spezialgebiet) stehen und rot-grünen Lager, um das Verhältnis zu kurz-, wirksam werden. Vor allem SPD und Bündnis mittel- und langfristigen Zielen und um die 90/Die Grünen würden mit linken Themen Frage der Oppositions- oder Regierungsrolle versuchen, der LINKEN «das Wasser abzugra- als gegenwärtig angemessenem Platz dieser ben», ein Vorgang, auf den die Parteiführung Partei statt. Der Ältestenrat vertrat die Auffas- schneller und polemischer hätten reagieren sung, dass die inhaltlichen Debatten vor allem müssen. «Mit Sorge» beobachtete der Ältes­ vor Ort in der Partei geführt werden müssten, tenrat auch, dass die Veröffentlichung des damit ein politischer Wahlkampf auch breite Wahlprogramm-Entwurfs kaum eine breite Wählerschichten erreicht und die Stammwäh- Debatte in der Partei – geschweige denn in lerschaft stärkt.164 der Öffentlichkeit – zur Folge gehabt habe. Am 7. Mai 2013 beschäftigte sich der Ältesten­ All das zusammengenommen ließ ihn zu der rat mit dem Thema «Mitregieren – ein Lern- prozess für die Linke?». Dem lagen eine Aus- 164 Vgl. Für kritische Analysen und konstruktive Schlussfol- arbeitung von Edeltraut Felfe unter dieser gerungen. Mitteilung über die Beratung des Ältestenrates am Überschrift sowie eine Einschätzung von 7. März 2013. URL: https://www.die-linke.de/partei/parteis- truktur/kommissionen/aeltestenrat/erklaerungen-und-stel- Helma Chrenko «Linksregierungen in Latein- lungnahmen-des-aeltestenrates/news/fuer-kritische-analy- amerika – Errungenschaften und offene Pro- sen-und-konstruktive-schlussfolgerungen/ (abgerufen am bleme» zugrunde.165 Zugleich verständigten 16.03.2018). 165 Der Ältestenrat veröffentlichte beide Mate- rialien nach Einarbeitung wichtiger Diskussionsergebnisse im sich die Mitglieder des Ältestenrates auf die- Internet. Vgl. Mitregieren – ein Lernprozess für die Linke? Aus- ser Beratung mit Blick auf die bevorstehen- arbeitung von Edeltraut Felfe für die Beratung des Ältestenrates den Bundestagswahlen im Herbst 2013 über (7. Mai 2013). URL: https://www.die-linke.de/partei/parteistruk- tur/kommissionen/aeltestenrat/erklaerungen-und-stellungnah- die aktuelle Situation in der Partei vor dem men-des-aeltestenrates/news/mitregieren-ein-lernprozess-fu- Dresdner Parteitag. Die Mitglieder des Rates er-die-linke/ (abgerufen am 16.03.2018); Linksregierungen in äußerten Zweifel, ob die Partei als Ganze zur- Lateinamerika – Errungenschaften und offene Probleme. Beitrag von Helma Chrenko für die Beratung des Ältestenrates zum The- zeit so aufgestellt und geführt werde, dass sie ma «Mitregieren – ein Lernprozess für die Linke?» (7. Mai 2013). den aktuellen Anforderungen in der jetzigen URL: https://www.die-linke.de/partei/parteistruktur/kommissi- onen/aeltestenrat/erklaerungen-und-stellungnahmen-des-ael- Phase der Vorbereitung der Bundestagswahl testenrates/news/linksregierungen-in-lateinamerika-errungen- gewachsen sei. Ihre Medienwirksamkeit sei schaften-und-offene-probleme/ (abgerufen am 16.03.2018). 58 — 59

Schlussfolgerung kommen, dass «ein Ruck» wahl in Deutschland weit über dieses Land hi- durch die Partei gehen müsse – und zwar nausgehende Bedeutung. Die Verantwortung gründlich. Es gelte in den Wochen des Wahl- der Partei DIE LINKE sei deshalb groß, ein gu- kampfes das Profil der Partei als diejenige der tes Ergebnis zu erreichen.167 sozialen Gerechtigkeit, des Friedens und des Zugleich sah der Ältestenrat allerdings nicht konsequenten Kampfes gegen Rassismus, wenige inhaltlich-politische Probleme, die Fremdenfeindlichkeit und Neofaschismus und im Alltag des Wahlkampfes und darüber hin- die daraus resultierenden zentralen Inhalte in aus auf die Partei zukommen. So werde das das Zentrum des politischen Handelns zu rü- Markenzeichen «Soziale Gerechtigkeit» der cken.166 LINKEN – wenn auch inkonsequent – von al- Erneut beschäftigte sich der Ältestenrat am len anderen Parteien ebenfalls thematisiert. 8. August 2013 mit dem Wahlkampf zur Bun- DIE LINKE dürfe das Thema «Europa» trotz destagswahl und mit der Frage, wie DIE LINKE kontroverser Diskussion in ihren Reihen nicht dafür aufgestellt sei. Der Rat hob zunächst aus dem Bundestagswahlkampf ausklam- die Bedeutung der Bundestagswahlen 2013 mern – nicht zuletzt deshalb, weil 2014 Euro- für den weiteren Weg der Bundesrepublik pawahlen anstünden. Die Partei müsse deut- Deutschland hervor. Die Weltwirtschaftskrise lich machen, dass sie die Europäische Union bilde den vorläufigen Höhepunkt einer äußerst will, aber eine andere, eine bessere, eine, krisenhaften Entwicklungsphase des Kapita- die für soziale Gerechtigkeit in allen Ländern lismus mit besonders vielen sozialen Verwer- des Kontinents stehe. Dafür bedürfe es einer fungen. Dagegen wachse weltweit der Wider- stand. Auch die Krise der Europäischen Union spitze sich zu. Die ökonomisch schwächeren 166 Vgl. Die aktuelle Situation in der Partei vor dem Dresdner Par- Länder würden einen hohen Preis für die Po- teitag. Brief des Ältestenrates an den Parteivorstand (7. Mai 2013). URL: https://www.die-linke.de/partei/parteistruktur/kommissio- litik der sogenannten Troika zahlen. Immer nen/aeltestenrat/erklaerungen-und-stellungnahmen-des-aeltes- mehr Menschen würden ins Elend gestürzt tenrates/news/die-aktuelle-situation-in-der-partei-vor-dem-dresd- und grundlegende demokratische Rechte au- ner-parteitag/ (abgerufen am 16.03.2018). 167 Vgl. Wie weiter im Wahlkampf zur Bundestagswahl? Für eine starke Linke! Erklärung ßer Kraft gesetzt. Diese Politik würde vor allem der Beratung des Ältestenrates. URL: https://www.die-linke.de/ in Berlin von der deutschen Bundesregierung partei/parteistruktur/kommissionen/aeltestenrat/erklaerun- gen-und-stellungnahmen-des-aeltestenrates/news/wie-wei- konzipiert und durchgesetzt. In dieser Situ- ter-im-wahlkampf-zur-bundestagswahl-fuer-eine-starke-linke/ ation hätten die Ergebnisse der Bundestags- (abgerufen am 17.03.2018). starken Europäischen Linken. Nach Meinung Bundestag einziehe, würden die Ergebnisse des Ältestenrates sollte zudem weiter eine aber auch ernste Probleme signalisieren. Der Reihe von Fragen geklärt werden, die in der Ältestenrat verlangte, dass der Verlust von ca. Programmdebatte eine Rolle gespielt hätten. 1,4 Millionen Stimmen und der Mehrzahl der Das beziehe sich auf Fragen des Profils und Direktmandate nicht leicht genommen wer- des Charakters der Partei als Partei des Demo­ den dürfe und auf seine Ursachen hin gründ- kratischen Sozialismus, auf ihre Stellung und lich und detailliert untersucht werden müsse. Funktion in der bundesdeutschen kapitalisti- Wenn es nicht gelinge, die eigenen Mängel, schen Gesellschaft, auf ihr Verhältnis zu Welt­ Schwächen und Fehler zu analysieren, würden anschauung und zur marxistischen Theorie, der Partei Schlussfolgerungen für notwendige zum Geschichtsbild und zur internationalen Veränderungen fehlen.170 Solidarität.168 Für die Bestimmung der Grundrichtung und Am 10. Oktober 2013 wertete der Ältesten­ der inhaltlichen Schwerpunkte des politischen rat die Ergebnisse der Bundestagswahl vom Wirkens der Partei in den kommenden Jah- September 2013 aus und lenkte den Blick auf ren sei eine über die Wertung der statistisch die Hauptaufgaben des Wirkens der LINKEN erfassten Ergebnisse hinausgehende Analyse in den nächsten Jahren. DIE LINKE habe mit der Wahlergebnisse und des gesellschaftli- 8,6 Prozent bei der Bundestagswahl ein acht- chen Zustands in der deutschen Gesellschaft bares Ergebnis erreicht, konstatierte der Ältes­ dringend erforderlich. Die Rolle Deutschlands tenrat. An diesem Achtungserfolg hätten die Mitglieder mit ihrem engagierten Wahlkampf 168 Vgl. ebenda. 169 Der Ältestenrat publizierte den Beitrag von in den neuen und in den alten Bundesländern Manfred Coppik im Internet. Vgl. Manfred Coppik: Anmerkungen gleichermaßen Anteil. Der Wiedereinzug der zur Diskussion der Wahlergebnisse vom 22. September 2013 LINKEN in den Hessischen Landtag sei ein (10. Oktober 2013). URL: https://www.die-linke.de/partei/partei- struktur/kommissionen/aeltestenrat/erklaerungen-und-stellung- wichtiges Signal dafür, dass die «Tendenz» nahmen-des-aeltestenrates/news/anmerkungen-zur-diskussi- zur Liquidierung der LINKEN in den Landta- on-der-wahlergebnisse-vom-22-september-2013/ (abgerufen gen der westdeutschen Flächenländer ge- am 17.03.2018). 170 Vgl. Das Wahlergebnis und worauf sich DIE LINKE in den nächsten Jahren konzentrieren sollte! Erklä- stoppt worden sei. Der Rat verwies an dieser rung des Ältestenrates (10. Oktober 2013). URL: https://www. Stelle auf einen entsprechenden Beitrag von die-linke.de/partei/parteistruktur/kommissionen/aeltestenrat/ 169 erklaerungen-und-stellungnahmen-des-aeltestenrates/news/ Manfred Coppik. Bei aller Freude darüber, das-wahlergebnis-und-worauf-sich-die-linke-in-den-naechs- dass die Partei als drittstärkste Kraft in den ten-jahren-konzentrieren-sollte/ (abgerufen am 17.03.2018). 60 — 61 im internationalen und im europäischen Kon- erarbeiten.»172 Das schließe nicht zuletzt auch text (Europäische Union) dürfe dabei nicht aus- das Vertrautmachen mit der Entwicklung der geklammert werden. Vor allem müsse beach- Partei der Europäischen Linken und Fragen der tet werden, dass die Bundestagswahlen den internationalen Solidarität ein.173 stärksten Rechtsruck seit 1990 angezeigt hät- ten. Für die Partei DIE LINKE gelte es jetzt nach der Bundestagswahl, sich auf die «neuen» EUROPA-POLITIK IM ZENTRUM Realitäten einzustellen. Das erfordere nicht zu- DER AUFMERKSAMKEIT DES ÄLTES­ letzt, den Konsolidierungsprozess fortzusetzen TENRATES DER PARTEI DIE LINKE und dabei das politische Profil der Partei auf der Grundlage des Erfurter Programms weiter Vor dem Hintergrund der durch die Finanz- auszuprägen. Der Ältestenrat forderte, dass marktkrise initiierten überbordenden Staats- sich die Partei voll als Oppositionskraft im Par- verschuldung, insbesondere südeuropäischer lament und im außerparlamentarischen Raum Staaten wie Griechenland, der Versuche der profilieren müsse. Er betonte: «Wir verstehen Euro-Rettung durch Austeritätspolitik der uns nicht als »Regierungspartei im Warte­ herrschenden Kreise der Europäischen Union, stand«!»171 des Ukraine-Konflikts und der zunehmenden Der Ältestenrat erinnerte daran, dass zu den Spannungen zwischen der EU und Russland umstrittenen Fragen in der Partei das Verhält- und der durch diese Ereignisse ausgelösten nis zur Europäischen Union gehöre: «Die be- innerparteilichen Kontroversen rückte die Eu- vorstehenden Europawahlen erfordern, dass ropa-Politik ins Zentrum der Aufmerksamkeit sich die Partei als Ganzes intensiv der Europä- des Ältestenrates der Partei DIE LINKE. Dazu ischen Union und ihren partnerschaftlichen kam das Aufbrechen von Konflikten innerhalb Beziehungen zu den anderen Staaten Europas linker Parteien in Europa, die nicht zuletzt aus zuwendet und dabei ihre prinzipielle Kritik am unterschiedlichen Sichten auf die Vergangen- Charakter, am gegenwärtigen Zustand und an heit wie die Einschätzung des sogenannten der aktuellen Politik der EU und ihrer Gremien real existierenden Sozialismus, insbesondere deutlich macht und in die Öffentlichkeit trägt. des Stalinismus, resultierten. Das erfordert aber auch, in der Partei selber über ein linkes Verständnis von Europa nach­ zudenken und entsprechende Positionen zu 171 Ebenda. 172 Ebenda. 173 Vgl. ebenda. Am 19. Dezember 2013 wertete der Ältesten­ die EU und das Wirken der Abgeordneten der rat den Madrider Kongress der Europäischen LINKEN dort kommuniziert werde, aber über Linken aus und veröffentlichte anschließend die EL als Partei kaum etwas zu lesen sei. Der eine Stellungnahme dazu. Grundlage für die Ältestenrat wies darauf hin, dass Entscheidun- Debatte im Ältestenrat waren Berichte der gen der EU-Institutionen über die Bundese- Kongressteilnehmer Claudia Haydt, die in den bene bis in die Länder, Städte und Gemeinden Vorstand der EL wiedergewählt worden war, eingreifen würden. Im Europawahlkampf wie Heinz Bierbaum, Mitglied des Geschäftsfüh- bei den Landtags- und Kommunalwahlen im renden Parteivorstandes (GfPV), und Oliver Jahr 2014 sollte daher mehr als bisher den Bür- Schröder, Leiter des Bereiches Internationale gerinnen und Bürgern durch Abgeordnete und Politik im Parteivorstand der Partei DIE LINKE. Kandidaten der Partei DIE LINKE bewusst ge- Sie informierten über die Beratungen und die macht werden, wie tief die EU-Politik sich auf Wahlen in Madrid. Der Ältestenrat bat den das alltägliche Leben auswirkt. Nur mit einer Parteivorstand, die wichtigsten Aussagen alternativen Europa-Politik, zeigte sich der Rat des Kongresses schriftlich und in Mitglieder- überzeugt, werde es der Europäischen Linken versammlungen in der Partei bekannt zu ma- gelingen, Europa zu verändern.175 chen.174 Am 6. März 2014 beriet der Ältestenrat mit Aus der grundlegenden Ablehnung der jetzi- dem Co-Parteivorsitzenden Bernd Riexinger gen Vertragsgrundlagen und der politischen über das Arbeits- und Diskussionspapier mit Praxis der EU sowie der Forderung nach ei- dem Titel «Verankern, verbreiten, verbinden: nem «Neustart» der EU durch die Europäische Projekt Parteientwicklung. Eine strategische Linke leitete der Ältestenrat die Empfehlung Orientierung für DIE LINKE», das im November ab, den für den Hamburger Parteitag vorgeleg- 2013 vorgestellt und zur Diskussion in der gan- ten Entwurf des Europa-Wahlprogramms, in dem Ansätze einer solchen Position durchaus enthalten seien, grundsätzlich zu überprüfen und in Übereinstimmung mit den Positionen 174 Vgl. Verändert Europa! Für eine alternative Europapolitik! Stellungnahme des Ältestenrates zum Madrider Kongress der der EL die Position der LINKEN akzentuierter Europäischen Linken (EL) (19. Dezember 2013). URL: https:// zu formulieren und den Aktivitäten der Partei www.die-linke.de/partei/parteistruktur/kommissionen/aeltes- tenrat/erklaerungen-und-stellungnahmen-des-aeltestenrates/ zu Grunde zu legen. Der Rat kritisierte, dass in news/veraendert-europa-fuer-eine-alternative-europapolitik/ Publikationen der Partei zwar manches über (abgerufen am 14.03.2018). 175 Vgl. ebenda. 62 — 63 zen Partei empfohlen worden war. Nach den Auf dem Berliner Parteitag im Mai 2014 gab einführenden Bemerkungen des Vorsitzenden der Ältestenrat, der bei der Gründung der Par- gab es eine längere kritisch-konstruktive, ka- tei DIE LINKE 2007 berufen worden war, sein meradschaftliche Diskussion, deren Schwer- Mandat zurück, setzte seine Tätigkeit aber punkte sich an den im Dokument der beiden fort.177 Der Ältestenrat empfahl bei dieser Gele- Vorsitzenden genannten Aufgaben einer linken genheit in seinem Bericht an den Berliner Par- Partei orientierten, darunter: (1) Eine linke Par- teitag dem neu zu wählenden Parteivorstand, tei müsse sich in der Gesellschaft und in zivil- entsprechend der Bundessatzung § 20 Abs. 7 gesellschaftlichen Organisationen verankern. einen Ältestenrat neu zu berufen und auf der (2) Sie solle in der Lage sein, im Bündnis mit Grundlage der Satzung «dessen Potenzen Anderen politische Auseinandersetzungen zu umfassend zu nutzen, ihn in der alltäglichen führen und in politischen Kämpfen eine aktive politischen Arbeit beratend einzubeziehen Rolle zu spielen. (3) Sie müsse eine Struktur ha- und Raum für seine Teilnahme an parteiöf- ben, die sie befähige, Wahlen zu organisieren fentlichen Debatten zu geben»178. Der Partei- und die Interessen ihrer Wähler*innen in den vorstand berief dann auf seiner Sitzung am Parlamenten zu vertreten und dort Sprachrohr 24. Oktober 2015 den Ältestenrat neu.179 der sozialen Bewegungen zu sein. (4) Sie habe Der Ältestenrat wertete am 12. Juni 2014 die die Aufgabe, politische Orientierung zu geben Europawahlen aus und beriet über die Er- und im positiven Sinne aufklärerisch zu wirken. gebnisse des Berliner Parteitages der Partei (5) Sie solle in der Lage sein, zu den aktuellen Fragen und politischen Auseinandersetzun- gen Stellung zu beziehen und eine schlüssige 176 Vgl. Verankern, verbreiten, verbinden – Projekt Parteient- Position einzunehmen. (6) DIE LINKE agiere wicklung. Information über die Beratung des Ältestenrates am international in Zusammenarbeit mit den an- 6. März 2014. URL: https://www.die-linke.de/partei/parteis- truktur/kommissionen/aeltestenrat/erklaerungen-und-stel- deren Linksparteien. Die ausführliche Debatte lungnahmen-des-aeltestenrates/news/verankern-verbrei- zwischen dem Ältestenrat und dem Vorsitzen- ten-verbinden-projekt-parteientwicklung/ (abgerufen am den Bernd Riexinger nahm der Ältestenrat zum 17.03.2018). 177 Vgl. DIE LINKE.: Der Ältestenrat der Partei DIE LINKE, a.a.O. 178 Bericht des Ältestenrates an die 2. Ta- Anlass, den Parteivorstand zu bitten, ihn gene- gung des 4. Parteitages der Partei DIE LINKE. URL: https:// rell frühzeitig bei der Vorbereitung und Verab- archiv2017.die-linke.de/fileadmin/download/parteitage/ber- lin2014/berichte/berlin2014_bericht_aeltestenrat.pdf (abgeru- schiedung wichtiger und grundlegender Doku- fen am 22.03.2018). 179 Vgl. DIE LINKE.: Der Ältestenrat der mente der Partei einzubeziehen.176 Partei DIE LINKE, a.a.O. DIE LINKE. Der Berliner Parteitag und die öf- ihre kritische Sicht auf die Europäische Union fentliche und parteiinterne Debatte danach durch DIE LINKE nicht entsprechend aufge- hätten signalisiert, so der Rat, dass eine poli- nommen worden sei. Das gelte besonders für tische Unkultur in der Partei Boden ergriffen die Schärfe des Sozialabbaus durch die Brüs- habe. Erforderlich sei jetzt vor allem die gründ- seler Institutionen, der durch aktives Agieren liche Analyse der politischen Rolle der Partei in der Bundesregierung erfolgt sei. Eindeutiger der Gesellschaft, der Situation in der Führung hätte nach Auffassung des Ältestenrates er- der Partei und in den Landesverbänden, um klärt werden müssen, dass die EU zwar eine Vertrauen zu stärken und politischer Unkul- Wirtschaftsunion sei, aber keinesfalls eine Sozialunion. Der Ältestenrat unter- Auch der Ältestenrat sprach sich nach den Europa- stützte eine Initiative des Bundesaus- wahlen 2014 für einen Vertreter der griechischen schusses der LINKEN, der Fraktion linken Partei als Vorsitzenden der Fraktion GUE/NGL GUE/NGL im Europäischen Parla- im Europäischen Parlament aus. ment zu empfehlen, einen Vertreter der griechischen linken Partei zum Vorsitzenden zu wählen.181 tur keinen Raum zu lassen. Die Vorsitzenden Der Ältestenrat der Partei DIE LINKE beschäf- der Partei und der Parteivorstand stünden hier tigte sich am 4. September 2014 erneut mit in einer besonderen Verantwortung, der sie den Ergebnissen der Wahlen zum Europäi- gerecht werden müssten. «Wenn hier keine schen Parlament. Er konstatierte eine Kon- Veränderungen eintreten, kann eine ähnliche zeptionslosigkeit der Linken hinsichtlich einer Situation eintreten wie vor dem Göttinger Par- politischen Strategie zur Lage in Europa. Auf teitag»180, warnte der Ältestenrat. jeden Fall sei es notwendig, so der Rat, das In der Diskussion gab es Übereinstimmung, neue Verhältnis von nationalen und internatio- dass die Europawahlen zwar keine Niederlage, aber mit dem Verlust eines Mandates kein besonderer Erfolg für DIE LINKE waren. Als 180 Die politische Rolle der Partei in der Gesellschaft klären. In- Problem sei deutlich gemacht worden, dass formation über die Beratung des Ältestenrates am 12. Juni 2014. offensichtlich viele (potenzielle) Wählerinnen URL: https://www.die-linke.de/partei/parteistruktur/kommissi- onen/aeltestenrat/erklaerungen-und-stellungnahmen-des-ae- und Wähler durch die Debatten zum Wahl- ltestenrates/news/die-politische-rolle-der-partei-in-der-gesell- programm der Partei verunsichert waren und schaft-klaeren/ (abgerufen am 17.03.2018). 181 Vgl. ebenda. 64 — 65 nalen Kampfbedingungen für eine linke Politik Parteitag der Europäischen Linken in Madrid zur Veränderung der Verhältnisse in Europa in im Dezember 2013 wurde die Forderung nach den Vordergrund zu rücken. Der Ältestenrat einem Linksdialog in Europa erhoben. Der Par- kam im Ergebnis seiner Debatte zu der Auffas- teivorstand der Partei DIE LINKE sollte diesen sung, dass die bisher erfolgte Auswertung der Gedanken aufgreifen und eine Initiative für ei- Wahlen zum Europaparlament noch nicht den nen solchen Dialog auslösen.183 neuen Herausforderungen in der Entwicklung Am 4. Dezember 2014 diskutierte der Ältesten­ der EU gerecht werde. Die Anforderungen für rat sein Selbstverständnis und seine Funktion in die Gestaltung linker europäischer Politik seien den Strukturen der Partei DIE LINKE. Die erst- gewachsen. Die Regierung der BRD setze malige Berufung eines Ältestenrates an der auf Führungsanspruch in der EU und kämpfe Jahreswende 1989/90 habe das Ziel verfolgt, in um ständig wachsenden Einfluss. DIE LINKE den Prozess der Erneuerung der Partei Erfahrun- müsse sich dieser Tendenz noch entschiede- gen aus den Kämpfen der Arbeiterbewegung ner entgegenstellen.182 und des nationalen und internationalen Wi- Der Ältestenrat empfahl der gesamten Partei, derstandes gegen den Faschismus, überhaupt natürlich in erster Linie dem Parteivorstand und Erfahrungen aus dem geschichtlichen Gewor- den Landesvorständen, sich auf der Grundlage den-Sein der Partei einzubringen. Der Ältesten­ der Wahlergebnisse zum EU-Parlament und rat habe sich in der Verantwortung für das Mitei- weiterer Wahlen gründlich mit der aktuellen nander der Generationen in der Partei gesehen. internationalen Situation und speziell mit der «Gegenseitige Achtung der Erfahrungen unter- Entwicklung in Europa und in der EU auseinan- schiedlicher Generationen und sich gemeinsam derzusetzen und konkrete Schlussfolgerungen der Verantwortung aus der Geschichte zu stel- für die politischen Aktivitäten der Partei und len, das sind wichtige Quellen für die Entwick- ihre Öffentlichkeitsarbeit zu beschließen. Für lung einer konsequent linken Partei und für besonders dringend hielt es der Ältestenrat, dass der Parteivorstand gemeinsam mit sach- kundigen und zuständigen Mitgliedern der Par- 182 Vgl. Das Europäische Parlament – Probleme, Erwartun- gen, Hoffnungen. Information über die Beratung des Ältes- tei und Vertretern anderer linker Parteien eine tenrates am 4. September 2014. URL: https://www.die-linke. umfassende, langfristig angelegte Konzeption de/partei/parteistruktur/kommissionen/aeltestenrat/erklaerun- gen-und-stellungnahmen-des-aeltestenrates/news/das-euro- für die politische Strategie der Linken zur Lage paeische-parlament-probleme-erwartungen-hoffnungen/ (ab- in Europa und in der EU erarbeitet. Auf dem gerufen am 17.03.2018). 183 Vgl. ebenda. ihren Platz in der Gesellschaft»184, unterstrich gerungen für ihr Wirken im parlamentarischen der Rat. All das gelte auch heute und habe Kon- Kampf und als politische Kraft zu ziehen, die sequenzen für die Stellung und das Wirken des zum herrschenden kapitalistischen System Ältestenrates in der Partei DIE LINKE. in Deutschland in grundlegender Opposition Entstanden sei der Ältestenrat mit der Grün- steht – und das auch, wenn sie in dem einen dung der PDS. Im Prozess der Verschmelzung oder anderen Bundesland an der Regierung be- von PDS und WASG sei die Neugründung der teiligt sei, erinnerte der Ältestenrat und brachte Partei DIE LINKE und mit ihr 2007 die Berufung sich damit als unverzichtbarer Mahner und Rat- eines neuen Ältestenrates erfolgt. Die Mitglied- geber erneut ins Spiel.186 schaft der Partei habe sich inzwischen weitge- Mit der Vorbereitung des Parteitages der LIN- hend verändert und neue Führungsgeneratio- KEN am 6./7. Juni 2015 in Bielefeld befasste nen hätten die Verantwortung übernommen. sich der Ältestenrat in seiner Sitzung am Mit einer gewissen Bitterkeit konstatierten die 26. März 2015. Er unterstützte dabei die Emp- Mitglieder des Rates: «Da die in der Satzung fehlung des Bundesausschusses der Partei, fol- festgelegten Grundsätze für das Wirken des Äl­ gende Schwerpunkte für den Parteikonvent zu testenrates in den vergangenen Jahren im Füh- berücksichtigen: (1) Intensivere Hinwendung rungsprozess durch den Parteivorstand kaum der LINKEN zur sozialen Frage in ihren konkre- Beachtung fanden, sollte geprüft werden, ob ten Erscheinungsformen, verbunden mit dem bei den Veränderungen in der Zusammenset- Ringen um breitere soziale Gerechtigkeit. (2) zung der Mitgliedschaft und der neuen Füh- Kampf gegen Rechtsentwicklung in all ihren rungselite ein Ältestenrat mit den Erfahrungen Schattierungen, verbunden mit dem Ausbau seiner Mitglieder für die Politik der Partei ange- der sozialen Demokratie. (3) Kampf gegen die sichts neuer Herausforderungen noch einen zu wachsende Kriegsgefahr und Tendenzen der beachtenden Beitrag leisten kann. Die jüngste Militarisierung, verbunden mit der Unterstüt- Praxis – auch nach dem Berliner Parteitag – setzt eher Zeichen, dass ein solcher Rat kaum gebraucht wird.»185 Allerdings müsse die Partei 184 Neue Herausforderungen für DIE LINKE und die Verantwor- tung des Ältestenrates (4. Dezember 2014). URL: https://www. die veränderten gesellschaftlichen, politischen die-linke.de/partei/parteistruktur/kommissionen/aeltestenrat/ und ökonomischen Rahmenbedingungen in erklaerungen-und-stellungnahmen-des-aeltestenrates/news/ neue-herausforderungen-fuer-die-linke-und-die-verantwor- Deutschland, in Europa und in der Welt gründ- tung-des-aeltestenrates/ (abgerufen am 17.03.2018). 185 Eben- lich analysieren, um strategische Schlussfol- da. 186 Vgl. ebenda. 66 — 67 zung des Kampfes um den Frieden. Nach Auf- teitag bekräftigt und «Kompromisse» in dieser fassung des Ältestenrates sollte der Parteitag Frage für eine vermeintliche Regierungsfähig- Grundfragen der weiteren Politik der LINKEN keit ebenso ausgeschlossen werden wie in beraten. Dabei sei von einer neuen Etappe der der Grundposition der Linkspartei gegen die imperialistischen Politik zur Neuaufteilung der Austeritätspolitik der Bundesregierung und Einflusssphären, der Ressourcen und der Ab- der Europäischen Union. Es müsse, so der Äl­ satzmärkte in der Welt und in Europa auszu- testenrat, zudem das weitere Agieren der LIN- gehen und davon, dass dabei militärische und KEN (in Partei und Fraktionen) u. a. gegen TTIP, kriegerische Optionen eine wachsende Rolle CETA und die Dienstleistungsrichtlinie beraten spielten. Es brenne an allen Ecken und Enden werden.188 der Welt. Das gehe einher mit zunehmender Verlauf und Ergebnisse des Bielefelder Partei- sozialer Ungleichheit, mit dem Abbau und der tages selbst behandelte der Ältestenrat auf sei- Aushöhlung bürgerlich-demokratischer Stan- ner Sitzung am 5. Juli 2015. Der Rat kritisierte, dards in den USA und auf nationaler Ebene in dass – aus welchen Gründen auch immer – we- Europa, forciert durch die Politik der EU. Auf der sentliche Probleme der Strategie, der aktuellen Grundlage dieser Realität müsse es Aufgabe Politik und der weiteren Entwicklung der Par- des Parteitages sein, das heutige Klassen- und tei offen geblieben bzw. gegensätzlich in den gesellschaftliche Kräfteverhältnis zu analysie- Raum gestellt worden seien. Auch wenn das ren und daraus linke Strategien abzuleiten.187 Thema Krieg und Frieden auf dem Parteitag Die Entwicklung und Politik der Europäischen angesprochen worden sei, wären seine Aussa- Union sowie die Rolle der BRD in Europa soll- gen hinter der Schärfe der Bedrohungen und ten illusionslos eingeschätzt und aufgrund der wachsenden Rolle der deutschen Militär- dieser Analyse das Verhalten der Linken einen macht, ihrer Aufrüstung, des Rüstungsexports Schwerpunkt der Tagesordnung des Parteita- und dem Bestreben nach einer Europaarmee ges bilden. Namentlich gehe es um das Verhal- mit bestimmendem Einfluss der BRD zurück- ten der LINKEN zur deutschen Zwangspolitik gegenüber Griechenland ebenso wie um das 187 Vgl. Von Erfurt nach Bielefeld. Erklärung des Ältestenra- Agieren der BRD im Vorfeld und im Bürger- tes der LINKEN (26. März 2015). URL: https://www.die-linke. krieg in der Ukraine und um eine beabsichtigte de/partei/parteistruktur/kommissionen/aeltestenrat/erklaerun- gen-und-stellungnahmen-des-aeltestenrates/news/von-er- Armee der EU. Die friedenspolitischen Positio- furt-nach-bielefeld-1/ (abgerufen am 18.03.2018). 188 Vgl. nen der LINKEN sollten auch auf diesem Par- ebenda. geblieben. Der Rat kritisierte, dass DIE LINKE ropa gefunden. Prof. Dr. Gretchen Binus habe eine wirkliche antikapitalistische Alternative ein Diskussionspapier zur Lage in Griechenland nicht zur Entfaltung bringe. Die Beratung des vorgelegt191 und Bruno Mahlow ein solches für Parteitages hätte keine Nähe zum Parteileben die Probleme in Mittel- und Osteuropa192. und zur weiteren Parteientwicklung gehabt. Die Der Ältestenrat kritisierte, dass es schon Mühen Interessenvertretung der jüngeren Generation gekostet habe, das Thema Frieden und Sicher- sollte stärker bestimmt und in der Durchset- heit auf die Tagesordnung des Parteitages in zung stärker vertreten werden.189 Bielefeld zu setzten. Jetzt sei es an der Zeit, sich Der Ältestenrat beschäftigte sich am 9. Juli der Größe der Gefahren zu stellen und «nicht 2015 erneut mit der Auswertung des Bielefel- angepassten Schwankungen im Sinne einer der Parteitages sowie mit der Beratung des Par- Äquidistanz zu folgen»193. Nach Auffassung des teivorstandes vom 4. und 5. Juli 2015 und dem Prozess der neuen Berufung des Rates durch 189 Vgl. Erste Einschätzung des Bielefelder Parteitages. Informa- den Parteivorstand. Der Rat kritisierte, dass der tion des Ältestenrates für den Parteivorstand (5. Juli 2015). URL: Bielefelder Parteitag Ausdruck sei «für eine feh- https://www.die-linke.de/partei/parteistruktur/kommissionen/ lende Wiedergabe des politischen Lebens in der aeltestenrat/erklaerungen-und-stellungnahmen-des-aeltesten- rates/news/erste-einschaetzung-des-bielefelder-parteitages/ Partei, für fehlenden Raum, um auch im Rah- (abgerufen am 18.03.2018). 190 Bemerkungen zum Bielefel- men einer pluralistischen Partei strittige Prob- der Parteitag und zur jüngsten Beratung des Parteivorstandes. Diskussionspapier des Ältestenrates (9. Juli 2015). URL: https:// leme auszutragen und handlungsfähig zu sein, www.die-linke.de/partei/parteistruktur/kommissionen/aeltesten- für Elemente eines Zurückbleibens im politi- rat/erklaerungen-und-stellungnahmen-des-aeltestenrates/news/ schen Feld gegenüber den Herausforderungen, bemerkungen-zum-bielefelder-parteitag-und-zur-juengsten-bera- tung-des-parteivorstandes/ (abgerufen am 18.03.2018). 191 Der die sich im Kampf um Frieden und Sicherheit Ältestenrat publizierte dieses Diskussionspapier im Internet. Vgl. und dem sich radikal verschärfenden Sozialab- Gretchen Binus: Zur Griechenland-Krise. Ein Diskussionspapier. bau in der Europäischen Union und auch in der URL: https://www.die-linke.de/partei/parteistruktur/kommissi- onen/aeltestenrat/erklaerungen-und-stellungnahmen-des-ae- 190 Bundesrepublik Deutschland vollziehen» . Be- ltestenrates/news/zur-griechenland-krise/ (abgerufen am sondere Aufmerksamkeit hätten in der Debatte 18.03.2018). 192 Der Ältestenrat veröffentlichte auch die Ausar- im Ältestenrat die neuen Herausforderungen beitung von Bruno Mahlow im Internet. Vgl. [Bruno Mahlow]: Der Frieden in Europa ist aufs äußerste gefährdet (9. Juli 2015). URL: der Solidarität für souveräne Entscheidungen https://www.die-linke.de/partei/parteistruktur/kommissionen/ und den notwendigen Klassenkampf in Grie- aeltestenrat/erklaerungen-und-stellungnahmen-des-aeltesten- rates/news/der-frieden-in-europa-ist-aufs-aeusserste-gefaehrdet/ chenland und die immer schneller wachsende (abgerufen am 18.03.2018). 193 Bemerkungen zum Bielefelder Verschärfung der Lage in Mittel- und Osteu- Parteitag und zur jüngsten Beratung des Parteivorstandes, a.a.O. 68 — 69

Tendenzen einer Distanz zwischen Führungs- legierten des 4. Parteitages eine Mitglied- kräften und der Parteibasis müssen diskutiert schaft von 64.000 Mitgliedern zugrunde und schnellstmöglich überwunden werden, gelegen habe, für den 5. Parteitag seien so der Ältestenrat im Oktober 2015. es nur noch 60.000 Mitglieder. Zur Stabili- sierung der Partei bedürfe es größerer An- strengungen zur Aktivierung der Basisor- Rates habe die gesellschaftliche Entwicklung ganisationen und des Parteilebens. Die etwa auch die Theorie einer «doppelten» Transfor- 10 Prozent der Mitglieder in den unterschied­ mation auf den Prüfstand gestellt und zu einer lichen Strömungen und Arbeitsgemeinschaften weiteren offensiven Debatte herausgefordert. seien ein wichtiges Element für den Pluralismus Wenn sich auf dem Parteitag schon keine der Partei, könnten aber nicht an die Stelle der Chance geboten habe, über Transformation und gewählten Führungskräfte treten. Tendenzen angestrebte Regierungspolitik zu diskutieren, einer Trennung oder Distanz zwischen Füh- dann sollte sich die Partei diese Chance nicht rungskräften und der Mitgliedschaft an der Par- entgehen lassen. Dies umso mehr, weil Aussa- teibasis müssten diskutiert und schnellstmög- gen im Raum stünden, die sich für einen etwas lich überwunden werden. Der Parteivorstand besseren Kapitalismus aussprechen und die stehe in der Verantwortung, die drei wichtigen Transformationstheorie als «Schönwetteraus- Ebenen des parlamentarischen Wirkens zu sage» erscheinen lassen würden. Die Werbung analysieren und notwendige Schlussfolgerun- für Rot-Rot-Grün werde mit leeren Worten ge- gen zu ziehen. Es gehe dabei um die deutsche priesen, aber von Lehren aus dem Mitregieren Gruppe in der linken Fraktion des Europaparla- sei bisher keine Rede. Über Zukunft zu reden, ments, um die Fraktion der LINKEN im Deut- ohne eine tiefe Klassenanalyse der Gegenwart schen Bundestag und um das Zusammenwir- als Grundlage zu nehmen, könne einen Politik- ken der Landtagsfraktionen über die Konferenz wechsel, der zu Gesellschaftsveränderungen der Vorsitzenden mit Bund und Europa.195 führe, weder auslösen noch tragen.194 Am 15. Oktober 2015 tagte der Ältestenrat 194 Vgl. ebenda. 195 Vgl. Stärker in die Öffentlichkeit treten. zur Vorbereitung der neuen Berufung des Ra- Information zum Ergebnis der Beratung des Ältestenrates am tes durch den Parteivorstand. Der Ältestenrat 15. Oktober 2015 (26. Oktober 2015). URL: https://www.die-lin- ke.de/partei/parteistruktur/kommissionen/aeltestenrat/erklae- legte auch auf dieser Tagung den Finger in die rungen-und-stellungnahmen-des-aeltestenrates/news/staer- Wunde. Er konstatierte, dass der Wahl der De- ker-in-die-oeffentlichkeit-treten/ (abgerufen am 18.03.2018). Nachdem der Ältestenrat am 24. Oktober 2015 ren Möglichkeiten wirksam zu machen.197 Wie neu berufen worden war, konstituierte er sich Thomas Falkner als Insider, der viele Jahre im am 26. November 2015 unter Anwesenheit der Bereich Strategie und Grundsatzfragen des Parteivorsitzenden Katja Kipping in Potsdam. Parteivorstandes tätig war, berichtete, hatten Als Stellvertreter des erneut als Vorsitzender sich der Rat und Hans Modrow persönlich dieses Gremiums berufenen Hans Modrow immer wieder mit der Entwicklung der Partei wurden Gretchen Binus, Christina Emmrich, im Land Brandenburg beschäftigt. In diesem Ursula Schumm-Garling und Wolfgang Gra- Kontext unterhielt Hans Modrow regelmä- bowski gewählt. Es schloss sich eine Diskus- ßige Kontakte zu den Ministerpräsidenten sion über die zukünftige Arbeit des Ältesten­ Stolpe, Platzeck und Woidke. Die Palette der rates an, in der das Mitglied Gregor Schirmer Themen, mit denen sich der Rat und Hans anregte, dass sich der Rat mit der Grundsatz- Modrow befassten, reichte dabei von einer frage «Quo vadis EU» beschäftigen möge.196 kritisch-konstruktiven Begleitung der Regie- Am gleichen Tag fand im Gebäude des Bran- rungsbeteiligung der LINKEN über die Arbeit denburger Landtages ein engagierter Ge- der Enquete-Kommission «Zur Aufarbeitung dankenaustausch des Ältestenrates mit dem der Geschichte und zur Bewältigung der Fol- Vorsitzenden der Brandenburger Parteiorgani- gen der SED-Diktatur sowie des Übergangs sation und Stellvertretenden Ministerpräsiden- in einen demokratischen Rechtsstaat im Land ten, Christian Görke, dem Fraktionsvorsitzen- Brandenburg», über Verfassungsfragen und den der LINKEN im Landtag, Ralf Christoffers, über Fragen der Achtung ostdeutscher Le- und Justizminister Helmuth Markov statt, bei benswege bis zur Analyse der Ursachen für die dem Christian Görke das Wirken in Regie- empfindlichen Stimmenverluste der LINKEN rungsverantwortung analysierte. Hans Mo- bei der Landtagswahl im September 2014 in drow lenkte den Blick insbesondere darauf, diesem Bundesland.198 durch ein konsequentes Einstehen für ein soziales Brandenburg das Profil der Partei zu schärfen. Auch in Brandenburg müsse die Par- 196 Vgl. Mitteilung über die Konstituierung des Ältestenrates tei spürbarer im Alltag vorkommen und wie- (9. Dezember 2015). URL: https://www.die-linke.de/partei/partei- der Kümmererpartei werden. DIE LINKE sei struktur/kommissionen/aeltestenrat/erklaerungen-und-stellung- nahmen-des-aeltestenrates/news/mitteilung/ (abgerufen am herausgefordert, eine neue Strategie für die 18.03.2018). 197 Vgl. ebenda. 198 Vgl. E-Mail von Thomas Wirtschaft im Osten zu entwickeln und mit ih- Falkner vom 27. März 2018 an den Autor. 70 —71

Auf einer Diskussionsveranstaltung im Senio- Der Ältestenrat kritisierte in seiner Bilanz, er renclub der LINKEN in Berlin am 8. Dezember sei in all den Jahren seiner bei der Berufung 2015 bilanzierte der Ältestenrat seine Tätigkeit und in der Satzung formulierten Beratungs- in den Jahren von 2007 bis 2015. Im Mittel- aufgabe der Parteiführung nachgekommen, punkt der Arbeit des Ältestenrates hätten stets aber die Resonanz und die «Bitten» des Partei- Probleme der Parteientwicklung gestanden. vorstandes um Beratung hätten zu wünschen Es sei zunächst um das Zusammenwachsen übrig gelassen. Die Funktion des Ältestenrates der PDS und der WASG gegangen, um das als ein Konsultationsgremium sei nach seiner Wirken der verschiedenen Strömungen und Meinung vom Parteivorstand nur ungenü- Arbeitsgemeinschaften. Der Rat habe sich gend in Anspruch genommen worden: «Es schwerpunktmäßig mit den Problemen der ist an uns keine Bitte um eine Meinung oder Erarbeitung des Programms und der Pro- auch Kritik zu einem Problem herangetragen grammdebatte beschäftigt. In der Vorberei- worden, obwohl die Positionspapiere zur Ver- tung der verschiedenen Parteitage habe in fügung standen. In der Öffentlichkeit wurden seiner Meinungsbildung immer die Betonung wir stärker wahrgenommen.»200 Insgesamt sei des Profils der Partei im Vordergrund gestan- die bisherige Arbeit des Ältestenrates durch ei- den, das heißt einer Partei mit einem antika- nen grundsätzlich konstruktiv-kritischen und pitalistischen, auf einen demokratischen Sozi- durch gegenseitige Achtung charakterisier- alismus gerichteten Kurs – dies auch in ihrer ten Gedankenaustausch und durch eine ganz eigenständigen Position im Verhältnis zur SPD besondere solidarische Atmosphäre geprägt und zu den Bündnis 90/Die Grünen. Auch die gewesen. Dies gelte es in der kommenden Ar- Problematik der Regierungsbeteiligung war beitsperiode des Rates auch fortzusetzen.201 Gegenstand der Debatten im Ältestenrat. Der Der Ältestenrat beriet am 18. Februar 2016 über Rat habe die Ergebnisse der Parteitage und die grundsätzliche Fragen von Frieden und Sicher- Wahlergebnisse ausgewertet und zum Bei- spiel auf die ungenügende Medienwirksam- keit der Wahlprogramme der LINKEN, auf eine 199 Vgl. Bilanz der Tätigkeit des Ältestenrates 2015. Kur- zer Überblick – vorgestellt auf einer Diskussion im Senio- fehlende Debatte in der Partei darüber, auf das renclub am 8. Dezember 2015. URL: https://www.die-lin- noch ausbaufähige Verhältnis von parlamenta- ke.de/partei/parteistruktur/kommissionen/aeltestenrat/ erklaerungen-und-stellungnahmen-des-aeltestenrates/news/ rischem und außerparlamentarischem Kampf bilanz-der-taetigkeit-des-aeltestenrates-2015/ (abgerufen am aufmerksam gemacht.199 18.03.2018). 200 Ebenda. 201 Vgl. ebenda. heit und dabei insbesondere über seinen Bei- am 19. März 2016 gegeben. Die Konferenz trag zur Friedenskonferenz der Partei DIE LINKE sei zwar breit angelegt und böte vielen Teil- am 19. März 2016 in Berlin. Den Mitgliedern nehmern aus unterschiedlichen Bereichen des Rates lag zur Beratung und Beschlussfas- die Möglichkeit, ihre Ideen und Vorschläge sung der Entwurf eines Appells «Den deut- einzubringen. Was aber fehle, sei eine klare schen OSZE-Vorsitz 2016 vertrauensbildend Orientierung der Partei für ihr friedenspoliti- und friedensstiftend gestalten» vor. Einleitend sches Handeln und entsprechende konkrete informierten die früheren DDR-Botschafter Vorschläge für ihr praktisches Engagement. Wolfgang Grabowski und Peter Steglich über Genau das aber würden die Parteibasis und die Entwicklung und über Grenzen und Mög- viele Bündnispartner aus der Friedensbewe- lichkeiten der OSZE sowie darüber, dass sich gung erwarten. Der Ältestenrat beauftragte seinen Vorsitzenden Hans Modrow, den be- Zur Friedenskonferenz im März 2016 kritisierte ratenen Appell zum deutschen OSZE-Vorsitz der Ältestenrat das Fehlen einer klaren dem Parteivorstand für seine Beratung am friedenspolitischen Handlungsorientierung 20. Februar 2016 zu übergeben und dabei über und konkreter Vorschläge für die Praxis. die Ergebnisse der Debatte im Ältestenrat zu informieren. Der Parteivorstand stimmte dann dem Vorschlag des Ältestenrates zu.203 Deutschland um den OSZE-Vorsitz für 2016 Am 6. Oktober 2016 beschäftigte sich der beworben habe. In der anschließenden Diskus- Ältestenrat mit seinen Erwartungen an den sion wurde hervorgehoben, dass die Kriegsge- Kongress der Europäischen Linken. Dieser fahr seit 1989/90 zu keinem Zeitpunkt größer Kongress finde in einer Zeit tiefer Krisen in der gewesen sei als derzeit und dass Deutschland Europäischen Union und tiefer Gegensätze eine besonders große Verantwortung im Kampf in Europa statt. Dabei bleibe die Europäische um die Erhaltung des Friedens zukomme, der es mit seiner aktuellen Politik aber absolut nicht gerecht werde.202 202 Vgl. In Vorbereitung der Friedenskonferenz der Partei am 19. März 2016. Information über die Beratung des Ältestenrates Kritische Bemerkungen habe es in der Diskus- (18. Februar 2016). URL: https://www.die-linke.de/partei/partei- sion zu dem vom Parteivorstand am 12. De- struktur/kommissionen/aeltestenrat/erklaerungen-und-stellung- nahmen-des-aeltestenrates/news/in-vorbereitung-der-frie- zember 2015 beschlossenen «Konzeptvor- denskonferenz-der-partei-am-19-maerz-2016/ (abgerufen am schlag für die Friedenskonferenz der LINKEN» 18.03.2018). 203 Vgl. ebenda. 72 —73

Linke trotz mancher Anstrengungen «sehr Partei DIE LINKE am 18. und 19. März 2016 beachtlich» hinter den vor ihr stehenden He- und (4) Strategiedebatte. In Auswertung des rausforderungen zurück, Schwächen, die sich Magdeburger Parteitages fand auf Bitte des auch in der Partei DIE LINKE zeigen würden. Parteivorsitzenden Bernd Riexinger ein Ge- Nach Auffassung des Rates sollte der Berliner spräch mit dem Vorsitzenden und den stellver- Kongress Anlass für eine breite Information tretenden Vorsitzenden des Ältestenrates statt. der gesamten Mitgliedschaft der LINKEN über Im Mittelpunkt hätten Fragen der Strategie die Entwicklung und die aktuelle Situation in gestanden (u. a. Protestpartei und/oder Partei der EU und über den Platz der EL im Kampf der Gestaltung, also von Regierungsverant- für eine friedliche, demokratische und soziale wortung, Hinwendung zur und Aufgreifen der Union in Europa sein. Der Ältestenrat unter- Meinung und der Wünsche der Parteibasis, stützte den konstruktiv-kritischen Bericht der Umsetzen der Parteitagsbeschlüsse mit der Linke-Delegation im EL-Vorstand, der dem Basis). 205 Parteivorstand der LINKEN vorgelegt wurde. Der Ältestenrat forderte die zügige Umsetzung Nach Meinung des Ältestenrates sollte bei der des Parteitagsbeschlusses «Frieden mit Russ- Wahl leitender Organe und Personen der Eu­ land – Verständigung in Europa – Nein zu Fa- ropäischen Linken Bewährtes beachtet und schismus und Krieg», der eine beeindruckende keine überhöhte deutsche Repräsentanz ange- Mehrheit gefunden hatte. Dazu wurde dem strebt werden. Stärker als bisher sollte die Viel- Parteivorstand ein Arbeitspapier übergeben. falt aller EL-Parteien zur Geltung kommen.204 So wichtig die Aktivitäten der Bundestags- Der Ältestenrat veröffentlichte am 1. Dezem- ber 2016 einen Bericht zu seiner Tätigkeit im Jahr 2016. Entsprechend der Verabredung 204 Vgl. Erwartungen an den Kongress der Europäischen mit der Ko-Parteivorsitzenden Katja Kipping Linken. Mitteilung über eine Beratung des Ältestenrates (6. Oktober 2016). URL: https://www.die-linke.de/partei/ auf der konstituierenden Sitzung des Ra- parteistruktur/kommissionen/aeltestenrat/erklaerun- tes am 26. November 2015 hätten folgende gen-und-stellungnahmen-des-aeltestenrates/news/erwartun- Schwerpunkte im Mittelpunkt der Arbeit des gen-an-den-kongress-der-europaeischen-linken/ (abgerufen am 18.03.2018). 205 Vgl. Bericht zur Tätigkeit des Ältestenrates Ältestenrates gestanden: (1) Vorbereitung und 2016. Abschließend beraten am 1. Dezember 2016. URL: https:// Auswertung des Magdeburger Parteitages; www.die-linke.de/partei/parteistruktur/kommissionen/aeltes- tenrat/erklaerungen-und-stellungnahmen-des-aeltestenrates/ (2) Krisenstimmung und Sicherheitsbedürfnis news/bericht-zur-taetigkeit-des-aeltestenrates-2016/ (abgerufen in der Bevölkerung; (3) Friedenskonferenz der am 18.03.2018). fraktion seien (u. a. für die Durchsetzung einer Parteien in den sozialen und politischen Kämp- Veranstaltung im Bundestag anlässlich des fen gestaltet werden. Angesichts der Rechts- 75. Jahrestages des Überfalls Hitlerdeutsch- entwicklung in Europa stehe die europäische lands auf die Sowjetunion), die Verhinderung Linke vor historischen Herausforderungen, de- von militärischen Konflikten in Europa setze nen sie nur «in großer revolutionärer Gemein- Vertrauensbildung voraus, in die auch Russ- samkeit» gerecht werden könne.207 land einzubeziehen sei. Das sollte nach Auf- Der Ältestenrat stellte fest, dass in den letzten fassung des Ältestenrates ein besonderes Jahren die Krise der Europäischen Union und Markenzeichen der Linkspartei sein. Kritisiert besonders der Eurozone deutlich zugenom- wurde im Ältestenrat, dass die Friedenskonfe- men habe. Immer mehr Bürgerinnen und Bür- renz diesem wichtigen Anliegen nicht genügt ger würden sich als Verlierer*innen in der EU habe. Die Konferenz habe viele wichtige und begreifen. Dies gelte sowohl innerhalb der ein- interessante Beiträge gebracht, der Parteivor- zelnen Staaten als auch zwischen den Staaten stand habe die Konferenz jedoch nicht genutzt, (Nord-Süd- bzw. West-Ost-Gefälle). Die Auf- um einen eindeutigen Standpunkt zur interna- nahme von Migrant*innen in der EU und die tionalen Lage, den Konflikten und den Kriegs- in den letzten Jahren verstärkt einsetzenden treibern zu formulieren und in der Partei zur Fluchtbewegungen hätten diese Tendenzen Diskussion und Aktion zu bringen.206 verstärkt. Die Deutung hätten in vielen Fäl- Der Ältestenrat und sein Vorstand beschäftig- len rechtspopulistische und nationalistische ten sich – wie in seinem Tätigkeitsbericht vom Kräfte übernommen. In der EU wie in der Bun- 1. Dezember 2016 dargelegt – ausführlich mit desrepublik Deutschland zeichne sich ein Auf- dem bevorstehenden Kongress der Europäi­ stieg von rechtspopulistischen Bewegungen schen Linken in Berlin. Der Rat erarbeitete ein ab.208 Standpunktpapier, das auch zur Information Hier sollte nach Meinung des Ältestenrates für die Basis genutzt werden und helfen könne, eine klare und eindeutige Kritik durch DIE Wissen und Verständnis für die EL zu fördern. LINKE formuliert werden: Statt eines neoli- Der Rat formulierte Herausforderungen, de- beralen, undemokratischen und imperialen nen sich die EL mit ihrem Berliner Kongress Leitbildes einer Wettbewerbsunion müsse das stellen müsste. Die EL dürfe nicht Name ohne Profil sein. Das Nebeneinander der Parteien müsse überwunden und ein Miteinander der 206 Vgl. ebenda. 207 Vgl. ebenda. 208 Vgl. ebenda. 74 —75

Leitbild eines demokratischen und sozialen instrumentalisieren und große Teile des im Europas formuliert werden. Angesichts der re- Land wachsenden Protestpotentials an sich zu alen Verhältnisse in der EU und der Konkurrenz binden und zu mobilisieren. Leider habe es die vor allem der großen und einflussreichen Nati- Linkspartei nicht verstanden, rechtzeitig und onalstaaten um Macht müssten die fortschritt- wirkungsvoll dagegenzuhalten. Viele ehema- lichen Kräfte in den Nationalstaaten gestärkt lige Wähler hätten nicht mehr erkennen kön- werden, sonst bestünde die Gefahr, dass die nen, dass DIE LINKE weiter Vertreterin ihrer demokratischen und sozialen Rechte auf natio- Interessen für Frieden und soziale Gerechtig- naler Ebene weiter geschwächt werden. Dazu keit sein will und fühlten sich nicht mehr durch gehöre es, realisierbare Maßnahmen für die sie vertreten. Nach Meinung des Ältestenrates Menschen in Europa zu entwickeln: vor allem wäre der Parteivorstand gut beraten, wenn er Maßnahmen gegen die Massenarbeitslosig- im Wahlkampf die Frage einer Regierungsbe- keit und die Armutsrisiken, Mindeststandards teiligung sehr bedacht unter Einbeziehung der gegen prekäre und erniedrigende Arbeitsver- Basis beraten und entscheiden würde.210 hältnisse und eine ausreichende Grund- und DIE LINKE habe sich im Zusammenhang mit Sozialversicherung sowie die radikale Ableh- dem Kongress der Europäischen Linken in Ber- nung militärischer Auslandseinsätze.209 lin intensiv mit der EU beschäftigt. Auch der Am 9. März 2017 beriet der Ältestenrat ge- Ältestenrat habe dazu beigetragen: «Wir waren meinsam mit Dietmar Bartsch, dem Spit- uns einig, dass Ungemach für die Völker droht. zenkandidaten der Partei DIE LINKE für die Es geht auf eine wachsende soziale Katastro- Bundestagswahl, über den begonnenen Wahl- phe hin. Schwelende, tiefgreifende Widersprü- kampf. Nach Auffassung des Rates sollte für che malen das Gespenst der Auflösung der EU DIE LINKE die Friedensfrage im Wahlkampf an an die Wand.»211 Es werde deutlich, dass man erster Stelle stehen. Die politische Lage werde in den Führungsetagen der EU-Staaten nicht sich im Wahljahr 2017 weiter zuspitzen, so- wohl im Inneren des Landes, in der EU als auch weltweit. Im Wahlkampf werde die Haltung 209 Vgl. ebenda. 210 Vgl. Der Wahlkampf hat begonnen. zur Alternative für Deutschland (AfD) einen Bericht von der Sitzung des Ältestenrates am 9. März 2017 zentralen Platz einnehmen. Diese Rechtsau- (veröffentlicht am 21. März 2017). URL: https://www.die-linke. de/partei/parteistruktur/kommissionen/aeltestenrat/erklaerun- ßen-Partei habe es verstanden, die Schwächen gen-und-stellungnahmen-des-aeltestenrates/news/der-wahl- der traditionellen neoliberalen Machthaber zu kampf-hat-begonnen/ (abgerufen am 19.03.2018). mehr an den Defiziten der Europäischen Union blishment der EU. EU-Kommissionspräsident vorbeigehen könne. DIE LINKE habe seit Jah- Juncker habe fünf mögliche Varianten für die ren kritisiert, dass der Vertrag von Maastricht EU-Entwicklung ins Spiel gebracht. Der Ältes­ die Interessen des Kapitals vertrete und nicht tenrat stellte dazu fest: «Keine davon könnte die der Bürger. Es sei eine gefährliche Schie- eine der Linken Europas sein, aber eine Aus- flage eingetreten. Offensichtlich hätten sich sage hat er gerade für uns gemacht. DIE LINKE die sogenannten führenden Eliten der EU ist herausgefordert, sich selber Klarheit zu übernommen, eine Überdehnung sei einge- verschaffen und Orientierung für ihren Kampf treten, die systemischen Fehlleistungen von gegen den Kurs der Militarisierung der EU, der Maastricht könnten nicht mehr übertüncht Verschärfung der Ausbeutung, der sozialen werden. Die meisten Mitgliedsländer der EU Zerstörung und des Abbaus der Demokratie zu könnten die «heilige Kuh» von Maastricht, geben.»213 Der Berliner Kongress der Europä­ die Forderung nach strenger Einhaltung der ischen Linken könne dafür nur als ein Anfang Schuldengrenze, nicht bedienen. Das drasti- gesehen werden.214 sche Vorgehen vor allem Deutschlands gegen Zu den Ostermärschen 2017 veröffentlichte der eines der schwächsten EU-Mitglieder, Grie- Ältestenrat der Partei DIE LINKE am 30. März chenland, habe viel Unmut ausgelöst, auch in 2017 den Aufruf «Schluss mit Rüstung und Mi- anderen Ländern. Und die griechische Krise litarisierung – für soziale Aufrüstung». Der Rat schwele weiter. Natürlich sei nicht entgangen, machte auf Bestrebungen aufmerksam, die Be- dass Deutschland vor allem darauf bedacht völkerung gezielt an ein Klima der Militarisie- sei, auf Kosten anderer seine Exportwirtschaft rung zu gewöhnen, um damit eine allgemeine weiter zu stärken. Auch das finde, natürlich, Zustimmung der Bevölkerung zur Aufrüstung keinen Beifall.212 und zu Militäreinsätzen zu schaffen. Er unter- Mit der Flüchtlingswelle nach Europa habe stützte die Forderungen der Friedensbewe- sich die Lage beträchtlich verschärft. Die vie- gung nach dem Ende der Kriege und der deut- len Treffen des Spitzenpersonals der EU und schen Beteiligung daran, verlangte den Stopp der Mitgliedstaaten hätten den Eindruck von aller Rüstungsexporte aus Deutschland und Ratlosigkeit und Aktionismus vermittelt. Vor eine Konversion der Rüstungsindustrie und er- diesem Hintergrund würden Nationalisten und EU-Gegner Morgenluft wittern, sie wür- den zu einer realen Gefahr, auch für das Esta- 211 Ebenda. 212 Vgl. ebenda. 213 Ebenda. 214 Vgl. ebenda. 76 —77

Der Rat konstatierte, dass die Bundestagswahlen von der Rosa-Luxemburg-Stiftung. 2017 insgesamt gesehen eine unübersehbare Doch könne – so Kahrs – «ein stabi- Verschiebung der politischen Kräfteverhältnisse les Ergebnis für eine Partei, die auf nach rechts sichtbar gemacht hätten. fortschrittliche gesellschaftliche Veränderungen setzt, nicht befriedi- gen, zumal auch die einzig mögliche klärte: «Der Krieg ist kein Gesetz der Natur, und Mehrheitsoption in weitere Ferne gerückt ist. der Friede ist kein Geschenk!»215 Unter den veränderten politischen Bedingun- Bei der Bundestagswahl am 24. September gen wird es darauf ankommen, die vorhan- 2017 erzielte die Partei DIE LINKE mit 9,2 Pro- denen strategischen und gesellschaftspoliti- zent der Zweitstimmen das zweitbeste Ergeb- schen Blockaden zu überwinden, um größere nis in ihrer Geschichte. Sie erreichte absolut politische Handlungsoptionen zu erlangen.»217 mehr Zweitstimmen als 2013, wurde aller- Am 13. Oktober 2017 veröffentlichte der Ältes­ dings nicht zweistellig und verlor ihre Position tenrat ein Positionspapier zum Ausgang der ­ als stärkste Oppositionspartei an die AfD. In ih- Bundestagswahl 2017 und zu den neuen He- rer Wählerschaft gab es bemerkenswerte Ver- rausforderungen im politisch-gesellschaftli- änderungen: Während der Rückhalt der Partei chen System der BRD. Der Rat konstatierte, DIE LINKE im Osten deutlich auf 17,1 Prozent dass ähnlich wie in den europäischen Nach- zurückging, wuchs sie im Westen auf 7,2 Pro- barländern die Bundestagswahlen insgesamt zent der gültigen Stimmen. Damit verschoben gesehen eine unübersehbare Verschiebung sich die Kräfteverhältnisse innerhalb der Partei weiter in Richtung westliche Landesverbände. DIE LINKE erhielt überdurchschnittlichen 215 Schluss mit Rüstung und Militarisierung – für soziale Auf- Zuspruch unter jüngeren Wähler*innen und rüstung. Aufruf des Ältestenrats der Partei DIE LINKE zu den Ostermärschen 2017 (30. März 2017). URL: https://www. erreichte wieder wie die frühere PDS einen die-linke.de/partei/parteistruktur/kommissionen/aeltestenrat/ überdurchschnittlichen Stimmenanteil unter erklaerungen-und-stellungnahmen-des-aeltestenrates/news/ Akademikern.216 Die Partei befinde sich im schluss-mit-ruestung-und-militarisierung-fuer-soziale-aufru- estung/ (abgerufen am 19.03.2018). 216 Vgl. Horst Kahrs: Die Umbruch, blieb aber bei der Wahl unter den Wahl zum 19. Deutschen Bundestag am 24. September 2017. vor allem durch den Aufstieg der AfD verän- Wahlnachtbericht und erste Analyse, Berlin, 25.09.2017, S. 1 und 4. URL: http://www.horstkahrs.de/wp-content/upload- derten Rahmenbedingungen stabil, konsta- s/2017/09/2017-09-25-Ka-WNB-BTW17.pdf (abgerufen am tierte der Sozialwissenschaftler Horst Kahrs 20.03.2018). 217 Ebenda, S. 4. der politischen Kräfteverhältnisse nach rechts abgenommen habe, ein deutliches Plus gege- (insbesondere am Aufstieg der AfD) sichtbar ben. Obwohl die LINKE bei der Wahl Erfolge gemacht hätten. Die zeitweilig überraschend erzielen konnte, plädierte der Ältestenrat für hohe Zustimmung für den SPD-Kandidaten eine selbstkritische Bestandsaufnahme und Martin Schulz könne nicht darüber hinweg- solidarische Diskussion in der Partei mit dem täuschen, dass nicht nur die deutsche sondern Ziel einer Stärkung der strategischen Ziel- auch die europäische Sozialdemokratie in ei- setzungen. Je mehr das politische Klima von ner tiefen Krise stecke. Mit dem dramatischen den Themenfeldern der erstarkten Rechten und äußerst innovativen Strukturwandel der geprägt werde, umso notwendiger würden Wirtschaft, der in den meisten europäischen sich für DIE LINKE die Fragen nach Gegenar- Ländern den Industrieanteil auf nur noch 10 bis gumenten und grundsätzlichen Strategien zur 20 Prozent der Wirtschaftsleistung gedrückt Veränderung der Kräfteverhältnisse stellen.219 habe, sei der Sozialdemokratie ihr soziales Am 23. November 2017 beriet der Ältestenrat Milieu – also der Kern ihrer Anhängerschaft – in Berlin mit Vertretern des Berliner Landesvor- zum großen Teil verloren gegangen. Es sei der standes und der Fraktion DIE LINKE im Berliner europäischen Sozialdemokratie nicht gelun- Abgeordnetenhaus über die Situation in der gen, ihre wegbrechenden Existenzgrundlagen Hauptstadt. Es scheine wichtig, so der Rat, die durch neue Ideen und Projekte mit ähnlicher mit Mühe wieder wachsende Glaubwürdigkeit Anziehungskraft zu ersetzen.218 der Partei bei wichtigen Partnern und Wegbe- Die Linkspartei habe ihr Ziel deutlich verfehlt, gleitern zu vertiefen. Mehr Transparenz und erneut drittstärkste Kraft zu werden. Sie habe Öffentlichkeit seien hier gefordert. Das haupt- in allen ostdeutschen Flächenländern gegen- sächliche Problemfeld bleibe aus Sicht des über 2013 spürbar an Zuspruch verloren, und Ältestenrates die Wohnungsfrage. Trotz aller zwar so gleichmäßig, dass es kaum mit Erfah- rungen der Wähler in den einzelnen Ländern zusammenhängen könne. Im Westen dage- 218 Vgl. Zur Bundestagswahl und die neuen Herausforderungen gen habe die Linkspartei durchweg über fünf im politisch-gesellschaftlichen System der BRD. Positionspa- pier des Ältestenrates (13. Oktober 2017). URL: https://www. Prozent gelegen, zum Teil sehr deutlich über die-linke.de/partei/parteistruktur/kommissionen/aeltestenrat/ ihren bisherigen Ergebnissen bei Bundes- erklaerungen-und-stellungnahmen-des-aeltestenrates/news/ zur-bundestagswahl-und-die-neuen-herausforderungen-im-­ tagswahlen. Bei den absoluten Zahlen habe politisch-gesellschaftlichen-system-der-brd/ (abgerufen am es, obzwar ihr die AfD 400.000 Wähler*innen 19.03.2018). 219 Vgl. ebenda. 78 —79

Anstrengungen könne der Mietanstieg nicht dem Ausgang der Bundestagswahlen selbst gebremst werden, setze sich die Verdrängung geschwächt und sei kein Stabilitätsfaktor in aus dem Zentrum fort, würden die Boden- der neuen Weltunordnung. In Deutschland preise erhöht, seien Wohnungsnot und Inves- habe mit dem Niedergang der SPD ein rot-rot- torenwillkür nicht gestoppt, entspreche der grünes Bündnis mit Ausnahme einiger ost- Neubau bei weitem nicht den Erfordernissen. deutscher Bundesländer derzeit keine gesell- DIE LINKE müsse im Bunde mit den Bürgerini- schaftliche Mehrheit und sei keine realistische tiativen für eine nachhaltige Bürgerbewegung politische Option mehr. Die gesellschaftliche zur grundsätzlichen Veränderung der Lage Linke könne in diesem Land nur mehrheits- kämpfen und die Gegner sozialer Lösungen fähig werden, wenn sie durch ihre Projekte unter starken öffentlichen Druck setzen. Der die in den unterschiedlichen sozialen Milieus Ältestenrat thematisierte den Stimmenverlust präsente Kapitalismuskritik und Gerechtig- in östlichen Hochburgen der Partei. DIE LINKE keitserwartungen aufgreife und in einem Mit- habe aufgehört, sich um die «Abgehängten» te-Unten-Bündnis eine politische Zielrichtung und ihre Sorgen real zu kümmern. Es gebe Er- verleihen könne. Der Ältestenrat kam zu dem scheinungen, dieses Feld faktisch der AfD zu Schluss, «dass sich die Parteiführung mit ih- überlassen. Es schränke den gesamtdeutschen ren inneren Debatten, den schwachen Ana- Charakter der Partei DIE LINKE nicht ein, wenn lysen der politischen Situation und fehlender sie mit einer eigenen Initiative für die Interes- gründlicher, konstruktiv-kritischer Haltung sen der Ostdeutschen auftrete, um verlorenes den wachsenden politisch-gesellschaftlichen Vertrauen wiederzugewinnen. Sie müsse wie- Herausforderungen noch nicht auf der not- der «Kümmererpartei» werden.220 wendigen Höhe der Debatten und der notwen- Der Ältestenrat beschäftigte sich in seiner digen Schlussfolgerungen befindet»222. Der Beratung am 23. November 2017 auch mit Ältestenrat werde bemüht sein, sich weiter im aktuellen politischen Problemen nach der Bundestagswahl. Erneut bestätige sich die Einschätzung, «dass wir eine historische Zäsur 220 Vgl. Politik für die Bürgerinnen und Bürger mit Er- folg gestalten. Mitteilung über die Beratung des Ältes- 221 durchlaufen» . Die EU und die Eurozone tenrates (23. November 2017). URL: https://www.die-lin- hätten die schwere Wirtschaftskrise auch ke.de/partei/parteistruktur/kommissionen/aeltestenrat/ erklaerungen-und-stellungnahmen-des-aeltestenrates/news/ nach zehn Jahren noch nicht überwunden. politik-fuer-die-buergerinnen-und-buerger-mit-erfolg-gestalten/ Zudem habe sich die EU mit dem Brexit und (abgerufen am 19.03.2018). 221 Ebenda. 222 Ebenda. innerparteilichen Leben zu engagieren und an wachsenden Zukunftsängste und des Auf- den entstehenden öffentlichen Debatten teil- stiegs rechtspopulistischer Parteien nicht nur zunehmen.223 in Ostmitteleuropa, sondern auch in den Län- In der Erklärung «Für die Erneuerung einer dern Kerneuropas, deren Sprengkraft für das Europa-Diskussion in der Partei DIE LINKE» europäische Projekt nicht zu bestreiten sei. vom 6. März 2018 konstatierte der Ältesten­ Aber die Befürworter einer Renationalisierung rat, dass sich eine Zäsur des Überlebens der würden die Spielräume nationalstaatlicher kapitalistischen Gesellschaft vollziehe, die die Politik überschätzen. Vor dem Hintergrund Lebenschancen der Menschen auf dieser Erde freier Kapital- und Warenströme sowie einer gemeinsamen Währung könn- Eine Rückkehr zu nationalen Währungen – die radikalste ten nationale Regierungen in Variante einer Renationalisierung – ist keine wünschens- den zentralen Feldern der Wirt- werte politische Option. Die Alternative zu weniger schafts-, Sozial- und Lohnpolitik Europa ist mehr Europa, aber anders. keine progressive Politik im nati- onalen Alleingang durchhalten. Im Umkehrschluss bedeute das zerstören könnte. Die Linkskräfte in der Euro- allerdings nicht, dass eine enge Zusammenar- päischen Union, allen voran die Europäische beit der zwei, drei größten Volkswirtschaften Linke, müssten sich nach Auffassung des Ra- (Deutschland, Frankreich, Italien) nicht neue tes den Herausforderungen stellen, ihre Kräfte Handlungsspielräume schaffen könnte. Zu- formieren und gemeinsam Wege aus der ge- dem hänge die Stabilität nationaler Austeritäts- genwärtigen Krise der EU suchen. Unter Be- regime immer noch sehr eng mit der Stabilität achtung nationaler Besonderheiten gelte es, nationaler Regierungen zusammen. Insofern auf der Ebene der Europäischen Union einen habe der Nationalstaat keinesfalls ausgedient. solidarischen Klassenkampf in vielfältigen For- men zu entfalten. Für die Wahlen zum Europä- ischen Parlament 2019 sollten auf nationalen 223 Vgl. ebenda. 224 Vgl. Für die Erneuerung einer Europa-Dis- Parteitagen Wahllisten erstellt und gemein- kussion in der Partei DIE LINKE. Erklärung des Ältestenrates. same Positionen auf dem Kongress der EL für URL: https://www.die-linke.de/partei/parteistruktur/kommissi- 224 onen/aeltestenrat/erklaerungen-und-stellungnahmen-des-ae- den Wahlkampf erarbeitet werden. ltestenrates/news/fuer-die-erneuerung-einer-europa-diskussi- Der Ältestenrat betonte, dass angesichts der on-in-der-partei-die-linke/ (abgerufen am 17.04.2018). 80 — 81

«Eine Rückkehr zu nationalen Währungen – die hungen zu Russland einsetzen. Es müsse gel- radikalste Variante einer Renationalisierung – ten: Dialog statt Konfrontation. ist keine wünschenswerte politische Option. Andere Mitglieder wie Gretchen Binus mahn- Dieser Weg würde mit dramatischen ökono- ten auf dieser Sitzung des Ältestenrates eine mischen und sozialen Verwerfungen einher- exakte Analyse der ökonomischen Macht- gehen. Die Alternative zu weniger Europa ist strukturen wie eine Einschätzung der inter- mehr Europa, aber anders», unterstrich der nationalen Lage als Basis für die Entwicklung Rat. «Ziel ist ein demokratisches und soziales linker Politik an. Ursula Schumm-Garling ver- Europa, das mit der neoliberalen Logik des langte, der bevorstehende Parteitag müsse Po- Maastrichter Vertrags bricht.»225 sition beziehen zur Veränderung der Arbeits- Am 26. April 2018 berieten die Parteivorsitzen- welt durch die Digitalisierung. Dieter Hooge den Katja Kipping und Bernd Riexinger mit den warnte davor, die Verwüstung der Gesellschaft Mitgliedern des Ältestenrates über die Vorbe- durch das neoliberale Projekt zu unterschät- reitung des Leipziger Parteitages der LINKEN zen, und forderte, der Kampf gegen dieses Pro- im Juni 2018.226 Die Vorsitzenden umrissen jekt müsse in der LINKEN Priorität haben. Sehr knapp die Lage der Partei und die inhaltliche kritisch äußerten sich Mitglieder des Ältesten­ Vorbereitung des Parteitages. In der anschlie- rates zur Geschichtspolitik Bodo Ramelows ßenden Diskussion forderten mehrere Mit- und seiner rot-rot-grünen Landesregierung in glieder des Rates, sowohl der Friedensfrage Thüringen, die auf eine Delegitimierung der als auch der Europa-Politik auf dem Parteikon- DDR hinauslaufe. Edeltraut Felfe warf Katja vent einen größeren Stellenwert einzuräumen. Kipping, die diese Regierung mit den Worten, Bruno Mahlow und Gregor Schirmer wandten das Land brauche «mehr Ramelow», verteidigt sich gegen eine Äquidistanz der LINKEN zu hatte, vor, die Rechtsentwicklung in der Bun- den Großmächten USA, Russland und China. desrepublik zu befördern. Kipping konterte zu- Die Hauptgefahr für den Frieden in der Welt recht, die Alternative zur Ramelow-Regierung gehe, so Schirmer, auch heute vom Imperialis- sei eine unter Führung der CDU, womöglich mus der USA aus. Wolfgang Gehrcke erklärte gemeinsam mit der AfD. in diesem Kontext: «Für mich ist Russland Partner im Kampf für den Frieden.» Wolfgang

Grabowski forderte, der Parteivorstand der 225 Ebenda. 226 Der Autor nahm als Gast an der Sitzung des LINKEN müsse sich stärker für bessere Bezie- Ältestenrates am 26. April 2018 teil. Für die Funktion und Arbeitsweise des Rates Parteivorstand bzw. der gesamten Partei zur der Alten bzw. des Ältestenrates der Partei gal- Verfügung gestellt werden konnten»228. Dabei ten und gelten auch heute noch jene Grund- sei der Ältestenrat immer bemüht gewesen, sätze, die Edwin Schwertner 2003 als Selbst- erklärte der Rat in seinem Bericht an die 2. Ta- verständnis des Rates formulierte: Erstens. gung des 4. Parteitages der Partei DIE LINKE Die Arbeit des Rates basiert auf dem Grund- im Mai 2014, anstehende Probleme in der konsens des Außerordentlichen Parteitages Entwicklung und der Arbeit der Partei aufzu- der SED/PDS vom Dezember 1989 und bein- greifen und zu deren Bewältigung konstruktiv haltet damit das Ziel eines demokratischen So- beizutragen, auch dann, wenn sie vom Partei- zialismus und die Absage an alle Inhalte und vorstand nicht mit der erforderlichen Gründ- Strukturen stalinistischer Politik. Zweitens. lichkeit aufgegriffen wurden und eindeutige Die Partei agiert im politischen System der Beschlüsse bzw. Orientierungen ausgeblie- BRD und vertritt sozialistische Positionen, die ben seien. Wiederholt habe der Ältestenrat auf den Werten soziale Sicherheit, Solidarität auf Widersprüche zwischen der Politik und und Demokratie beruhen und den Frieden zum dem Handeln des Parteivorstandes, der Bun- höchsten Gut der Menschheit erklären. Drit­ destagsfraktion und zum Teil führender Funk- tens. Eine kritische, aber sachliche Haltung zur tionsträger in Bundesländern einerseits und DDR. Viertens. Respektierung der Biografien den Meinungen, dem Denken und praktischen der Ostdeutschen und Vertretung ihrer Inter- Handeln nicht weniger Genoss*innen in den essen. Fünftens. «Konsens im ‹Ältestenrat› ist Kreisen und an der Basis andererseits, hinge- es, dass auf der Basis des Grundgesetzes der wiesen. Zu deren Überwindung beizutragen, BRD noch erfolgreiche und zielstrebige Politik habe der Ältestenrat als seine Aufgabe ange- gemacht werden kann, wenn die Kräfte zielge- sehen.229 richtet eingesetzt werden. Das gilt für die Frie- Hermann Klenner, Mitglied des aktuellen Äl­ dens- und Arbeitsmarktpolitik ebenso wie für testenrates, berichtete, dass es – anders als Bildungs- und Seniorenpolitik.»227 in der Partei – im Ältestenrat, in dem aus den Die Arbeit des Ältestenrates war «dadurch neuen Bundesländern vor allem renommierte gekennzeichnet, dass trotz aller Unterschied- lichkeiten in konstruktiver und gegenseitig 227 Edwin Schwertner: Dem Grundkonsens der PDS verpflich- verständnisvoller Diskussion gemeinsame tet, a.a.O., S. 35. 228 Bericht des Ältestenrates an die 2. Tagung Standpunkte / Positionen erarbeitet und dem des 4. Parteitages der Partei DIE LINKE, a.a.O. 229 Vgl. ebenda. 82 — 83

Wissenschaftler und aus den alten Bundeslän- mend in das Zentrum der Aufmerksamkeit dern vorwiegend gestandene Gewerkschafter des Ältestenrates der Partei DIE LINKE. Dabei vertreten sind, keine Ost-West-Dissonanzen liegt nach Aussage von Hermann Klenner das gibt. Er stellte vielmehr einen großen Drang Interesse des Ältestenrates auf der Förderung nach Gemeinsamkeit fest. Die Mitglieder neh- der Zusammenarbeit linker Parteien in Europa, men sich in der Regel zurück, um tragfähige auf der Unterstützung der Gemeinsamkeiten Kompromisse zu ermöglichen, die in die ge- und darauf, bestehende Gräben nicht zu ver- meinsamen Erklärungen und Stellungnahmen tiefen, sondern zu überwinden.232 Generell des Rates einfließen.230 gilt wohl für das Verhältnis von Rat der Alten Ursprünglich gedacht als Beratungsorgan des bzw. Ältestenrat und Parteispitze, was Thomas Parteivorsitzenden und des Parteivorstandes Falkner, der mehrfach im Auftrag von Lothar der PDS, mutierte der Rat der Alten immer Bisky anlässlich von Programmdebatten und mehr zum Mahner der Partei und ihrer Füh- der Vorbereitung von Bundesparteitagen an rung. Eine ähnliche Funktion übernahm auch den Treffen des Rates teilgenommen oder mit der Ältestenrat der Partei DIE LINKE, indem er Hans Modrow konferiert hatte, in die Worte den Parteiformierungsprozess kritisch beglei- fasste: «Die Kooperation war nicht konfliktfrei, tete und mit Erklärungen und Stellungnahmen aber immer konsensorientiert und konsensfä- in die innerparteilichen Kontroversen eingriff. hig und vor allem im Ergebnis absolut verläss- Wie Hermann Klenner hervorhob, verortete lich.»233 sich der Rat immer links von der offiziellen Par- teilinie, was besonders prägnant in seiner sehr kritischen Haltung zur Beteiligung der Partei an Landesregierungen und in seiner Ablehnung einer Beteiligung derselben auf Bundesebene zum Ausdruck kam und kommt.231 Da heute nahezu alle Politikfelder auf natio- naler Ebene mit jenen auf der europäischen Ebene untrennbar verwoben sind, dies aber in der praktischen Tagespolitik von der Parteifüh- 230 Vgl. Gespräch des Autors mit Hermann Klenner am 4. April rung ignoriert oder unterschätzt wird, rückte 2018 in Berlin. 231 Vgl. ebenda. 232 Vgl. ebenda. 233 E-Mail in den letzten Jahren die Europapolitik zuneh- von Thomas Falkner vom 27. März 2018 an den Autor. ZEIT TAFEL 234

234 Die Zeittafel basiert bis 1997 auf: Von den Anfängen. Eine il- lustrierte Chronik der PDS. 1989–1994, a.a.O., S. 12, 16, 191, 197, 210, 233, 247 und 255; Chronik der PDS. 1989 bis 1997, a.a.O., S. 224/225 und 239; ADS, PDS-PV - 324, Bl. 75/76; ADS, Bestand Parteivorstand der PDS (1993 bis 2007), Alt-Sign. 2003-XII-245; DIE LINKE.PDS: Dokumente des Ältestenrates und seiner Mit- glieder. URL: http://archiv2007.sozialisten.de/partei/strukturen/ aeltestenrat/dokumente/index.htm (abgerufen am 13.02.2018); DIE LINKE.: Der Ältestenrat der Partei DIE LINKE, a.a.O. 84 — 85

1992

27. MÄRZ 1990 Die Mitglieder des Rates der Alten treffen sich mit 12. JANUAR der stellvertretenden Vor- Konstituierung eines sitzenden der Gruppe der «Beirates der Alten PDS/Linke Liste im Bun- beim Parteivorstand» 1991 destag, Andrea Lederer, der SED/PDS zur Diskussion über die ENDE NOVEMBER/ parlamentarische Arbeit 23. JULI ANFANG DEZEMBER der PDS. Das Präsidium des Par- Erklärung des Rates der 1989 teivorstandes der PDS Alten: Wir brauchen 14. SEPTEMBER beschließt Vorschläge Meinungsvielfalt und Der Rat der Alten 16. DEZEMBER für eine effektivere gemeinsames Handeln ­debattiert mit Gregor Der Außerordentliche Gestaltung der Tätigkeit Gysi insbesondere über Parteitag der SED/PDS des Rates der Alten. ein neues Programm der beschließt die Bildung Partei, über die Haltung eines Rates der Alten zur SPD, über die Ergeb- beim Parteivorstand. nisse des Einigungspro- zesses und über die Asyl- und Flüchtlingspolitik. 1994

31. JANUAR Auf seiner Tagung be- 17. DEZEMBER fasst sich der Parteivor- 16. MAI Der Rat der Alten berät stand der PDS u. a. mit Der Rat der Alten disku- über die «10 Thesen zum 1993 der weiteren Tätigkeit tiert das Thema «Plura­ weiteren Weg der PDS», des Rates der Alten. lismus und Toleranz» deren Veröffentlichung 14. JUNI als Grundbedingung für der Parteivorstand der Der Rat der Alten trifft 25. FEBRUAR die weitere Entwicklung PDS am 28. November sich mit Wolfgang Der Rat der Alten berät der PDS. 1994 entschieden hat, und Gehrcke, dem stellver- in Berlin über seine empfiehlt dem Gremium, tretenden PDS-Bundes- weitere Arbeit. 23. SEPTEMBER auf eine Beschlussfassung vorsitzenden, und Hans Mitglieder des Rates der zu dem Dokument auf dem Modrow, dem Ehren- Alten beschweren sich bevorstehenden Parteitag vorsitzenden der Partei, beim Bundespräsidenten zu verzichten. um die generelle Frage darüber, dass sie als «Wie weiter mit dem «rotlackierte Faschisten» Rat?» zu diskutieren. beleidigt wurden. 86 — 87

1996 1995 29. MÄRZ Der Rat der Alten debat- 27. JANUAR tiert Probleme der Ver- In einer Meinungsäu- einigung von KPD und ßerung zur Diskussion 3. MÄRZ SPD zur SED 1946. in der PDS charakteri- Der Rat der Alten nimmt sierte das Mitglied des zu den Ergebnissen der 16. SEPTEMBER Rates der Alten Karl 1. Tagung des 4. Parteita- Der Rat der Alten nimmt Schirdewan den Links- ges der PDS Stellung und Stellung zu Versuchen radikalismus als das bekundet dem neuen Vor- 18. DEZEMBER politischer Gegner, die entscheidende Problem stand seine Unterstützung. Der Rat der Alten erörtert PDS als undemokratisch auch in der Geschichte die Notwendigkeit einer und nicht verfassungs- der SED. 21. MÄRZ Strategiedebatte in der konform zu diskriminie- Mitglieder des Rates der PDS, ihr Ziel und die Me- ren, sie zu spalten und Alten, des Parteivorstan- thoden, wobei die Politik auszuschalten, sowie des, der Bundestags- gegenüber der SPD eine zu aktuellen Fragen gruppe und Vertreter der zentrale Rolle spielt. der PDS-Politik, AG Seniorenpolitik beraten insbesondere zur über weitere Aktivitäten Strategie-Debatte. der PDS gegen das Ren- tenstrafrecht. 1997

11. APRIL Lothar Bisky, der Bundesvorsitzende der PDS, informiert den Rat der Alten über die Lage 1999 in der Partei und diskutiert die Situation mit den Ratsmitgliedern. 21. MAI 1998 Der Rat der Alten unter- 13. JUNI Dietmar Bartsch, der Bundesgeschäfts- streicht seine Unterstüt- führer der PDS, informiert den Rat der Alten über MÄRZ zung für die Ablehnung die Arbeit des Bundesvorstandes seit dem Der Rat der Alten des Einsatzes deutscher Schweriner Parteitag. positioniert sich zum Soldaten auf dem Balkan Wahlprogramm der PDS durch die PDS-Fraktion 12. SEPTEMBER Der Wahlkampfleiter der PDS, für die Bundestagswahl im Bundestag im März André Brie, referiert zum Thema «Die PDS in den im Herbst 1998. 1999 und stimmt dem Wahlen 1998/99» und stellt sich der Diskussion Friedensplan der PDS mit den Ratsmitgliedern. SEPTEMBER vom 5. April 1999 zu. Der Rat der Alten 5. DEZEMBER Der Rat der Alten befasst sich ruft dazu auf, bei der in Vorbereitung auf das Doppeljubiläum 50 Jahre Bundestagswahl für Gründung der BRD und 50 Jahre Gründung der DDR die Kandidatinnen und im Jahr 1999 mit der Volkskongressbewegung Kandidaten der PDS zu für Einheit und gerechten Frieden der Jahre 1947 stimmen. bis 1949. 88 — 89 2001 27. SEPTEMBER 27. APRIL Nach dem Debakel bei der Sitzung des Rates der Bundestagswahl 2002 2000 Alten mit der neuen Par- und vor dem Geraer Par- teivorsitzenden Gabriele 2002 teitag der PDS fordert der MÄRZ Zimmer. Umbenennung Ältestenrat in einem Brief Der Rat der Alten fordert des Rates der Alten in 4. JULI an den Parteivorstand der in einer Stellungnahme, Ältestenrat. Die PDS-Vor- Der Ältestenrat befasst PDS ein «unverwechsel­ Schluss zu machen mit sitzende Gabriele Zimmer sich mit dem Beschluss bares sozialistisches gegenseitigen Verun- beruft die Mitglieder des der 2. Parteikonferenz Profil» ein. glimpfungen und sich Ältestenrates der PDS. der SED über den Auf- auf die sozialistischen bau der Grundlagen des 18. OKTOBER Inhalte der Politik der 13. SEPTEMBER Sozialismus in der DDR. Nach dem Geraer Parteitag PDS zu besinnen. Der Ältestenrat verurteilt der PDS veröffentlichen ganz entschieden die 12. SEPTEMBER die Sprecher des Ältesten­ Terroranschläge gegen Zur Bundestagswahl im rates der PDS die Erklä- die USA. Herbst 2002 veröffent- rung «Gera bietet Chance lichen die Sprecher*in- für eine reale Erneuerung 9. NOVEMBER nen des Ältestenrates der Partei». Der Ältestenrat würdigt der PDS den Wahlaufruf den Dresdener Parteitag «Eine starke PDS-Frak- der PDS als wichtigen tion verhindert einen Schritt zur Konsolidie- Kanzler Stoiber». rung der Partei. 2005

2. NOVEMBER 10. JUNI In einem Positionspa- 2006 Der Ältestenrat der PDS pier befürworten die beschäftigt sich gemein- Mitglieder des Ältes­ 24. FEBRUAR sam mit Gabriele Zimmer tenrats grundsätzlich Der Ältestenrat berät 2003 und Lothar Bisky mit der den geplanten Vereini- mit Bundesgeschäfts- Vorbereitung der außer- gungsprozess von Links­ führer Dietmar Bartsch 14. JANUAR ordentlichen Tagung des partei.PDS und WASG. über die Vorbereitung Der Ältestenrat berät 8. Parteitages und mit der des 10. Parteitages der mit der PDS-Vorsitzen- seit der Bundestagswahl 10./11. DEZEMBER Linkspartei.PDS in Halle den Gabriele Zimmer anhaltende Krisensitua- Der Dresdener Parteitag (Saale) und über den und bringt anschließend tion der PDS. beschließt, dass das Verlauf des angestreb- in einem Brief der Rats- «Positionspapier des ten Vereinigungsprozes- sprecher an den Partei- 4. SEPTEMBER ­Ältestenrates» vom ses mit der WASG. vorstand seine Unter- Der PDS-Vorsitzende 2. November 2005 in stützung für die Position Lothar Bisky beruft 24 die inhaltliche Weiter- 28. NOVEMBER der Parteivorsitzenden Mitglieder in den neuen führung des Parteibil- In einer Stellungnahme zum Ausdruck. Ältestenrat der PDS und dungsprozesses von des Ältestenrates der erörterte mit den Mitglie- Linkspartei.PDS und Linkspartei. PDS fordert dern des Rates den neuen WASG mit einzube­ er für die neue Partei Entwurf des Parteipro- ziehen sei. DIE LINKE ein klares gramms. politisches Profil als sozialistische Partei. 90 —91

2008

5. FEBRUAR Der Ältestenrat unterbreitet ein Angebot zum Fortgang der Programmdebatte der Partei DIE LINKE. Der Ältestenrat verurteilt zudem die unter Stalin begangenen Verbrechen einmütig, 2007 hält aber die Inschrift «Den Opfern des Stalinismus» auf dem Gedenkstein auf dem Friedhof der Sozialisten 6. MÄRZ In einer Botschaft des Ältestenrates in Berlin-Friedrichsfelde für beliebig auslegbar der Linkspartei.PDS an die Delegierten des damals und irreführend. bevorstehenden Dortmunder Parteitages brachten die Mitglieder des Rates ihre uneingeschränkte 16. JULI Der Ältestenrat meldet sich erneut in Unterstützung für die Bemühungen zur Herausbildung der Programmdebatte der Partei DIE LINKE mit einer einer einflussreichen gesamtdeutschen Partei der Erklärung zum Umgang mit der Geschichte zu Wort. Linken zum Ausdruck, die sich den historisch gewachsenen und bewährten Ideen des Sozialismus 25. SEPTEMBER Der Ältestenrat tritt mit dem verpflichtet sieht. Diskussionspapier «Das schwedische Modell und die programmatische Arbeit in der Linken» an 12. DEZEMBER Konstituierung des Ältestenrates die Öffentlichkeit. der Partei DIE LINKE 2009 19. FEBRUAR 2010 Der Ältestenrat äußert sich in einem Positions- 18. JANUAR Im Rahmen der Programmdebatte papier zum künftigen 30. JUNI der Partei DIE LINKE befasst sich der Ältestenrat mit Profil der Partei DIE Der Ältestenrat begrüßt Fragen des Sozialismus im 21. Jahrhundert und mit LINKE und zu ihrem die Ergebnisse des Bun- realen gesellschaftlichen Prozessen zu linken Platz in der bundesdeut- destagswahl-Parteitages Alternativen in der Gegenwart. schen Gesellschaft. der LINKEN 2009 und hält es für zweckmäßig, einen 23. JANUAR Angesichts der öffentlich geführten 2. APRIL auf die Hauptforderungen Personaldebatte in der LINKEN äußert der Ältestenrat Der Ältestenrat der Par- orientierenden Wahlkampf seine große Sorge über die Situation in der Partei. tei DIE LINKE berät mit zu führen. der Landtagsfraktion der 2. SEPTEMBER Der Ältestenrat plädiert in einer Partei in Niedersachsen 1. OKTOBER Erklärung für eine konstruktive Programmdebatte und veröffentlicht die Der Ältestenrat berät zu und für «ein antikapitalistisches, ein sozialistisches Erklärung «Die aktuelle Fragen der Jugendpolitik Profil der Partei DIE LINKE». Weltwirtschaftskrise der Partei DIE LINKE und weitet sich zu einer kritisiert, dass Jugendpo- 30. NOVEMBER Der Ältestenrat diskutiert Positionen Systemkrise aus». litik in der Politik der Partei zu Staat und Rechtsordnung im Entwurf des Partei­ nur eine untergeordnete programms der LINKEN vom 23. März 2010. Rolle spiele. 92 —93

11. OKTOBER Der Ältestenrat fordert in einem Brief an die 28. APRIL Delegierten der 2. Tagung Der Ältestenrat schätzt des 2. Parteitages der im Rahmen der Programm­ LINKEN in Erfurt von allen diskussion die interna­tio­ Mitgliedern und Gruppen 2011 nale Lage ein und formu- innerhalb der Partei, die liert Her­ausforderungen mit der Verabschiedung 20. JANUAR für die Partei DIE LINKE des Programms gegebene 15. DEZEMBER In der Erklärung als interna­tionalistische strategische Orientierung Der Ältestenrat beschließt «Der Sozialismus ist Partei. als Grundlage für die eine Satzung des Rates, im 21. Jahrhundert praktische politische die in der Sitzung des Ge- Anspruch unserer Zeit» 5. MAI Arbeit anzuerkennen schäftsführenden Partei- setzt sich der Ältesten­ Der Ältestenrat richtet und zu praktizieren. vorstandes am 21. Januar rat mit «hysterischen einen Offenen Brief an die 2012 bestätigt wird. Reaktionen» auf den Mitglieder der LINKEN und 21. BIS 23. OKTOBER Der Rat würdigt die Verab- Artikel der Parteivorsit- bringt seine Sorgen um die Verankerung des Ältesten­ schiedung des Parteipro- zenden Gesine Lötzsch Partei zum Ausdruck. rates in der Satzung der gramms als eine wichtige über «Wege zum Partei DIE LINKE im Artikel Etappe in der Entwicklung Kommunismus» 20, Absatz 7, durch den der Partei und verlangt ein auseinander. Erfurter Parteitag. durchdachtes Konzept zur politischen Bildung. 8. AUGUST Der Ältestenrat beschäftigt sich erneut mit dem 2013 Wahlkampf zur Bundes­ tagswahl und mit der Frage, 2012 7. MÄRZ wie DIE LINKE dafür Der Ältestenrat befasst gewappnet sei. 10. MAI In einem Brief appelliert der Ältestenrat an sich mit der Niederlage die Delegierten der 1. Tagung des 3. Parteitages der der Partei DIE LINKE 10. OKTOBER Partei DIE LINKE in Göttingen, die Chance, mit dem bei der Landtagswahl Der Ältestenrat wertet die neuen Erfurter Programm einen Wechsel der Politik in Niedersachsen im Bundestagswahl vom Sep- zu erkämpfen, nicht zu verspielen. Januar 2013. tember 2013 aus und lenkt den Blick auf die Hauptauf- 28. JUNI Der Ältestenrat berät mit Katja Kipping 7. MAI gaben des Wirkens der LIN- über die Ergebnisse des Parteitages in Göttingen und Der Ältestenrat be- KEN in den nächsten Jahren. will weiterhin dazu beitragen, dass die politischen schäftigt sich mit dem Ausein­andersetzungen in solidarischer Atmosphäre Thema «Mitregieren – 19. DEZEMBER ausgetragen werden. ein Lernprozess für die Der Ältestenrat befasst sich Linke?» und verständigt mit dem Madrider Kongress 6. SEPTEMBER Der Ältestenrat beschäftigt sich ge- sich mit Blick auf die der Europäischen Linken (EL) meinsam mit Bundesgeschäftsführer Matthias Höhn mit bevorstehenden Bun- und empfiehlt, den für den der Arbeit der Partei seit dem Göttinger Parteitag und destagswahlen über die Hamburger Parteitag vorge- berät über die Vorbereitung der Bundestagswahl 2013. aktuelle Situation in der legten Entwurf des Europa- Partei vor dem Dresdner Wahlprogramms hinsichtlich 13. DEZEMBER Der Ältestenrat berät über die Parteitag. der Kompatibilität mit den Entwicklung der Partei DIE LINKE seit dem Göttinger Positionen der EL grundsätz- Parteitag und über die Wahlen 2013. lich zu überprüfen. 94 —95

12. JUNI Der Ältestenrat wertet die 2015 Europawahlen aus, berät über die Ergebnisse des 26. MÄRZ Berliner Parteitages und Der Ältestenrat debat- 2014 verlangt, die politische tiert die Vorbereitung Rolle der LINKEN in der des Parteitages der LIN- 15. OKTOBER 6. MÄRZ Gesellschaft zu klären. KEN am 6./7. Juni 2015 Der Ältestenrat tagt zur Der Ältestenrat berät in Bielefeld. Vorbereitung der neuen mit dem Ko-Parteivorsit- 4. SEPTEMBER Berufung des Rates durch zenden Bernd Riexinger Der Ältestenrat der Partei 5. JULI den Parteivorstand. über das Arbeits- und DIE LINKE befasst sich er- Der Ältestenrat kritisiert Diskussionspapier neut mit den Ergebnissen Verlauf und Ergebnisse 24. OKTOBER «Verankern, verbreiten, der Wahlen zum Europäi- des Bielefelder Parteita- Der Parteivorstand beruft verbinden: Projekt schen Parlament. ges der LINKEN. den Ältestenrat neu. ­Parteientwicklung». 4. DEZEMBER 9. JULI 26. NOVEMBER 9. BIS 11. MAI Der Ältestenrat diskutiert Der Ältestenrat beschäf- Neukonstituierung Auf dem Berliner Partei- sein Selbstverständnis tigt sich erneut mit der des Ältestenrates. tag gibt der Ältestenrat, und seine Funktion in Auswertung des Biele- der bei der Gründung den Strukturen der Partei felder Parteitages sowie 8. DEZEMBER der Partei DIE LINKE DIE LINKE. mit der Beratung des Der Ältestenrat bilanziert 2007 berufen wurde, Parteivorstandes vom seine Tätigkeit in den sein Mandat zurück, 4. und 5. Juli 2015. Jahren 2007 bis 2015 setzt seine Tätigkeit im Seniorenclub der aber fort. LINKEN in Berlin. 2016 13. OKTOBER 18. FEBRUAR Der Ältestenrat publiziert Der Ältestenrat berät ein Positionspapier zum über grundsätzliche 2017 Ausgang der Bundestags- Fragen von Frieden wahl am 24. September und Sicherheit und 9. MÄRZ 2017 und zu den neuen 2018 über seinen Beitrag zur Der Ältestenrat be- Herausforderungen im Friedenskonferenz der rät gemeinsam mit politisch-gesellschaft­ 6. MÄRZ LINKEN am 19. März Dietmar Bartsch, dem lichen System der BRD. Der Ältestenrat plädiert 2016 in Berlin. Spitzenkandidaten der in einer Erklärung für LINKEN für die Bundes- 23. NOVEMBER eine Erneuerung der 6. OKTOBER tagswahl, über den be- Der Ältestenrat berät Europadiskussion in Der Ältestenrat be- gonnenen Wahlkampf. in Berlin mit Vertretern der Partei DIE LINKE. schäftigt sich mit seinen des Berliner Landesvor- Erwartungen an den 30. MÄRZ standes und der Fraktion 26. APRIL Kongress der Europäi­ Zu den Ostermärschen DIE LINKE. im Berliner Die Parteivorsitzenden schen Linken. 2017 veröffentlicht der Abgeordnetenhaus über Katja Kipping und Bernd Ältestenrat den Aufruf die Situation in der Riexinger beraten mit 1. DEZEMBER «Schluss mit Rüstung Hauptstadt. den Mitgliedern des Veröffentlichung des und Militarisierung – Ältestenrates über die Berichts des Ältesten­ für soziale Aufrüstung». Vorbereitung des Leip- rates zu seiner Tätigkeit ziger Parteitages der im Jahr 2016. LINKEN im Juni 2018. 96 —97 PERSONELLE ZUSAMMEN­ SETZUNG 98 —99

VORSCHLAG FÜR DEN RAT DER ALTEN AUF DEM AUSSERORDENTLICHEN PARTEITAG DER SED/PDS AM 16. DEZEMBER 1989235

Engelberg, Ernst Kuczynski, Jürgen Ruge, Wolfgang Später kamen weitere Fechner, Herbert Leo, Gerhard Schirdewan, Karl Mitglieder hinzu. Geschonneck, Erwin Kohlme y, Gunther Spira, Steffi Hauser, Harald Maetzig, Kurt Trappen, Friedel Als Sekretär des Rates Hermlin, Stephan Mebel, Moritz Werner, Ruth der Alten fungierte Horst Heumann, Benny Mohr, Arno Wolf, Markus Siebeck.236 Janka, Walter Quandt, Bernhard Knorr, Erich Rebling, Eberhard

RAT DER ALTEN DER PDS ANFANG 1991 237

Modrow, Hans (Leiter) Janka, Walter Rosenkranz, Rudolph Hinzugezogen wurden: Berg, Lene Jendretzky, Hans Schirdewan, Karl Höppner, Luise Doernberg, Stefan Knorr, Erich Schmidt-Kolmer, Eva Schmidt, Max Engelberg, Ernst Kuczynski, Jürgen Schwertner, Edwin Streiber, Kurt Fischer, Oskar Kohlmey, Gunther Spira, Steffi Geschonneck, Erwin Maetzig, Kurt Trappen, Friedel Hauser, Harald Mebel, Moritz Werner, Ruth Hermlin, Stephan Quandt, Bernhard Heumann, Benny Rebling, Eberhard

235 Vgl. Außerordentlicher Parteitag der SED/PDS. Protokoll der Beratungen am 8./9. und 16./17. Dezember 1989 in Berlin, a.a.O., S. 173. 236 Vgl. Ehrenvorsitzender der PDS [Hans Modrow]: Vorlage für das Präsidium des Parteivorstandes der PDS. Betr.: Vor- schläge für eine effektivere Gestaltung der Tätigkeit des Rates der Alten, Berlin, 17.7.1990, a.a.O., Bl. 45. 237 Vgl. Beirat der Alten beim Vorsitzenden des Parteivorstandes der PDS. In: ADS, PDS-PV - 341, Bl. 316/317. RAT DER ALTEN DER PDS 1994 238

Die Sprecher des Weitere Mitglieder Hermlin, Stephan Schneider, Horst Rates der Alten: des Rates der Alten: Heumann, Benny Schröder, Eberhard Fischer, Oskar Berg, Lene Junghähnel, Gerhard Schwidtmann, Heinz Mebel, Moritz Doernberg, Stefan Knorr, Erich Sieber, Günter Schwertner, Edwin Engelberg, Ernst Kuczynski, Jürgen Streiber, Kurt Geschonneck, Erwin Lauter, Hans Taut, Heinrich Göbel, Helmut Maetzig, Kurt Trappen, Friedel Graw, Edith Quandt, Bernhard Werner, Ruth Hauser, Harald Rebling, Eberhard Heider, Günther Schirdewan, Karl

RAT DER ALTEN DER PDS IM APRIL 1997 239

Die Sprecher des Weitere Mitglieder Juch, Elfriede (Friedel) Schwidtmann, Heinz Rates der Alten: des Rates der Alten: Junghähnel, Gerhard Sieber, Günter Fischer, Oskar Berg, Lene Kuczynski, Jürgen Streiber, Kurt Mebel, Moritz Dellheim, Fred Lauter, Hans Trappen, Friedel Schwertner, Edwin Doernberg, Stefan Quandt, Bernhard Wolff, Friedrich Eberlein, Werner Rebling, Eberhard Engelberg, Ernst Schirdewan, Karl Als Sekretär des Rates Graw, Edith Schneider, Horst der Alten fungierte Horst Heider, Günther Schröder, Eberhard Siebeck.

238 Vgl. Edwin Schwertner: Dem Grundkonsens der PDS verpflichtet, a.a.O., S. 34. 239 Vgl. Mitwirkung in Grundsatzdiskussion bleibt wichtige Aufgabe, a.a.O., S. 7; ADS, Bestand Parteivorstand der PDS (1993 bis 2007), Alt-Signatur 2003-XII-245. 100 —101

ÄLTESTENRAT DER PDS, BERUFEN DURCH GABRIELE ZIMMER AM 27. APRIL 2001 240

Die Sprecher Weitere Mitglieder Jacobus, Hans Scheringer, Johann des Ältestenrates:241 des Ältestenrates: Juch, Elfriede (Friedel) Schirdewan, Gisela Doernberg, Stefan Chaker, Ahmed Junghähnel, Gerhard Schwidtmann, Heinz Fischer, Oskar Dellheim, Fred Langbein, Ingrid Siebeck, Horst Schwertner, Edwin Eberlein, Werner Lauter, Hans Sieber, Günter Wolff, Friedrich Engelberg, Ernst Libera, Kurt Sitte, Willi Fritschler, Hans-Dieter Marohn, Heinz Theben, Margot Graw, Edith Moneta, Jacob Tischer, Heinz Hahn, Erich Pötschke, Günter Trappen, Friedel Heider, Günther Putz, Jolanda Wekwerth, Manfred Herrmann, Klaus Rebling, Eberhard

ÄLTESTENRAT DER PDS, BERUFEN DURCH LOTHAR BISKY AM 4. SEPTEMBER 2003 242

Die Sprecher Weitere Mitglieder Heider, Günther Scheringer, Johann des Ältestenrates: des Ältestenrates: Juch, Elfriede (Friedel) Schirdewan, Gisela Doernberg, Stefan Chaker, Ahmed Lauter, Hans Schwertner, Edwin Graw, Edith Czepuk, Harry Libera, Kurt Sieber, Günter Siebeck, Horst Dellheim, Fred Marohn, Heinz Theben, Margot Wolff, Friedrich Fischer, Oskar Neubert, Harald Wekwerth, Manfred Hahn, Erich Pötschke, Günter Halberstadt, Heiner Putz, Jolanda

240 Vgl. Mitglieder des Ältestenrates der PDS. In: PDS-Pressedienst, Berlin, 2001, Nr. 18 (vom 04.05.2001), S. 8. 241 Die Sprecher des Ältestenrates der PDS wurden am 1. Juni 2001 gewählt. Vgl. Ältestenrat wählt Sprecherrat. In: PDS-Pressedienst, Berlin, 2001, Nr. 26 (vom 29.06.2001), S. 4. 242 Vgl. Der Ältestenrat der PDS. In: PDS-Pressedienst, Berlin, 2003, Nr. 37 (vom 12.09.2003), S. 3. ÄLTESTENRAT DER LINKSPARTEI.PDS 2007

Die Sprecher Weitere Mitglieder Lauter, Hans Schwertner, Edwin des Ältestenrates:243 des Ältestenrates:244 Libera, Kurt Theben, Margot Doernberg, Stefan Chaker, Ahmed Marohn, Heinz Wekwerth, Manfred Fischer, Oskar Czepuk, Harry Putz, Jolanda Graw, Edith Hahn, Erich Schäfer, Heinz Neubert, Harald Halberstadt, Heiner Scheringer, Johann Wolff, Friedrich Juch, Elfriede (Friedel) Schirdewan, Gisela

ÄLTESTENRAT DER PARTEI DIE LINKE, BERUFEN AM 24. OKTOBER 2015: 245

Vorsitzender: Mitglieder: Hooge, Dieter Schindler-Saefkow, Bärbel Modrow, Hans Binus, Gretchen Jochimsen, Lukrezia Schirmer, Gregor Bischoff, Joachim Juch, Elfriede Seidl, Anni Stellvertretende Felfe, Edeltraut Klages, Johanna Stamm, Sybille Vorsitzende: Fessen, Friederun Klenner, Hermann Watzek, Hans Emmrich, Christina Halberstadt, Heiner Knake-Werner, Heidi Wilms, Günter Grabowski, Wolfgang Haug, Frigga Mahlow, Bruno Schumm-Garling, Ursula Hensche, Detlef Nowitzki, Evelin

243 Vgl. DIE LINKE.PDS: Der Ältestenrat. URL: http://archiv2007.sozialisten.de/partei/strukturen/aeltestenrat/index.htm (abgerufen am 13.02.2018). 244 Vgl. DIE LINKE.PDS: Die Mitglieder des Ältestenrates der PDS. URL: http://archiv2007.sozialisten.de/partei/strukturen/ aeltestenrat/mitglieder.htm (abgerufen am 13.02.2018). 245 Vgl. DIE LINKE.: Der Ältestenrat der Partei DIE LINKE, a.a.O. 102 —103 BIOGRAFISCHE SKIZZEN 104 —105

DOERNBERG, STEFAN246

Stefan Doernberg wurde am 21. Juni 1924 in schen Militär-Administration in Mecklenburg Berlin in einem jüdischen bürgerlichen Eltern- als Referent und Dolmetscher von General haus geboren. Sein Vater – ein Ingenieur – war Michail Alexandrowitsch Skossyrew tätig. politisch zunächst in der Unabhängigen Sozi­ 1946 bis 1950 wirkte er als außenpolitischer aldemokratischen Partei Deutschlands (USPD) Redakteur der Zeitung «Tägliche Rundschau». und dann in der Kommunistischen Partei Von 1950 bis 1955 arbeitete er als Redakteur Deutschlands (KPD) aktiv. 1935 emigrierte Ste- der deutschsprachigen Ausgabe der Mos- fan Doernberg mit seinen Eltern in die Sowjet- kauer Zeitschrift «Sowjetliteratur» und als union. Dort trat er 1939 dem Kommunistischen Redakteur beim Moskauer Rundfunk. 1947 Jugendverband Deutschlands (KJVD) bei, 1941 bis 1951 absolvierte er ein Fernstudium der dem Komsomol und 1943 der KPD. 1941 legte Geschichte an der Lomonossow-Universität in Stefan Doernberg in Moskau das Abitur ab. Am Moskau. Tag des Überfalls des faschistischen Deutsch- Von 1955 bis 1961 lehrte Stefan Doernberg land auf die UdSSR, am 22. Juni 1941, meldete als Dozent und stellvertretender Lehrstuhllei- er sich freiwillig zur Roten Armee und kam im ter für Allgemeine Geschichte und internatio- Juli 1941 zu Pionierarbeiten in den Raum Smo- lensk. 1942 wurde er in einem sowjetischen Arbeitslager in Nishni Tagil im Ural interniert. 246 Angaben nach: Helmut Müller-Enbergs, Jan Wielgohs, 1942/43 besuchte er einen Lehrgang an der Dieter Hoffmann, Andreas Herbst, Ingrid Kirschey-Feix (Hrsg.): Wer war wer in der DDR? Ein Lexikon ostdeutscher Biographien, Schule der Kommunistischen Internationale in Bd. 1, A – L, Berlin 2010, S. 242/243; http://de.wikipedia.org/ Kuschnarenkowo. Ab 1943 war Doernberg als wiki/Stefan_Doernberg (Stand: 11.07.2011); Gottfried Hama- Leutnant der Roten Armee wieder an der Front cher unter Mitarbeit von André Lohmar, Herbert Mayer, Gün- ter Wehner und Harald Wittstock: Gegen Hitler. Deutsche in und als Politoffizier mit Propaganda-Tätigkeit der Résistance, in den Streitkräften der Antihitlerkoalition und gegenüber der deutschen Wehrmacht beauf- der Bewegung »Freies Deutschland«. Kurzbiografien, Hrsg.: tragt. Er nahm mit der 8. Garde-Armee an der Rosa-Luxemburg-Stiftung (Reihe: Manuskripte, Bd. 53), Berlin 2005, S. 46; Harald Neubert: Laudatio für Stefan Doernberg. In: Befreiung der Ukraine, Belorusslands und Po- Helsinki 1975. Genutzte Möglichkeiten und verpasste Chancen. lens und an der Schlacht um Berlin teil. Beiträge einer Wissenschaftlichen Konferenz zu Ehren von Prof. Dr. Stefan Doernberg anlässlich seines 75. Geburtstages, Berlin Nach seiner Rückkehr nach Deutschland war 2000, S. 5–9; Hans Modrow (Hrsg.): Zeiten und Zäsuren. Stefan Stefan Doernberg 1945/46 bei der Sowjeti- Doernberg zum 85. Geburtstag, Berlin 2009. nale Arbeiterbewegung am Institut für Gesell- Sektion der Kommission der Historiker der schaftswissenschaften beim Zentralkomitee DDR und der UdSSR und ab 1964 als Vor- der SED (IfG). 1959 wurde er mit der Arbeit sitzender der DDR-Sektion der Forschungs- «Der Kampf um die ökonomische Entmach- einrichtungen der DDR, der ČSSR, Polens, tung des deutschen Imperialismus auf dem Ungarns und der UdSSR zu Fragen der eu- Gebiet der Deutschen Demokratischen Re- ropäischen Sicherheit. 1963 wurde er zum publik und seine Bedeutung im Rahmen der Professor für Geschichte der deutschen und antifaschistisch-demokratischen Umwälzung internationalen Arbeiterbewegung am IfG (1945–1948)» zum Dr. phil. promoviert, einer berufen, eine Aufgabe, die er nebenamtlich Arbeit, die im gleichen Jahr unter dem Titel wahrnahm. 1966 wurde dem international «Die Geburt eines neuen Deutschland. 1945– anerkannten Forscher auf dem Gebiet der 1949. Die antifaschistisch-demokratische Zeitgeschichte der akademische Grad eines Umwälzung und die Entstehung der DDR» in Doktors der Geschichtswissenschaften der Berlin publiziert wurde. 1961/62 wirkte Doern- Akademie der Wissenschaften der UdSSR berg als stellvertretender Leiter des Deutschen (Dr. sc.) verliehen. Instituts für Zeitgeschichte (DIZ) und von 1962 Von 1971 bis 1978 wirkte Doernberg als Ge- bis 1971 als Direktor des DIZ. Nach dem Zu- neralsekretär des DDR-Komitees für Europäi- sammenschluss des DIZ mit dem Deutschen sche Sicherheit und Zusammenarbeit und von Wirtschaftsinstitut und dem Staatssekretariat 1978 bis 1982 als Vizepräsident dieses Komi- für westdeutsche Fragen zum Institut für Inter- tees. Von 1987 bis 1990 war er Präsident des nationale Politik und Wirtschaft (IPW) arbeitete DDR-Komitees für Europäische Sicherheit und er von 1971 bis 1977 als stellvertretender Di- Zusammenarbeit. 1979 wurde Stefan Doern- rektor des neuen Instituts. Von 1977 bis 1982 berg zum Vorsitzenden des Rates für For- übte er die Funktion des Direktors des Instituts schungen zur Internationalen Politik ernannt. für internationale Beziehungen an der Akade- Doernberg war auch Mitglied des Friedensra- mie für Staat und Recht in Potsdam aus. 1983 tes der DDR. wurde Stefan Doernberg als Botschafter der Stefan Doernberg war Mitglied der SED und DDR nach Finnland entsandt, wo er bis 1987 ab 1990 Mitglied der PDS. Ab 1991 war er Mit- tätig war. glied und dann einer der Sprecher des Rates Von 1957 bis 1962 fungierte Doernberg als der Alten bzw. des Ältestenrates der PDS und wissenschaftlicher Sekretär der deutschen nach der Vereinigung von PDS und WASG zur 106 —107

Partei DIE LINKE stellvertretender Vorsitzender wegung «Freies Deutschland» e.V. (DRAFD). Er des Ältestenrates der neuen Partei. Doernberg war seit der ersten Hälfte der 1990er Jahre Mit- kandidierte für die PDS zur Volkskammerwahl glied des Vorstandes und ab 2008 Vorsitzender im März 1990 und zur Bundestagswahl im De- des DRAFD. Darüber hinaus arbeitete er von zember 1990. 1992 an in der Alternativen Enquete-Kommis- Von 1990 an wirkte Stefan Doernberg im Deut- sion «Deutsche Zeitgeschichte» mit. schen Komitee für europäische Sicherheit und Stefan Doernberg starb am 3. Mai 2010 in Ber- Zusammenarbeit bis zur Auflösung dieses Ko- lin – kurz vor seiner geplanten Abreise nach mitees im Jahr 2000. 1992 gehörte Prof. Dr. Moskau, wo er auf Einladung der russischen Doernberg zu den Gründungsmitgliedern des Regierung an den Feiern zum 65. Jahrestag Verbandes Deutscher in der Résistance, in den des Sieges über das faschistische Deutschland Streitkräften der Antihitlerkoalition und der Be­ teilnehmen wollte.

HOOGE, DIETER247

Dieter Hooge wurde am 26. November 1943 werk Hessen. Von 1981 bis 1983 arbeitete er in Ostbevern im Münsterland geboren. 1957 als Landesgeschäftsführer der Gewerkschaft begann er eine Lehre als Maschinenschlosser Erziehung und Wissenschaft (GEW). Von bei der Firma Windmöller & Hölscher in Len- 1983 bis 1991 wirkte Hooge als Sekretär der gerich in Westfalen. Dieter Hooge trat 1959 in die IG Metall ein. 1966/67 besuchte er die Akademie der Arbeit in Frankfurt am Main. Da- 247 Die biographische Skizze wurde am 26. April 2018 mit Die- ter Hooge abgestimmt, und seine Ergänzungen wurden einge- nach war er von 1967 bis 1969 als Mitarbeiter arbeitet. – Vgl. zu den biographischen Angaben auch Andreas der DGB-Bundesschule Bad Kreuznach tätig. M. Vollmer: Arbeit & soziale Gerechtigkeit – Die Wahlalternative Anschließend arbeitete er als Jugendbildungs- (WASG), a.a.O., S. 315/316; Michael Flörsheimer: (K)eine neue Partei. Zur Entwicklung der Partei Die Linke. URL: http://www. referent beim DGB Hessen. Von 1972 bis 1978 links-netz.de/K_texte/K_floersheimer_dielinke.html (abgerufen war Dieter Hooge Landesjugendsekretär beim am 20.04.2018); Die Linken. Der Haudegen Dieter Hooge. In: FrankfurterRundschau.de, Frankfurt am Main, 08.01.2009. DGB Hessen. Danach wirkte er als Referent URL: http://www.fr.de/rhein-main/die-linken-der-haudegen-die- für Erwachsenenbildung beim DGB-Bildungs- ter-hooge-a-1126146 (abgerufen am 20.04.2018). Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport der neuen Partei DIE LINKE für die Landtags- und Verkehr (ÖTV) in Frankfurt am Main und wahl in Hessen 2008, obwohl er vom kommis- von 1991 bis 1995 als DGB-Vorsitzender in sarischen Landesvorstand für Platz eins no- dieser Metropole. Höhepunkt seiner berufli- miniert worden war. Er verzichtete daraufhin chen Laufbahn war von 1995 bis 2002 seine auf weitere Kandidaturen zur Landesliste der Tätigkeit als Landesvorsitzender des DGB in Partei. Ungeachtet dessen trat Hooge jedoch Hessen. im Wahlkreis Frankfurt/Main-Süd als Kandidat 2004 trat Dieter Hooge wegen der Agenda der LINKEN zur Landtagswahl 2008 an. Ein 2010 der rot-grünen Schröder/Fischer-Regie- Jahr später scheiterte Andrea Ypsilanti (SPD) rung nach 40 Jahren Mitgliedschaft aus der als Ministerpräsidentin in Hessen, und es kam SPD aus und gehörte zu den Mitbegründern Anfang 2009 zu Neuwahlen. Hooge kandi- der WASG in Hessen. Zunächst im Frühjahr dierte erneut im Wahlkreis Frankfurt/Main- 2004 an der Gründung der «Initiative Arbeit Süd und wurde dadurch zu einem beachteten und soziale Gerechtigkeit» in Hessen betei- politischen Gewicht der Partei in der Stadt. Im ligt, war er im Juli 2004 Gründungsmitglied Wahlkampf zur Bundestagswahl 2009 enga- des Vereins WASG auf Bundesebene. Bis zum gierte sich Hooge für DIE LINKE und setzte da- Zusammenschluss der WASG mit der Links- bei vor allem auf die Themen Arbeit und soziale partei.PDS im Juni 2007 wirkte Dieter Hooge Gerechtigkeit sowie auf den Kampf gegen die als Mitglied des geschäftsführenden Landes- Privatisierung von Wohnungsgesellschaften. vorstandes der WASG Hessen. Danach war Dieter Hooge wurde in seinem politischen er noch einige Jahre als Landesvorstandsmit- Leben zweimal in Bundesversammlungen glied der LINKEN in Hessen tätig. Seit 2013 ist zur Wahl des Bundespräsidenten delegiert – er Mitglied im Ältestenrat der Partei DIE LINKE. 1999 von der hessischen SPD in die 11. und Im August 2007 unterlag Dieter Hooge über- 2010 von der Partei DIE LINKE in Hessen in die raschend bei der Wahl zum Spitzenkandidaten 14. Bundesversammlung. 108 —109

KNAKE-WERNER, HEIDI248

Heidi Knake-Werner wurde am 5. März 1943 alpolitik und wurde Mitglied im Präsidium und in Tomaschow (Łódź/Polen) geboren. Nach im Bundesvorstand der PDS. Seit 2007 ist Heidi dem Besuch des Gymnasiums in Wilhelmsha- Knake-Werner Mitglied der Partei DIE LINKE. ven, das sie 1964 mit dem Abitur abschloss, Von 1994 bis zum 17. Februar 2002 war Heidi studierte sie an der Universität Göttingen und Knake-Werner Mitglied des Deutschen Bun- erwarb 1969 einen Abschluss als Diplomsozi- destages, in den sie über die Landesliste der alwirtin. Es folgte eine wissenschaftliche Tätig- PDS Sachsen-Anhalt einzog. In der 13. Wahl- keit an den Universitäten Oldenburg und Bre- periode des Deutschen Bundestages wirkte sie men. Heidi Knake-Werner wurde dann an der als Mitglied im Ausschuss für Arbeit und Sozia- Universität Oldenburg promoviert. Anschlie- lordnung und als stellvertretendes Mitglied im ßend arbeitete sie als wissenschaftliche Mit- Ausschuss für Gesundheit. Von 1994 bis 1998 arbeiterin im Bereich Familien-, Bildungs- und arbeitete sie als stellvertretende Gruppenvor- Industriesoziologie an der Universität Olden- burg. Ab 1984 war sie als Mitarbeiterin des Be- 248 Angaben nach: ADS, Bestand PDS im Deutschen Bundestag zirksvorstandes Bremen der Deutschen Kom- (13. Wahlperiode) (BT/13. WP) - 001, Bl. 1, 5, 13/14, 31, 39, 265 munistischen Partei (DKP) tätig. 1991 wurde und 299; ADS, Bestand PDS im Deutschen Bundestag (14. Wahl- die Sozialwissenschaftlerin Mitarbeiterin der periode) (BT/14. WP) - 0002, Bl. 45, 62, 130 und 137; Amtliches Handbuch des Deutschen Bundestages, 14. Wahlperiode (Stand: PDS-Gruppe im Deutschen Bundestag. 01. März 2002), hrsg. vom Deutschen Bundestag, bearbeitet von Heidi Knake-Werner engagierte sich seit 1968 der Bundestagsverwaltung, Referat Parlamentsarchiv, Rhein- breitbach 2002, Teil V. Biographische Angaben der Abgeordne- politisch – zunächst von 1970 bis 1981 als Mit- ten, S. 282; Kürschners Volkshandbuch Deutscher Bundestag, glied der SPD. Sie übte zahlreiche Funktionen 14. Wahlperiode (Stand: 16. November 2001), Rheinbreitbach in dieser Partei aus, unter anderem wirkte sie 2001, S. 146; Linke (wieder) im Bundestag. Mit der Rede von Ste- fan Heym, Hrsg.: Bundestagsgruppe PDS, Bonn [1994], S. 13 und von 1972 bis 1976 im Stadtrat von Oldenburg. 30; Abgeordnetenhaus Berlin, 15. Wahlperiode 2001–2006 (Stand: Nach ihrem Austritt aus der SPD war sie von 1. Juni 2003), Rheinbreitbach 2003, S. 114; Abgeordnetenhaus Ber- 1981 bis 1989 Mitglied in der DKP. Seit 1990 lin, 16. Wahlperiode 2006–2011 (Stand: 29. März 2007), Rheinbreit- bach 2007, S. 38; Heidi Knake-Werner geht, Carola Bluhm kommt. engagierte sie sich in der PDS, war Mitbegrün- In: Welt, Berlin, 12.07.2009. URL: https://www.welt.de/politik/ derin der Linke Liste/PDS in Bremen, wurde im deutschland/article4105931/Heidi-Knake-Werner-geht-Carola-Bl- uhm-kommt.html (abgerufen am 10.03.2018); Heidi Knake-Werner. Januar 1991 in den Parteivorstand der PDS ge- In: Wikipedia. Die freie Enzyklopädie. URL: https://de.wikipedia. wählt, war verantwortlich für den Bereich Sozi- org/wiki/Heidi_Knake-Werner (abgerufen am 10.03.2018). sitzende der PDS-Bundestagsgruppe, als Leite- im Arbeitskreis «Gewerkschafts- und Bündnis- rin des Arbeitsbereiches III «Arbeitsmarkt- und politik» der PDS-Fraktion. Sozialpolitik» und als arbeitsmarkt- und sozial- Vom 17. Januar 2002 bis November 2006 ar- politische Sprecherin der PDS im Bundestag. beitete Heidi Knake-Werner als Senatorin für In der 14. Wahlperiode des Deutschen Bun- Gesundheit, Soziales und Verbraucherschutz destages war Heidi Knake-Werner stellver- in Berlin. Vom 23. November 2006 bis 15. Ok- tretende Vorsitzende des Ausschusses für tober 2009 wirkte sie als Senatorin für Integra- Arbeit und Sozialordnung und Vorsitzende tion, Arbeit und Soziales in Berlin. Von Oktober der Deutsch-Portugiesischen Parlamen- 2006 bis 15. April 2007 war sie Mitglied des tariergruppe. Von 1998 bis Oktober 2000 Abgeordnetenhauses von Berlin. Im Oktober wirkte sie als stellvertretende Vorsitzende der 2010 wählte der Landesverband Berlin der PDS-Fraktion, von Oktober 2000 bis Januar Volkssolidarität, ein Wohlfahrtsverband, der 2002 als Parlamentarische Geschäftsführerin 2014 regional 18.500 Mitglieder hatte, Heidi der PDS-Fraktion. Heidi Knake-Werner wirkte Knake-Werner zu seiner Vorsitzenden. Im Ok- als arbeitsmarktpolitische Sprecherin der tober 2014 wurde sie in diesem Amt bestätigt. PDS-Fraktion und war Mitglied in der Arbeits- Seit Oktober 2015 gehört Heidi Knake-Werner gruppe «Arbeit / Soziales / Gesundheit» sowie dem Ältestenrat der Partei DIE LINKE an.

KUCZYNSKI, JÜRGEN249

Jürgen Kuczynski wurde am 17. September 1927 bis 1928 die Forschungsabteilung der 1904 in Elberfeld geboren. Nach dem Gymna- American Federation of Labor. 1929 bis 1934 sium studierte er von 1922 bis 1924 Philoso- phie, Finanzwirtschaft und Statistik in Berlin, Erlangen und Heidelberg und promovierte 249 Angaben nach: Helmut Müller-Enbergs, Jan Wielgohs, Die- 1925 in Erlangen zum Thema «Der ökonomi- ter Hoffmann, Andreas Herbst, Ingrid Kirschey-Feix (Hrsg.): Wer sche Wert». Von 1926 bis 1929 weilte er in war wer in der DDR? A.a.O., Bd. 1, A – L, S. 739/740; Meyers Neues Lexikon. Zweite, völlig neu erarbeitete Auflage in acht- den USA, betrieb Postgraduate Studies an zehn Bänden, Bd. 8, 1974, S. 219; Chronik der PDS. 1989 der Brooking-School Washington und leitete bis 1997, a.a.O., S. 503. 110 —111 wirkte Kuczynski als Mitherausgeber der «Fi- ter der der DDR. 1955 wurde nanzpolitischen Korrespondenz». 1930 trat er Kuczynski Ordentliches Mitglied der Deut- in die KPD ein, arbeitete von 1930 bis 1933 als schen Akademie der Wissenschaften (DAW). Wirtschaftsredakteur der KPD-Zeitung «Rote 1956 bis 1968 fungierte er als Leiter der Ab- Fahne», lehrte an der MASCH und leitete die teilung Wirtschaftsgeschichte des Instituts Abteilung Information in der Reichsleitung der für Geschichte bzw. als Direktor des Instituts RGO. Von 1933 bis 1936 war er an der illega- für Wirtschaftsgeschichte der DAW. Von 1957 len Arbeit in der KPD-Reichsleitung beteiligt. bis 1959 sah er sich Revisionismus-Vorwürfen 1936 emigrierte Jürgen Kuczynski nach Groß- ausgesetzt. Von 1965 bis 1979 war Jürgen Ku- britannien und wirkte bis 1944 als Mitglied czynski Vorsitzender des Nationalkomitees der der KPD-Leitung in England. In dieser Zeit war Wirtschaftshistoriker. 1968 wurde er emeri- er Mitarbeiter in der Redaktion von «Labour tiert. Der auch international hoch angesehene Monthly» und des Deutschen Freiheitssenders Wissenschaftler wurde mit der Ehrendoktor- 29,8. Im Jahr 1939 gehörte er zu den Mitbe- würde der Universitäten Berlin (Humboldt-Uni- gründern des Freien Deutschen Kulturbundes. versität), Dresden (Technische Universität) und Von 1944 bis 1945 war er wissenschaftlicher Halle (Martin-Luther-Universität) bedacht. Er Mitarbeiter des United States Strategic Bom- war seit 1976 auswärtiges Mitglied der Aka- bing Survey und Oberst der US-Armee. demie der Wissenschaften der UdSSR, Fellow Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs der Royal Statistical Society London und zeit- wurde Jürgen Kuczynski 1945 Präsident der weilig Mitglied des Exekutivkomitees der In- Zentralverwaltung für Finanzen. 1946 trat er in ternational Economic History Association. die SED ein. Von 1946 bis 1956 arbeitete er als Jürgen Kuczynski gilt als Nestor der DDR-Ge- ordentlicher Professor an der Universität Berlin schichtswissenschaft. Er hat auf nahezu al- und gründete und leitete das dortige Institut len Gebieten der Geistes- und Sozialwissen- für Wirtschaftsgeschichte. Zeitweise war er schaften publiziert. Seine Bibliographie weist Dekan der Wirtschaftswissenschaftlichen Fa- nahezu 4.000 Publikationen auf. Kuczynski kultät. Von 1949 bis 1952 wirkte er nebenamt- wurde besonders durch zahlreiche wissen- lich als Direktor des Deutschen Wirtschafts- schaftliche Schriften über die Situation der instituts. Von 1947 bis 1950 war er Präsident Arbeiter im Kapitalismus bekannt. Sein Opus der Gesellschaft zum Studium der Kultur der Magnum ist «Die Geschichte der Lage der Ar- Sowjetunion, von 1949 bis 1958 Abgeordne- beiter unter dem Kapitalismus» in 40 Bänden. Weitere Arbeiten erschienen zur Entwicklung cker und seinem Engagement verdankten die des Imperialismus. Erwähnenswert sind ins- Mitarbeiter des von ihm gegründeten Instituts besondere seine «Studien zur Geschichte der für Wirtschaftsgeschichte bis 1989, dass sie Gesellschaftswissenschaften» (zehn Bände) im Gegensatz zu Kollegen an anderen wissen- und zur «Geschichte des Alltags des deut- schaftlichen Einrichtungen relativ frei forschen schen Volkes» (fünf Bände). Zudem war der konnten. Jürgen Kuczynski starb am 6. August Wirtschaftshistoriker journalistisch tätig. Sei- 1997. Er war bis zuletzt im Rat der Alten der nem Einfluss insbesondere auf Erich Hone- PDS aktiv.

MEBEL, MORITZ250

Moritz Mebel wurde am 23. Februar 1923 in tration in Deutschland (SMAD) tätig. Ab 1947 Erfurt geboren. 1932 emigrierte er mit seinen setzte er sein Medizinstudium in Moskau fort Eltern in die UdSSR. In Moskau besuchte er die und schloss es 1951 mit dem Examen am Karl-Liebknecht-Schule, ab 1937 die 118. Mit- Moskauer Medizinischen Institut ab. Von 1951 telschule. 1938 wurde er Mitglied des Komso- bis 1954 arbeitete er als Oberarzt und Chirurg mol. Nachdem Moritz Mebel 1940 das Abitur im Kreiskrankenhaus Keila (Estland). Von 1954 abgelegt hatte, studierte er am 1. Medizini- bis 1958 war Mebel Aspirant am Lehrstuhl für schen Institut in Moskau Medizin. Von Okto- Urologie des Zentralinstituts für Ärztliche Fort- ber 1941 bis 1947 leistete er Militärdienst in bildung in Moskau, wo er 1958 promovierte. der Roten Armee, u. a. als Offizier der Polit-Ab- Im gleichen Jahr übersiedelte Moritz Mebel in teilung der 53. Armee. 1943 erhielt er den so- die DDR und trat in die SED ein. Ab 1958 war er wjetischen Orden Roter Stern und 1944 den als Urologe in verschiedenen Kliniken in Berlin Orden des Vaterländischen Krieges. Von 1943 tätig. Von 1958 bis 1960 fungierte er als As- bis 1958 war Mebel Mitglied der Kommunisti- schen Partei der Sowjetunion (KPdSU). Von 1945 bis 1947 war Moritz Mebel als Offi- 250 Vgl. Helmut Müller-Enbergs, Jan Wielgohs, Dieter Hoff- zier (zuletzt als Oberleutnant) in der Abteilung mann, Andreas Herbst, Ingrid Kirschey-Feix (Hrsg.): Wer war Propaganda der Sowjetischen Militäradminis- wer in der DDR? A.a.O., Bd. 2, M – Z, S. 859. 112 —113 sistent an der Chirurgischen Klinik der Charité orden. Mebel war ab 1971 Kandidat und von der Humboldt-Universität Berlin. In dieser Zeit 1986 bis 1989 Mitglied des Zentralkomitees erhielt er 1959 die Medaille für Kämpfer gegen (ZK) der SED. 1972 erhielt er den Nationalpreis den Faschismus. Von 1960 bis 1962 arbeitete der DDR. 1973 wurde er Korrespondierendes Mebel im Städtischen Hufeland-Krankenhaus. und 1975 Ordentliches Mitglied der Akademie Nachdem er sich 1963 habilitiert hatte, wirkte der Wissenschaften der DDR. 1983 erhielt er er bis 1981 als Chefarzt der Urologischen Kli- die Ehrenspange zum Vaterländischen Ver- nik und Poliklinik des Städtischen Krankenhau- dienstorden und 1988 den Karl-Marx-Orden. ses Berlin-Friedrichshain. Seit Juni 1962 war Von 1983 bis 1990 wirkte er als Vorsitzender Moritz Mebel am Aufbau des ersten Nieren- des Komitees «Ärzte der DDR zur Verhütung transplantationszentrums in der DDR beteiligt. eines Nuklearkrieges», der DDR-Sektion von 1967 führte er in Zusammenarbeit mit den Pro- International Physicians for the Prevention of fessoren Harald Dutz und Otto Prokop die erste Nuclear War. Mebel war Ordentliches Aus- erfolgreiche Nierentransplantation in der DDR wärtiges Mitglied der Akademie der Medizini- durch. Seit 1970 lehrte er als ordentlicher Pro- schen Wissenschaften der UdSSR und ist seit fessor für Urologie an der Humboldt-Universi- 1992 Auswärtiges Mitglied der Russischen tät zu Berlin (Charité). Von 1982 bis 1988 war Akademie der Wissenschaften. Er ist seit 1990 er Chef der Urologischen Klinik der Charité. Mitglied der PDS und war in den 1990er Jah- Von 1967 bis 1971 war Moritz Mebel Mitglied ren einer der drei Sprecher des Rates der Alten der Stadtverordnetenversammlung Berlin. dieser Partei. 1970 erhielt er den Vaterländischen Verdienst­ MODROW, HANS251

Hans Modrow wurde am 27. Januar 1928 in sität zu Berlin promovierte er 1966 zum Dr. rer. Jasenitz (Kreis Ueckermünde) geboren. Nach oec. mit einer Arbeit zu soziologischen Proble- dem Besuch der Volksschule erlernte er von men der Wirtschaftsleitung. 1942 bis 1945 den Beruf eines Maschinen- Von 1961 bis 1967 arbeitete Hans Modrow schlossers. Noch 1945 wurde er zum Volks- als 1. Sekretär der Kreisleitung der SED in sturm eingezogen und geriet in sowjetische Berlin-Köpenick und von 1967 bis 1971 als Kriegsgefangenschaft. Dort besuchte Hans Sekretär für Agitation und Propaganda in der Modrow eine Antifa-Schule. 1949 aus der SED-Bezirksleitung Berlin. Danach war er bis Kriegsgefangenschaft zurückgekehrt, arbei- 1973 als Leiter der Abteilung Agitation des ZK tete er als Maschinenschlosser. Von 1949 bis der SED tätig, dem er von 1958 bis 1967 als 1961 arbeitete Hans Modrow in Brandenburg, Mecklenburg und Berlin in verschiedenen Funktionen in der Freien Deutschen Jugend 251 Vgl. ADS, Bestand PDS-Fraktion in der Volkskammer der (FDJ) und studierte von 1952 bis1953 an der DDR (10. Wahlperiode) (Kurzform: VK/10. WP), Signatur 062, Blatt 210; ADS, Bestand PDS im Deutschen Bundestag (12. Hochschule des Komsomol in Moskau. Von Wahlperiode) (Kurzform: BT/12.WP), Signatur 003, Blatt 184/85, 1953 bis 1961 übte er die Funktionen des 188, 190 –192, 198, 202, 273, 277/78, 281/82, 286/87, 291/92 1. Sekretärs der FDJ-Bezirksleitung Berlin und und 296/97; Christopher Hausmann: Biographisches Handbuch der 10. Volkskammer der DDR (1990), Köln, Weimar, Wien 2000, des Sekretärs des Zentralrats der FDJ aus. Von S. 151; Klaus-J. Holzapfel (Hrsg.): Kürschners Volkshandbuch 1954 bis 1971 war er Mitglied der SED-Be- Deutscher Bundestag. 12. Wahlperiode 1990, 71. Aufl., Stand: 1. November 1993, Rheinbreitbach 1993, S. 173 und 295; Hel- zirksleitung Berlin. Von 1954 bis 1957 absol- mut Müller-Enbergs, Jan Wielgohs, Dieter Hoffmann, Andreas vierte Hans Modrow im Fernstudium die Par- Herbst, Ingrid Kirschey-Feix (Hrsg.): Wer war wer in der DDR? teihochschule «Karl Marx» der Sozialistischen A.a.O., Bd. 2, M – Z, Berlin 2010, S. 895; Das Fischer Lexikon Personen der Gegenwart. Biographien aus Politik, Wirtschaft Einheitspartei Deutschlands (SED) in Berlin und Kultur von 1945 bis heute, Frankfurt am Main 2000, Sp. und schloss das Studium als Diplom-Gesell- 519/520; Von den Anfängen. Eine illustrierte Chronik der PDS. schaftswissenschaftler ab. Von 1959 bis 1961 1989–1994, a.a.O., S. 139; Peter Schindler: Datenhandbuch zur Geschichte des Deutschen Bundestages 1949 bis 1999. Ge- folgte ein externes Studium an der Hochschule samtausgabe in drei Bänden, Baden-Baden 1999, Bd. I, S. 1005, für Ökonomie in Berlin-Karlshorst, das er er- Bd. II, S. 1598, Bd. III, S. 3759, 3802 und 3881; Europäisches Parlament. Abgeordnete. Hans Modrow. URL: http://www.eu- folgreich mit dem Abschluss als Diplom-Wirt- roparl.europa.eu/meps/de/4301/HANS_MODROW_home.html schaftler beendete. An der Humboldt-Univer- (abgerufen am 12.03.2018). 114 —115

Kandidat und von 1967 bis 1989 als Mitglied 1. Februar 1990 unterbreitete er das Konzept angehörte. 1973 wurde Hans Modrow zum «Für Deutschland, einig Vaterland» und bil- 1. Sekretär der Bezirksleitung Dresden der dete am 5. Februar 1990 mit Vertretern vom SED gewählt. Runden Tisch die «Regierung der nationalen In den 1980er Jahren kam es zunehmend zu Verantwortung», die die Amtsgeschäfte bis Meinungsverschiedenheiten zwischen ihm zum 12. April 1990 führte. Dank Hans Modrow und Parteichef Erich Honecker über Führungs- als Ministerpräsidenten vollzog sich der Über- stil und Sinn sozialistischer Politik und über die gang von der Honecker-Ära in demokratische von KPdSU-Generalsekretär Michail Gorbats- Verhältnisse innenpolitisch geordnet und au- chow verfolgte Perestroika-Politik. Während ßenpolitisch berechenbar. das Politbüro des ZK der SED in ihm daher ei- In der 10. Wahlperiode der Volkskammer der nen ungeliebten Abweichler erblickte, ließ ihn DDR vom März bis zum Oktober 1990 gehörte dies für viele in der SED, aber auch in der BRD, Hans Modrow dem Ausschuss für Deutsche zum Reformer und Hoffnungsträger werden. Einheit der Volkskammer als offizielles Mit- Anfang Oktober 1989 gehörte Hans Modrow glied an. Er war Mitglied der PDS-Fraktion und zu den Initiatoren des Dresdener Dialogs mit arbeitete im Arbeitskreis Außen-, Sicherheits- der oppositionellen «Gruppe der 20». Vom und Deutschlandpolitik der Fraktion der PDS 8. November bis zum 3. Dezember 1989 ge- mit. Mit dem Beschluss der Volkskammer der hörte er dem Politbüro des ZK der SED an. DDR vom 28. September 1990 wurde er ab Am 13. November 1989 wählte ihn die Volks- Oktober 1990 in den Deutschen Bundestag kammer der DDR, deren Mitglied er von 1958 entsandt. Er gehörte dann dem Deutschen bis 1990 war, zum Vorsitzenden des Minis- Bundestag bis zum Ende der 12. Wahlpe- terrates der DDR. Hans Modrow bildete eine riode 1994 an und wirkte im Auswärtigen Regierung aus Vertretern der SED, der Demo- Ausschuss und im EG-Ausschuss des Parla- kratischen Bauernpartei Deutschlands (DBD), mentes mit. Außerdem gehörte Modrow der der Christlich-Demokratischen Union (CDU), deutsch-japanischen und der deutsch-sowje- der Liberal-Demokratischen Partei Deutsch- tischen Parlamentariergruppe an. In der Ab- lands (LDPD) und der National-Demokrati- schen Partei Deutschlands (NDPD) – «… eine 252 Regierungserklärung des Vorsitzenden des Ministerrates Regierung der Koalition, eines neu verstande- an die Volkskammer der DDR (Entwurf). In: ADS, Bestand Mo- nen, kreativen politischen Bündnisses»252. Am drow - 003, Bl. 2. geordnetengruppe der Partei des Demokrati- schen Sozialismus/Linke Liste (PDS/LL) nahm er die Funktion eines außenpolitischen Spre- chers wahr und hatte den Vorsitz im Arbeits- kreis I «Friedens-, Außen- und Entmilitarisie- rungspolitik» inne. Von 1999 bis 2004 war Hans Modrow Mitglied des Europäischen Parlaments und gehörte der Konföderalen Fraktion Vereinte Europäische Linke/Nordische Grüne Linke (GUE/NGL) an. Dort arbeitete er als Mitglied im Ausschuss für Entwicklungshilfe, als stellvertretendes Mitglied im Ausschuss für Haushaltskon­ trolle und in gleicher Funktion im Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten, Menschen- rechte, gemeinsame Sicherheit und Verteidi- gungspolitik. Er war zudem von 1999 bis 2004 Stellvertretender Vorsitzender der Delegation im gemischten parlamentarischen Ausschuss EU – Tschechische Republik. Auf dem Außerordentlichen Parteitag der SED/ PDS im Dezember 1989 wurde Hans Modrow zum stellvertretenden Vorsitzenden der Partei gewählt. Vom 25. Februar 1990 bis zur Grün- dung der Partei DIE LINKE im Juni 2007 war er Ehrenvorsitzender der PDS. Von der Konstitu- ierung des Ältestenrates der Partei DIE LINKE im Dezember 2007 an arbeitet er als dessen Vorsitzender. 116 —117 DOKUMENTE 118 —119

SATZUNG DES ÄLTESTENRATES überschreiten. Der Rat wählt bis zu drei Stell- DER PARTEI DIE LINKE253 vertreter/Stellvertreterinnen des Vorsitzenden, die den Vorsitzenden bei dessen Verhinderung Beschlossen in der Sitzung des Ältesten­ vertreten. rates am 15. Dezember 2011, bestätigt in der Sitzung des Geschäftsführenden 3. Der Vorsitzende leitet die Tätigkeit des Rates. Parteivorstandes am 21. Januar 2012 Ihm obliegt die Verbindung mit dem Parteivor- stand und dem Geschäftsführenden Parteivor- 1. Die Tätigkeit des Ältestenrates (im Folgen- stand sowie die Vertretung des Rates nach au- den «Rat») vollzieht sich auf der Grundlage und ßen. Der Vorsitzende nimmt als ständiger Gast in Durchführung von § 20 Abs. 7 der Bundes- an Sitzungen des Parteivorstandes teil oder satzung der Partei DIE LINKE: «Der Parteivor- beauftragt einen Vertreter mit der Teilnahme. stand beruft als Konsultationsgremium einen Ältestenrat. Der Ältestenrat berät aus eigener 4. Der Rat tagt in der Regel vier Mal im Jahr. Die Initiative oder auf Bitte des Parteivorstandes zu Tagungen werden vom Vorsitzenden mit dem grundlegenden und aktuellen Problemen der Vorschlag einer Tagesordnung einberufen. Politik der Partei. Er unterbreitet Vorschläge Die Tagungen sind öffentlich. Ausnahmen be- oder Empfehlungen und beteiligt sich mit schließt der Rat. Mitglieder des Parteivorstands Wortmeldungen an der parteiöffentlichen De- können an den nichtöffentlichen Tagungen teil- batte.» Leitlinie für seine Tätigkeit ist das Pro- nehmen. Der Vorsitzende kann Gäste zu den Ta- gramm der Partei DIE LINKE. gungen einladen. Es wird ein Protokoll geführt. Die Mitglieder der Partei und die Öffentlichkeit 2. Der Vorsitzende/die Vorsitzende (im Fol- werden in geeigneter Weise (Presseerklärun- genden «der Vorsitzende») des Rats wird vom gen, Internet, Disput und andere parteiinterne Parteivorstand berufen. Für die Berufung der und parteiöffentliche Wege) vom Verlauf und anderen Mitglieder des Rats durch den Par- Ergebnis der Tagungen unterrichtet. teivorstand unterbreitet der Vorsitzende na- mentliche Vorschläge. Erforderlich werdende Neuberufungen von Mitgliedern des Rats wer- 253 Quelle: DIE LINKE.: Satzung des Ältestenrates. URL: https:// den nach demselben Modus vorgenommen. www.die-linke.de/partei/parteistruktur/kommissionen/aeltes- Die Mitgliedschaft im Rat soll die Zahl 20 nicht tenrat/satzung-des-aeltestenrates/ (abgerufen am 28.02.2018). 5. Jedes Mitglied des Rates hat das Recht, ERKLÄRUNGEN UND Vorschläge zur Tagesordnung und Entwürfe STELLUNG­NAHMEN von Dokumenten zur Beratung einzubringen. Die Verabschiedung von Dokumenten des Ra- Erklärung des Rates der Alten: tes erfolgt in offener Abstimmung nach dem Wir brauchen Meinungsvielfalt und Konsensprinzip oder, auf Verlangen eines Mit- gemeinsames Handeln (1991) 254 glieds, mit Zweidrittel-Mehrheit. Jedes Mit- Wir Mitstreiter im Rat der Alten waren Mitglie- glied hat das Recht, abweichende Meinungen der der SED, viele von uns gehörten vorher an- zu Dokumenten des Rates zu erklären. deren linken Parteien und Organisationen an. Seit unserer Jugend nahmen wir – die meis- 6. Die vom Rat verabschiedeten Dokumente ten unter Einsatz von Freiheit und Leben – am werden dem Parteivorstand übergeben. Der Kampf gegen den Faschismus, für Frieden und Vorsitzende unterrichtet den Rat über die Re- eine sozialistische Alternative zum kapitalisti- sonanz auf Vorschläge und Empfehlungen. schen System teil. Wir sind in unserem Leben durch Höhen und Tiefen gegangen, haben un- 7. Der Rat unterbreitet dem Parteivorstand und sere Partei stark und schwach erlebt, als legale dem Bundesausschuss Vorschläge für die Teil- Organisation und in der Illegalität. nahme von Vertretern des Rats an Parteitagen Die SED in ihrem Parteiverständnis vermochte als Delegierte mit beratender Stimme. es nicht, die sozialistischen Ideale in der DDR zu verwirklichen. Wir bekennen uns zu unserer 8. Die Finanzierung der Tätigkeit des Rats er- Mitverantwortung dafür. Unsere Vergangenheit­ folgt im Rahmen der im Finanzplan der Partei und was jetzt die Politik der führenden kapitalis­ für den Parteivorstand vorgesehenen Mittel. tischen Industriestaaten bestimmt, bestärken uns ­ Die für die Tätigkeit des Rats erforderliche In- in der Überzeugung, daß demokratischer Sozia­ frastruktur und Logistik wird durch das Büro lismus heute für die Menschheit notwendiger ist des Parteivorstands gewährleistet. denn je. Die globalen Widersprüche, für die der­ Kapitalismus die Hauptverantwortung trägt, trei- 9. Die Satzung des Rates bedarf der Bestäti- ben die Menschheit letztlich in den Untergang. gung durch den Parteivorstand.

254 Undatiertes Dokument, ca. Ende November/Anfang Dezem- ber 1991. Quelle: ADS, PDS-PV - 039, Bl. 18. 120 —121

All unsere Erfahrungen sagen uns, daß die Par- politischer Kräfte erreicht werden können. Im tei des Demokratischen Sozialismus die Prü- Parlament wie in Bürgerbewegungen, auf in- fungen auch dieser heutigen Zeit bestehen und ternationalem wie kommunalem Gebiet, in ei- zu neuer Kraft finden wird. Unser Streben nach ner pluralistischen Gesellschaft. Dies schließt einer Alternative zu jenem System, das die Völ- sachlichen Meinungsstreit auch in der PDS ker in zwei verheerende Weltkriege stürzte, das selbst ein. Dabei darf die geschichtliche Er- die Kraft des Atoms zur Menschenvernichtung fahrung nicht ignoriert werden, daß nicht nur mißbrauchte, das unzählige Menschen zu Dau- erzwungene «Einheit und Geschlossenheit», erarbeitslosigkeit, Obdachlosigkeit und sozia- sondern auch das Fehlen von Übereinstim- ler Not verdammt, das ganze Völker in den Ent- mung die Partei zerstören kann. wicklungsländern verelenden und verhungern Unser offener, schonungsloser Meinungsstreit läßt, das die begrenzten Ressourcen der Welt muß zu gemeinsamer Politik, zu gemeinsamen sinnlos vergeudet, war und ist berechtigt. Aktionen führen. Dann werden wir ebenso de- Mit großer Sorge sehen wir das Anwachsen nen ein guter Partner sein, die der unheilvollen von Rechtsradikalismus, Rassismus und Nati- Entwicklung in Deutschland Widerstand entge- onalismus in Deutschland. Wir sehen Demo- gensetzen. Von der kommenden 3. Tagung des kratie, Humanismus und Menschenwürde 2. Parteitags der PDS erhoffen und erwarten wir bedroht. Mit allen Mitteln versuchen die herr- einen entschiedenen Schritt in diese Richtung. schenden Kreise, linke, besonders sozialisti- sche Opposition mundtot zu machen. In einer Unverwechselbares sozialistisches Profil. solchen Situation muß die PDS ihre Kräfte zu- Brief des Ältestenrates an den Parteivor­ sammenfassen im Kampf für Abrüstung und stand der PDS (27. September 2002)255 Entmilitarisierung, für die Verteidigung der Liebe Genossinnen und Genossen des Partei- Menschenrechte in ihrer Gesamtheit, gegen vorstandes der PDS! Dieses Papier entstand die Zerstörung von Industrie, Landwirtschaft, nach einer gründlichen Aussprache in einer Wissenschaft und Kultur, gegen politische und Beratung des Ältestenrats am 25. Septem- soziale Ausgrenzung ganzer Bevölkerungs- gruppen, vor allem in Ostdeutschland. Unsere Erfahrungen besagen, daß Demokratie, 255 Quelle: DIE LINKE.PDS: Dokumente des Ältestenrates und sei- ner Mitglieder. URL: http://archiv2007.sozialisten.de/partei/struk- soziale Gerechtigkeit und wachsende Lebens- turen/aeltestenrat/dokumente/view_html?zid=339&bs=1&n=6 qualität nur im Zusammenwirken vielfältiger (abgerufen am 05.03.2018). ber 2002. Auf der Grundlage der Bewertung unserer Politik, besonders in der letzten Wahl- der Situation für die Partei nach den Bundes- periode sowie die Grundlinien und Grundwerte tagswahlen durch die Genossin Gabi Zimmer, unserer Programmatik im Mittelpunkt des deren Ausführungen von allen Anwesenden bevorstehenden Geraer Parteitages stehen. ausdrücklich unterstützt wurden, richten wir Personelle Entscheidungen sollten nach Ab- folgenden Brief an den Parteivorstand: wägung aller statutarischen und gesetzlichen Die Bundestagswahlen endeten mit einer Möglichkeiten sachlich durchdacht werden. eklatanten Niederlage der PDS. Diese war Wir gehen nicht davon aus, dass der Parteivor- einschneidender und verhängnisvoller als er- stand innerhalb von drei Wochen alle herange- wartet. Die Ursachen müssen weiterhin in ei- reiften Probleme hinreichend analysieren und ner konstruktiven und kritischen Atmosphäre maximale Lösungsvarianten vorschlagen kann. gründlich analysiert werden. Eine Entschei- Alles muss gut erwogen sein, nichts darf dem dung über einen echten Politikwechsel stand Zufall oder gar augenblicklichen Stimmungen bei den beiden Hauptkonkurrenten nicht zur überlassen werden. Wahl. Es bleibt bei der von uns formulierten Po- Der Ältestenrat der PDS unterbreitet deshalb sition: Zwingender denn je ist eine starke, auch folgende Anregung: Die Neuwahl des Partei- außerparlamentarische Opposition gegen das tages für die Periode des 8. Parteitages sollte herrschende unsoziale System in der BRD, das differenziert erfolgen. Auf dem Geraer Partei- insbesondere für die Massenarbeitslosigkeit, tag sollte die statutarisch festgelegte Wahl des die klaffenden Lücken im Bildungs- und Ge- Parteivorstandes erfolgen, aber gleichzeitig sundheitswesen, für wachsende Rüstungsaus- durch Beschluss festgelegt werden, in einem gaben, verbunden mit einer nicht durchschau- überschaubaren kurzen Zeitraum möglicher- baren internationalen Politik verantwortlich ist. weise einen Sonderparteitag durchzuführen, Mehr als bisher braucht unser Land die PDS als der die Chance bietet, die Zusammensetzung Partei mit einem unverwechselbaren sozialisti- des Parteivorstandes neu zu bestätigen. Damit schen Profil, als konsequente Friedenskraft, als wird Zeit für eine weitere gründliche Analyse Partei, die sich der ungezügelten Dominanz des der Lage gewonnen und zugleich auch der Ba- Großkapitals in diesem Lande mit ihren schlim- sis der Partei mit ihren Standpunkten und Vor- men Folgen für die elementaren Lebensrechte schlägen noch mehr Mitsprache ermöglicht, der Menschen entgegenstellt. Deshalb sollten um sie in die notwendigen Veränderungen der die kritische Diskussion über Inhalt und Profil Parteientwicklung einzubeziehen. Das würde 122 —123 die Möglichkeit bieten, weitere erforderliche für die Wahl zum Kommissionspräsidenten Veränderungen zur Erneuerung der Partei vor- der EU aufzustellen. Damit bekommen der Eu- zunehmen. Mit sozialistischen Grüßen ropawahlkampf der LINKEN und das Konzept Sprecher des Ältestenrates der PDS, ­ eines anderen Europa ein «Gesicht»! 27. September Der Ältestenrat bittet den Parteivorstand, die wichtigsten Aussagen des Kongresses schrift- Verändert Europa! Für eine alternative lich und in Mitgliederversammlungen in der Europapolitik! Stellungnahme des Partei bekannt zu machen. Ältestenrates zum Madrider Kongress Um einen ständigen linken Diskussionspro- der Europäischen Linken (EL) zess zu gestalten beschloss der Kongress wei- (19. Dezember 2013)256 ter, ein jährlich tagendes «Forum der Alterna- Das Motto des Madrider Kongresses der Eu- tiven» zu gründen, zu dem auch Teilnehmer ropäischen Linken (EL) stand auch im Mittel- über die EL hinaus eingeladen werden sollen. punkt der Debatte des Ältestenrats am 19. De- Schließlich wurde eine neue kollegiale Präsi- zember 2013 zur Auswertung des Kongresses. dentschaft mit Pierre Laurent (Kommunisti- Grundlage waren Berichte der Kongressteil- sche Partei Frankreichs) als (wiedergewähltem) nehmer Claudia Haydt, wiedergewählt in den Präsident und vier weiteren Vizepräsidenten Vorstand der EL, Heinz Bierbaum, Mitglied aus Griechenland, Spanien, Portugal, Bulgarien des GfPV, und Oliver Schröder, Leiter des Be- sowie Dieter Dehm (DIE LINKE – Deutschland) reiches Internationale Politik. Sie informierten als Schatzmeister gewählt. über die Beratung und die Wahlen in Madrid. In der intensiven Diskussion des Ältestenra- Auf dem Kongress wurde ein nach intensiver tes wurden jene Ergebnisse des Kongresses Debatte in Mitgliederparteien der EL entstan- hervorgehoben, die aus unserer Sicht beson- denes zentrales «Politisches Dokument» dis- ders bedeutsam für die Entwicklung der Partei kutiert und als Arbeitspapier von über 93 % DIE LINKE und ihr politisches Wirken vor allem der Delegierten verabschiedet. Außerdem beschloss der Kongress sechs thematische Schwerpunkte für den Europawahlkampf und 256 Quelle: DIE LINKE.: Dokumente des Ältestenrates und seiner entschied in diesem Zusammenhang, den Vi- Mitglieder. URL: https://www.die-linke.de/partei/parteistruktur/ kommissionen/aeltestenrat/erklaerungen-und-stellungnahmen- zepräsidenten der EL Alexis Tsipras (SYRIZA – des-­aeltestenrates/news/veraendert-europa-fuer-eine-alternati- Griechenland) als gemeinsamen Kandidaten ve-europapolitik/ (abgerufen am 14.03.2018). in der Vorbereitung der Europawahlen sind. Ein Neustart ist erforderlich! Ohne eine fun- Die Tatsache, dass alle Entscheidungen des damentale Neugründung der Europäischen Kongresses mit in der Regel 80 Prozent und Union und ihrer Strukturen wird es keine Zu- zum Teil mehr Zustimmung getroffen wurden, kunft für ein solidarisches, friedliches, demo- verdeutlicht den Willen der Mitgliedsparteien kratisches Europa geben! So lautet die For- zu gemeinsamem Handeln. Obwohl es zu ver- derung des Kongresses. Die entscheidende schiedenen Problemen unterschiedliche Auf- Konsequenz für die linken Kräfte und Parteien fassungen und Standpunkte gab und sicher in Europa ist: Wer die EU in diesem Sinne ver- auch weiter gibt, gemeinsam war der Wille: ändern will, muss in den beteiligten Staaten Verändert Europa! Und dazu braucht es eine für entsprechende Veränderungen kämpfen. starke Linke, eine Linke, die Politik für die Men- Zentrales Moment dieser Kämpfe muss sein: schen macht! Dieses Ergebnis ist ein Zeichen Herstellung demokratischer Souveränität, für die Entwicklung der EL und für die Linke in denn Demokratie verliert ihren Wert, wenn jedem einzelnen europäischen Land! Troika, Finanzmärkte und Banken mehr Macht Das «Politische Dokument» skizziert, vor wel- haben als gewählte Regierungen. chen Aufgaben die Europäische Linke steht Vor allem die deutsche Bundesregierung unter und welche Rolle sie in den gesellschaftlichen hat einen solchen antidemokra- Auseinandersetzungen spielen will. Es ver- tischen Prozess in der EU besonders intensiv steht sich als programmatische Grundlage vorangetrieben. Ihre Vorreiterrolle dabei ist für die kommenden zwei Jahre. In ihm wird nicht zu übersehen und wird von Regierungen begründet, dass die Europäische Union (EU) anderer Länder mit Argwohn verfolgt. Diese in ihrer gegenwärtigen Verfasstheit mit den Rolle erfordert eine prinzipielle Kritik und Be- entsprechenden Institutionen keine geeignete kämpfung mit allen zur Verfügung stehenden Grundlage für eine solidarische Entwicklung Mitteln durch die deutsche Linke, allen voran der EU und für eine Partnerschaft mit ihren durch unsere Partei DIE LINKE. Das gilt auch europäischen Nachbarn darstellt. Der Lissa- für eine kritische Sicht auf die neue Regierung bon-Vertrag ist dafür das grundlegende Hin- der Großen Koalition. dernis, er verhindert ein demokratisches und Aus der grundlegenden Ablehnung der jetzi- soziales Europa, wie wir Linke es wollen, denn gen Vertragsgrundlagen und der politischen sein Ziel ist, nicht den Menschen, sondern den Praxis der EU sowie der Forderung nach ei- Märkten zu dienen. nem «Neustart» der EU durch die Europäische 124 —125

Linke leitet der Ältestenrat die Empfehlung ab, rinnen und Bürgern durch Abgeordnete und den für den Hamburger Parteitag vorgelegten Kandidaten unserer Partei bewusst gemacht Entwurf des Europawahlprogramms, in dem werden, wie tief die EU-Politik sich auf unser Ansätze einer solchen Position durchaus ent- alltägliches Leben auswirkt. halten sind, grundsätzlich zu überprüfen und Nur mit einer alternativen Europapolitik wird in Solidarität und Übereinstimmung mit den es der Europäischen Linken gelingen, Europa Positionen der EL unsere Position deutlicher zu verändern. und akzentuierter zu formulieren und damit den Aktivitäten der Partei in den kommenden Das Europäische Parlament – Probleme, Monaten zugrunde zu legen. Erwartungen, Hoffnungen. Information In der Debatte des Ältestenrates wurde auch über die Beratung des Ältestenrates am mehrfach darauf hingewiesen, dass unserer 4. September 2014257 Partei eine große Verantwortung für die Ent- Der Ältestenrat der Partei DIE LINKE beschäf- wicklung der «Europäischen Linken» obliegt tigte sich am 4. September 2014 mit den Er- und daraus folgend auch ein größeres Engage- gebnissen der Wahlen zum Europäischen ment in den Gremien der EL und als Mitglied Parlament. Cornelia Hildebrandt und Andreas der EL in der europäischen Öffentlichkeit erfor- Wehr gaben mit ihren Analysen zum Wahl- derlich ist. Das sollte sich nicht zuletzt sowohl ergebnis und den Problemen in der Europäi- in der Arbeit des Parteivorstandes als auch in schen Union sowie Hans Modrow mit Aus- anderen Gremien der Partei, wie z. B. in den führungen zu Problemen der internationalen bundesweit wirkenden Arbeitsgemeinschaf- Lage und zur Situation innerhalb der Partei ten und Zusammenschlüssen, widerspiegeln. eine Grundlage für die Debatte. Der Ältesten- In Publikationen der Partei wird zwar manches rat sprach Cornelia Hildebrandt und Andreas über die EU und das Wirken unserer Abgeord- Wehr seinen Dank aus. neten dort kommuniziert, aber über die EL-Par- tei ist kaum etwas zu lesen. Entscheidungen der EU-Institutionen greifen über die Bundesebene bis in die Länder, Städte 257 Quelle: DIE LINKE.: Dokumente des Ältestenrates und seiner und Gemeinden ein. Im Europawahlkampf wie Mitglieder. URL: https://www.die-linke.de/partei/parteistruktur/­ kommissionen/aeltestenrat/erklaerungen-und-stellungnahmen-­ bei den Landtags- und Kommunalwahlen im des-­aeltestenrates/news/das-europaeische-parlament-proble- Jahr 2014 sollte mehr als bisher den Bürge- me-erwartungen-hoffnungen/ (abgerufen am 17.03.2018). Ausgangspunkt der Beschäftigung mit diesem herrschenden Verhältnissen und auch auf Thema war die Tatsache, daß sich politisches Desinteresse zurückzuführen ist. _ zum einen die Europäische Union seit fünf _ dass auch die Hochstilisierung des Europä- Jahren in der schwersten Krise ihrer Exis- ischen Parlaments mit der Personalisierung tenz, mit gravierend gewachsenen Unter- von Spitzenkandidaten für das Parlament schieden in der Entwicklung der einzelnen und zugleich auch als Kandidaten für das Mitgliedsstaaten einschließlich schwerwie- Amt des Präsidenten der Europäischen gender sozialer Folgen und politischer Aus- Kommission kaum Wirkung auf die Wahlbe- wirkungen und neuen weltgeschichtlichen teiligung hatte, obgleich sich der Bekannt- Herausforderungen befindet, heitsgrad der Kandidaten erhöht hat. _ und zum anderen, dass es im Vorfeld dieser _ dass mit der Wahl der Abgeordneten der Wahlen innerhalb der Partei der LINKEN Dis- konservativen Europäischen Volkspartei als kussionen um das Wahlprogramm hinsicht- stärkste Fraktion im Europäischen Parlament lich des Charakters dieses kapitalistischen und in Koalition mit den Sozialdemokraten/ Integrationsgebildes und seiner imperialisti- Demokraten als zweitstärkste Kraft kein Ab- schen Strategie gab. gehen von der bisherigen neoliberalen Po- Die LINKE stellte sich mit ihrem Wahlpro- litik und keine Schritte in Richtung auf eine gramm die Aufgabe, «ein Signal zu setzen» sozialere EU zu erwarten sind, auch wenn (Gabi Zimmer), um die Verhältnisse in der EU die linken Kräfte mit 52 von 751 Abgeordne- umzuwerfen. ten an Gewicht gewonnen haben, Was wurde mit den Wahlergebnissen erreicht? _ und dass angesichts der ökonomischen und Wie sehen wir die Entwicklung der EU? Wel- politischen Machtposition Deutschlands in che politischen Aufgaben stehen vor uns? der EU sich außerhalb des führenden Kerns politische Bestrebungen verstärken, die auf 1. Die Ergebnisse der Wahlen zum Europäi- Ablehnung einer unter der Führung Deutsch- schen Parlament zeigen, lands stehenden EU zielen und dies mit sehr _ dass mit einer niedrigen Wahlbeteiligung von unterschiedlichen Richtungen: Zuwachs 43 Prozent das Ansehen und die Rechtmä- rechtsradikaler und rechtspopulistischer ßigkeit der EU in der Bevölkerung ungenü- Parteien auf der einen Seite (Frankreich, gend ausgeprägt ist, was u. a. auf einen von Großbritannien, Dänemark, Österreich) und den Medien verbreiteten Konsens mit den linkssozialistischer Bewegungen (Griechen- 126 —127

land, Spanien, Portugal, Irland, Dänemark) _ Mit der seit 2007 schwelenden ökonomi- auf der anderen Seite. schen Krise – verbunden mit dem rigorosen Spardiktat für die besonders betroffenen 2. Die Entwicklung der EU nach den Wahlen Länder der Peripherie der EU sowie der Krise ist von einer weiter anschwellenden ökono- in der Euro-Zone – und entsprechend der mischen Krise und zunehmenden politischen sich neu anbahnenden Situation durch den Auseinandersetzungen angesichts der Lage Ukraine-Konflikt mit den von den USA auf- im mittleren Osten und in der Mitte Europas oktroyierten Sanktionen gegenüber Russ- gekennzeichnet. land passt die EU auch ihre institutionellen _ Die USA forcieren ihr Streben nach Erhalt Mechanismen an. Die von der Europäischen und Ausbau ihrer ökonomischen, politischen Kommission ausgearbeitete Agenda der eu- und militärischen Dominanz in der Welt und ropäischen Politik wird sicher vom neuen setzen die EU mit der Orientierung auf eine Europäischen Parlament unterstützt werden. Stärkung des transatlantisches Bündnisses «Ziel ist dabei die Etablierung einer Wirt- als Phalanx gegen Russland unter Druck – schaftsregierung, die die nationalen Souve- mit dem Ziel ihrer Einbindung als abhängiger, ränitätsrechte in Finanz- und Wirtschaftsfra- starker Partner (nicht als zweite westliche gen drastisch einschränken soll. Auf diese Weltmacht) im Rahmen ihrer neuen Welt- Weise soll vor allem die Eurozone politisch machtstrategie gegenüber China und den stabilisiert werden.» Schwellenländern und für die finanzielle und militärische Entlastung ihrer Ambitionen im 3. Für die linken Kräfte und besonders für Nahen Osten. Entscheidende Instrumente DIE LINKE ergeben sich aus der neuen Welt- sind: die Aushandlung und Durchsetzung der situation und besonders aus der Lage in der Transatlantischen Handels- und Investitions- EU neue Herausforderungen. Die bisherigen partnerschaft (TTIP) als «Wirtschafts-NATO» Verlautbarungen dazu sind jedoch unter- sowie der Antrieb zu einer forcierten expan- schiedlich. Es ist bisher noch keine strategi- siven, militaristischen Außenpolitik der Euro- sche Linie zu erkennen. päischen Union im Komplott mit der NATO, _ Andreas Wehr sieht für die linken und pro- in deren Rahmen die herrschende EU-Elite gressiven Kräfte auf europäischer Ebene auch ihre eigenen ökonomischen und politi- keine Möglichkeit, die Agenda in ihrem schen Interessen durchzusetzen gedenkt. Sinne zu beeinflussen. Er plädiert gegen das Wunschdenken vom Umbau der Union zu _ Cornelia Hildebrandt setzt in ihrer Analyse einer «demokratischen, sozialen und ökolo- der Ergebnisse zu den Europawahlen 2014 gischen EU», für entscheidende Kämpfe zur den Schwerpunkt auf die Formierung einer Verteidigung errungener sozialer und demo- Neuen Rechten, die sich auf verbreiternde kratischer Standards auf nationaler Ebene nationalistische und wertekonservative ge- und gegen das illusionäre Wunschdenken sellschaftliche Grundströmungen stützt, von der Möglichkeit der Durchsetzung eines sich gegen die Europäischen Institutionen «sozialen, demokratischen Europa». wendet, diese aber nicht beseitigen, sondern _ Heinz Bierbaum sieht in seiner Analyse «Die national neu legitimieren will. Zugleich sieht neue politische Landschaft Europas» die Auf- sie die «große Koalition» der EU politisch gaben der Linken in zweierlei Richtungen: unter Druck von rechts, aber auch durch einmal darin, dass die Linke in Europa mit die wirtschaftlichen Krisen in den einzelnen einer erstarkten Rechten konfrontiert ist und Ländern mit einer politischen Systemkrise deutlich machen muss, dass ihre Kritik an der der EU konfrontiert. Die linke Bewegung EU-Politik und an der europäischen Entwick- charakterisiert C. Hildebrandt als zwiespäl- lung in eine ganz andere politische Alternative tig – de facto in eine Nord-Süd-gespaltene mündet als die der Rechtsextremen – in eine entsprechend der wirtschaftlichen Position antikapitalistische, demokratische und inter- des Landes und der Auswirkungen der Krise nationalistisch angelegte. Gleichzeitig muss in den einzelnen Ländern. Sie plädiert für sie sich mit der Sozialdemokratie auseinan- «mehr als nur symbolische Solidarität» der dersetzen, die sich auf europäischer Ebene Linken in Europa untereinander. «Die euro- in einem sehr widersprüchlichen Prozess be- päische Linke steht vor der Doppelaufgabe, findet, und dadurch ihre Positionen stärken, die Institutionen der Demokratie in Europa zum anderen darin, dass es im Europäischen zu verteidigen und zugleich einen Beitrag Parlament darum geht, «die Einheit in der zur wirtschaftspolitischen sozialen und öko- Vielfalt zu finden» und die unterschiedlichs- logischen Umgestaltung der Fundamente ten Kräfte zu integrieren und dafür auch die der EU zu leisten. Dies ist eine Strategie Fraktionsführung stärker kollektiv ausrich- harter Auseinandersetzung mit der Neuen ten – und dies über das von der EL geplante Rechten, des offenen Konflikts mit den herr- Forum der Alternativen als breite Plattform schenden Eliten und der sehr offenen Suche für alle linken Parteien und Bewegungen. nach Bündnispartnern.» 128 —129

_ Mitte vergangenen Jahres wurde zudem der Mehrheit der Bevölkerung übergeholfen ein «Aufruf für ein egalitäres Europa» von werden, sie sollen durch eine europaweite linken Exponenten wie Karl Heinz Roth Vermögensabgabe für Millionäre und Milliar- und Lothar Peter von «Alternativen» disku- däre finanziert werden. Wir brauchen einen tiert, die Konzepte für die Peripherieländer Einstieg in eine erneuerte Wirtschaftsstruk- zur Krisenüberwindung einschließen, aber tur und eine demokratische und regional auch erhebliche Schwierigkeiten aufzeigen. ausgeglichene Investitionspolitik. Ohne eine Eine glaubwürdige Perspektive für Europa Regulierung des Finanzmarktes und eine hö- sieht dieses Papier nur unter bestimmten here Besteuerung von Finanztransaktionen Kriterien realisierbar und formuliert ein Ak- und Finanzvermögen lässt sich die Belebung tionsprogramm in neun Punkten, das als langfristig-realwirtschaftlicher Aktivitäten verbindende Klammer eine neue politi- nicht bewerkstelligen.» sche Verfassung notwendig macht, einen Insgesamt zeigt sich eine Konzeptionslosig- post-nationalstaatlichen Ansatz hat und keit der Linken hinsichtlich einer politischen nicht aus den Strukturen der Europäischen Strategie zur Lage in Europa. Auf jeden Fall ist Union entwickelt werden kann, orientiert an es notwendig, das neue Verhältnis von nati- den Prinzipien der direkten Demokratie und onalen und internationalen Kampfbedingun- auf ein «Projekt einer Föderativen Republik gen für eine linke Politik zur Veränderung der Europa» zielt. Verhältnisse in Europa in den Vordergrund zu _ Letztlich ist das Positionspapier der Partei rücken. DIE LINKE vom 25. August 2014 zu nennen. In diesem Zusammenhang brachten die Mit- Im 6. Punkt dieses Papiers ist unter Wohl- glieder des Ältestenrates aus aktuellem Anlass stand und Solidarität in Europa zu lesen: ihre Empörung über das Auftreten des Bun- «Wir wollen ein System der europäischen despräsidenten Gauck am 1. September 2014 Integration, das jenseits von Monetarismus, in Danzig zum Ausdruck. Ausgerechnet am Austerität und Dumpingwettbewerb liegt Tag des Beginns des faschistischen Raub- und und eine Politik für sozialen Fortschritt und Vernichtungskrieges Russland imperiale Mo- globale Entwicklung verfolgt. Wohlstand tive und aggressive Absichten zu unterstellen, darf sich nicht auf Ausbeutung anderer Kon- zeugt nicht nur von historischer Ignoranz, son- tinente gründen. Die Kosten der Krise dür- dern vor allem vom Bestreben nach Vorherr- fen nicht weiter als Kürzungsprogramme schaft des deutschen Imperialismus in Europa. Der Ältestenrat hält es für erforderlich, dass teivorstand sich gemeinsam mit sachkundigen sich zu solchen Vorkommnissen nicht nur füh- und zuständigen Mitgliedern der Partei und Ver- rende Funktionäre des Parteivorstandes posi- tretern anderer linker Parteien an die Erarbei- tionieren, sondern auch die führenden Kräfte tung einer umfassenden, langfristig angelegten der Partei in den Bundesländern im Rahmen Konzeption für die politische Strategie der Lin- von Wahlkämpfen und aus Anlass anderer lan- ken zur Lage in Europa und in der EU macht. desspezifischer Aktivitäten. Auf dem Parteitag der Europäischen Linken in Der Ältestenrat kam im Ergebnis seiner De- Madrid im Dezember 2013 wurde die Forderung batte zu der Auffassung, dass die bisher er- nach einem Linksdialog in Europa erhoben, ähn- folgte Auswertung der Wahlen zum Euro- lich dem des Forums Sao Paulo in Lateiname- päischen Parlament noch nicht den neuen rika. Der Parteivorstand der Partei DIE LINKE Herausforderungen in der Entwicklung der sollte diesen Gedanken aufgreifen und eine Ini- EU gerecht wird. Die Anforderungen für die tiative für einen solchen Dialog auslösen. Gestaltung linker europäischer Politik sind gewachsen. Die Regierung der BRD setzt auf Erwartungen an den Kongress der Europäi­ Führungsanspruch in der EU und kämpft für schen Linken. Mitteilung über eine Beratung ständig wachsenden Einfluß. DIE LINKE muss des Ältestenrates (6. Oktober 2016)258 sich dieser Tendenz noch entschiedener ent- Der Ältestenrat der Partei DIE LINKE hat sich gegenstellen. am 6. Oktober 2016 mit seinen Erwartungen Der Ältestenrat empfiehlt der gesamten Partei, an den Kongress der Europäischen Linken, natürlich in erster Linie dem Parteivorstand und dessen Vollmitglied sie ist, beschäftigt. den Landesvorständen, sich auf der Grundlage Dieser Kongress findet in einer Zeit tiefer Kri- der Wahlergebnisse zum EU-Parlament und sen in der EU und tiefer Gegensätze in Europa weiterer Wahlen gründlich mit der aktuellen statt. Dabei bleibt die Europäische Linke trotz internationalen Situation und speziell mit der mancher Anstrengungen sehr beachtlich hin- Entwicklung in Europa und in der EU auseinan- derzusetzen und konkrete Schlussfolgerungen für die politischen Aktivitäten der Partei und 258 Quelle: DIE LINKE.: Dokumente des Ältestenrates und seiner ihre Öffentlichkeitsarbeit zu beschließen. Mitglieder. URL: https://www.die-linke.de/partei/parteistruktur/ kommissionen/aeltestenrat/erklaerungen-und-stellungnahmen- Für besonders dringend hält es der Ältestenrat des-­aeltestenrates/news/erwartungen-an-den-kongress-der-eu- im Ergebnis der heutigen Debatte, dass der Par- ropaeischen-linken/ (abgerufen am 18.03.2018). 130 —131 ter den vor ihr stehenden Herausforderungen genständigkeit der Landesverbände ist DIE zurück. Schwächen, die sich auch in unserer LINKE eine Partei und nicht eine Ansammlung Partei DIE LINKE zeigen. von 16 Landesverbänden. Wahlniederlagen Der Berliner Kongress sollte Anlass für eine wie in Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vor- breite Information der gesamten Mitglied- pommern sollten mit größerem Ernst analy- schaft über die Entwicklung und die aktuelle siert und das achtungsvolle Ergebnis in Berlin Situation in der EU und den Platz der ELP im gründlich hinterfragt werden. Noch steht, ob Kampf für eine friedliche, demokratische und Niederlage oder Achtungserfolg, ein «Weiter soziale Union in Europa sein. so» mehr im Raum, als eine gründliche Neuo- Der Ältestenrat will sich mit seinem Arbeitspa- rientierung für unseren politischen Kampf auf pier und der Teilnahme seiner Mitglieder am allen Ebenen und Bereichen. Prozess der Vorbereitung des Berliner Kon- Es ist gut, wenn sich die beiden Vorsitzenden gresses der ELP beteiligen. Er unterstützt den der Partei in bestimmten Situationen mit einem konstruktiv-kritischen Bericht der Linke-De- «Offenen Brief» an die Mitglieder der Partei legation im EPL-Vorstand, der dem Parteivor- wenden und zur Mitarbeit am Wahlprogramm stand vorgelegt wurde. auffordern. Die vielen Zwischentöne, die es Bei der Wahl leitender Organe und Personen nun jedoch gibt, sind für einen Erfolg im Wahl- sollte Bewährtes beachtet und überhöhte kampf mehr als nur schädlich. Nicht die Inhalte deutsche Repräsentanz nicht angestrebt wer- einer so notwendigen linken Politik wurden dis- den. Gerade diese Hinweise im Bericht sollten kutiert, sondern vom geschäftsführenden Par- gebührende Beachtung bei den bevorstehen- teivorstand wird ein sogenannter Prozess über den Bewerbungen finden. Die Vielfalt aller Modelle für die Spitzenkandidaten ausgelöst. EL-Parteien sollte stärker als bisher zur Geltung Wahlen lassen natürlich viele Möglichkeiten kommen. für Wahlkandidaturen zu, aber wenn die De- Entsprechend den Regeln seiner Beratungen batte über die Wahlstrategie auf Nebenglei- beschäftigt sich der Ältestenrat mit Problemen sen beginnt, sollten sich die Verantwortlichen der aktuellen politischen Lage und der Situa- selbst befragen. Aus der Summe vieler Lehren tion in der Partei. Im Mittelpunkt standen die und Erfahrungen bleibt unser Standpunkt: Landtags- und Kommunalwahlen 2016 und zwei Spitzenkandidaten und eine bisher noch das Wahljahr 2017 mit den Schwerpunkten nicht erreichte Stärke im Kampf um Direkt- NRW und der Bundestagswahl. Bei aller Ei- mandate, die eine starke Liste bringt. So könn- ten wir die gesamte Partei erreichen und alle Als stellvertretende Vorsitzende des Ältesten- ihre Möglichkeiten ausschöpfen. Alle Zeichen rates wurden Gretchen Binus, Christina Emm- besagen doch, es hat nach 1990 noch keinen rich, Ursula Schumm-Garling und Wolfgang Wahlkampf gegeben, der so hochgradig po- Grabowski gewählt. litisiert sein wird, wie der im Jahr 2017. Die 2. Ein besonderer Schwerpunkt der Arbeit war bundesdeutsche Gesellschaft befindet sich der Parteitag in Magdeburg. Der Ältestenrat in einem Prozess großer Veränderungen. Die und sein Vorstand erörterten in mehreren Bera- deutsche LINKE ist in einer bisher noch nicht tungen seinen Bericht an den Parteitag, der von gekannten Weise herausgefordert. Setzen wir Hans Modrow vorgetragen wurde, und der eine also alle Kräfte ein, um zu bestehen! positive Resonanz der Delegierten fand. Der Äl- testenrat gratulierte der Parteiführung und allen Bericht zur Tätigkeit des Ältestenrates Vorstandsmitgliedern zur Wahl und wiederholte 2016. Abschließend beraten den schon bei der Konstituierung am 26. No- am 1. Dezember 2016259 vember 2015 zum Ausdruck gebrachten Willen 1. Entsprechend der Verabredung mit der Par- zu kameradschaftlicher Zusammenarbeit. Her- teivorsitzenden Katja Kipping auf der konstitu- vorgehoben wurde, dass der Parteitag sich en- ierenden Sitzung am 26. November 2015 stan- gagiert den gewaltigen Herausforderungen als den folgende Schwerpunkte im Mittelpunkt einzige alternative Kraft zum neoliberalen Par- der Arbeit des Ältestenrates: teienkartell gestellt hat. Das war die Botschaft _ Vorbereitung und Auswertung ­ aller vier Hauptredner, die die Probleme und des Magdeburger Parteitages linke Lösungsansätze kämpferisch benannt ha- _ Krisenstimmung und Sicherheitsbedürfnis ben. Damit ist die Erwartung verbunden, dass in der Bevölkerung bei der Umsetzung der Beschlüsse solidarischer _ Friedenskonferenz der Partei ­ Geist, kritische Offenheit und kein Spiel über am 18. und 19. März 2016 «die Bande» mit den Medien praktiziert wird. _ Strategiedebatte. Des Weiteren wurden in der Sitzung als wich- tige Themen benannt: Gesellschaftstrans- 259 Quelle: DIE LINKE.: Dokumente des Ältestenrates und seiner formation, Entwicklung der Partei und ihre Mitglieder. URL: https://www.die-linke.de/partei/parteistruktur/ kommissionen/aeltestenrat/erklaerungen-und-stellungnahmen-­ Attraktivität für junge Leute, Auseinanderset- des-­aeltestenrates/news/bericht-zur-taetigkeit-des-aeltesten­ zung mit der AfD, «Quo vadis EU?» rates-2016/ (abgerufen am 19.03.2018). 132 —133

Der Appell von Hans Modrow für Solidarität Aktivitäten der Bundestagsfraktion, u. a. für die mit Kuba («Wer Revolution und Sozialismus Durchsetzung einer Veranstaltung im Bundes- sagt, ist zur Solidarität mit Kuba herausgefor- tag anlässlich des 75. Jahrestages des Über- dert…») traf den Nerv der Delegierten. Ihre falls Hitlerdeutschlands auf die Sowjetunion, Reaktion verdeutlicht das Verlangen in der auch sind, die Verhinderung von militärischen Partei nach mehr und klarer systemkritischer Konflikten in Europa setzt Vertrauensbildung Position, zur widerständigeren Auseinander- voraus, in die auch Russland einzubeziehen ist. setzung mit den neoliberalen Kräften. Der Par- Das sollte ein besonderes Markenzeichen der teitag erteilte Gedankenspielen über eine Re- Linkspartei sein und auf allen Ebenen der Partei gierungskonstellation SPD-LINKE-Grüne im im Fokus stehen. Das darf nicht anderen über- Bund eine klare Absage, ebenso der Debatte, lassen werden. Kritisiert wurde im Ältestenrat, dass DIE LINKE nicht länger eine Protest- und dass die Friedenskonferenz diesem wichtigen Kümmererpartei sein kann. Anliegen nicht genügte. Betont wurde, dass 3. In Auswertung des Parteitages fand auf Bitte diese viele wichtige und interessante Beiträge des Parteivorsitzenden Bernd Riexinger ein brachte, der Parteivorstand die Konferenz je- Gespräch mit dem Vorsitzenden und den stell- doch nicht nutzte, um einen eindeutigen Stand- vertretenden Vorsitzenden des Ältestenrates punkt zur internationalen Lage, den Konflikten statt. Im Mittelpunkt standen Fragen der Stra- und den Kriegstreibern zu formulieren und in tegie (u. a. Protestpartei und/oder Partei der Ge- der Partei zur Diskussion und Aktion zu bringen. staltung, also von Regierungsverantwortung, 4. Der Ältestenrat und sein Vorstand haben Hinwendung zur und Aufgreifen der Meinung sich ausführlich mit dem Kongress der Euro- und Wünsche der Parteibasis, Umsetzen der päischen Linken beschäftigt, der im Dezember Parteitagsbeschlüsse mit der Basis). Zur sozi- in Berlin stattfindet. Er hat ein Standpunktpa- alen Frage wurde dem Parteivorstand ein Ar- pier erarbeitet, das auch zur Information für die beitspapier übergeben. Gefordert wurde die Basis genutzt werden und helfen kann, Wis- zügige Umsetzung des Parteitagsbeschlusses sen und Verständnis für die EL zu fördern. Es «Frieden mit Russland – Verständigung in Eu- wurden Herausforderungen formuliert, denen ropa – Nein zu Faschismus und Krieg», der eine sich die ELP mit ihrem Berliner Kongress stel- beeindruckende Mehrheit und viel Applaus ge- len müsste. funden hatte. Dazu wurde dem Parteivorstand Der Ältestenrat unterstützt den konstruk- ein Arbeitspapier übergeben. So wichtig die tiv-kritischen Bericht der Linke-Delegation im ELP-Vorstand. Die ELP darf nicht Name ohne Antwort gab. Zu konkreten Sachfragen fiel Profil sein. Das Nebeneinander der Parteien diese recht ausführlich aus, zu strategischen, muss überwunden und ein Miteinander der die Bedrohung von Frieden und Sicherheit be- Parteien in den sozialen und politischen Kämp- treffenden nicht so sehr, eher ausweichend. fen gestaltet werden. 6. Auf Initiative des Ältestenrates und des Ver- Bei der Wahl leitender Organe und Personen eins Cuba Si wurde eine Konferenz zur Ent- sollte Bewährtes beachtet und überhöhte wicklung in Kuba erfolgreich durchgeführt, deutsche Repräsentanz nicht angestrebt wer- auf der der Parteivorsitzende Bernd Riexinger den. Gerade diese Hinweise im Bericht sollten gesprochen hat. Die Konferenz forderte dazu gebührende Beachtung bei den bevorstehen- auf, den sozialistischen Weg Kubas mit wach- den Bewerbungen finden. Die Vielfalt aller sender Solidarität zu begleiten. EL-Parteien sollte stärker als bisher zur Geltung 7. Der Ältestenrat hält für das Wahlprogramm kommen. zu den Bundestagswahlen einen gesonderten Nicht zuletzt setzen die Wahlen in den USA Abschnitt über die ostdeutschen Länder und Zeichen für die Gefahren, die mit den Rechts- die diskriminierende Behandlung großer Teile entwicklungen in Frankreich, Ungarn, auch ihrer Bevölkerung für erforderlich. Ein entspre- mit der AfD und den Positionen der CSU in chendes Arbeitspapier für das Wahlprogramm Deutschland mit dem Titel «Linksrutsch verhin- wurde dem Parteivorstand vorgelegt. dern – damit Deutschland Deutschland bleibt» 8. Entsprechend den Regeln für seine Beratun- verbunden sind. Die europäische Linke steht gen beschäftigte sich der Ältestenrat regelmä- in dieser Situation vor historischen Heraus- ßig mit Problemen der aktuellen Lage und der forderungen, denen sie nur in großer revoluti- Situation in der Partei. Im Mittelpunkt standen onärer Gemeinsamkeit gerecht werden kann. die Landtags- und Kommunalwahlen 2016 DIE LINKE in Deutschland muss dafür einen sowie das Wahljahr 2017. Es wurde betont, größeren Beitrag in den so notwendigen politi- dass bei aller Eigenständigkeit der Landes- schen Kämpfen gegen rechts in Europa leisten. verbände DIE LINKE eine Partei und nicht eine 5. Der Ältestenrat legte dem Parteivorstand ein Ansammlung von 16 Landesverbänden ist. Papier für den deutschen OSZE-Vorsitz vor. Der Wahlniederlagen wie in Sachsen-Anhalt und PV fasste dazu einen Beschluss, die Bundes- Mecklenburg-Vorpommern sollten mit größe- tagsfraktion stellte eine ausführliche Anfrage, rem Ernst analysiert und das achtungsvolle Er- auf die die Bundesregierung am 26.10.[2016] gebnis in Berlin gründlich hinterfragt werden. 134 —135

Der Ältestenrat sieht leider weiter wachsende der Wahl von Trump zum nächsten Präsiden- Schwäche in der Partei. Die Aktion des «Zuhö- ten der USA. rens» der leitenden Organe ist gut, die Schritte Auch wenn man noch nicht genau weiß, wie zur Beachtung und Umsetzung der vielfältigen sich der Austritt von Großbritannien vollziehen Anregungen und kritischen Hinweise der Mit- und auswirken wird und welche Wirtschafts- glieder und vieler Verbündeter bleiben aber oft politik der neue amerikanische Präsident Do- hinter den Erwartungen zurück. nald Trump letztlich genau umsetzen wird, Der Ältestenrat hat sich wiederholt mit Prob- zeichnen sich gleichwohl tektonische Ver- lemen der veränderten Weltlage befasst. Dies schiebungen in der Globalökonomie und den bleibt seiner Meinung nach eine wichtige Vor- politischen Allianzen ab. Trumps Politik ist eine aussetzung für politische Entscheidungen der Mischung aus Reaganomics und Protektionis- LINKEN. mus. Das wird kurzfristig positive, aber mittel- Die Welt steht heute vor Problemen, die eine Lö- fristig schwerwiegende negative Folgen für sung erfordern, da sie die Existenz der Mensch- die Globalökonomie haben. Die Politik «Make heit bedrohen. Das betrifft den Klimawandel America great again» wird die Weltpolitik in und die Umweltprobleme. Die industrielle Re- heftigere Konfrontationen, Konflikte und mili- volution vernichtet mit ihren enormen tech- tärische Auseinandersetzungen führen. nologischen Fortschritten zugleich hunderte Die Globalisierung war für viele Länder ein Er- Millionen von Arbeitsplätzen. Digitalisierung, folg. Sie hat 500 Millionen Menschen in den Roboterisierung, Meinungsmanipulierung tra- Schwellenländern aus der Armut geholt. Doch gen das Potenzial der Selbstabschaffung der auf der anderen Seite hat es auch Verlierer ge- Menschen in sich. Migrationsprobleme werden geben – namentlich Arbeitnehmer im produzie- in Größenordnungen produziert. Die Geißel des renden Gewerbe der entwickelten Länder. Trotz Krieges ersteht in völlig neuen Dimensionen. des starken Wachstums sind die Haushaltsein- Die Gegenwart ist durch einen dramatischen kommen dieser Gruppe in den vergangenen Wandel der politischen Kultur gekennzeichnet. dreißig Jahren nicht wesentlich gestiegen. Die Die große Verdrossenheit breiter Kreise der Instabilität des kapitalistischen Weltsystems Bevölkerung gegenüber der «institutionellen wächst weiter. Das ist der Hintergrund für das Politik» und dem Schwinden von Vertrauen in Brexit-Votum und den Wahlerfolg von Trump. die Institutionen [der] Demokratie findet sei- Die nächsten Jahre werden durch protektionis- nen Ausdruck beispielsweise im Brexit oder tische Ansätze bestimmt werden. Auch in der EU wie in der Bundesrepublik die «gekaufte Zeit» nicht zur grundlegenden Deutschland zeichnet sich ein Aufstieg von sozialen und ökologischen Krisenbereinigung rechtspopulistischen Bewegungen ab. Die genutzt zu haben. Um die Welt vor einer Wie- lange Zeit vorherrschende Wahrnehmung derholung eines Desasters zu bewahren, wur- einer relativen sozialen Ruhe wird abgelöst den internationale Konferenzen abgehalten und durch eine neue Politik der Wut. Ergebnis ist eine Vielzahl von Vorschlägen diskutiert, die der die Zunahme des rechten Populismus, oder Regulierung der Finanzindustrie dienen sollten. sogar weitergehend eine Revolte von rechts. Nur kurze Zeit später sprudelten die Gewinne, Ein politischer Paradigmenwechsel zeichnet Gehälter, Dividenden und Boni wieder und eine sich ab: Argumentativ wird die Gegenüberstel- Re-Regulierung der Finanzindustrie versandete lung von Neoliberalismus versus Sozialismus im Gestrüpp internationaler Verhandlungen und oder rechts gegen links nicht mehr als ange- nationaler Lobbytätigkeit. Die Finanzmärkte messen betrachtet. Diskutiert werden die Öff- werden seitdem großzügig mit billigem Geld ge- nung der Grenzen gegen die Schließung von flutet. DIE LINKE sollte auch im internationalen Grenzen, Zuwanderungsquoten (Obergren- Miteinander strategische Schlussfolgerungen zen) gegen Personenfreizügigkeit, Freihandel für das Verhältnis von Politik und Ökonomie und gegen Protektionismus usw. Im Kern müssen für eine tatsächliche Einschränkung der Macht diese Alternativen diskutiert und nach ihrer des Finanz- und Großkapitals ziehen und wieder Entwicklungsrichtung eingeschätzt werden. in das Bewusstsein, in Diskurse und praktische Die Revolte von rechts macht deutlich, dass die Ansätze zurückholen, wofür es vor allem infolge herrschenden Eliten mit ihren neoliberalen Ver- des Bankencrashs 2008 ff. schon Ansätze gab. sprechungen «wenn es den Reichen gut geht, In den letzten Jahren hat die Krise der Euro- geht es allen gut» (trickle-down-Effekt) an ihr päischen Union und besonders der Eurozone Ende gekommen sind. Folge ist die wachsende deutlich zugenommen. Immer mehr Bürge- Polarisierung in arm und reich und damit der rinnen und Bürger begreifen sich als Verlierer/ Zerstörung des gesellschaftlichen Zusammen- innen in der EU, dies gilt sowohl innerhalb der hanges. einzelnen Staaten als auch zwischen den Staa- Das Krisenpotenzial der Globalökonomie ist ten (Nord-Süd- bzw. Ost-West- Gefälle). Die gewachsen. Es rächt sich jetzt, den Systemab- Aufnahme von Migranten und Migrantinnen in sturz 2007/2008 durch staatliche Interventionen die EU und die in den letzten Jahren verstärkt in konzertierter Aktion zwar aufgefangen, aber einsetzenden Fluchtbewegungen haben diese 136 —137

Tendenzen verstärkt. Die Deutung haben in vie- Wie kann der Herausforderung durch die len Fällen rechtspopulistische und nationalisti- rechtspopulistischen und nationalistischen sche Kräfte übernommen. Bewegungen begegnet werden? Hier sollte eine klare und eindeutige Kritik Es ist unverzichtbar, eine eindeutige Abgren- durch DIE LINKE formuliert werden: Statt eines zung von rechtspopulistischen und nationa- neoliberalen, undemokratischen und imperia- listischen Positionen vorzunehmen. Die Ver- len Leitbildes einer Wettbewerbsunion muss wahrlosung der vorherrschenden politischen das Leitbild eines demokratischen und sozialen Debatten zugunsten von Meinungen an Stelle Europas formuliert werden. Angesichts der re- von Fakten, z. T. gespickt mit Unwahrheiten, alen Verhältnisse in der EU und der Konkurrenz macht es kompliziert, gegen tief sitzende weit vor allem der großen und einflussreichen Nati- verbreitete Ressentiments mit Aufklärung und onalstaaten um Macht müssen die fortschritt- politischer Vernunft zu argumentieren. Diesen lichen Kräfte in den Nationalstaaten gestärkt Positionsbestimmungen unterliegt eine ag- werden, sonst besteht die Gefahr, dass die gressive Verschiebung auf Sündenböcke wie demokratischen und sozialen Rechte auf natio- den Islam, die Flüchtlinge aber auch Eurokra- naler Ebene weiter geschwächt werden. Dazu ten, Politiker, die das Volk betrügen, Emanzen, gehört es, realisierbare Maßnahmen für die die Familien zerrütten oder die «Lügenpresse» Menschen in Europa zu entwickeln: vor allem und viele mehr. Maßnahmen gegen die Massenarbeitslosigkeit Die zugrunde liegenden Ursachen und Verlet- und die Armutsrisiken, Mindeststandards ge- zungen müssen aufgegriffen und politisch be- gen prekäre und erniedrigende Arbeitsverhält- arbeitet werden. Dazu gehört es, alle Angriffe nisse und eine ausreichende Grund- und Sozi- auf Sündenböcke zurückzuweisen und die Ver- alversicherung sowie die radikale Ablehnung änderbarkeit gesellschaftlicher Deprivation in militärischer Auslandseinsätze. den Vordergrund zu stellen und die ökonomi- In den letzten Jahren hat die soziale Spaltung schen und politischen Zusammenhänge offen in Deutschland und in der EU gravierend zuge- zu legen. Und es geht – last not least – darum, nommen. Ein Argument dafür, dass die popu- Politik zu reformulieren. Unverzichtbar in die- listischen Bewegungen in Deutschland und Eu- sem Zusammenhang ist es, soziale Ungleich- ropa dabei sind, den linken Bewegungen ihre heit nicht nur als ökonomisches sondern auch Themen abzunehmen, sie dann allerdings na- als historisches bzw. kulturelles Phänomen zu tionalistisch bzw. protektionistisch zu wenden. behandeln. Eine Verstärkung erfahren die populistischen tikwechsel auf den Weg zu bringen. Für einen und antidemokratischen Tendenzen auch starken Sozialstaat, für gute Arbeit und ein aus- durch den Wandel der politischen Kommunika- kömmliches Einkommen im Alter, gegen Kin- tion. Es ist notwendig, eine lebendige Verstän- derarmut und vor allem für Frieden und Abrüs- digung in der Partei zwischen oben und unten tung finden sich in einzelnen Parteien aber vor zu vertiefen. Für die Wiederaneignung von Po- allem in außerparlamentarischen Bewegungen litik reicht es nicht zuzuhören, obwohl es eine viele Bündnispartner: in den Gewerkschaf- wichtige Voraussetzung ist; vielmehr müssen ten in der Frauen- und Friedensbewegung, in Deutungsangebote und Orientierungshilfen der Ökologiebewegung und in den Sozialver- zum Verständnis komplizierter Zusammen- bänden ebenso wie in sozialen Bewegungen hänge entwickelt werden ohne dabei abgeho- wie Attac, die Bewegung gegen die neolibe- ben zu argumentieren, sondern unmittelbar ralen Freihandelsabkommen TTIP, CETA oder die Erfahrungen und Nöte von Menschen auf- den vielen Initiativen zur Unterstützung von zugreifen, und sie zum Handeln für ihre Inter- Migranten. essen zu befähigen und als Partei zu vertreten. Die Glaubwürdigkeit linker Politik wird ver- Dies wäre der Prüfstand für eine andere Politik. stärkt durch gemeinsame Ziele und gemein- Es ist wichtiger denn je, den Phänomenen same Kämpfe und wechselseitige Unter- der Entsolidarisierung entgegen zu treten. stützung von Fraktion und Partei der LINKEN Die Rückbindung von Politik an Klassen und sowie durch die Einbeziehung von sozialen soziale Milieus und deren Interessen findet Bewegungen. Damit sich die Lebens- und zu wenig statt. Die Erfahrung von politischer Arbeitssituation der Menschen nachhaltig Exklusion und die Selbstausschließung durch verbessert, müssen Bündnisse geschlossen Wahlenthaltung sind die Folge. Dies ist der und eine neue Meinungsführerschaft für ei- «Saatboden» eines neuen Faschismus. nen Politikwechsel im Sinne des sozialen Auf- Es gibt eine Alternative: Nur wenn die Ursa- bruchs formuliert werden. Dabei geht es um chen sozialer, ökonomischer und kultureller breitest mögliche Bündnisse selbstverständ- Deprivation benannt werden, können Erfolge lich auch mit Mitgliedern und Sympathisanten erwartet werden. Eine offensive Haltung der der SPD und der Grünen. Überlegungen von LINKEN gegen Rassismus, Nationalismus und LINKEN für eine Regierungskoalition mit die- Protektionismus und für eine andere Demo- sen Parteien im Bund sollten nach den Wahlen kratie, die dazu beitragen könnte, einen Poli- geprüft werden, wobei die sozialen und frie- 138 —139 denspolitischen Konditionen als nicht verhan- die Vorsitzenden der Partei immer häufiger delbar gelten. Es geht um eine Politik, die für Aussagen treffen, die nicht aus gemeinsamen die Erhaltung der progressiven Elemente der Beschlüssen des Parteivorstandes erwachsen, bürgerlichen Demokratie eintritt und für eine aber in seine Zuständigkeit gehören. So ver- Demokratie kämpft, die vom Volk ausgeht. schwimmt das Bild einer linkssozialistischen Wie unser Bericht zeigt, hat der Ältestenrat Partei immer mehr und DIE LINKE wird gleich- 2016 eine umfangreiche Arbeit geleistet, den falls als etablierte Partei bewertet. Wir wollen Parteivorstand beraten und Initiativen aus- bei aller Zurückhaltung auf solche Erscheinun- gelöst, die vom Parteivorstand aufgegriffen gen die Aufmerksamkeit der Partei bis in die wurden und auch in der Fraktion DIE LINKE. Basis der Mitgliedschaft richten und die Ent- im Deutschen Bundestag Beachtung gefun- scheidungsträger in den leitenden Organen den haben. Das Jahr 2017 wird ganz offen- bitten, hier mit der ihnen übertragenen Verant- sichtlich tiefgreifende Veränderungen in der wortung zu handeln. bundesdeutschen Gesellschaft bringen. Die Das Jahr 2017 ist voller Wahltermine, von politischen Machtverhältnisse werden sich Landtagswahlen über die Bundespräsiden- weiter verändern, das deutsche und europäi- tenwahl bis zur Bundestagswahl. Das Jahr sche Kapital wird seine Macht stärken und die 2016 sollte für alle Ereignisse eine Mahnung Ausbeutung breiterer Schichten, von der Ar- sein und nicht zum Vorfeld tiefer gehender beiterklasse bis weit in den Mittelstand, ver- Rechtsentwicklungen in der Bundesrepublik tiefen. Die wachsende Unzufriedenheit mit der Deutschland werden. Politik der etablierten Parteien löst auch in der Der Ältestenrat will sich im Jahr 2017 mit fol- Bundesrepublik Deutschland, so wie in den genden Schwerpunkten beschäftigen: USA und anderen EU-Staaten, wachsende Ge- 1. Frieden und Sicherheit in Europa, die wei- waltbereitschaft aus. Die Ergebnisse der AfD tere Entwicklung der Europäischen Union. bei den jüngsten Wahlen setzen Zeichen. Wie 2. Der Prozess der Veränderung der Gesell- die Erfahrungen in jüngster Zeit lehren, zeigt schaftsverhältnisse in der Bundesrepublik DIE LINKE noch immer kein klar erkennbares Deutschland und die Herausforderungen für Profil in den vielfältigen aktuellen politischen die Partei DIE LINKE. Herausforderungen. Teile der Wählerschaft 3. Das Weißbuch 2016 – von der Verteidi- werden verunsichert, weil die Aussagen von gungs- zur Aggressionspolitik und zur Armee, Funktionsträgern sehr unterschiedlich sind, die sie realisieren soll. 4. Das Gedenken an Marx 200 mit seinem als Der Wahlkampf zum Bundestag wird mit einer Weltkulturerbe anerkannten Werk «Das Kapi- Schärfe geführt werden, wie es sie noch nicht tal» sollte einen Platz in linker Bildungsarbeit gegeben hat. Die Funktionseliten sehen sich und in den aktuellen Klassenkämpfen finden. mit vielfältigen, tiefen Krisen und ungewohn- Wer von «Raubtierkapitalismus» spricht, muss ten Herausforderungen konfrontiert, die mit sich den Herausforderungen von Marx stellen. Aussitzen, Lavieren oder Vertuschen, wie so oft praktiziert, kaum noch zu händeln sind. Ein Der Wahlkampf hat begonnen. weiter so scheint nicht mehr möglich. Bericht von der Sitzung des Ältestenrates Die Enttäuschung Vieler mit der sogenannten am 9. März 2017260 repräsentativen Demokratie hat Zulauf, weil In seiner Beratung am 9. März 2017 konnte der die Schere zwischen arm und reich weiter ge- Ältestenrat unseren Spitzenkandidaten für die öffnet wird. Zukunftsängste aus realem Erle- Bundestagswahl, Dietmar Bartsch, begrüßen, ben greifen um sich trotz Wirtschaftswachs- der uns auch die Grüße von Sahra Wagen- tum. Weder Politiker, noch Mainstreammedien knecht übermittelte. Er dankte dem Ältesten- können diese noch wegschwatzen. Der Wahl- rat für sein aktives Mittun bei der Gestaltung sieg von Trump und seine rabiaten Attacken der Politik der Partei. auf das gewohnte Establishment haben den Die politische Lage wird sich im Wahljahr 2017 Schleier der vielen Scheinheiligkeiten auch in weiter zuspitzen, sowohl im Inneren des Lan- der EU zerrissen. Ratlosigkeit und Verwirrung des, in der EU als auch weltweit. Der Wahl- haben um sich gegriffen. kampf hat bereits von allen Seiten begonnen. Die Friedensfrage ist und sollte für DIE LINKE Die CDU/CSU setzen weiter auf Merkel, deren im Wahlkampf an erster Stelle stehen. Wo Stern jedoch im Sinken ist. Die SPD wechselt Vertrauensbildung fehlt, wird Misstrauen ver- ihre Spitze aus, und Martin Schulz setzt neue breitet, und die Gefahren einer militärischen Zeichen. Wir in der Linken haderten erst mit uns selbst. Die Führung folgte dann unserem Rat und der wachsenden Zustimmung in den Landesverbänden, [Sahra] Wagenknecht und 260 Quelle: DIE LINKE.: Dokumente des Ältestenrates und sei- Dietmar Bartsch als Spitzenkandidaten zu be- ner Mitglieder. URL: https://www.die-linke.de/partei/parteistruk- tur/kommissionen/aeltestenrat/erklaerungen-und-stellungnah- stimmen. Jetzt gilt es, unser Vertrauen zu ih- men-des-aeltestenrates/news/der-wahlkampf-hat-begonnen/ nen in die Wählerschaft hineinzutragen. (abgerufen am 19.03.2018). 140 —141

Eskalation bestimmen das Klima. Die Bestre- Leider hat es die Linkspartei nicht verstanden, bungen der Bundesregierung, die EU zu milita- rechtzeitig und wirkungsvoll dagegen zu hal- risieren, erfahren seit dem Brexit und der Inau- ten. Viele ehemalige Wähler haben nicht mehr guration des Präsidenten Trump einen neuen erkennen können, dass DIE LINKE weiter Ver- Schub; so sollen die Militärausgaben drastisch treterin ihrer Interessen für Frieden und soziale erhöht, ein militärisches EU-Hauptquartier ein- Gerechtigkeit sein will und fühlten sich nicht gerichtet und die Militäreinsätze mit deutscher mehr durch sie vertreten. Die Positionierung Beteiligung intensiviert werden. einiger leitender Funktionäre auch noch vor NATO und EU betreiben seit langem die Ein- dem Magdeburger Parteitag, dass DIE LINKE kreisung Russlands. Sanktionen, Manöver nun vor allem gestalterische Aufgaben zu lö- und die Dauerstationierung von NATO-Trup- sen habe, führte zu Unverständnis und Verun- pen an der russischen Westgrenze sowie die sicherung. Oft war die Frage zu hören, ob es Verstärkung um das Dreifache der Schnellen nun vor allem um die Regierungsbeteiligung Eingreiftruppe (NRF) verletzen die sicherheits- gehen soll. Und man hat bemängelt, dass kul- politischen Interessen Russlands. Der Frieden turelle und geschichtliche negative Erfahrun- in Europa kann nur mit und nicht gegen Russ- gen, so aus Mecklenburg-Vorpommern oder land erhalten werden. Sachsen-Anhalt schlecht analysiert und kaum Hinzu kommt, dass man sich in Deutschland in zur Positionsbestimmung herangezogen wer- Gestalt der AfD mit einer Rechtsaußen-Oppo- den. Der Parteivorstand ist gut beraten, wenn sition konfrontiert sieht, die dem neoliberalen er im Wahlkampf die Frage einer Regierungs- Lager entsprungen ist, extrem rechtsradikale beteiligung sehr bedacht unter Einbeziehung Kräfte aufsaugt und nun eigenständige, am- der Basis berät und entscheidet. Selbstver- bitionierte Machtansprüche stellt. Sie hat es ständlich erwartet die große Mehrheit in der verstanden, die Schwächen der traditionellen Partei und unserer Wählerschaft zugleich, dass neoliberalen Machthaber zu instrumentalisie- sie weiter und entschieden Protest gegen So- ren und große Teile des im Land wachsenden zialabbau, Rüstung und Kriegseinsätze leistet Protestpotentials an sich zu binden und zu mo- und auch vertritt. bilisieren, zumindest für Protestwahlkämpfe Die SPD mit Martin Schulz rückt mit einer Kri- unter dem Motto «Gegen die da oben». Durch tik der Agenda 2010 die Frage nach sozialer den Trump-Sieg fühlen sich Führung und An- Gerechtigkeit in den Mittelpunkt ihres Wahl- hänger der AfD bestätigt. kampfes und versucht, das Thema Armut und Reichtum zu besetzen. Für die Ursachen der ihrer Ergebnisse, Probleme, Widersprüche. Es wachsenden Spaltung in Arm und Reich ist ist an der Zeit, gegen Klischees des Kalten jedoch die herrschende Politik verantwortlich. Krieges, wie die Reduzierung auf das Wirken Solange das Wirtschaftswachstum zum do- des MfS, offensiv aufzutreten. Die Diskus- minanten Ziel der Politik erklärt wird und die sion um Andrej Holm zeigt, dass die Ausein- Verteilungsfrage ausgeklammert bleibt, wird andersetzung um die DDR durchaus ein gro- nichts über die Verteilung des Wohlstandes ßes Thema bleibt. Mehr denn je scheint aber innerhalb und außerhalb Deutschlands ausge- auch erforderlich zu sein, endlich die Lücke sagt. Wir als LINKE sollten mehr denn je Motor einer einseitigen Betrachtung der deutschen des Klassenkampfes für soziale Gerechtigkeit Nachkriegsgeschichte zu schließen. Gerade in sein und ihn in aller Breite im Wahlkampf mit Berlin sollte DIE LINKE neue Ansätze für eine Forderungen führen, wie: Kultur der Erinnerung an die geteilte Stadt _ Höhere Löhne und einen höheren ­ auslösen. Die unsäglichen Formularausfra- gesetzlichen Mindestlohn einschließlich ­ gungen Jahrzehnte nach dem Mauerfall ge- der Aufgabe aller Sonderregelungen. hören längst abgeschafft. Die protestierenden _ Rücknahme der Hartz IV-Regelungen ­ Studenten haben das besser verstanden und und Ende der prekären Arbeit. sich für Sachverstand, Versöhnung und sozi- _ Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen ale Gerechtigkeit auf dem so wichtigen Feld und Aufgabe der sachgrundlosen ­ des Wohnens stark gemacht. Für sie war klar, Befristung von Arbeitsverhältnissen. dass ein kompetenter und beliebter Streiter _ Eine lebensstandardsichernde Rente. für soziales Wohnen unbedingt ausgeschaltet _ Bezahlbares Wohnen. werden sollte, noch bevor er zum Zuge kom- _ Die Besteuerung von Reichtum und ­ men konnte. Im Landesvorstand setzte man Erbschaften. weniger auf eine mutige politische Auseinan- _ Regulierung der globalisierten Finanzmärkte. dersetzung und hoffte auf eine formale admi- _ Stärkung von Arbeitnehmerrechten. nistrative Entscheidung, die die Direktorin der Wähler und Nichtwähler, die sich in der DDR Uni dann auch als ihre Haltung getroffen hat. für ein antifaschistisches, nicht von Profitgier DIE LINKE sollte aufpassen, dass sie sich nicht und Kriegstreiberei dominiertes Deutschland schon frühzeitig ausbremsen lässt, noch bevor eingesetzt haben, wünschen sich eine diffe- sie sich in Regierungsverantwortung mit ihrer renziertere Debatte zur Geschichte der DDR, Hauptkompetenz auf dem Gebiet sozialer und 142 —143 gerechter Standards für Wohnen und Mieten andere politische Kultur pflegen. Die Basis hat entfaltet hat. Die Mieterhöhungen bei städti- einen Nerv dafür, wenn persönliche Animositä- schen Wohnungsbaugesellschaften deuten ten in die Öffentlichkeit getragen werden und darauf hin, dass die Miethaie und Investoren- lehnt das ab. Natürlich kann man, z. B. unter- lobby Morgenluft wittern. schiedlicher Meinung dazu sein, ob ein Inter- Viele der linken Nichtwähler der LINKEN sind view mit der AfD-Vorsitzenden angebracht ist. in Bürgerinitiativen und Massenvereinen ak- Aber genau hingeschaut, war natürlich nicht tiv, so im Verein der Nutzer von Grundstücken zu übersehen, dass [Sahra] Wagenknecht die (VDGN) und der Volkssolidarität. In der Zeit Überzeugendere war. Ihre Argumente sind ge- der letzten Regierungsbeteiligung war, was eignet, sich in der Sache klar und erfolgreich den VDGN betrifft, viel Porzellan (u. a. Altan- in aller Öffentlichkeit mit den Rechtspopulisten schlüsse) zerschlagen worden. Ohne Not ließ auseinanderzusetzen, besonders dort, wo sie man sich vom Koalitionspartner auch bei Miet- Positionen der Linken besetzen will (u. a. bei fragen auf antisoziale Positionen drängen, den «Abgehängten», zu Russland, bei Kritik an was zu einem immensen Vertrauensverlust den Regierenden). Einen anderen Weg, als die führte. Wir mussten schmerzlich erfahren, wie besseren Argumente verständlich, mit klarem schwierig es ist, verlorenes Vertrauen wieder Profil vorzubringen, haben wir nicht. zu gewinnen, wieder glaubwürdig zu werden. Auch in der komplizierten Flüchtlingsfrage, die Von der LINKEN erwartet man, dass sie sich die Gemüter Vieler bewegt, sollten Probleme nicht zu den Etablierten drängt. Genau damit und Differenzen im Rahmen der Partei und versucht die AfD, gegen DIE LINKE zu punk- nicht über die Medien ausgetragen werden. ten. Und auch die Etablierten würden gern Die Gesellschaft in der BRD befindet sich in mit dem Motto denunzieren: «Die sind ja auch einem Prozess tiefgehender Veränderun- nicht anders.» Das dürfen wir nicht zulassen gen. Was sich in anderen EU-Ländern, wie in und müssen dies im Wahlkampf und in Regie- Frankreich, den Niederlanden, in Polen oder rungsverantwortung klar machen. Ungarn vollzieht, entwickelt sich spürbar auch Im Wahlkampf wird die Haltung zur AfD einen in Deutschland. Zweistellige Wahlergebnisse zentralen Platz einnehmen. Über den Umgang für die AfD sprechen für sich. Und all dies mit ihr lässt sich vortrefflich streiten. Aber erfolgt unter massivem Einsatz der Massen- es sollte solidarisch und sachlich zugehen. medien. Diese sind keinesfalls Mittel der Mei- DIE LINKE will eine vom Mainstream prinzipiell nungsfreiheit, sondern ein politisches Element im psychologischen Krieg, eine gefährliche führenden Eliten der EU übernommen, eine Streitmacht zur Manipulierung des Massenbe- Überdehnung ist eingetreten, die systemi- wusstseins, des Vorschreibens von einseitiger schen Fehlleistungen von Maastricht können Information und des Denkens. nicht mehr übertüncht werden. Die meisten Mitgliedsländer der EU können die «heilige Die EU in der Krise Kuh» von Maastricht, die Forderung nach DIE LINKE hat sich im Zusammenhang mit strenger Einhaltung der Schuldengrenze, nicht dem Kongress der Europäischen Linken in Ber- bedienen. Das drastische Vorgehen vor allem lin intensiv mit der EU beschäftigt. Auch der Deutschlands gegen eines der schwächsten Ältestenrat hat dazu beigetragen. Wir waren EU-Mitglieder, Griechenland, hat viel Unmut uns einig, dass Ungemach für die Völker droht. ausgelöst, auch in anderen Ländern. Und die Es geht auf eine wachsende soziale Katastro- griechische Krise schwelt weiter. Natürlich ist phe hin. Schwelende, tiefgreifende Widersprü- uns nicht entgangen, dass Deutschland vor che malen das Gespenst der Auflösung der EU allem darauf bedacht ist, auf Kosten anderer an die Wand. seine Exportwirtschaft weiter zu stärken. Auch Wer einmal in Deutschland glaubte, dass die das findet, natürlich, keinen Beifall. EU mit dem Maastrichter Vertrag auf der siche- Mit der Flüchtlingswelle nach Europa ver- ren Seite angekommen war, muss sich heute, schärfte sich die Lage beträchtlich. Das eigen- 25 Jahre danach eingestehen, dass die Reali- mächtige Agieren der Bundeskanzlerin und tät anders aussieht. Wenn schon der Bundes- das unprofessionelle Vorgehen der deutschen präsident in seiner gesalbten Jubiläumsrede und EU-Beamten brachten das Fass zum über- in Maastricht mahnt, dass bei der anfängli- laufen. Die vielen Treffen des Spitzenpersonals chen Euphorie der EU-Eliten die Bürger nicht der EU und der Mitgliedstaaten vermittelten ausreichend mitgenommen worden seien, eher den Eindruck von Ratlosigkeit und Akti- wird deutlich, dass man in den Führungseta- onismus. Was geschieht ist soziale Zerstörung gen nicht mehr an den Defiziten vorbeigehen und wachsende Armut als politisches Ziel, kann. DIE LINKE hat seit Jahren kritisiert, dass und man hofft offensichtlich auf diese Weise der Vertrag von Maastricht die Interessen des die Krise in den Griff zu bekommen. EU-Kom- Kapitals vertritt und nicht die der Bürger. Es missionspräsident Juncker hat fünf mögliche ist eine gefährliche Schieflage eingetreten. Varianten für die EU-Entwicklung ins Spiel ge- Offensichtlich haben sich die sogenannten bracht. Keine davon könnte eine der Linken Eu- 144 —145 ropas sein, aber eine Aussage hat er gerade für der direkte Vertreter des Monopolkapitals und uns gemacht: DIE LINKE ist herausgefordert, des militärisch-industriellen Komplexes an der sich selber Klarheit zu verschaffen und Orien- Spitze der Macht in den USA. tierung für ihren Kampf gegen den Kurs der Mit großer Sorge schauen wir nach Osteu- Militarisierung der EU, der Verschärfung der ropa. Die NATO und die EU haben sich bis an Ausbeutung, der sozialen Zerstörung und des die Grenze Russlands erweitert, bis über die Abbaus der Demokratie zu geben. Der Berliner Frontlinie zu Beginn des faschistischen Über- Kongress der Europäischen Linkspartei kann falls auf die Sowjetunion hinaus. Versprechen, dafür nur als ein Anfang gesehen werden. die beim Abschluss des 2+4-Vertrags gemacht Einzeln oder mit den unmittelbaren Nachbarn wurden, sind nicht eingehalten worden. Die- versuchen die besonders betroffenen Länder ser Grundlagenvertrag wird auf das Gröbste Lösungen zu finden, gegen die Bestrebungen gebrochen. Über das Gebiet der ehemaligen der deutschen Bundesregierung. Auch die DDR rollen Panzer der NATO und die Bundes- südlichen EU-Länder rücken näher zusammen republik ist führend beteiligt. und überlegen Strategien gegen die reichen Wie oft tönten westdeutsche Politiker, dass Nordländer der EU. Auf diesem Hintergrund von deutschem Boden nie wieder Krieg aus- wittern die Nationalisten und EU-Gegner Mor- gehen darf. DIE LINKE steht in der Verantwor- genluft, sie werden zu einer realen Gefahr, tung, dass Massen den Kriegstreibern in den auch für das Establishment der EU. Arm fallen. Großbritannien hat sich faktisch schon aus der In der Ukraine steht die BRD auf der Krieg EU verabschiedet. Ungarn und andere EU-Län- führenden Seite. Auch im Vorsitz der OSZE der halten sich nicht an die gegen Russland im vergangenen Jahr wurde nach Minsk 2 verhängten Sanktionen. Polen trägt seine in- faktisch nichts zur Umsetzung der Minsker nenpolitischen Fragen in die EU und verschärft Vereinbarung getan, so um seine politischen die Gegensätze. Hilflosigkeit bereitet in Brüs- Grundsatzpositionen über die Teilnahme der sel, Deutschland, Frankreich und anderen Vertreter vom Donbass und Lugansk an Ver- westeuropäischen EU-Ländern das Vorgehen handlungen sowie die verfassungsmäßige des neuen US-amerikanischen Präsidenten Absicherung des autonomen Status und die gegenüber der EU. Seine Wahlaussagen und Durchführung von Wahlen in diesen Gebieten der Schulterschluss mit der britischen Regie- zu gewährleisten. Über weiterführende politi- rungschefin verheißen nichts Gutes. Trump ist sche Dialogangebote war nichts zu hören. Was tun? der Kampf gegen die wachsende Kriegsgefahr, 1. Die Parteivorsitzenden, Katja Kipping und gegen Militarisierung, Hochrüstung und Atom- Bernd Riexinger, haben einen umfangreichen waffen, für Abrüstung und Vernunft. Programmentwurf für die Bundestagswahlen 6. Der Ältestenrat wendet sich für den Oster- vorgelegt. Er ist auf der Web-Seite der Partei marsch mit einem Appell «Nieder mit den Waf- zu lesen. In der Partei und mit Sympathisan- fen» an die Öffentlichkeit. ten ist sein gründliches Studium zu sichern, um Rede und Antwort stehen zu können und Für die Erneuerung einer Europa-Diskussion Verbesserungen anzubringen. Dafür sollten in der Partei DIE LINKE. Erklärung auch die Regionalkonferenzen genutzt wer- des Ältestenrates (6. März 2018)261 den. Ein Massenmaterial zum Programm ist für das Gespräch mit den Bürgern, Freunden und I. Ansatzpunkte für eine antikapitalistische­ Verwandten für Infostände und Steckaktionen EU-Politik anzufertigen. Ansatzpunkte für eine antikapitalistische 2. Das Programm muss zum Programm der EU-Politik sollen einen notwendigen Prozess ganzen Partei und von der ganzen Partei getra- gesellschaftlicher Entwicklung einleiten und gen werden. tiefgreifende Veränderungen für einen Sozia- 3. Die benannten Spitzenkandidaten sind als lismus 2.0 – einem Sozialismus mit menschli- Kandidaten der ganzen Partei zu betrachten und chem Antlitz – für die Praxis formulieren. ihre Bemühungen sind aktiv zu unterstützen. Die Linkskräfte in der EU, allen voran die Eu- 4. Die Kandidaturen für den Bundestag erfolgen ropäische Linkspartei, müssen sich den Her- über Landeslisten. Die Landesverbände sind ausforderungen stellen, ihre Kräfte formieren aufgefordert, Kandidaten zu wählen, die durch und gemeinsam Wege aus der Krise suchen. ihr selbstloses und qualifiziertes Agieren ein ho- Unter Beachtung nationaler Besonderheiten hes Ansehen unter den Wählern haben und so gilt es, auf der Ebene der Europäischen Union den Erfolg der Wahlen gewährleisten helfen. 5. Das Anliegen der LINKEN sollte es sein, sich im Bunde mit den vielen Friedenskräften den 261 Quelle: DIE LINKE.: Erklärungen und Stellungnahmen des gefährlichen Entwicklungen entgegenzustel- Ältestenrates. URL: https://www.die-linke.de/partei/parteistruk- tur/kommissionen/aeltestenrat/erklaerungen-und-stellungnah- len und sich für Vertrauensbildung zu engagie- men-des-aeltestenrates/news/fuer-die-erneuerung-einer-euro- ren. Die zentrale Frage bleibt die Friedensfrage, pa-diskussion-in-der-partei-die-linke/ (abgerufen am 17.04.2018). 146 —147 einen solidarischen Klassenkampf in vielfälti- Diese europäische Integration beruht auf vier gen Formen zu entfalten. Auf nationalen Par- Gründungsverträgen: dem Vertrag zur Europäi- teitagen sollten für die Wahlen zum Europäi- schen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (1951), schen Parlament 2019 Wahllisten erstellt und dem Vertrag zur Gründung der Europäischen gemeinsame Positionen auf dem Kongress der Wirtschaftsgemeinschaft und dem der Europä- Europäischen linken Partei für den Wahlkampf ischen Atomgemeinschaft (1957) sowie dem erarbeitet werden. Das kann für das politische Vertrag über die Europäische Union, auch Ver- Überleben der EU-Linken aber nur der Anfang trag von Maastricht genannt (1992). Die EU be- sein. Es vollzieht sich eine Zäsur des Überle- findet sich am Beginn einer neuen Phase ihrer bens der kapitalistischen Gesellschaft, die die Entwicklung. Gegründet in der Zeit des Kalten Lebenschancen der Menschen auf dieser Erde Krieges standen sich NATO und der Warschauer zerstören könnte. Vertrag, die EG und der RGW als Gegner mit ih- Im Verlauf der Nachkriegsgeschichte ist mit ren gesellschaftlichen Systemen gegenüber. der heutigen Europäischen Union (EU) ein Auf der Grundlage gegenseitiger atomarer komplexes Gebilde entstanden: Die EU ist Bedrohung existierte ein Gleichgewicht des keine Föderation wie die USA und auch keine Schreckens mit ständiger Aufrüstung und Be- Organisation für die Zusammenarbeit von Re- drohung, aber ohne direkte Kriegsführung. gierungen wie beispielsweise die UNO. In den Die westliche Seite verhinderte durch ständige Jahren haben die Mitgliedsstaaten ihre eige- Sanktionen den Austausch von strategischen nen Organe eingerichtet: das Europäische Par- Informationen in wissenschaftlich-technischen lament, den Rat, die Europäische Kommission, Bereichen. Mit dem Ende des Realsozialismus den Europäischen Gerichtshof und den Euro- in Europa und dem Zerfall der Sowjetunion – so päischen Rechnungshof. wurde erklärt – sei der Kalte Krieg beendet. Die Mitgliedsländer treten einen Teil ihrer Wie der Verlauf der letzten bald drei Jahr- staatlichen Souveränität an diese Organe ab. zehnte zeigt, wachsen militärische Bedrohun- Dieser Zusammenschluss von Hoheitsrechten gen, und es werden heiße Kriege geführt. heißt auch «Europäische Integration». Prak- Die NATO und EU haben sich nach Osteuropa tisch bedeutet das: Die Mitgliedsländer ent- erweitert. Sanktionen gegen Russland werden scheiden demokratisch über wichtige und auf als Mittel des Kalten Krieges eingesetzt. das gemeinsame, europäische Interesse abzie- Die Gründung vor 60 Jahren erfolgte im Sinne lende Fragen. des Neoliberalismus, d. h. eines Marktfun- damentalismus. Die Staatsquoten werden Vor allen Dingen werden sie die Wiederherstel- zurückgeführt, staatliche Aufgaben werden lung des Nationalstaates ins Feld führen. Sie privatisiert und der Kapitalverkehr wird dere- gewinnen so jenes Volksempfinden für sich, guliert. Diese Entwicklungen sind im Vertrag das am weitesten verbreitet ist und am leich- von Lissabon festgeschrieben. testen zur Beute reaktionärer Manipulationen Die neue Phase der EU wird mit sog. Reformen wird, das patriotische Gefühl. den Sozialabbau beschleunigen, den Gegen- Die erste Aufgabe, die angepackt werden muss satz zwischen Reichtum und Armut verschär- und ohne deren Lösung jeglicher Fortschritt fen, die Rechtsentwicklung beschleunigen auf dem Papier bleibt, ist die endgültige Besei- und militärische Kräfte und die Gefahr ihrer tigung der Grenzen, die Europa in souveräne Einsatzfähigkeit verstärken. Staaten aufteilen. Ein freies und geeintes Eu- Entgegen der vorherrschenden verbreiteten ropa ist die unerlässliche Voraussetzung für die Meinung zum Gründungsprozess des politi- Verbreitung der modernen Kultur, deren Ent- schen Europas ist festzuhalten: 1941 verfassten wicklung die totalitäre Epoche aufgehalten hat. die auf der italienischen Insel Ventotene festge- Die Europäische Union wurde mit dem Ziel haltenen antifaschistischen Aktivisten Ernesto gegründet, den Kriegen zwischen Nachbarn Rossi und Altiero Spinelli ein Manifest für ein endgültig ein Ende zu bereiten, die ihren Höhe- freies und vereinigtes Europa, das für die Links- punkt im Zweiten Weltkrieg gefunden hatten. kräfte auf dem alten Kontinent Richtschnur war. Und die Gewerkschaften und linken Parteien Die Kernthesen lauteten: Die Niederlage hatten einen nicht geringen [Anteil] an dieser Deutschlands wird nicht automatisch die Neu- politischen Zielsetzung. ordnung Europas mit sich bringen, die unse- Die Darstellung der gegenwärtigen Situation rem Kulturideal entspricht. Die reaktionären des Kapitalismus wird holzschnittartig in zwei Kräfte verfügen über geschickte Leute und gegensätzlichen Positionen beschrieben. Kader, die zum Befehlen erzogen worden sind In vielen Stellungnahmen wird die jetzige Si- und ihre Vorherrschaft hartnäckig verteidigen tuation insgesamt positiv bewertet. Seit meh- werden. Im kritischen Moment werden sie sich reren Jahren gehe es mit der Wirtschaft in der geschickt zu verstellen wissen und beteuern, Euro-Zone mehr oder weniger aufwärts. Ein wie sehr ihnen die Freiheit, der Friede, der all- baldiges Ende dieses Aufschwunges zeichne gemeine Wohlstand der benachteiligten Klas- sich gegenwärtig nicht ab. Wesentlichen Anteil sen am Herzen liege. daran hat allerdings die Nullzins-Politik der EZB. 148 —149

Diese Argumentation ist nur dann überzeu- _ Es bestehen nach wie vor erhebliche öko- gend, wenn sie sich auf statistische Durch- nomische und soziale Differenzen zwischen schnittswerte bezieht und verliert dann ihren den einzelnen Mitgliedsländern. Die Einkom- Erklärungswert, sobald gesellschaftliche Wi- mens- und Vermögensungleichheit wächst dersprüche gedeutet werden sollen. Dann er- innerhalb und zwischen den Staaten. Die scheint die kapitalistische Entwicklung als ein Lohnungleichheit zwischen den Geschlech- Prozess des Niedergangs. tern ist in keinem Land behoben. _ Grundlegende Konstruktionsfehler der Euro­ Wesentliche Probleme sind in der EU zone bestehen fort. Ein Kerneuropa ver- nach wie vor nicht gelöst: schärft die Lage. _ Es gibt Massenarbeitslosigkeit, wobei die hohe Jugendarbeitslosigkeit eine besondere Vorsichtige Versuche diese Konstruktionsfeh- Rolle spielt. ler zu korrigieren wurden durch die Europäi- _ In der europäischen Parteienlandschaft er- sche Kommission 2017 durch den «Vorschlag starken nationalistische und rechtspopulis- für eine interinstitutionelle Proklamation zur tische Parteien. europäischen Säule sozialer Rechte» (ESSR) _ Die Wahlen in der BRD, in Tschechien, Ös- gemacht. terreich und Italien haben zu tiefgreifenden Festgelegt wird, dass für wichtige Bereiche politischen Veränderungen in diesen Län- wie Arbeitsrecht, Mindestlöhne, Bildung und dern geführt. Um diese zu erfassen, reichen Erziehung, Gesundheitsfürsorge sowie Orga- Begriffe wie «Rechtspopulismus» nicht aus. nisation der sozialen Schutzsysteme die Mit- Was sich vollzieht sind Räume, in denen Ele- gliedsstaaten und – in vielen Bereichen – die mente faschistischer Ideologie und Politik Sozialpartner zuständig sind; also die EU kei- gesellschaftlich wirksam werden. In diesem nen Einfluss hat. In Fortsetzung der Grund- Sinne ist es berechtigt davon zu sprechen, rechtscharta des Lissabon-Vertrages werden dass die BRD mit den Wahlen zum Deut- die Rechte sehr unspezifisch formuliert, so schen Bundestag und dem Einzug der AfD dass Rechtsverletzungen kaum festgestellt eine «Europäische Normalität» erreicht hat werden können. Folglich gibt es auch keine wie sie in Ungarn, Polen, Frankreich, Italien Instrumente mit denen ein Über- oder Unter- und weiteren Ländern schon länger exis- schreiten von Schwellenwerten sichtbar ge- tiert. macht werden könnte. Diese Säule sozialer Rechte verhindert nicht die Fortsetzung der vestieren in nationale Volkswirtschaften Druck neoliberalen Politik, weder in der EU noch in ausüben. Dies erklärt einen Zustand, in dem den einzelnen Ländern. So können beispiels- sich wenige Superreiche einen großen Teil des weise die von Emmanuel Macron geplanten gesellschaftlichen Reichtums aneignen und neoliberalen Reformen des Arbeits- und Sozial- Produktion sowie Reproduktion kontrollieren. rechts in Frankreich nicht aufgehalten werden. Daraus resultiert das asymmetrische Herr- Die Ablösung einer etatistischen Steuerungs- schaftsverhältnis, in dem der verbleibende Rest politik bis in die 70er und 80er Jahre in den der Gesellschaft – die Mehrheit von 90 Pro- einzelnen Ländern der EU durch einen neoli- zent – sehr gemischt und in verschiedene For- beralen Reformeifer war verbunden mit einer mationen gespalten ist. Große Teile der Mittel- gehörigen Portion historischen Optimismus‘, schichten wurden beispielsweise mit neuen der einen Beitrag zu einer bewussten Gesell- Freiheitsversprechen geködert. Vielen erscheint schaftsgestaltung gar nicht erst aufkommen heute die Restitution von Elementen der «sozia- ließ. Dieser Verzicht auf ein Drittes zwischen len Marktwirtschaft» als erstrebenswert. Rück- fordistischer Steuerung von Arbeit und Kapital blickend lässt sich sagen, dass die «Soziale und neuer marktförmiger Kontrolle hat dazu Marktwirtschaft» immer Kapitalismus war und geführt, dass sich in der europäischen Staa- weniger die Institutionalisierung des Sozialen. tengemeinschaft in den letzten zwei bis drei Errungenschaften im sozialen Bereich standen Jahrzehnten keine Kraft entwickelt hat, die in unter dem Vorbehalt, dass die Kapitalverwer- der Lage wäre, eine am «Gemeinwohl» orien- tung erhalten bleibt. In der Folgezeit fehlte es an tierte Politik zu formulieren oder gar durch- relevanten Akteuren, die die erreichten sozial- zusetzen. Daraus folgten über Jahrzehnte für staatlichen Errungenschaften verteidigt hätten. Europa tiefe wirtschaftliche Disparitäten und Europäische Wirtschaftspolitik müsste im Sinne zwischenstaatliche Konflikte. ökonomischer Konvergenz gedacht werden.­ Die Staaten müssen sich das Vertrauen von Auszuloten ist, inwieweit es möglich ist, Misch­ wenigen oligopolistisch agierenden globalen wirtschaft in verschiedenen Sektoren wieder Finanzfonds erwerben, um nicht in den Bank­ auf die Agenda zu setzen. So könnten Banken rott getrieben zu werden. Die Kapitaleigner und Versicherungen verstärkt öffentlicher Kon­ können sowohl direkt durch Finanzierung oder trolle unterworfen werden, wie es beispiels- Nichtfinanzierung (Steuerpolitik) des Staates weise in der Krise 2007/8 möglich gewesen oder indirekt durch Investieren oder Nichtin- wäre. Großunternehmen könnten zumindest 150 —151 in der Bundesrepublik entsprechend dem Ar- men, der Aushöhlung der Tarifautonomie und tikel 14, Abs. 2 «Eigentum verpflichtet» in die Kürzungen im Bereich der sozialen Sicherungen Pflicht genommen werden (z. B. Siemens). Die sowie den Wandel vom Managerkapitalismus Mitbestimmung als Beitrag zu einer Demokra- zur Herrschaft des Shareholder Value. All das tisierung unternehmerischer Entscheidungen geschah ohne bemerkenswerten Widerstand. könnte durch gewerkschaftliche Kämpfe aus- In den kommenden Jahren wird sich die Situa- geweitet werden. tion noch zuspitzen, wenn Globalisierung und Die Verwandlung der Kapitalmärkte in Finanz- Digitalisierung nicht in engem Zusammen- märkte trieb die Herrschaft der Vermögens- hang mit der Verwertungslogik des Kapitals besitzer und ihrer Verwaltungsgesellschaften begriffen wird. Dieses neue Akkumulations- voran. Immer neue Finanzprodukte wurden regime zeichnet sich dadurch aus, dass Algo- kreiert, um die Spekulation in ungeahnte Hö- rithmen zur wichtigsten Maschine, Daten zum hen zu treiben. Technische Entwicklungen, essentiellen Rohstoff und Informationen zur Kapitalakkumulation und Geschäftstüchtigkeit Ware werden. Der aktuelle Kapitalismus trans- schaffen für eine kleine Schicht von Investoren formiert sich erfolgreich und schafft es, sich oder Rentiers unermessliche Vermögen. täglich neu zu erfinden verbunden mit dem Damit verbunden ist eine zunehmende Ver- Versprechen von Freiheit und Teilhabe. Auch schuldung nicht nur der führenden kapitalisti- bei der angeblich demokratisch organisierten schen Staaten, sondern auch der Unternehmen Digitalisierung (Plattformökonomie) bleibt das der Realwirtschaft und der Privathaushalte. Streben nach Profit zentral. Diese Ambivalenz Zeitgleich verfestigen sich Tendenzen rückläu- aufzuzeigen wäre ein erster wichtiger Schritt. figer öffentlicher Dienstleistungen und Leis- Stattdessen wird in der EU die Entfesselung tungen für die soziale Sicherheit. der Märkte und des Kapitalismus mit großer Diese Entwicklungen sind in den EU-Ländern Energie vorangetrieben. Die Anpassung der verschieden stark ausgeprägt, spielen aber Rahmenbedingungen an die Marktsteuerung zwischen den Staaten eine zentrale Rolle. Die führt letztlich dazu, dass sich die Staaten einer Entwicklung ist gekennzeichnet durch stag- «marktkonformen Demokratie» unterwerfen, nierende oder abnehmende Löhne im unteren wie sie insbesondere von Deutschland gefor- Einkommensbereich, Ausweitung von unge- dert wird. schützten bzw. prekären Beschäftigungsver- Den Kapitalismus zivilisierende Forderungen hältnissen, erodierenden Tarifvertragssyste- wurden lange Zeit durch die real existierende staatssozialistische Konkurrenz begünstigt, und sozialer Sicherheit zu begegnen. In Gesell- wenn auch nur indirekt. schaften vorhandene autoritäre Mentalitäten Überlegungen zur Beendigung der Aus­teri­ werden angesichts der enttäuschenden Erfah- tätspolitik und zu wirklichen Reformen wer- rungen der Deprivation durch rechtspopulisti- den dadurch erschwert, dass heute jedwede sche Strömungen aufgefangen und verstärkt. Kritik unter den Verdacht einer staatlich re- Einen wesentlichen Beitrag für die Empfäng- gulierten Planwirtschaft gestellt wird. Infolge lichkeit der Bevölkerung für rechtsradikale des Niedergangs und letztlichen Scheiterns Forderungen in den neuen Bundesländern hat des Realsozialismus wird eine demokratische, die Erfahrung der Herabsetzung, Diskriminie- zukunftsfähige und realistische sozialistische rung oder Entwürdigung ihrer Lebensleistung Perspektive diffamiert. Das gilt auch für eine in der DDR geleistet. Auch nach dem Ende der Mehrheit der Bevölkerung einschließlich der DDR bleibt ihre ehemalige Existenz ein Dorn Menschen, die in prekären Verhältnissen le- im Fleisch des Kapitalismus. Wie sonst ist es ben, weil sie von dem Versprechen «allen zu erklären, dass sie nach wie vor mit Nach- werde es besser gehen» (das gebrochene druck delegitimiert wird. Mit den Hinweisen Wahlversprechen von den «blühenden Land- auf Planwirtschaft und Sozialismus wird jede schaften») nachhaltig enttäuscht wurden und Alternative zum Kapitalismus diffamiert. Diese außerdem einer permanenten Indoktrination Tendenzen sind durchaus auch in etablierten ausgesetzt sind. Gegenpositionen müssen Parteien anzutreffen. Die Kanalisierung des deutlich formuliert und öffentlich breit disku- ökonomischen Konfliktes auf das Volk im Rah- tiert werden. men bestehender nationaler Grenzen versus Der Aufwärtstrend des Rechtspopulismus den Fremden, den Zugewanderten oder den in allen europäischen Ländern ist Ausdruck Migranten verstärkt die Bereitschaft, mit Ge- einer tiefsitzenden Enttäuschung über die walt gegen diese vorzugehen. Der Rechtspo- ungerechten Verhältnisse in den kapitalisti- pulismus holt sie bei den Empfindungen der schen Ländern und der Ohnmacht resultie- Benachteiligung ab, verstärkt diese und findet rend aus dem Gefühl der Machtlosigkeit. Die im Fremden einen Sündenbock. spezifischen nationalen Färbungen entstehen Alle Diskussionen um die Beseitigung der vornehmlich aus der Schwäche bestehender Fluchtursachen müssen berücksichtigen, dass Systeme, den Ungerechtigkeitserfahrungen es nicht darum gehen kann, dass Europa sich mit Konzepten real erfahrbarer Gerechtigkeit noch stärker abschottet (Frontex), die Gren- 152 —153 zen in afrikanische Länder vorverlegt werden zent. Europaskeptiker und das rechte Lager (EU-Grenzschutzmissionen) oder die Situa- triumphieren bei der Wahl. Diese Rechtsver- tion von Schutz Suchenden noch repressiver schiebung erschüttert die politische Nach- gestaltet. Eine Befriedung kann nur gelingen, kriegsordnung und verschärft die Krise der wenn die Existenzbedingungen in den Heimat- europäischen Union massiv. ländern auf ein Niveau gehoben werden, die eine menschenwürdige Existenz garantiert. Es II. Europa ist größer als die EU kann zukünftig nicht darum gehen, an Symp- Ohne oder gar gegen Russland ist europäische tomen zu kurieren, sondern eine Veränderung Politik realitätsfern und gefährlich. Die Weiter- der politischen und ökonomischen Machtver- entwicklung der EU kann nur als Friedenspro- hältnisse und eine daraus resultierende Poli- jekt gelingen. Sanktionen und Konfrontation, tik – nicht zuletzt der Handels- und Wirtschafts- antirussische Hetze bedrohen aber den Frie- politik – wäre dringend notwendig. Dies kann den. Die Gefahr eines großen Krieges ist nicht nur durch Regelungen erreicht werden, die gebannt, auch nicht in Europa. Der Westen, sich gegen die dominanten Marktkräfte rich- allen voran die USA, haben ihr Versprechen ten. Die soziale Frage des 21. Jahrhunderts beim Abschluss des 2+4-Vertrages gebro- ist die Frage nach dem kumulierten Reichtum chen, die NATO nicht nach Osten zu erweitern. und der Verteilung nach innen und außen. Heute stehen NATO-Truppen an der russischen Ohne einen glaubhaften Richtungswechsel Westgrenze, und nach den Brüsseler Plänen in der Politik werden die Rechtspopulisten in sollten weitere 800 km in der Ukraine dazu Österreich, Frankreich, den Niederlanden oder kommen. Provozierende Militärmanöver wer- Italien – ganz zu schweigen von den Ländern, den veranstaltet. Mit Antiraketensystemen soll in denen schon rechtspopulistische Parteien eine Gegenwehr gegen nukleare Erstschläge regieren wie in Ungarn oder Polen – weiteren der NATO verhindert werden. Eine beispiellose Zulauf erhalten mit unabsehbaren Konsequen- Hetze gegen Russland soll die «Drang nach zen. Dies zeigte sich bei den Wahlergebnissen Osten»-Politik wieder salonfähig machen und zum italienischen Parlament im März dieses den Menschen die Hirne vernebeln. Die histori- Jahres. Die Regierungspartei, die Partito De- schen Erfahrungen sollen vergessen gemacht mocratico (PD), erreichte nur 18,9 Prozent der werden, auch die der Stalingrader Schlacht. Stimmen; zusammen mit anderen linken Kräf- Der Sieg der Roten Armee ließ vor 75 Jahren ten kam das Mitte-Links-Bündnis auf 22,9 Pro- das Ende der Naziherrschaft erahnen. Die Pariser Charta, die eine Friedensordnung gungspolitik zählen will, muss eine Reihe von nach der Wende verheißen sollte, wurde an Anforderungen erfüllen. So müssten die Mili- die Wand gefahren. Der Westen fühlte sich als tärausgaben regelmäßig gesteigert werden. Sieger im Kalten Krieg und wollte mit Russland Jeder, der bei PESCO mitmacht, verpflichtet keine Beziehungen auf gleicher Augenhöhe, sich, an mindestens einem großen Rüstungs- gleiche und gemeinsame Sicherheit. Versu- projekt teilzunehmen. Jetzt sei der Zeitpunkt che, an die Ostpolitik von anzu- gekommen, dass Europa voranschreitet mit knüpfen, wurden durch die «Atlantiker» vom der Sicherheits- und Verteidigungsunion. Die Regierungstisch genommen. Die Beziehungen Befürworter sehen darin nämlich einen ersten mit Russland verschlechterten sich Schritt für Schritt hin zu einer EU-Armee. Die EU treibt Schritt und mündeten schließlich in einer bei- unübersehbar die Zusammenarbeit in Sachen spiellosen Russophobie, die nicht erst mit der Verteidigungsunion voran und gefährdet damit Eingliederung der Krim ihren Anfang nahm. die noch bestehende Friedensordnung. Die Eu- Konstruktive Beziehungen mit Russland sind ropäische Union sollte keine Kernaufgaben der von zentralem Interesse einer friedlichen und NATO übernehmen in dem Sinne der kollektiven entmilitarisierten Ordnung in Europa. Für einige Verteidigung, also Bündnis- und Landesvertei- mittelosteuropäische Staaten und konservative digung: im Gegenteil; die wachsenden internen Militärs in der NATO verkörpert dagegen Putins Widersprüche des NATO-Militärbündnisses Russland eine Fortsetzung des zaristischen und sollten die EU ermutigen, in Anknüpfung [an] sowjetischen Imperialismus. Mit der NATO-Er- die Schlussakte von Helsinki, die KSZE zu be- weiterung, dem Kosovokrieg, dem Irakkrieg, leben. Die KSZE wurde 1995 offiziell in «Orga- der Libyenintervention etc. soll eine militärische nisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Abgrenzung und ein wirtschaftlicher «Drang Europa» (OSZE) umbenannt. Zu ihren wichtigs- nach Osten» gerechtfertigt werden. Mit der Ver- ten Zielen zählen die Schaffung von Sicherheit, teidigungskooperation «PESCO», einer Militär- Konfliktverhütung und Konfliktmanagement, koalition der Willigen, ist jetzt die «schlafende der Schutz von Menschenrechten, Demokratie Schönheit» der europäischen Verteidigungspo- und Rechtsstaatlichkeit sowie Abrüstung und litik wieder erweckt worden. Nicht alle EU-Staa- Terrorismusbekämpfung. Im Zuge des Konflik- ten – aber immerhin 20 oder mehr – kooperieren tes in der Ukraine ist die OSZE zuletzt wieder in stärker bei Militärprojekten. Jedes Land, das den Mittelpunkt der europäischen Sicherheits- zur Gruppe der Pioniere in Sachen EU-Verteidi- politik gerückt. 154 —155

Für eine neue Ostpolitik zu streiten muss ein europäischen Ostpolitik muss es sein, das besonderes Anliegen der Partei DIE LINKE konstruktive Engagement Russlands durch werden, wie es ein auf dem Magdeburger Par- neue Kooperations- und Integrationsangebote teitag einmütig gefasster Grundsatzbeschluss zu fördern und seine Verankerung in Europa­ gefordert hat. Das Gebot der Stunde ist, Druck durch enge politische, wirtschaftliche und ­ auf die Regierenden auszuüben, um wieder kulturelle Beziehungen irreversibel zu machen. normale Beziehungen mit Russland herzustel- Russland bleibt ein wichtiger Partner, auch len. wenn es jetzt nach außen mit neuem Selbstbe- DIE LINKE kann sich hierbei auf Wohlwollen wusstsein nationale Interessen vertritt und im in der Bevölkerung stützen. Man will keinen Inneren einen eigenen Weg verfolgt, der viel- Krieg. Das brachte auch der Appell der 60 her- fach asynchron zu dem der EU verläuft. Ohne vorragenden Politiker und Persönlichkeiten intensive Partnerschaft mit Russland kann es «Wieder Krieg in Europa? Nicht in unserem weder eine gesamteuropäische Friedensord- Namen!» oder eine Denkschrift des Willy-­ nung noch eine Lösung der Konflikte wie in der Brandt-Kreises eindrucksvoll zum Ausdruck. Ukraine, im Nahen Osten oder auf dem Balkan Einflussreiche Wirtschaftsmanager wollen geben. für beide Seiten vorteilhafte Wirtschaftsbe- DIE LINKE wendet sich gegen zunehmende ziehungen. Schließlich geht es auch um mehr Missachtung der Lehren der Geschichte, Ge- Arbeitsplätze. schichtsvergessenheit und -fälschung. Sie Vertrauen ist nötig. Es wächst durch Städte- setzt sich mit der Propagierung von Feindbil- partnerschaften, Begegnungen junger Leute, dern und neuen Trennungslinien auf dem eu- Austausch der Kulturen. Nicht wenige haben ropäischen Kontinent auseinander und fordert sich davon durch die feindselige Politik der Re- die besondere Verantwortung der Massenme- gierenden nicht abbringen lassen. Ein weites dien in der Auseinandersetzung mit Rechts- Feld für Aktivitäten von Mitgliedern der Partei populismus und zunehmenden neofaschisti- DIE LINKE und ihrer Sympathisanten. Viele schen Tendenzen. von ihnen haben die Sprache und die groß- Die Kriegsgefahr abzuwenden, erfordert kon- herzige Lebensweise im großen Nachbarland sequent politische Lösungen für Konflikte im verinnerlicht. Nahen Osten, auf der koreanischen Halbinsel «Annäherung durch Verflechtung» könnte ein und in der Ostukraine anzustreben. Zu Dialog, erfolgreiches Konzept werden. Ziel einer neuen fairen Verhandlungen statt Konfrontation und militärischer Gewalt, zur Stärkung der UNO Volkswirtschaften stärker und die wirtschaftlich und des Völkerrechts gibt es keine Alternative. schwachen Volkswirtschaften schwächer. Ohne Für DIE LINKE kommt es darauf an, ihr auf- einen Abbau dieser Ungleichgewichte wird das klärendes Wirken zu Ursachen und Folgen Währungssystem des Euro nicht überleben. von Konfrontation, zur Einmischung in innere Die Krise in Europa ist auch Ergebnis einer Angelegenheiten und Aggression zu intensi- falsch ausgerichteten Konzeption der Europäi- vieren und zur Aktivierung der Friedensbewe- schen Union. Spätestens seit dem Vertrag von gung beizutragen. Maastricht gibt es eine umfassende neolibe- rale Ausrichtung, liegen die Schwerpunkte auf III. Perspektiven einer Erneuerung der Freizügigkeit des Kapitals und auf Wettbe- der europäischen Linken werbsvorteilen der wirtschaftlich starken Län- Das europäische Projekt, ist nach dem Zerfall der. des realsozialistischen Lagers 1989–91 mehr Die meisten EU-Mitgliedsländer sind ange- und mehr nicht nur [zu] einem Projekt des neo- sichts der ökonomischen und politischen Kri- liberalen Abbaus nationaler Sozial- und Wohl- sen mit einem Erstarken der rechtsextremen fahrtsstaaten geworden, sondern hat auch in und rechtspopulistischen Kräfte konfrontiert. offensiv expansiver Weise zu einer Ausdeh- Die starke Migrations- und Fluchtbewegung nung des über die Nato-Mitgliedschaft vermit- hat die seit Jahren anhaltende Wirtschafts- telten Einflusses der USA sowie der Erschlie- und Finanzkrise in den Hintergrund gedrängt. ßung neuer Märkte für das europäische Kapital Die Probleme der großen Wachstumsunter- beigetragen. schiede, der in vielen Mitgliedsländern hohen Wegen der weit verbreiteten Sorge und Angst Arbeitslosigkeit, hoher Verschuldung und vor Armut, Arbeitslosigkeit, Ungleichheit und massiver Defizite in der öffentlichen Infrastruk- der extremen Konzentration von Einkommen tur sind nicht gelöst. Nach wie vor dominiert und Reichtum bleibt ein europäischer Politik- als Lösungsversuch eine neoliberale Auste- wechsel hin zu einem alternativen Sanierungs- ritätspolitik, die vor allem die Krisenländer in und Wachstumsmodell unverzichtbar. der südlichen Peripherie niederdrückt und die Die zentrale realwirtschaftliche Ursache der wirtschaftliche wie soziale Entwicklung in Eu- Eurokrise liegt in der ungleichen Entwicklung ropa blockiert. der Handels- und Kapitalströme. Seit Einfüh- Angesichts der wachsenden Zukunftsängste rung des Euro werden die wirtschaftlich starken und des Aufstiegs rechtspopulistischer Par- 156 —157 teien nicht nur in Ostmitteleuropa, sondern zu weniger Europa ist mehr Europa, aber an- auch in den Ländern Kerneuropas, ist deren ders. Ziel ist ein demokratisches und soziales Sprengkraft für das europäische Projekt nicht Europa, das mit der neoliberalen Logik des zu bestreiten. Vor dem Hintergrund der anhal- Maastrichter Vertrags bricht. tenden europäischen Wirtschafts- und Flücht- Die Linke in Europa sollte sich zur Geschichte lingskrise setzen Rechtspopulisten auf eine der Arbeiterbewegung, der sozialen Kämpfe, Stärkung der Nation und lehnen eine weiterge- ihres Kampfes gegen den Krieg, zu eigenen hende Europäisierung und Reformperspektive Fehlern, als auch zu ihren Erfolgen bekennen. der EU ab. Gefordert ist ein offener Dialog, der nach Ge- Die Befürworter einer Renationalisierung über- meinsamkeit und Zukunftsvisionen streben schätzen die Spielräume nationalstaatlicher lässt. Politik. Vor dem Hintergrund freier Kapital- und Warenströme sowie einer gemeinsamen Die Europäische Linke sollte folgende Währung können nationale Regierungen in Themen vorrangig behandeln: den zentralen Feldern der Wirtschafts-, Sozial- _ Es gilt, die Konstruktionsfehler der EU lang- und Lohnpolitik keine progressive Politik im fristig zu beseitigen. Dazu gehört in erster Li- nationalen Alleingang durchhalten. Was aber nie, das Projekt eines sozialen Europa wieder im Umkehrschluss nicht bedeutet, dass eine zu beleben. Die von den Staaten ratifizierten enge Zusammenarbeit der zwei/drei größten Verträge von Maastricht, Amsterdam, Nizza Volkswirtschaften (Deutschland, Frankreich, und Lissabon sind durch ein Verfassungs- Italien) nicht neue Handlungsspielräume projekt zu einem sozialen Europa zu erset- schaffen könnte. Zudem hängt die Stabilität zen. nationaler Austeritätsregime immer noch sehr _ Eine Politik, die den kulturellen und sozialen eng mit der Stabilität nationaler Regierungen Zusammenhalt und eine demokratische Ent- zusammen. Insofern hat der Nationalstaat kei- wicklung fördert, indem gleiche Lebensver- nesfalls ausgedient. Eine Rückkehr zu nationa- hältnisse hergestellt werden. Die EU benötigt len Währungen – die radikalste Variante einer starke politische Institutionen, die die Orien- Renationalisierung – ist keine wünschens- tierung vorgeben und dies nicht den Märkten werte politische Option. Dieser Weg würde überlassen. mit dramatischen ökonomischen und sozialen _­ ­­Dazu gehört eine Abkehr von der Austeri- Verwerfungen einhergehen. Die Alternative tätspolitik hin zu einer Politik für das Gemein- wohl, in der auch die zukünftigen Probleme Perspektiven der sozialen Sicherheit und der Digitalisierung berücksichtigt werden. Entwicklung geschaffen werden. _ Das Recht aller Schutzsuchenden auf Asyl muss in der ganzen EU anerkannt wer- Wie notwendig die Entfaltung einer antika- den, verbunden mit dem Kampf gegen die pitalistischen Politik gerade vor den Wahlen Fluchtursachen, Elend, Ausbeutung und Tod. zum Europäischen Parlament 2019 auch ist, so _ Ansatzpunkte einer veränderten Außen-, wichtig ist auch die Forderung nach einer ge- Sicherheits- und Friedenspolitik der EU sellschaftlichen Alternative zum Kapitalismus müssen von der Europäischen Linken ent- überhaupt. Marx 200 sollte uns Ansporn sein, wickelt werden. Die Forderungen lauten: den Dialog über Sozialismus im 21. Jahrhun- militärische Aufrüstung und den Waffen- dert aufzunehmen. handel stoppen, Spannungen abbauen und Wir Älteren wollen dafür werben und mit unse- gegenseitiges Vertrauen aufbauen, indem ren Möglichkeiten dafür einen Beitrag leisten. 158 —159 NACH­ BETRACHTUNG 160 —161

In Asien prägt der Konfuzianismus das Bild Rates der Alten bzw. des Ältestenrates lässt von Kultur und Gesellschaft seit vielen Jahr- im Vergleich mit der offiziellen Parteilinie so- hunderten. Er beeinflusst auch heute den wohl der PDS als auch der Partei DIE LINKE vor Alltag in Japan, China, Korea, Singapur, Viet- allem folgende Tendenzen hervortreten: Der nam und Taiwan maßgeblich. Zu seiner Lehre Rat verlangte immer wieder, dass sich die Par- gehört nicht zuletzt der Respekt gegenüber tei deutlich zum Sozialismus als langfristigem dem Alter. Zu altern ist in Japan und anderen Ziel bekennen müsse. Das traf in besonderem asiatischen Ländern eine Ehre. Aufgrund ihrer Maße auf den schwierigen Prozess der Verei- Leistungen für die Gesellschaft, als Lehrer und nigung der PDS bzw. Linkspartei.PDS mit der Entwickler der Gesellschaft, aufgrund ihrer Sozialstaatspartei WASG zu – mit der Gefahr Lebensweisheit und ihrer Menschenkenntnis des Scheiterns dieses Prozesses. Es ist aller- haben sich die Älteren Anerkennung und Re- dings klar, wer sein ganzes Leben für ein sozia- spekt verdient.262 In China fungierte der große listisches Ziel eingesetzt hat, der wird im hohen Reformer Deng Xiaoping nach seinem offizi- Alter kaum auf dieses Ziel verzichten wollen. ellen Rückzug aus der Politik 1990 als Berater für die Führung von Partei und Staat.263 Auch in Frankreich zieht heute der neue Präsident Em- manuel Macron Amtsvorgänger wie Nikolas 262 Vgl. Die Lehren des Konfuzianismus und seine gesell- Sarkozy und Valéry Giscard d’Estaing zurate.264 schaftliche Implikation. URL: https://hallobusan.wordpress. com/2016/01/14/die-lehren-des-konfuzianismus-und-sei- In Deutschland konsultiert der jeweils aktuelle ne-gesellschaftliche-implikation/ (abgerufen am 15.04.2018); Parteivorsitzende der SPD seine Vorgänger in Tag der Ehrung der Alten. Wie und warum wird der Tag der Ehrung der Alten in Japan gefeiert? URL: http://www.kalen- 265 wichtigen Fragen. der-uhrzeit.de/feiertage/tag-der-ehrung-der-alten (abgerufen Die PDS bzw. die Partei DIE LINKE wählte eine am 15.04.2018). 263 Vgl. David Hildebrand: Deng Xiaoping. andere Form der Beratung der jeweils aktuel- URL: http://www.chinaweb.de/china_politik/deng_xiaoping/ deng_xiaoping_china.htm (abgerufen am 16.04.2018). 264 Vgl. len Parteiführung: den Rat der Alten bzw. den Frankreich: Hollandes Lektionen. In: , Hamburg, Ältestenrat. Im Verlaufe von fast drei Jahrzehn- 2018, Nr. 16 (vom 14.04.2018), S. 79. 265 Im Frühjahr 2017 ten scheint sich diese Form verstetigt zu ha- hielt beispielsweise der damals neue SPD-Vorsitzende Martin Schulz zu seinem Amtsvorgänger engen Kontakt. ben, auch wenn sich das Verhältnis zwischen Beide redeten viel miteinander. Vgl. Florian Gathmann: Schulz Beratern und Beratenen in dieser Zeit keines- und Gabriel: Einer strahlt, einer strampelt. In: SPIEGEL-ONLINE, Hamburg, 19.04.2017. URL: http://www.spiegel.de/politik/ wegs spannungsfrei gestaltet hat. Eine Ana- deutschland/martin-schulz-und-sigmar-gabriel-einer-strahlt- lyse der Erklärungen und Stellungnahmen des einer-strampelt-a-1143702.html (abgerufen am 18.04.2018). Der Rat der Alten bzw. der Ältestenrat war sich Bestrebungen, für die Millionen Menschen stets bewusst, dass der Sozialismusversuch auf ihre Kräfte und ihr Leben einsetzen würden, deutschem Boden durch Deformationen der verdienten dennoch seiner Meinung nach in sozialistischen Idee und Praxis, insbesondere höchstem Maße Solidarität und Unterstützung. durch das erhebliche Demokratiedefizit, durch Wieder und wieder verbreitete der Rat die Bot- selbstverschuldete Fehlentscheidungen und schaft, dass Europa nicht einfach mit der Euro- Mängel gekennzeichnet war, und er verurteilte päischen Union gleichgesetzt werden könne, die Verbrechen des Stalinismus. Aber für ihn sondern insbesondere Russland einschließe. war der Sozialismusversuch in der DDR zutiefst Anders als junge Menschen sind die meisten legitim. Deshalb bestand er darauf, dass den Mitglieder des Ältestenrates mit ostdeutscher unzweifelhaften Erfolgen in diesem Versuch Biographie von 40 Jahren DDR-Geschichte ein deutlich höheres Gewicht beigemessen und der Zugehörigkeit dieses Staates zum werden müsse als Fehlern, Mängeln oder Ver- östlichen Paktsystem geprägt. Für sie zählt brechen. Er war bzw. ist der Auffassung, dass Russland ganz selbstverständlich zum eigenen die kritische Aufarbeitung historischer Lehren Erfahrungsraum. Was der Philosoph, Thea- nicht zu einer Delegitimierung des Sozialismus- terkritiker und Buchautor Gunnar Decker un- versuchs in der DDR führen dürfe. Westdeut- längst über das Lesepublikum in der DDR im sche Gewerkschafter im Ältestenrat erinnern Vergleich mit dem in der alten Bundesrepublik daran, dass die DDR bei Tarifverhandlungen als schrieb, gilt mit Sicherheit auch für diese Mit- unsichtbarer dritter Partner mit am Tisch saß. glieder des Ältestenrates: «Von Scholochows In engem Zusammenhang mit dieser Bewer- ‹Der stille Don› bis Bulgakows ‹Der Meister und tung des Sozialismusversuchs in der DDR be- Margarita›, von Aitmatows ‹Der Tag zieht den kundete der Rat die ausdrückliche Solidarität Jahrhundertweg› bis Granins ‹Der Platz für das mit aktuellen Sozialismusversuchen im glo- Denkmal› – in der DDR las man diese Bücher balen Süden. Der Rat befasste sich mit diesen anders. Warum? Weil man hier – seelisch wie Versuchen unter Einbeziehung externen Sach- alltagspraktisch – diesem Teil Europas viel nä- verstands und sah dadurch recht klar die bei her stand als in Köln oder München.»266 diesen Versuchen auftretenden objektiven Pro- bleme und Schwierigkeiten und die subjektiven

Fehler der führenden Akteure insbesondere in 266 Gunnar Decker: Der falsche Mann. In: Neues Deutschland, lateinamerikanischen Ländern. Die politischen Berlin, 14./15.04.2018, S. 9. 162 —163

Der Rat bezog und bezieht eine hochgradig in Deutschland und in der Welt nicht zu reali- kritische Haltung zu Regierungsbeteiligungen sieren waren, steht auf einem anderen Blatt. der PDS bzw. der Partei DIE LINKE auf Landes- _ Die Erklärungen und Stellungnahmen des ebene, wobei er ganz offensichtlich die Risiken Rates belegen, dass das Gremium die unter- einer solchen Beteiligung weit höher bewertet schiedlichen Positionen, die seine Mitglieder als die darin liegenden Chancen. So themati- vertreten, in seinen Reihen ausdiskutiert und sierte der Rat in einer solchen Konstellation eine auf diese Art und Weise einen lebendigen strategische Abhängigkeit vom Koalitionspart- Pluralismus lebt. ner und eine eingeschränkte Durchsetzungs- _ Die gegenüber der offiziellen Parteilinie oft fähigkeit eigener Zielstellungen linker Politik. linken Positionen, die der Rat der Alten bzw. Insbesondere sah er die Gefahr, dass die Partei der Ältestenrat vertrat bzw. vertritt, richten die Grundlinien ihres politischen Profils Vertei- sich explizit gegen eine Anpassung an den digung des Sozialstaates, Lösung internationa- politischen Mainstream, wie sie einige Poli- ler Konflikte mit ausschließlich friedlichen Mit- tiker der PDS respektive der LINKEN aus sei- teln und Übergang zu einer ökonomisch, sozial ner Sicht vornehmen. und ökologisch nachhaltigen Wirtschaftspolitik _ Die Geschichte des Rates der Alten bzw. des etwa als «Preis» für eine Regierungsbeteiligung Ältestenrates ist ein wichtiger Teil der bisher verlassen könnte und dass dies von ihren An- noch ungeschriebenen Geschichte der PDS hängern und Wählern als Verrat an ihren Inte- und derjenigen der Partei DIE LINKE. ressen und Anliegen wahrgenommen würde. _ Obwohl der Rat der Alten mehrfach darüber Bilanziert man die Geschichte des Rates der diskutiert hat, ob dieses Gremium noch zeit- Alten bzw. des Ältestenrates insgesamt, gilt es gemäß ist und gebraucht wird, und in diesem vor allem folgende fünf Punkte hervorzuheben: Kontext über seine Selbstauflösung nachge- _ Der Rat der Alten ist Beleg für die Bestre- dacht hat, kann man in der Rückschau fest- bungen, mit der PDS 1989/90 eine neue, stellen, dass sich dieses Gremium in der in- zukunftsgerichtete gesellschaftliche Kraft nerparteilichen Willensbildung bewährt hat. in der DDR zu entwickeln. Anliegen der Mit- Der Ältestenrat wirkte und wirkt alles in al- glieder des Rates war die Schaffung einer lem als Stachel im Fleisch der PDS bzw. der besseren DDR, waren mehr Demokratie und LINKEN und ihrer jeweiligen Parteiführung. echte Mitbestimmung. Dass diese Anliegen Er nahm und nimmt somit eine korrigierende angesichts der sich rasch verändernden Lage Funktion wahr. DIE WEISHEIT DER PARTEI EIN ABRISS DER GESCHICHTE DES ÄLTES­TENRATS DER LINKEN DER LINKEN DER GESCHICHTE DER ÄLTES DES ABRISS EIN PARTEI WEISHEIT DER DIE ERATS ­TENR

WWW.ROSALUX.DE

JOCHEN WEICHOLD ist Gründungsmitglied der Rosa-Luxemburg-Stiftung und gehörte viele Jahre deren Vorstand an. Bis zum Jahr 2013 leitete der promovierte Historiker den seinerzeitigen Bereich Archiv/Bibliothek.

DAGMAR ENKELMANN ist Vorstandsvorsitzende der Rosa-Luxemburg-Stiftung. Die promovierte Historikerin war bis zum Jahr 2013 erste parlamentarische Geschäfts­ führerin der Linksfraktion im Deutschen Bundestag.