Neumarkt

III Zeitreise durch ein Sanierungsgebiet IV Inhalt

n Neumarkt Dresden – Zeitreise durch das Sanierungsgebiet 3 n Genius loci – Der Geist des Ortes 5 n Zeitreise im Zentrum der Stadt 6 n Historie vor 1945 6 n 1945 bis 1989 9 n Entwicklung nach 1989 10 n Sanierungsgebiet ab 2002 16 n 2002 Schaffung der Ausgangslage 16 n 2003 bis 2004 Vorbereitungen großer Vorhaben 18 n 2005 bis 2006 Alte Mitte – Neue Mitte 20 n 2007 bis 2008 Nachbarschaften entstehen 26 n 2009 bis 2010 Flaniermeile zwischen

Schloßplatz und Altmarkt entsteht 29 n Wettbewerbe 32 n 2011 bis 2012 Vervollständigung des »starken Rahmens«

um den Neumarkt 37 n 2013 bis 2015 Komplettierung des neuen Neumarktes 40 n Archäologie 42 n 2016 bis 2017 Kulturelle Vielfalt im Stadtzentrum 45 n 2018 Wiedergewinnung verlorener Urbanität 46 n Stadtreparatur im Zentrum von Dresden 48 n Ein Kreis schließt sich – der Dresdner Neumarkt ersteht neu 50

1 Weidende Schafherde vor der Ruine der Frauenkirche, 1957 Quelle: Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden (SLUB) – Deutsche Fotothek, Foto: Walter Möbius

2 Neumarkt Dresden – Zeitreise durch das Sanierungsgebiet

Das bekannte Foto des Dresdner Fotogra- circa 15 Leitbauten. Unter den wirtschaft- sind die Quartiere am Neumarkt nicht fen Walter Möbius (1900–1959) aus dem lichen Bedingungen der DDR konnte das austauschbar. Das Zusammenspiel der Re- Jahr 1957 zeigt eine weidende Schafherde Wiederaufbaukonzept nur sehr beschränkt konstruktionen mit den neu gestalteten vor der grasbewachsenen Ruine der Frau- umgesetzt werden. Neue Perspektiven und Quartiersabschnitten ist einmalig. Dieses enkirche. Den einst belebten Ort im Herzen Möglichkeiten eröffneten sich ab 1990 mit Ergebnis haben alle Beteiligten durch eine Dresdens gab es nicht mehr. Der Krieg, den der deutschen Wiedervereinigung. Der engagierte und intensive Diskussion er- Deutschland gegen die Welt führte, wen- Wiederaufbau der Frauenkirche, angesto- reicht – Fachleute aus Politik, Verwaltung, dete sich letzten Endes gegen die eigenen ßen und eingefordert durch Dresdnerinnen Stadtplanung, Denkmalpflege, Kulturge- Städte und Menschen. Die Zerstörung der und Dresdner, gab einen entscheidenden schichte, Architektur und Baukultur, Hand- Gebäude und der damit einhergehende Impuls für die Entwicklung des Neumarktes. werk, aber auch Vereine, Interessenge- Verlust der Urbanität am Neumarkt hat die meinschaften sowie Dresdnerinnen und Dresdnerinnen und Dresdner tief erschüt- Ein für Deutschland wegweisendes Projekt Dresdner. tert. Die Sehnsucht, die Wunden der Stadt der Stadtentwicklung nahm mit dem 1996 zu heilen, um Verlorenes partiell neu aufzu- verabschiedeten Rahmenplan zum städte- In diesem Jahr, 2019, schließen wir das Sa- bauen und damit wieder die viel beschwo- baulich gestalterischen Konzept für den nierungsgebiet am Neumarkt mit seinen rene Schönheit der Stadt herzustellen, ist Wiederaufbau des Umfeldes der Frauen- vielen Arbeiten ab. Vor uns sehen wir ein nicht nur eine Dresdner Geschichte. kirche Fahrt auf. In der Folgezeit galt es, anderes Bild als 1957. Wir haben Antwor- engagierte Bauherren zu finden, die bereit ten auf die Fragen, die sich zum Wiederauf- Bereits in der Ausstellung »Das neue Dres- waren, in dieses anspruchsvolle Vorhaben bau stellten, gefunden. Aber haben wir alles den« 1946 wurden Szenarien, sowohl für zu investieren. richtig gemacht? Das werden die zukünfti- den Wiederaufbau der historischen Innen- gen Generationen beantworten und ihre stadt als auch für einen Neustart in eine Für die Stadtverwaltung war und ist der eigenen Schlüsse ziehen. bessere Zukunft, visualisiert und diskutiert. Wiederaufbau des Neumarktes und der Von Anfang an bewegten sich die Überle- umliegenden innerstädtischen Flächen eine Als Oberbürgermeister der Landeshaupt- gungen für die Gestaltung des Neumarktes vorrangige Aufgabe der Stadtentwicklung. stadt Dresden geht mein herzlicher Dank im Widerstreit zwischen Vergangenheit und Mit dem Beschluss von 2002, den Dresd- an alle, die mitgewirkt haben, um die Ge- Zukunft. Aus den Reflektionen des bekann- ner Neumarkt als Sanierungsgebiet auszu- schichte und den Wiederaufbau am Neu- ten sächsischen Landeskonservators Hans weisen, war es möglich, Fördermittel ein- markt wieder erlebbar und sichtbar zu Nadler (1910–2005) über die »Leitbauten« zusetzen, Grundlagen für die Infrastruktur machen. Es liegt nun an uns, diesen span- entwickelte sich die Idee zur Wiederherstel- zu schaffen und damit private Vorhaben zu nenden und schönen Platz weiter mit Le- lung des historischen Stadtgrundrisses um unterstützen. ben zu füllen. die Frauenkirche. Die acht Quartiere am Neumarkt sind in Mitte der 1980er Jahre nahm diese Idee Kürze fertiggestellt. Entstanden ist eine immer mehr Form an. 1983 lag das erste Mischung von rekonstruierten historischen städtische Konzept zum Wiederaufbau der und neuen Fassaden, die sich in die neue Dirk Hilbert Quartiere am Neumarkt vor, einschließlich Umgebung einfügt. Trotz ihrer Verwandt- Oberbürgermeister der der originalgetreuen Rekonstruktion von schaft mit vielen europäischen Städten Landeshauptstadt Dresden

3 4 Genius loci – Der Geist des Ortes

Das in der vorliegenden Broschüre be- Über die Jahrhunderte hinweg war der Neu- schriebene Gebiet rund um den Neumarkt markt stets ein Ort mit wichtiger Bedeu- bildet Dresdens Mitte und befindet sich tung für Dresden. Eine Besonderheit dabei zwischen dem Taschenbergpalais im Wes- ist, dass sich über die Zeit die Funktion des ten und dem Kurländer Palais im Osten. Platzes wandelte und sich in dem umgeben- Den nördlichen Abschluss bilden die Brühl- den Gebiet jeweils eine besondere Atmo- sche Terrasse und die . Die Wilsdruffer sphäre herausbildete, die dem jeweiligen Straße stellt die südliche Begrenzung dar. gesellschaftlichen Zeitgeist entsprach. Seit jeher ist das Areal stets ein Ort der Begeg- Es benötigte viele Jahrhunderte, bis sich der nung, der Vielfalt und der Aufmerksamkeit Neumarkt zu einem geschlossenen Platzge- gewesen. Der Neumarkt wurde schon im füge entwickelte. Hierbei ist die Geschichte 16. Jahrhundert ein lebendiger Platz im des Neumarktes eng mit der Stadtentwick- Zentrum Dresdens. Ihn dominierte nicht lung von Dresden verknüpft. nur die Frauenkirche in seiner Mitte, son- dern vielmehr ist das Prägende bis heu- Das Gebiet des Neumarktes besteht aus te das Gesamtensemble des städtischen drei Platzräumen: Raums mit allen Wohn- und Geschäftsge- n dem »Jüdenhof«, südlich des heutigen bäuden um den Kirchenbau. Er ist eigent- Verkehrsmuseums liches Lebenselixier der Stadt mit seinen n dem »Neumarkt«, östlich der heutigen vielfältigen Qualitäten und Gesichtern. Gewandhausfläche n dem Platz »An der Frauenkirche«, der Mit der Zerstörung 1945 verlor der Neu- die Frauenkirche umgibt, nordöstlich markt zunächst seine Seele. Nun, nach der heutigen Gewandhausfläche. Jahrzehnten der Mindernutzung und- Ver nachlässigung, hat er sich wieder zum Mit- Der Neumarkt sowie das unmittelbar -an telpunkt des gesellschaftlichen Lebens in grenzende Stadtquartier weisen eine be- der Dresdner Innenstadt entwickelt. Dank wegte Geschichte auf. Bereits in den frü- der Neubebauung und Rekonstruktion der heren Jahrhunderten änderte sich das Gebäude und Plätze nach historischem Vor- Stadtbild um die Frauenkirche immer wie- bild ist ein lebenswerter Stadtraum entstan- der. Der Teilbereich »An der Frauenkirche« den, der sowohl liebgewordener Treffpunkt lag bis Ende des 15. Jahrhunderts außer- für Touristen, Dresdnerinnen und Dresdner halb der Stadtmauer, er war jedoch seit als auch ein Wohn- und Geschäftsort ist. jeher mit dem Elbübergang ein wichtiger Knotenpunkt für die Stadt.

Neumarkt mit Markttreiben um 1892 Quelle: Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden (SLUB) – Deutsche Fotothek, Foto: Ermenegildo Antonio Donadini 5 Zeitreise 13. Jahrhundert im Zentrum V orgeschichte der Stadt Die sächsische Landeshauptstadt Dres- den wurde erstmals im Jahr 1206 urkund- lich erwähnt. Eine Urkunde aus dem Jahr 1216 beschreibt sie als »Stadt mit einer umgebenden Mauer«, deren Entstehung auf der heutigen Neustädter Seite lag. Schon in diesen frühen Jahren wuchs die Bedeutung Dresdens stetig. Dies lag zum einen an der verkehrsgünstigen Lage im Dresden, Ansicht von oben im Jahre 1634, Lithografie nach einem Gemälde von Andreas Vogel, Detail Schnittpunkt der damaligen Handelsstra- Quelle: Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden (SLUB) – Deutsche Fotothek ßen und zum anderen an dem wichtigen Elbübergang. Eine aus dem Jahr 1287 stammende Urkunde erwähnt erstmals eine steinerne Brücke, welche als Elb- überquerung diente. Diese Brücke befand sich an dem Ort, an dem die heutige Au- gustusbrücke den Fluss überspannt.

Mittelalter 13. bis 15. Jahrhundert

Um 1500 wohnten circa 6 000 Menschen im Stadtgebiet Dresdens, den Vorstädten und der gegenüberliegenden Elbseite. Das Gebiet des heutigen Neumarktes lag damals noch größtenteils außerhalb der Stadtbefestigung. Den Zugang zur Stadt ermöglichte das angrenzende Frauentor. Lediglich der Jüdenhof befand sich inner- halb der Stadtmauern. Der Neumarkt war zu dieser Zeit in erster Linie ein Verkehrs- knoten zwischen der Elbbrücke, der Pirnai- schen Straße und der Rampischen Straße.

Da es aus dieser Zeit keine Abbildungen gibt, vermutet man, dass der Neumarkt bis zum Ende des 15. Jahrhunderts durch eine schlichte Bebauung gekennzeichnet

6 16. Jahrhundert 17. Jahrhundert

war. Auszugehen ist von einem einfachen vor Eroberungsfeldzügen zu schützen, wur- Barock Grundriss der Häuser, welche mit der Gie- de die Hauptfestung, bestehend aus einer 17. und 18. Jahrhundert belseite zur Straße standen. Die »schmuck- fünf Meter hohen Mauer, erweitert und los« scheinenden Häuser besaßen ein auch die sogenannte Frauenvorstadt mit Anfang des 17. Jahrhunderts war das Ge- Erd-, Ober- sowie ein Dachgeschoss. Die dem Neumarkt in die Befestigungsanlagen biet um den Neumarkt durchmischt mit geschichtliche Entwicklung auf dem Neu- eingegliedert. Im Schutz der Stadtmauer kirchlichen und kurfürstlichen Großbauten markt war auch immer mit Zerstörung und nutzten seit dieser Zeit die Händler den sowie kleineren bürgerlichen Häusern. Die Aufbau verbunden – so wie im Jahr 1491, Neumarkt als Holz- und Getreidemarkt. unterschiedlichen Stockwerks- und Trauf- als ein verheerender Brand Teile der Stadt höhen, Giebel, Portale und Malereien erga- und des Neumarktes vernichtete. Der politische und ökonomische Wandel ben ein heterogenes städtebauliches Bild. brachte Veränderungen im Bauwesen mit sich. Die Errichtung des Stallhofes (1591) Ende des 17. Jahrhunderts begann in Sach- und des Gewandhauses (1592) verdeutlich- sen unter August dem Starken das soge- ten die Residenzfunktion Dresdens auch am nannte Augusteische Zeitalter. Dresden war Neumarkt. Dieser Status hatte Einfluss auf zu dieser Zeit eine Hauptstadt mit europäi- die Modernisierungsarbeiten der Gebäude. scher Bedeutung. August der Starke erließ Hohe, geschmückte Giebel zierten fortan 1720 das »Neue Baureglement«. Dabei die steinernen Häuser. handelte es sich um die erste umfassende

Stadtansicht Dresdens vor 1519, kolorierte Zeichnung nach einem Holzmodell von 1521 Quelle: Stadtmuseum Dresden

Renaissance 16. Jahrhundert

Zu Beginn des 16. Jahrhunderts lebten circa 18 000 Menschen in Dresden und den Vor- städten. In diesem Jahrhundert entwickelte sich Dresden schnell zur Residenzstadt der Wettiner. Damit kam es zu einem großen Bedeutungszuwachs. Unter der Herrschaft von Herzog Georg dem Bärtigem erlebte die heutige Landeshauptstadt ihre erste Blüte- phase. Es entstand ein vielfältiges kulturel- les und ökonomisches Leben, welches stark von den Bedürfnissen des herzoglichen Ho- Bernardo Bellotta, genannt Canaletto, »Der Neumarkt«, um 1750 fes geprägt war. Um die aufstrebende Stadt Quelle: Stadtarchiv Dresden, 17.6.1 Ansichtskarten, NM 013

7 18. Jahrhundert 19. Jahrhundert

Gestaltungsrichtlinie für die Residenzstadt Niedergang Dresden und damit auch für den Neumarkt. 19. Jahrhundert bis 1945 Damit begann die Harmonisierung der Ge- bäude, die sich nun langsam zu einem städ- Am Anfang des 19. Jahrhunderts lebten über tebaulichen Gesamtbild fügten. In diesem 100 000 Menschen in Dresden. Diese Zahl Reglement waren unter anderem Gebäu- versechsfachte sich bis etwa 1940. dehöhe, Fassadengliederung sowie Bau- materialien festgesetzt. Die Empfehlungen Trotz umfassender Umbaumaßnahmen zur Fassadengestaltung unterstützten den blieb das historisch gewachsene Stadtbild Einzug der damals hochmodernen baro- des Neumarktes in seiner geschlossenen cken Architektur. Dabei wandelte sich das urbanen Komposition erhalten. Während renaissancegeprägte Stadtbild hin zu einem der Gründerzeit zogen die Eigentümer in barocken Stadtbild am Neumarkt. Die Dar- andere Stadtteile und die Häuser am Neu- stellungen von Canaletto vor Ausbruch des markt wurden zu Mietobjekten für einkom- Siebenjährigen Krieges 1756 zeigen den mensschwächere Schichten. Neumarkt als Ensemble aus einer Mischung von niedrigen Renaissance- und vier- bis Am 13. und 14. Februar 1945 zerstörte der fünfstöckigen Barockbauten. Mittelpunkt Bombenangriff auf Dresden den Neumarkt war die Frauenkirche, erbaut von 1726 bis vollständig. Am Morgen des 15. Februars 1743 nach Entwürfen von George Bähr, die Bernardo Bellotto, genannt Canaletto, 1945 stürzte die Frauenkirche, das Wahr- »Der Neumarkt in Dresden vom Jüdenhofe zum Wahrzeichen und Synonym für das ba- aus« (Ausschnitt), 1749 zeichen von Dresden, ein. Der Krieg hatte rocke Dresden wurde. Quelle: Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Gemälde- seine schockierenden Auswirkungen auch galerie Alte Meister, Foto: Hans-Peter Klut nach Dresden getragen und für lange Zeit an dieser Stelle ein innerstädtisches Vaku- Zu Beginn des Siebenjährigen Krieges um hinterlassen. (1756–1763) lebten knapp 63 000 Men- schen in Dresden. Dieser Krieg ging nicht spurlos an den Einwohnerinnen und Ein- wohnern vorüber. Weite Teile der Dresdner Innenstadt fielen der Zerstörung anheim; dabei war besonders das Gebiet des Neu- marktes von den Schäden betroffen. Von diesen Wunden erholte sich die Stadt nur sehr langsam. Unter Beachtung der tra- ditionellen Parzellenstruktur baute man zerstörte Gebäude in den schlichten, maß- n Bauplatz des Alten Gewandhauses n Verlauf der mittelalterlichen Stadtbefestigung vollen Formen des Dresdner Spätbarocks Blick vom Turm des Dresdner Rathauses auf wieder auf. Bis 1799 war ein hochmodernes das Neumarktgebiet nach Beräumung, Aufnahme Plan der Festung Neu-Dresden im Zustand von 1721, Ensemble bürgerlicher Baukunst von euro- um 1950 bezogen auf den Stadtplan der Zeit vor 1945 Quelle: Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Uni- Quelle: Heinrich Koch, 1932-35 päischem Rang entstanden, welches das versitätsbibliothek Dresden (SLUB) – Deutsche Fotothek Bild bis 1945 prägte.

8 1945 1956

1945 bis 1949 Siedlungen und große öffentliche Frei- flächen. Ein weiterer Siegerentwurf zum Nach dem Ende des 2. Weltkriegs galt es zu- Wettbewerb »Haus der Kultur« (heute be- nächst, die schlimmsten Infrastrukturschä- kannt als ) von 1952 sprengte den und Trümmer zu beseitigen. Die -Ver mit seinem monumentalen Hochhaus im sorgung mit Wasser, Strom und Gas sowie Stil des sozialistischer Realismus den städ- die Abwasserbeseitigung hatten oberste tebaulichen Rahmen deutlich. Priorität. Die weniger stark zerstörten Ge- Bebauungsplan der Abteilung Städtebau und bäude außerhalb des Stadtzentrums wur- In der Baukonferenz 1955 lehnten die Teil- Architektur 1965 den vorrangig repariert und bewohnbar nehmer jedoch diese Orientierung für die Entwurf: Rates des Bezirkes Dresden gemacht. Innenstadt und den Neumarkt ab und die Anknüpfung an »Nationale Traditionen der Historische Bauwerke und Ruinen, wie bei- schönen deutschen Stadt« wurde gefor- spielsweise der Zwinger, erfuhren nur eine dert. Der Neumarkt blieb in seiner bauli- teilweise Sicherung. 1945 entstand bereits chen Entwicklung zunächst unberührt. der »Große Dresdner Aufbauplan«, den der Stadtrat 1946 bestätigte. Der Plan sah vor, dass die historischen Stadtstrukturen 1956 bis 1970 in Form der historischen Gebäude und Ver- kehrsanlagen bewahrt bleiben. Nach der Baukonferenz 1955 entstand die Nordseite der Wilsdruffer Straße im -sach Internationales Entwurfsseminar Neumarkt 1981 lichen Stil der »Frankfurter Moderne«. Entwurf: Kollektiv VR Ungarn 1949 bis 1955 Das Johanneum eröffnete 1956 als - Ver kehrsmuseum. Für das »Haus der Kultur« Anfang der 1950er Jahre stellte sich die Frage: setzte sich schließlich die moderne, zurück- haltende Konzeption von Leopold Wiel als Sozialistische Architektur quaderförmiger Baukörper mit einer Traufe von 20 Metern durch. Das Gebäude erfuhr oder Anknüpfung an nationale 1969 seine feierliche Einweihung als Kultur- Traditionen? palast mit dem größten Mehrzwecksaal der Stadt Dresden. Zunächst bestand die Idee, das historische Straßennetz der Stadt Dresden zugunsten Durch den Abriss der Ruinen vom Taschen- einer Ost-West-Erschließung mit Demons- bergpalais bis zum Polizeipräsidium ent- trationsstraßen und großzügigen Plätzen stand ein offener Platz, welcher als Grün- Direktive Innerstädischer Wohnungsbau 1983 Quelle: Büro des Stadtarchitekten Dresden aufzugeben. Um die Gestaltungsgrundsätze und Parkplatzfläche genutzt wurde. Damit zu definieren und die optimale Entwicklung geriet der Neumarkt in eine Hinterhofsitu- für die Dresdner Innenstadt zu finden, fan- ation. Die Bronzedenkmäler von Friedrich den Planungswettbewerbe statt. Ein städ- August II. und von Martin Luther standen tebaulicher Wettbewerb von 1950 zeigte zu dieser Zeit zwischen parkenden Autos. »luftkriegssichere Blockrandbebauungen«,

9 1971 Entwicklung nach 1989

1971 bis 1980 Viele Beiträge nahmen den historischen truktion für den Neumarkt aus den 1980er Stadtgrundriss auf. Die Mehrheit kam zu Jahren. Das »Planungsleitbild Innenstadt« Das DDR-Wohnungsbauprogramm von dem Ergebnis, die wichtigsten Bürgerhäu- von 1991 übernahm diesen Arbeitsstand. 1971 bis 1989 stellte die Typenprojektie- ser als »Leitbauten« wieder zu errichten rung in den Mittelpunkt. Dabei entstanden und dazwischen moderne Bebauung zu- Am 13. Februar 1990 forderten die Bürger vor allem an den Stadträndern große Neu- zulassen. 1982 wurde auf dieser Basis ein mit einer weltweiten Aktion den Wieder- bausiedlungen, beispielsweise in Prohlis Acht-Punkte-Leitbild erarbeitet, welches aufbau der Frauenkirche zu einem christ- und Gorbitz. die grundlegenden Prinzipien des heute lichen Weltfriedenszentrum. Das Verlangen gültigen städtebaulich-gestalterischen Kon- nach der alten Mitte verstärkte sich und be- Die Chancen, in der Stadtmitte zu rekons- zeptes beinhaltete. Darin sind die Aspekte geisterte die internationale Öffentlichkeit truieren und qualitativ hochwertig wei- Maßstäblichkeit der Gebäude, Funktionen nach anfänglichen Zweifeln. Am 27. Mai terzubauen, schwanden bis auf wenige der Leitbauten oder die Verwendung von 1994 folgte die Grundsteinlegung für die Ausnahmen. So wurden etwa die Flügel- Materialien zu finden. Hier ist auch die Idee »neue« Frauenkirche. bauten des Coselpalais von 1973 bis 1975 der kleinteiligen Mischnutzung formuliert. wiederhergestellt. Erste Vorstöße zum Wie- deraufbau des gesamten Neumarkts gab es Weitere vertiefende Wettbewerbe in den 1995 bis 2001 erst wieder in einem städtebaulichen Wett- Jahren 1983 und 1989 bestätigten die Pla- bewerb von 1977. Darin näherten sich eini- nungsansätze. Der Wiederaufbau der ersten Gebäude im ge Entwürfe dem historischen Stadtgrund- Umfeld des Neumarktes erfolgt: riss an. In dieser Zeit war die Frauenkirche eine Ruine, jedoch immer noch für die Dresdne- n bis 1995 Wiederaufbau Taschenberg- rinnen und Dresdner ein bedeutender Ort palais (Bauherr Advanta) 1981 bis 1989 auf dem Neumarkt. Die Kirche war zugleich n 1997 bis 1999 Wiedererrichtung Mahnmal und Gedenkstätte sowie für die Kanzleihaus (Bauherr Bistum Dres- Der Neumarkt rückte erst zu Beginn der unabhängige Friedensbewegung ein wich- den-Meißen) 1980er Jahre wieder umfassender ins Blick- tiger Treffpunkt, an dem jährlich rund um n 1998 bis 2000 Wiederaufbau Coselpa- feld der Stadtplaner und Architekten. den 13. Februar brennende Kerzen aufge- lais mit Ergänzungsbau und Tiefgarage stellt wurden. unter der Salzgasse (Bauherr Sachsen- 1981 veranstalteten der Bund der Archi- bau- und Projektierungsgesellschaft tekten der DDR, der Rat der Stadt Dresden mbH) und die Technische Universität Dresden ein 1990 bis 1994 Entwurfsseminar zum »Rekonstruktionsge- Der oberirdische Wiederaufbau der Frauen- biet Neumarkt«. Darin beschäftigte sich das Das städtische Bild des Neumarktes nach kirche begann schließlich 1996. Zeitgleich Fachpublikum mit der Neugestaltung des der politischen Wende war geprägt durch wurden für die weiteren Bautätigkeiten im Platzes. An dem Seminar beteiligten sich parkende Fahrzeuge und Ruinen. Insgesamt Umfeld der Frauenkirche die Gestaltungs- Architekturteams aus der DDR, Bulgarien, herrschte ein stark ungeordnetes Gesamtbild. grundsätze erarbeitet. Der Entwurf zur Ge- der Tschechoslowakei, Polen, der Sowjet- staltungssatzung für die Quartiere um den union und Ungarn. Der erste gemeinsame west-östliche Archi- Neumarkt und der daraus resultierende tekten-Workshop 1990 in Dresden und der Rahmenplan von 1996 formulierte zwölf bundesweite Tag der Architektur 1991 be- Grundsätze für die weiteren Planungen des stätigten den Planungsstand zur Rekons- Neumarktes.

10 1996

Leitbauten (23) Städtebaulich-gestalterisches Konzept: Leitbau bzw. Fassadenrekonstruktion entsprechend Entwurf Gestaltungssatz 1995 Leitbau bzw. Fassadenrekonstruktion Ergänzung entsprechend Stadtratsbeschluss vom 13.07.2000 1. Die historische städtebauliche Raumstruktur ist Grundlage für alle Gestaltungsmaßnahmen. 2. Die in den Neubauten einzuordnenden Funktionen sind dem Charakter des Stadtkernbereichs entsprechend anzu- passen. 3. Maßstab für die städtebauliche und architektonische Gestaltung sind die Frauenkirche, das Residenzschloss und weitere Bauten des historischen Um- felds. 4. Innerhalb der Quartiere des Neu- marktbereichs sind einige historisch und architektonisch wertvolle Bauten wieder zu errichten. 5. Alle Neubauten im Planungsbereich ordnen sich dem Hauptbau Frauen- kirche unter und beziehen sich in ihrer Maßstäblichkeit auf die Leitbauten. 6. Archäologische Grabungen auf dem stadtgeschichtlich hoch bedeutsamen Gebiet sind frühzeitig zu sichern und Neumarkt, Städtebaulich-gestalterisches Konzept, Übersichtsplan, Fortschreibung von 2001 festzulegen. Quelle: Landeshauptstadt Dresden, Stadtplanungsamt

Atelier Neumarkt 2000 Atelier Neumarkt 2000 Atelier Neumarkt 2000 Entwurf: Gustavs und Lungwitz, Dresden Entwurf: Rolf Zimmermann, Dresden Entwurf: Nalbach und Nalbach, Berlin

11 1998 1999 2000

7. Neu zu errichtende Gebäude sind nach folgten das Ziel, den entstehenden Gebäu- Grundsätzlich verfolgten alle Gespräche Art und Maß in das Quartier mit den den eine dem öffentlichen und fachlichen und Arbeiten das gemeinsame Ziel, dass historischen Dimensionen einzufügen. Interesse, angemessene kritische und qua- Dresden seine lebendige Mitte zurückerhält 8. Integration oder Rückbau der nach litätsvolle Unterstützung zu geben. Die Re- und das entstandene innerstädtische Vaku- dem 2. Weltkrieg errichteten Neubau- sonanz der Entwicklung des Neumarktes um gefüllt wird. ten ist in den jeweiligen Bauabschnit- reichte weit über die Grenzen Dresdens hi- ten der Quartiere festzulegen. naus. Um den hohen Erwartungen und An- 9. Die Gestaltung der Straßen und Plätze sprüchen an die Baukultur und Gestaltung Atelier Neumarkt nimmt historisch gewachsene Struk- gerecht zu werden, holte man sich auch die turen, Blickbeziehungen und Gestal- Fachkompetenz externer Experten. Im Herbst 2000 diskutierte das durch die tungselemente auf. Stadtverwaltung ausgerufene »Atelier 10. Das Planungs- und Baurecht ist auf der Die Kompetenz der Gestaltungskommission 2000«, wie sich zeitgenössische Architektur Grundlage des städtebaulich-gestalteri- kam von dem denkmalpflegerischen, kul- in die historische Situation einfügen und die schen Konzeptes und dessen erläutern- turhistorischen, städtebaulichen sowie ar- maßstabsbildenden Leitbauten unterstüt- den Empfehlungen, sofern erforderlich, chitektonischen Fachwissen der Mitglieder. zen kann. Dazu fand ein etwa dreiwöchiger herbeizuführen. Workshop zur Neumarktbebauung statt. 11. Der individuelle Fahrverkehr ordnet Die Mitglieder der Gestaltungskommission Eine Vielzahl an deutschen und ausländi- sich dem verkehrsberuhigten Erschlie- begleiteten den Prozess auf vielfältige Wei- schen Architekturbüros wurden angespro- ßungsprinzip des Bereichs unter. se. Planungen für die Leitbauten und Leit- chen. Ziel dieses Workshops war es nicht, 12. Für einzelne (besondere) Häuser wur- fassaden präzisierten sie. Sie halfen, Ideen die konkrete Bebauung mit den eingereich- den konkrete Festsetzungen erforder- für die Quartiersabschnitte ohne Leitfas- ten Arbeiten festzusetzen, sondern eine lich (siehe Karte Seite 13). saden mittels Realisierungswettbewerben Orientierung anhand der 34 eingereichten oder Variantenuntersuchungen zu finden. Entwürfe zu geben. Es bestand Einigkeit darin, die stadträumli- che Situation des Neumarktes wieder sicht- Die Entwürfe reichten von einer schlichten, bar zu machen und die alten Baufluchten Gesellschaft Historischer Neumarkt zurückhaltenden und maßvollen Bebauung und Gebäudehöhen wiederherzustellen. bis hin zu solchen, die die Gestaltungssat- Jedoch war umstritten, wie viele »Leitbau- Die »Gesellschaft Historischer Neumarkt zung völlig verlassen hatten. Die Mehrzahl ten« teilweise oder vollständig zu rekonst- Dresden e. V.«, welche sich 1999 gründete, der Architekten orientierte sich jedoch an ruieren waren. setzt sich seither dafür ein, nicht nur den der vorgegebenen Parzellenstruktur zum Stadtgrundriss, sondern auch die Fassaden Wiederaufleben des Neumarktes. und Hausgrößen in historischer Gestalt Gestaltungskommission wiederherzustellen. Sie ist eine Dresdner Die Ergebnisse dieses Workshops debattier- Kulturhistorisches Zentrum Bürgerinitiative, die das Neumarktbild der ten Interessierte aus allen Bereichen in den Vorkriegszeit als historische und städtebau- nachfolgenden Monaten umfassend. Mit der Einberufung der Gestaltungkom- liche Einheit anstrebt und verteidigt. Der mission im März 1998, unter der Leitung Verein betreibt einen eigenen Informati- des damaligen Baubürgermeisters Gunter onspavillon, entfaltet eine reiche Vortrags- Just, hatte der Stadtrat den Weg zur fach- und Publikationstätigkeit und versteht sich lichen Begleitung des Wiederaufbaus des als Instrument zivilgesellschaftlichen Enga- Neumarktes geebnet. Die Mitglieder ver- gements.

12 Den richtigen Maßstab finden

Die Dresdner Innenstadt hat mich über Sonst funktionierte vieles wie erwartet gut. Jahrzehnte beschäftigt. 1982 wurde ich Es gab nichts völlig unerwartetes, ganz im Landeskonservator, wodurch der Dresdner Gegenteil. Besonders die handwerklichen Prof. Dr.-Ing. Neumarkt stärker in den Blick meiner Arbeit Leistungen waren meiner Meinung nach Gerhard Glaser rückte. Wenn ich heute rückblickend an den deutlich besser als erwartet. ehemaliger sächsischer Landeskonservator Neumarkt denke, dann sehe ich ein leben- diges Stadtgefüge, wo Wurzeln, Zerstörung Aus meiner Sicht sollte alles Bauen dem Mitglied der Gestaltungskommision und Neubeginn, in Formen der Moderne Grundsatz der Einheit von Funktion, Kons- Kulturhistorisches Zentrum deutlich wurden. Das Gebiet des Neumark- truktion und Gestaltung folgen. Der Wieder- tes begleitete mich besonders in meiner aufbau kriegszerstörter Baudenkmale, die Funktion als eines von insgesamt acht Mit- identitätsprägend für die Betroffenen sind, gliedern der Gestaltungskommission Kul- wird nur dann Bestand vor der Nachwelt turhistorisches Zentrum. Ziel war und ist, haben, wenn er in Gestalt, Technologie und dem Wiederaufbau am Neumarkt eine dem Material authentisch geschieht. Bei städte- öffentlichen und fachlichen Interesse, das baulichen Ergänzungen historischer Stadt- nicht nur in Dresden besteht, angemessene quartiere kommt es städtebaulich-räumlich kritische und hilfreiche Begleitung zu geben und hochbaulich vorrangig auf den Maß- und dem hohen gestalterischen und bau- stab an. kulturellem Anspruch durch Hinzufügung von externer Fachkompetenz gerecht zu werden.

Eine meiner bedauerlichsten Erfahrungen war der Umgang mit dem Frauentor und dessen Barbakane. Hier wurde entschie- den, dies nur in ganz geringen Teilen zu erhalten, was ich nicht verstehen konnte. Dieses historische Zeugnis hätte aus meiner Sicht in Gänze erhalten werden müssen.

13 n Bauabschnitt 0 n Bauabschnitt Gehwege Quartier II-5, 05/2003 bis 02/2004 Poller Salzgasse, Tschirnerplatz 09/2013 bis 11/2013 n Bauabschnitt A Fläche: ca. 280 Quadratmeter 10/2004 bis 09/2006 Fläche: ca. 25 540 Quadratmeter n Bauabschnitt Gehweg Quartier IV-3 04/2016 bis 09/2016 n Bauabschnitt B Fläche: ca. 90 Quadratmeter 09/2006 bis 04/2007 Fläche: ca. 2 420 Quadratmeter n Bauabschnitt Umfeld Quartier VII-2 07/2016 bis 06/2017 n Bauabschnitt C Fläche: ca. 420 Quadratmeter 10/2007 bis 11/2008 Fläche: ca. 1 160 Quadratmeter n Bauabschnitt Umfeld Kulturpalast 09/2016 bis 06/2017 n Bauabschnitt D Fläche: ca. 4 300 Quadratmeter D1: 02/2009 bis 07/2010 D2: 03/2011 bis 04/2012 n Bauabschnitt Gewandhausfläche Fläche: ca. 11 020 Quadratmeter und Umfeld Quartier V-1 02-11/2018 n Bauabschnitt E1 Fläche: ca. 1370 Quadratmeter 08/2009 bis 06/2010 Fläche: ca. 780 Quadratmeter n Bauabschnitt Herstellung Privatstraße n Bauabschnitt E2 Wilsdruffer Straße 14-16

06/2011 bis 05/2012 06-11/2018 TSCHIRNERPLATZ Fläche: ca. 8 000 Quadratmeter n Umfeld Quartier VII-1 n Bauabschnitt Jüdenhof Realisierung voraussichtlich in 2021 09/2010 bis 03/2011 Fläche: ca. 2 770 Quadratmeter n Bauabschnitt Kleine Kirchgasse 06/2010 bis 07/2010 Fläche: ca. 340 Quadratmeter

Bauabschnitt Galeriestraße / MORITZGASSE Frauenstraße 06/2012 bis 09/2012 Fläche: ca. 2 200 Quadratmeter

14 TSCHIRNERPLATZ

MORITZGASSE

15 Sanierungsgebiet Zeitreise 2002 bis 2019 ab 2002 Schaffung der Ausgangslage

Das ehemals dicht bebaute Neumarkt- gebiet war nach seiner Zerstörung 1945 weitgehend eine Brache geblieben. Der Genius Loci war jedoch nicht verloren gegangen. Dieser Geist versammelte die Menschen Jahr für Jahr an der Ruine der Frauenkirche und nährte die Sehnsucht, Bauarbeiten auf dem Neumarkt 2003 die alte Schönheit Dresdens an dieser Quelle: STESAD Stelle wieder zu gewinnen.

Der Wiederaufbau der Frauenkirche setzte in den 1990er Jahren einen wesentlichen Impuls für das komplexe Vorhaben, das Neumarktgebiet zu rekonstruieren. Mit den Gestaltungsgrundsätzen aus dem Jahr 1995 und den weiterführenden Diskussionen und Workshops der verschiedenen Akteu- re gelang es, einen Handlungsrahmen für private und öffentliche Projekte detailliert abzustecken.

Ziel war es, das Gebiet um den Neumarkt zu einem lebendigen Zentrum zu entwickeln, das den heutigen Bedürfnissen an einen modernen Wohn- und Lebensraum gerecht wird.

Mit Beginn des Wiederaufbaus suchte die Landeshauptstadt Dresden nach Möglich- keiten, sowohl die öffentlichen Bauvorha- ben zu ermöglichen, als auch die privaten Bautätigkeiten zu begleiten.

16 2002

Sanierungsgebiet Dresden-Neumarkt n Die Gestaltung der Straßen und Plätze nehmen koordinierte die Aktivitäten der nimmt historisch gewachsene Beteiligten, stieß Prozesse an und stimmte Da städtebauliche und strukturelle Män- Strukturen, Blickbeziehungen und alle Bauarbeiten vor Ort ab. gel in dem Quartier bestanden, beschloss Gestaltungselemente auf. der Dresdner Stadtrat nach den stadträum- Außerdem unterstützte die STESAD die Ab- lichen Untersuchungen die Festlegung des wicklung der Fördermittel und begleitete Sanierungsgebietes Dresden-Neumarkt im Finanzierung Einzelmaßnahmen. November 2002. In diesem Jahr erfolgte auch die Aufnahme des 34 Hektar großen Für den Durchführungszeitraum des Bund- In dieser Zeit entstand auch die Projekt- Gebietes in das Bund-Länder-Programm Länder-Programms erkannten die Förder- gruppe Neumarkt. Sie nahm am 1. Juni »Städtebauliche Erneuerung«. mittelgeber (Bundesrepublik Deutschland 2002 ihre Arbeit auf. Alle beteiligten Fach- und Freistaat Sachsen) zunächst einen ämter der Landeshauptstadt Dresden so- Das war die Voraussetzung, den öffentli- Förderrahmen in Höhe von circa 42,3 Mil- wie weitere Akteure arbeiteten hier mit chen Raum mit Städtebaufördermitteln lionen Euro zu. Diese Mittel tragen je zu ei- der Unterstützung der STESAD GmbH zu- hochwertig zu gestalten und die neuen nem Drittel der Bund, der Freistaat Sachsen sammen. Quartiere konnten erschlossen werden. Mit und die Landeshauptstadt Dresden. diesem Schritt begann der effiziente Wie- Es galt, alle Beteiligte an einen Tisch zu deraufbau des Areals unter Einbezug von bringen, um gemeinsam für den Wieder- Städtebaufördermitteln. Koordination und Erschließung aufbau des Neumarktes Lösungen zu- fin den und somit das bestmögliche Ergebnis Handlungsgrundlage der Landeshauptstadt 2002 wurde die STESAD GmbH als Sanie- zu erzielen. Dresden für die Entwicklung des Neumark- rungsbeauftrage im Fördergebiet Dresden- tes war der am 17. Januar 2002 vom Stadt- Neumarkt eingesetzt. Das städtische Unter- rat beschlossene Rahmenplan. In diesem Plan wurden unter anderem folgende Ziel- stellungen formuliert (siehe Karte Seite 13): Daten und Fakten n Die historische städtebauliche Bevölkerungs- und Gebäudeübersicht 2002 2017 Raumstruktur ist Grundlage für alle Gestaltungsmaßnahmen. Fläche Sanierungsgebiet in ha 34 34 n Die heute noch im Bereich ablesbare oder dokumentierte Quartierstruktur Einwohneranzahl 305 552 mit den erhaltenen historischen Ausländeranteil in Prozent 5,9 16,9 Bauten ist aufzunehmen oder wieder- herzustellen. Arbeitslosenanteil in Prozent 12,1 3,2 n Die räumlichen Dimensionen der Plätze, Straßen und Gassen sind wieder Anzahl der Wohnungen 299 376 sichtbar zu machen. Das bedingt die Wohnungsleerstand in Prozent 45,2 19,1 Aufnahme des Stadtgrundrisses vor der Zerstörung 1945. Quelle: Kommunale Statistikstelle, Stand, 31.12.2017

17 2003

Vorbereitungen Die Anforderungen an die Gesamtplanung großer Vorhaben des öffentlichen Raumes waren hoch. Da- Alle ziehen an her führte im Jahr 2003 die Landeshaupt- stadt Dresden ein europaweites öffentliches einem Strang Das jahrelange Warten der Dresdnerinnen Vergabeverfahren durch, um ein fachkom- und Dresdner auf ihren Neumarkt hatte petentes Büro zu finden. In dem Verfahren nun ein Ende und die Pläne zum Aufbau setzte sich die Arbeitsgemeinschaft Lopp/ Das Verlegen der Leitungen erwies sich und zur Rekonstruktion des Areals konkre- Weimarplan aus Weimar durch. Sie wurde als eine große Herausforderung für alle tisierten sich. mit den Planungen beauftragt. Beteiligten. So mussten etwa mehrere Gräben ausgehoben werden und eine 2003 begannen am Neumarkt als »Bauab- Denkamlpflegerische Belange spielten bei enorme Zahl von Pflastersteinen – schnitt 0« umfangreiche Infrastrukturmaß- allen Planungen eine große Rolle. Insbeson- 6 400 Tonnen – wartete darauf, von nahmen als Voraussetzung für die eigent- dere folgende Gestaltungsaspekte galt es Hand nach Farbe und Größe sortiert liche Quartiersentwicklung. Dazu gehörten zu befolgen: und verlegt zu werden. das Neu - bzw. Umverlegen von Ver- und Entsorgungsanlagen und das Anlegen von n Wiederherstellen der Geometrie der Dabei stießen wir schon mal an unsere Baustraßen. Ein entscheidendes Projekt Straßen und Plätze und deren ge- Grenzen. Dank der überragenden Zu- für die weitere Entwicklung des Areals war stalterische Gliederung in Fahr- und sammenarbeit und dem respektvollen der Bau der zentralen Tiefgarage unter dem Gehbahnen anhand von historischen Miteinander aller Beteiligten, wie ich Neumarkt. Sie bildete den ersten Schwer- Dokumentationen des Gebietes es in dieser Form selten im Bauwesen punkt im stadträumlichen Sanierungsge- n Eigenschaften und Qualität des Mate- erlebt habe, lösten wir alle Probleme schehen. Nach dem Errichten der unter- rials der Oberflächen (z. B. Granit, Por- gemeinsam und bewältigten die -Her irdischen Anlage wurden die Straßen und phyr, Altmaterial, Helligkeit, Farbigkeit, ausforderungen zielführend. Plätze auf der Tiefgarage neu hergestellt Oberflächenstruktur) präzisieren und und der öffentliche Raum des Neumarkts auswählen Trotz aller Schwierigkeiten zogen wir das erste Mal nach 1945 wieder als öffent- n Untergliederung, Neigung, Fugenbild immer an einem Strang und schafften licher Platz für die Dresdner erlebbar. Die der Straßenoberfläche präzisieren gemeinsam ein Unikat, das man sich Tiefgarage, fertig gestellt im August 2004, n Ausstattung der Straßenbeleuchtung, stets aufs Neue gerne ansieht. bietet heute 396 öffentliche Stellplätze. Die Hinweis- und Verkehrsschilder, Müll- umliegenden Quartiere I, III und IV haben behälter, Poller, Baumschutz, Fahrrad- einen direkten Zugang zu dieser Tiefgarage. ständer und so weiter, auswählen und Damit ist der Neumarkt auch unterirdisch ausführen Michael Höhne vernetzt. Insgesamt waren einschließlich n Anbindung des Straßen- und Gehweg- verantwortlicher Oberbauleiter Eurovia für die Um- und Neuverlegung modernster niveaus an Gebäude und Denkmäler für den »Bauabschnitt A« Ver- und Entsorgungsanlagen rund 17 Mil- lionen Euro erforderlich.

Straßenbau, Platzentwässerung und Pflasterung am Neumarkt Quelle: STESAD

18

2003

Die beauftragte Arbeitsgemeinschaft, Arge Materialien Metall- und Fenstertöne Fassadenfarbtöne Lopp/Weimarplan, insbesondere das Inge- nieurbüro Weimarplan, hat über den Zeit- raum von 2002 bis 2019 den Planungs- und Bauprozess zur Wiederherstellung der öffentlichen Straßen und Plätze mit insge- samt circa 55 000 Quadratmeter begleitet Dachfarbtöne und durchgeführt.

Für die erforderliche abschnittsweise Ent- wicklung des Neumarkt-Gebietes hat die Landeshauptstadt Dresden für funktional zusammenhängende Plätze, Straßen und Sandstein Gassen, Planungs- und Bauabschnitte ge- bildet.

Gestaltungsgrundsatz: Straßenbelag Metall- Fenster- Leitbauten und Leitfassaden farbtöne farbtöne Fondtöne

Mit dem Beschluss, den Neumarkt neu Systematische Farbübersicht (Ausschnitt), Darstellung: C. Freudenberg, Dresden aufzubauen, stellte sich die Frage, in wel- chem Umfang dies geschehen soll. Dieser Fragestellung folgend nahmen die Akteure Heinrich-Schütz-Haus Köhlersches Haus gemeinsam mit der Gestaltungskommis- Dach: Fassade, Spiegelfelder: sion die Idee von Landeskonservator Hans Biberschwanz, rotbraun Untergrund Weiß, Nadler auf und machten sie zum Grundsatz: (dunkler Brand) Farbton Nr. 35 als Lasur Einige im Krieg zerstörte Gebäude als »Leit- Fassade: Gewände, Gesimse, Orna- bauten« zu rekonstruieren. Hinter dem getöntes Kalkweiß: mentik, Spiegelrahmen: Konzept »Leitbauten« zu errichten, verbirgt Weiß als Grundfarbe, Warmes Grau: Farbton Nr. 84 Farbton Nr. 90 als Lasur als Grundfarbe, sich die Idee, bestimmte Gebäude nach ih- Farbton Nr. 179 als Lasur Gewände, Gesimse, rem historischen Vorbild wieder entstehen Fenster: Erdgeschoss: RAL 9001, zu lassen. Ziel war es, den Stadtraum am Ocker: Farbton Nr. 122 Cremeweiß Neumarkt weitestgehend der Bebauung vor 1945 nachzuempfinden. Fenster: Medaillon: Lasur Eiche NCS S 4040-R80B, mittlere Helligkeit Buchstaben vergoldet

Detaillierte Farbzuordnung am Beispiel Quartier V

20 2004

Eine nicht rechtskräftige Gestaltungssat- Alte Mitte – Neue Mitte die Gestaltung der öffentlichen Räume. zung für das Sanierungsgebiet vom März In dieser Zeit erfolgte die Realisierung des 2002 sah in den acht Quartieren auf über Die Hochphase der baulichen Entwick- »Bauabschnittes A« mit Herstellung des 100 zu bebauenden Parzellen mehr als 60 lung, welche dem Neumarkt seine öffent- Neumarktes, der Augustusstraße, der Töp- Leitbauten und ungefähr 40 zu rekonstruie- liche Identität zurückgab, erstreckte sich ferstraße und An der Frauenkirche mit ins- rende Fassaden vor. Diese Gebäude stellten zwischen 2004 und 2006. In diesem Zeit- gesamt 25 600 Quadratmeter Pflaster- bzw. den Maßstab für die Proportionen und Glie- raum entstand der Neumarkt wieder als Plattenflächen. Die kommunalen Aufgaben derung der übrigen Bebauung dar. Platz und insgesamt neun Gebäude, wie konzentrierten sich im Zeitraum von 2005 etwa das Quartier I. Das Baugeschehen in bis 2006 schwerpunktmäßig auf die Umge- Die Gebäude, die als Leitbauten wieder einem der bedeutendsten innerstädtischen staltung bzw. Herstellung der Verkehrs- und entstanden, waren sowohl in Grundriss und Räume stand auch im Blickfeld einer brei- Freianlagen in Verbindung mit der Gestal- Fassade den Originalen nachgebildet. War ten Öffentlichkeit weit über die Stadt- und der historische Grundriss nicht ausreichend Landesgrenzen hinaus. Im Rahmen der Öf- dokumentiert, wurde nur die Fassade, als fentlichkeitsarbeit reagierte die Stadt auf sogenannte Leitfassade, wiederhergestellt das Interesse für das Baugeschehen mit der und der Grundriss neu gegliedert. Installation einer Webcam. Im Juli 2005 ließ die Stadtverwaltung die Kamera auf dem Gebäude, die weder den Status von Leit- Kulturpalast anbringen, welche ab diesem bauten noch eine Fassadengestaltung nach Zeitpunkt Panoramabilder vom Geschehen historischem Vorbild hatten, sollten sich auf dem Neumarkt zeigte. Die Aufnahmen harmonisch in das Gesamtbild einfügen sind über das Internet frei zugänglich und und durch Putzfassaden eine zurückhalten- liegen der Broschüre als DVD bei. Es konn- de zeitgenössische Gestaltung erhalten. ten somit alle Interessierten das Gesche- hen verfolgen und erleben, wie der Platz zu neuem Leben erwachte.

Martin Luther Statue mit Natursteinpflaster Quelle: Stadtplanungsamt Dresden Öffentliche Räume

Doch nicht nur die Gebäude sind für die tung des öffentlichen Raumes nach den his- Gesamterscheinung des Neumarktes von torischen städtebaulichen Raumstrukturen. Farbabwicklung Quartier I (QF) Darstellungen: Kai von Döring Architekten unter entscheidender Bedeutung, sondern auch Weiterhin stand die sanierungszielbedingte Verwendung der Entwürfe verschiedener Verfasser

Ansicht Neumarkt /Augustusstraße Ansicht Töpferstraße Ansicht An der Frauenkirche

21 Baufelder Leitbauten (Rekonstruktionen der Beispiele für Leitbauten und Leitfassaden in den Quartieren Fassaden und Hauptgrundrissstruktur) Leitfassaden (Fassadenrekonstruktionen) I II III IV V VI VII VIII

1 1 1 1 1 1 1 1 Hotel Stadt Berlin Zum Schwan Palais Hoym British Hotel Heinrich-Schütz-Haus Chiapponisches Haus Caesarsches Haus Zehmsches Haus (Neumarkt 1) (An der Frauenkirche 13) (Landhausstraße 11) (Landhausstraße 6) (Neumarkt 12) (Frauenstraße 7) (Schössergasse 25) (Schloßstraße 36)

2 2 2 2 2 2 2 2 Weigelsches Haus Zur Glocke (An der Neumarkt 4 Landhausstraße 4 Köhlersches Haus Dinglingerhaus Triersches Haus Hoffmannseggsches Haus (Neumarkt 2) Frauenkirche 14) (Frauenstraße 14) (Frauenstraße 9) (Sporergasse 2) (Schloßstraße 34) VIII-1 I VIII-2

3 3 3 3 3 3 3 Goldener Ring Rampische Straße 1 An der Frauenkirche 17 Salomonisapotheke Klepperbeinsches Haus Dinglingerhaus Fraumutterhaus II-1 (Neumarkt 3) und 20, Neumarkt 7 (Neumarkt 8) (Frauenstraße 11) (Jüdenhof 5) (Schloßstraße 32) VII-1 II-2 II-3 II-4 VII-2 II-5

4 4 4 4 4 4 III-1 Rampische Straße 7 An der Hotel Stadt Rom Regimenthaus Neumarkt 16 und Bosensches Haus VI Frauenkirche 16 (Neumarkt 10) (am Jüdenhof) Jüdenhof 3 und 4 (Schössergasse 16) III-2

V-1 5 5 5 IV-1 Rampische Straße 9 An der Neumarkt 19 V-2 Frauenkirche 20 IV-2 IV-3

6 Rampische Straße 19

Abbildungen: Landeshauptstadt Dresden, Stadtplanungsamt, Bildstelle 7 Quelle: Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Uni- Rampische Straße 33 versitätsbibliothek Dresden (SLUB), Deutsche Fotothek; Landesamt für Denkmalpflege Sachsen, Dresden 22 23 2005

Um- bzw. Neuverlegen von Ver- und Entsor- Wiederaufbau Frauenkirche das Land Sachsen je ein Drittel. Der erfor- gungsleitungen im Fokus. Damit war auch derlicher Eigenanteil der Landeshauptstadt die Baufreiheit und die medientechnische Es sollte 60 Jahre dauern, bis die Frauenkir- Dresden von einem Drittel wurde durch Erschließung der benachbarten Quartiere che wieder den Mittelpunkt des Neumark- Spenden ersetzt. gewährleistet. Die öffentlichen Flächen des tes in ihrer vollen Pracht bilden konnte. Die Neumarktes erhielten erstmals 2005 eine Frauenkirche wurde ab 1996 unter Verwen- Durch die Verwendung historischer Bautei- dem Standort angemessene hohe Quali- dung historischer Bausubstanz gemäß den le ist das Schicksal der Zerstörung und die tät. Wertvolles Natursteinpflaster in hoher historischen Originalplänen wiedererrich- Geschichte des Neumarktes auf lange Zeit Güte wurde engfugig in Handarbeit verlegt. tet. Nach dem elfjährigen Aufbau erfolgte an der Fassade der Frauenkirche ablesbar. Gehwege mit den typischen, rechteckig am 30. Oktober 2005 die festliche Weihe und horizontal zugeschnittenen Granitplat- der Kirche. Dies war ein wichtiger Moment ten sowie historische Kandelaberbeleuch- für die wieder hergestellte Identität des Quartier I tung, ausgerüstet mit stromsparenden Neumarktes in der Stadt Dresden. modernen Leuchtmitteln, sorgen für eine angenehme Atmosphäre. Die Höhensprün- Der Wiederaufbau ist unter anderem dem ge zwischen den Gehwegen und dem Platz- Einsatz der Landeskirche und des Landes- oder Straßenraum verschwanden soweit amtes für Denkmalpflege sowie den - Bür wie möglich. Das schafft nicht nur den Ein- gerinnen und Bürgern, die dieses Begeh- druck von Weite und Großzügigkeit, son- ren unterstützten, zu verdanken. Aus der dern ermöglicht es Fußgängern und Rad- Gesamtinvestition der Städtebauförderung fahrern, barrierearm zu passieren. konnten auch zwölf Millionen Euro zum Wiederaufbau der Frauenkirche genutzt werden. Davon finanzierten der Bund und Hotel Stadt Berlin (Neumarkt 1), das Weigelsche Haus (Neumarkt 2) und der Goldene Ring (Neumarkt 3), Aufnahme um 1936 Quelle: Marburg

n Lage: westlich der Frauenkirche, begrenzt durch An der Frauenkirche, Neumarkt, Augustusstraße und Töpferstraße n Größe: 3 345 Quadratmeter

Die Errichtung des Quartiers I bildete nach der Frauenkirche den Auftakt für die sicht- bare bauliche Gestaltung des Neumarktes. Es war maßstabsbildend und Erkennungs-

Baustelleneinrichtung auf dem Quartier VI, Pflaster- vorsortierung, Hochbaumaßnahmen im Quartier IV und Beginn Abrissarbeiten Polizeigebäude Quelle: STESAD

24 2006

zeichen mit der kleinteiligen Bebauung des Enstanden ist ein Gebäudekomplex mit Neumarktquartiers. Im Dezember 2000 mehreren Erschließungskernen und zwei In- stellten hierfür neun Bewerber ihre Kon- nenhöfen, sechs Leitfassaden und zwei zepte zur Bebauung des 3 000 Quadratme- Fassaden in der Salzgasse in moderner Ar- ter großen Grundstücks vor. chitektursprache. Das Quartier enthält eine Die Investorengruppe Kondor Wessels mit kleinteilige Mischung aus Gewerbeflächen Arturo Prisco und dem Architekten Kai von mit Läden und Restaurants im Erdgeschoss Döring erhielt den Zuschlag und entwickel- sowie Büros und einem kleinen Hotel mit te das Quartier auf der Grundlage der his- 21 Suiten in den Obergeschossen. torischen Grundstückzuschnitte. Entstan- den sind bis 2006 neun, zu einem Quartier Blick auf Quartier I um 1925 Die Quartiersteile II-2 bis II-5 wurden 2009 zusammengefügte Einzelgebäude, davon: Quelle: Deutsche Fotothek bis 2013 errichtet. ein Leitbau, drei Fassadenrekonstruktionen und zur Töpferstraße hin mehrere moderne Geschäfts-, Büro- und Wohngebäude. Für Quartier IV die Neubauten wurden Realisierungswett- bewerbe durchgeführt, unterstützt und n Lage: südlich der Frauenkirche, begleitet durch die Gestaltungskommission begrenzt durch Neumarkt, Landhaus- Kulturhistorisches Zentrum. straße, Friesengasse und Moritzgasse n Größe: 3 250 Quadratmeter

Quartier II Leitfassade Neumarkt 3 Rekonstruiertes (Goldener Ring) Weigelsches Haus mit Bauabschnitt Quartier IV-1 n Lage: östlich der Frauenkirche, Quelle: Landeshauptstadt achteckigem Hof Dresden, Stadtplanungsamt Quelle: Landeshauptstadt begrenzt durch An der Frauenkirche, Dresden, Stadtplanungsamt Das neu erbaute Hotel de Saxe setzt sich aus Salzgasse und Rampische Straße fünf historischen Flurstücken zusammen. n Größe: 4 300 Quadratmeter Im April 2006 eröffnete das Steigenberger Hotel de Saxe mit einem an sein historisches Erscheinungsbild angelehnten Entwurf von Bauabschnitt Quartier II-1 IPRO Dresden. Als Leitfassaden wurden ne- ben der Fassade des Hotels, dessen Original Der westliche Quartiersteil im unmittelba- bereits seit Ende des 19. Jahrhunderts nicht ren Umfeld der Frauenkirche, entwickelt mehr existierte, die Fassaden der Salomonis- durch V.V.K. Unternehmensgruppe zu Dres- apotheke am Neumarkt und die der Land- den GmbH, enthält die Leitfassaden der hausstraße 4 wieder errichtet. Häuser »Zum Schwan« und »Zur Glocke« sowie der Rampischen Straße 1. Die Reali- sierung begann im Oktober 2004 und ende- te im Frühjahr 2007. Quartier I An der Frauenkirche / Ecke Töpferstraße Quelle: wörnerundpartner, Dresden

25 2007

Nachbarschaften entstehen

Der öffentliche Raum ist für alle da. Es ent- steht eine Atmosphäre der Nachbarschaft, wenn Plätze tatsächlich belebt werden.

Ziel war es seit Beginn der Planungen am Neumarkt, nicht nur Hotels zu errichten, sondern eine vielfältige Nutzung durch Wohnungen, Läden und Restaurants zu er- halten. Zugleich sollte der Stadtraum durch die Gebäude und Freiräume abwechslungs- reich, aber auch individuell charakterisiert erscheinen. Heute finden regelmäßig Ver- anstaltungen, Feste und Aktionen, wie die Ausstellung von moderner Kunst und der Adventsmarkt auf dem Neumarkt statt. Rekonstruierte Fassaden Haus Zum Schwan Zur Glocke (An der Frauenkirche 14), Auch die Kleinkunst hat diesen öffentlichen (Neumarkt 13), Haus Zur Glocke (Neumarkt 14) Aufnahme um 1900 Raum für sich entdeckt. und Rampische Straße 1 Quelle: Landesamt für Denkmalpflege Sachsen, Quelle: Landeshauptstadt Dresden, Stadtplanungsamt Dresden Hand in Hand

Eine deutliche Besonderheit im Neumarkt- gebiet stellte bei der Planung und Realisie- rung der Baumaßnahmen im öffentlichen Raum die starke Abhängigkeit von der zeit- lichen Einordnung meist privater Hochbau- vorhaben dar.

Es galt, den Touristenströmen ein ungehin- dertes Flanieren zu ermöglichen und die Funktionstüchtigkeit des Kulturpalastes so- wie die freie LKW-Zufahrt zu den Baustellen zu gewährleisten.

Hotel de Saxe Quelle: ddpix.de

26 2007

In flexibler Weise musste zum einen auf die Quartiers VI zu gewährleisten. Die Fahr- Mit Fertigstellung und dem Bezug der Hein- Interessenlage der Inverstoren reagiert und bahn der Friesengasse und der Platzbereich, rich-Schütz-Residenz sowie der Eröffnung zum anderen auf die erforderlichen Funk- auf dem ehemals das »Hotel Stadt Rom« der Gewerbeeinheiten war ein qualifizier- tionen der Straßenzüge, wie einen siche- stand, entstanden in diesem Zeitraum. ter Zugang notwendig. Daher musste die ren Fuß- und Radverkehr, geachtet werden. Schuhmachergasse und der Gehweg im Für die Koordinierung und Gewährleistung Bereich Frauenstraße und des Neumarktes war es notwendig, dass sich die Vielzahl der Straßenbau Salzgasse und Herstellung provisorisch errichtet werden. Diese Stra- Akteure intensiv abstimmten. Gehwege Quartier III-1 und V-2 ßenbaumaßnahmen standen ebenfalls in Abhängigkeit von der Quartiersbebauung Im Rahmen der Baudurchführung des »Bau- und wurden im November 2008 fertigge- Straßenbau Jüdenhof, Friesengasse, abschnittes C« entstanden die Salzgasse stellt. Bereich Hotel »Stadt Rom« sowie die Gehwege entlang der Quartiere III und V-2 von Oktober 2007 bis Mai 2008. Bis April 2007 erfolgten zur Komplet- Alle Bautätigkeiten waren in Abhängigkeit tierung des Neumarktareals als »Bauab- mit den gleichzeitig in den einzelnen Bau- schnitt B« weitere Neu- und Umverlegun- feldern stattfindenden Maßnahmen der gen der Ver- und Entsorgung. Das war im Quartiere II, III und V miteinander zu koor- Bereich des Jüdenhofes notwendig, um dinieren. Baufreiheit für die geplante Bebauung des

Mit Herausforderungen wachsen

Die Wiederherstellung des Neumarktes ist Um das alles zu schaffen, waren zum Teil Klaus Künzelmann ein Highlight unserer persönlichen Karriere tägliche Absprachen mit den Investoren verantwortlicher Mitarbeiter der DREWAG und wird uns immer begleiten. vor Ort erforderlich. Die Koordinierung war für die Verlegung von Fernwärme- und eine große Herausforderung, die wir mithil- Fernkälteleitungen Eine ganz besondere Herausforderung für fe des großartigen Teamworks bewältigten. uns waren die vielseitigen Anforderungen Alle haben zielorientiert gut zusammenge- Jürgen Sommermann an die Gestaltung des Neumarktes nach arbeitet, hatten ein gemeinsames Ziel vor verantwortlicher Bauüberwacher historischen Gesichtspunkten. Da war zum Augen und schufen so etwas außerordent- für die Verlegung von Ver- und Entsor- Beispiel eine Klimaanlage auf einem Dach lich Schönes. gungsleitungen sowie für die Oberflächen- nicht möglich, und so musste eine zentra- wiederherstellung (Großpflasterflächen) le Kälteversorgung her, mussten zahlreiche Heute erfüllen uns Stolz und Freude, wenn Leitungen in engen Straßenräumen verlegt wir den wiederhergestellten Neumarkt be- werden – und das alles während der nor- suchen und wissen, an diesem großartigen malen Öffnungszeiten von Geschäften und Projekt mitgewirkt zu haben. Diese Erfah- Restaurants. rung ist etwas Besonderes, das wir nie wie- der vergessen werden. 27 2007

Weinbergportal des Quartier III Köhlerschen Hauses, Aufnahme um 1930 n Lage: süd-östlich der Frauenkirche, Quelle: Sächsische begrenzt durch An der Frauenkirche, Landesbibliothek – Rampische Straße, das Polizeirevier Staats- und Universitätsbibliothek Dresden-Mitte (an der Schießgasse), Dresden (SLUB) – Landhausstraße und Neumarkt Deutsche Fotothek, n Größe: 12 205 Quadratmeter Walter Möbius

Rekonstruiertes Bauabschnitt Quartier III-1 Weinbergportal Quelle: Stadtplanungsamt Das Teilquartier An der Frauenkirche 18–22, Dresden Neumarkt 4–7 bis einschließlich Landhaus- straße 1 und 3 erwarb nach dem Verkauf durch einen privaten Eigentümer die Bay- wobau. Die Bauarbeiten konnten nach vorangegangenen archäologischen Unter- suchungen 2007 beginnen. Im Rahmen des Projektes entstanden bis Mai 2008 fünf getrennt erschlossene Gebäude mit insge- samt fünf Leitfassaden, fünf weitere Fassa- Köhlersches Haus (Frauenstraße 17), den in zeitgemäßer Architektursprache. Das Aufnahme um 1900 Teilquartier beinhaltet eine Mischnutzung Quelle: Landesamt für Denkmalpflege Sachsen, Dresden aus Läden, Gastronomie, 48 hochwertigen Wohnungen und Büroflächen.

Erker mit Kinderfries, Das kleine Bauvorhaben An der Frauenkir- Montage mit Heraus- che 16/17 wurde zwischen 2006 und 2008 hebung der geborgenen auf zwei historischen Parzellen umgesetzt. Bruchstücke Der Auftraggeber Edith Haberland Stiftung Quelle: Stadtplanungsamt ließ auf den zwei Parzellen einen Leitbau Dresden und ein Gebäude mit Leitfassade realisie- ren. Ein offener Innenhof mit Gastronomie und Wohnen entstand. Rekonstruierter Erker mit Kinderfries Quelle: Stadtplanungsamt Dresden

Neumarkt 12 um 1900 Quelle: Stadtplanungsamt Dresden

28 2008 2010

Quartier V Flaniermeile zwischen Schloßplatz und Altmarkt n Lage: südlich der Frauenkirche, be- grenzt durch Neumarkt, Kleine Kirch- entsteht gasse, Galeriestraße und Frauenstraße n Größe: 2 105 Quadratmeter Eine wichtige innerstädtische Verbindung entstand bis 2010 wieder zwischen Alt- markt und Schloßplatz. Entlang des Kultur- Bauabschnitt Quartier V-2 palastes verläuft die Schloßstraße, welche die beiden Plätze verbindet. Täglich flanie- Der östliche Teil des Quartiers V in Richtung ren heute tausende Dresdner und Gäste Quartier V-2 Stand: Dezember 2007 Neumarkt umfasst die bedeutenden Leit- Quelle: STESAD über diese Straße. Über die angrenzenden bauten Heinrich-Schütz-Haus und Köhler- Gassen mit den historisch rekonstruierten sches Haus. Gebäuden und Bauten in neuzeitlicher Architektur gelangen die Besucher zum Nach Verkauf des Quartiers V-2 durch die Neumarkt. Mit großer Aufmerksamkeit ver- Landeshauptstadt Dresden an das Martins- folgten die Einwohner die Gestaltung des hof Rothenburg Diakoniewerk im Jahr 2006 Areals und es war wichtig, ihre Stimme zu und der Aufstellung eines vorhabenbezo- hören. Letztlich sollten sie sich mit den neu genen Bebauungsplanes erfolgte 2007 der gestalteten Quartieren identifizieren kön- Baubeginn. Fertigstellung der hochwerti- nen. gen Wohnresidenz mit circa 45 altersge- rechten Wohnungen war im Herbst 2008. Dresdner Debatte Bei diesem Bauvorhaben wurden nicht nur Quartier V-2 Stand: April 2008 einzelne Gebäude rekonstruiert, sondern Quelle: STESAD Wie wird der Neumarkt auch die Vergangenheit unmittelbar einge- bunden. Eine Reihe von vorhandenen Frag- ein Platz für die Dresdner? menten der Originalfassaden sind wieder in den Erkern und Portalen integriert. Ein Bei- Mit dieser Frage startete die erste Dresdner spiel hierfür ist der Kinderfries. Debatte am 8. Juni 2010. Ziel der Debatte zum Thema Neumarkt war es, Beiträge und Meinungen zur Nutzung dieses innerstädti- schen Areals zu erhalten. Über 20 000 Be- sucher haben die Internetseite in der über vier Wochen andauernden Beteiligung auf- gerufen. Sie konnten sich mit Ideen und Kommentaren an diesen Prozess beteiligen bzw. informieren. Quartier V-2 Fertigstellung der Heinrich-Schütz-Residenz Quelle: Stadtplanungsamt Dresden

29 2010

Insgesamt 475 Vorschläge veröffentlichten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer auf der Plattform www.dresdner-debatte.de. Eine lebhafte Debatte entwickelte sich on- line zu verschiedenen Themen, wie Kultur, Wohnraum, Architektur und andere. Für eine sachliche Atmosphäre sorgten Mode- ratoren, um auch jeden gebührend zu Wort kommen zu lassen. Alle Beiträge wurden analysiert und nach Themen gebündelt. Die am häufigsten besprochenen und unter- Beratung in der Infobox Plakat zur Dresdner Debatte stützten Anregungen aus der Diskussion Quelle: Stadtplanungsamt Dresden Quelle: Stadtplanungsamt waren: Dresden n Zustimmung zur neuen Dialogform Dresdner Debatte n Zustimmung zur bisherigen Neumarkt- entwicklung: Anerkennung der bauli- chen Gestaltung und damit prinzipielle Anerkennung des städtebaulich-gestal- terischen Konzepts n inhaltlicher Schwerpunkt der Online-Diskussion: Architektur und Gestaltung n Besonderheit/Symbolcharakter des Ortes ist eindeutig n repräsentativer Ort für Touristen, alltäglicher Ort für die Dresdnerinnen und Dresdner n Traditionen bewahren und Zukunft Raum lassen n Votum der Bürger für bessere Auf- enthaltsqualität auf dem Neumarkt, temporäre Nutzungen zulassen

Austausch vor und in der Infobox auf dem Neumarkt Quelle: Stadtplanungsamt Dresden

30 Hier liegen das Herz und die Seele von Dresden. Die neue Form des Bürgerdialogs war ein Erfolg. Die Anregungen aus der Dresd- Ich kenne Dresden noch im zerstörten Zu- sammengebracht hat, neue Kontakte, ja ner Debatte flossen in die weiteren- Pla stand vom Anfang der 1970er Jahre. Da- Freundschaften entstehen ließ. Nun wird, nungsprozesse ein, beispielsweise bei der mals fuhr ich mit meiner Großmutter von wahrscheinlich im Jahr 2023, mit der Grundstückentwicklung oder im Rahmen Trachau kommend mit der Straßenbahn Wiederherstellung des letzten Quartiers der Beratung von Bauherren. In dem Pla- über den Palaisplatz, die Heinrichstraße, nach über 45 Jahren Planungs- und Bau- nungs- und Abstimmungsprozess zwischen Neustädter Markt, die Augustusbrücke, zeit alles fertiggestellt sein – mit Ausnah- den Vertretern des Stadtrates und der den Schloß- und Theaterplatz zum Post- me der »Brillanten« Hotel Stadt Rom und Verwaltung galten die zusammengefass- platz. Palais de Saxe. ten Anregungen der Dresdner Debatte als wichtige Anhaltspunkte für die zukünftige Diese Fahrt hat sich in mein Gedächt- Unser Neumarkt ist einer der schönsten Gestaltung und Nutzung des historischen nis eingebrannt. Auf der Neustädter Plätze, wenn nicht der schönste Platz Gewandhausgrundstücks. Der Stadtrat be- Seite stand das Gras recht hoch und da- in Dresden geworden. Darüber hinaus schloss auf Grundlage der öffentlichen De- zwischen ein einzelnes Haus. Es war die hat das Gebiet Dresdner Neumarkt eine batte, die ein Votum für öffentliches Grün »Regierung« (Große Meißner Straße 15), große Vorbildfunktion ausgeübt für- an am Neumarkt enthielt, im Dezember 2011 heute Teil des Hotels Bellevue, damals Sitz dere Projekte in Deutschland. So für den eine Konzeption mit großen schattenspen- der Eisenwarenhandlung Hecker‘s Sohn. Wiederaufbau des Dom-Römer-Areals denden Bäumen, einem Trinkbrunnen und Als Kind hatte ich auf der Leipziger Straße in Frankfurt/Main und den Wiederauf- Sitzgelegenheiten. am Goldenen Lamm bei dieser Firma für bau um das Potsdamer Stadtschloss am meine Basteleien immer eingekauft. Des- Alten Markt. In beiden Fällen konnte die Für das Format der Bürgerbeteiligung wur- halb wunderte ich mich nun über dieses Gesellschaft Historischer Neumarkt Dres- de die Landeshauptstadt im April 2012 mit einzeln stehende große Gebäude dieser den e. V. (GHND) beratend gegenüber dem Sonderpreis »Nachhaltiger Bürger- Firma. Auf der anderen Seite der Elbe den politischen Entscheidungsträgern tä- dialog« ausgezeichnet. Die erste Dresdner erwarteten uns die Ruinen von Schloss, tig werden. Debatte war eine wichtige Erfahrung für die Oper und Taschenbergpalais. Es war ein Bürgerinnen und Bürger sowie die Verwal- unheimlicher Eindruck, in diese ausge- Wir haben über die Jahre maßgeblich die tung. Weitere Dresdner Debatten folgten brannten Fensterhöhlen zu sehen. Diskussion über Baukultur in unserem und andere Formate der Beteiligung in der Land vorangebracht und sind dafür mehr- Stadtentwicklung sind nun fester Bestand- Es wurde für viele von uns fach national und auch international -ge teil. eine Lebensaufgabe ehrt worden. Der Wiederaufbau des Dresdner Neu- markts, und damit meine ich nicht nur den Platz an sich, sondern den gesam- ten Bereich zwischen Kurländer Palais Torsten Kulke und Dresdner Residenzschloss sowie 1. Vorstandsvorsitzender Brühlscher Terrasse und Wilsdruffer Straße, sollte eine lange, anstrengende Gesellschaft Historischer und sehr schöne Aufgabe werden. Es ist Neumarkt Dresden e. V. ein für Deutschland einzigartiges Pro- jekt, das viele Menschen weltweit zu-

31 Eine weitere Planungsmöglichkeit, um die Wettbewerbe bestmögliche Gestaltung für einen Ort zu finden, sind Wettbewerbsverfahren. Dadurch lassen sich im Umgang mit der Tradition auch moderne Lösungen für die Neubebauung finden. In der Realisierungs- phase des Wiederaufbaus galt es, die ho- hen Erwartungen an die Gebäude, die keine Leitbauten sind, umzusetzen. Insbesondere Wettbewerbe, viele davon im Auftrag- pri vater Investoren, trugen zu einer Quali- tätssicherung bei. Sechs Realisierungswett- bewerbe, neun Fassadenwettbewerbe und zwei städtische Werkstattverfahren zeigten die Vielfalt der möglichen Lösungen und die hohe Qualität der Entwürfe. Sie bewiesen, Modell M 1:200, blick aus Süden dass sich zeitgemäßes Bauen gut in den Quelle: Stadtplanungsamt Dresden, 2005 Kontext der Leitbauten einfügen lässt. So gelang es, das Bild am Neumarkt mit mo- dernen Neubauten zu ergänzen und die Baugeschichte des Platzes weiterzuschrei- ben. Hotels, exklusive Wohnungen und Büros, kleine Geschäfte, Cafés und Restau- rants sorgen heute für eine gelungene Mi- schung von Leben, Arbeiten und Genießen sowie für die wirtschaftliche Belebung des Areals. Ausgewählte Wettbewerbsverfahren und zeitgenössische Architektur am Neumarkt n Quartier I: Töpferstraße 2–16, An der Frauenkirche 1–2, Augustusstraße 4–6, Realisierungswettbewerb für gesamte Töpferstraße, Entwurfsverfasser Pfau Architekten, Wörner und Partner Architekten, Rohdecan Architekten, Architekturbüro Kai von Döring (2004 Realisierungswettbewerb Töpferstraße 4–6, Realisierung Töpferstraße 4–6 bis 2006 realisiert) Überarbeitung Entwurf: Rohdecan Architekten, Dresden Entwurf: Rohdecan Architekten, Dresden n Quartier II-2: Rampische Straße 11–23, wettbewerbliches Verfahren 2007 Entwurfsverfasser Wörner und Partner, (2009 realisiert) n Quartier II-5: Fassadengestaltung Rampische Straße 31, Fassade zur Salz- gasse 8: 2_ECK Architekten Dresden (Variantenstudie, 2013 realisiert)

Realisierungswettbewerb Töpferstraße 12–14 Ansicht Hofseite, Blick aus der Detail Straßenfassade Entwurf 1. Preis: Pfau Architekten, Dresden glasüberdachten Hof-Passage Töpferstraße 12–14 Töpferstraße 12–14 Entwurf: Pfau Entwurf: Pfau Architekten, Dresden Architekten, Dresden

Fassaden des Quartiers II Foto: ddpix.de

Realisierungswettbewerb Töpferstraße 16, Realisierung Töpferstraße 16 Überarbeitung Entwurf: wörner traxler richter, Dresden Entwurf: wörner traxler richter, Dresden

33 34 n Quartier III-1: Fünf Fassaden wurden in sich eingliedernder zeitgemäßer Architektursprache errichtet, für zwei weitere gab es 2008 einen Fassaden- wettbewerb. n Quartier III-2: Fassadenwettbewerb 2016 zur Fassadenfolge und Einzel- Fassadenfolge Landhausstraße mit Palais Hoym fassaden. Umsetzung der Siegerent- Quelle: CG-Gruppe AG, Dresden würfe zur Fassadenabwicklung für die Landhausstraße und Rampischen Straße, ARGE Dähne und Pfau Archi- tekten, Dresden n Einzelfassaden von ARGE Dähne und Pfau Architekten, DD1 Architekten, Stellwerk Architekten, Rohdecan Architekten, Dresden n Fassadenwettbewerb zur Rampischen Straße 16–18: Siegerentwurf Nöfer Fassadenfolge Rampische Straße Architekten, Dresden Quelle: CG-Gruppe AG, Dresden

n Quartier IV: »Schichten der Stadt – Hotel Stadt Rom« Städtebaulicher Wettbewerb 2011 Empfehlung der Jury für die Entwürfe von DD1 Architekten und Müller Reimann Architekten (nicht realisiert)

n Quartier IV-1: Fassadenwettbewerb Landhausstraße 2 (Wörner und MORITZHAUS am Neumarkt, Galeriestraße 2 Partner), Moritzstraße1 b, Peter Zirkel (Fotorealistische Darstellung) (2005 realisiert) Quelle: KIB Gruppe

n Quartier IV-3: Fassadengestaltung Landhausstraße 8 bis 10, MMZ Archi- tekten, Frankfurt/Main (Variantenstu- die, realisiert 2016)

n Quartier V-1: Realisierungswettbewerb 2009, Realisierung, 2. Preisträger Rampische Straße 16–18 Quelle: Nöfer Architekten Kupferschmidt Architekten (2017/2018 realisiert)

Palais Hoym (Landhausstraße 11) n Quartier V-2 Neumarkt 11: Ent- Landhausstraße 8–10 im Quartier III, Aufnahme vor 1945 wurfsverfasser Feddersen Architekten Quelle: Jörg Hempel Foto: Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Univer- (2007/08 realisiert) sitätsbibliothek Dresden (SLUB) – Deutsche Fotothek

35 n Quartier VI: Gewandhausgrund- Werkstattverfahren stück, 2007 Wettbewerb nach GRW, Quartier VII Realisierung wurde 2008 vom Stadtrat abgelehnt n Fassadenwettbewerb für Galeriestraße Das Quartier VII zählt mit dem angrenzen- 22–24 (2013), Empfehlung der Jury den Baufeld des Kulturpalastes zu den äl- für den Entwurf Stellwerk Architekten, testen Arealen Dresdens. Seine Entwicklung Dresden (2018 realisiert) reicht bis in die Gründungszeit der Landes- hauptstadt Dresden zurück. Das gesamte Quartier war nach dem Februar 1945 zer- stört. Den in der Folgezeit beräumten Be- Quartier VIII-2 Bauherr: Baywobau, Architekt: Stellwerk reich sah man für ein zentrales »Haus der Architekten, Foto: Lothar Sprenger Kultur«, heute Kulturpalast, vor. Mit der Er- öffnung des Kulturpalastes 1969 diente die n Fassadengestaltung ehemalige Sporer- nördlich gelegene Fläche nahezu 40 Jahre gasse 4 Lehni Architekten (kein Wett- als Parkplatz. Das städtebaulich gestalte- bewerbsverfahren) rische Konzept (Fortschreibung 2001) für das Neumarktgebiet untersuchte bereits verschiedene Entwicklungsansätze für das Jüdenhof / Galeriestraße 22–24 Visualisierung: Stellwerk Architekten Quartier. Allen gemeinsam war der Grund- gedanke einer Bebauung innerhalb der historischen Straßenfluchten. Im Novem- n Fassadenwettbewerb für die Ecke ber 2004 bekannte sich der Stadtrat dazu, Frauenstraße / Galeriestraße (2015), den Kulturpalast in seinem vorhandenen Empfehlung der Jury für den Entwurf Bestand zu erhalten. Damit stellte sich die Alexander Pötsch Architekten, Realisie- Rosmaringasse mit Blick auf Schloßstraße Frage nach der städtebaulich-räumlichen rung in abgewandelter Form durch Visualisierung: Knerer und Lang Architekten Qualität eines Stadtquartiers, das dem Kul- 2_ECK Architekten. turpalast Raum gewährt und eine attraktive n Quartier VIII-1 und VIII-2: Fünf Verflechtung des Schlosses und des- Alt n Quartier VII: städtebauliches Werk- Fassadenwettbewerbe, Umsetzung marktes mit dem Neumarktgebiet herstellt. stattverfahren 2006, Empfehlung der der Siegerentwürfe Schubert & Horst Zum anderen musste es Lösungen zur städ- Jury für den Entwurf DD1 Architekten Architekten, Zinnober Architekten, tebaulich-gestalterischen Ausformung der (wird umgesetzt) IPRO, Architekturbüro Heike Böttcher Schloßstraße zwischen Kulturpalast und und Dähne Architekten, Rohdecan Schloss geben. n Quartier VII-1: Fassadenwettbewerb Architekten (2012 realisiert) Rosmaringasse (2016), Siegerentwürfe Im März und April 2006 lud die Landes- Knerer und Lang Architekten, Wörner n Quartier VIII2-2: Architekturwett- hauptstadt Dresden zehn Architektur- und Traxler Richter Architekten Fassaden- bewerb Siegerentwurf: Stellwerk Städtebaubüros zu einem städtebaulichen gestaltung Fürstliches Haus Sporergas- Architekten (2012 realisiert) Werkstattverfahren ein. Die Gutachter prä- se IPRO Consult ferierten den Entwurf des Büros dd1 Archi- n An der Frauenkirche 22: fünf getrennt tekten, Dresden, welcher mit einem leich- n Quartier VII-2: Fassadenwettbewerb erschlossene Gebäude mit fünf Leit- ten Knick harmonisch in das eng bebaute (2013), Siegerentwurf Stellwerk Archi- fassaden, Entwurf des Dresdner Büros Neumarktareal einleitet. tekten wörner und partner, Planung vom Planungsbüro IPRO Dresden

36 2011

Weitere hochbauliche Entwicklung Herstellung Schloßstraße und Vervollständigung des zwischen 2009 und 2010: British Hotel angrenzende Gassen »starken Rahmens« um Das British Hotel an der Landhausstraße 6 Eine wichtige öffentliche Baumaßnahme den Neumarkt zählt zu den bedeutendsten Dresdner Ge- zwischen 2009 und 2012 war der »Bauab- bäuden vom Anfang des 18. Jahrhunderts. schnitt D« mit Ausbau der Schloßstraße, Die Schießgasse entstand bei der östlichen Nach den Aussagen der Kunsthistoriker Sporergasse, Kanzleigässchen, Schösser- Stadtausdehnung auf dem Gelände um sollen George Bähr und Georg Haase das gasse und der Rosmaringasse. Die Reali- die alte Frauenkirche bereits im 16. Jahr- Gebäude für den Oberfalkenmeister und sierung begann im Februar 2009. Mit der hundert. Sie bildet bis heute den östlichen Kammerherren Graf Wolfgang Dietrich Baudurchführung wurde der Steinsetz- und Abschluss des Neumarktareals und ist zu- von Beichlingen bis 1715 errichtet haben. Straßenbaubetrieb Wolfgang Hausdorf e. K. gleich die am häufigsten genutzte Zufahrt Das Grundstück wurde durch die Landes- beauftragt. Zu Beginn war geplant, alle Stra- zum Neumarkt. hauptstadt Dresden an die Schweizer HA- ßen und Gassen zwischen Jüdenhof und PIMAG-Gruppe verkauft. Sie errichtete ab Schloßstraße bis Juli 2010 abzuschließen. 2008 ein Ferienwohnungsdomizil mit 25 Aufgrund einer Unterbrechung, die durch Bauabschnitt Tzschirnerplatz, Schießgasse, Einheiten und zwei Läden im Erdgeschoss das gleichzeitige Bauen in den Quartieren Rampische Straße und Salzgasse und konnte im November 2010 die Eröff- VIII-1 und VIII-2 bedingt war, konnten die nung feiern. Herzstück des Baues wurde städtischen Bauarbeiten erst im März 2012 Der abschnittweise Ausbau der Rampischen die wiederhergestellte historische Fassade, abgeschlossen werden. Die Firma Hausdorf Straße, der Salzgasse, des Tzschirnerplatzes wobei circa 70 erhalten gebliebene Frag- entwickelte sich zum langjährigen Begleiter und der Schießgasse in den »Bauabschnit- mente der Originalfassade Verwendung der Bautätigkeiten im öffentlichen Raum ten E 1 und E 2«, erfolgte im Zeitraum Au- fanden. Für den Wiederaufbau des British für Pflaster- und Gehwegsarbeiten am Neu- gust 2008 bis März 2012. Die Fahrbahn der Hotels hat der Stadtrat eine Gestaltungssat- markt. Schießgasse wurde in Asphalt ausgeführt, zung beschlossen. da sie sich nicht unmittelbar im historischen Dieser Bauabschnitt umfasst circa 11 000 Neumarktbereich befindet. Somit verbes- Quadratmeter Fläche. Die Ausstattung -er serte sich der Lärmschutz. Die angrenzende folgte mit Großpflaster und Granitplatten. Rampische Straße, die Salzgasse und der In der südlichen Schloßstraße wurden ne- Tzschirnerplatz wurden nach historischem ben dem Kulturpalast 16 Bäume gepflanzt. Vorbild mit Großpflaster hergestellt. Für den Belag aller Gehwegbereiche entschied man sich für aufbereitete Granitplatten aus Altmaterial. Mit der Realisierung der Schießgasse, der Rampischen Straße, des Tzschirnerplatzes und der Salzgasse gelang es, dem Neumarkt seinen Rahmen zurück- zugeben und den Großteil der Arbeiten im öffentlichen Raum abzuschließen. British Hotel, Landhausstraße 6 (links) und Landhausstraße 4, Rekonstruktionen nach historischen Vorbildern. In die Fassade des British Hotel sind geborgene Bauteile des Vorgängerbaus integriert worden. Quelle: Stadtplanungsamt Dresden 37 Das Einzigartige am Neumarktpflaster ist sein Verlauf von dunklen Steinen zu hellen.

»Herzlichen Glückwunsch, Sie dürfen den So viele Steine verursachen auch das eine Roswitha Voigt und Neumarkt pflastern!« Was dies für Arbeit oder andere Problem. In unserem Fall wa- Petra Rohbeck bedeuten sollte, war uns damals nicht ren es Engpässe bei der Materialbereitstel- verantwortliche Planerinnen klar. Man verlegt schließlich nicht alle Tage lung. Die Lösung hieß »Deckentausch«. Wir der Arbeitsgemeinschaft Ingenieurbüro 40 000 Quadratmeter Pflaster. Das ent- nahmen also auch Pflaster der Straßen im Lopp und Ingenieurbüro Weimarplan spricht der Fläche von fast sechs Fußballfel- Stadtgebiet, welche saniert werden sollten. für den Neumarkt dern. Das Pflaster spielte bei diesem Pro- Die Pflasterdecke am Neumarkt wurde auf jekt auch noch die wichtigste Rolle. eine Asphalttragschicht gesetzt. So hält es auch die Lastzüge aus, die zu den verschie- Eine so große, zusammenhängende Pflas- denen Events dort fahren. terfläche wurde in dieser Qualität in Deutschland noch nicht verlegt. Um eine Wenn wir heute über das Gesamtwerk entsprechende Qualität zu erzielen, muss- Neumarkt spazieren, wissen wir: Die Mühe te wir geeignetes Altpflaster finden. Zum hat sich gelohnt! Schluss waren es 6 400 Tonnen Pflasterstei- ne, angeliefert auf circa 750 Sattelschlep- pern, welche die Pflasterer von Hand ver- Schloßstraße mit Blick zum Altmarkt. arbeiteten. Quelle: STESAD

38 2012

Bauabschnitt Jüdenhof Bauabschnitt Quartier II-3 wurde das »Gräflich Hoffmannseggsche Haus« (Wohnhaus M. D. Pöppelmanns, Von September 2009 bis März 2011 wur- Die Bauarbeiten des Quartiers II (Rampi- Schloßstraße 34) dem historischen Vorbild de als »Bauabschnitt Jüdenhof« auch der sche Straße 23 bis 27) gingen mit denen der entsprechend in die Hotelplanung integ- westliche Bereich des Neumarktes mit öffentlichen Räume einher. Auf sechs histo- riert. Die Wiedererrichtung des »Zechschen Herstellung einer circa 2 750 Quadratmeter rischen Flurstücken errichtete ein Bauherr Hauses« in der Schössergasse 29 war auf- großen Pflasterfläche komplettiert. Auch bis 2011 ein Wohn- und Geschäftsgebäude. grund feuerwehrtechnischer Anforderun- diese Bauarbeiten mussten mit den parallel Ab dem 2. Obergeschoss sind jeweils sechs gen an die Straßenverläufe nicht möglich. stattfindenden Bauarbeiten zur Sanierung Wohnungen um den bis in das Erdgeschoss Die historischen Fassaden der Gebäude des Johanneums und der »Englischen Trep- offenen Innenhof platziert. Büros im 1. Ober- Schloßstraße 36a und 32, Schössergasse pe« an stadtseitigen Fassade einhergehen. geschoss und Läden im Erdgeschoss ergän- 27, Sporergasse 3 und 5 entstanden nach zen das Projekt. Zur Rampischen Straße sind historischen Vorbildern im Zuge der Neu- drei Leitfassaden nach historischem Vorbild bebauung. Für die Fassaden, die keine Leit- Endausbau Galeriestraße und entstanden, während die drei Fassaden zur bauten sind, hat der Vorhabenträger Fassa- Frauenstraße Salzgasse hin eine zeitgenössische Architek- denwettbewerbe durchgeführt. tursprache zeigen. Die 2003 bzw. 2004 als Baustraßen mit Als Gewinner der Wettbewerbe gingen fol- einer Asphaltfahrbahn hergestellte Gale- gende Büros hervor, nach deren Entwürfen riestraße und Frauenstraße erhielten 2012 Quartier VIII einzelne Fassaden geplant wurden: einen Deckentausch. Auch hier verwende- n Horst und Schubert Architekten ten Fachleute hochwertiges Material aus n Lage: westlich der Frauenkirche, n Zinnober Architekten Altpflaster. begrenzt durch Sporergasse, Schloß- n IPRO straße, Kanzleigäßchen und das n Heike Böttcher Architekten mit M. Dähne Johanneum (Verkehrsmuseum) n Rohdecan n Größe: 5 235 Quadratmeter Unter dem Leitbau Schloßstraße 34 konnte der einzige noch überwölbte Keller aus der Bauabschnitt Quartier VIII-1 und VIII-2 gotischen Epoche erhalten und wieder zu- gänglich gemacht werden. Der Freistaat Sachsen verkaufte 2007 das Quartier VIII an die Baywobau. Im Quartier Im Quartier VIII-2 entstanden neben dem VIII-1 gegenüber dem Schloss entstand bis Johanneum Gebäude in der historischen April 2012 ein First Class-Hotel mit circa 240 Stadtstruktur an der Schösser- und Sporer- Zimmern. Im Erdgeschoss wurden Läden gasse. Vornehmlich Wohnungen und kleine von den umlaufenden Straßen aus erschlos- Läden findet man dort vor. Für die Fassa- sen. Die historischen Innenhofbereiche sind dengestaltung fand bis Mitte April 2008 teilweise wiederhergestellt. Innerhalb des ein Wettbewerb statt. Als erster Preisträger Grundstücks Schloßstraße/Schössergasse ging das Büro Stellwerk Architekten aus

Gehweg und Pflasterung am Jüdenhof Quelle: ddpix.de 39 2013

Dresden hervor. Der Baubeginn im Quartier Komplettierung des neuen Hochbau Quartier II-5 VIII-1 fand 2010 und im Quartier VIII-2 im Neumarktes Jahr 2011 statt. Die Fertigstellung erfolgte Nach den archäologischen Grabungen auf in beiden Quartiersteilen im Jahr 2012. dem Grundstück Rampische Straße 31–33 Das Gesicht der Innenstadt Dresdens rund im Jahr 2011 wurde der aus vielen Abbil- um den Neumarkt hat sich bereits bis zum dungen bekannte Kopfbau der Rampischen Jahr 2013 gravierend geändert. Die Um- Straße 33 zwischen 2012 und 2013 als Re- beziehungsweise Neugestaltung der öffent- konstruktion errichtet. Das Gebäude- ent lichen Räume hatte zu diesem Zeitpunkt stand auf den historischen Kellermauern. bereits umfassend Gestalt angenommen. Ein Teil der Kelleranlage ist als Baudenkmal Zahlreiche Hochbauvorhaben waren rea- geschützt. Auch die Fassade der Rampi- lisiert. Der sensible Umgang mit dem his- schen Straße 31 ist eine Fassadenrekonst- torischen Vermächtnis entwickelte immer ruktion. Die Fassade nach Norden zur Salz- mehr seine Ausstrahlung. Einige Baufelder gasse entstand in einer neuen Fassung. Die zeigten sich jedoch noch unbebaut, an de- Bauherren realisierten hier ein gemischtes nen man die historischen Spuren deutlich Wohn- und Geschäftsgebäude. in Form alter Kelleranlagen und Fundamen- te sehen konnte.

Rekonstruktion des Kopfbaus Rampische Straße 33, 2013 Quelle: ddpix.de

Quartier VII – Rampische Straße/ Rampische Straße, Ruine Rampische Straße, vor dem Wiederaufbau des Kopfbaus Salzgasse, ca. 1936 nach 1945 Wiederaufbau des Kopfbaus, 2011 Rampische Straße 33, 2013 Quelle: SLUB Dresden/Deutsche Quelle: SLUB Dresden/Deutsche Quelle: 2_ECK Architekten Quelle: Stadtplanungsamt Dresden Fotothek Fotothek

Weihnachtsmarkt 40 Quelle: ddpix.de 41 Erste archäologische Untersuchungen auf Archäologische dem Gelände des alten Frauenkirchfriedho- fes fanden schon in den 1980er Jahre statt. Grund war der Neubau des Hotels Dresd- Untersuchungen in ner Hof, später Hilton Dresden, an der Ecke Töpfergasse/Münzgasse. In den folgenden Jahren gingen den Bebauungen der Grund- der Gegenwart stücke immer archäologische Grabungen voraus.

Anhand der mittelalterlichen Befestigungs- anlage, der Kellergewölbe und der Befunde im Bereich des ehemaligen Friedhofes an der Frauenkirche, konnten Rückschlüsse auf die damalige Bebauung und das Leben in der Stadt Dresden gezogen werden. Die Archäologische Grabung Quartier VIII, Mittelalterlicher Keller des 13./14. Jahrhunderts mit voll erhaltenem, gotischen Kreuzgratgewölbe schrittweisen Untersuchungen führte das Quelle: Stadtplanungsamt Dresden, 2008 Landesamt für Archäologie durch. Ver- antwortlich für die Grabungen auf dem Neumarkt war der Leiter der Abteilung II im Landesamt für Denkmalpflege, Dr. Thomas Westphalen. Die Freilegung, Rei- nigung, Fotodokumentation und Archivie- rung machen deutlich, welche Bedeutung das Areal um den Neumarkt in der Dresd- ner Geschichte hat. Wie bereits im Kapitel »Zeitreise im Zentrum der Stadt« erläutert, bestand der Neumarkt am ehemaligen Frauentor bereits im Mittelalter. So konnten etwa bei den archäologischen Grabungen mittelalterliche Funde gesichert werden. In kleinen Hauskellergruben bargen Fachleute Keramikstücke, die aus dem 12. Jahrhun- dert stammen. Meist wurden die Gegen- stände in Latrinen gefunden. In solchen Ab- fallschächten versenkten die Dresdner einst nicht nur Fäkalien, sondern auch alltägliche Dinge, die sie nicht mehr benötigten.

Nördlich der Frauenkirche, auf dem ehe- maligen Friedhof, entdeckten Archäologen rund 800 Skelette. Insbesondere die gefun- denen Massengräber sind zeitgeschichtli- che Zeugen von kriegerischen Ereignissen oder Seuchenzügen in der Vergangenheit.

42 Nach abgeschlossenen archäologischen Grabungen konnten in einigen Quartieren historische Keller (farbig markiert) erhalten bleiben. Mit der Nutzung dieser Originalsubstanz entsteht eine physisch-materielle Brücke zur Vergangenheit. Quelle: Landeshauptstadt Dresden 43 Ein Berg voller Daten

Erhaltene historische Keller bekommen neue Archäologische Grabung Quartier VII-2, Mittel- Nutzungen, wie hier als Spabereich im HYPERION alterlicher Keller des 13./14. Jahrhunderts mit voll Erste archäologische Grabungen auf Hotel Dresden an der Schlossstraße. erhaltenem, gotischen Kreuzgratgewölbe dem Neumarkt gab es schon in den Quelle: Swissôtel Dresden Am Schloss Quelle: Stadtplanungsamt Dresden, 2013 1990er Jahren. Durch Arbeitsbeschaf- fungsmaßnahmen war es damals mög- Einer der überraschendsten Funde steht im Vorbereitung lich, bis zu 100 Leute gleichzeitig gra- Zusammenhang mit der Befestigungsanla- Gewandhausfläche ben zu lassen. Deswegen war eine gute ge von Dresden. Vermutlich entstanden im Koordinierung so wichtig. Auch ich hat- 13. Jahrhundert die Stadtmauer mit dem te teilweise drei Grabungen parallel zu Frauentor und ein erster Stadtgraben. Gut Im Zuge der Dresdner Debatte entschied beaufsichtigen, immer den Terminplan erhaltene Balken mit Zapflöchern und Res- der Stadtrat, den Anregungen der Einwoh- und die Kosten im Auge. Trotz der Ver- ten der Skaten gaben Einblicke in die dama- nerinnen und Einwohner zu folgen und die zögerung durch das Hochwasser 2002 lige Bauweise der Toranlage. Gewandhausfläche nicht neu zu bebauen. im Quartier I konnten sämtliche Arbei- Stattdessen entstand ein grüner Stadt- ten 2018 – nach 16 Jahren harter Arbeit Im Bereich des Hotel de Saxe entdeckten raum, welcher die ehemaligen Gebäude- – fertiggestellt werden. Fachleute einen steinernen Keller, welcher umrisse abbildet. Für die gewünschte Be- durch eine neuzeitlichere Bebauung bereits grünung erwarb die Stadt bereits im Jahr Was bleibt ist die Aufbereitung der Da- überformt war. Auch eine bisher unbekann- 2015 28 Platanen. Eine Baumschule pflegte ten. Diese nimmt voraussichtlich noch te Gasse, die im 15. Jahrhundert mit faust- sie bis zur Pflanzung im November 2018. einige Jahre, wenn nicht sogar Jahr- großen Kieseln befestigt war, legten die zehnte, in Anspruch. Archäologen dort frei.

Archäologische Funde im Quartier VII Dr. Thomas Westphalen In Vorbereitung des Wiederaufbaus am Neumarkt fanden vor Beginn der Organisator und Koordinator eigentlichen Bautätigkeiten stets archäologische Grabungen in allen Quartieren sämtlicher archäologischer Grabungsarbeiten statt. Einer der letzten Bereiche, der dabei erkundet wurde, war das Quartier VII. Deutlich ablesbar sind bei diesen Grabungen auch die jüngsten geschichtlichen Ereignisse. So legten die Archäologen in diesem Quartier unter anderem 800 Jahre alte Kellerreste aus der Gründungszeit der Stadt Dresden frei und fanden dabei auch alte Keramik und Münzen. Die Grabungsmitarbeiter dokumentierten aber auch die Überreste eines Luftschutzkellers, der wahrscheinlich bereits 1936 angelegt worden war. Während der Ausgrabungen 2016 fanden sie traurigerweise auch Überreste von verstorbener Personen, welche den Luftangriff 1945 nicht überlebten.

44 2016 2017

Quartier VII enkirche, das Stadtmuseum, das Verkehrs- Ab dem 1. September 2016 war es möglich, museum und das Dresdner Schloss zu den die Vorfläche sowie die Nebenflächen des n Lage: südwestlich der Frauenkirche, bedeutendsten Einrichtungen im Gebiet. Kulturpalastes zu gestalten. begrenzt durch Jüdenhof, Rosmarin- gasse, Schloßstraße und Sporergasse Der Entwurf der Platzfläche vor dem Kultur- n Größe: 3 580 Quadratmeter Quartier VI palast lehnt sich an die ehemalige Gestal- tung an. Das Landschaftsarchitekturbüro Das Quartier VII zählt mit dem angrenzen- n Lage: süd-westlich der Frauenkirche, Kretzschmar und Partner nahm den ur- den Baufeld des Kulturpalastes zu den äl- begrenzt durch Neumarkt, Frauen- sprünglichen Entwurf auf und entwickelte testen Stadtgebieten Dresdens. straße, Galeriestraße, Rosmaringasse ihn weiter. Dazu gehörte auch die Neu- und Jüdenhof errichtung der drei Brunnenanlagen sowie Im Quartier VII - 2 hat der Bauherr Kimmer- n Größe: 2 635 Quadratmeter die Sanierung der Fahnenmasten. le zwischen 2014 und 2016 eine Mischung aus Wohnen, Hotel und Gewerbe entste- Das Quartier VI befindet sich in exponierter hen lassen. Eine Besonderheit dabei ist, Lage direkt gegenüber der Frauenkirche. Wiedereröffnung Kulturpalast dass die Kellerräume unter dem ehemali- Daher waren die Abstimmungen an dieser gen Dinglinger Haus erhalten blieben. Die besonderen Stelle besonders sensibel und Seit 1969 ist der Kulturpalast ein wichtiges Firma Baywobau wird das Quartier VII-1 ab öffentlichkeitswirksam. Für die Fläche des Veranstaltungshaus in Dresden. Das Gebäu- 2019 mit Wohn- und Geschäftgebäuden ehemaligen Gewandhauses wurde 2007 ein de ist dabei einzigartig in seiner klaren Ar- neu errichten. Architekturwettbewerb durchgeführt. 2010 chitektur von Wolfgang Hänsch. 2012, über beschloss der Stadtrat, die Gewandhausflä- 40 Jahre nach seiner Eröffnung, stand eine che nicht zu bebauen und das städtebau- Modernisierung des Kulturpalastes an. Be- Kulturelle Vielfalt im lich-gestalterische Konzept entsprechend reits 2009 führte die Landeshauptstadt hier- Stadtzentrum zu ändern. Die hochbauliche Entwicklung zu einen europaweiten Architektenwettbe- des Quartiers erfolgte zwischen 2016 und werb durch. Die Jury wählte den Entwurf 2018. des Berliner Büros gmp Architekten von Mit dem Planungsleitbild Innenstadt von Gerkan, Marg und Partner einstimmig als 2008 verpflichtet sich die Stadtverwaltung ersten Preis aus. Die Dresdner Philharmo- dem Ideal der Europäischen Stadt, wel- Gestaltung des Umfeldes Kulturpalast nie eröffnete mit einem Festkonzert am 28. che sich durch eine möglichst kleinteilige April 2017 den Kulturpalast nach seinem Funktionsmischung in kompakten Stadt- Mit dem »Bauabschnitt Gestaltung Um- Umbau und der Rekonstruktion. Seitdem strukturen auszeichnet. Neben Wohnen feld Kulturpalast« fand die Sanierung des gibt es in der Innenstadt der Landeshaupt- und Gewerbe gehören dazu auch kulturelle Kulturpalastes 2017 ganzheitlich ihren Ab- stadt ein neues Kulturzentrum, das Men- Angebote. In diesem Zusammenhang war schluss. Die Gestaltung der angrenzenden schen begeistert und dem internationalen die Sanierung des Kulturpalastes, welche Flächen des Altmarkts sowie der Schloß- Rang Dresdens entspricht – ein Haus der 2017 abgeschlossen war, ein bedeutendes straße wurde dabei mit berücksichtigt. Die Künste und des Wissens, ein Ort der Begeg- Projekt im Sanierungsgebiet. Neben dem Herstellung des Vorplatzes sowie die wei- nung, ein Raum für Kommunikation. Kulturpalast mit Stadtbibliothek und dem teren den Kulturpalast umgebenden Flä- Kabaret »Herkuleskeule« gehören die Frau- chen erfolgte parallel mit der Sanierung des Kulturpalastes, da Teilflächen stets für die Baustelleneinrichtung notwendig waren.

45 2018

Wiedergewinnung verlorener Urbanität

Mit der Zerstörung der Dresdner Innenstadt 1945 wurde das Areal um den Neumarkt zu einem leeren Raum. Mit der Festlegung zum Sanierungsgebiet 2002 verfolgte die Stadt das Ziel, die Wiederbelebung des Areals zu fördern.

Damit hatte Dresden die einmalige Chance, Teile seiner identitätsstiftenden Innenstadt neu entstehen zu lassen. Die Wiederge- winnung verlorener Urbanität durch eine angemessene Bebauung und die Rückbe- sinnung auf gründerzeitliche Qualitäten standen im Fokus der Projektbeteiligten.

Neumarkt 2018 Quelle: ddpix.de

Der bedeutende Stadtraum entstand durch Diese abwechslungsreiche Mischung ist eine Mischung von Wohnen und Arbeiten heute im Quartier wieder vorhanden. Zu- verbunden mit einer hohen Aufenthalts- sammen mit der hohen gestalterischen qualität. Prioritär für die Verantwortlichen und funktionellen Qualität des Stadtraums war dabei herauszustellen, wie unverwech- ist ein urbaner Raum inmitten von Dresden selbar dieser besondere Ort im Stadtzent- entstanden. Der Neumarkt lädt zum Ver- rum früher war und wie seine historisch weilen, als Treffpunkt, Wohn- und Aufent- gewachsene »Persönlichkeit« – seine Iden- haltsort mit Geschäften sowie gastronomi- tität – mit heutigen Mitteln wiederherzu- schen und kulturellen Einrichtungen ein. stellen sei.

Regelmäßig wird temporäre zeitgenössische Kunst gezeigt – »Monument« eine Installation des syrisch- deutschen Künstlers Manaf Halbouni, 2017 Quelle: Stadtplanungsamt Dresden

46 2019

Grünes Gewandhaus Stoffarten dar: Anatolischen Kelim, Vene- werden. Auf einer Bronzetafel am Trink- zianische Spitze, Herringbone Tweed sowie brunnen sind die Namen der Spenderinnen Auf der Fläche des ehemaligen Gewand- Lausitzer Leinen. Auf der öffentlichen Frei- und Spender zu lesen, die sie und Vertreter hauses wurde die letzte Fördermaßnahme fläche stehen Bänke und ein Trinkbrunnen. der Landeshauptstadt im April 2019 ein- im Sanierungsgebiet Dresdner Neumarkt Hier haben Dresdnerinnen und Dresdner weihten. Das alte Gebäude lebt als »Grünes umgesetzt. Hier stehen 28 Platanen und sowie Gäste der Stadt ihre besondere Ver- Gewandhaus« wieder auf. besondere Pflastermuster bilden Tuchbah- bundenheit gezeigt. Alle Bäume und Sitz- nen nach. Diese stellen vier verschiedene bänke konnten durch Spenden finanziert

Freiflächengestaltung des Gewandhausgrundstücks Visualisierung: Rehwaldt Landschaftsarchitekten

Pflanzung der Platanen am Grünen Gewandhaus im Oktober 2018 Grüne Oase auf dem Grundstück des historischen Quelle: Diana Petters Gewandhauses im Gegenüber der Frauenkirche Visualisierung: Rehwaldt Landschaftsarchitekten

47 Fazit zur städtebaulichen Stadtreparatur im Erneuerung

Zentrum Dresdens Mit der Zerstörung der Innenstadt Dresdens und damit auch der Quartiere um den Neu- markt wurde das gesamte städtische Leben aus diesem Bereich schlagartig verdrängt. Es entstand ein städtisches Vakuum an dem einst so belebten Platz mitten im Zentrum der Stadt. Hier schien die Zeit stehenge- blieben zu sein, es war über Jahrzehnte ein Ort des Trauerns und der Ohnmacht. Rück- blickend ist dieser Umstand der Resignation und der fehlenden städtischen Entwicklung als begünstigender Umstand zu werten. So- Collage Jüdenhof damals und heute mit erhielt die Stadt Dresden die Chance, Quelle: ddpix.de in Abstimmung mit den zumeist privaten Bauherren, durch hohes Engagement der Stadtverwaltung und in Abwägung der un- terschiedlichen Interessenlagen einen Ort der Dresdnerinnen und Dresdner ein neues städtisches Zentrum zu schaffen.

Den ersten baulichen Impuls gab der Wie- deraufbau der Frauenkirche. Es war wie ein Weckruf und mit dem Gebäude, das nach der Zerstörung 1945 eingestürzt war, be- gann die lang gehegte Idee vom Wieder- aufbau des Neumarktes an Kraft zu gewin- nen. Die Frauenkirche ist heute zugleich das Wahrzeichen der Stadt und ein Mahnmal gegen den Krieg.

Die fundierten Planungen und Diskussionen für das gesamte Gebiet setzten sich dezi- diert mit dem Ort und seinen Besonder- heiten auseinander. Den Grundsatz dabei bildete die behutsame Stadterneuerung im historischen Stadtgrundriss und die Wie- derherstellung bedeutsamer Gebäude bzw. Fassaden.

48 Kurz vor dem Abschluss des Sanierungsge- Euro) und der Wiederaufbau der Frauen- mittel waren und sind der Grundstein für bietes im Jahr 2019 lässt sich die Verände- kirche (Förderung rund 12 Millionen Euro). den Umbau von Kulturpalast und Residenz- rung an der Vielzahl von Hochbaumaßnah- Den größten finanziellen Anteil der Städ- schloss Dresden. men erkennen. Die Komplettsanierungen tebauförderung beanspruchten die Ord- der innerstädtischen Straßen, Wege und nungsmaßnahmen. Dabei handelte es sich Das positive Ergebnis im Sinne einer ganz- Plätze einschließlich der zugehörigen Möb- um die Realisierung aller Bauabschnitte heitlichen Wiederbelebung des Neumark- lierung und Beleuchtung und die hochbauli- im öffentlichen Raum zur Herstellung der tes war nur durch eine aktive Mittelbün- che Entwicklung legen davon ein deutliches Platzflächen, Straßen, Gehwege und zur delung und Kommunikation zwischen den Zeugnis ab. Private Bauherren errichteten Verlegung der technischen Infrastruktur. verschiedenen beteiligten Ressorts auf um den Platz die einzelnen Quartiere. Sie Bundes-, Landes-, Stadtebene und gemein- beherbergen vielfältige innerstädtische Sämtliche Projekte im Programm der Städ- sam mit privaten Investoren möglich. Nutzungen wie Gastronomie, Hotels, Büros, tebauförderung wurden zu je einem Drittel Geschäfte und hochwertige Wohnungen. durch den Bund, den Freistaat Sachsen und Weitere Mittel aus Förderprogrammen Einige der historisch wertvollen, stadtbild- die Landeshauptstadt Dresden finanziert. konnten generiert werden. Unter anderem prägenden Gebäude sind als Leitbauten Sie trugen unmittelbar zur Herstellung der flossen in die Modernisierung des Kultur- originalgetreu rekonstruiert worden, ande- Lebens- und Wohnqualität im Stadtkern bei. palastes Fördermittel aus dem Denkmal- re Gebäude interpretieren einfühlsam den schutzbereich für die denkmalgeschützte Charakter des historischen Standortes in Hinzu kamen private Baumaßnahmen in Bausubstanz. einer modernen Architektursprache. erheblicher Größenordnung, durch welche das Gebiet um den Neumarkt zum Leben Die konkrete Aufteilung der Städtebauför- Parallel zu den baulichen Vorhaben gelang erweckten. Dabei wurden bisher geschätzt dermittel zeigt die folgende Grafik: das, was die Stadtplaner und Architekten rund 660 Millionen Euro durch private In- nur am Rande beeinflussen können: das vestoren eingesetzt. Umfassende Finanz- gesellschaftliche Leben und die Dresdnerin- nen und Dresdner eroberten den Neumarkt Förderausgaben für die städtebauliche Erneuerung wieder zurück. Mit der Fertigstellung der im Sanierungsgebiet Neumarkt Frauenkirche im Jahr 2005 war zu erwar- ten, dass der Neumarkt der am häufigsten besuchte Platz in Dresden wird. Diese Er- Ordnungsmaßnahmen wartungen haben sich mehr als erfüllt. ca. 19,5 Millionen € z.B.: Herstellung Bauabschnitte Das positive Resultat konnte nur erzielt Sonstige A bis E, öffentliche Freiflächen und Verkehrsraum werden, weil Akteure, Investoren und wei- Maßnahmen ca. 2,2 Millionen € 52 % tere Beteiligte das gemeinsame Ziel zur z.B.: Wettbewerbe, Vergütung Wiederbelebung des städtischen Raumes Sanierungsbeauftragte um den Neumarkt verfolgten. Der Einsatz 6 % Zeitraum 2002 bis 2019 von öffentlichen Fördermitteln hatte erheb- 4 % liche private Investitionen zur Folge. Vorbereitung ca. 1,3 Millionen € z.B.: Gebietsuntersuchungen, Insgesamt wurden zwischen 2002 und 2019 Städtebauliche Planungen, Vorhaben in einem Gesamtwert von rund Öffentlichkeitsarbeit 38 % 37,3 Millionen Euro durch Städtebauförder- Baumaßnahmen mittel im Sanierungsgebiet Neumarkt um- ca. 14,3 Millionen € gesetzt. Darunter befinden sich unter ande- z.B.: Sanierung Landhaus, rem Baumaßnahmen, wie die Sanierung des Wiederaufbau Frauenkirche Landhauses (Förderung rund 2,1 Millionen

49 50 Ein Kreis schließt sich – Der Dresdner Neumarkt ersteht neu

Den Wiederaufbau des Dresdner Neu- marktes hat sich über mehrere Jahrzehnte Antworten zur Vereinigung von rekonstru- markts nahm ich schon vor meiner Zeit in ein Stadtentwicklungsprojekt entfaltet, das ierten historischen Fassaden und neu ge- Dresden wahr. Der Wiederaufbau der Frau- zum einen in seiner baulichen Umsetzung stalteten Fassaden der Gegenwart. Mit der enkirche, die Wiedergewinnung dieses ein- und zum anderen in seinem planerischen Bewerbung wollte der Geschäftsbereich für zigartigen Bauwerks und Platzraumes für Prozess absolut herausragend ist.« Stadtentwicklung, Bau, Verkehr und Lie- den Dresdner Stadtraum und die Stadtsil- genschaften die Aufmerksamkeit auf alle houtte erzielten weit über die Stadt hinaus Der »immobilienmanager-Award 2019« Akteure aus Denkmalpflege, Stadtplanung, Wirkung. für den wiederaufgebauten Neumarkt ist Politik, Bauherren, Immobilien- und Bau- eine großartige Auszeichnung für all die wirtschaft, Handwerk, bis zu Vereinen und Im Oktober 2015 trat ich meinen Dienst als vielen Menschen und Institutionen, die den vielen engagierten Dresdnerinnen und Beigeordneter für Stadtentwicklung, Bau, sich über Jahrzehnte für den Wiederaufbau Dresdnern sowie den Dresden verbunde- Verkehr und Liegenschaften in Dresden dieses Platzes und der Frauenkirche enga- nen Menschen aus der ganzen Welt rich- an. Der Wiederaufbau des Dresdner Neu- giert haben – hinweg über verschiedene ten. Es war uns eine Ehre, diese Auszeich- markts zählt zu meinen vornehmsten Auf- gesellschaftliche und politische Rahmen- nung stellvertretend für sie alle im Februar gaben als Baubürgermeister. Voller Achtung bedingungen, bis zur deutschen Wieder- 2019 entgegenzunehmen. vor dem bis dahin Geleisteten übernahm vereinigung und weitergetragen von der ich den Staffelstab und versuche, das Werk folgenden Aufbruchstimmung. sensibel zu Ende zu führen. Dafür fand ich sowohl innerhalb der Verwaltung wie au- Die Landeshauptstadt Dresden hat sich mit ßerhalb zahlreiche motivierte Mitstreiter. dem Wiederaufbau am Neumarkt gerade Den Mitgliedern der Gestaltungskommis- wegen der langen Projektlaufzeit und den Raoul Schmidt-Lamontain sion Kulturhistorisches Zentrum bin ich für vielen beteiligten Akteurinnen und Ak- Beigeordneter für Stadtentwicklung, Bau, ihre kritische Begleitung mit hoher Kenner- teuren beworben. Der Wiederaufbau am Verkehr und Liegenschaften schaft dankbar. Neumarkt steht damit nicht nur für sich, sondern spiegelt auch die Diskussionen, Kurz vor dem baulichen Abschluss erfuhr die in vielen deutschen und europäischen unsere Arbeit eine besondere Würdigung: Städten in Ost und West zu den Themen Das Wiederaufbaukonzept am Neumarkt Stadtentwicklung und Baukultur geführt wurde vom Immobilien Manager Verlag mit worden sind. Das fing gleich nach dem dem »immobilienmanager-Award 2019« Zweiten Weltkrieg an: mit der Bergung von ausgezeichnet. Das Projekt erhielt den ers- wertvollen Bauteilen aus den Trümmerber- ten Preis in der Kategorie Stadtentwicklung. gen sowie der Sicherung von Ruinen. Dazu Die Jury führte folgende Begründung an: gehörte eine intensiv geführte Diskussion »Mit dem Wiederaufbau des Dresdner Neu- zu den »richtigen« stadtgestalterischen

immobilienmanager-Award 2019 Quelle: ddpix.de

51 1983 Zeitreise Neumarkt Direktive Inner- städischer Wohnungsbau für 13. und 14. Februar 1945 den Wiederaufbau der Bombenangriff am Neumarkt 18. Jahrhundert auf Dresden Augusteisches Zeitalter

13. Jahrhundert 1994 Anfang 19. Jahrhundert »Stadt mit einer Grundsteinlegung über 100 000 Menschen umgebenden Mauer« für die »neue« lebten in .

52 2013 Komplettierung des neuen Neumarktes 2016 2010 Wiedereröffnung des Start der ersten Kulturpalastes Dresden Dresdner Debatte

2002 Quartiere um den Neumarkt werden städte- 2019 bauliches Sanie- wiedergewonnene rungsgebiet Urbanität

VI Impressum

Herausgeber: Elektronische Dokumente mit qualifizierter Landeshauptstadt Dresden elektronischer Signatur können über ein Stadtplanungsamt Formular eingereicht werden. Darüber Telefon (03 51) 4 88 32 32 hinaus gibt es die Möglichkeit, E-Mails an Telefax (03 51) 4 88 38 13 die Landeshauptstadt Dresden mit einem E-Mail [email protected] S/MIME-Zertifikat zu verschlüsseln oder mit DE-Mail sichere E-Mails zu senden. Amt für Presse, Öffentlichkeitsarbeit Weitere Informationen hierzu stehen unter und Protokoll www.dresden.de/kontakt. Dieses Informa- Telefon (03 51) 4 88 23 90 tionsmaterial ist Teil der Öffentlichkeitsar- Telefax (03 51) 4 88 22 38 beit der Landeshauptstadt Dresden. Es darf E-Mail [email protected] nicht zur Wahlwerbung benutzt werden. Parteien können es jedoch zur Unterrich- Postfach 12 00 20 tung ihrer Mitglieder verwenden. 01001 Dresden www.dresden.de facebook.com/stadt.dresden

Zentraler Behördenruf 115 – Wir lieben Fragen

Redaktion: Stadtplanungsamt und STESAD GmbH

Gestaltung: Hi Agentur e.K., Dresden

Druck: Stoba-Druck GmbH, Lampertswalde

März 2019

www.dresden.de/neumarkt I