ZOBODAT - www.zobodat.at

Zoologisch-Botanische Datenbank/Zoological-Botanical Database

Digitale Literatur/Digital Literature

Zeitschrift/Journal: ÖKO.L Zeitschrift für Ökologie, Natur- und Umweltschutz

Jahr/Year: 2019

Band/Volume: 2019_01

Autor(en)/Author(s): Esterbauer Hans

Artikel/Article: Die Östliche Ringelnatter Natrix natrix natrix (Linnaeus 1758) 17-29 HERPETOLOGIE ÖKO·L 41/1 (2019): 17-29

Konsulent Die Östliche Ringelnatter Hans ESTERBAUER Natrix natrix natrix Joh.-Puch-Str. 27/III/5 A-4400 Steyr (Linnaeus 1758) [email protected]

Abb. 1: Die Östliche Ringelnatter, Natrix natrix natrix (Linnaeus 1758), ist die häufigste Schlange in Österreich. Foto: Hans Esterbauer

Einst stand sie im Ruf, Glück und Segen zu bringen und die kleinen Kinder saugen dieselben dermassen, dass sowie das Vieh zu beschützen das bluot hernach geht. Sie söllen auch offtermals dem schlaffenden in Die Ringelnatter (Natrix natrix) galt früher als Glücksbringerin für Haus mund hineyn schlieffen / aber bey jm und Hof. Ihr wurde die Fähigkeit zugesprochen, Krankheiten aus dem Stall / so er den dampff von heisser milch fernzuhalten und so für die Milchproduktion zu sorgen (Abb. 1). Sie gehört empfacht / nit bleyben.“ zur Unterfamilie Natricinae, Wassernattern, aus der Familie der , der Echten Nattern, die mit mehr als 1.700 Arten rund zwei Drittel der heute 1758 wurde die Ringelnatter von lebenden Schlangenarten ausmachen. Carl von Linnè beschrieben und mit Einführung der binominalen Nomen- Auf die Ringelnatter wurde bereits nit so dick als bey uns die schwartzen klatur erstmals mit einem zweiteiligen vom Schweizer Arzt, Naturforscher, natern oder schlangen. Ihr hals ist wissenschaftlichen (binären) Namen Altphilologen, Humanist, Polyhistor mit bleichen macklen als mit einem versehen. Demzufolge setzt sich der (Universalgelehrter) und Enzyklopä- halsband umgeben / die gehen aber Artname zusammen aus dem Namen dist Conrad Gesner (1587) in seinem nit gar zusammen. Ire zän sind gar der Gattung, und dem „Artzusatz“. Werk „Historia animalium“ hingewie- klein und unscheynbar. Ich hab eine Allerdings platzierte er die Ringelnat- sen. In der deutschen Übersetzung gesehen / die was drey spannen unnd ter als „Coluber natrix“ in die Gattung von De Serpentibus (Brehm 1913) liest vier zwerch finger lang. Der bauch ist Coluber, in die der schwedische Natur- sich das so: „Es wirt allhie bey uns gegen der brust weiß / hinab gegen forscher die meisten Schlangen stell- ein ander geschlecht der schlangen dem weidloch schwartzlecht. Die te, die er kannte. 1768 benannte sie in wassern gefunden / gar schwartz flecken an den seyten schwartz / der der österreichische Arzt und Naturfor- / so oftermals über den katzensee rugken braun oder eschenfarb / der scher Josephus Nicolaus Laurenti in (Anmerkung: ein Kleinsee bei Zürich) kopff breit und flach / bey uns heißt „Natrix vulgaris“ um. Zeitweilig wurde hinüberschwimmen / sind mehrtheils sie Nater/hecknater oder ringelnater. sie auch in die Gattung Tropidonotus äschenfarb oder braun / kommen zuo Im Niderland Schnack. Sie kommen gestellt (Hecht 1930). Schließlich einer mächtigen lenge / werden doch zu zeyten den kuyen an die eüter und setzte sich die von dem an der Smith-

ÖKO·L 41/1 (2019) 17 Abb. 2: Die Ringelnatter taucht und schwimmt gut. Beim Schwimmen hält sie den Kopf über die Wasseroberfläche und bewegt sich durch undulierende (wellenförmige) Körperbewegungen fort. Foto: Gerald Kapfer

Abb. 3: Der Trivialname der Ringelnattern soll sich auf die im Abb. 4: Eine weitere Erklärung für den Trivialnamen „Ringelnatter“ Nackenbereich befindlichen zwei gelben, bei adulten Nattern eher ist ihre Fähigkeit sich stark einzuringeln. weißlichen Flecken, die sogenannten Mondflecken, beziehen. Foto: Hans Esterbauer Foto: Hans Esterbauer sonian Institution in Washington DC Beispiel Ufernähe von Seen sowie kanten gelben oder weißen Halb- wirkenden Herpetologen Leonhard Teichen, Tümpeln und Bächen nutzt mond-Nackenflecke gebildet wird. Hess Stejneger (1936) verwendete (Abb. 2). Die Fähigkeit des Reptils, sich sehr Bezeichnung Natrix natrix durch. stark einzuringeln (Abb. 4), könnte eine weitere Erklärungsmöglichkeit Der heute gültige wissenschaftliche Etymologie darstellen. (Völkl u. Völkl 1996) Gattungs- und Artname natrix = Der Trivialname „Ringelnatter“ soll Schwimmerin weist darauf hin, Unterarten dass sie bevorzugt als Lebensraum sich auf den „Halsring“ beziehen die Nähe von Gewässern, wie zum (Abb. 3), der durch die beiden mar- Derzeit werden drei Unterarten der Ringelnatter unterschieden. Neben der Nominatform, Natrix natrix natrix (Linnaeus 1758), die den größten Teil des Areals einnimmt (Abb. 5), sind dies die endemisch auf Zypern lebende Zypern-Ringelnatter, Natrix natrix cypriaca (Hecht 1930), die in der Slowakei, Bulgarien, Griechenland (Lesbos, Rhodos), Türkei, Nordiran, Syrien, Kroatien usw. vorkommende Streifenringelnatter, Natrix natrix persa (Pallas 1814) sowie die in Russland, Weißrussland, Ukraine (inkl. Halbinsel Krim) und West- kaukasus vorkommende Russische Ringelnatter, Natrix natrix scutata (Pallas 1771). Abb. 5: Derzeit werden neben der Nominatform Natrix natrix natrix noch zwei weitere Unterarten unterschieden. Der systematische Status des Ringelnattern-Komplexes ist Anhand phänotypischer Merkmale aber teilweise umstritten. Foto: Hans Esterbauer wurden zunächst 14 Unterarten von

18 ÖKO·L 41/1 (2019) Abb. 6: Verbreitung der Ringelnatter, Natrix natrix natrix (Linnaeus 1758), in Österreich. Aus Cabela u. a. 2001, Umweltbundesamt Wien

N. natrix beschrieben, von denen aber nur die drei angeführten durch morphologische Analysen bestätigt Abb. 7: In Kärnten treten seit einigen Jahren häufig gestreifte Ringelnattern auf, bei denen werden konnten und mit den durch es sich nach H. Happ (pers. Mitt.) um die Streifen-Ringelnatter (Natrix natrix persa) handelt. DNA-Analysen bestimmten Kladen in Foto: Helga Happ Übereinstimmung gebracht werden können (Pokrant u. a. 2016). Aber auch bei den anerkannten Unterarten ist die intraspezifische Taxonomie noch nicht abschließend geklärt. Überhaupt wird der derzeitige Sta- tus der Natrix-Systematik von vielen Autoren sehr kontrovers diskutiert.

Verbreitungsgebiet / Lebensraum

Die Gattung Natrix bildet eine mono- phyletische (auf eine Stammart zu- rückgehende) Gattung, die in weiten Teilen der westlichen Paläarktis von der subarktischen Region in Skandi- navien bis zum Rand subtropischer Wüsten in Nordafrika verbreitet ist. Von Gotland wurde sogar eine nicht gültige Unterart beschrieben. Sie fehlt nur im äußersten Norden Eu- Abb. 8: Zuweilen kommt die Ringelnatter weit von Gewässern entfernt vor, wenn sie, wie ropas, in Schottland, in Irland und in diesem Waldstück, hinreichend Schutz- und Unterschlupfmöglichkeit sowie ausreichend Island sowie auf einigen Inseln im Beutetiere vorfindet. Foto: Hans Esterbauer Mittelmeer und schon in der Ostsee. In Österreich kommen drei Natrix- Arten vor. Die Barrenringelnatter, Natrix helvetica (Lacépéde 1789) im westlichen Tirol und Vorarlberg, die Würfelnatter, Natrix tessellata (Lau- renti 1768) in Süd- und Ostösterrei- ch, mit isolierten Vorkommen an der Traun in Oberösterreich (Esterbauer 1991) und die Östliche Ringelnatter, Natrix natrix (Linnaeus 1758). Ihre Vertikalverbreitung (Abb. 6) erstreckt sich von den Tiefebenen Ostöster- reichs bis zu submontan-montanen Lagen von etwa 1900 m. Verbrei- tungslücken bestehen aufgrund kli- matischer Gegebenheiten in einigen inneralpinen Tälern sowie in Gebirgs- zügen der Zentralalpen (Hill 2008). In Kärnten treten seit einigen Jahren Abb. 9: Die Ringelnatter besiedelt bevorzugt Habitate in Gewässernähe, wie vegetati- häufig gestreifte Ringelnattern auf, onsreiche Fluss- und Seeufer im Bereich von Feuchtwiesen, Teichen, schilfbestandenen bei denen es sich nach Happ (pers. Moorgebieten und Sümpfen. Foto: Hans Esterbauer

ÖKO·L 41/1 (2019) 19 Die Ringelnatter ist kein Kulturflüch- ter; sie hält sich auch in Gärten und bebautem Land auf und ist nicht selten in Schwimm- oder Zierteichen anzutreffen (Abb. 11). Grundvoraus- setzung für die Lebensraumwahl ist unter anderem ein ausreichendes Angebot an Beutetieren.

Beschreibung

Die Ringelnatter ist eine schlanke und kräftige Schlange; sie erreicht im weiblichen Geschlecht eine Körper- länge von etwa 80 bis 100 Zentime- tern (Abb. 12). Es wurden aber schon Exemplare gefunden, die wesentlich länger waren. Die größten Ringelnat- tern stammen von der Insel Krk (205 cm) und aus der Schweiz (180 cm). Abb. 10: Aufgrund ihrer Vorliebe für Gewässer gilt die Ringelnatter fast als „Wasser- Männchen bleiben mit durchschnitt- schlange“, ist aber weniger an das feuchte Element gebunden als die Würfelnatter (Natrix lich 60 bis 70 Zentimetern wesentlich tessellata). Foto: Gerald Kapfer kleiner. Die Ringelnatter ist somit (neben der Äskulapnatter, Zamenis longissimus (Laurenti 1768) (Abb. 13), die größte und am häufigsten vorkommende Schlange der sechs in Österreich vorkommenden Arten – auch wenn ihre Bestände in den vergangenen Jahrzehnten stellenwei- se empfindliche Einbußen hinnehmen mussten. Sowohl Färbung als auch Körperbau sind äußerst variabel, so kann der mit zeichnungslosen Kopfschildern bedeckte Kopf eiförmig und deutlich vom Körper abgesetzt sein (Abb. 14), genauso kommen aber auch Exem- plare mit eher zylindrisch geformten Abb. 11: Die Ringelnatter ist kein Kulturflüchter; sie hält sich auch in Gärten und bebautem Köpfen vor, welche sich dann kaum Land auf und ist nicht selten – sogar inmitten der Stadt – in Schwimm- oder Zierteichen vom Hals abheben. Die lidlosen und anzutreffen. Foto: Othmar Pötsch beweglichen Augen sind groß und die großen Pupillen rund (Abb. 15). Mitt.) um Streifenringelnattern (Natrix an Teichen, Tümpeln und Seeufern Der Körper dieser kräftig gebauten natrix persa) handelt (Abb. 7). Nach anzutreffen. Diese Biotop-Mosaike Natter variiert in der Färbung von Schweiger (pers. Mitt.) und Zürcher können aus dem Gewässer mit rotbraun bis olivfarben und zeigt auf (pers. Mitt.) handelt es sich bei die- Schilfgürtel, Grünland, mit Hecken dem Rücken und an den Flanken sen gestreiften Exemplaren aber nur gesäumten Wegrändern und einem unregelmäßige, dunkle Flecken (Abb. um Morphen (individuelle Varianten) Wald oder auch einer strukturreichen 16). Die 19 Rückenschuppenreihen und nicht um Streifenringelnattern. Graben-Landschaft sowie Nieder- um die Körpermitte dieser Schlange oder Hochmooren bestehen (Abb. sind gekielt, auf dem Rücken zeigt sie Die Ringelnatter ist euryök (Be- 8 und 9). unregelmäßige dunkle Muster (Abb. zeichnug für Organismen, die sehr 17). Am Hinterkopf befinden sich unterschiedliche Umweltbedingungen Aufgrund ihrer Vorliebe für Gewässer zwei gelbe bis orange, halbmond- tolerieren); sie bewohnt natürliche gilt sie fast als „Wasserschlange“ förmige Flecken. Am hinteren Ende und halbnatürliche Lebensräume. (Abb. 10), ist aber weniger an das werden diese von einem schwarzen Als bodenlebende und vor allem tag- feuchte Element gebunden als die Fleckenpaar (den Occipitalflecken) und dämmerungsaktive (im Sommer Würfelnatter (N. tessellata). Daneben begrenzt (Abb. 18). Diese Flecken gelegentlich auch nachtaktive) Natter besiedelt die Ringelnatter – wie schon sind eines der charakteristischsten besiedelt sie ein sehr weites Spek- darauf hingewiesen – auch Sekun- Merkmale der Ringelnatter und ma- trum offener bis halboffener Habitate därlebensräume wie Kiesgruben oder chen sie praktisch unverwechselbar. und anthropogen (vom Menschen) Steinbrüche. Sie kann auch in völlig Sieben (selten sechs oder acht) beeinflusster Gebiete. Sie ist am häu- trockenen und deutlich von Gewäs- Oberlippenschuppen (Supralabia) figsten in naturnahen Feuchtgebieten sern entfernten Habitaten wie etwa bilden die Oberlippe, die Schuppen wie langsam fließende, besonnt lie- Halbtrockenrasen und Weinbergen drei und vier bilden den Unterrand gende Bäche und Flüsse, aber auch auftreten (Waitzmann u. Sowig 2007). des Auges. Direkt vor dem Auge

20 ÖKO·L 41/1 (2019) findet sich eine einzelne Schuppe (Praeoculare), hinter dem Auge hin- gegen meist drei bis vier sogenannte Hinteraugenschuppen (Postoculare), die allerdings bis auf eine oder zwei reduziert sein können (Abb. 19). Auf der Unterseite ist die Ringelnat- ter gräulich bis gelblich gefärbt mit einigen schwarzen Flecken, die ein schachbrettartiges Muster zeigen (Abb. 20). Der Schwanz der Natter ist spitz ausgezogen (Abb. 21). Die Jungtiere ähneln in Zeichnung und Färbung den Alttieren (Dienstbach 2008) (Abb. 22). Die Nasenlöcher sind etwas zur Seite versetzt. Die Nase spielt für den Ge- ruchssinn eine untergeordnete Rolle. Hervorragend ausgebildet ist dafür der Geruchs- bzw. Geschmacksinn durch das Vomeronasalorgan (VNO), Abb. 12: Die Ringelnatter wird circa einen Meter lang, wobei die Weibchen etwa 25 % auch als Jacobson-Organ bekannt. länger und dicker werden als die Männchen und teilweise auch eine Länge von 140 Zen- Auch die visuelle Wahrnehmung ist timetern und mehr erreichen können. Foto: Hans Esterbauer bei der Ringelnatter sehr gut ent- wickelt, wobei sie überwiegend auf Bewegungen reagiert. Die Ringelnatter ist wie alle Schlan- gen vollständig taub. Sie verfügt weder über ein Außenohr noch über Gehörgänge. Lediglich das Innenohr ist ausgebildet, wodurch die Natter sehr empfindlich gegenüber Erschüt- terungen reagiert. Die Empfindlich- keit ist jedoch nur gewährleistet, wenn die Ringelnatter mit dem Kopf direkten Kontakt zum Untergrund hat, da die Schwingungen von den Unterkiefern über das Quadratbein weitergeleitet werden. Der Wachstumsprozess, und die damit verbundene Häutung (Ecdysis Abb. 13: Die Äskulapnatter (Zamenis longissimus) kann bei günstigen Umständen über oder Apolyse = von griechisch apo- zwei Meter Maximallänge erreichen und ist somit die größte Schlangenart in Österreich lysis, deutsch „Ablösung“), wird mit (Esterbauer 2014) Foto: Hans Esterbauer zunehmendem Alter geringer, hört aber nie endgültig auf. Innerhalb eines Jahres kommt es bei adulten Tieren zu ungefähr zwei bis sechs Häutungen. Die maximale Lebenser- wartung einer Ringelnatter in freier Natur bewegt sich etwa bei 20 Jah- ren. Voraussetzung ist ein optimaler Lebensraum und ein ausreichendes Nahrungsangebot. Die Geschlechts- reife wird bei den Männchen im dritten, bei den Weibchen im vierten Lebensjahr erreicht, sie haben dann eine Gesamtlänge von 40 bis 50 Zentimetern und ein Gewicht von etwa 97 Gramm.

Abwehrverhalten

Diese harmlose, für Menschen voll- Abb. 14: Die Weibchen der Ringelnatter haben einen flachen und breiten Kopf, der sich kommen ungefährliche Natter besitzt deutlich vom Hals absetzt. Der Kopf der Männchen ist länger und setzt sich weniger vom zwar keine Giftzähne, hat aber zur Körper ab. Foto: Hans Esterbauer

ÖKO·L 41/1 (2019) 21 Abb. 15: Bei der Nahrungssuche erkennt die Ringelnatter ihre Abb. 16: Die Färbung und Zeichnungsmuster der Ringelnatter sind Beute vor allem an ihren Bewegungen, da das Sehvermögen gut ungemein variabel. Die Grundfärbung der Körperoberseite ist meist ausgebildet ist. Das große Auge besitzt eine runde Pupille. hell- bis schiefergrau, der Rücken ist dunkel gefleckt. Foto: Hans Esterbauer Foto: Hans Esterbauer

Abb. 17: Die Körperschuppen der Ringelnatter sind gekielt und Abb. 18: Das auffällige Erkennungsmerkmal der Ringelnatter sind umgeben die Rumpfmitte in 17, 18, meist jedoch in 19 oder gar zwei sichelförmige, nach hinten schwarz begrenzte, weiße oder 21 schrägen Reihen. Foto: Hans Esterbauer gelbe Nackenflecken, die auch als „Mondflecken“ bezeichnet werden. Foto: Hans Esterbauer

Feindabwehr ein breites Spektrum zu 20 Minuten getaucht ausharren sein können (Schatz 2010). Ist eine aposematischer (Warnverhalten) Ver- kann. Hierfür hat sie ein sackför- Flucht nicht möglich, lässt sie ihren haltensweisen entwickelt. Bei Stö- miges Reservoir im hinteren Teil der Körper durch Aufblähen oder Abfla- rungen versucht die sehr scheue Lunge entwickelt, in dem die Luft chen größer erscheinen, dabei kann Natter zu fliehen und versteckt sich sozusagen „gespeichert“ wird. Dieses der Vorderkörper ähnlich einer Kobra nach Möglichkeit sofort in Spalten, Reservoir ermöglicht ihr solch lange aufgerichtet oder gebogen sein. Auch unter Steinen oder in Nagerbauten. Tauchgänge, andererseits ist es von ein Aufrollen der Schlangen und Pen- In der Nähe eines Gewässers flüchtet Nöten, da während der Nahrungsauf- delbewegungen wurden als Abwehr sie ins Wasser und lässt sich einfach nahme die Atemwege je nach Größe beobachtet. Hält die Bedrohung an, auf den Grund sinken, wo sie bis der Beute vollständig verschlossen reagiert sie mit lautem Zischen und

Abb. 19: Auf der Kopfoberseite der Ringelnatter befinden sich sehr Abb. 20: Die auffällig ausgeprägte Unterseite der Ringelnatter große zeichnungslose Schuppen. Die Nasenlöcher sind nicht nach hat ein schachbrettartiges, aus schwarzen oder dunkelblauen, oben gerichtet, sondern etwas zu den Seiten versetzt. meist rechteckigen Flecken bestehendes Muster auf weißlichem Foto: Hans Esterbauer Grund. Foto: Hans Esterbauer

22 ÖKO·L 41/1 (2019) Abb. 22: Die ersten Jungtiere der Ringelnatter schlüpfen im Juli, die letzten meist Ende September. Sie ähneln in Zeichnung und Färbung den Alttieren und sind sofort selbstständig. Foto: Hans Esterbauer

Abb. 21: Der Schwanz der Ringelnatter ist spitz ausgezogen. Der Abb. 23: Bei großer Gefahr zeigen Ringelnattern einen „Totstell- des Männchens ist länger, daher ändert sich auch die Anzahl der Reflex“, wobei sie erschlaffen und die Zunge aus dem geöffneten Subcaudalia (Schwanzschuppen). Beim Männchen zählt man Maul heraushängen lassen, teilweise tritt sogar etwas Blut aus. 65–76, beim Weibchen 53–64. Foto: Hans Esterbauer Foto: Hans Esterbauer mit Kopfstößen, ohne dabei das Maul auf die Mundspalte blicken, das Wasser, beendet sie unverzüglich den zu öffnen. Sie beißt nur sehr selten Maul wird mit den seitlich etwas Totstell-Reflex und schwimmt davon in der Verteidigung zu. Geschieht es verschobenen Kiefern bis zu einem oder taucht unter. Die Frage drängt dennoch einmal, hinterlassen ihre Winkel von ca. 150° aufgerissen wo- sich nun auf, gegen welchen Feind- kleinen spitzen Zähnen an der Biss- bei die Schlange die Zunge seitlich typus ein solches Verhalten nützlich stelle feinste Einstiche, aus denen heraushängen lässt. Die Ringelnatter sein soll: da das Totstellen weit über durchaus etwas Blut austreten kann, hat sich nun weitgehend totgestellt ein bloßes Unauffälligsein hinaus- wie ich aus Erfahrung bestätigen (Akinese), kann sich aber noch unter geht, nehmen Heuszer u. Schlumpf kann. Wird die Natter ergriffen, kann krampfhaften Körperzuckungen um (1962) an, dass dieses Verhalten sie ihren Darm- und Mageninhalt die eigene Achse drehen, sodass die gegen Fressfeinde gerichtet ist, die entleeren und zusätzlich auch noch markante Ventralseite sichtbar wird. ein „rezeptives Korrelat“ dazu haben. ein nach Knoblauch übelriechendes, Vereinzelt kann aus der Rachen- Das heißt, dass die Beutegreifer ihre gelbliches Sekret aus der Postanal- schleimhaut Blut austreten. Opfer häufig totschütteln und dann drüse absondern, dessen Geruch eine kurze Zeit lang unbeobachtet Ist die Gefahr vorüber, „erwacht“ die noch lange an Haut und Kleidern haf- lassen, bevor sie mit dem Fressen Natter wieder aus ihrem Scheintod tet und sehr schwer zu entfernen ist. beginnen. (Abb. 24). Dabei wird die Zunge langsam zurückgezogen, das Maul Totstell-Reflex Giftigkeit geschlossen, der verknotete Schwanz gelöst und die Augen werden langsam Bei tatsächlicher oder vermeintlicher Die französische Wissenschaftlerin in die ursprüngliche Lage zurückge- großer Gefahr kann es bei der Ringel- Marie Phisalix (1922) hat die Rin- dreht. Dann dreht sich die Schlange natter zu einer Form der Letisimu- gelnatter eingehend untersucht und schließlich ventralwärts und kriecht lation, das „Sich-Totstellen“, auch festgestellt, dass sie ziemlich große langsam davon. Akinese genannt, kommen (Abb. 23), Giftdrüsen (Duvernoysche Drüsen) die in Ausnahmefällen über 30 Minu- Während der Zeit der völligen Akine- hat, die 15–20 Milligramm wiegen ten dauern kann. Dabei verknotet sie se ist die Ringelnatter vollkommen und ein sehr wirksames Gift erzeugen, ihren Schwanz um den Analbereich, schlaff und man kann sie sogar das nach Hedinger (1937) merkwür- die Pupillen werden zum unteren hochheben, ohne dass sie darauf digerweise dem der Juraviper (Vipera Augenrand gedreht, sodass sie nur reagiert. Setzt man sie jedoch ins aspis) ähnelt (Die Juraviper kommt

ÖKO·L 41/1 (2019) 23 Abb. 24: Sobald die Gefahr vorüber ist, bzw. der Fressfeind sein Abb. 25: Die relativ standorttreue Ringelnatter nutzt häufig die Interesse verliert, erwacht die Ringelnatter langsam wieder aus gleichen gut besonnten, trockenen Plätze, um als wechselwarmes ihrem Scheintod und versucht, rasch zu fliehen. Tier Sonnenenergie für ihre Aktivitäten aufzutanken. Foto: Gerald Kapfer Foto: Hans Esterbauer

Abb. 26: Die Ringelnatter schwimmt und taucht ausgezeichnet Abb. 27: Beute, wie diese invasive (eingewanderte) Schwarzmund- und kann bis zu 20 Minuten unter Wasser verharren. Sie ernährt Grundel (Neogobius melanostomus), die sie im Wasser gefangen sich überwiegend von Amphibien, die sie im oder am Wasser er- hat, zerrt sie an Land, um sie dort lebend zu verschlingen. beutet. Foto: Helga Happ Foto: Peter Pflügl in Österreich nicht vor!). Allerdings Nattern (Colubridae), so auch der Schlange in Österreich. Obwohl die kann das Gift wegen des Fehlens von Ringelnatter, die zwar funktionell, Ringelnatter im Allgemeinen als bo- Giftzähnen nicht injiziert werden, so nicht aber morphologisch homolog denlebende Schlange gilt, ist sie den- dass die sehr seltenen Bisse der Rin- (übereinstimmend) zu den Giftdrüsen noch eine geschickte Klettererin, die gelnatter für Menschen und größere der Giftnattern (Elapidae) und Vipern durchaus in der Lage ist, zum Beispiel Tiere absolut ungefährlich sind. Das (Viperidae) sind (Guicking u. a. 2008). an efeubewachsenen Hausmauern Eiweißgift der Ringelnatter befindet hochzukriechen, wie ich selbst beo- sich im Speichel der Schlange und Lebensweise / Nahrung bachten konnte. Sie klettert zuweilen vermag lediglich kleinere Beutetiere auch auf Bäume und Sträucher und zu lähmen. Es dient primär der Vor- Wie alle Reptilienarten ist auch die lässt sich, wenn sie Gefahr vermutet, verdauung und Immobilisierung der Ringelnatter von den Klima- und einige Meter herunterfallen. In ihrer Beute. Nach einem Ringelnatternbiss Wetterverhältnissen abhängig, nach Bewegung ist sie sehr behände und in den menschlichen Finger wurde denen sich ihre Jahres- und Tagesak- flink, sowohl bei der Verfolgung ihrer von akuter Schwellung und Verfär- tivität richtet. Die überwiegend tag- Beute wie auch auf der Flucht. bung der Hand berichtet. Gelegent- aktive Natter verlässt in Österreich ihr lich wurden nach einem Biss auch Ende September bis Mitte Oktober Als wechselwarmes Tier ist sie wie allergischen Reaktionen festgestellt. aufgesuchtes frostfreies Winterquar- alle Reptilien auf die Sonnenwärme Schmerzen traten jedoch keine auf tier im Erdreich, in Komposthaufen, angewiesen, um ihren Körper auf die (Obermayr 2000). Eine Desinfektion Baumstubben, Laubhaufen usw. meist notwendige Temperatur zu bringen. der Bisswunde ist aber auf jeden Fall Mitte bis Ende März. Gelegentlich Dazu sucht sie geeignet temperierte sind Tiere bei warmer Witterung schon zu empfehlen. Bereiche wie Sonnen- und Schatten- im Februar im Freien anzutreffen. Die Duvernoyschen Drüsen, auch als plätze oder das Wasser auf. Zusätz- Oberlippendrüsen bezeichnet, sind Die Ringelnatter ist wohl die am lich kann sie ihre Körperoberfläche giftproduzierende Drüsen einiger weitesten verbreitete und bekannte gezielt vergrößern (Abflachen beim

24 ÖKO·L 41/1 (2019) Sonnen) oder verkleinern (Aufrollen bei kühlerer Temperatur), um den Abb. 28: Wärmeaustausch mit der Umgebung Aufgrund der zu beeinfl ussen (Abb. 25). ungeheuren Dehnbarkeit Für eine effektive Thermoregulation des Ober- und sind daher strukturreiche Lebens- Unterkiefers, die räume, die viele unterschiedliche lediglich durch elastische Bänder Temperaturen bieten, wichtig. Die miteinander Ringelnatter kann stundenlang ohne verbunden sind, die geringste Regung in der Sonne kann die Ringel- verharren, um dann wieder lautlos in natter Beutetiere das Wasser zu gleiten. verschlingen, die größer sind als Um Eiablage- und Sonnenplätze so- ihr Kopf. wie Jagdgebiete aufzusuchen, muss die Ringelnatter in den unterschied- Foto: Helga Happ lichen Altersklassen im Jahreslauf unter Umständen größere Distanzen (bis einen Kilometer und mehr) zu- rücklegen. Eine adulte Ringelnatter beschränkt ihren Aktionsradius aber in der Regel auf rund 300–500 Meter. Tiere am Wasser, vor allem in Habitaten mit hohem Amphibien- vorkommen, kommen mit sehr wenig Aktionsradius aus und sind jahrelang am selben Platz anzutreffen. Wenn Nahrungsangebot, Möglichkeiten zur Thermoregulation und zur Fortpfl an- zung auf kleinem Raum gegeben sind, hat sie auch kein Bedürfnis größere Strecken zurückzulegen. Die Ringelnatter kann hervorragend schwimmen und tauchen und erbeu- tet einen guten Teil ihrer Nahrung am und im Wasser (Abb. 26). Sie erkennt ihre Beute an ihren Bewegungen mit Abb. 29: Die jährliche Nahrungsaufnahme der Ringelnatter beträgt nur etwa das Zwei- bis den Augen und am Geruch, mit Hilfe Vierfache des Körpergewichtes. Nach dem Verschlucken der Beute ist ihr Bauch deutlich ihrer Sinnesorgane, vornehmlich des angeschwollen. Foto: Peter Pfl ügl Jacobsonschen Organs (Züngeln mit der tiefgespaltenen, zweizipfeligen Zunge!). Hat die Schlange ein poten- tielles Beutetier ausgemacht, pirscht Jungschlangen fressen neben jungen ßer und massiger als das Männchen, bzw. schwimmt sie an es heran, stößt Amphibien und Kaulquappen auch auch ihr Kopf ist breiter. blitzschnell zu und packt es mit ih- Insektenlarven und Regenwürmer. Es Mit etwas Erfahrung lassen sich ren spitzen, nach hinten gerichteten ist oft der Fall, dass das verschlun- auch bei den Körper-Schwanz-Pro- aglyphen Zähnen (glatte, ungefurchte gene Beutetier noch einige Minuten portionen zwischen Männchen und Zähne im Gegensatz zu gefurchten im Bauch der Natter lebt. Aufgrund Giftzähnen) wahllos an irgendeiner Weibchen Unterschiede feststellen. der ungeheuren Dehnbarkeit des Das Männchen hat einen relativ län- Körperstelle und hält es fest. Beute, Ober- und Unterkiefers kann die die sie im Wasser gefangen hat, zerrt geren Schwanz als das Weibchen. Ringelnatter relativ große Beutetiere Auch in der Schwanzform gibt es Un- sie an Land, um sie dort lebend zu verschlingen (Abb. 28). Ihre jährliche verschlingen ohne sie vorher zu er- terschiede. Beim Männchen verjüngt Nahrungsaufnahme beträgt nur etwa drosseln. So erbeutet sie in erster sich der Schwanz nur allmählich. Er das zwei- bis vierfache des Körperge- Linie Frösche, Kröten, Molche (63 %) ist am Schwanzansatz, bedingt durch wichtes (Abb. 29). und Fische (10 %) (Abb. 27), die den die in der Schwanzbasis befi ndlichen Hauptanteil ihrer Nahrung ausma- zwei Hemipenes, dicker als beim chen. Nicht selten werden aber auch Geschlechtsdimorphismus / Weibchen und weist bei adulten Kleinsäuger (25 %) oder gelegentlich Geschlechtsbestimmung Tieren nach der Basis nahezu den kleinere Vögel (1 %) erbeutet (patrick gleichen Umfang wie der hintere u. a. 2004). Das Fressen von Feuer- Da die Ringelnatter über keine pri- Körperbereich auf. Beim Weibchen salamandern und Unken wurde in mären oder sekundären äußeren nimmt der Umfang des Schwanzes Österreich schon beobachtet, kommt Geschlechtsmerkmale verfügt, ist nach der Kloake stark ab, wird also aber aufgrund der starken Hautgifte die Unterscheidung der Geschlechter rasch schmaler. Aufgrund der unter- dieser Lurche nur selten vor (hill nicht ganz einfach. Hilfreich ist der schiedlichen Schwanzlängen ändert 2008). Reptilien sollen nur gelegent- Vergleich gleichartiger Tiere beiderlei sich auch die Anzahl der Subcauda- lich zum Beutespektrum gehören. Geschlechts. Das Weibchen wird grö- lia (Schwanzunterschuppen). Beim

ÖKO·L 41/1 (2019) 25 Abb. 31: Meist zwischen Ende Juni und Mitte August wird das Gelege an geeigneter Stelle abgelegt. Die 10 bis 50 Eier sind zwischen 3,2–4 cm lang und 1,3–2 cm breit. Ihr Gewicht beträgt etwa 4,5 bis 5,5 g. Foto: Helga Happ

Abb. 30: Bei der Paarung kriecht das Männchen mit zuckendem Abb. 32: Nach fünf bis acht Wochen beginnt der Schlupfvorgang Körper und eigenartig nickenden Kopfbewegungen heftig züngelnd der jungen Ringelnattern, indem sie zunächst mit ihrem nach vorn über den Rücken des Weibchens. Dann umschlingen sie sich mit stehenden Eizahn die Eihülle aufschlitzen. den Schwänzen. Foto: Helga Happ Foto: Helga Happ

Abb. 33: In mehreren, über Stunden sich hinziehenden Anläufen Abb. 34: Die 2–3,5 g schweren, von Anfang an selbstständigen kriechen die 14–20 cm langen Ringelnatter-Schlüpflinge aus den Jungschlangen ernähren sich in der ersten Zeit ihres Lebens von aufgeschlitzten Eihüllen heraus. Kaulquappen, kleinen Fröschen, Kröten, Molchen und deren Larven. Foto: Helga Happ Foto: Helga Happ

26 ÖKO·L 41/1 (2019) Männchen zählt man 65–76, beim Weibchen 53–64. Eine andere Methode bei der Ge- schlechtsbestimmung, die aber nur von Tierärzten und Herpetologen durchgeführt werden darf, ist das Ausstülpen der Hemipenes oder das Sondieren der Hemipenistasche.

Fortpflanzung

Im Gegensatz zur Schlingnatter (Es- terbauer 2017) legt die Ringelnatter Eier ab (ovipar). Die Ringelnattern erkennen das Geschlecht ihrer Art- genossen anhand von Geruchsstoffen (Pheromonen). Die Paarung findet nach der Winterruhe und nach der Abb. 35: Melanistische Ringelnattern, sogenannte Schwärzlinge, sind recht häufig, insbe- ersten Häutung zwischen Ende April sondere in den höheren Verbreitungsgebieten. Sie können an typischen Körper-Merkmalen und Ende Mai statt (Abb. 30). Vor der identifiziert werden. Foto: Jürgen und Renata Staretschek Begattung erfolgt ein umfangreiches Paarungsritual. Die Männchen ver- ca. 23–32 Grad Celsius erreicht wird karnivoren Säuger und verschiedene suchen, von Sexualpheromonen des und die Eier vor Austrocknung ge- Vogelarten. Auch Raubfische wie Weibchens angelockt, mit zuckendem schützt sind. Dieses Substrat kann ein Hechte, Welse und Barsche gehören Körper, nickenden Kopfbewegungen Mist- oder Komposthaufen sein oder zu ihren Fressfeinden. Nicht zu ver- und heftig züngelnd über den Rücken aus einem vermodernden Baum- gessen auch die freilaufenden Haus- des Weibchens oder neben dieses stumpf, einer Binsen- und Schilfan- zu kommen. War das Vorspiel er- katzen. Jungschlangen werden sogar sammlung bestehen. Besonders güns- vor großen Laufkäfern und Fröschen folgreich, kommt es zur Kopulation. tige Ablageplätze werden immer wie- Dabei umschlingt das Männchen das erbeutet. Während der Kälte- oder der jedes Jahr und bisweilen von meh- Weibchen mit seinem Schwanz und Winterstarre werden die Ringelnattern reren Weibchen aufgesucht. Nach der versucht, seine Kloakenspalte auf jedoch gelegentlich von Mäusen und Eiablage verlässt das Weibchen das die des Weibchens zu platzieren, um auch Käfern angefressen und dadurch Gelege und überlässt es sich selbst. einen seiner Hemipenes in dessen teilweise auch getötet. Potenziell wird Kloake einzuführen. Nach dem Ein- Die Eier sind oval und weiß und im ihr Bestand auch durch Giftwirkung dringen schwillt er so stark an, dass er Durchschnitt zwischen 3,2–4 cm infolge Herbizid- oder Insektizid- zunächst nicht wieder zurückgezogen lang und 1,3–2 cm breit. Ihr Gewicht Einsatz (sowohl direkte Kontaminati- werden kann. Bei Störungen wird der beträgt etwa 4,5 bis 5,5 g. on als auch über die Nahrungskette) kleinere Partner (in der Regel das dezimiert. Aber die größte Bedrohung Männchen) vom fliehenden größeren Nach einer Inkubationszeit (Entwick- für diese Natter geht vom Menschen Partner mitgeschleift. Die Kopula lungszeit) von fünf bis acht Wochen durch Habitatzerstörung und Indi- findet meist tagsüber statt und kann schlitzen die schlupfbereiten Jungs- viduen-Verluste durch zum Beispiel chlangen mit ihrem kleinen Eizahn, vier Stunden andauern. Trockenlegung oder Regulierung von der sich an der Spitze des Oberkiefers Feuchtgebieten, Straßenbau und Oft werben bis 20 männliche Artge- befindet, die Eihülle auf (Abb. 32). landwirtschaftliche Nutzung aus. Es nossen um ein Weibchen. Kommen- Nach dem Aufschlitzen der Eihülle kommt auch heute immer noch vor, tkämpfe oder Beißereien zwischen verlassen die 14–20 cm langen den rivalisierenden Männchen treten Schlüpflinge oft erst nach Stunden dass Ringelnattern aus Furcht oder dabei aber nicht auf. die Eier (Abb. 33). Die 2–3,5 g Unwissenheit getötet werden. schweren, von Anfang an selbststän- Nach der Paarung wird das trächtige Auftreten von Farb-Mutationen Weibchen zunehmend unbeweglicher digen Jungschlangen, häuten sich nach dem Schlupf, verbleiben aber und verbringt viel Zeit mit Sonnen, Im August 1995 konnte in St. Martin um so die Entwicklung der Embry- meistens bei dem Gelege und gehen am Grimming im steirischen Ennstal onen zu fördern. Zur Eiablage muss teilweise ohne Nahrungsaufnahme (Österreich) in 776 m Seehöhe eine sie dann teilweise über weite Strecken in den Winterschlaf (Abb. 34). Im wandern, um einen geeigneten Eiab- ersten Lebensjahr wachsen sie etwa adulte, totalalbinotische Ringelnat- lageplatz aufzusuchen. 30 Zentimeter, danach, je nach Nah- ter (Natrix natrix) beobachtet und rungsangebot, rund zehn Zentimeter. fotografiert werden. Neben einem Ende Juni bis Anfang August erfolgt Jungtier, das aus Niederösterreich Die Ringelnatter (N. natrix) hybridi- die Ablage der Eier. Das Gelege be- stammt (Kabisch 1974), ist dies der steht je nach Größe und Ernährungs- siert mit der Würfelnatter (N. tessel- zweite bekannte Fall von Albinismus zustand des Weibchens aus 10 bis 50 lata) (Mebert 2011, Trapp 2017). bei der Ringelnatter in Österreich weißen, mit einer pergamentartigen (Sackl u. Putz 2002). Schale versehenen Eiern (Abb. 31). Prädatoren / Bedrohung Sie werden in ein Substrat abgelegt, Am Vormittag des 27. September in dem durch Verrottung organischen Die natürlichen Feinde der Ringelnat- 2017 spazierte das Ehepaar Jürgen Materials eine „Bruttemperatur“ von ter sind besonders alle mittelgroßen und Renata Staretschek aus Maut-

ÖKO·L 41/1 (2019) 27 Abb. 36: Diese melanistische Ringelnatter wurde an einem Schlangen-Überwinterungsplatz in Südschweden beobachtet und fotogra- fiert, wo sie gemeinsam mit „normal“ gefärbten Artgenossen vorkam. Foto: Helmut & Eva Pum hausen bei Saxen entlang der Do- Ein kurioses Geschehnis Die Ringelnatter ist durch nationale nauauen am sogenannten Eizendorfer um eine Ringelnatter und EU-Richtlinien geschützt See, als plötzlich eine gut einen Meter lange schwarze Schlange ihren Weg Als 12-jähriger Bub, den alles in- Alle einheimischen Reptilien, somit kreuzte (Abb. 35). Als professionelle teressierte, was da so kreucht und auch die Ringelnatter, sind nach der Fotografen hatten sie natürlich einen fleucht, fing ich in den Salzachauen Verordnung der Oö. Landesregierung Fotoapparat mit und konnten daher gegenüber der bayerischen Stadt über den Schutz wildwachsender das Reptil bildlich festhalten (http:// Burghausen eine Ringelnatter und Pflanzen und Pilze sowie freilebender www.cgc.co.at/tiere/amphibien/rin- trug sie in der Schultasche nach Tiere (Oö. Artenschutzverordnung gelnatter/ ). Zur genauen Feststellung Hause. Dort setzte ich das Reptil in – LGBl. Nr. 73/2003; § 5, Anhang der Art, übersandten sie mir das Bild den Hausteich des elterlichen Anwe- 3) ganzjährig geschützt. Sie dürfen via Internet. Ich konnte ihre ursprüng- sens, wo sie sofort untertauchte und daher in allen ihren Entwicklungs- liche Vermutung bestätigen, es war von mir nicht mehr gesehen wurde. formen weder verfolgt, beunruhigt, eine melanistische Ringelnatter. Der- Zeitig in der Früh am darauffolgenden gefangen, befördert, gehalten oder artige „Schwärzlinge“ kommen immer Morgen begann eine meiner älteren getötet werden. Nicht nur, dass eine wieder vor und können aufgrund ty- Schwestern, die gerade mit ihrem solche Tötung völlig unsinnig ist, man pischer Merkmale der Beschuppung verstößt auch eindeutig gegen gel- ersten Kind hoch schwanger war, Fut- und Beschilderung identifiziert wer- tendes österreichisches Recht. Auch ter für die Kühe zu mähen. Plötzlich den. Solche Schwarzfärbung nennt die Lebensgrundlagen der Tiere sind ringelte sich vor ihr eine Schlange von man Melanismus (von gr. melas = zu erhalten. respektabler Länge – es war „meine“ schwarz). Sie wird durch vermehrte Ringelnatter! Erschrocken ließ sie die Die Ringelnatter ist auch als eine Ablagerung von Melanin verursacht. Sense fallen, lief in das Haus zurück im Anhang IV der „Fauna-Flora- Die Gründe dafür können neben und erzählte aufgeregt unserer Mutter Habitat-Richtlinie 92/43/EWG der genetischen Ursachen auch verschie- das „schreckliche“ Erlebnis. Nun, der Europäischen Union vom 21. Mai dene andere Faktoren sein wie etwa Übeltäter war schnell ausgemacht 1992 zur Erhaltung der natürlichen erhöhte Sonneneinstrahlung. und ich bekam eine ordentliche Lebensräume sowie der wildlebenden Aber auch im europäischen Ausland Strafpredigt. Meine Mutter wies mich Tiere und Pflanzen“ angeführten Ar- konnten derartige „Schwärzlinge“ besorgt darauf hin, dass durch den ten europarechtlich geschützt. von österreichischen Naturfreunden Schock, den meine Schwester beim Trotz ihrer weiten Verbreitung in Ös- beobachtet werden (Abb. 36). So Anblick der Schlange erlitt, das Kind terreich zählt die Ringelnatter zu den zum Beispiel vom Ehepaar Helmut mit einem Schlangenkopf oder Feu- bedrohten Tierarten; in der aktuellen und Eva Pum (pers. Mitt.) aus Steyr. ermal auf die Welt kommen könnte. „Roten Liste“ wird sie als „gefährdet“ Sie beobachteten und fotografierten Nach der Geburt des Kindes, es war eingestuft (Gollmann u. a. 2007). Als im April 2015 eine melanistische ein strammer Bub, der den Vornamen Hauptgründe für den gebietsweise Ringelnatter auf einem Schlangen- „Albert“ erhielt, schaute ich neugierig starken Rückgang sind in erster Linie Überwinterungsplatz in Südschwe- in die Wiege, wo das Kind friedlich Zerstörung bzw. Beeinträchtigung den. Neben dem Schwärzling befan- schlief und war etwas enttäuscht. Der ihrer Lebensräume zu nennen. Durch den sich vor Ort auch noch zahlreiche Bub hatte weder einen Schlangenkopf die zunehmende Intensivierung in „normal“ gezeichnete bzw. gefärbte noch ein Feuermal! Zu meinem Leid- der Landwirtschaft sind vielerorts Ringelnattern, die sich um diese wesen ließ sich auch die Ringelnatter für die Natter lebenswichtige Struk- Jahreszeit paarten. nicht mehr sehen. turen durch großflächige Zerstörung

28 ÖKO·L 41/1 (2019) von Feuchtgebieten im Zuge von päischen Arten der Gattung Tropidonotus Bach- und Flussregulierungen der (Kuhl) H. Boie. Mitt. zool. Mus. Berlin Ringelnatter stark reduziert. 16: 244–393. hediGer H. (1937): Die Schlangen Mit- 40 Jahre Literatur teleuropas. Basel, Benno Schwabe & Co. Verlag.

Brehm A. E. (1913): Brehms Tierlebeben, hill J. (2008): Ringelnatter - Natrix natrix 4. Aufl ., Band 2: Die Lurche und Kriech- (linnaeus, 1758) - Reptilien und Amphi- tiere (Schuppenkriechtiere). Leipzig und bien Österreichs. www.herpetofauna.at. Wien. kaBisch K. (1974): Die Ringelnatter Natrix caBela a., Grillitsch h., tiedemann F. natrix (L.). Ziemsen, Wittenberg Luther- (2001): Atlas zur Verbreitung und Ökologie stadt, Neue Brehm-Bücherei 483. der Amphibien und Reptilien in Österreich: laurenti J. N. (1768): Austriaci viennensis Auswertung der Herpetofaunistischen Da- Specimen medicum, exhibens synopsin tenbank der Herpetologischen Sammlung reptilium emendatam cum experimentis des Naturhistorischen Museums in Wien. circa venena et antidota reptilium austri- Wien, Umweltbundesamt. acorum . Joan. Thom. Nob. de Trattnern, dienstBach S. (2008): Ringelnatter (Natrix Viennae: [1]–214, pls. IV. Prof. Dr. natrix). http://www.langenbach-info.de/ linnaeus C. (1758): Systema naturae per Johannes Gepp Fauna/Ringelnatter/ringelnatter.html regna tria naturae, secundum classes, or- Biologe, Präsident des tiedemann f., hÄupl m. (1994): Rote Liste dines, genera, , cum characteribus, Naturschutzbundes der in Österreich gefährdeten Kriechtiere differentiis, synonymis, locis. Tomus I. Steiermark (Reptilia) und Lurche (Amphibia). In: Gepp Editio decima, reformata. Laurentii Salvii, Holmiæ. 10th Edition. J. (Hrsg.): Rote Listen gefährdeter Tiere . Österreichs. Grüne Reihe d. Bundesmini- ÖKO L ist seit Jahrzehnten nicht meBert k., trapp B., dall‘asta a., velenskÝ steriums f. Umwelt, Jugend und Familie, nur für den interessierten Laien p., Böhme W. (2011): Hybriden zwischen Bd. 2, Graz, Styria: 67–74. Natrix tessellata und N. natrix / maura. eine anregende Motivation, die Wunder der Natur zu verstehen, Gollmann G. (2007): Rote Liste der in Mertensiella 18: 154–157. Österreich gefährdeten Lurche (Amphi- sondern auch für Experten eine oBermayr r., oBermayr G. (2000): Die informative Quelle. Für angewandte bia) und Kriechtiere (Reptilia). In: zulka Ringelnatter. http://www.cgc.co.at/tiere/ K. P. (Red.): Rote Listen gefährdeter amphibien/ringelnatter/ Naturschützer mit speziellen Wün- Tiere Österreichs. Checklisten, Gefähr- schen betreffend Biotopmanage- dungsanalysen, Handlungsbedarf. Teil 2: patrick t., isaac G., isaac l. a. (2004): ment und Artenschutz sind die Kriechtiere, Lurche, Fische, Nachtfalter, Food Habits of the Grass in Sou- ÖKO.L-Hefte in Serie ein kaum er- Weichtiere. Grüne Reihe des Lebensmi- theastern England: Is Natrix natrix a Ge- nisteriums 14/2. Wien, Köln, Weimar, neralist Predator? Journal of Herpetology setzbares Nachschlagewerk – weit Böhlau Verlag: 37–60. 38(1): 88–95. über den Rahmen Oberösterreichs hinaus. esterBauer H. (1991): Die Würfelnatter, pokrant f., kindler c., ivanov m., cheylan Natrix tessellata tessellata (laurenti, m., Geniez e., Böhme W., fritz u. (2016): 1768), die nahezu unbekannte „Was- Integrative provides evidence for serschlange“ Österreichs. ÖKO.L 13(4): the species status of the Ibero-Maghrebian Josef Limberger 19–23. grass snake Natrix astreptophora. Biologi- Obmann cal Journal of the Linnean Society 118(4): Naturschutzbund Oö. esterBauer H. (2014): Die Äskulapnatter, 873–888. Zamenis longissimus (laurenti, 1768) - Erstnachweis einer melanistischen sackl p., putz j. (2002): Eine albino- tische Ringelnatter, Natrix natrix (L.), im Farbmutation in Österreich. ÖKO·L 36(2): . 7–11. steirischen Ennstal, Österreich (Reptilia, ÖKO L eine wichtige Plattform für , Colubridae). Joannea Zoologie die Oberösterreichische Natur. esterBauer H. (2017): Die Schling- oder 4: 11–13. Glattnatter, Coronella austriaca laurenti, Ich gratuliere ÖKO.L zu seinem 1768 - Eine bedrohte Schlangenart, die schatz B. (2010): Ringelnatter-info. http:// 40 jährigen Bestehen. Die Zeit- oft verwechselt wird. ÖKO·L 39(1): 13–21. www.ringelnatter-info.de/beschreibung. html schrift war immer schon eine Gesner C. (1587): Historia animalium lib. wichtige Plattform der heimischen V qui est de Serpentium natura. Zürich. stejneGer L. H. (1936): Types of the Am- Naturforschung, Angel- und Dis- phibian and Reptilian Genera Proposed kussionsgrundlage, welche auch GruBer U. (1989): Die Schlangen Euro- by Laurenti in 1768. Copeia 1936(3): pas und rund ums Mittelmeer. Stuttgart, 133–141. oft konträre Positionen veröffent- Kosmos-Gesellschaft der Naturfreunde, lichte. OKO.L gewährt einen guten Franckh’sche Verlagshandlung. sWaitzmann m., soWiG p. (2007): Ringel- Einblick in die Naturräume Ober- natter - Natrix natrix (linnaeus, 1758). In: österreichs und bietet auch jenen GuickinG d., joGer u., Wink m. (2008): laufer h., fritz k., soWiG P. (Hrsg.): Die Molekulare Phylogenie und Evolutions- Reptilien und Amphibien Baden-Württ- eine Plattform, deren oft wichtigen geschichte der Gattung Natrix, mit Be- embergs. Stuttgart, Ulmer: 667–686. Erkenntnisse und Erfahrungen merkungen zur innerartlichen Gliederung sonst nicht an die Öffentlichkeit trapp B. (2017): Andere Zeiten, andere von N. natrix. Mertensiella, Rheinbach gelangen würden. Schön ist auch, 17: 16–30. Sitten: Europäische Schlangen im Terra- rium. Terraria- 2017(6): 14–23. dass Themen durchaus ausführ- heuszer h., schlumpf h. u. (1962): Tot- licher behandelt werden können als völkl r. G., völkl W. (1996): Ringelnat- stellen bei der Barren-Ringelnatter, Natrix in manchen anderen Zeitschriften. natrix helvetica. DATZ 15(7): 214–218. ter – Natrix natrix linnaeus, 1758. In: Günther R. (Hrsg.): Die Amphibien und Ein wichtiges Medium für die Öko- hecht G. (1930): Systematik, Ausbrei- Reptilien Deutschlands. Jena, Gustav logie unseres Landes. Weiter so! tungsgeschichte und Ökologie der euro- Fischer: 666–684.

ÖKO·L 41/1 (2019) 29