Stadionwelten

Erinnerung an alte Zeiten – doch längst nicht immer war das , wie hier 1995, ausverkauft. Foto: horstmüller Abschied auf Raten Das Gelsenkirchener Parkstadion verschwindet Stück für Stück von der Landkarte.

it dem Schlussp ff des 34. eines Großstadions in Nur zwei deutsche Meisterschaften und Bundesligaspieltags der Sai- verwirklichen. Für eine komfortable Ver- ein Länderkampf gegen die USA stellten Mson 2000/2001 endete auch die kehrsanbindung wählten die Planer hier- die wenigen Veranstaltungen in 28 Jah- Ära des Gelsenkirchener Parkstadions. bei als Bauplatz eine Brach äche in der ren dar, die hier jemals Leichtathletik- Seither prägten drei Jahre schleichen- geogra schen Mitte der Stadt. Dort er- anlagen erforderten. der Verfall das Erscheinungsbild der richteten sie das Stadion auf Erdwällen. Es war ein unbequemes Stadion, vor al- Brache. Jetzt ist das endgültige Aus be- Die neue Topogra e des ursprünglich lem für die Zuschauer: Es zog wie Hecht- schlossene Sache. Bereits vor gut einem  achen Geländes modellierte man mit suppe und wenn es regnete, sprühte das Jahr rissen die Bagger die südliche Hälf- Abraumgestein aus dem Bergbau. Die Wasser aus allen Richtungen. Nur im te der Haupttribüne nieder, der Rest Kurven und die Gegengerade bestanden Falle eines ausverkauften Parkstadions der Arena wird nach den Plänen des aus einem durchgehenden Rang, nur die kam überhaupt so etwas wie Stimmung jetzigen Besitzers FC Schalke 04 voraus- Haupttribüne, als einziger Bereich zu gut auf. Ansonsten verpufften die Gesänge sichtlich nach der WM 2006 folgen. Eine 70 % überdacht, war zweirangig. Die ur- der wackeren S04-Fans im weiten Him- komplette Neunutzung des Geländes ist sprüngliche Planung sah für sie eigent- mel über dem Platz. Dennoch sorgte das schon weitestgehend geplant. Auf dem lich eine schwungvolle Zeltüberdachung Stadion für einige unvergessliche Höhe- Platz des niedergerissenen Teils der nach dem Vorbild des Münchner Olym- punkte. Haupttribüne wächst derzeit das „Reha- piastadions vor, doch ihre Ausführung und Gesundheitszentrum AufSchalke“, scheiterte an den Kosten und musste ei- Abstiege und Höhepunkte der Spatenstich für ein Hotel mit zwölf ner sachlichen Beton-Lösung weichen. Es Etagen auf dem Vorplatz erfolgte Ende entstand eine der ödesten Arenen jener Doch das erste große Highlight soll- 2004. Zeit. Allein ihre mächtigen, 70 Meter ho- te eigentlich die WM 74 werden. Sollte, Wie kam es zu dieser Entwicklung? hen Flutlichtmasten verliehen dem Bau denn bereits die Vorrundenspiele fanden Die Geschichte des Parkstadions begann zumindest in der Dämmerung so etwas nur mäßigen Anklang beim Publikum, mit der Wahl Gelsenkirchens zu einem wie Ausstrahlung. Als größtes Manko also musste die Zwischenrunde unter Be- der WM-Austragungsorte 1974. Erst mit des neuen Stadions erwies sich allerdings teiligung des DFB-Teams für den großen dem Rückenwind eines solchen Welter- die Laufbahn – seinerzeit Bedingung für Auftritt sorgen. Allerdings hatte niemand eignisses ließ sich der lange gehegte Plan die Vergabe öffentlicher Fördergelder. mit der bundesdeutschen Pleite gegen die

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Tristesse im Dezember 2004 Fotos: Schmitz

DDR gerechnet, sodass die westdeutsche hieß es, neben dem größeren Fassungs- in der Saison 1995/96 trug der FC Schal- Mannschaft in der Gruppe B weiterspiel- vermögen durch die Laufbahn eine höhe- ke im anschließenden UEFA-Cup sogar te. Folglich kam es zu „Geisterspielen“ re Sicherheitsreserve. Immerhin, die Par- den Sieg davon. In sechs bewegenden im Parkstadion, die of ziell schon lange tien Deutschland gegen Dänemark sowie und dramatischen Heimspielen zeig- ausverkauft waren, aber schließlich vor Holland gegen Irland schlugen jeweils te die schnöde Betonschüssel auf ihre deutlich weniger Zuschauern stattfan- 70.000 Zuschauer in ihren Bann. alten Tage, was eigentlich in ihr steck- den. In den 80ern und frühen 90ern machte te. „Steht auf, wenn ihr Schalker seid“, Um der Arena ihren ersten wirklichen das Parkstadion noch eine ansehnliche feierte beim Halb nale gegen Teneriffa Höhepunkt zu bescheren, musste Schalke Karriere als „Konzerthaus“, als dort ei- Premiere und trat von dort aus seinen erst absteigen: 1981 stürzten die Knappen nige bedeutende Künstler wie Michael Siegeszug durch die -Stadien in die 2. Liga. Zum Glück aber wurde die- Jackson, Westernhagen, Genesis, die an. Spanisch indes sicherlich nicht kor- ser „Blechschaden“ schnell ausgebeult. Stones und auch Peter Maffay spielten. rekt, verabschiedeten über 56.000 Fans Mit einer großen Fanparade vor dem Für die größte Besucherzahl in den 28 die Gäste mit einem leicht höhnischen Erinnerung an alte Zeiten – doch längst nicht immer war das Parkstadion, wie hier 1995, ausverkauft. Foto: horstmüller letzten Spiel nach nur einem Jahr Un- Jahren seines Bestehens sorgte freilich „Hasta la vista, Schalke Finalista“. terhaus feierten über 60.000 begeisterte Papst Johannes Paul II. Vor über 80.000 Dennoch war das Schicksal des Park- Zuschauer den Wiederaufstieg. Dagegen Gläubigen hielt er im weiten Oval eine stadions Ende 1998 besiegelt. Nebenan kamen auch die beiden DFB-Pokal nale Messe. entstand unaufhaltsam die pompöse Abschied auf Raten ’79 und ’81 nicht an, denn der ganz große „Arena AufSchalke“, als die Sporthi- Fußball jener Tage ging irgendwie am FC Mit dem Parkstadion geht es storie der ausgedienten und unge- Das Gelsenkirchener Parkstadion verschwindet Stück für Stück von der Landkarte. Schalke 04 und somit auch am Gelsenkir- „bergab“ liebten Schüssel noch eine tragische chener Publikum vorbei. Abschiedsgala zubilligte. Der 19. Mai it dem Schlussp ff des 34. eines Großstadions in Gelsenkirchen Nur zwei deutsche Meisterschaften und Die Mannschaft von Schalke 04 ent- Im Laufe der Jahre verschlechterte 2001 gilt bis heute als die spannendste Bundesligaspieltags der Sai- verwirklichen. Für eine komfortable Ver- ein Länderkampf gegen die USA stellten wickelte sich zum Fahrstuhlteam: Zwei sich der bauliche Zustand des Parksta- Meisterentscheidung überhaupt. Zum Mson 2000/2001 endete auch die kehrsanbindung wählten die Planer hier- die wenigen Veranstaltungen in 28 Jah- weitere Abstiege in die 2. Liga folgten. dions sukzessive. Mit der Arena ging es allerletzten Spiel gegen Unterhaching Ära des Gelsenkirchener Parkstadions. bei als Bauplatz eine Brach äche in der ren dar, die hier jemals Leichtathletik- Beinahe kam es sogar zum GAU, als der – im wahrsten Sinne des Wortes – bergab. kamen noch einmal 65.000 Zuschauer. Seither prägten drei Jahre schleichen- geogra schen Mitte der Stadt. Dort er- anlagen erforderten. Abstieg in die damalige Oberliga droh- Der Grund unter dem Stadion war und Nach hochdramatischem Spiel stand es der Verfall das Erscheinungsbild der richteten sie das Stadion auf Erdwällen. Es war ein unbequemes Stadion, vor al- te. Das entscheidende Spiel am 11. Juni ist durch den Bergbau löchrig wie ein 5:3 für Schalke. Fast wären die Schalker Brache. Jetzt ist das endgültige Aus be- Die neue Topogra e des ursprünglich lem für die Zuschauer: Es zog wie Hecht- 1989 gegen BW haben sicher noch Schweizer Käse, Bergsenkungen fügten Meister geworden und irgendwie waren schlossene Sache. Bereits vor gut einem  achen Geländes modellierte man mit suppe und wenn es regnete, sprühte das viele der damals 66.000 in Erinnerung. ihm schwere Schäden zu. Zuletzt spann- sie es auch schon. Doch mitten in die Jahr rissen die Bagger die südliche Hälf- Abraumgestein aus dem Bergbau. Die Wasser aus allen Richtungen. Nur im Ohne den von den Zuschauern in einer ten Bauarbeiter unter dem Dach der verfrühten Jubelarien krachte der zu oft te der Haupttribüne nieder, der Rest Kurven und die Gegengerade bestanden Falle eines ausverkauften Parkstadions unglaublichen Stimmung mitgetragenen Haupttribüne sogar Netze, um zu ver- gesehene Treffer von Patrick Anders- der Arena wird nach den Plänen des aus einem durchgehenden Rang, nur die kam überhaupt so etwas wie Stimmung 4:1-Sieg wäre der Club wahrscheinlich hindern, dass Teile des brüchigen Daches son, der den unvermeidlichen Bayern jetzigen Besitzers FC Schalke 04 voraus- Haupttribüne, als einziger Bereich zu gut auf. Ansonsten verpufften die Gesänge langfristig in der berühmten Versenkung auf die Ränge herabstürzen. Sogar ganze in der Nachspielzeit in doch sichtlich nach der WM 2006 folgen. Eine 70 % überdacht, war zweirangig. Die ur- der wackeren S04-Fans im weiten Him- verschwunden. Wenn es darauf ankam, Betonsegmente sind unterdessen massiv noch die Schale sicherte. Was blieb, komplette Neunutzung des Geländes ist sprüngliche Planung sah für sie eigent- mel über dem Platz. Dennoch sorgte das war eben doch mit den Königsblauen zu verschoben. war Schalkes kitschiger Titel „Meister schon weitestgehend geplant. Auf dem lich eine schwungvolle Zeltüberdachung Stadion für einige unvergessliche Höhe- rechnen. So auch beim vielleicht span- Als der DFB schließlich auch in Gel- der Herzen“. Das Parkstadion hinge- Platz des niedergerissenen Teils der nach dem Vorbild des Münchner Olym- punkte. nendsten Pokalspiel aller Zeiten. 6:6 hieß senkirchen erste Pläne für die WM-Be- gen verdiente meisterliche Bezeichnun- Haupttribüne wächst derzeit das „Reha- piastadions vor, doch ihre Ausführung es 1984 nach nervenzerfetzenden 120 Mi- werbung 2006 diskutierte, lautete das gen zu keiner Phase. Und so passte das und Gesundheitszentrum AufSchalke“, scheiterte an den Kosten und musste ei- Abstiege und Höhepunkte nuten vor 70.000 zwischen dem Zweitli- Urteil von Wolfgang Niersbach: „Da unglückliche Ende eigentlich ganz gut der Spatenstich für ein Hotel mit zwölf ner sachlichen Beton-Lösung weichen. Es gisten Schalke und dem FC Bayern. Der hilft nur noch die Abrissbirne!“ Und zu seiner kurzen Geschichte. Wirklich Etagen auf dem Vorplatz erfolgte Ende entstand eine der ödesten Arenen jener Doch das erste große Highlight soll- Stern des damals 17-jährigen Olaf Thon auch Rudi Assauer sah in dem Stadion nachgetrauert hat ihm denn auch kaum 2004. Zeit. Allein ihre mächtigen, 70 Meter ho- te eigentlich die WM 74 werden. Sollte, ging auf. ein Auslaufmodell: „Es ist ein Schön- jemand. In Erinnerung bleibt es eher als Wie kam es zu dieser Entwicklung? hen Flutlichtmasten verliehen dem Bau denn bereits die Vorrundenspiele fanden 1988 erkor der DFB das Parkstadion wetter-Stadion, das in Kalifornien ste- Bausünde, was auch sein Gutes hat. In Die Geschichte des Parkstadions begann zumindest in der Dämmerung so etwas nur mäßigen Anklang beim Publikum, zum Austragungsort für zwei EM-Spie- hen könnte, aber nicht bei uns!“ Gerade München wird das überholte Münchner mit der Wahl Gelsenkirchens zu einem wie Ausstrahlung. Als größtes Manko also musste die Zwischenrunde unter Be- le. Aus heutiger Sicht mutet die damalige jetzt, als seine Tage schon gezählt schie- bald zu nutzlos sein, der WM-Austragungsorte 1974. Erst mit des neuen Stadions erwies sich allerdings teiligung des DFB-Teams für den großen Bevorzugung des Parkstadions gegen- nen, erlebte das olle Rund plötzlich noch um weiterzuleben, aber zu schön, um dem Rückenwind eines solchen Welter- die Laufbahn – seinerzeit Bedingung für Auftritt sorgen. Allerdings hatte niemand über dem in einmal einen späten Frühling. Nach zu sterben. In Gelsenkirchen ist der Fall eignisses ließ sich der lange gehegte Plan die Vergabe öffentlicher Fördergelder. mit der bundesdeutschen Pleite gegen die recht witzig an. Das Parkstadion habe, so dem überraschenden 3. Bundesligaplatz hingegen eindeutig. ��Andreas Schmitz

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