Zeitschrift der Bundespolizei 02|2019

46. Jahrgang ISSN 2190-6718

Lebensbedrohliche Einsatzlagen Training für den Ernstfall

Wenn die Gondel stecken bleibt Vom Albtraum vieler Bergtouristen eiskalt erwischt 30 Einstellungsoffensive beginnt sich auszuzahlen Bundespolizei wächst und wächst 36 Bob- und Skeleton-Weltmeisterschaft 2019 Bundespolizisten feiern historische Siege 45 Inhalt

36 26

06 30

Inhalt 02|2019

„„Editorial „„Redakteur in Gefahr

30 Wenn die Gondel stecken bleibt „„Titelthema Vom Albtraum vieler Bergtouristen eiskalt erwischt 06 Lebensbedrohliche Einsatzlagen Training für den Ernstfall „„Personal & Haushalt 25 Kolumne Korpsgeist versus SharePoint 34 Unsere Kollegen

36 Einstellungsoffensive „„In- & Ausland beginnt sich auszuzahlen Bundespolizei wächst und wächst 26 Anti-Terror-Übung „TRITON“ auf hoher See 40 Die Neuen sind angekommen ATLAS Common Challenge 2018 Entlastung in Sicht

02 Bundespolizei kompakt 02|2019 Inhalt

42

40

45 48

„„Portrait „„Technik & Logistik

42 Kann ein Kartenspiel 48 Allet Jut(e) Spitzensport sein? Baumwolltaschen statt „Ein bisschen mehr als Plastikbeutel Stammtisch-Skat“

„„Leserbriefe „„Sport & Gesundheit

45 Bob- und Skeleton- „„Zu guter Letzt Weltmeisterschaft 2019 Bundespolizisten feiern 51 Er ist wieder da historische Siege Das Comeback des Alarmknopfs

„„Recht & Wissen „„Impressum

46 Wer im Recht nicht sattelfest ist ... Polizeilicher Schusswaffengebrauch in besonderen Lagen

Bundespolizei kompakt 02|2019 03 Editorial

Liebe Leserinnen und Leser,

kennen Sie das? Es gibt Situationen, in denen man Allerdings waren die Leserbriefe zu diesem Thema sich wünscht, alles möge nur ein böser Traum sein. eher kritisch. Damit Sie mich nicht falsch verstehen: Wir freuen uns über jede Zuschrift. Denn Ihre Anmer- So oder ähnlich empfanden es vermutlich viele der kungen sehen wir als Hinweise, um die t noch mehr als 1 400 Teilnehmer, die bei bisher acht Übun- interessanter, ausgewogener und lesenswerterkompak zu gen aus Anlass Lebensbedrohlicher Einsatzlagen gestalten. dabei waren. Das Training, in dem Terroristen einen Hauptbahnhof oder Flughafen stürmen, ist absolut Und noch etwas: Nicht alle Briefe finden Sie im Heft realitätsnah konzipiert. Am Anfang sei es noch wie ein wieder. Denn nicht jeder Einsender ist mit einer Ver- aufregendes Abenteuerspiel, sagen Beteiligte. Doch im öffentlichung einverstanden. Das erfragen wir stets weiteren Verlauf der Übung verschwimme die Grenze nach dem Erhalt beim Absender. Dann werten wir die zwischen Realität und Fiktion. Manchen packt fast die Anregung oder Kritik nur intern mit dem betreffenden Panik. Am Ende sind sich alle einig: Niemand möchte Autor und im Redaktionsteam aus. solche Situationen real erleben. Lesen Sie in unserem Titelthema „Training für den Ernstfall – Lebensbedroh- Besonders gefreut haben wir uns über die kreativen liche Einsatzlagen“ ab Seite 6 die Erfahrungsberichte Fotos, die uns nach der Ankunft der neuen Kollegen der Sanitäter, Übungsleiter, Schiedsrichter oder der in den Direktionen erreicht haben. Unser Layout-Team „Panikmasse“. Teilen Sie uns gern auch Ihre eigenen in Sankt Augustin hat daraus eine schöne Fotocollage Erlebnisse hierzu mit. gefertigt (Seite 44/45).

Schon das Titelthema der zurückliegenden Ausgabe Viel Freude mit der zweiten Ausgabe 2019 und eine hat viele bewegt. Uns erreichten etliche Leserbriefe. schöne Frühlingszeit wünscht Ihnen Sie erinnern sich? Es ging um den „Ganzkörperfahr- schein“. So bezeichnete scherzhaft ein Abteilungsleiter Ihre Helvi Abs mir gegenüber das Fahren in Uniform ohne Ticket in Redaktion Bundespolizei t öffentlichen Verkehrsmitteln. Ich musste schmunzeln. kompak

04 Bundespolizei kompakt 02|2019 Editorial

Bundespolizei kompakt 02|2019 05 Titelthema

06 Bundespolizei kompakt 02|2019 Titelthema

Training für den Ernstfall Lebensbedrohliche Einsatzlagen

Auf einem Bahnhof in Deutschland. Ein lauter Knall. Mehrere Angreifer schießen wahllos in die Menge. Es bricht Panik aus. Menschen laufen um ihr Leben. Am Boden liegen scheinbar Tote und Verletzte. Überall sind Schreie zu hören. Polizisten bewegen sich, schwer bewaffnet, in Richtung der Feuergewalt. Vor dem Bahnhof hört man Feuerwehrsirenen. Und immer wieder Schüsse und Schreie. Szenen wie aus einem Actionfilm. Die Detonationen, die Schüsse, die schreienden Menschen, die Verletzungen – sie sind nicht real. Sie bilden die Kulisse für die seit 2017 bundesweit stattfindenden Übungen aus Anlass von Lebensbedrohlichen Einsatzlagen (LebEL).

Bundespolizei kompakt 02|2019 07 Titelthema

Die Gefährdungslage in Deutschland und Europa aller Beteiligten. Vor diesem Hintergrund müs- Ein Terroristen- gilt aufgrund möglicher terroristisch motivierter sen die notwendigen Grundlagen und Maßnah- darsteller in Hannover Anschläge anhaltend als abstrakt hoch. Polizei- men zur Bewältigung dieser Lagen zwischen der beamte werden täglich mit vielfältigen und Bundespolizei und den Polizeien der Länder, risikobehafteten Einsatzsituationen konfrontiert. den Behörden und den Organisationen der Die Schiedsrichter Zu den denkbar gefährlichsten zählen Lebens- Nichtpolizeilichen Gefahrenabwehr (Feuerwehr überwachen die bedrohliche Einsatzlagen im Zusammenhang und Rettungsdienst), der Zollverwaltung für den Einhaltung der Sicherheits- mit bewaffneten Gewalttätern. Die Entwicklung Bereich der Flughafendienststellen sowie mit und Ordnungs- der zurückliegenden Jahre macht uns bewusst, Eisenbahnverkehrsunternehmen, regionalen bestimmungen, betreuen dass wir zu jeder Zeit und an jedem Ort damit Flughafenbetreibern und anderen verantwort- die Übungskräfte und rechnen müssen, mit einer derartigen Lage lichen Stellen umfangreich abgestimmt werden. dokumentieren, ob die konfrontiert zu werden – einer Extremsituation erwarteten Maßnahmen und Übungsziele erreicht für die Einsatzkräfte, für deren Anfangsphase Neben der konzeptionellen Vorbereitung der wurden. ein erhebliches Informationsdefizit bei gleich- Bundespolizeidienststellen stellt die Steige- zeitigem maximalen Handlungsdruck charak- rung der taktischen Handlungskompetenz der teristisch ist. Um eine Schadensvertiefung zu Polizeivollzugsbeamten für die Bewältigung Einsatzkräfte gehen aktiv verhindern, müssen erste polizeiliche Maßnah- dieser Extremlagen einen Schwerpunkt in der in Richtung Täter vor. men, auch unter hoher Eigengefährdung, sofort dienststelleninternen und zentralen Aus- und eingeleitet werden. Das Eintreffen von Spezial- Fortbildung der Bundespolizei dar. kräften kann oft nicht abgewartet werden. Basis der heute in allen Bundespolizeidienst- LebEL sind taktische Gemeinschaftslagen. Sie stellen stattfindenden LebEL-Trainings sind erfordern ein reibungsloses Zusammenspiel die fundierten Kenntnisse und Vorgaben der

08 Bundespolizei kompakt 02|2019 Titelthema

Ein Sanitäter der GSG 9 bei der Verletztenver- sorgung

Im Regieraum der GSG 9 der Bundespolizei, insbesondere in der Übungsleitung laufen Anwendung von Einsatztaktiken beim Vorgehen die Fäden zusammen. gegen bewaffnete Straftäter in einer urbanen Von hier wird die Umgebung. Übung geleitet.

Nach den ersten und notwendigen Anpassun- gen, insbesondere in der Aus- und Fortbildung, Vor der Übung – folgte Anfang 2017 der nächste wesentliche Soldaten der Bundes- Schritt. Die vermittelten Trainingsinhalte und die wehr schminken den in der Bundespolizei abgestimmten Einsatzver- Statisten täuschend fahren und -taktiken sollten anhand realitätsnaher echte Wunden. Szenarien an realen Einsatzorten auf ihre Wirk- sowie die Notintervention der Einsatzkräfte am Sie simulieren Verletzungsbilder, von samkeit hin überprüft werden. Seitdem fanden Ereignisort in der Sofortphase einer Lebens- leicht über schwer bis bislang acht LebEL-Übungen an den Bahnhöfen bedrohlichen Einsatzlage. Neben den Kontroll- hin zu tödlich. Leipzig, Berlin-Lichtenberg, Frankfurt am Main, und Streifenbeamten der Dienststellen sind Lübeck, Hannover, Stuttgart und an den Flug- regelmäßig auch Einsatzeinheiten der Mobilen häfen Köln/Bonn und Frankfurt am Main statt. Kontroll- und Überwachungseinheiten, der Bundesbereitschaftspolizei sowie der GSG 9 Bei den Übungen handelt es sich um soge- der Bundespolizei gefordert. t war bei nannte „Rahmenübungen mit Vollübungsantei- den Übungen vor Ort und hatkompak mit verschiedenen len“. Der Vollübungsanteil umfasst die operative Übungsteilnehmern gesprochen. Führungsarbeit der Ebene Dienstgruppen- leiter mit ihrem Führungsorgan, der Leitstelle, Manina Puck

Bundespolizei kompakt 02|2019 09 Titelthema Interview mit Sven Jahn Übungen nach Drehbuch

Sven Jahn, Fachkoordinator Einsatzführung an der Bundespolizeiakademie (BPOLAK), ist Mitglied des Fach- gremiums Lebensbedrohliche Einsatzlagen (LebEL) der Bundespolizeibehörden1 und des Netzwerkes LebEL der BPOLAK, zu dem auch das Fortbildungsinstitut der Polizei Bayern, die Polizeiakademie Niedersachsen und die Deutsche Hochschule der Polizei (DHPol) gehört. Der 48-jährige Lübecker hat seit 2017 bundesweit 29 Planbesprechungen zu LebEL durchgeführt und ist mittlerweile das „Gesicht“ der Übungen.

Die erste „Rahmenübung mit Voll- der speziellen Methodik/Didaktik Was sind für Sie die größten übungsanteilen“ zum Thema LebEL „updaten“. Wir wollten einen professi- Herausforderungen in der fand 2017 am Hauptbahnhof Leip- onellen Soll-Ist-Abgleich durchführen. Vorbereitung? zig unter Ihrer Leitung statt. Was Auf keinen Fall wollten wir unsere Die Bildung des Kernteams ist war der Anlass oder Auslöser für Mitarbeiter vorführen. tatsächlich eine der schwierigsten die Planung dieser Übung? Aufgaben. Die Arbeitsmenge ist Die Bundespolizei hatte bereits das Zunächst hieß es, ein fachübergrei- hoch und die Belastung aufgrund Anti-AMOK-Training für alle Mitarbeiter fendes Kernteam der Übungsleitung der weiterbestehenden anderen der Einsatzorganisation zum Training zu bilden. Männer und Frauen des Funktion oft immens. Die Kollegen „Komplexe lebensbedrohliche Ein- Lehrbereiches Aus- und Fortbildung müssen eine hohe Eigenmotivation satzlagen“ (KLE) weiterentwickelt. der BPOLAK, des Bundespolizeiaus- und Stressresistenz mitbringen. Wenn Dazu qualifizierte die BPOLAK und -fortbildungszentrums Neustrelitz das Kernteam steht, sind ein verbind- bundesweit rund 400 Polizeitrainer. und der Bundespolizeidirektion Pirna licher Maßnahmenplan mit festen Darauf aufbauend mussten auch die mit der Bundespolizeiinspektion Meilensteinen und die konsequente taktischen Führungskräfte und das Leipzig gehörten dazu. Wir mussten Abarbeitung trotz vieler externer Personal der Führungsorgane (Lage- uns um die umfangreichen recht- Einflussfaktoren die größte Herausfor- und Einsatzzentralen, Leitstellen) fort- lichen, taktischen, logistischen und derung. Hier müssen mein Vertreter gebildet werden. Zudem benötigten psychologischen Aspekte der Übung und ich konsequent und zielgerichtet die Bundespolizeidirektionen und das kümmern. kontrollieren. Bundespolizeipräsidium für weitere grundlegende Entscheidungen – zum Die Vorbereitungen sind sehr auf- Die mittlerweile achte Übung fand Beispiel Beschaffung weiterer Füh- wendig und nehmen sicher viel Zeit Ende Februar 2019 am Flughafen rungs- und Einsatzmittel – möglichst in Anspruch. Wann starten Sie für Frankfurt am Main statt. Hat sich realistisch gewonnene Erkenntnisse gewöhnlich damit? bei Ihnen schon eine gewisse Rou- zu Lebensbedrohlichen Einsatzlagen Die sechs bis acht Mitarbeiter meines tine eingestellt? in kritischer Infrastruktur. Im Januar Kernteams beginnen spätestens drei Für bestimmte Bereiche kann ich das 2017 beschlossen die Behördenleiter Monate vor der Übung mit der Vorbe- sicher bejahen. Das Übungskonzept formal die Durchführung einer großen reitung. Dabei ist zu berücksichtigen, als grundlegendes Format haben wir Übung. Die fachliche Verantwortung dass die Kollegen dies zusätzlich zu seit der ersten Übung in Leipzig wei- trug die Bundespolizeiakademie. ihrer eigentlichen Aufgabe wahr- terentwickelt. Es ist inzwischen aus- nehmen. Erst vier Wochen vor dem gereift. Der vertragliche, logistische Womit mussten Sie sich bei der Termin beginnt die „heiße Phase“ der und haushalterische Rahmen ist im Vorbereitung auf diese erste Übungsvorbereitung. Ab diesem Zeit- Grundsatz geregelt. Die Sicherheits- Übung auseinandersetzen? punkt sind drei Mitarbeiter in Vollzeit konzepte wurden mit jeder Übung neu Die Übung wurde im Januar beschlos- erforderlich. Seit Juni 2018 arbeiten überprüft und haben sich insgesamt sen und sollte bereits im Mai 2017 wir noch intensiver mit den übenden bewährt. Über die Schiedsrichter stattfinden. Somit war die Vorberei- Direktionen in den Bereichen Logis- tungszeit relativ kurz. Die Akademie tik, Vertragswesen und Öffentlich- hatte über einen längeren Zeitraum keitsarbeit zusammen. Aufgrund der 1 Das Fachgremium LebEL setzt sich aus keine vergleichbar große Übung mehr Herausforderungen der Einstellungs- Vertretern der Bundespolizeiakademie, aller angelegt und durchgeführt. Daher offensive mussten Stabseinheiten der Bundespolizeidirektionen sowie den Referaten nutzten wir die Erfahrungen benach- BPOLAK aus den Übungsvorhaben 21, 61 und 75 des Bundespolizeipräsidiums barter Behörden und ließen uns in entbunden werden. zusammen.

10 Bundespolizei kompakt 02|2019 Titelthema

Aus KLE wird LebEL

Lebensbedrohliche Einsatzlagen (LebEL) sind die gefährlichsten polizei- lichen Lagen. Die Einsatzkräfte werden erheblichen Gefahren ausge- Sven Jahn – setzt und müssen gegebenenfalls tödlich wirkende Mittel einsetzen. Die das „Gesicht“ Bundespolizei hatte schon 2013 damit begonnen, sich dieser Thematik zu der Übungen nähern. In der Anlage 5 zum Rahmenkonzept für Einsatz und Fortbildung für Einsatzhundertschaften hat die Bundesbereitschaftspolizei dazu erste Überlegungen und Einsatzverfahren beschrieben. Daraus entstanden die lich. Die gewonnenen Erkenntnisse ersten Übungen KLE (Komplexe lebensbedrohliche Einsatzlagen). bilden die Basis für eine sinnvolle und fachlich fundierte Weiterentwicklung Nach den Anschlägen in Europa haben die polizeilichen Gremien der von abgestimmten Einsatzkonzepten Länder und des Bundes diese ausgewertet und 2016 „Eckpunkte für die und den einsatzbezogenen Inhalten Erstintervention bei lebensbedrohlichen Einsatzlagen im Zusammenhang der dienststelleninternen Fortbildung mit bewaffneten Gewalttätern“ erstellt. In diesem Zusammenhang wurde im Bereich LebEL. der Begriff „Lebensbedrohliche Einsätze und Lagen“, später dann „Lebensbedrohliche Einsatzlagen“ gebildet. Was passiert jetzt mit den Erkennt- nissen aus den Übungen? Wie Mit Beschluss in den Gremien haben die Länder und der Bund diesen geht es für die Bundespolizei in gemeinsamen Begriff abgestimmt und vereinbart. diesem Bereich weiter? Die BPOLAK und die Direktion 11 haben die immer wiederkehrenden und die Leitungsgruppe konnte In den Übungsunterlagen stößt großen Handlungsfelder und „Aha-Er- der Soll-Ist-Abgleich standardisiert man neben Ihrem Kernteam immer lebnisse“ analysiert und im Dezember werden. Auch das Konzept für die wieder auf dieselben Namen. Wie 2018 erstmals mit den Einsatzbehör- übungsbegleitende Presse- und wichtig ist diese Konstante in den der Bundespolizei besprochen. Öffentlichkeitsarbeit hat sich etabliert. Ihrem Übungsgeschäft? Die bestehenden Einsatzkonzepte wer- Es gibt aber auch Faktoren, die einer Sehr wichtig, da nur so bei gleichen den überarbeitet, die Ergebnisse über Routine entgegenwirken, die für jede Zeitansätzen Qualitätsstandards die vorhandenen Trainer-Netzwerke Übung einzeln zu betrachten sind. Die gehalten und gegebenenfalls erhöht in die dienststelleninterne Fortbildung Kooperationspartner unterscheiden werden können. Seit fünf Übungsvor- eingepflegt und in der Ausbildung des sich beispielsweise je nach Durchfüh- haben ergänzen wir das Kernteam mittleren und gehobenen Polizeivoll- rungsort. Die Übungsräume variieren durch Mitarbeiter aus den „Förder- zugsdienstes umgesetzt. in der Größe, der Charakteristika pools höherer Dienst“ der Bundes- im Gelände sowie der taktischen polizei, sodass – auch durch diesen Zudem werden die technisch-tak- Bewertung. Hinzu kommt, dass die Personalmix – bestehende Festle- tischen Weiterentwicklungen ein- Übungsziele durch die eigenen Direk- gungen und Arbeitsabläufe ständig schließlich konkreter Beschaffun- tionen und die Landespolizeibehörden hinterfragt und so weiter optimiert gen angegangen. In diesem Jahr bei jeder Übung auf Grundlage der werden können. finden drei weitere Übungen in den eigenen Konzepte auch separat Hauptbahnhöfen Erfurt, Bremen definiert werden. Diese gilt es dann Steht der investierte Aufwand und Nürnberg statt. Die Ergebnisse im „gedachten Verlauf“ der Übung, in personeller, logistischer und dieser Übungen fließen in die oben unserem „Drehbuch“, überprüfbar zu finanzieller Sicht Ihrer Meinung genannte konzeptionelle Arbeit in den machen. Abschließend müssen wir in nach eigentlich in einem gesunden Bereichen Aus- und Fortbildung, Ein- der Logistik und Beschaffung andere Verhältnis zum erzielten Nutzen? satzmanagement und Polizeitechnik/ regionale Voraussetzungen berück- Ja, auf jeden Fall. Nur durch Szena- Materialmanagement ein. sichtigen. rien in realen Einsatzräumen ist ein zielführender Soll-Ist-Abgleich mög- Das Interview führte Manina Puck.

Bundespolizei kompakt 02|2019 11 Titelthema

Ein nahezu unmögliches Unterfangen Schilderungen eines Gruppenleiters

Ajo Bieler ist Gruppenleiter im Bundespolizeirevier Lübeck der Bundespolizeiinspektion Kiel. In der Nacht vom 24. zum 25. April 2018 hatte der Polizeioberkommissar gleich zwei Mal die Möglichkeit, die simulierte Lebens- bedrohliche Einsatzlage (LebEL) im Hauptbahnhof Lübeck in dieser Funktion zu bewältigen. Auch wenn dies ursprünglich nicht so geplant war.

„Die Übung war so angelegt, dass jeder von uns Unterfangen“, so Ajo Bieler. Im Realfall würde Ajo Bieler vor dem zwei Übungsdurchgänge durchlaufen konnte. die Sorge um seine Kollegen hinzukommen. Hauptbahnhof Lübeck. Zusammen mit meiner Kollegin Juliane Wolf Rückblickend war für den Gruppenleiter die Hier hat im April 2018 befand ich mich im ersten Durchgang als Regel- Kommunikation eine der größten Herausforde- die LebEL-Übung statt- dienststreife von Anfang an im Übungsraum“, rungen. „Unser Funkkanal war gerade in den gefunden, an der er als erinnert sich der 51-Jährige. Die Funktion des ersten Minuten der Übung durch das Ausgeben Gruppenleiter teilnahm. Gruppenleiters wurde in diesem Durchgang der umfangreichen Befehlslage durch den durch einen anderen Kollegen wahrgenommen. Dienstgruppenleiter belegt. Für die Kommuni- Nachdem dieser, wenige Minuten nach Übungs- kation der Kräfte vor Ort konnte der Funkkanal beginn, bereits „erschossen“ wurde, übernahm in dieser Zeit nicht genutzt werden“, führt Ajo Ajo Bieler die Führung vor Ort. Der Durchgang Bieler beispielhaft an. war schnell vorbei, auch wenn es sich für ihn nicht so anfühlte. Nach einer kurzen Auswer- „Darüber hinaus gestaltete sich die erste Kon- tung durch die Schiedsrichter und der erneuten taktaufnahme mit der am Ereig- Aufrüstung mit Übungsmunition in der mobilen nisort als sehr schwierig. Die Kräfte erkannten Waffenkammer hieß es für den Gruppenleiter mich nicht als Führer vor Ort. Wir haben erst und seine Kollegin wieder „Übungsbereitschaft sehr spät zusammengefunden, um weitere herstellen“. Der zweite Durchlauf begann. Maßnahmen abzustimmen und Zonen festzu- Dieses Mal startete er gleich in der Funktion des legen – vielleicht sogar zu spät. Die Nutzung Gruppenleiters, einer Schlüsselfunktion in der unterschiedlicher Funkkanäle und das späte Sofortphase. Umschalten auf gemeinsame Funkkanäle war ebenfalls nicht optimal“, so Bieler. Kommunikation war die größte Herausforderung Ajo Bieler erzählt, dass die Übung mit den „Wir befanden uns mitten im Geschehen. Ich optisch und akustisch sehr real wirkenden versuchte, einen klaren Kopf zu bewahren. Der Szenarien seine Kollegen und ihn noch lange Informationsbedarf der vorgesetzten Stellen war Zeit beschäftigt hat. „Dank der durchgeführten hoch. Die Lage vor Ort war unklar, gesicherte LebEL-Trainings war das taktische Vorgehen bei Informationen lagen nur in Teilen bis gar nicht meiner Gruppe aber noch präsent. Wir waren vor. Neben dem Meldewesen musste ich den gut vorbereitet und konnten es sofort abrufen“, Überblick über die Kräftelage behalten, die Täter fasst er zusammen. aktiv bekämpfen und zeitgleich die eigenen Streifen führen. Hinzu kam die Abstimmung mit Gerhard Stelke, Manina Puck den eintreffenden Kräften der Landespolizei. Daneben immer wieder die Schreie und Hilfe- rufe der Reisenden. Ein nahezu unmögliches

12 Bundespolizei kompakt 02|2019 Titelthema

Ein nahezu unmögliches Unterfangen

Alice Kempkens bei der LebEL-Übung am Flughafen Köln/Bonn „Der Täter bewegte sich zügig auf uns zu“ Regelmäßiges Training ist das A und O

Alice Kempkens ist seit drei Jahren Mir blieb wenig Zeit, um über das, Übungsdurchgang endete für sie Mitarbeiterin der Bundespolizei- was mich erwartete, viel nachzu- jedoch abrupt. „Der Schiedsrichter inspektion Flughafen Köln/Bonn. denken.“ Die 25-Jährige konnte mit erklärte meinen Streifenpartner und Die erhöhte Gefahr terroristischer dieser Anspannung aber gut umge- mich sowie den Täter für tot. Wir Anschläge in Deutschland ist bei hen, spiegelt sich der Stressfaktor wurden aus dem Spiel genommen.“ ihr stetig präsent. Sie versucht, Zeit doch häufig in ihrem dienstlichen Die Anspannung fiel von ihr ab. Alice dass die Gedanken daran jedoch Alltag wieder. Kempkens fing sofort an, die Situation nicht ihren dienstlichen Alltag zu reflektieren. Die Nachbereitung bestimmen. Überall panische Schreie der Übung war das Wichtigste für sie und Hilferufe und ihre Kollegen. Die Kontroll- und Streifenbeamtin fühlte Der Startschuss für ihren Übungs- sich gut auf die Übung – Lebensbe- durchgang fiel kurz nach 23 Uhr. Übung ermöglicht eine bessere drohliche Einsatzlagen (LebEL) – am Alice Kempkens war gemeinsam mit Vorbereitung auf LebEL Flughafen Köln/Bonn im November ihrem Kollegen als Streife eingesetzt. „In der Dienstgruppe sprachen wir 2018 vorbereitet. „Ich nahm bereits Sie waren schnell am Ort des Ge- offen über die Ergebnisse, analysier- im März 2017 an der dreitägigen schehens. „Über Funk erhielten wir ten unser taktisches Vorgehen, die KLE-Schulung teil. Seitdem wurden die Information, dass der Täter sich in Zusammenarbeit mit der Landes- die Inhalte in der dienststelleninternen unsere Richtung bewegt. Ab diesem polizei sowie die Kommunikations- Fortbildung immer wieder aufgegrif- Moment erhöhte sich mein Stress- strukturen. Die Erkenntnisse müssen fen. Erst im Oktober frischten wir die level enorm. Es fühlte sich ernst an.“ jetzt in die Fortbildung einfließen“, taktischen Vorgehensweisen in der Der Übungscharakter war verflogen. so Alice Kempkens. Für sie ergibt Dienstgruppe anhand verschiedener Die Schussgeräusche hörten nicht sich vor allem das Erfordernis, das intensiver Situationstrainings auf.“ mehr auf. Überall waren panische Vorgehen in diesen extremen Stress- Das regelmäßige Trainieren dieser Schreie und Hilferufe der gespielten situationen künftig regelmäßiger zu speziellen Lagen haben ihr Sicherheit Reisenden und Opfer zu hören. Das trainieren. Lange nach der Übung und Selbstbewusstsein gegeben. Am musste Alice Kempkens jedoch alles denkt Alice Kempkens noch über Tag der Übung wurden die abstrakten ausblenden. „Der Täter bewegte sich die simulierte Lage und ihr eigenes Vorstellungen für sie schnell zur Reali- zügig auf uns zu. Wir hatten direkten Handeln nach. Es war eine wertvolle tät. „Ich ging schon mit einer gewis- Sichtkontakt und fanden uns schnell Erfahrung. Die Übung gab ihr und sen Anspannung in meinen Übungs- im Feuerkampf wieder. Wir mussten ihren Kollegen die Möglichkeit, sich durchgang. Er war der erste in dieser uns eine gute Deckung suchen und noch besser auf Lebensbedrohliche Nacht. Der Zeitplan war eng und ich zeitgleich den Täter bekämpfen. Zu Einsatzlagen vorzubereiten. hatte bereits an der vorgeschalteten diesem Zeitpunkt war mein Stress- Medienvorführung teilgenommen. level am höchsten“, sagt sie. Der Manina Puck

Bundespolizei kompakt 02|2019 13 Titelthema Hohe Erwartungen an eine realitätsnahe Lagesimulation Blick in die Arbeit des Einsatzabschnitts Störer Die möglichst realitätsnahe Simulation eines terroristischen Anschlagszenarios bildet die Grundlage für einen erfolgreichen Verlauf der bundesweit durchgeführten Übungen zum Thema Lebensbedrohliche Einsatzlagen (LebEL) und das Erreichen der Übungsziele. Der Einsatzabschnitt (EA) Störer leistet hier eine der Schwerpunktauf- gaben, die Inszenierung einer wirklichkeitsnahen Lage. Die Erwartungen aller Beteiligten sind entsprechend groß.

Mit durchschnittlich 300 Dar- sogenannte Störeranweisung. des EA Störer kommt es darauf stellern ist der EA Störer mit Neben aussagekräftigen Bildern an, das erwartete Rollenverhal- Abstand der personalstärkste vom Übungsraum und einer Viel- ten der Auszubildenden im Blick der Besonderen Aufbauorga- zahl organisatorischer Hinweise zu behalten und gegebenenfalls nisation (BAO) Übungsleitung. geht es vor allem darum, das regelnd einzugreifen. Nach etwa Er umfasst die sogenannte übungsgerechte Rollenverhalten 30 bis 45 Minuten endet der Panikmasse aus Reisenden und zu definieren. Dabei werden zu Durchgang. An eine Pause ist Opfern, die „Täter“ sowie eine erwartende Verhaltensweisen in jedoch nicht zu denken. Es folgt Sanitätseinheit der Bundeswehr diesen Extremsituationen, wie eine Nachbesprechung der Füh- für das professionelle Präparie- hysterische Schreie, panik- rungskräfte, die Verletzten müs- ren von Opferverletzungen. Die artiges Fluchtverhalten und sen nachgeschminkt werden, „Panikmasse“ wird durch Anwär- hilfesuchendes Zulaufen auf die vorgesehene Aufstellung ter der Bundespolizeiaus- und Einsatzkräfte, beschrieben. Die für den nächsten Durchgang Fortbildungszentren sowie der Anwärter, die als „Panikmasse“ muss eingenommen werden. jeweiligen Landespolizeischulen fungieren, sollen so bereits in Der Zeitfaktor ist die große gestellt. Die Terroristendarsteller ihren Heimatstandorten recht- Herausforderung. Während die sind zumeist erfahrene LebEL- zeitig auf die Übung vorbereitet Übungsleitung möglichst schnell Trainer der Bundespolizei- werden können. mit den nächsten Durchgängen akademie. beginnen möchte, muss der Der Zeitfaktor ist die größte Leiter des EA Störer eine ange- Vorbereitungen dauern Herausforderung messene Vorbereitungs- und Joachim Haack ist seit Wochen Am Übungstag bewältigt die Pausenzeit im Blick behalten elf Jahren Fachlehrer Die EA-bezogenen Vorbereitun- EA-Leitung mit den nachgeord- und diese auch einfordern. für Luftsicherheit an der gen beginnen bereits Wochen neten Führungskräften eine Viel- Bundespolizeiakademie vor der eigentlichen Übung. zahl von Aufgaben. Es gilt, vor „Störer-Personal“ ist über in Lübeck. Anlässlich Ein wesentlicher Faktor ist die allem die Zeitvorgaben im Blick den gesamten Zeitraum der LebEL-Übungen Aufklärung des Übungsraumes zu behalten. Nach der Einwei- gefordert war er mehrfach als am jeweiligen Bahnhof oder sung der Kräfte in den Übungs- Im Gegensatz zu den üben- Leiter des EA Störer eingesetzt. Flughafen. Ziel ist es, einen raum geht es bereits um die den Kräften, die nach den Eindruck von den Übungsmög- konkrete Rollenverteilung. Die Durchgängen wechseln, bleibt lichkeiten und den realisierba- rund 50 Darsteller von Verletzten das Personal des EA Störer ren Handlungen zu gewinnen. müssen zeitnah zur sogenann- die ganze Nacht hindurch bis Dabei stehen folgende Fragen ten Schminkstation. Denn das zum Übungsende gefordert. im Fokus: Wie lässt sich die erschreckend realitätsgetreue Die Verletztendarsteller sind „Panikmasse“ sinnvoll aufteilen? Präparieren der Verletzungen dabei besonderen physischen Welche Fluchtrichtungen sind dauert bis zu einer Stunde. und psychischen Belastungen möglich? Auf welche Weise Dann wird es ernst. Alle nehmen unterworfen. Es ist bemerkens- lassen sich die Vorgaben des ihre vorgesehenen Ausgangs- wert, mit welchem Rollenver- Übungsverlaufes von den punkte ein. Nach Freigabe des ständnis und Engagement „Tätern“ umsetzen? Wie werden Übungsbeginns durch die Regie gerade die Anwärter in den die Übungskräfte voraussichtlich startet der erste Durchgang mit Übungen agieren. Sie haben vorgehen? Diese Fragen gilt es, dem Gewehrfeuer der Täter einen großen Anteil an der vorab zu klären. Die Antworten sowie simulierten Detonationen. Realitätsnähe der Übungen bilden die Grundlage für das Die Lage wird jetzt nicht nur für und damit am Erfolg! Kernstück der Übungsvorbe- die übenden Kräfte unübersicht- reitung des EA Störer – die lich. Auch für alle Führungskräfte Joachim Haack

14 Bundespolizei kompakt 02|2019 Titelthema Die Panik wich der Neugier Terroristen schossen wahllos in die Menge

Als die Übung zu den Lebensbedrohlichen Einsatzlagen (LebEL) am Flughafen Köln/Bonn im November 2018 stattfand, waren Isabel Gaiser und Luca Schöning erst seit drei Monaten bei der Bundespolizei. Die Polizeikommissaranwärter hatten ihre Ausbildung im September im Bundespolizeiaus- und Fortbildungszentrum Swisttal begonnen. Der Weg zum Flughafen war nicht weit – die Aufregung während der Anreise bei den Berufsanfängern hingegen groß. Sie sollten mit etwa 300 Kollegen Reisende und Opfer für das Übungsszenario möglichst Eine Sanitätssoldatin der realitätsnah darstellen. Bundeswehr präpariert Isabel Gaisers Bein für Für Isabel Gaiser stand schon als Kind fest, Schussverletzung im Realfall wohl überlebt ihren Einsatz als Schwer- sie wird Polizistin. Bei ihrer Bewerbung war ihr hätte. Wäre ich rechtzeitig gerettet worden?“ verletzte. bewusst: „Terroristische Anschläge in Deutsch- Überlegungen, mit denen sie nicht allein war. land sind in den nächsten Jahren sicher nicht „In den Wochen nach der Übung sprachen wir auszuschließen.“ In ihrer Familie wird darüber oft darüber“, sagt sie. Mit zeitlichem Abstand ist Luca Schöning vor offen gesprochen. Die größte Sorge ihrer Eltern ihr aber klar geworden: „Das Stoppen der Täter Übungsbeginn in der ist, „dass sich ihr Kind einer Situation stellen ist die wichtigste Aufgabe. Hätten sich die Ein- Schminkstation muss, in der der natürliche Instinkt ‚wegrennen‘ satzkräfte gleich um die ‚Verletzten‘ gekümmert, schreit“, so die 25-Jährige. Isabel Gaiser hofft, wären es sicher mehr ‚Opfer‘ gewesen.“ dass es nie wieder zu einer Anschlagslage kom- men wird. Sollte dieser Fall jedoch eintreten, Die richtige Berufswahl getroffen möchte sie gut vorbereitet sein. „So früh nach Luca Schöning resümiert: „Durch die Übung Beginn unserer Ausbildung Einblicke in das ist uns noch einmal bewusst geworden, wie Vorgehen der Einsatzkräfte zu bekommen, war gefährlich dieser Beruf sein kann. Man kann sich ein Privileg“, sagt sie. von jetzt auf gleich in einer Lebensbedrohlichen Einsatzlage befinden und muss sofort richtig Täterbekämpfung vor Rettung reagieren. Das eigene Leben riskieren, um das Zusammen mit Luca Schöning stellte sie wäh- Leben und die Gesundheit vieler anderer zu rend der Übung zwei der vielen Schwerverletz- schützen.“ Der Einblick in die Arbeit der Bundes- ten dar. Dafür schminkten sie die Sanitätssolda- polizei in dieser Ausnahmesituation hat die ten der Bundeswehr erschreckend realitätsnah. beiden Anwärter aber weiter darin bestärkt, den „Als die ersten Schüsse fielen und ein lauter richtigen Berufsweg gewählt zu haben. Knall zu hören war, stieg die Panik in mir hoch. Zwei Terroristen rannten auf eine Gruppe Zivi- Manina Puck listen zu und schossen wahllos in die Menge. Ich wusste, dass es sich nur um Platzpatronen handelt, ließ mich aber instinktiv auf den Boden fallen. Als die Schüsse weniger wurden, wich die Panik der Neugier. Wir beobachteten das Vorgehen der Einsatzkräfte“, so Luca Schöning. Der Einsatz der GSG 9 war für den 18-Jährigen ein Erlebnis: „Die Professionalität erzeugte ein Gefühl von Sicherheit.“ Isabel Gaiser ergänzt: „Mich hat die Ernsthaftigkeit der Einsatzkräfte beeindruckt. Sie konzentrierten sich darauf, die Täter zu bekämpfen und sich gegenseitig zu sichern. Die Verletzten wurden trotz der vielen Hilferufe dabei lange Zeit ignoriert. Das war für mich als ‚Schwerverletzte‘ nicht einfach. Wie vie- le meiner Kollegen lag auch ich am Boden und schrie um Hilfe. Das war kein gutes Gefühl. Erst nachdem die Täter ausgeschaltet waren, wurde mit dem Retten begonnen. Auf der Rückfahrt nach Swisttal gingen mir viele Gedanken durch den Kopf. Ich fragte mich, ob ich die fiktive

Bundespolizei kompakt 02|2019 15 Titelthema

„Das Feld der Übung war schnell verlassen“ Gedanken zu Training und Wirklichkeit

Roland Weckenmann ist seit sieben Jahren Landespolizei. Sein Gruppenleiter führte die Roland Weckenmann Dienstgruppenleiter in der Bundespolizei- Interventionsteams. „Das Feld der Übung war nahm im vergangenen inspektion Stuttgart. Im Einsatzfall hat er die schnell verlassen“, erinnert er sich. „Mit einem Jahr an der Großübung Verantwortung, Anschlagslagen und Amok- Mal wirkte alles wie die Realität.“ Das ersehnte im Stuttgarter Haupt- taten mit seinen Streifen zu beenden. Das klare Lagebild stellte sich bis zum Schluss der bahnhof teil. bedeutet jedoch auch, die eigenen Kollegen Übung nicht ein. in den Gefahrenbereich zu schicken. Er selbst beschloss, seine Einsatzkräfte von der Aufgeregt sei er nicht gewesen, erinnert sich Leitstelle aus zu führen. Nur so könne er den Roland Weckenmann. Vielmehr hätte er eine Gesamtüberblick behalten und schnell reagieren, gewisse Anspannung verspürt, die ihn wach war er sich sicher. Ob er im Ernstfall nicht aber und aufmerksam gehalten hat. Das war auch doch vor Ort führen würde, weiß Roland nötig, denn sein Übungsdurchgang fand erst in Weckenmann nicht: „Die Entscheidung wird den frühen Morgenstunden des 12. September immer erst spontan fallen können.“ 2018 statt. Es war der letzte der Großübung im Stuttgarter Hauptbahnhof. Wäre die Übung ein realer Einsatz gewesen, so hätten in seinem Durchgang alle Polizisten das Als es losging, fühlte sich der erfahrene Dienst- Szenario überlebt. Ein ungutes Gefühl bleibt für gruppenleiter gut vorbereitet. Schon länger Roland Weckenmann dennoch. Im Ernstfall trägt wurden er und seine Kollegen für derartige er nicht nur die Verantwortung für die Einsatz- Einsatzlagen fortgebildet. Zudem wusste der lage, sondern auch für seine Mitarbeiter. Dieses 47-Jährige, dass er sich auf jeden seiner Mit- Spannungsfeld beschäftigt ihn nicht erst seit der arbeiter verlassen kann. Dabei ist die Gefahr Übung. Bereits bei echten Amokalarmen musste von Anschlägen für ihn und seine Dienstgruppe er seine Kollegen in die Gefahrenzone schicken. ständig präsent: „Bei Streifengängen und Und das, obwohl sich seine Dienstgruppe auch Gesprächen werden oft mögliche Szenarien irgendwie als eine Art Familie versteht. Man durchgegangen“, sagt er. „Man entwickelt ein verbringt so viel Zeit miteinander, dass man sensibles Gespür und versucht, sich in die Rolle auch eine Menge persönliche Dinge über die des Attentäters zu versetzen.“ Kollegen weiß. Auflösen lässt sich dieses Dilemma für Roland Weckenmann nicht. Bei der Übung ging dann alles sehr schnell. „Nach dem Start überwogen zunächst die Der ehemalige Diensthundeführer weiß noch Übungskünstlichkeiten. Ich hatte mich gedank- gut, wie es ist, in vorderster Reihe zu stehen. lich lange auf die Übung vorbereitet. Deshalb Es war ihm daher wichtig, die Übung mit war das Szenario, das mich und meine Mitarbei- seinen Kollegen nachzubereiten. Vor allem der ter erwartete, an sich nicht überraschend. Die Austausch mit dem Gruppenleiter bedeutete unklare Lage war eine große Herausforderung“, ihm viel. Dieser trug seiner Meinung nach die erzählt Roland Weckenmann. Er musste über- Hauptlast der Übung. sichtliche Strukturen schaffen und gesicherte Informationen erhalten. Deshalb entsandte Benjamin Fritsche er seinen Vertreter in den Führungsstab der

16 Bundespolizei kompakt 02|2019 Titelthema

„Für uns war es ein realer Betreuungseinsatz“ Übungskräfte und „Panikmasse“ in professionellen Händen

Die Psychosoziale Notfallversorgung (PSNV) dient dem Erhalt der psychischen Stabilität von Beschäftigten, die mit besonders belastenden Ereignissen konfrontiert wurden. Dazu gehören Unfälle mit Schwerverletzten oder Toten, Einsätze mit Schusswaffengebrauch oder Einsätze bei denen man Angst hat, selbst verletzt oder getötet zu werden. Diese Ereignisse übersteigen den Alltagsstress deutlich und können die Betroffenen bei deren Bewältigung überfordern. Unterstützungsangebote und eine qualifizierte Nachbereitung sind besonders wichtig. Psychische Probleme können so gemildert und die Wahrscheinlichkeit von post- traumatischem Stress kann gesenkt werden. Dr. Andreas Bräuner ist Diplom-Psychologe und An den LebEL-Übungen in Lübeck und Han- glücklicherweise bei beiden Übungen nicht Leiter des Sozialwissen- nover nahm ich als Leiter des Unterabschnitts erforderlich. Von den Beteiligten hörten wir aber schaftlichen Dienstes PSNV im Einsatzabschnitt Polizeiärztlicher mehrfach die Aussage: „Es ist gut, dass Sie da Nord. Der 54-Jährige ist Dienst teil. Dabei stand ich mit meinem Team für sind.“ Die Gespräche waren wichtig. seit September 2000 bei der Bundespolizei. die Beratung und Betreuung der übenden Kräfte Zuvor war er mehrere sowie der sogenannten Panikmasse bereit. Für Vorbereitung auf den Ernstfall? Jahre als Gefängnispsy- uns war es daher kein Übungs-, sondern ein Was die Handlungsabläufe und Koordination chologe tätig. Anlässlich realer Betreuungseinsatz, bei dem eine enge der übenden Einheiten aus Bund und Ländern der LebEL-Übungen Abstimmung mit Betreuungskräften der betei- angeht, sind die Übungen in jedem Fall hilfreich. stand er den Kräften als ligten Länder und der Bundespolizeiseelsorge Sie bereiten mental auf derartige Lagen vor. wichtiger Ansprech- stattgefunden hat. Während der Übungsvorbe- Außerdem zählen die hier geübten Szenarien partner zur Seite. reitung lag einer unserer Schwerpunkte in der bislang nicht zum Einsatzrepertoire der meisten Primärprävention auf der mentalen Vorbereitung Mitarbeiter in der Bundespolizei. Auch wenn es der in der „Panikmasse“ eingesetzten Anwärter. sich die Beteiligten in der dynamischen Übungs- situation nicht bewusst gemacht haben, so ist Die Übungen waren „beeindruckend“ allen Mitwirkenden letztlich klar, dass es sich Im Hinblick auf die erzeugte Geräuschkulisse nicht um eine Realsituation handelte. Ein Trai- (Schüsse aus vollautomatischen Waffen, ning für eine erhöhte psychische Traumaresis- Sprengstoffexplosionen, Schreie der „Panik- tenz können die Übungen daher kaum leisten. masse“) und die Darstellung der Verletzten und Im Realfall wäre daher die PSNV gefragt. Es Toten waren die Übungen für alle Beteiligten im war aber, nicht zuletzt wegen der realistischen Wortsinn beeindruckend. In den Auswertungs- Übungsdarstellung, richtig und wichtig, dass phasen zwischen den Übungsdurchgängen wir mit unserem Betreuungsangebot präsent haben wir uns „unters Volk“ gemischt, nahmen gewesen sind. Stimmungen auf und standen als Ansprech- partner zur Verfügung. Eine Akutbetreuung war Dr. Andreas Bräuner

Der Sozialwissenschaftliche Dienst

Bundesweit gibt es fünf regionale Sozialwissenschaftliche Dienste (SWD). Das Bundespolizeipräsidium koordiniert die Teams der Psychosozialen Notfallversorgung (PSNV) mit jeweils rund 40 Mitwirkenden. In der Bundespolizei stehen etwa 200 qualifizierte Ansprechpersonen zur Verfügung. Ein Regionalteam besteht aus Peers (Polizeibeamte mit entsprechender Qualifikation) und psychosozialen Fachkräften (Ärzte, Psychologen, Sozialwissenschaftler und Seelsorger).

Bundespolizei kompakt 02|2019 17 Titelthema

Mit Überzeugungskraft und Fingerspitzengefühl Schiedsrichter bei den bundesweiten LebEL-Übungen

„Abseits ist, wenn der Schiedsrichter pfeift.“ So oder so ähnlich lauten viele Weisheiten, die wir aus der Welt des Sports kennen, wenn es um den Mann oder die Frau mit der Trillerpfeife geht. Schiedsrichter sollen im- mer auf der Höhe des Geschehens sein, das Spiel laufen lassen, solange keine Gefahren entstehen, und bei Regelverstößen angemessen einschreiten. In gewisser Weise entspricht dies auch der Rolle und den Aufga- ben eines Schiedsrichters bei polizeilichen Großübungen. Anders als im Sport leiten und disziplinieren wir nicht, sondern lenken und bewerten, wobei das Regelwerk der Polizei überwiegend die Handlungsoptionen der Einsatzkräfte und weniger die unerlaubten Handlungen der Akteure auf den Spielfeldern beschreibt.

Anlässlich der Übungen zu Lebensbedrohlichen Die Aufgaben der Männer und Frauen mit der Marco Kaisen (links) Einsatzlagen (LebEL) kommen abhängig von weißen Weste sind vielschichtig. Ganz oben ist Leiter der Mobilen der Anzahl der übenden Kräfte zum Teil mehr auf unserer Liste steht die Gewährleistung des Kontroll- und Über- als 30 Schiedsrichter pro Übungsdurchgang sicheren Ablaufs. Vor jeder Übung werden wachungseinheit der zum Einsatz. Im Wissen, dass die Akzeptanz Sicherheitsvorschriften festgelegt, in denen Bundespolizeidirektion von Bewertungen maßgeblich von der Funktion unter anderem der Umgang mit den Übungs- Koblenz. In bislang und dem Erfahrungswissen des Schiedsrich- waffen und Sprengmitteln klar geregelt ist. Die sieben LeBEL- ters abhängt, setzen wir nur Kollegen ein, die Schiedsrichter überwachen die Einhaltung Übungen war er Leiter des Schiedsrichter- entweder erfahrene Polizeitrainer sind und/oder dieser Vorgaben. Durch lückenlose Kontrollen dienstes. über umfangreiche Erfahrungen in der übenden stellen wir sicher, dass keine „scharfen“ Waffen Funktionsgruppe (Kontroll- und Streifenbeamter, in den Übungsraum gelangen und alle Personen Gruppenleiter, Dienstgruppenleiter, Leitstelle, die vorgeschriebene Schutzausstattung tragen. geschlossene Einsatzeinheiten der Bundes- Bei bis zu 1 200 Übungsteilnehmern (Übende, polizei, Spezialkräfte) verfügen. Störer, „Panikmasse“, Beobachter und Presse- vertreter) bedarf dies einer klug gewählten

18 Bundespolizei kompakt 02|2019 Titelthema

Struktur und höchster Aufmerksamkeit aller sogenannten Feedback-Runden, bei denen die Schiedsrichter. Die kleinste Unachtsamkeit kann einzelnen Teams unmittelbar nach der Übung verheerende Auswirkungen haben. Daher lautet eine Rückkopplung erhalten, bewusst sein. unser Leitsatz: „Genauigkeit und Sicherheit geht Hier ist Überzeugungskraft, vor allem aber viel vor Schnelligkeit.“ Fingerspitzengefühl gefordert.

Neben der Herstellung und Überwachung der Unsere schwierigste Aufgabe besteht aber Sicherheit ist eine unserer Kernaufgaben ein darin zu entscheiden, wann und wo Übungsteil- Soll-Ist-Abgleich. Das Soll ergibt sich hierbei nehmer aufgrund von Täterbeschuss verletzt aus dem gedachten Verlauf der Übung. Dieses oder möglicherweise sogar tödlich getroffen „Drehbuch“ definiert die auf Grundlage beste- wurden. Da bisher noch keine Übungssysteme hender Konzeptionen und Dienstanweisungen mit Trefferanzeige genutzt werden, müssen wir zu erwartenden Maßnahmen. Wir bewerten und dies ohne Hilfsmittel beurteilen und dabei die dokumentieren die Umsetzung dieser Maßnah- Feuerkraft der Täter und das Deckungsverhalten men für die jeweilige Zielgruppe, das Ist. der Übungskräfte richtig einschätzen. Manche Kollegen sind in dieser Schocksekunde spürbar Beim Übungsthema LebEL müssen die Einsatz- ernüchtert und zuweilen auch enttäuscht. Ins- kräfte in der Sofortphase mit anfangs schwa- besondere in diesen Fällen kommt der Feed- chen Kräften eine extreme Bedrohungslage back-Runde eine besondere Bedeutung zu. unter hoher Eigengefährdung bewältigen. Die bisherigen Erfahrungen haben uns gezeigt, Erkenntnisse aus den Übungen dass selbst bei intensiver konzeptioneller und In der Gesamtbetrachtung der bisherigen Übun- praktischer Vorbereitung die Übungsszenarien gen konnten wir feststellen, dass bei nahezu alle Beteiligten in Grenzbereiche bringen und allen Beamten das einsatztaktische Grundver- manchmal auch darüber hinaus. ständnis vorhanden ist. Das bedeutet allerdings nicht, die Hände in den Schoß zu legen. Getreu Knackpunkte sind bekannt dem Motto „wo Licht ist, da ist auch Schatten“ Auf Grundlage der strukturierten Auswertungen gilt es, die Trainingsintensität in allen Dienst- im Nachgang sämtlicher Übungen kennen bereichen weiter hoch zu halten und, soweit wir die Knackpunkte und wissen daher auch, möglich, noch zu steigern. In puncto Führungs- worauf wir als Schiedsrichter unser Augen- und Kommunikationsstrukturen konnten wir merk legen müssen. Der Anspruch an uns als Optimierungsmöglichkeiten definieren, die sich Schiedsrichter ist hoch. Wir müssen die konzep- in allen Übungen als erfolgskritische Faktoren tionellen Grundlagen und die einsatztaktischen der gesamten Lagebewältigung herausgestellt Zusammenhänge kennen, bei hoher Dynamik haben. In den erforderlichen Führungsstruk- den Überblick behalten, die Gefahren des turen ist in der Folge ein gesonderter Bedarf Übungsraums (Bahnbetriebsgefahren) immer im entstanden. Für diese in der Lagebewältigung Blick haben und die Erkenntnisse adressaten- elementar wichtigen Funktionen sollen künftig gerecht an die Übenden weitergeben. spezielle Fortbildungslehrgänge konzipiert und bereitgestellt werden. Darüber hinaus haben die Damit jedes Streifenteam und nachrückende beteiligten Stellen die vielschichtigen Probleme Kräfte betreut und bewertet werden können, mit dem Digitalfunk erkannt. Neben den be- bedarf es der hohen Anzahl an Schiedsrichtern kannten Schwierigkeiten der schlechten Objekt- im Übungsraum sowie bei den Führungskräften versorgung in den Bahnhöfen ist vor allem die und Führungsorganen. Trennung der Funkgruppen von Bundes- und Landespolizei bereits im Vorfeld einer gemein- Unterschiede in Selbst- und Fremd- samen Lagebewältigung zu lösen. wahrnehmung berücksichtigen Wir müssen immer beachten, dass die üben- Mit den durchgeführten Rahmenübungen mit den Einsatzkräfte während ihres Durchgangs Vollübungsanteilen verfügen wir als Bundes- einer hohen Stressbelastung ausgesetzt sind. polizei über ein einzigartiges Format, dass Dies führt in unterschiedlicher Ausprägung zu selbst im benachbarten Ausland Interesse Selbstschutzhandlungen und Wahrnehmungs- geweckt hat. Das behördenübergreifende Üben einschränkungen wie dem oft genannten in großen Bahnhöfen und Flughäfen mit bis zu Tunnelblick. Da wir die Situation als Schieds- 500 Statisten ermöglicht es, realitätsnahe richter aus einer Art Beobachterperspektive Szenarien abzubilden. Wir erhalten hierdurch heraus erleben, sind wir mit deutlich weniger die Möglichkeit, elementare Erkenntnisse für den Stress belastet. Wir nehmen das Handeln der hoffentlich nie eintretenden Ernstfall zu sammeln. Übenden dementsprechend anders wahr. Die- ser Umstand muss den Schiedsrichtern in den Marco Kaisen

Bundespolizei kompakt 02|2019 19 Titelthema

Interview mit Olaf Petersen „Diese Einsatzlage wird im Kopf gewonnen.“

Olaf Petersen ist stellvertretender Leiter der Bundespolizeiinspektion (BPOLI) Bremen. Der Lüneburger war bis Oktober 2018 in gleicher Funktion bei der BPOLI Hannover eingesetzt. Der dortige Hauptbahnhof war im Juni 2018 Schauplatz einer der Übungen zum Thema Lebensbedrohliche Einsatzlagen (LebEL). Der t hat er erzählt, wie er sich mit seinen Mitarbeitern auf die Extremsituation vorbereitet hat und welche Erfahrungenkompak er aus der Übung mitnehmen konnte.

Herr Petersen, die Gefährdung durch den islamisti- Auseinandersetzung mit dieser zunächst schier unlösbar schen Terrorismus wird für Deutschland anhaltend wirkenden Aufgabe gemeinsam mit meinen Mitarbeitern hoch bewertet. Als besonders gefährdet gilt die anzugehen. Wir mussten uns der zu erwartenden Reali- kritische Infrastruktur, zu der auch der Hauptbahnhof tät in einer Lebensbedrohlichen Einsatzlage gedanklich Hannover gehört. Wie haben Sie sich mit Ihren Mitar- stellen. Nur so konnten wir die Grundlagen für die profes- beitern auf die dortige LebEL-Übung vorbereitet? sionelle Herangehensweise an die Bewältigung bilden. Unser größtes Gut, davon bin ich überzeugt, sind unsere Für uns war von Anfang an klar, dass diese Einsatzlage im Mitarbeiter. Deshalb war es mir besonders wichtig, die Kopf gewonnen wird.

Die Einsatzlage wird im Kopf gewonnen. Was verstehen Sie darunter? Es bedeutet, dass wir neben der praktischen Fortbildung aller operativen Einsatzkräfte, ein klares und emotions- reduziertes Rollenverständnis der Führungskräfte schaffen mussten. Dabei durften wir nicht vernachlässigen, dass die individuelle Berufsmotivation unserer Mitarbeiter in Anbetracht einer tatsächlich erkennbaren Lebensbedroh- lichen Einsatzlage auf eine harte Probe gestellt wird!

Welche Maßnahmen waren für Sie in der Vorberei- tung auf derartige Lagen wesentlich? Wir konzentrierten die dienststelleninterne Fortbildung wiederholt auf das Polizeitraining zur Bewältigung Lebensbedrohlicher Einsatzlagen. Soweit möglich, passten wir die Führungs- und Einsatzmittel den Erfordernissen an und stimmten mit den örtlichen Sicherheitspartnern Plan- entscheidungen und Einsatztaktiken ab. Zusätzlich koordinierten wir mit Unter- stützung der Bundespolizeidirektion

Olaf Petersen ist stellvertretender Leiter der Bundespolizeiinspektion Bremen.

20 Titelthema

Hannover und der Bundespolizeiakademie eine rechtliche Möglichkeit des realitätsnahen Übens konnten wir für uns Führungskräftefortbildung und Planbesprechung zum aber auch noch einige Optimierungs- und Anpassungs- Thema. Parallel dazu schrieben wir unsere Planunterlagen bedarfe definieren, die in die Planentscheidungen und und Konzeptionen fort. In dieser Phase erhielten wir den Einsatzkonzeptionen zur Stärkung der Krisenfestigkeit in Hinweis auf die Übung in Hannover im Sommer 2018. der BPOLI Hannover einfließen werden.

Die Übungsziele und -inhalte waren lange bekannt. Wenn Sie die fachliche Seite mal außer Acht lassen, Was war die größte Herausforderung im Zusammen- was konnten Sie bei Ihren Mitarbeitern beobachten? hang mit der Übung? Wie erwartet, konnte ich deutlich beobachten, dass das Es ist der Übungsleitung mit viel Aufwand sehr gut gelun- Übungsthema die Menschen hinter den Polizisten, meine gen, ein realitätsnahes Szenario darzustellen. Der Haupt- Mitarbeiter, alles andere als kalt gelassen hat. In den bahnhof Hannover ist ein Drehkreuzbahnhof. Es war nicht vielen persönlichen Gesprächen nach der Übung waren einfach, einen Übungsraum zu definieren, der mit dem offene Diskussionen zu den unangenehmen, sensiblen Zugbetrieb rund um die Uhr vereinbar war. Der letztlich Themen unseres Daseins wie Leben und Tod, Ethik und gewählte Übungsraum war ein Kompromiss und aufgrund Moral allgegenwärtig. Die Konfrontation dieser Faktoren der Schwierigkeiten im Gelände, eine der größten Heraus- mit dem Berufsbild und der Berufsmotivation drängten sich forderungen für die in fünf Durchgängen übenden Kräfte. auf. Die Mitarbeiter benannten vielfach eigene Verhaltens- Dies mussten wir in der Nachbereitung berücksichtigen. anpassungen, zum Beispiel im Umgang mit Führungs- und Einsatzmitteln oder auch in Bezug auf psychische und Wie haben Sie die Übungsnachbereitung gestaltet? physische Notwendigkeiten. Die Ansprechbarkeit der Sie war vielschichtig und hat in mehreren Phasen über Seelsorge und des Sozialwissenschaftlichen Dienstes vor, drei Monate stattgefunden. Eine erste Rückmeldung während und nach der Übung wurde sehr positiv aufge- zum jeweiligen Vorgehen der einzelnen Teams gaben die nommen. Schiedsrichter unmittelbar nach den Durchgängen ab. Er- gänzend war die Sichtung der Aufzeichnungen der Video- Neben Hannover wurden 2017 und 2018 sechs anlage am Hauptbahnhof Hannover im Nachgang für uns weitere vergleichbare Übungen durchgeführt. Wie wesentlich. So konnten wir die Einsatzfestigkeit der üben- sollte die Bundespolizei Ihrer Meinung nach mit den den Kräfte detailliert analysieren und die Erkenntnisse der gewonnenen Erkenntnissen umgehen? Schiedsrichter untermauern. Im Anschluss nutzten unsere Für die Bundespolizei wünsche ich mir eine abgestimmte, Dienstgruppenleitungen die Aus- und Fortbildungstage, bundesweite Koordinierung der Ergebnisse zur Einsatz- um gemeinsam mit den Polizeitrainern die Einsatztaktik, taktik, zur Führung, zu Führungs- und Einsatzmitteln, zur die Zusammenarbeit mit benachbarten Behörden und die Kommunikation und zu Aspekten der Zusammenarbeit. Kommunikation in der Übung auszuwerten. Die Nachbe- Darüber hinaus sind aber auch maßgebliche Hinweise zur reitung für die Führungskräfte der Bundespolizeiinspektion Öffentlichkeitsarbeit, zum Dienstrecht, zur Beweis- Hannover erfolgte durch uns noch einmal gesondert für sicherung und Dokumentation erforderlich. die Gruppenleiter, die Dienstgruppenleiter und abschlie- ßend durch die Zusammenziehung der Führungskräfte Sie sind seit November 2018 stellvertretender Leiter aller Ebenen. Als besonders gewinnbringend empfand der BPOLI Bremen. Dort soll im Herbst ebenfalls eine ich die finale Nachbereitung mit allen Übungsbeteiligten, LebEL-Übung stattfinden. Inwieweit sind Ihre Erfah- wie den Sicherheitspartnern, der Feuerwehr und den rungen aus Hannover hierbei hilfreich? Rettungsdiensten. Im Ergebnis wollen wir die Zusammen- Die Erfahrungen aus der Übung in Hannover lassen mich arbeit weiter vertiefen und uns gegenseitig in der Fortbil- sicherlich mit einem geschärften Blick auf die geplante dung unterstützen. Fortbildungsmaßnahme in Bremen schauen. Ich hoffe, dass ich die gesammelten Erkenntnisse hier zielgerichtet Welche Erkenntnisse konnten Sie aus der Übungs- in die Übungsvorbereitung einbringen kann. nachbereitung mitnehmen? Als Erstes hat es mich sehr beeindruckt, wie offen, Das Interview führte Manina Puck. professionell, ausgewogen und dabei immer nach vorne gewandt meine Mitarbeiter ihr eigenes Handeln in der Nachbereitung betrachtet haben. In der fachlichen Bewer- tung der Übungsergebnisse konnte ich insgesamt fest- stellen, dass die in der Fortbildung vermittelten Elemente zur Bewältigung Lebensbedrohlicher Einsatzlagen durch meine Mitarbeiter sehr gut umgesetzt wurden. Durch die

Bundespolizei kompakt 02|2019 21 Titelthema Außenansicht Bundespolizei ist stärkster Partner in Sachen Sicherheit und Ordnung

Die Anlagen der Bahn sind ein offenes Sys- diese Kooperation zu stärken und die Bundes- tem, das nicht flächendeckend überwacht polizei bei ihren Übungen zu den Lebensbedroh- werden kann. Angreifer haben leichten lichen Einsatzlagen (LebEL) zu unterstützen. Zugang zum etwa 33 000 Kilometer langen Streckennetz und den nahezu 5 700 öffent- Als Vertreter der Konzernsicherheit der DB AG lichen Bahnhöfen und -haltepunkten. Die sind wir die ersten Ansprechpartner für die Sorge vor Angriffen treibt deshalb auch die Bundespolizei bei der Vorbereitung und Deutsche Bahn AG (DB AG) um. Durchführung der Übungen. Bei uns laufen die Fäden zusammen. Wir planen, koordinieren Im Falle eines Anschlags müssen alle Einsatz- und steuern alle notwendigen Maßnahmen kräfte verantwortungsvoll und souverän handeln. innerhalb der DB AG im direkten Zusammen- Dafür sind Trainings erforderlich und zwar am wirken mit den Konzernbevollmächtigten der besten in realer Umgebung. Für die DB AG ist jeweiligen Region und allen betroffenen Ge- die Bundespolizei stärkster Partner in Sachen schäftsbereichen. Für das komplexe System Sicherheit und Ordnung. Die Sicherheitsver- Bahn bedeutet es einen immensen Aufwand, antwortung des Konzerns ist komplex. Neben Bahnsteige, Gleise und Teile eines Bahnhofes seiner kritischen Infrastruktur muss er vor allem zu sperren sowie Sichtschutz- und Übungs- Menschen schützen: seine Kunden und Mitarbei- züge bereitzustellen. Um die Auswirkungen Mitübende Mitarbeiter ter. Das geht nur Hand in Hand mit der Bundes- auf den laufenden Bahnbetrieb so gering wie der DB Sicherheit am polizei. Die Ordnungspartnerschaft aus dem Jahr möglich zu halten, finden die Übungen in der Hauptbahnhof Hannover 2001 ist bis heute Basis für die enge und ver- Regel in der Nacht statt. Dennoch bedeuten unterstützen beim trauensvolle Zusammenarbeit auf allen Ebenen. die Übungen eine große Herausforderung für Retten der Verletzten. Deshalb ist es für die DB AG selbstverständlich, unsere Mitarbeiter und natürlich vor allem auch

22 Bundespolizei kompakt 02|2019 Titelthema

Rüdiger Czech (links) und Mirko Schulze arbeiten in der Konzernsicherheit der Deutschen Bahn AG. Sie koordinieren unter anderem die LebEL-Übungen der Bundespolizei.

Beeinträchtigungen für unsere Kunden. Um den Hauptbahnhöfen von Leipzig, Frankfurt am gewohnte Reiseabläufe so wenig wie möglich Main, Lübeck, Hannover und Stuttgart sowie einzuschränken, setzen wir auf frühzeitige am Bahnhof Berlin-Lichtenberg vorbereitet Information und professionelle Lenkung der und durchgeführt. In diesem Jahr werden die Reisenden. Die Abstimmung der Maßnahmen Einsatzkräfte in drei weiteren Städten trainie- der übungsbegleitenden Presse- und Öffent- ren. Bei der Auswahl der Bahnhöfe versuchen lichkeitsarbeit mit der Bundespolizei ist hier wir immer, die Wünsche der Bundespolizei- besonders wichtig. akademie und der Bundespolizeidirektionen umzusetzen. Für eine groß angelegte Übung In den letzten beiden Jahren haben wir gemein- mit verschiedenen Szenarien und Hunderten sam mit der Bundespolizei sechs Übungen in Statisten muss der Bahnhof natürlich entspre- chend groß sein. Außerdem sind zentrale Plätze wie stark frequentierte Bahnhöfe am ehesten im Visier von Angreifern. Dabei müssen wir aber Die Konzernsicherheit der DB AG definiert immer prüfen, ob die notwendigen Sperrungen Sicherheitsstandards für den gesamten und die Bereitstellung von Zügen im erforderli- Konzern. Ziel ist neben der Risikominimie- chen Umfang umsetzbar sind. rung der Schutz von Kunden, Mitarbeitern, Sach- und Vermögenswerten, Image- und Wir werden weiterhin unseren Beitrag leisten, Geschäftsprozessen vor störenden und um der Bundespolizei realitätsnahe Bedingun- kriminellen Handlungen. gen für ihre LebEL-Übungen zu bieten. Nur gut trainierte Sicherheitskräfte können im Ernstfall Das DB AG-Lagezentrum ist das Herz- effektiv und souverän eingreifen, um Menschen- stück der Konzernsicherheit und bildet leben zu retten und Werte zu schützen. Die die infrastrukturelle und operative Basis Vorbereitungen für die nächsten Übungen sind des Risiko- und Krisenmanagements. Im bereits angelaufen. Dann werden wieder Szena- Dauerdienst des Lagezentrums sitzen rien trainiert, von denen wir uns alle wünschen, Mitarbeiter der DB AG und Beamte der dass sie nie eintreten. Bundespolizei rund um die Uhr an einem Tisch, um aktuelle Lagen zu bewerten und Rüdiger Czech, Mirko Schulze Sicherheitsmaßnahmen zu koordinieren. Aufgaben des Grundsatzbereichs der Konzernsicherheit sind das Qualitätsma- nagement, die Definition der Sicherheits- standards sowie die Präventions- und Kommunikationsarbeit.

Bundespolizei kompakt 02|2019 23 Titelthema FÜNF LebEL-ÜBUNGEN in 2018 ZAHLEN – DATEN – FAKTEN 30 600 4 300 Schuss DM 28 Übungsteilnehmer (Übungsmunition)

4 700 Personen 671 verpflegt 650 Bauzaunelemente für 2 238 Meter Gäste und Sichtschutzzaun Fachbeobachter

13 500 1 450 Anwärter für Farbkugeln CM die „Panikmasse“

260 Verletztenbilder 360 Simulatoren geschminkt 185 Bodensprengpunkte Medienvertreter Knall-Rauch

24 Bundespolizei kompakt 02|2019 Titelthema

Kolumne Korpsgeist versus SharePoint

In meinen ersten Dienstjahren war ich Die soll funktionieren wie ein Unter- auf einen Glühwein oder im Strandbad in einem Einsatzzug in der Bundes- nehmen. Jeder für sich, Ärmel auf ein Bier. Helfen sich beim Umzug, polizeiabteilung Blumberg. Es war hochkrempeln und am eigenen Erfolg tauschen Kinderklamotten und spre- toll. Wir waren fast alle gleich alt und arbeiten. Karriere statt Laufbahn. chen über Probleme. Ich kann und will motiviert bis in die Haarspitzen. Nach Zahlen, Statistiken und Dienstanwei- das auch nicht verhindern. jedem Einsatz saßen wir lange zusam- sungen, Handlungsanweisungen, men und tranken ein Feierabendbier. Erfassungsrichtlinien, Handbücher. Im Einsatz werden sie oft mit Abnei- Wir sprachen über die Einsätze, Manchmal frage ich mich, wie viele gung und auch Gewalt konfrontiert. machten Witze, aber räumten auch Bäume wir in Deutschland noch Werden angeschrien, beleidigt, bes- Probleme aus dem Weg. In langen hätten, wenn wir das alles ausdrucken puckt, geschlagen und getreten. Sie Einsätzen schliefen wir zu viert in würden. Wir kommunizieren per Mail, sehen in einer Woche Bilder, für die kleinen Containern oder zu zweit in Telefonschaltkonferenzen oder, noch andere wohl mehrere Leben bräuch- Doppelbetten. Wenn unser Tagwerk besser, wir machen einen SharePoint. ten. Manche Schicht endet auch im vollbracht war, trafen wir uns, hörten Und gibt es Probleme, dann haben Krankenhaus. Und wie gehen sie da- Musik und feierten. Nicht jeden wir dafür irgendwo einen Ansprech- mit um? Gelassen bis entschlossen. Abend, aber regelmäßig. Wir spielten partner. Meine Kollegen sind keine Mutter- Skat, zockten auf der Playstation und söhnchen oder Betschwestern, aber gingen gemeinsam ins Kino oder zur Wer braucht da noch Korpsgeist? auch keine Raubeine. Sie stehen Disco. Wir hatten Spaß, richtig viel Wohl nur der, der Fehler vertuschen zusammen, wenn andere weglaufen. Spaß. Im Dienst und nach Feier- oder über die Stränge schlagen will. Sie können, nein, sie müssen sich abend. Korpsgeist ist heute nach Definition aufeinander verlassen. Dafür muss derer, die nie einen Polizeifanclub man den ganzen Menschen kennen Im Einsatz konnte ich mich 100 Pro- gründen würden, nur dazu da, Dinge und nicht nur den dienstlichen Kol- zent auf meine Kollegen verlassen. zu deckeln oder totzuschweigen. legen. Ich bin froh, dass es bei uns Auch wenn es brenzlig wurde, wusste Außerdem: Alkohol in den Diensträu- so ist. Und ich weiß, dass ich mich ich: Da ist jemand, der dir zur Seite men und Vorgesetzte, die mit ihren so mit ihnen jeder Lage stellen kann. steht, der nicht wegläuft und dich Mitarbeitern nach Dienst mal ein Bier Auch ohne SharePoint. alleine lässt. Egal was passiert. trinken? Geht gar nicht. Gemein- schaftstag bitte nur eintägig und von Ronny von Bresinski Wir kannten die Stärken und Schwä- 7 bis 16 Uhr. Wir wollen die Mitarbei- chen des anderen. Wir waren nicht ter ja schützen und sie nicht mit den nur Kollegen. Wir waren Freunde. Gefahren da draußen alleine lassen. Nein, es war mehr. Das war echte Lieber Betschwestern und Mutter- Kameradschaft. Und ja, wir hatten söhnchen als Raubeine? Korpsgeist. Aber auch meine heutigen Kollegen Heute ist das ein Wort, bei dem man entsprechen nicht diesem Ideal. Sie Der Autor (41) ist Dienstgruppenleiter in der zumindest die Nase rümpft. Teufels- verabreden sich nach Feierabend, Bundespolizeiinspektion Hamburg und seit 2014 zeug. Passt auch nicht mehr in eine fahren privat sogar nach Mallorca, Redakteur der kompakt. moderne Polizei, hört man. treffen sich auf dem Weihnachtsmarkt

Bundespolizei kompakt 02|2019 25 In- & Ausland

Anti-Terror-Übung „TRITON“ ATLAS Common auf hoher See Challenge 2018

Eine unbekannte Anzahl von Terroristen Zugriff im Morgengrauen Sicherung des verübt einen Anschlag auf eine Passagier- Aufgrund der Komplexität der Lage sowie der Bootdecks fähre auf der Ostsee. Es gibt Verletzte und Reiseroute und Größe der Fähre wurden zur Un- Tote – und die Drohung der Täter, mehrere terstützung der GSG 9 weitere Spezialeinheiten Hundert Geiseln zu töten. des ATLAS-Verbundes durch die Expert Group Naval angefordert. Die alarmierten Einsatzkräfte So stellt sich die Ausgangslage der Übung „Be- erreichten den Marinestandort der Bundeswehr wältigung einer mobilen Geiselnahme größerer und wurden in die Lage eingewiesen. Nach ge- Menschengruppen auf einem Schiff durch eu- meinsamer Lagebeurteilung und entsprechen- ropäische Spezialeinheiten des ATLAS-Verbun- den Vorbereitungen erfolgte der Zugriff in den des dar. Diese führte die ATLAS Expert Group frühen Morgenstunden des 11. Oktober 2018. Naval (siehe Infokasten) unter Leitung der GSG 9 der Bundespolizei im vergangenen Herbst im Die Bootsmotoren heulen auf, während sich die Rahmen der ATLAS Common Challenge durch. schwedischen Einsatzboote an das Heck der An dieser gemeinsamen maritimen Übung entführten Fähre drücken. Die Kameraden der „TRITON“ beteiligten sich 400 Einsatzkräfte. schwedischen Spezialeinheit NI sind die ersten Hierbei wurde der Sturm auf ein Passagier- Interventionskräfte am Zielobjekt und erklettern und Fährschiff mit fünf weiteren europäischen die gewaltige Heckklappe in 15 Meter Höhe. Spezialeinheiten aus den Niederlanden (DSI), Sie erreichen das Oberdeck. Sichern es für die Finnland (KARHU), Belgien (DSU), Schweden nachfolgenden Einsatzkräfte aus Deutschland, (NI) und Norwegen (DELTA) geübt. Belgien, Finnland, Norwegen und den Nieder-

26 Bundespolizei kompakt 02|2019 In- & Ausland

ATLAS Expert Group Naval: Anfahrt der Boote aufs Zielschiff aus Sicht eines „All together to protect you!“ (Alle zusammen, um dich zu beschützen!) lautet das Motto von Einsatzhubschraubers ATLAS, dem Kooperationsverbund von 38 Spezialeinheiten aus allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union sowie Island, Norwegen und der Schweiz. Das Netzwerk wurde nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 auf die Vereinigten Staaten gegründet, um die Einsatzboote laufen Zusammenarbeit europäischer Anti-Terror-Einheiten zu intensivieren und die gegenseitige Un- aus dem Hafen aus. terstützung bei Krisen- und Sonderlagen über Landesgrenzen hinweg zu ermöglichen. Jedes Jahr trifft man sich zu gemeinsamen Workshops und Trainings mit verschiedenen Schwerpunk- ten. Den Vorsitz für vier Jahre im ATLAS-Verbund hat zurzeit die Direktion Spezialeinheiten EKO Aufentern von Einsatzkräften COBRA aus Österreich.

Bundespolizei kompakt 02|2019 27 In- & Ausland

„Fast-Roping“ auf das Brückendeck

Entschärfung eines Sprengsatzes

28 Bundespolizei kompakt 02|2019 In- & Ausland

ATLAS Common Challenge 2018:

Im Oktober 2018 fand die europaweite Übung statt. 38 europäische Spezialeinheiten nahmen daran teil. Es wurden sieben Szenarien geübt:

• Entführung einer Fähre auf der Ostsee • Flugzeugentführung in Spanien • Besetzung eines Metrozuges mit 500 Geiseln in Polen • Stürmung eines Gebäudekomplexes mit 200 Geiseln in der Slowakei • Verfolgungsfahrt auf Island • Kaperung eines Zuges in Baden-Württemberg • Busentführung in Griechenland

Alle Szenarien wurden von international besetzten Expertengruppen geplant. Bei EUROPOL in Den Haag (Niederlande) wurden sämtliche Übungs- verläufe erfasst und ausgewertet.

Am 10. Oktober 2018 unterzeichneten ATLAS, EUROPOL und die österreichische Ratspräsident- schaft der Europäischen Union eine Zusammen- arbeitsvereinbarung. Der zukünftige Schwerpunkt dieser Kooperation liegt in der administrativen Unter- stützung durch EUROPOL, um das ATLAS-Netzwerk von diesen Aufgaben zu entlasten.

landen. Als Teil der „ersten Welle“ stellen sie die Bereich des Restaurants durchsucht, denn es Sicherheit auf dem oberen Teil des Zielschiffes könnten sich Täter unter sie gemischt haben. Sicherungsposition her. Zeitgleich erreichen die Transporthub- halten schrauber des Bundespolizeiflugdienstes und Auf Deck 5 stehen die Kräfte aus den Nie- der belgischen DSU das Fährschiff und setzen derlanden vor dem Problem, dass mehrere die ersten Einsatzkräfte auf dem Deck ab. Zugangstüren an der Steuerbordseite durch angebrachte Sprengsätze blockiert sind und Auf der Brücke kommt es zu einem kurzen zunächst entschärft werden müssen. Durch den Feuergefecht zwischen zwei Terroristen und Zeitverzug gelingt es einem der Täter, sich mit Kräften der DSU. Hierbei werden beide Täter zwei Geiseln in einem kleinen Funktionsraum final bekämpft und sechs Geiseln befreit. auf Deck 5 zu verbarrikadieren. Es kommt zu einer Erstsprecherlage, in der die Einsatzkräfte Ein weiterer Schwerpunkt ist das Bordrestau- vor Ort das Gespräch mit dem Geiselnehmer rant, in dem die Mehrheit der Geiseln festgehal- suchen, ohne direkten Kontakt herstellen zu ten wird. Einsatzkräfte aus Finnland, Schweden können. Im weiteren Verlauf sind auch Mitarbei- und Deutschland dringen schlagartig ein und ter der Verhandlungsgruppe des Bundeskrimi- werden unmittelbar massiv von den Tätern mit nalamtes und des Landeskriminalamtes Meck- Sturmgewehr AK-47 beschossen. Bei dem lenburg-Vorpommern eingebunden. So kann Schusswechsel werden vier Täter bekämpft die Lage schließlich nach zweieinhalb Stunden und mehrere Einsatzkräfte und Geiseln verletzt. unter Kontrolle gebracht und der letzte Terrorist Die Erstversorgung wird durch die taktischen ohne Widerstand festgenommen werden. Einsatzmediziner (Medics) der Teams sicherge- stellt. Schwerstverletzte werden schnellstmög- GSG 9 der Bundespolizei lich mit Hubschraubern vom Schiff geflogen. Die Geiseln werden in einem gesicherten

Bundespolizei kompakt 02|2019 29 Redakteur in Gefahr

Wenn die Gondel stecken bleibt Vom Albtraum vieler Bergtouristen eiskalt erwischt

kompakt-Redakteur begleitet Rettungsübung im Trainingszentrum der Bergwacht

30 Bundespolizei kompakt 02|2019 Redakteur in Gefahr

Ich sitze in einer Seilbahn, wie sie wohl jeder Ski- oder Bergtourist kennt. Und es tritt genau dieser Fall ein, vor dem ich bei jedem Einsteigen Angst habe: Sie bleibt stehen.

Je weniger sich die Gondel bewegt, desto höher schnellt mein Puls. Unruhe macht sich in mir breit. Die Türen manuell zu öffnen, würde nichts bringen, denn ein Sprung aus dieser Höhe endet im günstigsten Fall mit Knochen- brüchen. Wie ich gerade merke, bin ich doch nicht ganz so höhentauglich wie gedacht. Gott sei dank bin ich nicht allein in der Kabine, das beruhigt mich; auch wenn ich gerade weit entfernt von Ruhe und Entspannung bin.

Hilfe kommt von oben Wenig später höre ich den anfliegenden Hubschrauber. Es ist ohrenbetäubend laut. „Da kommen schon die Kolle- gen, das ging ja fix“, schreit es vom Platz nebenan. Doch was diesen Helikopter von anderen unterscheidet, ist die Tatsache, dass die umgebaute Hubschrauberzelle vom Typ BK 117 an acht Stahlseilen hängend mit einem Kran „geflogen“ wird. Alles nur eine Übung. Aber sonderlich beruhigend wirkt der Gedanke noch nicht auf mich, denn in wenigen Minuten werde ich aus dieser Gondel in den Von außen wird die Tür geöffnet. „Mein Name ist Tobias, Hubschrauber gezogen – und zwar an einem Seil. nennt mich ruhig Tobi. Ich bin von der Polizei und hier, um „Aufwinchen“ nennen es die Profis, die hier trainieren. euch zu helfen. Geht es euch gut? Ist alles in Ordnung?“ Noch ist alles in Ordnung, aber mir ist kalt. Das ist kein Wenige Augenblicke später wird auch schon jemand in Teil meiner Rolle, denn im Zentrum für Sicherheit und Richtung unserer Kabine abgeseilt. Für mich unverständ- Ausbildung (ZSA) der Bergwacht in Bad Tölz liegen die liche Handzeichen in Richtung des Helikopters gebend Temperaturen kurz über dem Gefrierpunkt. Dass das noch macht er eine Punktlandung auf der Gondel. Der ohrenbe- nicht das Ende der Fahnenstange sein wird, weiß ich zu täubende Fluglärm und der orkanartige Wind der Rotoren diesem Zeitpunkt noch nicht. „Das wird gleich besser, – Downwash genannt – sind täuschend wenn wir im Hubschrauber sind. Der ist geheizt“, scherzt echt dargestellt, obwohl sie aus Laut- der Beamte mit der Aufschrift „TMHT“ auf dem Arm. Ich sprechern und Ventilatoren kommen. als Bereitschaftspolizist weiß, dass es für Technische

Bundespolizei kompakt 02|2019 31 Redakteur in Gefahr

Maßnahmen Höhen und Tiefen steht. Eine Einheit der du den ganzen Tag hier an der Winde sitzt, bist du froh, Technischen Einsatzhundertschaften – die Fachkräfte wenn der Hintern nicht ganz so kalt ist“, sagt mir Konni, für eben jene Situation, in der ich mich gerade befinde. einer der Windenoperatoren aus der Bundespolizeiflieger- Souverän legt er mir die „Windel“ – so der Spitzname staffel Oberschleißheim. Gemeinsam mit den TMHT-Kräf- des Bergedreiecks, einem Rettungsgerät zum Auf- und ten aus den Bundespolizeiabteilungen Deggendorf und Ablassen von Personen – an und verzurrt sie mit geübten Hünfeld sowie dem Polizeiärztlichen Dienst aus Deggen- Handgriffen. dorf trainieren sie hier Hand in Hand verschiedene Luftret- tungsverfahren – und das unter absolut realistischen „Wir brauchen hier einen Arzt!“ Bedingungen. Der Organisator Simon Keiling sagt mir: Als ich das „Go“ der Übungsleitung bekomme, krümme „Wir haben das große Glück, hier Situationen trainieren zu ich mich zusammen. Schnell und flach atmend klage ich können, für die es im Ernstfall keine zweite Chance gibt.“ über starke Schmerzen im Brustkorb. Ich merke, damit hat Die Evakuierung einer Gondel zählt dabei wohl zu den Tobi nicht gerechnet. Nach wenigen Augenblicken funkt anspruchsvollsten Verfahren in der Flugrettung. Na prima, er: „Wir brauchen hier einen Arzt. Verdacht auf Span- da bin ich ja gleich ins kalte Wasser gestoßen worden. nungspneu.“ „Wow, der hat es echt drauf“, denke ich. Genau diesen Spannungspneumothorax soll ich spielen. Dieses Trainingszentrum bietet Bis vor einer halben Stunde konnte ich dieses Wort noch weltweit einmalige Möglichkeiten nicht einmal aussprechen. Über uns schwebt wieder der Apropos kalt: Um den Teilnehmern möglichst realistische Hubschrauber und seilt den Arzt ab, der ab sofort Bedingungen zu bieten, hat man im ZSA sogar ein „Kühl- übernimmt. Auch meine Rolle übernimmt jetzt haus“ eingebaut. Bei minus 20 Grad Celsius können hier eine Puppe, denn eine lange Nadel will auch Rettung, Versorgung und Transport von unterkühlten man mir dann doch nicht in die Brust Patienten bis zur Übergabe in einen voll ausgestatteten rammen – aller Realität zum Trotz Krankenhaus-Schockraum trainiert werden. Auf die Frage, –, denn das ist wohl die fachmännische Therapie für den lebensgefährli- chen Zungen- brecher. „Patient stabil und transportfähig“, heißt es vom Doc.

Es geht aufwärts Nun wird es ernst für mich, denn die Puppe hat ihren Job erledigt. Tobi hakt mich in sein Geschirr ein, die Tür der Gondel öffnet sich und der Seilwindenhaken kommt immer näher. Es gibt kein Zurück mehr, nachdem wir uns in das acht Millimeter dünne Stahlseil eingehängt haben. „Hält das auch?“, frage ich mich. Im Nachgang erfahre ich, dass die Stahlseile unse- rer Bundespolizeihubschrauber sogar weniger als halb so dünn sind. Ob mich das in diesem Moment beruhigt hätte? Ich weiß es nicht.

Da hängen wir nun gemeinsam am Seil und werden hochgezogen. So langsam verflüchtigt sich meine latente Höhenangst. Ich vertraue dem Material – und Tobi.

Im Hubschrauber angekommen stelle ich fest, er hat nicht gelogen. Die Bo- denplatte ist wirklich beheizt. „Wenn

32 Bundespolizei kompakt 02|2019 Redakteur in Gefahr

ob ich mich als Patient zur Verfügung stelle, gung bis zum Abtransport aus lehne ich dann doch dankend ab. Mir reichen der Höhle kommt mir vor wie eine Ewigkeit; die paar Grad über null in der Halle. und dieses Mal bin ich nur stiller Beobachter. Aber aufgrund der beklemmenden Situation bin Regelmäßig müssen die Windenoperatoren ich darüber nun wirklich nicht traurig, denn ich der Fliegerstaffeln spezielle Rettungsverfahren weiß, in ein paar Minuten sitze ich in einem ste- trainieren, um für den Ernstfall gerüstet zu sein. hengebliebenen Sessellift. Wieder so ein Worst Dafür bietet dieses weltweit einmalige Trainings- Case, über den ich beim Skifahren lieber nicht zentrum die optimalen Voraussetzungen. Zwei nachdenken möchte. Nun erfolgt die Rettung Hubschraubermodelle hängen hier zur freien aber nicht mit dem Hubschrauber, sondern die Verfügung. Die Möglichkeiten sind scheinbar „Teddys“ – so der Kosename für unsere Techni- unbegrenzt. Ob Rettung aus Bäumen, Felswän- ker – steigen zu Fuß auf den Masten des Liftes, den, unterirdischen Höhlensystemen oder Ge- der ebenso wie die Gondel im Trainingszentrum wässern, jedes Szenario ist denkbar. Dafür kann steht, und seilen sich zu mir ab. Schon wieder sogar ein Teil der Halle mit mehreren Tausend wird mir die „Windel“ angelegt und verknotet. Litern Wasser geflutet werden, um realitäts- Nach wenigen Handgriffen hänge ich im Seil. nah zu üben; mit Strudel und Stromschnellen Mittlerweile macht es mir sogar Spaß, obwohl versteht sich. ich auch nach mehreren Durchgängen immer wieder froh bin, festen Boden unter den Füßen Ich komme mir vor, wie auf einem Abenteuer- zu haben. spielplatz für große Jungs. „Was augenschein- lich spaßig aussieht, kann im Ernstfall Leben Sollte ich aber künftig beim Skifahren mit dem retten“, sagt mir Trainer Michi Vierling von der Lift stecken bleiben, kann ich beruhigt auf Hilfe Bergwacht in Bad Tölz. „Hier soll jeder auf seine warten, denn ich habe mich auch nicht eine Kosten kommen und das wird er auch. Sowohl Sekunde lang unsicher oder schlecht betreut die Windenoperatoren als auch die technischen gefühlt. Dafür vielen Dank und weiterhin Einsatzkräfte und die Mediziner geraten die Hals- und Beinbruch! nächsten Tage an ihre Grenzen. Deshalb sind sie hier.“ Philipp Herms

Nach der folgenden Rettung einer verunfallten Personengruppe aus besagter Höhle, weiß ich, dass er recht behalten sollte. Eng, dunkel und kalt. Anders kann man die Situation nicht beschreiben, in der sich die Opfer gerade befin- den. Die Zeit von der medizinischen Erstversor-

Bundespolizei kompakt 02|2019 33 Personal & Haushalt

So vielfältig die Aufgaben der Bundespolizei sind, so verschieden sind auch unsere Kollegen. Spannend, lustig, geheimnisvoll, traurig, respekteinflößend und immer besonders sind ihre Geschichten.

In dieser Rubrik geben sie uns Einblicke in ihre ganz privaten Bereiche. Erzählen von ihren Stärken und Hobbys, von ihren Leidenschaften und auch Sorgen. Die Redaktion der t hofft, dass Ihnen diese Rubrik gefällt. Teilt es uns mit. Wir danken allen Kollegen, die ihre Geschichtenkompak mit uns teilen, und freuen uns über neue Einblicke in die Biografien.

25 gemeinsame Jahre – im Beruf und im Privatleben

Katrin (42) und Andreas Bünning (45), Kontroll- und Streifenbeamtin und Gruppenleiter aus Ahlbeck

Manchmal ertappt man sich dabei, einen Moment geheiratet, sind stolze Eltern von zwei Kindern. innezuhalten, zurückzublicken, sich an das Erlebte zu Dienstlich führte ihr Weg sie von Lübeck über Bad erinnern und überrascht zu sein, wie schnell die Zeit Bergzabern und Stralsund bis auf die Insel Usedom. vergangen ist. So geht es im Moment auch Katrin und Hier sind sie angekommen. Andreas ist nach einem Andreas Bünning. Die beiden sind Angehörige der Aufstieg in den gehobenen Dienst Gruppenleiter. Katrin Bundespolizeiinspektion Pasewalk, der nordöstlichsten arbeitet in der Gemeinsamen Diensteinheit Vorpom- Dienststelle der Bundespolizei. Ihr Weg kreuzte sich vor mern-Greifswald, einer zivilen Fahndungsgruppe der fast genau 25 Jahren. Katrin war 17, Andreas gerade Bundes- und Landespolizei mit der Zollverwaltung. Am einmal 20 Jahre alt. Damals, am 5. April 1994, wurden 5. April 2019 feiern sie gemeinsam ihr 25-jähriges sie in Lübeck gemeinsam in den Dienstjubiläum, welches auch eine große persönliche eingestellt. Die kommenden Jahre versprachen, aufre- Bedeutung für die beiden hat. t wünscht alles gend zu werden. Den Mann oder die Frau fürs Leben Gute für die nächsten 25 gemeinsamenkompak Jahre! zu finden, stand zu diesem Zeitpunkt nicht auf ihrem Plan. Es sollte anders kommen. Nur wenige Wochen nach dem Ausbildungsbeginn waren Katrin und Andreas ein Paar. Seit diesem Zeitpunkt gehen sie ihren Weg, ob im Privat- oder Berufsleben, gemeinsam. In den zurück- liegenden 25 Jahren ist viel passiert. Die beiden haben

Andreas und Katrin Bünning

34 Bundespolizei kompakt 02|2019 Personal & Haushalt

Kay Frommholz (58), Ständiger Vertreter des Präsidenten der Direktion Bundesbereitschaftspolizei

Nach 38 Jahren in der Bundespolizei hat man si- cherlich allerhand zu erzählen, doch vor allem der 7. August 1996 wird Kay Frommholz wohl immer im Gedächtnis bleiben. Es war ein Mittwoch, an dem er als Kapitän die BG 23 „Bad Düben“ für die Bundesrepublik Deutsch- land übernehmen sollte. Sein Auftrag: überführen des Schiffes – bekannt als „Albatros II“ aus der ZDF-Serie „Küstenwache“ – von der Wolgaster Peene-Werft in den neuen Heimathafen Neustadt/ Holstein. Die Einfahrt in den Hafen sollte laut sei- nes Kommandeurs „schneidig“ und über die Toppen geflaggt erfolgen, der Empfang im Hafen war entspre- chend groß und öffentlichkeitswirksam – ein freudiges Ereignis für den damaligen Bundesgrenzschutz See. Einen Tag bevor der damals 35-jährige Polizeihaupt- kommissar Frommholz das Schiff per Unterschrift für die Bundesrepublik übernahm, ereignete sich im Neu- städter Hafen ein tragischer Hubschrauberunfall, bei dem fünf Kollegen der Hamburger ihr Leben verloren.

Als Zeichen der Trauer und Verbundenheit plante Kay Frommholz beim Einlaufen eine kurze Andacht an die Verstorbenen und ein Aufstoppen der Motoren, denn es gab keine Möglichkeit für die Besatzung, die Unglücksstelle in der schmalen Hafeneinfahrt zu um- fahren. Dies wurde ihm von höchster Stelle untersagt, denn der Auftrag war eindeutig: Schneidig sollte er in den Hafen fahren.

Gehorsam nahm er seinen Auftrag wahr und setzte Die BG 23 „Bad Düben“ über die Toppen geflaggt diesen um. Doch während des Einlaufmanövers kam es „zufällig“ genau über der Unglücksstelle zu einem techni- schen Zwischenfall. Die Maschinen wollten nicht so, wie Kai Frommholz es das Protokoll vorsah. Erst nach einem kurzen Maschi- nenstopp konnte Kommandant Frommholz seine Einfahrt fortsetzen. So ist das nun einmal mit der Technik …

Wie man 23 Jahre später auf seiner Schulter sieht, hat ihm dieser „Zufall“ allerdings nicht geschadet.

Bundespolizei kompakt 02|2019 35 Personal & Haushalt

+ Empfang von Informationsmaterial

Einstellungsoffensive beginnt sich auszuzahlen Bundespolizei wächst und wächst

„Aber wo denn?“, wird sich der eine oder andere vielleicht fragen. Manch einem Kollegen mag es bereits in wei- ter Ferne liegen, dass im Jahr 2015 durch die damalige Bundesregierung das erste Sicherheitspaket geschnürt wurde. Vor dem Hintergrund der hohen Einsatzbelastung, dem stetigen Gedanken an den nächsten Einsatz im Rahmen eines Fußballspieles oder aufgrund der Migrationslage an der deutsch-österreichischen Grenze ist es nur allzu verständlich, dass die Prioritäten in den Köpfen der Kollegen an ganz anderer Stelle liegen. Auch dass einige aus dem Kollegenkreis seit geraumer Zeit, temporär oder dauerhaft, in einem der Aus- und Fortbildungs- zentren der Bundespolizei ihren Dienst versehen, geht in unserem lebhaften Alltag schnell unter.

Doch genau dort bemerkt man das geschaffen worden, um die Mammut- beamten in der Bundespolizei geschaf- Wachstum der Bundespolizei am aufgabe des Personalaufwuchses der fen werden. Neben der Bereitstellung besten. Nicht nur in der Akademie und Bundespolizei und den Ausgleich der von Unterkünften, Ausbildungsstätten den altbekannten Aus- und Fortbil- Altersabgänge zu bewältigen. sowie Versorgungs- und Unterstüt- dungszentren Walsrode, Neustrelitz, zungsdiensten mussten neue Mitarbei- Swisttal, Eschwege und Oerlenbach Für diese neuen Dienststellen sind die ter für das Rahmenpersonal von der wird jedes vorhandene Bett genutzt, Sicherheitspakete I bis III derzeit die Küche bis zur Verwaltung gewonnen um Anwärter unterzubringen. Zusätz- größten Herausforderungen. Aus dem werden. Vor allem aber ist eine Vielzahl lich sind die neuen Aus- und Fort- Nichts mussten Strukturen für die fun- an erfahrenen, gut qualifizierten und bildungszentren Bamberg und Diez dierte Ausbildung zum Polizeivollzugs- motivierten Ausbildern erforderlich.

36 Bundespolizei kompakt 02|2019 Personal & Haushalt

Hintergrund zur Einstellungsoffensive Die Bundesregierungen hat in den Jahren 2015, 2016 und 2017 Mittel in Milliardenhöhe zur Stärkung der Bundessicherheitsbehörden Bundes- polizei, Bundeskriminalamt und Bundesamt für Verfassungsschutz be- reitgestellt. Für die Bundespolizei ergab sich daraus beispielsweise die Verbesserung der technischen Ausstattung durch die Beschaffung von drei neuen hochseetauglichen Schiffen und einem zusätzlichen Transporthub- schrauber. Weiterhin wurden Mittel zur Schaffung von 7 000 zusätzlichen Planstellen in den Jahren 2015 bis 2020 bereitgestellt. Um diese zusätzli- chen Stellen zu besetzen und gleichzeitig dem demographischen Wandel der Behörde entgegenzutreten, wurde 2016 eine Einstellungs- und Ausbil- dungsoffensive in der Bundespolizei begonnen.

Die Dienststellen waren auf die neuen Kollegen gut vorbereitet – so wie hier in Düsseldorf.

Zur Verstärkung der etablierten und dienststellen bedeutet dies eine über die reine Pflichterfüllung weit für die personelle Ausstattung der zusätzliche Arbeitsbelastung für die hinausgeht. neugegründeten Ausbildungszentren übrigen Mitarbeiter. Eine herausra- musste eine Vielzahl an Ausbildern in gende Leistung aller Mitarbeiter. Das Ergebnis dieser Anstrengungen den Dienststellen der Bundespolizei wurde Ende Februar 2019 erstmalig gewonnen werden. Seit 2016 ließen Entlastung ist in Sicht! sichtbar. Etwa 1 500 Auszubildende, sich mehr als 500 Polizeivollzugsbe- Viele Kollegen, die in ihren Heimat- welche mit Beginn der Einstellungs- amte in die Dienststellen der Bundes- dienststellen fehlen, finden sich heute offensive 2016 ihre Ausbildung be- polizeiakademie versetzen. Gleich- vor allem in Bamberg wieder. Dort gonnen hatten, wurden zu Polizei- zeitig unterstützen rund 600 Beamte werden im Laufe des Jahres 2019 meistern ernannt und traten ihren die Bundespolizeiakademie temporär, rund 2 500 Polizeimeisteranwärter Dienst in den Bundespolizeidirektio- im Rahmen von Abordnungen oder und Studierende durch etwa 500 nen an. Hinzu kommen weitere rund durch die Ausbildung des zweiten Lehrer ausgebildet. Dies entspricht 400 Polizeimeister sowie etwa 600 Dienstjahres in den Bundes- ungefähr einem Drittel der Gesamt- Polizeikommissare im September die- polizeiabteilungen der Direktion ausbildung der Bundespolizeiaka- ses Jahres. Somit stehen der Bundes- Bundesbereitschaftspolizei. Diese demie. Neben der reinen Wissens- polizei 2019 rund 2 500 frisch ausge- Kollegen fehlen damit in den Dienst- vermittlung und der Vorbereitung auf bildete Kollegen zur Verfügung. Dies stellen der Direktionen. Neben den den dienstlichen Alltag beinhaltet die ist erst der Anfang der Entlastung für unzähligen Einsätzen und Unterstüt- Ausbildung auch einen Erziehungs- jede einzelne Dienststelle. zungsleistungen für Schwerpunkt- auftrag, welcher für die Ausbilder

Bundespolizei kompakt 02|2019 37 Personal & Haushalt

Auch wenn nicht in jeder Inspektion oder Abtei- Zugleich ist der sich positiv abzeichnende und lung am 1. März 2019 neue Kollegen begrüßt weiter zunehmende Personalaufwuchs aber 614 Polizeimeisterinnen werden konnten, so sind die Aussichten doch auch eine wirkliche Herausforderung. Allein und Polizeimeister wurden gut: In den nächsten beiden Jahren werden im März haben zusätzliche 40 junge Polizisten am 26. Februar 2019 weitere rund 3 200 Frauen und Männer pro ihren Dienst in Dortmund aufgenommen. Dies in der Brose-Arena in Ausbildungsjahrgang eingestellt. Damit ein- mag zunächst banal klingen. Bislang aber waren Bamberg im Beisein ihrer hergehend wird sich die Zahl der Absolventen die Wachen der Inspektion, die Umkleideräu- Angehörigen ernannt. bis zum Jahr 2022 auf etwa 3 200 Polizisten me, Spinde, Arbeitsplätze und jegliche weitere jährlich steigern. Logistik auf den bisherigen Personalstand aus- gerichtet. Schnellstens muss nun das Arbeits- Die Bundespolizei wird somit auch in den umfeld den aktuellen Bedürfnissen angepasst nächsten Jahren durch die Ausbildungsoffensive werden. Das ist gerade in den Ballungszentren gefordert sein. Insbesondere in Bamberg wird keine einfache Aufgabe. So müssen sich zum über einen langen Zeitraum großer Unterstüt- Beispiel die benötigten neuen Räumlichkeiten zungsbedarf bestehen. Eines ist dabei jedoch unmittelbar an die bereits bestehenden anfü- sicher: Die Anstrengungen werden sich lohnen! gen, sind aber oftmals gar nicht unmittelbar Eine Entlastung wird an allen Dienst- verfügbar. stellen eintreten. Damit frühzeitig alle notwendigen Maßnahmen … und die Umsetzung in den Praxisbetrieb vorbereitet und umgesetzt werden können, vor Ort? wurde bei der Direktionsleitung eine „Koor- Eine der Dienststellen, die dringend auf die dinierungsstelle Strukturanpassung“ mit drei neuen Laufbahnabsolventen wartet, ist die Mitarbeitern eingerichtet. Hier laufen alle Fäden Bundespolizeiinspektion in Dortmund. Gerade zusammen. Gemeinsam mit den jeweiligen in der hoch belasteten Region Nordrhein-West- Fachstellen wird mit Nachdruck an praktikablen falens wird diese Nachricht überaus positiv Lösungen gearbeitet; erste Verbesserungen der wahrgenommen. Jeder Neuzugang ist eine Gesamtumstände sind bereits spürbar. echte Entlastung.

38 Bundespolizei kompakt 02|2019 Personal & Haushalt

Daneben ist die Integration der vielen neuen jeder Mitarbeiter einer Dienststelle. und jungen Mitarbeiter in die Dienstgruppen ein Eine große Anstrengung für die gesamte ebenfalls sehr wichtiger Aspekt. Die unter- Organisation Bundespolizei, die sich nun schiedlichen Charaktere, aus den sogenannten jedoch bereits auszahlt. Generationen X, Y und Z1 mit ihren Eigenarten und Besonderheiten, müssen schnellstens Achim Berkenkötter, Marcus Büchner zusammen funktionieren. Außerdem wird sich in logischer Konsequenz die Führungsspanne der Dienstgruppenleiter und Gruppenleiter spürbar erhöhen.

Nicht nur die Logistiker der Inspektionen sind also für die erfolgreiche Umsetzung der Einstel- lungsoffensive der Bundespolizei in den aktiven Dienstbetrieb verantwortlich, sondern letztlich

1 Generation X wurde zwischen 1965 und 1980 geboren und stark durch die Wirtschaftskrise und aufkommende Scheidungs- rate geprägt. Die Generation Y erlebte den Internetboom und die Globalisierung in vollen Zügen und hat ein höheres Bildungs- niveau als ihre Vorgänger. Zwischen 1995 und 2010 Geborene zählen zur Generation Z und haben die Digitalisierung des Alltags bereits komplett in ihr Leben integriert.

Ein letztes Mal gespanntes Warten, bis man endlich Polizeimeister ist.

Für die zügige Ernennung ist alles akribisch vorbe- reitet.

Voller Stolz: ein Foto zur Erinnerung an den beson- deren Tag

Bundespolizei kompakt 02|2019 39 Personal & Haushalt Die Neuen sind da – Entlastung in Sicht

Am 1. März 2019 traten bundesweit 1 406 neue Polizeimeisterinnen und Polizeimeister ihren Dienst in den Bundespolizeidirektionen und -inspektionen an. Sie sind die ersten fertig ausgebildeten Mitarbei- ter der Einstellungsoffensive 2016 und wurden in den neuen Dienststellen sehnsüchtig erwartet.

Bundespolizeiinspektion Köln Bundespolizeiinspektion Flughafen Düsseldorf

Bundespolizeiinspektion Flughafen München

Bundespolizeiinspektion Würzburg

Bundespolizeiinspektion Flensburg

Bundespolizeiinspektion Frankfurt am Main

Bundespolizeiinspektion Düsseldorf

40 Bundespolizei kompakt 02|2019 Personal & Haushalt

Bundespolizeiabteilung Bad Düben

Bundespolizeidirektion Stuttgart

Bundespolizeiabteilung Deggendorf Bundespolizeiinspektion Dortmund

Bundespolizeiabteilung Ratzeburg Bundespolizeiinspektion Leipzig

Bundespolizeiinspektion Flughafen Stuttgart

Bundespolizeiinspektion Rostock Bundespolizeiinspektion Flughafen Köln/Bonn

Bundespolizeiabteilung Blumberg Bundespolizeiabteilung Sankt Augustin

Bundespolizei kompakt 02|2019 41 Portrait

Kann ein Kartenspiel Spitzensport sein? „Ein bisschen mehr als Stammtisch-Skat“

Als Ermittler hilft Michael Pfeifer derzeit, die Vorkommnisse in der Außenstelle des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BMAF) in Bremen aufzuklären. Das gewisse logische Geschick, welches dazu benötigt wird, nutzt der Bundespolizist in seiner Freizeit bei Skatturnieren. Wer nun aber an zwanglose Altherrenspiele in verrauchten Kneipen denkt, wird überrascht sein. Tatsächlich geht es um viel mehr.

„Gut Blatt!“ ist der Gruß der Skatspieler. Der desgrenzschutz und hatte keine Zeit mehr für Ein Grand Ouvert ist begleitet Michael Pfeifer schon sein ganzes aufwendige Turniere. Nach mehreren Jahren in die höchste Hand Leben. Als Kind brachte ihm der Vater die Oerlenbach und Coburg, am Flughafen Frank- beim Skat. Seine Grundzüge des Spiels bei. Den Rest übernah- furt am Main und in Karlsruhe verschlug es ihn Wahrscheinlichkeit men die Jugendklubs in seiner Heimat am Ran- 1994 nach Kehl. So nah an der Heimat flammte ist geringer als ein de des Schwarzwalds. Mit siebzehn Jahren fuhr auch wieder die Lust am Skatspiel auf. Royal Flush im Texas er nach Offenburg, um das erste Mal an einem Hold’em Poker. Dieser Preisskat teilzunehmen. Überraschend gewann „In dieser Zeit war es nicht unüblich, dass wir in Grand Ouvert wurde 2018 durch Michael er das Turnier und fand sich am nächsten Mor- der Dienststelle die Pausen für ein paar Runden Pfeifer beim gen in einem Bus zur Skat-Bundesliga wieder. Skat genutzt haben“, erzählt Michael Pfeifer und 31. Alpen-Skat-Turnier lacht dabei. Damals wurde er Mitglied in einer in Tirol gespielt. Weg vom Stammtisch Kehler Skatsportgemeinschaft, der er bis heute Trotz des ersten Erfolgs trat das Spiel für Michael angehört. Trotz der anfänglichen Kneipenrunden Pfeifer vorerst in den Hintergrund. Er begann gilt das Bierstuben-Image für ihn schon längst 1985 eine Ausbildung beim ehemaligen Bun- nicht mehr.

42 Bundespolizei kompakt 02|2019 Portrait

„Wenn man einmal ein bestimmtes Niveau Derzeit ist Michael Pfeifer als einer von knapp erreicht hat, kann man sich mit Stammtischskat zehn Bundespolizisten zum Landeskriminalamt nur verschlechtern“, sagt Michael Pfeifer und Bremen abgeordnet. Gemeinsam helfen sie da- meint damit die Bundesliga. In diese hat er sich bei, die aus den Medien bekannten Vorkomm- gemeinsam mit seinem Team hochgespielt. nisse in der BAMF-Außenstelle aufzuklären. Gemütlichkeit gibt es dort nicht mehr. „An drei „Die Arbeit ist spannend. Jeden Tag gibt es Wochenenden im Jahr werden jeweils gleich neue Erkenntnisse“, berichtet Michael Pfeifer, mehrere Spieltage ausgetragen“, erzählt er. der aufgrund der laufenden Ermittlungen keine „Um das durchzuhalten, ist taktisches Geschick Details preisgeben kann. Nur so viel verrät er: und körperliche Fitness notwendig, sonst geht „Wir ermitteln wegen des Verdachts der es nicht.“ missbräuchlichen Asylantragstellung und Begleitstraftaten.“ Anders als bei vielen Ballsportarten findet die Bundesliga im Skat nur an einem Ort statt. Es Vermutlich noch bis zum November dieses spielen zwanzig Teams mit je vier Spielern ge- Jahres wird Michael Pfeifer in Bremen bleiben. geneinander. Pro Mannschaft ist ein Auswech- Seine Familie sieht er bis dahin nur alle zwei selspieler erlaubt. Jeder aus dem Team spielt Wochen. Das Training für die Skat-Bundesliga an einem anderen Tisch gegen verschiedene darf jedoch nicht so lange warten. Auch weitab gegnerische Spieler. Das dauert und kostet von seinen Kehler Teamkollegen hat Michael Kraft, zumal eine Serie bis zu zwei Stunden Pfeifer einen Weg gefunden, seine Fertigkeiten dauert. Danach wechseln die Konkurrenten und weiter auszubauen. Schon länger trainiert er eine neue Serie mit 48 Einzelspielen beginnt. mehrmals wöchentlich mit anderen Profispielern Nur wenige Spieler auf diesem Niveau trinken im Internet. Im Jahr 2017 schaffte er es sogar Alkohol während des Wettkampfs. Viel zu groß unter die sechzehn besten Onlinespieler welt- ist die Gefahr, unaufmerksam zu werden. weit. Im real ausgetragenen Finale der Skat- Online-Weltmeisterschaft in Polen erreichte er Skat ist nicht alles Platz zehn. Fit muss Michael Pfeifer auch im Dienst sein. Schon acht Mal war der 50-jährige Familien- Alte Erfolge und neue Ziele vater auf mehrmonatigen Auslandsaufenthalten, Im selben Jahr nahm Michael Pfeifer auch an um deutsche Botschaften zu schützen. Davon der Skat-Europameisterschaft teil. Bei 619 allein dreimal in Krisengebieten. Normalerweise Teilnehmern beendete er sie auf Platz 67. Und arbeitet er jedoch im Ermittlungsdienst der Bun- auch 2019 wird er wieder teilnehmen. Diesmal despolizeiinspektion Offenburg. Seine Aufgabe findet das Turnier während einer vierzehntägi- Michael Pfeifer im ist es, ausländerrechtliche Verstöße, wie etwa gen Kreuzfahrt durch das Mittelmeer und zu den Dezember 2013 Schleusungen, aufzuklären. Nebenbei ist der Kanaren statt. „Da kann auch die Frau mitkom- während eines Ermittler, dessen Schwester, Schwager und men“, sagt Michael Pfeifer und lacht erneut. Auslandseinsatzes Schwägerin ebenfalls Bundespolizisten sind, Es werden bis zu 800 Teilnehmer erwartet. im Jemen auch Schießausbilder.

Mehr als ein Spiel

Das Skatspiel entstand vermutlich Anfang des 19. Jahrhunderts im thüringischen Al- tenburg. Sein Ablauf ist komplex und wird durch das logische und strategische Denk- vermögen der Spieler bestimmt. Mathema- tik und Fantasie sind wichtiger als Glück, welches nur bei der Kartenausgabe eine Rolle spielt. Auch bei Frauen erfreut sich das gesellige Kartenspiel einer gewissen Beliebtheit. Sie können in einer eigenen Bundesliga gegeneinander antreten. Im Jahr 2016 wurde das Skatspiel von der UNESCO zum immateriellen Welt- kulturerbe erklärt.

Bundespolizei kompakt 02|2019 43 Portrait

„Immer wieder gibt es neue Erkenntnisse.“ Seit November 2018 unterstützt Michael Pfeifer das Landes- kriminalamt Bremen.

Sein Hauptaugenmerk liegt jedoch weiterhin auf Für die skatfreudigen Leser der t hat der Skat-Bundesliga. „Dort wird das weltweit Michael Pfeifer ein besonderes Angebot.kompak Wer höchste Niveau gespielt. Wer da bestehen möchte, kann sich gern online gegen ihn kann, wird es überall“, erzählt er und muss versuchen. „Einfach bei ‚Skat-Online‘ nach es wissen. Seit 2001 kämpfte sich sein Team meinem Username ‚Flipstuete‘ suchen“, sagt er von der Verbandsliga nach oben durch. 2018 zum Abschluss und schmunzelt, „aber es wird spielte seine Mannschaft das erste Mal in der ein bisschen mehr als Stammtisch-Skat.“ Bundesliga. Mit Platz dreizehn von zwanzig stiegen sie jedoch bereits nach einer Saison Benjamin Fritsche wieder ab. Nun müssen sich die Männer zu- rückkämpfen. Es gilt zu beweisen, dass sie sich auch dauerhaft in der Bundesliga behaupten können. Kartenspiele können eben auch ein Spitzensport sein.

Das Skatspiel kurz erklärt

Gespielt wird mit einem 32 Karten umfassenden Blatt. Je drei Spieler erhalten zu Beginn einer Runde zehn Karten vom vierten Spieler, dem Kartengeber. Die beiden Rest- karten werden in der Mitte abgelegt, sie bilden den so genannten „Skat“. Wer den höchsten „Reizwert“ ab- gegeben hat, spielt alleine gegen die beiden anderen Spieler. Nun legt jeder eine Karte. Nach verschiede- nen Wertigkeiten wird daraus die höchste ermittelt. Von diesen sogenannten „Stichen“ gibt es zehn Stück pro Spiel. Danach wechselt der Kartengeber und eine neue Runde beginnt. Bei Turnieren bilden 48 Spiele eine Serie, von denen meist mehrere gespielt werden. Erst danach kann der Gewinner berechnet werden.

44 Bundespolizei kompakt 02|2019 Sport & Gesundheit

Bob- und Skeleton-Weltmeisterschaft 2019 Bundespolizisten feiern historische Siege

Mit starken Individualleistungen und perfekter Teamarbeit knüpften die Wintersport-Athleten der Bundes- polizeisportschule Bad Endorf nahtlos an die Erfolge der Olympischen Winterspiele von Pyeongchang (Südkorea) 2018 an.

Mit 10 Medaillen (6 × Gold, 1 × Silber den kanadischen Hochgeschwindig- mit anschieben und haben das perfekt und 3 × Bronze) bei der Bob- und keits-Eiskanal zu WM-Bronze. gemacht“, resümierte der Bundes- Skeleton-Weltmeisterschaft im kana- polizist freudestrahlend und ergänzte: dischen Whistler haben die Sportler Nach diesem Triumph kannte der „Das ist einfach nur eine Wahnsinns nicht nur ein hervorragendes Gesamt- Jubel im Ziel keine Grenzen. „Das ist Saison.“ ergebnis erzielt, sondern auch neue einfach nur Wahnsinn und ein komplett Kapitel für die Sportgeschichtsbücher irres Gefühl. Wir stehen hier zu dritt auf Nach acht Weltcup-Siegen im Zweier- geschrieben. dem Siegerpodest und das bei einer Bob, bei acht Weltcupstarts in einer Weltmeisterschaft auf der gefährlichs- Saison (damit stellte er den Weltrekord Deutscher Dreifach-Erfolg im ten Bahn der Welt“, zeigte sich das des Italieners Eugenio Monti 1957 bis Skeleton der Frauen Bundespolizei-Trio überglücklich. 1961 ein), feierte der Polizeimeister Die Skeleton-Pilotinnen Tina Hermann, damit als erster Bob-Pilot der Welt den Jacqueline Lölling und Sophia Griebel Bundespolizist stellt sogenannten Double-Hattrick. Der konnten den ersten Dreifach-Erfolg Bob-Weltrekorde auf Bundespolizist ist im „Zweier“ und in der Skeleton-WM-Historie feiern. Auch Bob-Pilot Francesco Friedrich „Vierer“ seit 2017 sowohl bei Welt- Noch nie zuvor konnte eine Nation den fuhr im nacholympischen Winter in ei- meisterschaften als auch bei den gesamten Medaillensatz bei einer WM ner eigenen Liga. Trotz eines schmerz- Olympischen Winterspielen unge- „abräumen“. haften Muskelfaserrisses im Addukto- schlagen. renbereich konnte er sich im zweiten Tina Hermann holte sich dabei ihren Lauf mit seiner Anschieber-Crew auf Einen Dank richtete der „Weltrekord- zweiten WM-Titel. Nach vier packen- den zweiten Rang vorarbeiten. Im inhaber“ auch an die große Bundes- den Läufen mit Top-Speeds von bis zu dritten Run katapultierte er sich mit polizei-Sportfan-Familie: „Es ist schon 144,68 Stundenkilometern hatte sie dem Geschwindigkeits-Weltrekord von ein tolles Gefühl, wenn du merkst, am Ende lediglich 38/100 Sekunden 157,06 Stundenkilometern auf die wie viele dir die Daumen drücken, vor Vorsprung auf ihre Bundespolizei-Team- Pole-Position, die er sich im vierten dem Fernseher mitfiebern, mitleiden kollegin „Jacka“ Lölling. Das Sensa- Lauf nicht mehr nehmen ließ. und mitjubeln, das puscht dich enorm, tions-Ergebnis komplettierte schließlich Danke euch dafür.“ Sophia Griebel. Mit feinem Schlitten- „Mehr als die Rekorde hatte ich mein gespür steuerte die Polizeimeisteran- Bein im Hinterkopf. Die Jungs auf der Torsten Neuwirth wärterin ihr Hightech-Sportgerät durch Rückbank mussten einfach für mich

Die Weltrekord-Mädels Jacqueline Lölling, Tina Hermann und Sophia Griebel (von links) bei der Siegerehrung

45 Recht & Wissen

Polizeilicher Schusswaffengebrauch in besonderen Lagen Wer im Recht nicht sattelfest ist ...

Im polizeilichen Alltag war der Schusswaffengebrauch bisher eher die Ausnahme. Seit einigen Jahren hat sich die Lage jedoch gewandelt. Amokläufe, Terrorakte sowie bewaffnete Angriffe auf Beamte sind leider keine Seltenheit mehr. Die t widmet sich in diesem Beitrag den komplexen rechtlichen Voraussetzungen für den polizeilichen Schusswaffengebrauch.kompak

Der Schusswaffengebrauch ist das eingriffsintensivste gebrauch ist demnach zulässig zur Abwehr einer unmit- polizeiliche Zwangsmittel. Die Voraussetzungen und telbar bevorstehenden rechtswidrigen Tat, welche sich Grenzen sind im Gesetz über den unmittelbaren Zwang, als ein Verbrechen oder als ein Vergehen unter Anwen- dem UZwG1, und der dazugehörigen Verwaltungsvor- dung oder Mitführung von Sprengstoff oder Schusswaf- schrift des Bundesinnenministeriums, der UZwVwV-BMI, fen darstellt. Gleiches gilt für die Abwehr einer bereits geregelt. begonnenen Tat. Gemäß § 13 Abs. 1 UZwG muss die Schusswaffe angedroht werden. Zweck des Schuss- Voraussetzungen für den Schusswaffengebrauch waffengebrauchs ist es, die Angriffs- oder Fluchtunfähig- Die Schusswaffe dient als Zwangsmittel zur Durchset- keit des polizeilichen Gegenübers zu erreichen zung einer präventiven oder repressiven Maßnahme. (§ 12 Abs. 2 Satz 1 UZwG). Ferner darf die Schusswaffe Den Einsatz regeln die §§ 10, 11 und 13 UZwG sowie nicht gegen Kinder (§ 12 Abs. 3 UZwG) oder bei einer die UZwVwV-BMI2. Bedeutsam ist hier besonders der hohen Gefährdung von Unbeteiligten (§ 12 Abs. 2 § 10 Abs. 1 Nr. 1 UZwG. Der Schusswaffen- Satz 2 UZwG) gebraucht werden.

Schusswaffengebrauch gegen bewaffnete Täter Problematisch ist, dass nach dem Wortlaut des § 10 Abs. 1 Nr. 1 UZwG der Schusswaffenge- brauch gegen einen Täter mit Messer nicht zu- lässig wäre, sofern dieser den Beamten nur verletzten und nicht töten will. Denn selbst eine gefährliche Körperverletzung (gemäß § 224 Strafgesetzbuch (StGB)) stellt nur ein Vergehen und kein Verbrechen dar. Ein Messer kann zwar rechtlich eine Waffe sein, aber eben keine Schuss- waffe. Die Abwehr eines solchen Angriffes wäre somit nur im Rahmen der Notwehr (§ 32 StGB) oder Nothilfe (§ 34 StGB) zulässig.3

Androhung der Schusswaffe Die Schusswaffe ist laut Gesetz und der ent- sprechenden Verwaltungsvorschrift des BMI stets vor ihrer Anwendung anzudrohen.4 Die Androhung der Schusswaffe trägt dem Verhältnismäßigkeits- grundsatz Rechnung. Dem Täter soll es ermöglicht werden, von seinem Tun Abstand zu nehmen. In der Praxis gibt es aufgrund der Gegenwärtigkeit des Angriffs Fälle, in denen eine Androhung zeitlich nicht mehr möglich ist oder die Androhung der Schusswaffe eine zusätzliche Gefahr (zum Beispiel für Geiseln) bedeuten würde. Höchst umstritten ist,

46 Bundespolizei kompakt 02|2019 Recht & Wissen

ob in diesen Fällen der Schusswaffengebrauch zulässig Fazit ist, da der Bundesgesetzgeber (im Gegensatz zu den Komplexe lebensbedrohliche Einsatzlagen aufgrund von meisten Landesgesetzgebern) keine diesbezügliche Aus- Terroranschlägen und Amoktaten erfordern ein entschlos- nahme zugelassen hat.5 Im Zweifelsfall wäre das Handeln senes und sofortiges Handeln. Dies schließt mitunter die des Beamten aber auch hier im Rahmen der Notwehr finale Bekämpfung der Täter ohne vorherige Androhung beziehungsweise Nothilfe gerechtfertigt.6 der Schusswaffe mit ein. Die Rechtslage auf Bundesebe- ne ist optimierbar, da weiterhin sehr umstritten. Angriffsunfähigkeit und „finaler Rettungsschuss“ Den Bundespolizisten stehen in ihrer Dienstausübung Fraglich ist, ob ein gezielter tödlicher Schuss zulässig ist. neben dem UZwG auch die straf- und zivilrechtlichen Das UZwG spricht nur von der Angriffs- und Fluchtunfähig- Rechtfertigungsgründe uneingeschränkt zur Verfügung.12 keit und nicht von Tötung. Ein solch gezielter, tödlich wir- Damit können grundsätzlich alle beschriebenen Prob- kender Schuss wird allgemein als „finaler Rettungs- oder lemlagen bewältigt werden. Eine zeitnahe Anpassung Todesschuss“ bezeichnet. Besonders bei Geisellagen, des bundespolizeilichen Zwangsrechts (analog zu den aber auch bei Terroristen, welche mit einer Sprengvor- Ländern) wäre jedoch wünschenswert, um mittels einer richtung ausgerüstet sind oder mit einem Fahrzeug in eine solideren gesetzlichen Grundlage mehr Rechtsklarheit Menschenmenge rasen, spielt dies eine große Rolle. Die und damit Handlungssicherheit zu schaffen.13 rechtliche Zulässigkeit des gezielten tödlichen Schusses durch Polizeibeamte (als extremste Form der Angriffsun- Nils Neuwald fähigkeit) ist seit Jahrzehnten heftig umstritten.7 Deshalb haben mittlerweile fast alle Bundesländer entsprechende 1 UZwG – Gesetz über den unmittelbaren Zwang bei der Ausübung Rechtsanpassungen vorgenommen, außer Berlin, Meck- öffentlicher Gewalt durch Vollzugsbeamte des Bundes vom 10. März lenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein. Allerdings 1961, zuletzt geändert durch das WSV-Zuständigkeitsanpassungsgesetz gibt es in allen drei Ländern entsprechende Gesetzesin- (WSVZuAnpG) vom 24. Mai 2016 itiativen. 2 UZwVwV-BMI – Allgemeine Verwaltungsvorschrift des Bundesministers des Innern zum Gesetz über den unmittelbaren Zwang bei der Ausübung Was die Auslegung des UZwG-Bund betrifft, so wird teils öffentlicher Gewalt durch Vollzugsbeamte des Bundes vom 18. Januar die Ansicht vertreten, dass bei einer weiten und verfas- 1974, zuletzt geändert durch Erlass vom 19. Dezember 1975 sungskonformen Auslegung, unter strikter Beachtung 3 § 10 Abs. 3 UZwG in Verbindung mit Abschnitt XI UZwVwV-BMI in des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, der polizeiliche Verbindung mit § 32 StGB oder § 34 StGB Rettungsschuss zulässig wäre.8 Es gibt aber auch nach- 4 § 13 Abs. 1 UZwG; Abschnitt X Abs. 4 Satz 1 UZwVwV-BMI. vollziehbare Auffassungen, die dies ablehnen.9 Im Er- 5 Vgl. Ruthig in: Schenke/Graulich/Ruthig (Hrsg.) Sicherheitsrecht des Bun- gebnis wäre aber gleichfalls der Schusswaffengebrauch des, 2. Aufl. 2019, S. 891; Walter in: Drewes/Malmberg/Wagner/Walter: zulässig, wenn auch aufgrund von Notwehr beziehungs- BPolG, 6. Aufl. 2019, S. 862 weise Nothilfe.10 6 Vgl. Borsdorff: BPolG, 9. Aufl. 2019, S. 443 7 Vgl. Borsdorff in: Möllers (Hrsg.): Wörterbuch der Polizei, 3. Aufl. 2018, Schusswaffengebrauch gegen Kinder S. 793 f. Gemäß § 12 Abs. 3 UZwG ist der Schusswaffengebrauch 8 Vgl. Borsdorff in: Möllers (Hrsg.): Wörterbuch der Polizei, 3. Aufl. 2018, gegen Personen, die sich dem äußeren Eindruck nach im S. 794; Peilert in: Heesen/Hönle/Peilert/Martens (Hrsg.): BPolG, 5. Aufl. Kindesalter (unter 14 Jahren) befinden, unzulässig.11 2015, S. 1447 Angriffe durch Personen, die sich dem äußeren Eindruck 9 Vgl. Knape in: Die Polizei, 8/2018, S. 228 f.; Ruthig in: Schenke/Graulich/ nach noch im Kindesalter befinden, sind nicht abwegig. Ruthig (Hrsg.) Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, S. 890; Walter So rammte im Februar 2016 ein 15-jähriges Mädchen in: Drewes/Malmberg/Wagner/Walter: BPolG, 6. Aufl. 2019, S. 858. in Hannover einem Bundespolizisten ein Messer mit 10 Vgl. Borsdorff in: Möllers (Hrsg.): Wörterbuch der Polizei, 3. Aufl. 2018, Tötungsabsicht in den Hals. Je nach Schätzung des S. 794 Alters wäre ein Schusswaffengebrauch nach UZwG hier 11 Vgl. Borsdorff in: Möllers (Hrsg.): Wörterbuch der Polizei, 3. Aufl. 2018, zulässig oder unzulässig gewesen. Scheidet aufgrund S. 794; Ruthig in: Schenke/Graulich/Ruthig (Hrsg.) Sicherheitsrecht des des äußeren Anscheins ein Schusswaffengebrauch Bundes, 2. Aufl. 2019, S. 891 aufgrund § 12 Abs. 3 UZwG aus, so kommt ein 12 Vgl. Neuwald/Röth: Trainingshandbuch Polizeiliches Einsatzrecht, Einsatz auf Grundlage der Notwehr oder Nothilfe 3. Aufl. 2018, S. 313 nach § 10 Abs. 3 UZwG in Verbindung mit dem StGB 13 Vgl. Borsdorff in: Möllers (Hrsg.): Wörterbuch der Polizei, 3. Aufl. 2018, in Betracht. S. 794

Bundespolizei kompakt 02|2019 47 Technik & Logistik Allet Jut(e) Baumwolltaschen statt Plastikbeutel

Kennen Sie Greta Thunberg? Die 15-jährige Schwedin ist derzeit in aller Munde und hat etwas geschafft, das nicht viele von sich behaupten können: Umwelt- schutz wieder in die Köpfe der Menschen zu rufen.

Nicht erst seit Gretas Rede vor der Klimakonferenz der Vereinten Nationen in Kattowitz (Polen) beschäftigt sich die Bundesbereitschaftspolizei mit dem Thema Umwelt- schutz, insbesondere wenn es um die Vermeidung von Plastikabfällen bei der Verpflegung geht. Verschiedenste Möglichkeiten werden geprüft und sukzessive umgesetzt.

Jedes Jahr wurden für die Verpflegungsausgabe an Einsatzkräfte mehrere Zehntausend Plastikbeutel „ver- schwendet“, die am Ende unsere Umwelt belasteten. Darunter können wir nun einen Strich ziehen.

In den vergangenen Wochen wurde zunächst eine Baum- wolltasche an jede Einsatzkraft verteilt, die von nun an dauerhaft die Plastikbeutel ersetzen soll. Auch die Anwär- ter, die das 2. Dienstjahr in den Bundespolizeiabteilungen absolvieren, werden nach und nach eine Baumwolltasche erhalten.

Dies ist der erste Schritt in Richtung Umweltschutz. Viele weitere Ideen und Ansätze schwirren unseren Kollegen durch die Köpfe, um noch mehr für den Erhalt unserer wunderschönen Natur zu tun.

Wenn jeder seinen Beitrag leistet, muss sich der Astronaut Alexander Gerst vielleicht doch nicht bei seinen Enkel- kindern entschuldigen, dass wir ihnen unseren Planeten „nicht gerade im besten Zustand überlassen“.

Dennis Goldbeck Die Einführung der Stoffbeutel wurde durch die Direktion Bundesbereitschaftspolizei via Twitter veröffentlicht und erzeugte etliche überaus positive Reaktionen.

48 Bundespolizei kompakt 02|2019 Technik & Logistik

Bundespolizei kompakt 02|2019 49 Leserbriefe

Leserbriefe

Werte Kolleginnen und Kollegen, im Vorwort zur t 01|2019 berichtete Helvi Abs, dass ein geplanter satirischer Beitrag in letzter Minute dem Rotstift zum Opfer fiel. kompakNach der Lektüre des Artikels zum Personalentwicklungskonzept (PEK) von Woldemar Lieder war ich mir da nicht mehr so sicher. Kollege Lieder hat zwar an der einen oder anderen Stelle zaghaft versucht, auch die Schatten- seiten des PEK aufzuzeigen; von einer Mitarbeiterzeitung, die auch bei strittigen Themen kein Blatt vor den Mund nehmen möchte, hätte ich an dieser Stelle aber eine deutlich differenziertere Berichterstattung erwartet. Ich erinnere mich an Artikel aus früheren Heften, die aus unterschiedlichen Perspektiven mit zum Teil gegensätzlichen Meinungen zum gleichen Thema verfasst wurden. Wo bleibt der Blick auf die Problematik der fehlenden Fachkarrieren? Warum spricht niemand mit den erfahrenen Ermittlern in den Bundespolizeiinspektionen Kriminalitätsbekämpfung, die ihr Endamt nicht erreichen können, ohne für zwei Jahre zum eigenen und zum Nachteil der Dienststelle völlig fachfremd verwendet zu werden? Weshalb wurde nicht an entscheidender Stelle nachgefragt, warum der Passus „nach Abschluss der laufbahnrechtlichen Probezeit“ im Zusammenhang mit der Anerkennung von Verwendungen bei der letzten Anpassung des PEK im Dezember 2015 für den höheren Dienst gestrichen, beim gehobenen Dienst jedoch beibehalten wurde? Liebe t-Redaktion: Das könnt ihr besser! kompak

Viele Grüße aus Stuttgart

Florian Scholz

Sehr geehrtes Redaktionsteam, Hallo Ronny, bei der Kolumne „Siegfried“ der Bundespolizei t-Ausgabe ich habe gerade deine Neuauflage 01|2019 lief mir ein kalter Schauer den Rückenkompak runter. Mit Sicherheit ist der Siegfried-Sage gelesen. Sehr die Kritik angebracht, wenn Kollegen mit Uniform, aber ohne Führungs- und passend, echt gut. Alleine die Mütze Einsatzmittel (FEM) die Bahn nutzen und bei gewissen Situationen hand- in der Gepäckablage ... Ich hatte lungsunfähig sind. richtig ein Bild des Kollegen. Ach, es gibt so viele Siegfrieds. Nur leider ist das Verhalten des Kollegen, Ronny von Bresinski, mindestens genauso unverständlich (sollte seine Kolumne auf einer wahren Geschichte Gruß basieren). Einem Kollegen (auch ohne FEM) vor einer möglichen Maßnah- me noch einen Spruch an den Kopf zu knallen ... Das finde ich moralisch Sünne Klinge bedenklich und unkollegial.

Laut seiner Kolumne kennt der Autor doch die Situation, allein in eine unge- wisse Maßnahme gehen zu müssen, muss man da noch einen zynischen Spruch bringen? Wir sind eine Bundespolizei und im Grunde eine immer noch sehr kollegiale Gruppe! Warum spricht der Autor den Kollegen nicht direkt an und macht ihn auf die Gefahren beim Reisen in Zügen mit Uniform ohne Einsatzmittel aufmerksam?! Nach dem Aufruf im Zug, warum outet sich der Autor nicht und bietet dem Kollegen an, dass er ihn mit Abstand be- gleiten könne (um eventuell bei einer Notsituation helfen zu können)? Hätte dies dem Kollegen vielleicht in zweierlei Hinsicht mehr geholfen (Eigen- sicherung und Aufklärung Reisen in Uniform ohne FEM)? Ich denke ja.

Mit nachdenklichen und sehr freundlichen Grüßen

Christian Riegel

50 Bundespolizei kompakt 02|2019 Zu guter Letzt

Er ist wieder da Das Comeback des Alarmknopfs

Endlich, nach langen Jahren der RTK1-Einheit mit noch mehr Knöpfen Steuerung mit 20 Knöpfen. Er soll Trennung, bist du zurück. Du Freund bekommen hatten, sehnte ich mich sich ja auch auf den Verkehr konzen- meiner Jugend. Schon in den frühen nach deinen einfachen Symbolen trieren. Herzlich willkommen zurück, 2000ern hatten sich unsere Wege zurück. Leicht ziehen und nach rechts alter Freund. Du hast mir gefehlt. getrennt. Wie oft hatte ich dich drehen, Blaulicht an. Leicht ziehen Ich freue mich schon, wenn wir das damals im VW T3, Ford Scorpio oder und nach links drehen, dann gabs nächste Mal Alarm machen. Opel Omega in der Hand gehabt. Wie die passende Musik dazu. So schön oft haben meine nervösen Finger dich orange leuchtetest du. Diese Einfach- Ronny von Bresinski abgebrochen und danach vergeblich heit, wunderbar. versucht, Dich wieder ranzufummeln. „Alarm“ war auf dir unmissverständlich Groß war die Überraschung, als ich 1 RTK – Rundumtonkombination bestehend aus zu lesen. dich letzten Monat in den neuen Rundumkennleuchten und akustischer Sonder- Mercedes Vito-Streifenwagen ent- signalanlage, umgangssprachlich Blaulicht und Immer wenn wir in den letzten Jahren deckte. Diesmal auf der Seite des Martinshorn mal wieder eine neue Steuerung der Beifahrers. Der Fahrer hat die

Impressum

Herausgeber Intranet Bundespolizei Wir danken allen Beteiligten für ihre Mitarbeit. Bundespolizeipräsidium infoportal.polizei.bund.de/kompakt Für den Inhalt der Beiträge sind grundsätzlich die Verfasser verantwortlich. Redaktion Internet Alle Inhalte sind urheberrechtlich geschützt. Helvi Abs (V.i.S.d.P.), Enrico Thomschke, bundespolizei.de/kompakt Nachdruck und Vervielfältigung außerhalb der Achim Berkenkötter, Ronny von Bresinski, Bundespolizei nur mit ausdrücklicher Zustimmung Marcus Büchner, Benjamin Fritsche, Dennis Layout & Satz des Herausgebers. Dies gilt auch für die Aufnah- Goldbeck, Judith Haase, Philipp Herms, Fabian Barbara Blohm, Jennifer Khlief, Sarah Viebach, me in elektronische Datenbanken und die Verviel- Hüppe, Bianca Jurgo, Christian Köglmeier, Chris Referat 66 – Medien fältigung auf Datenträgern. Die Redaktion behält Kurpiers, Nathalie Lumpé, Michael Moser, sich vor, Beiträge und Leserbriefe zu kürzen. Lars Nedwed, Manina Puck, Daniela Scholz, Druck Alexandra Stolze, Torsten Tamm Firma Appel & Klinger Redaktionsschluss dieser Ausgabe Druck und Medien GmbH 12. Februar 2019 Anschrift 96277 Schneckenlohe Heinrich-Mann-Allee 103 Bildnachweis: alle Bilder Bundespolizei, 14473 Potsdam Auflage außer: S. 3 (u. M.) BSD & Lacis Viesturs; 11 000 S. 23 Deutsche Bahn AG; S. 24 Freepik; Telefon/Fax S. 30-33 (Polaroid und Klebestreifen) Kstudio – 0331 97997-9420/-9409 Erscheinung Freepik; S. 44 (u.) pixabay; S. 42-44 (Hintergrund) sechsmal jährlich Freepik – bedneyimages E-Mail [email protected] Bundespolizei-Stiftung Informationen zum behördlichen Datenschutz Informationen unter www.bundespolizei.de finden Sie unter: bundespolizei.de/datenschutz

Bundespolizei kompakt 02|2019 51 Auch im Urlaub die kompakt dabei – Philipp Assmann und Jan Ben Brahim im Toten Meer (Israel)

Schicken auch Sie uns Ihre Schnappschüsse oder besonders gelungenen Aufnahmen zum Thema Bundespolizei per E-Mail an [email protected].

www.bundespolizei.de www.komm-zur-bundespolizei.de