Klaus Puppe et al. Im Land der Hirsche

Das Rotwild in Mecklenburg-Vorpommern – Eine Monografie –

1 Impressum

Herausgeber: cw Nordwest Media Verlagsgesellschaft mbH Große Seestraße 11 • 23936 Grevesmühlen Tel./Fax: 03881/2339 [email protected] www.nwm-verlag.de

Autoren: Klaus Puppe et al.

1. Auflage 2014

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Titelbild und Geweihzeichnungen: Werner Siemers

Gesamtherstellung: cw Nordwest Media Verlag Erscheint unter dem Label: FOX

ISBN: 978-3-937431-82-6

2 Inhaltsverzeichnis

Vorwort K. Puppe 5 I. Einführung in die Entstehungsgeschichte der Lebensräume in MV• K. Puppe 9 II. Zur Verbreitung und Entwicklung des Rotwildes in MV • K. Puppe 19

III.  Die wesentlichen Verbreitungsgebiete des Rotwildes in MV und deren Spitzenhirsche • K. Puppe et al. 35

III.1. Die Rotwildeinstandsgebiete der Ueckermünder Heide – Allgemeiner Teil • B. Quardokus, K. Puppe 35 III.1.1. Die HG „Östlich der “ 43 1.2. Die HG am „Stettiner Haff“ 58 1.3. Die HG „Ueckermünder Heide“, nordwestlich der Uecker • R. Mengel, 65

III.2. Das Einstandsgebiet der „Rothemühler Hügelmoräne“ 76 2.1. Die HG „Rothemühl“ • K. Puppe, B. Quardokus 76 2.2. Die Deutsche Wildtier Stiftung 89 • H. Freiherr v. Münchhausen, Dr. A. Kinser, Ch. Vorreyer

III.3. Das Rotwild in 101 3.1. Die HG „Zwischen und Ryck“ • D. Wilke, H. Ganzow, H.-J. Wehnert 101 3.2. Das Rotwild der Insel • E. Kasten u. D. Wilke 125

III.4. Das Rotwild im westlichen Vorpommern 133 4.1. Rotwildeinstände im Landkreis • F. Rüchel 133

III.5. Das Rotwild im nördlichen Vorpommern 143 5.1. Das Rotwildvorkommen in der HG „Schuenhagen-“ • P. Krüger 143 5.2. Das Rotwild der HG „“ • P. Latendorf, E. Gombert, P. Krüger 143 5.3. Das Rotwild auf Rügen • D. Neubeck 169 5.4. Das Rotwild der HG „F. von Raesfeld“ • Ch. Haß, W. Ripperger, Dr. F. Tottewitz, M. Neumann 189

3 III.6. Das Rotwild im nördlichen und mittleren Mecklenburg 211 6.1. Das Rotwild der nordöstlichen Heide Mecklenburgs • D. Mahlkow 211 6.2. Das Rotwild der HG „Göldenitz“ u. „Billenhägener Einstand“ • W. Ripperger 219 6.3. Die Rotwildeinstandsgebiete im Landkreis Güstrow • E. Hackert 229 6.4. Das Einstandsgebiet der Nossentiner Heide • T. Kelterborn 247 6.5. Das Einstandsgebiet Schwinzer Heide • H. Schwark 273 6.6. Das Rotwild in der HG „Kaarz-Jülchendorf“ • I. Nadler 283 6.7. Das Rotwild der Lewitz • Ch. Lange 295

III.7. Das Rotwild im Norden und Südwesten Mecklenburgs 309 7.1. Das Rotwild in Nordwest-Mecklenburg • M. Regenstein 309 7.2. Das Rotwild im Altkreis Ludwigslust • R. Rink 317 7.3. Das Rotwild im Osten des Landkreises Mecklenburg-Strelitz • F. Hartzsch 331

IV: Zur Körperentwicklung des Rotwildes • K. Puppe 345 Die Kälber 346 Die Schmaltiere und Rotspießer 356 Die Hirsche 367 Die Tiere 376 V. Zur Geweihentwicklung des Rotwildes in MV • Dr. H.-J. Rolf, K. Puppe 383 VI. Zu den Grundlagen der Rotwildbewirtschaftung für MV – Analysen und Schlussfolgerungen • K. Puppe 445 Vorstellung des Autorenkollektivs 480 Literatur- und Quellennachweis 490

4 Vorwort

Wohl in keinem anderen Bundesland in Deutschland haben die Bemühungen zur Schaffung von Grund- lagen und Voraussetzungen zur planmäßigen Bewirtschaftung des Rotwildes eine so lange Tradition wie im ehemaligen Preußen. Die relativ dünne Besiedlung dieses Landstrichs, im Verein mit seinen geologischen Ablagerungen wäh- rend der letzten Eiszeit, führten zu einer Agrarstruktur, deren wesentliche Elemente sich im Zusammen- hang mit der Kolonisierung des Ostens zunehmend aus großflächigen, außerordentlich ertragreichen landwirtschaftlich genutzten Lehmböden und Talsanden geringer Trophie bestanden, auf denen man zu- nehmend eine systematische „Holzzucht“ betrieb. So wurde die Kiefer über die Zeiten zum Brotbaum des Ostens. Ihr folgte, aufgrund der ausgezeichneten Deckung in den Kiefernverjüngungen, das Rotwild als Untermieter, mit all seinen Problemen. Infolge der hohen Waldanteile des Preußischen Staates, sowie des Wohlgefallen des „Ostelbischen Großgrund- besitzes“ am Rotwild machten es zunehmend wieder zum begehrtesten Jagdwild, wobei das Geweih immer stärker in den Focus jagdlicher Begehrlichkeiten rückte. Durch die nach der Revolution 1848 vollzogene Bindung des Jagdrechts an Grund und Boden, unab- hängig von deren Flächengrößen, waren die Auswirkungen in den westlichen deutschen Landesteilen, infolge ihrer kleiner gegliederten Flächenstrukturen weit gravierender im Vergleich gegenüber dem Os- ten. Hier verlor das Rotwild weit weniger an der Höhe seiner Bestände, sondern vorrangig vom Anteil seiner jagdbaren Hirsche durch eine zunehmende Verlagerung der Abschussanteile in die Jugendklassen. Als Ursachen für die negativen Entwicklungen in der Folgezeit vermutete man eine zunehmende Dege- neration der seinerzeitigen Rotwildbestände, infolge einer vielfach wahllosen Bejagung der männlichen Bestände und einer damit verbundenen negativen Auslese und massierter Häufung negativer Effekte, sowohl bei deren Geweih- wie auch der Körperentwicklung über den Weg der gehäuften Vererbung nega- tiver Eigenschaften. Im Verein mit den folgenden Versuchen zur Aufstockung der Rotwildbestände durch die örtlichen Wirtschafter waren die verursachten Schäden in den Kieferndickungen nicht zu übersehen, obwohl die Holzentwertung in den Kiefernwäldern im Vergleich zu den Folgeschäden durch die Rotfäule in den Fichtenbeständen der Mittelgebirge deutlich geringer waren. Damit waren es zwei gewichtige Gründe die zunehmend in den Mittelpunkt notwendiger und möglichst einheitlich zu erstellender Bewirtschaftungsgrundlagen rückten: a) Die fehlenden biologisch-anatomischen Kenntnisse der Geweihentwicklung, besonders zu deren al- tersabhängigen Wachstumsabläufen und b) die durch die Anlehnung an das Modell des Altersklassenwaldes erforderlichen Grundlagen und Zah- len zu den wesentlichen Größen die die Populationsdynamik beeinflussen bzw. steuern wie: Bestands- höhen und -dichten, Zielalter, Altersgliederungen, Geschlechterverhältnisse, Reproduktionsraten und Höhen des jährlichen ausscheidenden Bestandes. Damit führten die bis dahin existierenden Vorstellungen zur Bejagung des Rotwildes in Richtung eines Konzepts zu deren planmäßigen Bewirtschaftung. Die erste Zusammenfassende Darstellung des bis da- hin gültigen Wissenstandes an der Schwelle vom 19. zum 20. Jh. bzw. zu deren vorhandenen Lücken, publiziert in einer Monographie über „Das Rotwild“ wird so auf Dauer mit dem Namen Ferdinand von Raesfeld verbunden bleiben. Eingang in sein Konzept fanden seine praktischen Erfahrungen bei Bewirt- schaftung des Rotwildes auf dem Darß (Vorpommern) während seiner langjährigen Dienstzeit im preu- ßischen Landesdienst. Die geschichtlichen Entwicklungen in Deutschland während der 1. Hälfte des 20. Jh. mit seinen beiden Weltkriegen, der Revolution 1918, den Besatzungszeiten, der Weltwirtschaftskrise,

5 Foto: H. Jaschhof

6 von Not und Hunger der Bevölkerung und der sich daraus ableitenden Wilderei, vielfach „gewerbsmäßig betrieben“, verhinderten die weiteren Bemühungen zur Weiterführung der Versuche zum Ausbau der anfänglich geschilderten Absichten. Erst durch J. Beninde (Forstamtsleiter in der östlichen Ueckermünder Heide und gleichzeitig Lehrstuhl- inhaber des Fachbereichs Jagdkunde an der „Forstlichen Fakultät Eberswalde“) wurde der Faden zur Klärung von Problemen rund um das Rotwild wieder aufgenommen. Sein früher Tod 1936 während des Krieges mit Polen unterbrachen seine Absichten des Ausbaus eines Wissensgebäudes auf der Basis von Zahlen des preußischen Landeswaldes. Erst mit Bildung der Wildforschungsgebiete 1963 wurde der Faden der Rotwildforschung für MV wieder aufgenommen in Gestalt des „WFG Rothemühl“, eines von 3 festgelegten Forschungsgebieten, vor- rangig zuständig für die Bearbeitung der Verhältnisse des Jungpleistozäns in der DDR. Mit Unterstüt- zung von E. Wagenknecht wurde die Leitung des Aufbaus dem territonal zuständigen Oberförster H. J. Gottschlich übertragen (beide vor 1945 Studienkollegen in Eberswalde). Nach dessen Tod wurde 1981 dem Autor die Leitung des Gebietes übertragen. Nach 20 Jahren intensiver Materialsammlung erfolgte 1983/84 unter Leitung von Eberswalde, im We- sentlichen durch K. W. Lockow und G. Dietrich, eine erste statistische Auswertung des bis dahin vor- liegenden Materials. Infolge teilweiser festgestellter Differenzen erfolgte eine nochmalige Überprüfung aller Unterlagen, insbesondere von Reihen die erst mit dem Alter 5/6 begannen. Vorrang bei der 2. Rech- nung hatten Reihen die möglichst mit dem Alter 2 begannen (~ 20 %) bzw. ab dem Alter 3 bei ≥ 70 %, für 65 Reihen die bis zum Kulminationspunkt ihrer Geweihentwicklung zu verfolgen waren. Die Aus- sagen zur Entwicklung der Körper- und Geweihentwicklung des Rotwildes für MV basieren auf diesen Ergebnissen, ergänzt um die Ergebnisse aus dem Zeitraum von 2 Jahrzehnten nach der Wende auf Basis der Streckenstatistiken der Oberen Jagdbehörde und des LJV durch den Autor sowie den Statistiken der Ko-Autoren. Der Dank für die Unterstützung bei der Darstellung der Entwicklung des Rotwildes in MV gilt den im Anhang vorgestellten Ko-Autoren, in besonderem Maße denen, die ihre über Jahrzehnte gesammelten Statistiken für die fundierte Darstellung der Rotwildpopulationen in MV zur Verfügung gestellt haben. So D. Wilke und E. Kasten für Ost-Vorpommern, Th. Kelterborn für die Nossentiner Heide, E. Hackert für den Kreis Güstrow, P. Krüger für das nördliche Vorpommern und Ch. Lange für die Lewitz. Besonderen Dank gilt Herrn Dr. H. J. Rolf von der Uni Göttingen für die vielfachen Hilfen zur Darstel- lung des gegenwärtigen Wissensstandes zu den Grundlagen der Geweihentwicklung bei den Cerviden wie auch dem Kurator für Schalentiere des Tierparkes Friedrichsfelde für die Überlassung der Zahlen für das Rotwild zur Auswertung. Der besondere Dank für die Möglichkeiten einer optisch besseren und vergleichbaren Darstellung der einzelnen Populationen MVs gilt CH. Haß (HG- Ferdinand v. Raesfeld), sowie Herrn M. Hinzpeter für die praktischen Umsetzungen. Für die Hilfen zur Ausgestaltung der Mo- nografie gilt der Dank den Hobby-Fotografen K. H. Schröter, G. Winkler und besonders Herrn Dr. H. Jaschhof und Dr. D. Thiele, Herrn E. Nehls für die Landschaftsbilder Rügens sowie Herrn W. Graup- ner für die Luftbildaufnahmen der verschiedenen Biotope MVs. Besonderer Dank gilt auch wieder Herrn W. Siemers für seine nicht zu überbietende Präzision bei der naturgetreuen Darstellung der Spitzenhirsche MVs. Schließlich und letztendlich gilt auch der Dank dem NWM- Verlag der es ermöglicht hat, diese Mono- grafie über das Rotwild MVs zu publizieren, die in Teilen in ihren Aussagen im Verein mit den Rechener- gebnissen des ehemaligen WFG Rothemühl weit über die bisherigen Erkenntnisse hinausgehen. Mögen sie dazu beitragen so manche Publikation über das Rotwild ins rechte Licht zu rücken. K. Puppe, August 2014 7 Foto: H. Jaschhof

8 I. EINFÜHRUNG IN DIE ENSTEHUNGSGESCHICHTE DER MECKLENBURG-VORPOMMERSCHEN LEBENSRÄUME

Die Landschaftsräume Mecklenburg-Vorpommerns und die daraus hervorgegangenen Lebensräume des Rotwildes sind so vielfältig, wie kaum in einem anderen Bundesland. Geprägt werden sie von einer Viel- zahl von Niederungsgebieten mit ihren vermoorten, ehemaligen Kleinseen und Senken bzw. wiederver- nässten Flusstälern, den stark vom Wasser beeinflussten, vernässten und verschilften Uferlandschaften der Boddengewässer und des Haffs. Den Resten der der Melioration entgangenen Flächenanteile des Randowbruchs und des „Friedländer Grossen Moores“ sowie den Resten der ehemals großflächig ver- nässten Senken der Mecklenburger Seenplatte, von den östlichen Uferbereichen der Müritz bis hin zur Lewitz. Im krassen Gegensatz dazu die großen Gebiete armer und ärmster Sandstandorte mit ihren die Land- schaft prägenden Kiefernwäldern und den aus deren feinen Bodensubstraten durch die Kraft des Windes aufgetürmten Binnendünen am Oderhaff, bzw. in der Elbniederung. Und wieder im Gegensatz dazu die herrlichen, auf den reichen und kräftigen Böden der Grund- und Endmoränen stockenden Laubwälder Mecklenburg-Vorpommerns, im wesentlichen dominiert durch die Buche mit wechselnden Anteilen von Eiche und den Sonstigen Laubbaumarten, getaucht in die goldenen Farben des Herbstes. Das Ganze eingebettet in eine daraus entstandene Kulturlandschaft, mit stark wechselnden Flächenantei- len von land- und forstwirtschaftlichen Nutzflächen, bei einer der dünnsten Besiedelungsdichten durch Menschen im Vergleich zu anderen Bundesländern. Hier findet das Rotwild noch zu allen Jahreszeiten ausreichend Ruhezonen, Deckung und Äsung. Die Darstellung der einzelnen Einstandsgebiete durch die jeweiligen Ko-Autoren, unterstützt durch ent- sprechende Abbildungen, sollen dem interessierten Leser außerhalb Mecklenburg-Vorpommerns, einen nachhaltigen Eindruck über dieses herrliche Land im Nordosten Deutschlands vermitteln. Über eine Landschaft von besonderem Reiz im Herbst, wenn sich im September in das Brunftkonzert der Hirsche der Ruf der zu den nächtlichen Rastplätzen ziehenden Kraniche und Zuggänse mischt und an das sich nun bald neigende Jahr erinnert. Der kurze Abriss über die Geologie und Geomophologie Mecklenburg-Vorpommerns und damit auch über die Entstehungsgeschichte seiner Landschaften, diente u.a. aber auch der möglichen Klärung von Einflüssen der verschiedenartigsten Biotope im Jungpleistozän auf die Körper- und Geweihentwicklung des Rotwildes.

Entstanden sind die Mecklenburg-Vorpommern prägenden Oberflächenformen während des jüngsten, dem „Pommerschen Stadium“ des „Weichselglazials“. Dabei reichte die Tiefe des letzten großen Vorstoßes des „Weichselglazials“ in seiner Stoßrichtung nach Süden bis etwa zur Nordgrenze des Landes Brandenburg bzw. weiter im Westen an die des Landes Niedersachsen. Die typische Abfolge der wesentlichen Elemente der daraus entstandenen Geländeformationen ent- spricht dabei einem ziemlich einheitlichen Grundmuster.

9 Herbst im MV …

… die Laubwälder, getaucht in die goldenen Farben des Herbstes • Foto: K. Puppe

10 Herbst in MV – wenn sich der Ruf der zu den nächtlichen Rastplätzen ziehenden Gänse und Kraniche in das allabendliche Brunftkonzert der Hirsche mischt. Foto: K. Puppe

Foto H. Jaschhof

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