Samstag 8. September 2007 Europäischer Tag des Denkmals

Oberwinterthur Von der Antike zum neuen Bauen

2000 Jahre Oberwinterthur Der Ortskern, seine Bauten und seine Geschichte

Holz + Stein: Wie die Römer Häuser bauten Besuch auf der Grabung am Kastellweg

Die Villa Kälin Joseph Kälin schafft sich eine „Quelle des Glücks und des Komforts“

Departement Bau Denkmalpflege 5

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Reproduziert mit Bewilligung des Vermessungsamtes der vom 14. August 2007

Legende Veranstaltungsorte Oberwinterthur Oberwinterthur 1 Infostand, gegenüber Brunnen vor Das ehemalige Dorf Oberwinterthur ist recht eigent- Hohlandstrasse 1 lich die Keimzelle der Stadt Winterthur. Der Ortsname «» lässt sich erstmals in einer Bauinschrift 2 Grabung der Kantonsarchäologie am Kastellweg eines um 294 nach Christus erbauten Kastells auf dem Kirchhügel Oberwinterthur belegen. Ein Fenster in die 3 Kirche St. Arbogast Antike Winterthurs wird die Kantonsarchäologie am (Eröffnung und Mittagskonzert) Tag des Denkmals auf ihrer Grabung am Kastellweg auftun. Aus dem Mittelalter hat sich in der Kirche St. 4 Villa Kälin, Hobelwerkweg 9 Arbogast ein Freskenzyklus erhalten. Zwei ehemalige (Schlusskonzert) Bauernhäuser veranschaulichen das nachmittelalterli- che dörfliche Oberwinterthur und sein Entwicklung zu 5 Schulhaus Lindberg einem verstädterten Dorf. Ende des 19. Jahrhunderts be- Bahnhof Oberwinterthur gannen sich auch in Oberwinterthur Industriebetriebe 6 niederzulassen. Nach 1917 entstand an der Bahnlinie das Fusswegverbindung: Hobelwerk, für dessen Direktor die Architekten Rittmey- Bahnhof Oberwinterthur - Villa Kälin er und Furrer ein Wohnhaus, die Villa Kälin, erbauten. 1922 wurde Oberwinterthur in die Stadt Winterthur ein- Erreichbarkeit Oberwinterthur gemeindet. Die wachsende Bevölkerungszahl erfordert - mit der S-Bahn von Zürich (S12/S29) den Bau eines neuen Schulhauses, das 1934 am Lindberg - mit Bahn von St. Gallen, entstand. Das vom Architekten Hans Hohloch errichte- - mit Bus Nr. 1 ab Winterthur HB te Schulhaus ist ein Musterbeispiel für das Neue Bauen. Europäischer Tag des Denkmals 3

Inhalt

Programm zum Tag des Denkmals 4 Oberwinterthur, von der Antike zum neuen Bauen Geleitwort 6 von Stadtrat Walter Bossert 2000 Jahre Oberwinterthur - 7 Der Ortskern, seine Bauten und seine Geschichte von Heinz Pantli „Daselbst findt man noch alt muren“ - 10 Archäologie in Oberwinterthur von Dr. Renata Windler Neue Ausgrabungen im römischen 12 Oberwinterthur - Vitudurum von Verena Jauch Holz - wichtiger Rohstoff der Römer 14 von Verena Jauch Bildausschnitt aus «Von der Gemeindestube aus», Albert Römischer Schatzfund, Weidgräben und Heilbad 15 Bosshard (1870 - 1948) , zwi- Archäologie im Lindbergwald schen 1937 und 1942 von Christoph Renold Foto: Winterthurer Bibliotheken, Sondersammlungen Die reformierte Dorfkirche 16 von Dr. Renata Windler

Titelblatt: Klangdenkmäler des „Stylus phantasticus“ (Mittagskonzert) 17 Römerstrasse 203 - 205 um von Rudolf Meyer 1900 Foto: Foto Engeler, Winterthur Auf den Spuren der Geschichte in einem 18 ehemaligen Bauernhaus von Roman Szostek und Dr. Renata Windler Impressum In einem historischen Bauernhaus wohnen - 20 Herausgegeben von der ein Umbau an der Römerstrasse 208 Abteilung Denkmalpfle- ge der Stadt Winterthur, von Katrin Zehnder Departement Bau 22 Druck: Ziegler Druck- Hohlandhaus und Verlags AG Winter- von Dr. Daniel Schneller thur Die Villa Kälin - oder Joseph Kälin schafft sich eine 23 Zu beziehen bei: „Quelle des Glücks und des Komforts“ Denkmalpflege der Stadt von Dr. Daniel Schneller Winterthur Technikumstrasse 81 Schlusskonzert in der Villa Kälin 25 Postfach 8402 Winterthur Schulhaus Lindberg: Neues Bauen trifft 26 T 052 267 54 22 Reformpädagogik denkmalpfl[email protected] von Reto Bieli 4 Europäischer Tag des Denkmals

Programm Europäischer Tag des Denkmals in Winterthur Samstag, 8. September 2007

Oberwinterthur

9 - 16 h 12.30 - 13.15 h Informationsstand der Denkmalpflege Mittagskonzert und Kantonsarchäologie Klangdenkmäler des „Stylus phantas- Ort: gegenüber Brunnen vor dem Haus ticus“ Hohlandstrasse 1 Orgel: Rudolf Meyer (siehe Übersichtsplan Seite 2) Ort: Reformierte Kirche St. Arbogast, Hohlandstrasse

9.30 - 10.15 h 17 - 18 h Offizielle Eröffnung mit Apéro Schlusskonzert in der reformierten Kirche Lieder aus dem frühen Oberwinterthur, Kirchhügel, St. Arbogast, Hohlandstrasse 20. Jahrhundert Blick Richtung Norden: Eröffnungsansprache: Walter Bossert Gesang: Ulrike Clausen, Mezzosopran im Vordergrund der Steg über (Stadtrat) Klavier: Lily Scheck die Eulach im Oktober 1910 Einleitung in das Thema des Tages durch Ort: Villa Kälin, Hobelwerkweg 9 Foto: Winterthurer Bibliotheken, Dr. Renata Windler (Kantonsarchäologie Sondersammlungen Zürich) und Dr. Daniel Schneller (Denk- (Emil Stössel) malpfleger Stadt Winterthur) Europäischer Tag des Denkmals 5

11 - 12 h, 14 - 15 h, 15.30 - 16.30 h Auf den Spuren eines Bauernhauses von 1510 Führung: Roman Szostek, Kantonsarchä- ologie Zürich; Ralph Künzler, Bauherr Oberwinterthur, Blick ost- Treffpunkt: Informationsstand wärts mit der reformierten Anmeldung am Informationsstand Kirche, nach 1910 erforderlich (ab 9 h) Foto: Winterthurer Bibliotheken, Sondersammlungen 11 - 12 h, 14 - 15 h, 15.30 - 16.30 h Bauernhaus an der Römerstrasse Führung: Katrin Zehnder, Denkmalpflege Führungen der Stadt Winterthur Samstag, 8. September 2007 Anmeldung am Informationsstand erforder- lich (ab 9 h), der Treffpunkt wird bei der Anmeldung bekannt gegeben 11 - 12 h, 14 - 15 h, 15.30 - 16.30 h Von den Römern zur 11 - 12 h, 14 - 15 h, 15.30 - 16.30 h Industrialisierung Hohlandhaus Führung: Heinz Pantli, ibid Altbau AG, Führung: Max Romann, Stadtgestaltung Winterthur und Wettbewerbe Stadt Winterthur Treffpunkt: Informationsstand Anmeldung am Informationsstand erfor- derlich (ab 9 h), der Treffpunkt wird bei 11 - 17 h der Anmeldung bekannt gegeben Holz - Stein: wie die Römer Häuser bauten 14 - 17 h Besichtigung der laufenden Grabung am Wanderung Kastellweg Oberwinterthur - Lindberg - : Führung: Mitarbeitende der Kantonsar- Archäologie im Lindbergwald chäologie Zürich Führung: Christoph Renold, Kantonsar- Treffpunkt: Kastellweg (ehemals Kirch- chäologie Zürich weg), auf der Ausgrabung Treffpunkt: Informationsstand Weiteres: gutes Schuhwerk, dauer ca. 3 h

11 - 17 h 11 - 12 h, 14 - 15 h, 15.30 - 16.30 h Mit Schnitzmesser und Klüpfel ans Villa Kälin Holz Führung: Dr. phil. Daniel Schneller, Leitung: Dolores Augustin, Konstanz Denkmalpfleger der Stadt Winterthur Treffpunkt: Kastellweg (ehemals Kirch- Anmeldung am Informationsstand erfor- weg), auf der Ausgrabung derlich (ab 9 h), der Treffpunkt wird bei Organisation und der Anmeldung bekannt gegeben Durchführung: Denkmalpflege der Stadt 11 - 12 h 11 - 12 h, 14 - 15 h, 15.30 - 16.30 h Winterthur in Zusammen- Kirche St. Arbogast Schulhaus Lindberg - neues Bauen arbeit mit der Kantons- Führung: Dr. phil. Renata Windler, Kan- Führung: Reto Bieli, Denkmalpflege der archäologie Zürich tonsarchäologie Zürich Stadt Winterthur Treffpunkt: vor der Kirche, Hohland- Treffpunkt: Bäumlistrasse 39, vor dem strasse Haupteingang 6 Europäischer Tag des Denkmals

Geleitwort zum Europäischen Tag des Denkmals Stadtrat Walter Bossert, Vorsteher des Departements Bau

interthur ist Museums-, Bildungs- standstellung eines Bauwerks keine utopische Wund Gartenstadt mit einem reichen Vorstellung einzelner praxisfremder Beamter Baubestand. Seit dem Jahr 2000 werden ist, sondern ein pragmatischer Umgang mit die Denkmaltage in Winterthur von der bestehender Bausubstanz. Erfolgsfaktor dafür städtischen Denkmalpflege und der Kan- ist eine offene Zusammenarbeit von Bauherr- tonsarchäologie gemeinsam durchgeführt. schaft, Architekt und Denkmalpflege.

Winterthur widmet den Denkmaltag 2007 dem Die grossen Besucherzahlen am Denkmaltag Stadtteil Oberwinterthur. Seit dem Jahre 2000 zeigen aber auch, dass der Bevölkerung die werden in Winterthur am Denkmaltag einzelne Baudenkmäler, die der Stadt ein Gesicht geben, Stadtteile thematisiert und vorgestellt. Die an- ein Anliegen sind. Ortsbilder und Baudenkmä- gebotenen Führungen sollen Einblick geben in ler als Zeugnisse der Kulturgeschichte sind eine die Kulturgeschichte des Ortes, die Siedlungs- wichtige Grundlage des Städtebaus, der Stadt- strukturen verständlich machen und ausge- planung und der Stadtentwicklung. Sie sind in wählte Baudenkmäler vorstellen. ihrer regionalen und lokalen Vielfalt Teil einer gemeinsamen europäischen Kulturgeschichte. Das Konzept hat sich offenbar bewährt, denn Die Denkmalpflege der Stadt Winterthur leistet der Europäische Denkmaltag findet in Winter- in diesem Sinne einen wesentlichen Beitrag für thur grossen Anklang, wie die Besucherzahlen, die Erhaltung kultureller Werte und trägt dazu die in den vergangenen Jahren zwischen 800 bei, dass Ortsteile wie Oberwinterthur ihre un- und 1‘600 lagen, deutlich zeigen. Der Denkmal- verwechselbare Identität bewahren können. tag ist zu einem wichtigen Anlass für die Stadt Winterthur geworden. Er gibt die Möglichkeit, Ich hoffe, dass auch in diesem Jahr zahlreiche der Bevölkerung Sinn und Zweck des Ortsbild- Besucherinnen und Besucher sich ein eigenes schutzes und der Erhaltung der Baudenkmäler Bild davon machen, was Denkmalpflege ist und verständlicher zu machen. Die Denkmalpflege, welchen Beitrag sie zur Lebens- und Wohnqua- die bei ihrer Tätigkeit – wohl nicht nur in Win- lität der Stadt leistet. Ich wünsche allen dazu terthur - von der Öffentlichkeit kritisch begleitet viel Vergnügen sowie spannende neue Erkennt- wird, kann am Denkmaltag die positive Seite nisse! ihrer Arbeit vorstellen: Erfolgreiche Renovati- onen beweisen, dass die denkmalgerechte In- Walter Bossert, Stadtrat

Die Kirche von Oberwinter- thur von Süden, Radierung von Emil Bollmann (1885 - 1955) Foto: Winterthurer Bibliotheken, Sondersammlungen Europäischer Tag des Denkmals 7

Oberwinterthur von Westen um 1833. Im Hintergrund ist Schloss zu erkennen. Foto: Winterthurer Bibliotheken, Sondersammlungen

2000 Jahre Oberwinterthur – Der Ortskern, seine Bauten und seine Geschichte Heinz Pantli, ibid Altbau AG Wintethur

ls „Vitudurum“ erscheint die Be- Vitudurum – ein bedeutendes römisches Azeichnung der Stadt Winterthur erst- Dorf mals in der Bauinschrift des um 294 nach Eine eindeutige Dorfanlage kann von den Ar- Christus errichteten römischen Kastells chäologen hingegen erst mit dem Beginn der auf dem Kirchhügel Oberwinterthur. Erst römischen Zeit nachgewiesen werden. Die mit der Entwicklung der Altstadt wurde heutige Römerstrasse, einst eine bedeutende rö- es notwendig zwischen den Orten Ober- mische Fernstrasse, bildet auch heute noch das und Niederwinterthur zu unterscheiden. Rückgrat des Dorfkerns Oberwinterthur. Im Laufe der Zeit verschwand dann die Nach gut 30 Jahren intensiver archäologischer Bezeichnung Niederwinterthur wieder, es Grabungstätigkeit lässt sich der römische Vicus blieben Oberwinterthur und Winterthur. als stattliche Siedlung rekonstruieren. Um das Jahr 50 nach Christus besass Vitudurum eine Oberwinterthurs Urgeschichte geschlossene Zeilenbebauung in Holz entlang 8. September 2007 Im Jahr 294 nach Christus blickte das Dorf der Fernverkehrsstrasse und ein Strassennetz 11.00, 14.00, 15.30 Uhr Oberwinterthur bereits auf eine über dreitau- unbekannter Dichte beidseits der heutigen Rö- Führungen sendjährige Geschichte zurück. 1992 fanden merstrasse. Die Reste der Holzbauten des 1. Von den Römern zur die Ausgräber der Kantonsarchäologie Zürich und 2. Jahrhunderts sind wegen ihrer ausge- Industrialisierung. an der Römerstrasse am östlichen Rand des zeichneten Erhaltung für die Erforschung des Rundgang zur Ortsge- Dorfes ein jungsteinzeitliches Grubenhaus aus römischen Holzbaus nördlich der Alpen von be- schichte der Zeit um 3000 v. Chr. An der gleichen Stelle sonderer wissenschaftlicher Bedeutung. Nach befand sich in der Mittelbronzezeit (um 1450 v. einem Brand um 70 n. Chr. wurde auf dem Treffpunkt: Chr.) ein Kremierungsplatz. Ein spätkeltisches Kirchhügel ein öffentliches Zentrum geschaf- Informationsstand Brandgrab (um 70 v. Chr.) wurde 1934 beim fen. Dieses umfasste einen umfriedeten Kult- Bau des Lindberg-Schulhauses gefunden. platz mit gallorömischem Vierecktempel, ver- 8 Europäischer Tag des Denkmals

mutlich ein Bad und weitere Gebäude in Stein. Das Hollandhaus – ein hochmittelalterli- An den Ortsrändern lagen Gewerbebetriebe, cher Speicher wie Töpfereien und Gerbereien. Die Ausfall- Seit dem Frühmittelalter war das Domstift Kon- strassen waren von Gräbern gesäumt, so beim stanz ein bedeutender Grundherr im Dorf. Auch Hotel „zum Römertor“ wo in den Jahren 1953 das Kloster Reichenau war hier begütert. Im 12. und 1967 ein Friedhof mit 22 Brandgräbern des Jahrhundert nennen sich erstmals Dienstleute 1. und 2. Jahrhunderts untersucht werden konn- nach Winterthur, es sind dies „Hainricus de te. Im Jahr 294 ordnete der Provinzstatthalter Winterture et filius suus Rodolfus„. Der Sitz Aurelius Proculus die Errichtung des Kastells dieser Mitglieder des niederen Adels ist nach auf dem Kirchhügel an. wie vor unbekannt, erwies sich doch das Hol- landhaus neben der Kirche, anlässlich seiner Ein glücklicher Fund Untersuchung 1985, im Kern nicht als mittelal- Im Jahr 2002 stiess die Kantonsarchäologie terlicher Wohnturm sondern als ein im 12. Jahr- südöstlich des Kirchhügels wenig nördlich der hundert errichteter massiver, mehrgeschossiger Frauenfelderstrasse überraschenderweise auf Speicher. Dieser mag Teil einer bedeutenden 16 frühmittelalterliche Grubenhäuser. Der zwi- Hofanlage im Bereich der Kirche gewesen sein. schen dem 6. und 11. Jahrhundert begangene Spätestens um 1303 wird der Speicher zum Platz schliesst die Lücke in der Siedlungskonti- Wohngebäude umgebaut und erweitert. nuität zwischen dem 5. und 11. Jahrhundert. Der erste konkrete Hinweis zum Umfang des Dorfkirche St. Arbogast mittelalterlichen Dorfs findet sich in einem Die älteste Zeugin der hochmittelalterlichen Steuerrödel der Zürcher Obrigkeit von 1467. Siedlung ist die Kirche St. Arbogast auf dem Dort werden 26 steuerpflichtige Haushaltungen Kirchhügel. Über den Resten eines gallorömi- aufgelistet, was auf etwa 150 Einwohner schlies- schen Vierecktempels wurde frühestens um sen lässt. Die Quelle belegt, dass das Dorf 1467 1000 ein Saalbau mit eingezogenem quadrati- wesentlich kleiner gewesen sein muss als der schem Chor errichtet. Spätestens um 1200 erhielt römische Vicus des 1. und 2. Jahrhunderts. das Gotteshaus den bestehenden, markanten In das 15. Jahrhundert lassen sich bis heute vier Turm. Im Inneren weist die Kirche bedeutende Bauernhäuser datieren: Römerstrasse 195/197 Wandmalereien des frühen 14. Jahrhunderts auf. und 221 sowie Untere Hohlgasse 19 und 21. Trotz der 1976/77 geklärten Baugeschichte der Die Bauten an der Römerstrasse belegen in Kirche sind viele Fragen um die erstmals im 13. eindrücklicher Weise die Kontinuität der Be- Jahrhundert erwähnte Pfarrei Oberwinterthur bauungsstruktur und Parzellierung seit frührö- ungeklärt. mischer Zeit.

Oberwinterthur: Blick zur Römerstrasse vom Kirchturm aus, um 1900. Im Vordergrund (Mitte) das klassizistische Dorfschulhaus. Foto: Winterthurer Bibliotheken, Sondersammlungen (Engeler) Europäischer Tag des Denkmals 9

Flugbild von 1962: Vom Bauerndorf zum Zentrum des Stadt- wich 1975/76 der modernen Wohnüberbauung Blick Richtung Norden, im teils Oberwinterthur Unteres Büel, einzig das Portierhäuschen an der Zentrum ist die Römerstrasse Im 16. und 17. Jahrhundert erlebte das Dorf eine Römerstrasse erinnert noch an die einstige Fab- zu sehen, die in der oberen starke Wachstumsphase. 1720 werden 72 Häu- rik. Der Zuzug von Arbeitskräften der Industrie Bildhälfte in die Frauenfelder- ser in Oberwinterthur gezählt. Als wichtigste liess das Bauerndorf Oberwinterthur zu einem strasse mündet. Westlich sind Wohnbauten sind damals das Pfarrhaus auf dem kleinen Gewerbe- und Dienstleistungszentrum Siedlungen der 1940er Jahre Kirchhügel, das „Spitäli“ südöstlich der Kirche werden. Ökonomieteile von Bauernhäusern zu erkennen, die sich allmäh- und der Gasthof „Rössli“ zu nennen. Einzelun- wurden zu Wohn- oder Betriebsräumen von lich dem Dorfkern nähern. tersuchungen am Baubestand Oberwinterthurs Gewerbetreibenden umgebaut. Der durch die Foto: Winterthurer Bibliotheken, belegen, dass immer noch ein beachtlicher Teil Industrie im 19. Jahrhundert eingeleitete Wan- Sondersammlungen der historischen Gebäude in die Zeit vor 1827 del hielt in der 1. Hälfte des 20. Jahrhunderts an. zurückreicht, jenem Jahr als die Brandversiche- Unter Beibehaltung der alten Dorfstruktur ver- rung im Dorf eingeführt wurde. Bauteile des 16. änderte sich das bäuerliche Erscheinungsbild Jahrhunderts werden nicht selten angetroffen. der Römerstrasse zur kleinstädtisch anmuten- den Wohn- und Geschäftsstrasse mit vereinzel- Der seit dem frühen 19. Jahrhundert aufblü- ten Handwerksbetrieben. Die letzten drei Jahr- hende Industriestandort Winterthur begann zehnte waren geprägt von der zunehmenden seit der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts auch im Überbauung des Garten- und Kulturlands am Bauerndorf „Oberi“ seine Spuren zu hinterlas- historischen Ortsrand. Der alte Ortskern wur- sen. Am westlichen Ortsrand, im Unteren Büel, de gleichsam mit der wenige Jahrzehnte älteren liess sich im ausgehenden 19. Jahrhundert die Überbauung des Dorfumlandes „verschmol- Maschinenfabrik Jaeggli nieder und zu Beginn zen“. Diese Bautätigkeit nahm in den meisten des 20. Jahrhunderts begann die Firma Sulzer Fällen auf die historisch gewachsene Ortszent- das Werk Oberwinterthur südwestlich des Dor- rum Rücksicht und bewahrte damit die Identiät fes aufzubauen. Die Maschinenfabrik Jaeggli der alten Siedlung. 10 Europäischer Tag des Denkmals

„Daselbst findt man noch alt muren“ - Archäologie in Oberwinterthur Dr. Renata Windler, Kantonsarchäologie Zürich

ie römische Siedlung, der Vicus Vi- und Knochen, sondern auch Bauhölzer sowie Dtudurum, ist zweifellos die bekann- verschiedenste Gegenstände aus Holz, Körbe, teste und am besten erforschte Fundstelle Textilien etc. erhalten haben. in Oberwinterthur. Älteste Spuren gehen Aus der Bronzezeit (ca. 2000-800 v. Chr.) lie- indes in die Jungsteinzeit zurück, und ar- gen ebenfalls Funde aus Oberwinterthur vor. chäologische Untersuchungen haben v.a. An der Lindbergstr. 14 wurden 1997 in Reihen in den letzten zehn Jahren vermehrt auch angeordnete Brandgruben aufgedeckt, die um Zeugen aus dem Mittelalter zum Vor- 1000-800 v. Chr. zu datieren sind. Sie zeigen, schein gebracht. dass auch in jener Zeit der heutige Ortskern besiedelt war. Die Funktion dieser länglichen Aus der Zeit der „Pfahlbauer“ Gruben, die an den Wänden starke Brandrötung Die ältesten Siedlungsspuren in Oberwinterthur zeigen und oft von der Hitze gesprengte Steine sind gegen 5000 Jahre alt: 1992 wurden an der enthalten, ist indes umstritten; vielleicht handelt Römerstr. 229 die unscheinbaren Reste eines es sich um Darren etwa für Getreide oder Obst. jungsteinzeitlichen Grubenhauses entdeckt. Es handelte sich um einen leicht in den Boden ein- Der Vicus Vitudurum Alltagsszene im römischen getieften Holzbau aus der Zeit um 3000-2800 Ein keltisches Grab, das 1934 beim Bau des Vicus Vitudurum (1./2. Jahr- v. Chr. Bedeutend besser bekannt sind die zeit- Lindbergschulhauses zum Vorschein kam, ist hundert). gleichen Siedlungen an den Seeufern, die soge- bisher der einzige Zeuge einer Besiedlung im Abbildung: Rekonstruktionszeich- nannten Pfahlbauten, wo sich dank günstiger frühen 1. Jahrhundert v. Chr. Rund 70 Jahre nung Bunter Hund, Atelier für Illust- Bedingungen nicht nur Keramik, Steingeräte später, um Christi Geburt, wurde im Bereich ration, Zürich Europäischer Tag des Denkmals 11

Am Nordostfuss des Kirchhü- gels wurden 2001 in der Flur Bätmur Rettungsgrabungen durchgeführt (Grabungsfläche rechts im Bild, an der Frauen- felderstrasse). Dabei kamen erstmals in Oberwinterthur Spuren der Siedlung des 7. bis 12. Jahrhunderts zum Vor- schein. Foto: Kantonsarchäologie Zürich

des Kirchhügels und längs der Römerstrasse lagen, die das Gebiet gegen feindliche Einfälle das römische Vitudurum gegründet. Soweit wir zu schützen hatten. aus den zahlreichen Ausgrabungen wissen, gibt es keine unmittelbar vorangehende keltische Vom römischen Vitudurum zum mittelal- Siedlung. Das römische Vitudurum, das zwar terlichen Oberwinterthur einen keltischen Namen besitzt, dürfte eine Abgesehen von den massiven Mauern des Kas- Neugründung gewesen sein. Es lag an einer tells sind aus spätrömischer Zeit (spätes 3. bis 5. wichtigen Verkehrsachse, der Hauptroute durch Jahrhundert) kaum bauliche Überreste vorhan- das Schweizerische Mittelland, die vom Genfer- den. Fundgegenstände und Gräber belegen aber, see über (Avenches) und dass die Siedlung kontinuierlich bis ins Mittel- () bis zum Bodensee nach Brigantium alter weiterexistiert hat. Ab dem 7. Jahrhundert (Bregenz) führte. verdichten sich die Quellen. An der Stelle der Bei der Siedlung handelt es sich um einen so- heutigen Dorfkirche wurde eine erste Kirche genannten Vicus, eine kleinstädtische Siedlung, erbaut, und in der Flur Bättmur am Nordfuss die für die umliegenden Gutshöfe ein Zentrum des Kirchhügels sind Spuren der Siedlung des bildete, wo verschiedenste Handwerker arbei- 7. bis 12. Jahrhunderts ausgegraben worden. Es teten, Waren eingekauft und die Produkte des handelt sich um Grubenhäuser, die v.a. als Web- Gutsbetriebes verkauft werden konnten. Ein keller dienten, sowie um ebenerdige Pfostenbau- Tempel auf dem Kirchhügel war das religiöse ten. Weitere Teile der mittelalterlichen Siedlung Zentrum. dürften sich längs der heutigen Römerstrasse Diese römischen Gesichtsper- Nach der Blütezeit im 1. und 2. Jahrhundert n. erstreckt haben, allerdings ist bisher nur gera- len aus farbigem Glas wurden Chr. muss die Siedlung in der Krisenzeit der 2. de ein Pfostenbau des 11./12. Jahrhunderts be- vermutlich aus Ägypten im- Hälfte des 3. Jahrhunderts deutlich an Bevöl- kannt. Bei den ältesten heute noch bestehenden portiert. kerung verloren haben. Im Jahr 294 wurde auf Häusern handelt es sich um Ständerbauten aus Foto: Kantonsarchäologie Zürich dem Kirchhügel ein Kastell erbaut. Es gehört Holz (vgl. Untere Hohlgasse 15), die in die Zeit (Martin Bachmann) zu einem ganzen System von Befestigungsan- um 1500 zurückgehen. Ein bemerkenswertes Schlaglicht auf die Ge- schichte von Oberwinterthur wirft die Bauent- wicklung der Kirche: Von 1000 bis um 1250 ist ein eigentlicher baulicher Wettstreit zwischen der Kirchen von Oberwinterthur und der heuti- gen Stadtkirche Winterthur zu beobachten. Dies lässt auch eine Konkurrenzsituation der beiden Siedlungen vermuten, die mit der Stadtwerdung um 1200 endgültig zu Gunsten von Winterthur entschieden wurde. 12 Europäischer Tag des Denkmals

Neue Ausgrabungen im römischen Ausgräber bei der Arbeit Oberwinterthur - Vitudurum (Ausgrabung Kastellweg). Foto: Kantonsarchäologie Zürich Verena Jauch, Kantonsarchäologie Zürich

eit Oktober 2006 werden auf einer diese Zeit ortsüblich mit Holzgebäuden oder Sgrossen Parzelle am Kastellweg Ret- mit Steingebäuden überbaut war. tungsgrabungen durchgeführt. Bevor die Baumaschinen auffahren, sollen sie Auf- Steingebäude sind rar schluss über die Bauentwicklung dieses Entgegen der Situation in anderen Vici - wie zum 8. September 2007 Quartiers des römischen Vitudurum ge- Beispiel in , Baden AG - sind 11.00 bis 17.00 Uhr ben. Spuren von Häusern aus Holz, die in Vitudurum über die Jahrhunderte Holzbau- Besichtigung Reste eines Steingebäudes, ein Sodbrun- ten errichtet worden. Andernorts wurde Holz Holz - Stein: nen sowie zahlreiche Gegenstände aus dem im späten 1. Jahrhundert als Baustoff vielfach Wie die Römer Häuser Alltag der damaligen Bewohnerinnen und von Stein abgelöst. In Oberwinterthur hingegen bauten Bewohner sind zum Vorschein gekommen. wurden nur wenige Gebäude in Stein errichtet, Besichtigung der aktu- vermutlich Bauten mit speziellen Funktionen. ellen Ausgrabung Neue Ausgrabungen – neue Erkenntnisse Diese sind zum Beispiel der Tempel und das Frühere Ausgrabungen in den Nachbarparzel- Badegebäude auf dem Kirchhügel, ein Lager- Ort: len der aktuellen Untersuchung am Kastellweg haus an der Römerstrasse 177a und eventuell Kastellweg (ehemals konnten uns bereits einige Hinweise geben über ein Gasthaus im Zentrum des Vicus. Am Kas- Kirchweg), auf der das Siedlungsbild in diesem Teil des Vicus. Dies tellweg konnte ein weiteres Steingebäude von Ausgrabung gestattete es, vor der Ausgrabung konkrete Fra- vermutlich ca. 16 m Länge und 10 m Breite frei- gestellungen zu formulieren, deren Beantwor- gelegt werden, das im mittleren 2. Jahrhundert Weiteres: tung Ziel der Untersuchung ist. Eine Kernfrage entstanden ist und bis ins 3. Jahrhundert mehr- für Kinder geeignet war, ob dieses Areal in der Römerzeit wie für fach umgebaut wurde. Über die Nutzung des Europäischer Tag des Denkmals 13

Gebäudes ist leider nichts bekannt.

Holz ist zeitlos Holz diente über die Jahrhunderte hinweg als wichtigstes Baumaterial. Am Kastellweg konn- ten wir gesamthaft drei Holzbauphasen des 1. bis 2. Jahrhunderts nachweisen. Sehr eindrück- lich sind die dicken Eichenstämme des 1. Jahr- hunderts. Wir hoffen mittels Dendrodaten den genauen Zeitpunkt der Errichtung der Pfosten- bauten zu erfahren. In einigen Gräben hat sich das Holz nicht mehr erhalten; einzig als dunk- lere Verfärbungen zeichnen sich Balkengräben oder kleine kreisrunde Löcher ab, die sich als Staketenreihe eines Wandgrabens deuten las- sen.

Latrinen zum ersten, zum zweiten, zum dritten Am Kastellweg konnten wir bisher drei hölzer- Holzverschalter Schacht aus ne Kästen freilegen, die als Latrinen- und Ab- dem 1. Jahrhundert n. Chr. fallgruben zu deuten sind. Eine Konstruktion (Ausgrabung Kastellweg). des 1. Jahrhundert n. Chr. aus vier Eckpfosten Foto: Kantonsarchäologie Zürich mit Seitenbohlen zeigt sehr schön eine römer- zeitliche WC-Spülung: Ein schmaler Kanal aus stehenden Brettern führte Wasser hangabwärts Bei der Ausgrabung am durch die Latrine hindurch. Für den Bau wur- Kastellweg wurde ein funkti- den hierbei allerdings keine frisch geschlage- onstüchtiger Sodbrunnen aus nen Hölzer verwendet, sondern Bauhölzer einer dem 3. Jahrhundert n. Chr. Bauphase um 43 n. Chr., die hier in den 70er entdeckt. Jahren des 1. Jahrhunderts recycelt wurden. Foto: Kantonsarchäologie Zürich Eine sehr schöne Kastenkonstruktion wohl aus Buchenholz stammt aus dem 2. Jahrhundert n. Chr. Neben dem charakteristischen Latrinenab- fall in Form von Obstkernen und Fruchtsteinen, konnten einige vollständig erhaltene Becher gefunden werden, die hier – wie auch immer – verloren gingen!

Brunnen des 3. Jahrhundert In der 2. Hälfte des 3. Jahrhunderts, einer Zeit, der wir kaum noch bauliche Reste zuweisen können, wurden zwei steinummantelte Brun- nen angelegt. Der zuletzt aufgedeckte Schacht war etwa 3,10 m tief mit einer lichten Weite von 0,9 m und einem Steinkranz von 1,6 m Durch- messer. Das Hangwasser füllte ihn automatisch mit Trinkwasser. In der schlammigen Füllung fanden sich nur wenige Speiseabfälle, dagegen die Knochen von einem Hund, einem Ochsen, fünf Pferden oder Maultieren sowie die sterbli- chen Überreste eines Neugeborenen. Weshalb und wie diese hier hereingekommen sind, ent- zieht sich unserer Kenntnis. 14 Europäischer Tag des Denkmals

Holz – wichtiger Rohstoff der Römer Verena Jauch, Kantonsarchäologie Zürich

olz spielte im Alltag der Römer eine Hgrosse Rolle. Als Brennholz, als Bau- material für Häuser und Transportmittel, für vielerlei Geräte und Gebrauchsgegen- Römischer Kamm aus Buchs- stände des Alltags. baumholz, Fundort Unteres Bühl in Oberwinterthur Holz erhält sich nur unter speziellen Lagerbe- Foto: Kantonsarchäologie Zürich dingungen: im feuchten Milieu unter Luftab- (Martin Bachmann) schluss, im trockenen Klima bei konstant gerin- ger Luftfeuchtigkeit, im verkohlten Zustand, in mineralisierter Form, im Salz oder in gefrore- nem Zustand. Aus diesem Grund ist die Anzahl römischer Fundstellen, bei denen Holz erhalten des Haselnussstrauches. Die Dächer wurden im geblieben ist, sehr eingeschränkt. In der Schweiz 1. Jahrhundert häufig mit grossen Schindeln aus gibt es nur drei römerzeitliche Fundstellen, wo Weisstanne oder mit Stroh oder Schilf gedeckt. bisher grössere Mengen an Holzgegenständen Später kamen vermehrt Ziegel auf. geborgen werden konnten. Diese sind das Le- gionslager Vindonissa, Windisch AG, sowie Alltagsgegenstände die beiden Kleinstädte Tasgetium, Eschenz TG, Aus dem Vicus Vitudurum sind verschiedene 8. September 2007 und Vitudurum, Oberwinterthur. hölzerne Gerätschaften des Alltags bekannt. 11.00 bis 17.00 Uhr Aus dem äusserst harten Buchsbaum wurden Werkstatt Dendrochronologie – Jahrringdatierung Behälter gedrechselt und die häufig zweireihi- Mit Schnitzmesser und Legt man auf einer archäologischen Ausgrabung gen Kämme geschnitzt. Letztere dienten nicht Klüpfel aus Holz gut erhaltenes Eichenholz frei, so eröffnet sich nur der Schönheit, sondern mit ihren feinen Werkstatt zum Mitt- die Möglichkeit, das Schlagdatum des Stammes Zahnreihen auch dem Auskämmen von Läusen. schnitzen für Gross und anhand der Jahrringe des Holzes zu bestimmen. Gefässe kennen wir auch aus Ulme, Ahorn und Klein Mit Hilfe der Schlagdaten verschiedener Hölzer Esche. Aus der Weisstanne und Fichte wurden lassen sich Baugeschichte und Siedlungsdauer bevorzugt die mit Wachs gefüllten Schreibtä- Ort: genau ermitteln. So wissen wir etwa, dass die felchen, aber auch grosse Weinfässer gefertigt. Kastellweg (ehemals Bäume für die ersten Häuser im Unteren Bühl Verschiedene Möbelteile sind aus Ahorn, Bu- Kirchweg), auf der (d.h. westlich des Kirchhügels) zwischen Som- che, Esche, Eiche oder Buchsbaum gedrechselt. Ausgrabung mer 7 n. Chr. und dem folgenden Winter gefällt Ganz speziell in ihrer Erhaltung sind die gros- wurden, der eigentliche Baubeginn dürften im sen Scheuerbürsten: Auf einem Brett aus Eiche Weiteres: Frühjahr 8 n. Chr. stattgefunden haben. Auch sind die Borsten aus Schwarzdorn in kleine für Kinder geeignet für die aktuelle Rettungsgrabung am Kastell- gebohrte Löcher getrieben. Geflochtene Körbe weg erhoffen wir uns aus dendrochronologi- kennen wir aus Hasel- oder Weidenruten. Diese schen Analysen exakte Daten. wurden nicht nur im Haushalt eingesetzt, son- dern auch in der Landwirtschaft als Bienenkör- Bauhölzer be, Fischreusen etc. Das in Oberwinterthur mit Abstand am häu- figsten verwendete Bauholz aus den umlie- Römisches Fass aus dem Un- genden Wäldern, ist das Eichenholz. Dieses teren Bühl in Oberwinterthur. ist witterungsbeständig und robust und somit Dauben und Bodenbretter ideal für die tragenden Balken von Gebäuden, aus Nadelholz, Fassreifen aus für Wände, Kanäle und Grubenverschalungen. Haselruten. Weitere Bauhölzer waren Rotbuche, Weisstan- Foto: Kantonsarchäologie Zürich ne oder Erle, seltener auch Kernobst, Esche, (Martin Bachmann) Pappel, Wacholder oder Föhre. Bei den im 1. Jahrhundert n. Chr. besonders beliebten Fach- werkwänden diente als Rutengeflecht das Holz Europäischer Tag des Denkmals 15

Römischer Schatzfund, Weidgräben und Heilbad Archäologie im Lindbergwald Christoph Renold, Kantonsarchäologie Zürich

war. Davon sind bisher allerdings keine Spuren bekannt, sicher besteht aber ein Zusammen- hang mit dem nahe gelegenen Vitudurum, dem römischen Oberwinterthur.

Spuren aus dem Mittelalter und der Neuzeit Der Flurname „Altenburg“ oberhalb des Lind- spitzes und ein Befestigungsgraben weisen auf eine Burgstelle hin. 1361 taucht eine gleichna- mige Hofsiedlung in den schriftlichen Quellen auf. Heute ist das Gebiet bewaldet. Von einer landwirtschaftlichen Nutzung des Lindbergs zeugen Flurnamen wie z.B. „Kühstelle“ und Grenzgräben. Die künstlich angelegten Wal- cheweiher weisen auf Textilproduktion, das Walken von Stoffen, hin. Im gleichen Zusam- menhang stehen die in der Nähe anzutreffen- den Flurnamen „Rosenberg“ und „Rosental“, die nichts mit einer Rose, sondern vielmehr mit Weid- und Grenzgraben an der er Lindberg birgt verschiedene Spu- der Aufbereitung von Flachs und Hanf zu tun ehemaligen Gemeindegrenze Dren aus früheren Zeiten. Der 1709 haben. Winterthur-Oberwinterthur. entdeckte römische Schatzfund zählt zu Foto: Kantonsarchäologie Zürich den ältesten noch greifbaren archäologi- Quellen mit Heilkraft (Christoph Renold) schen Entdeckungen im Kanton Zürich. 1471 wird erstmals ein „Wildbad“ am Lindberg Grenzgräben, Abbaustellen von Lehm urkundlich erwähnt. Noch im 16. Jahrhundert und Sandstein sowie Spuren abgegange- wurde bei der Quelle, die sich in der Nähe des ner Siedlungen zeugen von der einstigen heutigen Restaurants Goldenberg befand, geba- Nutzung des heutigen Waldgebietes. det. Eine Beschreibung des Anwesens von 1527 nennt einen umzäunten Hof mit drei Häusern Römischer Schatzfund und dem Bad, sowie Acker-, Weideland und Der beim Ausheben eines Weidgrabens ent- Reben. Sein Name „Lörlibad“ wurde auf die deckte Hort umfasst u.a. zwei Merkurstatuetten, städtische Badstube in Winterthur übertragen, Der römische Schatzfund aus mehrere Tierfigürchen, darunter Eber, Panther die aus Quellen am Lindberg gespeist wurde. dem Lindbergwald. und Stier, sowie Miniaturäxte. Es dürfte sich Wegen des angeblich heilkräftigen Wassers fi- Foto: Kantonsarchäologie Zürich um eine Weihegabe gehandelt haben, die viel- gurierte Winterthur im 18. Jahrhundert gar un- (Martin Bachmann) leicht bei einem Heiligtum deponiert worden ter den Badekurorten der Schweiz.

8. September 2007 14..00 Uhr Wanderung Oberwinterthur - Lindberg - Veltheim: Archäologie im Lindbergwald

Treffpunkt: Informationsstand

Weiteres: für Kinder geeignet, gutes Schuhwerk, Dauer ca. 3h 16 Europäischer Tag des Denkmals

Die reformierte Dorfkirche 8. September 2007 Dr. Renata Windler, Kantonsarchäologie Zürich 11.00 Uhr Führung Kirche St. Arbogast it ihren Wandmalereien des frühen Zahl zwölf und die griechischen Buchstaben M14. Jahrhunderts zählt die Dorfkir- Alpha und Omega, die auf eine Textstelle im Treffpunkt: che von Oberwinterthur zu den bedeu- Neuen Testament verweisen. Vor der Kirche, tendsten Sakralbauten der Nordostschweiz. Hohlandstrasse In markanter Lage auf dem Kirchhügel ist St. Arbogast und König Dagobert der Bau von weither zu erkennen. Ein ganzer Bilderzyklus ziert noch heute das Mittelschiff der Kirche. Zum einen sind Szenen Eine lange Baugeschichte aus dem Leben Christi und Heilige wiederge- Das erste Gotteshaus wurde im 7. Jahrhundert geben, zum anderen die Legende des Heiligen innerhalb des spätrömischen Kastells erbaut. Arbogast, Patron des Gotteshauses. Der wun- Die ältesten Teile der heutigen Kirche gehen in dertätige Arbogast, Bischof von Strassburg, hat die Zeit um 1000 zurück. Nach mehreren Er- der Legende nach den Sohn des Frankenkönigs weiterungen erhielt der Bau um die Mitte des Dagobert nach einem tödlichen Jagdunfall zu 13. Jahrhunderts im wesentlichen seine heutige neuem Leben erweckt. Die Bildergeschichte Gestalt. Das Schiff wurde zur dreischiffigen endet mit dem Begräbnis des Heiligen, über Basilika umgestaltet, der Chor und die Sakris- dessen Grab Wappenschilder lokaler Adelsge- tei neu erbaut. Der etwas früher errichtete Turm schlechter wiedergegeben sind. Diese Adeligen, hingegen blieb bestehen. namentlich die Herren von Hegi, waren die För- An der östlichen Innenwand des Chores sind die derer der Kirche von Oberwinterthur, die ihnen Öffnungen sogenannter Schalltöpfe zu erken- auch als standesgemässe Grabstätte diente. nen. Beim Chorneubau um 1250 waren Töpfe und Ofenkacheln eingemauert worden. Sie soll- ten akustischen Zwecken dienen, beinhalteten Oben: Begräbnis des Heiligen darüber hinaus eine vielschichtige symbolische Unten: Innenansicht der Kirche St. Arbogast, Arbogast. Wandmalerei des 14. Bedeutung. In ihrer Anordnung sind verschie- Oberwinterthur Jahrhunderts in der Dorfkir- dene christliche Symbole zu erkennen, wie das Foto: Kantonsarchäologie Zürich che von Oberwinterthur. Kreuz, die mit den Jüngern zu verbindende (Christoph Renold) Foto: Kantonsarchäologie Zürich Europäischer Tag des Denkmals 17

Mittagskonzert Klangdenkmäler des „Stylus phantasticus“ 8. September 2007, Rudolf Meyer, Organist 12.30 - 13.15 Uhr

Orgel: Rudolf Meyer enn dieser Styl ist die allerfreiste süddeutscher Usanz, ist Rede und Widerrede „Dund ungebundenste Setz-, Sing- aufs Schönste hervorzubringen. Allemal setzen Ort: und Spiel-Art, die man nur erdenken einem die vier Orgelteile Hauptwerk, Kontra- Reformierte Kirche kann. (...) Bald hurtig bald zögernd, bald positiv, Brustwerk und Pedal in Verwunderung St. Arbogast, Hohland- ein-, bald vierstimmig; bald auch auf kur- und evozieren die Hamburger Orgelszene um strasse tze Zeit nach dem Tact; ohne Klang-Mass- 1700. se; doch nicht ohne Absicht zu gefallken, zu übereilen und in Verwunderung zu Gemäss Dietrich Buxtehudes prägendem Bei- setzen.“ So beschrieb Bachs Hamburger spiel des Stylus phantasticus im „Te Deum lau- Zeitgenosse Johann Mattheson gewis- damus“ schuf in London Purcell seine verwun- sermassen das visualisierte, darstellende derliche, zweiteilige „Fantasy in G“. 200 Jahre Musikspiel. Präziser ist diese Praxis wohl später erinnert uns gar Max Regers Expressivi- kaum zu umschreiben. tät plus Buxtehude-Manier an Matthesons oben zitierte Aussage. Auffallend ist zu Beginn die Die Mathis-Orgel von 1981 wurde genau in virtuose Pedalbefussung. diesem Sinn in die frisch restaurierte St-Arbo- gastkirche hineinkomponiert unter der Leitung Ganz anders halten es die französischen Orgel- von Emil Heer und Edwin Nievergelt für das meister mit der „Fantaisie“! So Jehan Alain: Er Klangkonzept und für die äussere Erschei- bearbeitet fantasierend eine Invention, bleibt nungsweise durch den damaligen Denkmal- jedoch immer am Thema dran. Es wird auf pfleger, Prof. Dr. Albert Knöpfli, beraten. Der eine weite Reise geschickt, um wieder am intime Raum mit relativ wenig Nachhall ist im Ausgangsort anzukommen. Einflüsse von Erik Gegensatz zur Stadtkirche oder St. Peter und Satie oder Paul Dukas sind mitunter Teil des Paul besser geeignet für „geschwätzige“ Orgeln Phantastischen. Der eher scholastische Camille und deren entsprechende oft plötzliche Musik. Saint-Saëns begann seine Laufbahn als nor- In der seltenen Gegenüberstellung eines Or- maler diensthabender Organist zu St. Séverin gelteils, des Kontrapositivs gemäss katholischer und St. Merry. In seiner Zeit kam aber auch das „gesellschaftliche Récital d‘orgue“ auf. Dafür schrieb Saint-Saëns die zweiteilige erste „Fan- taisie in Es-Dur“. Raffiniert verweben sich mit Klangdenkmäler des „Stylus Phantasticus“ Doppler-Effekt drei Flötenebenen in liedhafter Schlichtheit. Danach folgt aber ein impetuö- „Gehöret vor Instrumente, und ist gar eine freye, von allem Zwanck ses Allegro con fuoco e maestoso mit neuem ausgenommene Art zu componiren“ (J.G. Walther 1732) Thema, das durch ein zweites eine fugatische Widerrede erhält. „Fantaisie“ ist hier wohl der Begriff für eine Klangarchitektur die dem übli- Dietrich Buxtehude (1637 – 1707), Fantasia sopra „Te Deum laudamus“: chen Sonatensatz widerspricht und sich eher im Praeludium, Te Deum laudamus, Pleni sunt coeli, Te martyrum, Tu Bereich des „moment musical“ bewegt. devicto Rudolf Meyer Henry Purcell (1659 – 1695), Fantasy in G-dur Seit 2001 freischaffender Orgelmusiker und Komponist. Max Reger (1873 – 1916), Toccata und Fuge a-moll aus op. 80 (1904) Zuvor seit 1976 Organist an der Stadtkirche und Leiter einer Berufs- und Konzertklasse Jehan Alain (1911 – 1940), Deuxième Fantaisie (1936) an der Musikhochschule Winterthur Zürich HMT. Vielerlei auswärtige Tätigkeiten. Das Camille Saint-Saëns (1835 – 1921), Première Fantaisie Es-dur (1857) darstellende Orgelspiel in Gottesdienst und Konzert hat in seinem Wirken eine besonde- re Bedeutung. 18 Europäischer Tag des Denkmals

Auf den Spuren der Geschichte in einem ehemaligen Bauernhaus - Bauernhäuser des 15. und 16. Jahrhunderts Roman Szostek und Dr. Renata Windler, Kantonsarchäologie Zürich

m Ortskern von Oberwinterthur stehen Imehrere ehemalige Bauernhäuser, die in Teilen noch ins 16. Jahrhundert, verein- zelt in die 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts zurückgehen. Beim Haus Obere Hohlgasse 15, das jüngst baugeschichtlich untersucht werden konnte, handelt es sich um einen Teil eines Vielzweckbauernhauses, einen Bautyp der im 15. Jahrhunderts erstmals fassbar wird.

Von den Einzelbauten zum Vielzweckbau- ernhaus – eine Entwicklung mit vielen Fragezeichen Das Vielzweckbauernhaus – in unserer Region stets Holz- oder Fachwerkbauten – fasst nahezu alle Funktionen eines bäuerlichen Betriebes un- ter einem Dach zusammen. Typisch ist die An- einanderreihung von Wohnteil, Tenn und Stall. Die Entwicklung, die zu diesem Haustyp führ- te, ist noch weitgehend unbekannt. Die Ausgra- bungen von ländlichen Siedlungen des 6. bis 10. Jahrhunderts lassen darauf schliessen, dass damals mehrere einzeln stehende Gebäude un- terschiedlicher Funktionen ein Gehöft bildeten. Die Häuser waren meist Pfostenbauten, d.h. die tragenden Elemente der Konstruktion waren in den Boden eingerammt. Dies hatte schwer- wiegende Nachteile: Die Pfosten faulten und mussten häufig ersetzt werden. Weshalb der Pfostenbau im Frühmittelalter so verbreitet war, ist unklar. Haltbarere Bauweisen wie der Stän- Jahrhunderts, welche noch heute einige Dörfer Der ins Jahr 1476 datierte derbau und der Blockbau waren längst bekannt. der Region wie Marthalen und Ossingen prä- Dachstuhl des Hauses Römer- Im Lauf des Hochmittelalters (ca. 950-1250) gen, handelt es sich um Ständerkonstruktionen. strasse 197 wurde 1995 abge- wurde der Pfostenbau durch andere Konstruk- brochen. tionstypen wie den Ständerbau vollständig Das Haus Obere Hohlgasse 15 Foto: Kantonsarchäologie Zürich verdrängt. Anstelle der eingerammten Pfosten Das im unteren Dorfteil von Oberwinterthur stehen hier die Ständer auf Schwellbalken, die gelegene Haus bildet den Wohnteil eines ehe- ihrerseits häufig auf Sockelmauern ruhen und maligen Vielzweckbauernhauses, an den einst damit von der Bodenfeuchtigkeit geschützt das schmalere Tenn und der Stall anschlossen. sind. Bei den ältesten in grossen Teilen erhal- Zum ursprünglichen Bau, der nach den dendro- tenen Holzbauten im Kanton Zürich, die in die chronologischen Untersuchungen ins Jahr 1510 1. Hälfte des 15. Jahrhunderts zurückgehen, zurückgeht, gehörte ein zweiraumtiefer Wohn- handelt es sich um solche Ständerbauten. Die- teil. Er war in Bohlenständerbauweise errichtet, ser Konstruktionstyp ist in Oberwinterthur u.a. die Wände bestanden aus Bohlen. Bereits 30 an der Häuserreihe Dorfstrasse 2-6 gut erkenn- Jahre später erfolgte die Erweiterung um eine bar. Auch bei den Riegelhäusern des 17. und 18. Raumtiefe gegen die Untere Hohlgasse hin. Europäischer Tag des Denkmals 19

Aus unbekannten Gründen ersetzte man um 1581 die Bohlen durch Fachwerk und zog in der Stube eine Balkendecke mit Zwischenboden ein. Im 17. oder 18. Jahrhundert erfolgte die Un- terteilung des Bauernhauses in drei Partien. Im Wohnteil wurde das hangseitige Drittel in einen Stall oder eine Scheune umgebaut. Ein für Win- terthur typisches Phänomen stellt der Umbau des späten 19. Jahrhunderts dar: Mit der Indus- trialisierung verlor die Landwirtschaft an Be- deutung, dafür stieg der Bedarf an Wohnraum. 1894 wurde der Ökonomieteil aufgegeben und das Bauernhaus in ein Mehrfamilienhaus mit vier Wohnungen und zwei Dachzimmern um- gebaut. Im 20. Jahrhundert erfolgten nur klei- nere Umbauten, wie Badzimmereinbauten und Küchenrenovationen.

Obere Hohlgass 15: Ansicht der Trennwand zwi- 8. September 2007 schen Wohnteil und ehema- 11.00, 14.00, 15.30 Uhr ligem Tenn. Die Grundkon- Führungen struktion stammt noch vom Auf den Spuren eines Bauernhauses Bohlenständerbau von 1510. von 1510 Um 1581 wurden die Bohlen durch ein Fachwerk mit Türe Treffpunkt: Informationsstand ersetzt. Anmeldung am Informationsstand Foto: Kantonsarchäologie Zürich erforderlich (ab 9.00 Uhr, limitierte Teilnehmerzahl).

Dendrochronologie – unverzichtbar für Archäologie und Bauforschung

Die Dendrochronologie beruht auf der Tat- sache, dass Bäume je nach Witterung unter- schiedlich breite Jahrringe ausbilden. Dies ergibt im Laufe der Jahre charakteristische Abfolgen. Durch das Aneinanderreihen solcher Abfolgen wird eine Standardkur- ve errechnet. Im Fall der Eiche, der für die Dendrochronologie geeignetsten Baumart, reicht diese Kurve heute bis ins 9. Jahrtau- send v.Chr. zurück. Für die Datierung eines Holzes wird auf der Standardkurve derjeni- ge Abschnitt gesucht, der mit dem Jahrring- muster der Probe am besten übereinstimmt. Ist an der Holzprobe die Rinde, der letzte Jahrring, noch vorhanden, kann der Zeit- punkt, zu dem der Baum gefällt wurde, auf das Jahr, ja sogar die Jahreszeit genau be- stimmt werden. 20 Europäischer Tag des Denkmals

In einem historischen Bauernhaus wohnen - 8. September 2007 ein Umbau an der Römerstrasse 11.00, 14.00, 15.30 Uhr Führungen Katrin Zehnder, Denkmalpflege Winterthur Bauernhaus an der Römerstrasse as Kleinbauernhaus mit barocker wurden nicht nur Korn, Fleisch und Trocken- DAusprägung hat seinen Ursprung be- früchte gelagert, sondern er diente damals auch Anmeldung am Infor- reits zu Beginn des 16. Jahrhunderts. Als als Archiv für wichtige Schriften, Geld und mationsstand erfor- Ökonomieteil des angebauten Wohnteils Kleider. Aus Gerichtsprotokollen geht hervor, derlich (ab 9.00 Uhr, Römerstrasse 210 bildete es mit diesem dass weit häufiger in die Speicher eingebrochen limitierte Teilnehmer- zusammen ein Bauernhaus von beachtli- wurde als in die Bauernhäuser. zahl). cher Grösse. Der Treffpunkt wird bei Durch Erbteilung oder Verkauf kam das Gross- der Anmeldung bekannt Bereits zur Zeit der Römer war Oberwinterthur bauernhaus im 18. Jahrhundert in den Besitz gegeben. ein Strassendorf mit Wohn- und Wirtschafts- zweier unterschiedlicher Familien. Der neue Ei- bauten in einer geschlossenen Zeilenbebauung gentümer des ehemaligen Wirtschaftsteils bau- beidseits der Strasse. Die heutige Römerstrasse te diesen zu einem Doppelbauernhaus um, wel- Heinrich Ehrensperger mit sei- verläuft direkt über dieser antiken Hauptstrasse. ches wahrscheinlich fortan von zwei Brüdern ner Mutter Anna Ehrensper- Es ist anzunehmen, dass damals auch im Be- mit ihren Familien bewohnt wurde. Die Stube ger-Buchegger vor dem Haus reich der Römerstrasse 208/210 eine Behausung ist nicht wie gewöhnlich der Strasse zugewandt, Römerstrasse 208. Aufnahme stand. Da es sich zu dieser Zeit jedoch um Holz- sondern befindet sich entlang der Rückfassade. ca. 1920 gebäude handelte, haben diese kaum Spuren Sowohl die südwestliche Hanglage als auch der Foto: Richard Ehrensperger hinterlassen.

Nach starkem Bevölkerungsrückgang im Früh- mittelalter erfuhr Oberwinterthur im 15. und 16. Jahrhundert eine grosse Wachstumsphase. Bei den damals 26 Haushaltungen handelte es sich um Lehenbauern des Domstiftes von Konstanz und des Klosters Reichenau. 1506 wurde am nordöstlichen Rand des mittel- alterlichen Dorfes das zweigeschossige Bauern- haus Römerstrasse 208/210 als Bohlenständer- bau errichtet. Obwohl die Liegenschaften heute als zwei aneinander gebaute Kleinbauernhäuser in Erscheinung treten, bildeten sie im Mittelal- ter noch eine Einheit. Während die Römerstras- se 210 bereits zu Beginn als Doppelwohnhaus konzipiert wurde, handelte es sich bei der Rö- merstrasse 208 ursprünglich um den dazugehö- rigen Ökonomieteil. Als Vorratsgebäude und regelrechte „Schatz- kammer“ errichtete man im Bereich des rück- wärtigen Gemüsegartens einen eingeschossigen Speicher mit Keller. Solche landwirtschaftlichen Kleinbauten standen jeweils in einer gewissen Entfernung zum Bauernhaus. Dadurch konnten bei einem allfälligen Hausbrand die wichtigen Vorräte gerettet werden, was nicht selten das Überleben der Familie sicherte. Im Speicher Europäischer Tag des Denkmals 21

und einem neuen, gassenseitigen Stallbau ver- kleinert.

Das Bauernhaus Römerstrasse 208 wurde im 20. Jahrhundert von der Familie Ehrensperger- Buchegger bewohnt. Im Jahr 2003 gab Richard Ehrensperger ein Buch mit gesammelten Ge- schichten seiner erlebnisreichen Kindheit in und um dieses Haus heraus. Die Zürcherstrasse um 1908 Foto: Winterthurer Bibliotheken, Die heutigen Eigentümer trafen beim Kauf Sondersammlungen im Jahr 2003 ein Haus an, welches noch einen grossen Teil der historischen Substanz aufwies. Begeistert von diesem Fundus war es ihnen wichtig bei einem Umbau des Gebäudes nur Massnahmen zu treffen, welche einen unge- schmälerten Fortbestand des Bestehenden ge- währleisteten. So entwickelten sie mit dem Architekten Urs Stube nach der Sanierung Standort an der Handelsgasse mögen zu dieser Huggenberger ein Umbaukonzept, welches ei- 2003 Raumanordnung geführt haben. Denn dadurch nen sorgfältigen Umgang mit dem historischen Foto: Urs Huggenberger war die Möglichkeit eines Handwerkerbetriebs Erbe vorsah. Der alte Wohnbereich wurde da- zur Gasse gegeben. bei sorgfältig restauriert. In der Art und Weise früherer Umbauten erstellte man die sanitären Die Archive geben wenig Auskunft über die Nutzungen als neuen Einbau im ehemaligen damaligen Eigentümer von Bauernhäusern. In Tenn. Im früheren Stall wird heute gekocht und den einzelnen Dörfern sind meist nur wenige, gegessen, darüber befindet sich ein geräumiges immer wieder vorkommende Namen vertreten. Badezimmer. Der weitere Scheunenbereich Genauer identifizierbar sind auf dem Land häu- dient nicht nur als Stauraum, Tummelplatz der fig nur höhere Amtsträger. Kinder und Werkstatt: Über dem Tenn steht Um 1850 nahmen in der Region Winterthur ers- heute auch eine kleine Sauna, welche das neue te Industriebetriebe ihre Arbeit auf. Teilweise Badezimmer zur individuellen Wellness-Oase verdienten die Bauern jetzt ihr Brot als Fabrik- ergänzt. arbeiter; der eigene Hof diente jedoch weiter- hin zur Selbstversorgung und als zusätzliche Dank dieser vorsichtigen Herangehensweise Einnahmequelle. und des Interesses der Eigentümer an der Ge- Die aufkommende Eisenbahn brachte aus dem schichte ihres Hauses, vereinigt das Bauern- Ausland schon bald billigeres Getreide. haus Römerstrasse 208 als Baudenkmal glück- Die Landwirte mussten sich neu orientieren und licherweise auch nach der Sanierung noch viele setzten ihre Hoffnungen in die Milchwirtschaft. verschiedene zeitliche Spuren in sich. Das Haus Teilweise seiner Nutzung entzogen, wurde strahlt heute in einer neuen Frische und erzählt Mitte des 19. Jahrhunderts der Scheunenraum dem aufmerksamen Betrachter vieles aus frü- durch den Einbau von zusätzlichen Kammern heren Zeiten.

Speicher im Bereich des Ge- Trotz fehlender Unterlagen zu den früheren müsegartens Bewohnern des Gebäudes widerspiegeln die Foto: Archiv Denkmalpflege Win- Anwendung von bestimmten Bautechniken, terthur Vernachlässigungen in wirtschaftlich schlech- ten Zeiten sowie Veränderungen im jeweiligen Zeitgeschmack sowohl finanzielle als auch so- ziale Zustände. Dies sind denkmalpflegerisch wichtige Spuren und können entscheidende Hinweise über die Lebensumstände in den ver- gangenen Jahrhunderten liefern. 22 Europäischer Tag des Denkmals

8. September 2007 11.00, 14.00, 15.30 Uhr Führungen Hohlandhaus

Anmeldung am Infor- mationsstand erfor- derlich (ab 9.00 Uhr, limitierte Teilnehmer- zahl). Der Treffpunkt wird bei der Anmeldung bekannt gegeben.

Hohlandhaus, Bleistiftzeich- nung von Jakob Friedrich Welti (1871 - 1954) vom 16.3.1890 Foto: Winterthurer Bibliotheken, Sondersammlungen

Hohlandhaus Dr. Daniel Schneller, Denkmalpfleger Winterthur

emeinsam mit der Kirche St. Ar- Von hier aus wurde die Bewirtschaftung der Gbogast prägt das Hohlandhaus die Güter des Klosters in Oberwinterthur geleitet „Skyline“ Oberwinterthurs. Beide stehen und überwacht Nach der Reformation, als das auf dem ehemaligen römischen Kastellhü- Besitztum des Klosters aufgelöst wurde, höhlte gel über der Schwemmebene der Eulach. man das Haus um 1530 teilweise aus und führte Alte Ansichten Oberwinterthurs zeigen oft eine neue Geschossgliederung ein. Aus dieser den Blick vom Fusse des Kastellhügels auf Zeit hat sich unter anderem der Dachstuhl erhal- die Kirche und das burgähnliche Haus. ten. Ob das Haus bereits damals Wohnsitz des Isometrie zur ersten Bauphase, neuen reformierten Pfarrers war, ist nicht belegt, um 1117 Die Geschichte des Hohlandhauses geht bis ins aber denkbar. Belegt ist dagegen die Nutzung frühe 12. Jahrhundert zurück. Damals wurde als Pfarrhaus in der Zeit vor 1754. Danach dien- auf der ehemaligen römischen Kastellmauer ein te es als Bauernhaus. Im Zuge der Wohnungsnot Steinbau mit zwei oder drei Geschossen erbaut. in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts 1898 Es könnte sich um einen Speicherbau gehandelt erfolgte die Umnutzung als Mehrfamilienhaus. haben, der vielleicht Teil eines Meierhofes ge- 1918 erwarb die Gemeinde Oberwinterthur das wesen ist. Das Mauerwerk dieses Urbaus hat Haus. Als diese 1922 in die Stadt Winterthur sich im Keller und im Erdgeschoss des heutigen eingegliedert wurde, übernahm die Stadt das Hauses erhalten. Es handelt sich dabei um ein Gebäude in ihren Besitz. 1985 bis 1987 wurde sorgfältig gemauertes sogenanntes „opus spi- das Hohlandhaus umfassend anlaysiert, doku- catum“. Im 14. Jahrhundert wurde der Urbau mentiert und renoviert. Einem ersten Projekt, zu einem Wohnbau erweitert. Das Wappen des das eine vollständige Auskernung vorsah, setz- Isometrie zur zweiten Baupha- Klosters Petershausen bei Konstanz, das im In- te sich der Heimatschutz entgegen. Das ausge- se, mittleres 15. Jahrhundert neren bei den Restaurierungsarbeiten von 1985 führte Renovationsprojekt von Architekt Peter Abbildungen: Heinz Pantli, Das Hoh- bis 1987 gefunden wurde, bestätigt die Funk- Spoerli respektiert die Geschichte des Hauses, landhaus in Oberwinterthur, Jahr- tion des Hohlandhauses als Verwaltungssitz. das heute als Mehrfamilienwohnhaus dient. buch für Hausforschung, Bd. 45 Europäischer Tag des Denkmals 23

Die Villa Kälin - oder Joseph Kälin schafft sich eine „Quelle des Glücks und des Komforts“ Dr. Daniel Schneller, Denkmalpfleger Winterthur

«A home is the source of happines Erst 1917, gegen Ende des Ersten Weltkriegs, and comfort.» beginnt Joseph Kälin mit der Planung seines Wohnhauses. Bis dahin wohnte Joseph Kälin Motto im englischen Fabrikprospekt des in einer Wohnung an der Wartstrasse 58 in Hobel- und Spaltwerks J. Kälin, um 1920 Winterthur. Mit Rittmeyer und Furrer wählt er für seinen Hausbau ein Architekturbüro, das seinem Bedürfnis nach Intimität, Harmonie oseph Kälin war ein erfolgreicher Ge- und Ästhetik in der Gestaltung von Innenräu- Jschäftsmann mit grossem Kunstsinn men entgegenkommt. Aussen ist das Haus eher und hohen ästhetischen Ansprüchen. Das schlicht gehalten, die ganze gestalterische Kraft wird sofort klar, wenn man die gut erhal- wird auf das Innere gelegt. Am 26. Juni 1917 tenen Räume des Wohnhauses am Hobel- schreibt Robert Rittmeyer an Joseph Kälin: werkweg besichtigt: die Begeisterung für „Wir (…) teilen Ihnen mit, dass wir unverzüglich historisches Kunsthandwerk offenbart mit der Ausarbeitung der Baupläne nach der Entwurf des Leuchters für das sich in den alten barocken Kachelöfen und letzten Skizze begonnen haben.“ Einige der Un- Heimatstilzimmer der Villa die Liebe zum Holz spiegelt sich in den ternehmer, die am Bau der Villa beteiligt sind, Kälin, von Chr. Schmidt, da- kunstvollen Täferungen und Parkettbö- stammen aus Oberwinterthur. Die Rechnun- tiert 15. November 1919 (vgl. den. Kunstvoll ausgestattete Räume findet gen geben einen Überblick über die damalige auch Foto Nr. 2 auf Seite 24) man im Kälinschen Wohnhaus nicht nur Industrie- und Handwerkerkultur des Dorfes: Abbildung: Archiv Denkmalpflege im Erdgeschoss sondern im ganzen Haus Maurermeister Augusto Antoniazzi, die Dach- bis unter das Dach. pappen- und Holzcementfabrik R. Schweizer- Gelzer, Fuhrhalter August Kellermüller, Huf- Joseph Kälin hatte 1898 in Islikon (TG) das Ho- und Wagenschmied Jonas Vetterli sowie dessen belwerk Schwarzwald + Kälin gegründet. Nach Konkurrent Huf- und Wagenschmied Hermann einem Brand entschloss er sich zu einer Neu- Bucher und das Zimmereigeschäft Trindler & anlage in Oberwinterthur mit direktem Gleisan- Zehnder aus Hegi sind am Bau beteiligt. Bild- schluss. Ganz im Geist der alten Fabrikherren hauer Fritz Liechti aus Winterthur schuf das Fa- erbaute Joseph Kälin sein Direktorenwohnhaus milienwappen Kälin-Kaiser an der Ostfassade. 8. September 2007 unmittelbar neben dem Hobelwerk, obwohl es Gleichzeitig mit dem Bau des Hauses beschäf- 11.00, 14.00, 15.30 Uhr die Fabrikdirektoren in der Zeit um 1900 vor- tigt sich Joseph Kälin auch schon mit dessen Führungen zogen ins Grüne zu ziehen und ihre Villen an Inneneinrichtung. Die Ausstattung der Räume Villa Kälin die Hänge des Goldenbergs oder Eschenbergs soll eine Einheit mit der Möblierung bilden. Er verlegten. gibt Möbel in Auftrag, lässt sich Entwürfe von Anmeldung am Infor- mationsstand erfor- derlich (ab 9.00 Uhr, limitierte Teilnehmer- zahl). Der Treffpunkt wird bei der Anmeldung bekannt gegeben.

Flugaufnahme des Hobel- werks und der Villa Kälin um 1925 Foto: Winterthurer Bibliotheken, Sondersammlungen 24 Europäischer Tag des Denkmals

Leuchten schicken und bestellt schliesslich für das Wohnzimmer einen persischen Teppich in St. Gallen.

Einige der Räume im ersten Obergeschoss und im Dachgeschoss lässt Joseph Kälin mit einem Täfer ausstatten, das er selbst entwickelt hat und mit seiner Fabrik produziert und vertreibt. Die Räume sollen Musterräume werden und zeigen, wie behaglich die Raumatmosphäre wird. Spä- ter finden Fotos dieser Räume in seinem engli- schen Firmenprospekt Verwendung. Die Täfer sind patentiert und tragen die Namen „Ronda“ Aussen- und Innenansichten und „Swit“. Das Rondatäfer stellt eine Alter- der im Reformstil erbauten native zum damals üblichen „Krallentäfer“ dar. Villa Kälin, kurz nach Bauvoll- Die Deckleiste besteht aus zwei nebeneinander endung um 1920. liegenden Halbrundstäben, die direkt am Täfer- brett befestigt sind. Auf diese Weise ist die Fuge, Von oben nach unten: die beim Zusammensetzen der Täferbretter ent- Eingangsbereich mit Treppen- steht, im gleichen Arbeitsgang bereits verdeckt. haus (1), Joseph Kälin weist in seinem Firmenprospekt Heimatstilzimmer im Dachge- darauf hin, dass das Täfer vielseitig verwendet schoss (2+3), werden könne: in Villen für Treppenhäuser Aussenansicht mit dem von und Schlafzimmer, in Arbeiterhäusern, Büros, Rittmeyer und Furrer gestalte- Schulräumen, Bahnhöfen usw. Es entstehe mit ten Garten (4). einfachen Mitteln eine behagliche Atmosphäre. Die aufwendigen Täferungen im Erdgeschoss Im zweiten Bild von oben (Hei- mit Furnieren fertigt Schreiner Inderbitzin aus matstilzimmer) ist der Leuch- Schwyz an. ter von Chr. Schmidt (vgl. Foto S. 23 oben) über dem Esstisch Joseph Kälin legt Wert auf modernste techni- ersichtlich. sche Installationen. Im Badzimmer seines Hau- ses wird warmes Wasser und ein Sprudelbad Fotos: aus englischem Fabrik- eingebaut. Die Einrichtung der Warmwasseran- prospekt des Hobel- und Spalt- lage nimmt das „Installationsgeschäft der Stadt werks J. Kälin Winterthur“ vor. Allerdings nicht ganz zur Zu- friedenheit des Hausherrn wie aus einem Brief vom 8. März 1919 hervorgeht: „Gestern abend erlebten wir eine arge Enttäuschung. Nachdem die Putzerei beendigt, wollten wir zum ersten Mal das Bad benutzen. Meine Frau begann 20 Minuten nach 5 Uhr mit dem Feuern im Koch- herd. Da ich längeres Heizen voraussetzte, bis einmal alles erwärmt, begab ich mich in die Stadt und kehrte nach 7 Uhr zurück. Da noch kein warmes Wasser vorhanden war, giengen [sic!] wir zum Nachtessen. Es wurde weiter ge- feuert bis 10 Minuten vor 9 Uhr – Es kam zuerst kaltes Wasser, dann ca. 2 Liter warmes, dann wieder kaltes oder kaum laues. – Auf das Baden m u s s t e v e r z i c h t e t w e r d e n. Meine Frau behauptet, je länger gefeuert wurde, desto weniger Temperatur habe das Wasser am Aus- laufe gehabt.“ Europäischer Tag des Denkmals 25

Joseph Kälin war ein Kunstliebhaber und von frs. 620.—. Abbruch zu Lasten des Käufers. Sammler. Noch vor wenigen Jahren war das Jak. Kutter. Steckborn, 10.X.1918.“ Leider lässt Haus mit wertvollen alten Möbeln und Bildern sich nicht eruieren, um welchen der fünf Öfen ausgestattet, die wohl zu einem grossen Teil es sich dabei handelte. noch aus dem Besitz des Erbauers stammten. Eine gewisse Vorliebe scheint die Familie Kä- Vor vier Jahren wurde das Wohnhaus mit dem lin für den Barock gehabt zu haben, möglicher- umliegenden Land verkauft. Die neue Eigen- weise weil sie aus der katholischen Ostschweiz tümerin projektierte auf dem Grundstück eine stammt. Nicht weniger als fünf barocke Kachel- Überbauung mit Mehrfamilienhäusern. Die öfen liess Joseph Kälin in seinem Haus einbau- Villa Kälin sollte abgebrochen werden. Der en. Den Ofen im Wohnzimmer kaufte Joseph Stadtrat stellte die Villa unter Schutz, nachdem Kälin im Juni 1918 von Hermann Denzler in er geprüft hatte, ob sich die Überbauung auch Zürich, dessen Sohn Hafner war, für 1250.- SFr. realisieren liesse, wenn das Wohnhaus Kälin Woher der Ofen stammt, geht aus den erhalte- erhalten bliebe. Auf diese Weise konnten Ent- nen Verkaufsnotizen nicht hervor. Für einen schädigungszahlungen umgangen werden. Für weiteren Ofen hat sich bei den Bauakten eine die Villa wird heute ein neuer Besitzer gesucht Das Swittäfer war ein Erfolgs- kurze handgeschriebene Notiz erhalten: „J. Kä- (Interessenten wenden sich an die Zani Gene- produkt des Hobelwerks Kälin lin kauft heute vom Konsumverein Steckborn ralbau AG, Winterthur). Foto: aus Fabrikprospekt des einen antiken Ofen wie besichtigt zum Preise Hobel- und Spaltwerks J. Kälin um 1925 Schlusskonzert - Lieder aus dem frühen 20. Jahrhundert in der Villa Kälin

Lily Scheck Gabriel Fauré Les Roses d’Isphahan (Leconte de Lisle) Lily Scheck studierte am Konservatorium (1845-1924) Ici-bas (Sully Prudhomme) und an der Musikhochschule Zürich bei Urs Green (Paul Verlaine) Voegelin Klavier und bei André Eichenber- ger Fagott. 1990 schloss sie ihre Studien mit Darius Milhaud Catalogue de Fleurs (Lucien Daudet) dem Diplom der Konzertreife für Liedinter- (1892-1974) I. La Violette pretation ab. Als Solistin, Kammermusik- II. Le Bégonia partnerin, Liedbegleiterin und Orchestermu- III. Les Fritillaires sikerin ist sie im In- und Ausland zu hören. IV. Les Jacinthes V. Les Crocus Ulrike Clausen VI. Le Brachycome Nach Studien der Schulmusik an der PH VII. L’Eremurus Weingarten und der Musik- und Theaterwis- senschaft an der LMU München widmete Othmar Schoeck Aus «Drei Lieder aus dem Buch der sich Ulrike Clausen dem Gesangsstudium (1886-1957) Betrachtungen» (Johann Wolfgang von Goethe): am Richard-Strauss-Konservatorium Mün- Unmut chen und schloß dieses 1994 mit Diplomen im Konzert- und Opernfach sowie in Ge- Enrique Granados aus „Tonadillas“ (F. Perriquet) sangspädagogik ab. (1867-1916) Callejeo Neben ihrer Konzerttätigkeit, die sie u. a. ins El majo discreto Festspielhaus Luzern und das Sydney Opera El majo timido House führten, arbeitet sie als Altistin beim La maja dolorosa RSI Lugano. El tra la la y el punteado Schlusskonzert Gabriel Fauré Rêve d’Amour (Victor Hugo) 8. September 2007, 17.00 - 18.00 Uhr (1845-1924) Au bord de l’eau (Sully Prudhomme) Clair de Lune (Paul Verlaine) Ort: Villa Kälin, Hobelwerkweg 9 26 Europäischer Tag des Denkmals

Schulhaus Lindberg: Neues Bauen trifft Reformpädagogik Reto Bieli, Denkmalpflege Winterthur

8. September 2007 11.00, 14.00, 15.30 Uhr Führungen Schulhaus Lindberg - Neues Bauen

Treffpunkt: Vor dem Haupteingang Bäumlistrasse 39

Das Schulhaus Lindberg nach Fertigstellung der ersten Baue- tappe, um 1935 Foto: Winterthurer Bibliotheken, Sondersammlungen (H. Linck) er Schulhausneubau in Oberwin- lung der Schülerzahl zwischen 1927 und 1934. Dterthur von 1934/35 verkörpert Die Behörden beschlossen 1931 in Anbetracht in eigenständiger Weise die Ideale des der Raumnot einen Wettbewerb für ein Sekun- Schulhausbaus im Spannungsfeld von Re- darschulhaus mit Turnhalle auf dem bereits präsentationsarchitektur und Schulpavil- erworbenen Grundstück auszuloben. Aus 44 lon und kann als Bauwerk von hoher Be- eingereichten Entwürfen konnte die Jury um deutung gewürdigt werden. 1932 das Projekt von Hans Hohloch, Winterthur, Klassische Details: Fenster- unter Mitarbeit von R. Schmassmann einstim- griff eines EG-Fensters Baugeschichte mig küren. Für die Realisierung bewilligte das Foto: Denkmalpflege Stadt Winter- Die ersten Studien für einen neuen Schulhaus- Stimmvolk ca. eine Million Franken und der thur bau in Oberwinterthur gehen zurück bis ins Kanton seinerseits beteiligte sich mit einer hal- Jahr 1913, als die damals noch selbständige ben Million. Das Projekt wurde im Verlaufe der Gemeinde Oberwinterthur grösseren Bedarf an Planung aus Spargründen redimensioniert und Schulraum auswies. 1914 kaufte sie ein Grund- um zwei Klassenzimmer verkleinert. Wenige stück am Lindberg und liess durch das Büro Jahre später - 1946/47 - erfuhr das Schulhaus Rittmeyer & Furrer ein Schulhausprojekt ent- dann aber eine Erweiterung um einen Klas- werfen. Kriegsbedingt musste die Realisierung sentrakt mit sieben Zimmern. Hans Hohloch aufgeschoben werden. konnte diesen Anbau planen und ausführen. Mit der Eingemeindung 1922 wurde die Idee Auch für die tiefgreifenden Umbauarbeiten von einer neuen Schulanlage wieder aufgenommen. 1974/75 wurde er beigezogen. Der Staat versah das Projekt jedoch nicht mit Dringlichkeit, denn die Schülerzahl nahm ab Entwurfsidee der Schulanlage und ein Neubau rückte in weite Ferne. Einzig Die Anliegen der Reformpädagogik waren das alte Schulhaus in Oberwinterthur wurde beim Kauf des Grundstückes 1914 nicht formu- umgebaut. Mit der wirtschaftlichen Konjunk- liert. Trotzdem passte die Lage der Parzelle sehr tur in den 1920-er Jahren entstanden in der gut zu den Paradigmen der neuen Unterrichts- Zwischenkriegszeit eine ganze Reihe von neu- gestaltung der Dreissigerjahre: Der hangbe- en Quartieren wie Stadtrain, Talwiesenstrasse dingte, räumliche Bezug des Grundstücke zur und Hegifeld. Dies führte zu einer Verdoppe- Landschaft, die Nähe zur Natur und die Exposi- Europäischer Tag des Denkmals 27

tion zur Sonne waren ideal. Reformpädagogik: Das Kind im Zentrum Im Wettbewerbsprojekt von 1932 überzeugte In den 1920er und 1930er Jahren standen die der Architekt Hans Hohloch nicht nur durch neuen Ideen des Schulhausbaues im Mittelpunkt qualitätsvolle Grundrissorganisation und In- einer breiten Diskussion, an der sich neben den nenraumgestaltung, sondern vor allem durch Schulreformern vor allem die Architekten des die Bewältigung der Hangsituation. Die Kunst Neuen Bauens mit grossem Engagement betei- der Massengliederung - ein zentrales Anliegen, ligten. Manch ein Schulhauswettbewerb wurde Detailaufnahmen des Kinder- das sich in der Architekturgeschichte durch zum Gegenstand heftiger Auseinandersetzung gartens nach der Renovation alle Epochen hindurchzieht - war beim Wettbe- zwischen den Modernen und den Traditiona- 2006. werbsbeitrag von Hohloch präzis und räumlich listen. Für viele moderne Architekten war die Fotos: Denkmalpflege Winterthur gelöst. Obwohl der Entwurf nicht dem reform- Vorstellung neuer pädagogischer Prinzipien pädagogischen Idealtypus der „Freiluftschule“ und deren Auswirkungen auf die architektoni- im Sinne des eingeschossigen Pavillon ent- sche Gestaltung massgebend. Sie warfen dem sprach, entstand im Gegensatz auch kein histo- auf Repräsentation angelegten historistischen ristisch-repräsentativer „Schultempel“. Schulhausbau des 19. Jahrhunderts Unmass- stäblichkeit vor. Repräsentation widerspreche Das Lesbarmachen der inneren Funktionen dem kindlichen Massstab und nehme das Kind in Form von drei wohlgestalteten und präzis nicht als Einzelpersönlichkeit wahr. Verurteilt gefügten Baukuben und die äussere Formkon- wurde insbesondere der alte Schulpalast mit trolle sind wichtige Qualitäten, die Hohloch in seinen Einschüchterungsgebärden. Dagegen Vertikale Schiebewandtafel in seinem Entwurf darstellte. Den drei ablesbaren brachten städtebaulich ausgerichtete Architek- einem der Schulzimmer Hauptkörpern des Wettbewerbsprojektes sind ten vor, dass die Wahrung der Objektpräsenz Foto: M. Bellwald Klassentrakt, Turnhalle und Sing-/Zeichensaal im Stadtraum durch die traditionellen Architek- zugeordnet. Besondere Sorgfalt richtete der Ar- tur- und Städtebauprinzipien viel mehr gewahrt chitekt auf die Hauptfassaden. Diese sind, be- sei, als durch Pavillonbauten. dingt durch die von weit her einsehbare Lage, Architekten, die sich dem Neue Bauen verpflich- auf Weitsicht und Detail gestaltet. teten, anerkannten beide Anliegen: Kindlicher Die Schulräume weisen eine Ausrichtung ge- Massstab und städtebauliche Präsenz. Sie ver- Projektplan des Architekturbü- gen Südosten auf, einzig der Zeichensaal erhält suchten, wie im Schulhaus Lindberg, eine Ver- ros Hans Hohloch von 1934 Nordwestlicht. Die Unterrichtszimmer haben einigung der funktionalen und städtebaulichen Foto: Winterthurer Bibliotheken, eine fast quadratische Grundform, die die freie Aspekte zu erreichen. Zum „Befreiten Wohnen“ Sondersammlungen Anordnung des Mobiliars möglich macht. gesellte sich das „Befreite Lernen“. Europäischer Tag des Denkmals

Oberwinterthur, St. Arbogast, Fresken an der nördlichen Wand des Mittelschiffs. Oberes Foto: Kantonsarchäologie Zürich Register: Heiligendarstellungen. Unteres Register: Leben des hl. Arbogast.

Oberwinterthur, St. Arbogast, Ausschnitt aus dem Freskenzyklus an der südlichen Wand Foto: Kantonsarchäologie Zürich des Mittelschiffs: Passion Christi.