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“THE PICTURE SURVIVES” Zur Geschichte der Kriegsberichterstattung Korea - Vietnam - Afghanistan - Globaler Krieg gegen den Terror

DISSERTATION ZUR ERLANGUNG DES AKDADEMISCHEN GRADES DES DOKTORS DER PHILOSOPHIE AN DER UNIVERSITÄT KONSTANZ FACHBEREICH GESCHICHTE UND SOZIOLOGIE

VORGELEGT VON: PHILIPP FRAUND “THE PICTURE SURVIVES” Zur Geschichte der Kriegsberichterstattung Vietnam - Afghanistan - Globaler Krieg gegen den Terror

DISSERTATION ZUR ERLANGUNG DES AKDADEMISCHEN GRADES DES DOKTORS DER PHILOSOPHIE AN DER UNIVERSITÄT KONSTANZ FACHBEREICH GESCHICHTE UND SOZIOLOGIE

VORGELEGT VON: PHILIPP FRAUND

TAG DER MÜNDLICHEN PRÜFUNG: 18. 02. 2009

REFERENT: HERR PROFESSOR DR. RAINER WIRTZ REFERENT: HERR PROFESSOR DR. LOTHAR BURCHARDT Titelbild entnommen aus: Hammond, William H.: Reporting Vietnam: Media and Military at War; Lawrence 1998, S. 73

1 Einführung...... 1 1.1 Quellenlage...... 12 1.2 Anmerkungen zur verwendeten Literatur...... 17

2 Globale Berichterstattung zu Kriegszeiten – Der Zweite Weltkrieg als Beispiel...... 20 2.1 Der Zweite Weltkrieg auf dem Europäischen Kriegsschauplatz...... 21 2.2 Der Zweite Weltkrieg auf dem Pazifischen Kriegsschauplatz...... 29 2.3 Totaler Krieg und Totale Berichterstattung...... 58

3 Exkurs: Zerfall der Anti-Hitler-Koalition und Ausbruch des Kalten Krieges...... 66 3.1 Die Ära McCarthy als Faktor des Kalten Krieges...... 74

4 Der „heiße Krieg“ im Kalten Krieg...... 78 4.1 Korea – Der „vergessene“ Krieg...... 80 4.1.1 Historischer Kontext...... 80 4.1.2 Einsatz von Journalisten in diesem „vergessenen Krieg“...... 89 4.1.2.1 MacArthurs Landungsunternehmen in Inchon...... 91 4.1.3 Der Krieg in Korea als “forgotten war”...... 96 4.2 Vietnam – Der „erinnerte“ Krieg...... 98 4.2.1 Historischer Kontext...... 100 4.2.2 Der Kampf um die Unabhängigkeit Vietnams...... 104 4.2.3 Der französische Krieg in Indochina 1946 – 1954...... 110 4.2.3.1 Wendepunkt „Dien Bien Phu“...... 117 4.2.4 Das Engagement der USA in Vietnam...... 126 4.2.5 Die Amerikanisierung des Krieges...... 134 4.2.5.1 Die Ereignisse im Golf von Tonking und ihre Folgen...... 134 4.2.5.2 Die „Tet-Offensive“ vom Frühjahr 1968...... 142 4.2.5.3 Der Fall Vietnams an den Kommunismus...... 148 4.3 Zwischenfazit ...... 151

I 5 Kriege nach Ende des Vietnamkrieges, 1975 bis 1990...... 153 5.1 Der Krieg um die Falkland-Inseln...... 153 5.1.1 Historischer Kontext...... 154 5.1.2 Der argentinische Entschluß zur Invasion auf den Falklandinseln...... 161 5.1.3 Berichterstattung ...... 169 5.1.4 Lehren aus diesem Krieg ...... 175 5.2 Die Operationen “Urgent Fury” (1983) und “Just Cause” (1989) – Formulierung einer eigenen amerikanischen Pressepolitik für Kriegszeiten...... 177 5.2.1 Die amerikanische Invasion in Grenada – Operation “Urgent Fury”...... 177 5.2.2 Die amerikanische Invasion in Panama – Operation “Just Cause”...... 182 5.3 Zwischenfazit ...... 189

6 Der 11. September 2001 und die Folgen...... 191 6.1 Berichterstattung über den 11. September...... 192 6.2 Der “Global War on Terror”...... 203 6.2.1 Operation “Enduring Freedom” – Krieg gegen Afghanistan...... 206 6.2.1.1 Historischer Kontext...... 206 6.2.1.2 Afghanistan vor der sowjetischen Invasion...... 207 6.2.1.3 Die sowjetische Invasion in Afghanistan...... 213 6.2.1.4 Der Krieg der Mudjaheddin gegen die sowjetischen Invasoren...... 217 6.2.1.5 Der Bürgerkrieg...... 222 6.2.1.6 Der Krieg der USA gegen die Taliban...... 223 6.2.2 Operation “Iraqi Freedom” – Krieg zur „Befreiung“ des Irak...... 227 6.2.2.1 Historischer Kontext ...... 229 6.2.2.2 Der Kampf um die Öffentliche Meinung ...... 246 6.2.2.3 Der Krieg gegen Saddam Hussein – Operation “Iraqi Freedom”...... 249 6.2.2.4 Berichterstattung ...... 254 6.2.3 Zwischenfazit...... 277

7 Mediale (Kriegs-) Berichterstattung – Anspruch und Wirklichkeit...... 282 7.1 Das Ereignis in der Erinnerung...... 283

II 7.2 Krieg als Ereignis...... 286 7.2.1 Journalismus im Krieg...... 287

8 Ausblick – Vom Überleben der Bilder...... 291

9 Literatur und Quellenverzeichnis...... 296 9.1 Quellen ...... 296 9.1.1 Edierte Quellen...... 296 9.1.2 Gedruckte Quellen...... 297 9.1.3 Ungedruckte Quellen...... 303 9.1.4 Bildquellen...... 308 9.1.5 Film- und Videoquellen...... 309 9.2 Literatur...... 311

10 Anhang...... 326 10.1 Verzeichnis der Abkürzungen...... 326 10.2 Verzeichnis der Abbildungen...... 332 10.3 Ausgewählte Dokumente...... 337 10.4 Code of Practice des Rory Peck Trusts vom November 2000...... 337 10.5 Public Affairs Guidance (PAG) On Embedding Media During Possible Future Operations /Deployments In The U.S. Central Command’s Area Of Responsibility, 28. Februar 2003...... 338

III Danksagung Nach dem Irak-Krieg 2003 geriet die Kriegsberichterstattung der Medien in das Kreuzfeuer der Kri- tik. Durch die Einführung des Systems der „Embedded Journalists“ hatte die Kriegberichterstattung eine neue Form bekommen und neue Dimensionen gewonnen. Die in diesem Zusammenhang von den Kritikern oftmals gezogene Parallele zu den Propaganda-Kompanien der Wehrmacht war Anlaß, die Entwicklung der Kriegsberichterstattung anhand ausgewählter Kriege aufzuzeigen.

Herrn Prof. Dr. Rainer Wirtz danke ich für die Bereitschaft, dieses komplizierte und langwierig zu bearbeitende Thema als Dissertationsprojekt angenommen und immer wieder mit kritischen wie auch hilfreichen Fragen und Anregungen vorangebracht zu haben. Für seine Bereitschaft, als Zweit- gutachter zu fungieren und in langen Gesprächen manche unklaren Punkte innerhalb des histori- schen Teils der Arbeit auszuräumen, danke ich Herrn Prof. Dr. Burchardt herzlich.

Den Mitarbeitern in den Hauptredaktionen „Aktuelles“ und „Außenpolitik“ des Zweiten Deutschen Fernsehens danke ich für die Bereitschaft, mir immer wieder beratend zur Seite zu stehen. Insbeson- dere Stefan J. Pauli von der Hauptredaktion „Aktuelles“ sei an dieser Stelle herzlich für seine nim- mermüde Hilfsbereitschaft bei der Beantwortung meiner zahlreichen und nicht immer einfachen Fragen zu helfen, gedankt. Auch Paul Amberg, Yvette Gerner, Robert Bachem, Gudrun Kirch, Lia- ne Makhoul, Dietmar Ossenberg, Claudia Ruete, Michael Renz und Elmar Theveßen sei an dieser Stelle für ihre Hilfsbereitschaft in Sachen Materialbeschaffung und Zugang zu Materialien herzlich gedankt. Die kollegiale Zusammenarbeit in diesen beiden Redaktionen gehört zu den schönsten und prägendsten Zeiten meiner Ausbildung.

Großer Dank gebührt ebenfalls dem Generalsekretär der „Commission Internationale d'Histoire Militaire“ (CIHM), Prof. Dr. Piet Kamphuis, der mich mit manch wertvollem Konferenzbeitrag der CIHM-Konferenzen unterstützte. Ferner danke ich Dr. Bianka Adams, Dr. Jeffrey C. Clarke, Dr. Jo- seph P. Harahan, Dr. Edward J. Marolda, Col. Prof. Dr. Allan R. Millett, Dr. Charles D. Melson, Dr. Charles P. Neimeyer, Dr. Hans Pawlish von der “United States Commission on Military History” (USCMH), die jederzeit bereit waren, meine Fragen im Bezug auf die Zugänglichkeit mancher Quel- len innerhalb des verschlungenen Dokumentensystems des Pentagons zu beantworten und mir mit vielen guten Hinweisen und hilfreichen Kontakten zur Seite standen. Ohne sie wäre es ungleich schwieriger gewesen, manche Teile dieser Arbeit zu recherchieren.

Aus der Vielzahl von Personen, die von mir in den letzten Jahren mit Fragen zu Details bezüglich „Medien und Militär“ angefragt wurden, seien noch die Mitarbeiter der Pressestelle des ZDF ge- nannt, die bereit waren, mir binnen kürzester Zeit das nachgefragte Informationsmaterial zuzusen- den. Auch den Mitarbeitern der Dresdner Sprengschule gebührt an dieser Stelle der Dank für die unkomplizierte Hilfe bei der Beantwortung meiner Fragen zu speziellen sowjetischen Munitionsty- pen.

Vielfältige Unterstützung habe ich auch aus dem Kreis der Studienfreunde erfahren. Besonders dan- ke ich Nicole Hahlweg, die jederzeit bereit war, sich meine Überlegungen anzuhören, und mir manch guten Ratschlag erteilte.

Meinen Eltern ist diese Arbeit in Dankbarkeit gewidmet.

IV “The Picture Survives”

1 Einführung

“At their worst the military wraps itself in the flag and the media wraps themselves in the First Amendment and neither party listens to the other.” Peter Andrews1

Neben die drei klassischen staatlichen Gewalten – Legislative, Exekutive und Judikative – ist eine vierte Gewalt getreten: die Medien.2 Die Ausübung und Vermittlung moderner Politik ist ohne die Medien nicht mehr denkbar. Sie haben der Politik eine vollkommen neue Arena zur Darstellung ihrer Akteure, ihrer Ziele, Ideen und Visionen gegeben. Ohne die Medien ist auch die Implementation von Politik heute nicht mehr vorstellbar.3 Die Gefahr, daß Medien hierbei im Sinne der Politik instrumentalisiert werden, ist gerade im Zeitalter weltumfassender Kommuni- kation nicht mehr zu leugnen. In den letzten Jahren haben sich alle Medien – freiwillig oder un- freiwillig, wissentlich oder unwissentlich – instrumentalisieren lassen.4 Besonders anfällig für In- strumentalisierung sind die elektronischen Medien. Inbesondere das Fernsehen und das Internet sind an dieser Stelle zu nennen. Diese beiden Medien sind existentiell auf das Vorhandensein von Bildern angewiesen. Bilder – auch die bewegten Videobilder des Fernsehens – sind aber von al- len Informationsträgern das für Manipulationsversuche anfälligste Medium. Als Beispiel hierfür seien die Ereignisse des 11. September 2001 genannt: Beinahe alle Fernsehsender der Welt über- trugen an diesem Tag die Bilder der brennenden und später einstürzenden Doppeltürme des World-Trade-Centers.5 Jede Zeitung brachte am folgenden Tag ein, wenn nicht sogar mehrere Bilder jenes Ereignisses auf der Titelseite6. Damit machten sich die Medien aber selbst – vermut- lich unbewußt – zum Transporteur der perversen Botschaft dieser Bilder und dieses Ereignisses: Die Rechnung der Terroristen, mit ihrem Anschlag die maximal mögliche mediale Aufmerksam- keit zu erhalten, ging voll und ganz auf.

1 Zitiert nach Paul, Christopher; Kim, James J.: Reporters of the Battlefield. The Embedded Press System in Historical Context; Santa Monica 2004; in: http://www.rand.org/pubs/monographs/2004/RAND_MG200.pdf (Letzter Zugriff 15. 07. 2008), S. 7 2 Vgl. Hallin, Daniel C.: The Uncensored War. The Media and Vietnam; New York, Oxford 1986; S. 3 – 4, im fol- genden zitiert als Hallin: Uncensored War..., siehe hierzu auch Büttner, Christian; von Gottberg, Joachim; Met- ze-Mangold, Verena [Hrsg.]: Der Krieg in den Medien; Frankfurt 2004, S. 7; im folgenden zitiert als Büttner; von Gottberg; Metze-Mangold: Editorial..., siehe auch Schulz, Andreas: Der Aufstieg der "Vierten Gewalt". Me- dien, Politik und Öffentlichkeit im Zeitalter der Massenkommunikation; in: Historische Zeitschrift 1 / 2000; S. 65 – 97, im folgenden zitiert als Schulz: Vierte Gewalt..., siehe ferner Schildt, Axel: Das Jahrhundert der Mas- senmedien. Ansichten zu einer künftigen Geschichte der Öffentlichkeit; in: Geschichte und Gesellschaft 2 / 2001; S. 176 – 206, im folgenden zitiert als Schildt: Jahrhundert der Massenmedien..., 3 Vgl. Büttner; von Gottberg; Metze-Mangold: Editorial..., S. 7 4 Vgl. Büttner; von Gottberg; Metze-Mangold: Editorial..., S. 7 5 Der Musiksender VIVA entschloß sich aber, keine Livebilder von den Ereignissen in New York zu zeigen, son- dern sendete – analog zu den Gepflogenheiten der ehemaligen Sowjetunion – ein Schwarzbild. Vgl. Lauterbach, Jörn: Der mediale Umgang mit dem Terror. Fernsehsender werfen Programm komplett um - Rekordauflagen bei Zeitungen; in: Die Welt, 13.September 2001, S. 35 6 Sogar die Frankfurter Allgemeine Zeitung brachte an diesem Tag ein Bild auf der Titelseite. Etwas, das in der 50-jährigen der Geschichte der FAZ bis dahin insgesamt nur 30 Mal geschehen war. Vgl. http://www.heute.de/ZDFheute/inhalt/7/0,3672,7007879,00.html (Letzer Zugriff 15. 07. 2008), siehe auch Ka- pitel 6 der vorliegenden Arbeit; siehe auch Lauterbach, Jörn: Der mediale Umgang mit dem Terror. Fernsehsen- der werfen Programm komplett um - Rekordauflagen bei Zeitungen; in: Die Welt, 13.September 2001, S. 35

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Am Beispiel des 11. September läßt sich die Zwickmühle, in die die Medien bei solchen Ereig- nissen geraten, aufzeigen: Die Medien müssen, und dies gilt um so mehr für das Fernsehen, aktu- ell von dem Ereignis berichten. Angesichts des Ausmaßes und der Bilderflut, die der Einschlag der beiden Flugzeuge in das World-Trade-Center produzierte, blieb während der diversen Live- sendungen keine Zeit mehr für kritische Reflektionen, Ursachenforschung oder für die Suche nach Sinnzusammenhängen. Aus dem dargelegten Konflikt ergibt sich nun die Frage nach den Möglichkeiten und Grenzen einer aktuellen Berichterstattung. Hier ist insbesondere nach dem Prozeß der redaktionellen Entscheidungsfindung darüber, ob und in welcher Weise aktuell über ein Ereignis berichtet werden soll, zu fragen. Angesichts der Tatsache, daß die wenigsten aktuel- len Berichte im Fernsehen aus Material bestehen, das für den jeweiligen Sender exklusiv gedreht wurde, stellt sich die Frage nach der Qualität des Ausgangsmaterials der Berichte. Hierbei sind besonders die internen Methoden der Qualitätssicherung – analog zum historischen Handwerks- zeug der inneren und äußeren Quellenkritik – zu beachten.

Innerhalb einer Redaktion ist in aller Regel ein Redakteur für die Fertigstellung eines Beitrages verantwortlich. Ihm stehen Materialien von Nachrichtenagenturen, aus dem eigenen Archiv und von den Kollegen vor Ort zur Verfügung. Aus diesen Quellen entsteht dann am Schneidetisch bzw. Schnittcomputer ein Fernsehbeitrag. Dieser Schritt des editorischen Umgangs mit dem Quellenmaterial birgt zugleich die größte Gefahr der Veränderung von kontextuellen und inhaltli- chen Zusammenhängen, die die gesamte Objektivität eines Beitrages und auch die des Reporters in Frage stellen können.

Die Grundfrage allerdings, ob ein Reporter überhaupt objektiv ist bzw. sein kann, soll an dieser Stelle zwar angesprochen, aber nicht diskutiert werden, da diese Frage schon beinahe metaphysi- sche Dimensionen aufweist. Hierbei spielen unter anderem Faktoren wie der berufliche Werde- gang, die Ausbildung, das Wissen und nicht zuletzt die Persönlichkeit des Reporters eine Rolle. Ferner ist zu fragen, ob sich in den Biographien der Journalisten sowohl Kontinuitäten als auch Diskontinuitäten ausmachen lassen. Diese Frage basiert auf der Annahme, daß die durchschnittli- che Karriere eines Journalisten ca. 40 Jahre im Beruf umfaßt. Im 20. Jahrhundert mit seinen vie- len Kriegen besteht also ein gewisser Anlaß zu vermuten, daß ein Journalist nicht nur einen Krieg, sondern mehrere erlebt hat. Daher erscheint es sinnvoll, der Frage nachzugehen, ob je- mand, der einmal über einen Krieg berichtet hat, dies noch einmal tun wird, oder ob er lieber vom Redaktionsschreibtisch aus den Einsatz der Kollegen koordiniert. Wenn das der Fall ist, dann kann nicht pauschalisierend von dem e i n e n Typus des Kriegsreporters gesprochen wer- den. Es muß auch nach dem Geschlecht des Kriegsreporters gefragt werden. Arbeiten in diesem Metier auch Frauen und – wenn ja – ab welcher Zeit und an welchem Ort sind sie im Einsatz? Vor allem die Frage des Ortes ist hier interessant: Berichten Frauen auch von der Frontlinie oder sind sie eher in der Etappe zu finden? Vor allem ist aber auch festzustellen, ob der Reporter über eine durch langjährigen Aufenthalt vor Ort oder langjährige Beschäftigung mit dem Berichtsge- biet erworbene Kenntnis verfügt, oder ob er das Thema lediglich bearbeitet, weil er gerade auf dem Dienstplan steht.

Die Gefahr, den Manipulationsversuchen der verschiedenen an einem Konflikt beteiligten Partei- en aufzusitzen, ist groß, wenn sich der Redakteur oder Reporter mit den Gegebenheiten vor Ort nicht auskennt. Wenn aber schon der Journalist vor Ort dieser Gefahr ausgesetzt ist, kann der Zu- schauer daheim überhaupt nicht mehr unterscheiden, ob die Bilder e c h t oder gestellt sind. Sie wirken auf ihn alle gleich dramatisch.

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Bilder – seien es Photos oder Fernsehbilder – scheinen auf den ersten Blick dem Rezipienten einen authentischen Eindruck des Geschehens zu vermitteln. Auf den zweiten Blick zeigt sich je- doch, daß jene Authentizität trügerisch ist. Zu jedem Bild gehören ein Kommentar oder eine Bildunterschrift, die den Inhalt des Bildes in den Kontext des Geschehens einordnen. Auch wenn die Bilder, die eine Kamera liefert, unter technischen Gesichtspunkten objektiv sind, so sind sie aus zwei Gründen dennoch subjektiv: Zum einen ist der Photograph oder Kameramann, der sein Motiv auswählt; zum anderen erfaßt die Kamera das Geschehen, das sich außerhalb ihres Blick- oder Bildwinkels abspielt, nicht. Der Rezipient erfährt daher nicht, was sich links und rechts ne- ben dem Motiv ereignet hat. Aus diesem Grund kann Bruce Cumings zu Recht die Frage stellen, warum ein geöffneter Verschluß so wenig sieht: “It took the , however, to show us the full totalizing potential of war television: the medium as the only message. Our first global network, CNN, kept its round-the-clock eye open during the weeks long air-war and the hours-long ground war – and yet nothing was seen. Now and then the insubordinate cameras, such as CNN’s in Baghdad, caught television guided missiles lumbering slowly over the skyline, like telephone poles floated up from the ground and set adrift on mysterious currents, disappearing into the bull’s eye of some “military targets”. […] How can an open shutter see so little?”7 So sind zum Beispiel gerade jene Bilder, die den pakistanischen Mob zeigen, wie er nach dem Freitagsgebet in Peshawar amerikanische und israelische Flaggen verbrennt, als Symbol für den Haß auf den Westen ziemlich eingängig. Was aber nie thematisiert wird, sind die Erfahrungen, die die Kameraleute gemacht haben, die diese Bilder lieferten. Die Ausschreitungen begannen – medienwirksam – beim Eintreffen der Kamerateams und endeten beim Erlöschen des Rotlichts auf der Kamera. Die Bilder indes suggerieren etwas vollkommen anderes: Der islamistische Haß auf den Westen bricht sich nun auch in Pakistan, dem engen Verbündeten der USA im “Global War on Terror”8, in aller Öffentlichkeit Bahn.9 So kommt Hans Leyendecker, langjähriger Mitar- beiter des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“ und Leitender Politik-Redakteur der Süddeut- schen Zeitung, in seinem Buch „Die Lügen des Weißen Hauses“ zu dem Schluß, daß „mit Bil- dern getäuscht, getrickst und betrogen [wird]. [...] Der Kamera ist es gleich, ob sie 24 Bilder Wahrheit oder 24 Bilder Unwahrheit pro Sekunde aufnimmt.“10

Neben den klassischen Formen der Berichterstattung wie Reportagen und Dokumentationen ist die Berichterstattung über aktuelle Ereignisse das dominierende Element der Berichterstattung im Fernsehen. Reportagen und Dokumentationen brauchen in aller Regel in Vorbereitung und Produktion längere Zeit, so daß diese beiden Formen des Berichtens auch als die „Hohe Schule“ des Fernsehens gelten. Die aktuelle Berichterstattung hingegen wird zumeist als das ungeliebte „Brot- und Buttergeschäft“ eines Journalisten wahrgenommen. Gilt doch für die meisten Nach- richtenformate die alte Redaktionsweisheit: „Ist der Reporter auch noch so fleißig, es bleibt bei 1 Minute 30.“ Hierbei wird auf die klassische Länge eines Nachrichtenbeitrages angespielt, der idealerweise alle relevanten Informationen in einer Minute und dreißig Sekunden zusammenfas-

7 Cumings, Bruce: War and Television; London, New York 1992, S. 1 – 2; im folgenden zitiert als Cumings: War and Television..., 8 In Zukunft werden die Begriffe “Global War on Terror”, „Globaler Krieg gegen den Terror“ und das Akronym “GWOT” (GLOBAL WAR ON TERROR) synonym verwandt. Zur Genese des Begriffs “GWOT” siehe Woodward, Bob: Bush at War; New York, London, Toronto 2003, S. 30 – 34; im folgenden zitiert als Woodward: Bush at War..., 9 Vgl. Kröger, Uwe: Die Bilder brauchen Skepsis. Aus der Praxis der Afghanistan-Berichterstattung; in: Zweites Deutsches Fernsehen [Hrsg.]: ZDF-Jahrbuch 2001; Mainz 2002, S. 79 – 81, hier S. 80, im folgenden zitiert als Kröger: Bilder brauchen Skepsis..., 10 Leyendecker, Hans: Die Lügen des Weißen Hauses. Warum Amerika einen Neuanfang braucht; Reinbeck bei 2004, S. 16 – 17, im folgenden zitiert als Leyendecker: Lügen des Weißen Haueses...,

Seite 3 “The Picture Survives” sen sollte. Bei der Berichterstattung über aktuelle Ereignisse muß zwischen dem Alltagsgeschäft – dem Pflichtteil eines Journalisten – und der Kür unterschieden werden. Das Alltagsgeschäft be- steht beispielsweise in der Berichterstattung über solche vorhersehbaren und planbaren tagesak- tuellen Ereignisse wie zum Beispiel den Parteitag einer politischen Partei. Die Kür hingegen be- steht in der Berichterstattung über aktuelle, aber nicht vorhersehbare und nur teilweise planbaren Ereignisse. Zwei Beispiele mögen diese Situation illustrieren: Die Ereignisse des 11. September 2001 konnten nicht vorhergesehen werden und daher konnte in keinster Weise geplant werden, wie in der Berichterstattung zu reagieren ist. Der Tod des Papstes im April 2005 hingegen war – aufgrund der langen Leidensgeschichte und des immer sichtbarer werdenden körperlichen Ver- falls Johannes Paul II. – vorhersehbar und somit redaktionell planbar. Ein Faktor, der gerne über- sehen wird, ist der Umstand, daß die Produktion von „Fernsehen“ in aller Regel Teamarbeit ist. So ist der Korrespondent vor Ort ohne Kameramann und Tonassistent ziemlich verloren, da erst diese beiden Kollegen in der Lage sind, die Vorstellungen des Korrespondenten in Bild und Ton umzusetzen. Ohne die Crew des Feedpoints11 nutzen die schönsten Bilder wenig, da sie wohl nie ein Zuschauer zu Gesicht bekommen wird. Dies gilt allerdings nur für die klassischen Fernseh- teams bestehend aus Redakteur, Kameramann und Ton- / Kameraassistent. Der immer beliebter werdende VJ (Videojournalist) ist Redakteur, Kameramann, Tonassistent und Cutter in Personal- union.12

Eine Sonderform der aktuellen Berichterstattung stellt die Kriegsberichterstattung dar. Prinzipiell gelten auch für sie die gleichen Regeln wie für die normale aktuelle Berichterstattung, jedoch ist das Arbeitsumfeld in den meistens Fällen ein vollkommen anderes als das gewohnte. Auch gel- ten hier oft andere Regeln im Umgang mit Kontakten und offiziellen (Presse-)Stellen. Auch das Verhalten im Kriegsgebiet unterscheidet sich grundsätzlich von dem in befriedeten Gebieten. Ferner ist das Lagebild in einem Krieg meistens extrem verworren, und in vielen Fällen läßt sich heute nicht mehr genau sagen, wo die Frontlinie – wenn es denn überhaupt eine gibt – verläuft. Obwohl das folgende Zitat auf den Soldaten im Felde gemünzt ist, läßt sich die Aussage auch analog auf den Berichterstatter vor Ort anwenden: “A soldier or sailor isn't told what goes on around him. Headquarters doesn't broadcast a play-by-play description of the game; it's too huge, confused and complex. [...]”13

Medien und Militär scheinen in Friedenszeiten grundsätzlich in einer Art „friedlicher Koexis- tenz“ nebeneinander zu existieren. Der Soldat als elementarer Teil des Militärs ist zugleich auch Teil der Gesellschaft, die – zumindest in demokratischen Gesellschaftssystemen – Kontrolle über die Streitkräfte ausübt. Die Medien wiederum leisten, in ihrer Rolle als vierte Gewalt, einen Teil der Kontrollfunktion der Gesellschaft, indem sie über die Streitkräfte berichten. In aller Regel 11 Unter einem Feedpoint versteht man die Einrichtung, von der aus Beiträge in die Heimatredaktion überspielt werden können. Die Überspielung kann entweder von einer Fernsehanstalt oder von einem Übertragungsfahr- zeug (SNG = SATELLITE NEWS GATHERING) aus erfolgen. Der neueste technische Trend besteht darin, den Beitrag nicht mehr 1:1 auf die MAZ (MAGNETISCHE AUFZEICHNUNG) beim Heimatsender zu überspielen, sondern den Bei- trag als Datei via FTP (FILE TRANSFER PROTOCOL) zu übertragen. Dieses Verfahren ist allerdings – wenn nicht auf File-basierten Formaten gedreht wird – ziemlich zeitaufwendig. 12 Vgl. Miroschnikoff, Peter: Die beste Lebensversicherung ist Teamwork. Aus 30 Jahren Krisen- und Kriegsbe- richterstattung; in: [Hrsg.]: "Sagt die Wahrheit: Die bringen uns um!". Zur Rolle der Medien in Krisen und Kriegen (= DW-Schriftenreihe, Bd. 3); Berlin 2001, S. 37 – 46, hier S. 37, im folgenden zitiert als Miroschnikoff: Lebenversicherung…,. Zum Themenkomplex des Videojournalisten siehe ausführlich Streich, Sabine: Videojournalismus. Ein Trainingshandbuch; Konstanz 2008, im folgenden zitiert als Streich: Videojour- nalismus…, 13 Hamm, Bradley; Shaw, Donald L.; Daniel, Douglass K.: World War II, The Asian Theater & The Korean War; in: Copeland, Douglas A. [Hrsg.]: The Greenwood Library of American War Reporting, Vol. 6; Westport / Conn., London 2005, S. 14, im folgenden zitiert als Hamm; Shaw; Daniel: American War Reporting, Vol. 6...,

Seite 4 “The Picture Survives” werden die Streitkräfte aber nur dann zum Thema in den Medien, wenn sich in ihnen ein Skandal ereignet, wenn seitens der Regierung teuere, in ihrem Sinn aber umstrittene Rüstungsprojekte oder Auslandseinsätze verabschiedet werden.14 Wenn zuvor von einer Art „friedlicher Koexis- tenz“ von Militär und Medien die Rede war, so stimmt dies nur teilweise: Medien werden – gera- de in höheren Stäben und Offiziersrängen – oftmals als “natural enemies”15 wahrgenommen. Hier brechen alte Konflikte der verschiedenen politischen Lager auf, die das Weltbild und die Denkweisen, die b e l i e v e s y s t e m s , der Angehörigen des jeweiligen politischen La- gers bestimmen. So werden Journalisten von Soldaten oftmals als (links-)liberal, grundsätzlich anti-militaristisch gestimmt und weniger patriotisch gesinnt als sie selbst wahrgenommen.16 Dies führt dazu, daß seitens des Militärs immer eine gewisse Vorsicht im Umgang mit den Medien zu beobachten ist. Diese grundsätzliche Vorsicht führt aber wiederum dazu, daß sich die Medien umso kritischer mit dem Militär auseinandersetzen, je vorsichtiger von dessen Seite agiert wird. In diesem Zwiespalt zwischen notwendiger Geheimhaltung und dem Recht der Öffentlichkeit auf Information gerät das Militär als Instanz unter extremen Druck der öffentlichen Meinung.

Angesichts dieser Rollenverteilung kann man auch von aktiven und passiven Rollen sprechen: Zu Friedenszeiten spielen die Medien die aktive Rolle, indem sie das Militär – wie oben geschil- dert – stellvertretend für die Öffentlichkeit kontrollieren. Das Militär hingegen nimmt die passive Rolle ein, indem es auf das Interesse der Öffentlichkeit reagiert. Diese Rollenverteilung ändert sich in Zeiten von Krieg drastisch: Aus der „friedlichen Koexistenz“ wird nun ein Verhältnis ge- genseitiger Abhängigkeit, in welchem beide Seiten auf Gedeih und Verderb aufeinander ange- wiesen sind. Dieses Verhältnis wird von dem britischen Journalisten Philip Knightly so beschrie- ben:

“[...] Correspondents have to choose because the aims of the military and the media are irreconcilable. The military wants to win the war as quickly as possible and preferably, because the face of battle is horrific, away from the public eye. The media wants to observe the military in action, bear witness, and record the first draft of history. [...]”17 Die demokratische Kontrolle der Streitkräfte ist nun nicht mehr so wichtig. Es entsteht eine Art „Burgfrieden“ als innenpolitischer Konsens, nach dem Kritik am Vorgehen der Streitkräfte zu- mindest unangebracht, wenn nicht sogar unerwünscht ist. So konnte nach dem 11. September 2001 und nach dem amerikanischen Gegenschlag gegen Stellungen der Taliban und der Al Kaida in Afghanistan ein Vertreter des amerikanischen Fernsehsenders Fox-News die Marschrichtung ausgeben, daß „Tote und Verwundete in der Zivilbevölkerung grundsätzlich keinen Nachrichten- wert [haben]“18, ohne daß die Öffentlichkeit empört aufgeschrieen hätte. Vor dem Krieg gegen Saddam Hussein im Jahre 2003 gab der amerikanische Präsident George W. Bush die Parole aus, daß es für den Rest der Welt nur zwei Möglichkeiten des Verhaltens gäbe: entweder für oder ge-

14 Siehe den sogenannten „Folter-Skandal“ von Coesfeld, die Foto-Affäre aus Afghanisten und die Diskussion um die Verlängerung des Mandates für die ISAF-Einsätze in Afghanistan. 15 Zitiert nach Knightley, Philip: First casualty, from the Crimea to Vietnam. The as hero, pro- pagandist and myth maker; Baltimore 2004, S. 368, im folgenden zitiert als Knightley: First casualty..., 16 Vgl. Kellner, Douglas: Kriegskorrespondenten, das Militär und Propaganda. Einige kritische Betrachtungen; in: Korte, Barbara; Tonn, Horst [Hrsg.]: Kriegskorrespondenten: Deutungsinstanzen in der Mediengesellschaft; Wiesbaden 2007, S. 17 – 38, hier S. 18, im folgenden zitiert als Kellner: Kriegskorrespondenten, das Militär und Propaganda,... 17 Knightley: First casualty..., S. xi 18 Zitiert nach Brender, Nikolaus: Der Umgang mit den Bildern des Terrors; in: Zweites Deutsches Fernsehen [Hrsg.]: ZDF-Jahrbuch 2001; Mainz 2002, S. 69 – 70, hier S. 70, im folgenden zitiert als Brender: Umgang mit den Bildern des Terrors...,

Seite 5 “The Picture Survives” gen die Vereinigten Staaten von Amerika zu sein.19 Dieses Diktum schloß, auch wenn das so ex- plizit nie gesagt wurde, die Medien mit ein. Für die amerikanischen Medien schien der Entschluß festzustehen: “[They] wrapped themselves in the American flag and substituted patriotism for impartiality”.20

Wichtig für die Redaktionen der verschiedenen Medien ist im Kriegsfall, möglichst umfassend über den Krieg berichten zu können. Dazu gehört, neben den Meldungen der Nachrichtenagentu- ren21 als geradezu klassische Informationsquellen, auch die Entsendung von Korrespondenten in das jeweilige Kriegsgebiet. Dies geschieht vorwiegend aus zweierlei Gründen: Zum einen zeigt die Redaktion, daß sie in der Lage ist, jemanden dorthin zu entsenden und dann auch von dort wieder in die Redaktion berichten zu lassen.22 Zum anderen gibt man damit dem ganzen Gesche- hen ein Gesicht, an dem sich der Zuschauer orientieren kann. Abgesehen davon, daß mit diesem Gesicht auch das Medium ein „menschliches“ Antlitz erhält, erhöht sich auch der Wert des Me- diums als Marke. Daß ein Fernsehsender heute auch als Marke verstanden werden muß, erklärt sich aus der sich immer weiter diversifizierenden Medienlandschaft. In Zeiten, in denen die ein- zelnen Programme immer austauschbarer werden, muß sich ein Fernsehsender immer stärker als Marke definieren, um den Zuschauer ansprechen zu können. So sind beispielsweise die ständi- gen Verweise der öffentlich-rechtlichen Sender auf ihr weltumfassendes Korrespondentennetz zum einen der Versuch, der Politik klarzumachen, daß dieses Netz nicht umsonst zu haben ist und deshalb der öffentlich-rechtliche Rundfunk als gebührenfinanziertes Modell nicht zur Dispo- sition gestellt werden darf; zum anderen sind sie aber auch der Versuch, durch die damit gezeigte Kompetenz in Sachen Nachrichten und Personal vor Ort so etwas zu schaffen wie ein Etikett für seriöse, fundierte Berichterstattung und Kompetenz in Information.23 Neben der Definition sol- cher abstrakten Begriffe wie „Kompetenz in Information“ sind auch Personen notwendig, um diese Marke mit Leben zu füllen. Daher gibt es für die Hauptnachrichtensendungen Moderato- ren, die immer wieder nur für diese Aufgabe eingesetzt werden. Diese A n c h o r s bilden die Schnittstelle zum Zuschauer. Durch sie wird es dem Zuschauer ermöglicht, eine emotionale Bin- dung zum Moderator und damit auch zur Nachrichtensendung und letztlich auch zum Sender aufzubauen. Gleichzeitig erzeugen sie durch die ihnen zugeschriebene journalistische Kompe- tenz einen Schein von Objektivität, der beim Zuschauer den Eindruck erwecken soll, der Anchor habe all seine journalistische Kompetenz in die Produktion dieser Nachrichtensendung gesteckt. Wie wichtig diese Anchors mittlerweile sind, zeigt sich beispielsweise am Medienecho auf die personellen Veränderungen in den „“ und dem „heute-journal“.24 Aber nicht nur die

19 Vgl. Knightley: First casualty..., S. xi 20 Knightley: First casualty..., S. xi 21 Zur Arbeitsweise und zum Selbstverständnis der Nachrichtenagenturen im allgemeinen siehe Segbers, Michael: Die Ware Nachricht. Wie Nachrichtenagenturen ticken; Konstanz 2007, im folgenden zitiert als Segbers: Die Ware Nachricht..., 22 Vgl. Miroschnikoff: Lebenversicherung…, S. 38 23 In diesem Zusammenhang ist auch die seit einiger Zeit im Fernsehen zu sehende Werbekampagne „ARD + ZDF. Ihr gutes öffentliches Recht“ zu sehen 24 Nur eine kleine Auswahl der Schlagzeilen über „Tagesthemen“ und „heute-journal“ des Jahres 2007 – ohne je- den Anspruch auf Vollständigkeit: Grimberg, Steffen; Denk, David: Der Tag geht, Kleber kommt; Heute vor 30 Jahren gingen "Tagesthemen" und "heute-journal" zum ersten Mal auf Sendung. Die Nachrichtenmagazine er- klären die Welt - wem man lieber zuguckt, ist Geschmackssache, in: die tageszeitung, 2. Janauar 2008, S. 17; Tieschky, Claudia; Keil, Christopher: "Am Ende steht für mich Erkenntnisgewinn"; Gespräch mit der neuen "Tagesthemen"-Moderatorin Caren Miosga über Respekt, Nadelstreifen und Tom Buhrow; in: Süddeutsche Zei- tung, 7. Juli 2007, S. 23; Siepmann, Julia: Eine Journalistin, so bunt und ehrlich wie ihr Kiez; Dunja Hayali - das neue Gesicht des ZDF; in: Welt am Sonntag, 17. Juni 2007, S. B 3; Keil, Christopher: Schnupper, schnup- per; Harald Schmidt (ARD) moderiert mal das "heute-journal" (ZDF); in: Süddeutsche Zeitung, 19. April 2007, S. 16; Leyendecker, Hans: Änderung der Änderung; Die Sprunghaftigkeit der ARD-Hierarchen macht ratlos; in:

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Anchors prägen das Gesicht eines Fernsehsenders. Zu- schauerbindung ist heute für den einzelnen Fernseh- sender überlebenswichtig. Ohne sie kann heute kein Fernsehsender mehr auskommen, da die Möglichkeit des wahllosen Herumzappens dazu geführt hat, daß der Zuschauer immer mehr sein eigener Programmdi- rektor werden konnte. Zur Definition eines Fernseh- senders als Marke gehört aber auch das jeweilige ganz spezifische graphische Erscheinungsbild des Senders. Dieses verpaßt dem Sender erst die Corporate Identity, Abbildung 1: Der neue Anchor des ZDF "heute-journals" in der Dekoration des Nachrichtenstudios. Das Bild datiert auf anhand derer er in der Vielzahl der heute empfangba- den Februar 2003. ren Kanäle wiedererkannt werden kann. Ferner muß Quelle: ZDF-Bilderdienst dabei auch berücksichtigt werden, daß die Markenbil- dung auch zu einem gewissen Teil dem aktuell herr- schenden Zeitgeist geschuldet ist. In Zeiten, in denen ganze Zeitschriften davon leben, der Leserschaft zu erklären, welcher Prominente welches „Label“ zu welchem Anlaß getragen hat – das also dann folglich „in“ sein muß – können sich wohl auch Fernsehsender nicht diesem Markenfetischismus entziehen. Der Versuch eines Fernsehsenders, sich als Marke zu definieren, ist also auch der Versuch, der programmlichen Beliebigkeit der ungezählten Fernsehkanäle, auf die der Zuschauer heute zu- rückgreifen kann, etwas entgegenzusetzen.25 Wenn dem aber so ist, so muß die Frage gestellt werden, ob bei all diesen Versu- Abbildung 2: Das Logo des ZDF im Wandel der chen, sich als Marke zu definieren, eine ernstzunehmende und Zeiten. seriöse Kriegsberichterstattung überhaupt noch möglich ist. Quelle: ZDF-Bilderdienst Im Falle eines Krieges sind die Journalisten vor Ort auf das Wohlwollen des Militärs angewie- sen, wollen sie überhaupt etwas zu berichten haben.26 Das Klischee, das vorwiegend durch den Krieg in Vietnam geprägt wurde, nach dem der Journalist morgens an der Hotelbar noch seinen Kaffee trinken und dann, langsam wach werdend, zum Flughafen fahren kann, um mit der nächs- ten Maschine zur nächstbesten Einheit zu fliegen, um dann am Abend an der Hotelbar seinen Be- richt zu verfassen und danach noch den einen oder anderen Drink zu nehmen, ist heute nichts mehr als ein ziemlich plattes Klischee.27 Das Handbuch “A short guide to news coverage in Viet Nam”28 des damaligen Büroleiters der Nachrichtenagentur AP in Saigon, Malom Browne, für Journalisten in Vietnam zeichnet ein etwas anderes, vermutlich realistischeres, Bild vom Kriegs- Süddeutsche Zeitung, 5. April 2007, S. 17; Starke, Anna: Die neue Quoten-Frau. So nett, so seriös: Die "Tagesschau"- Sprecher haben eine neue Kollegin. Mit Judith Rakers um 20 Uhr versucht die ARD zum Urmodell nachrichtlich-femi- niner Ernsthaftigkeit zurückzukehren; in: http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/0,1518,542299,00.html (Letzter Zugriff 15. 07. 2008) 25 Vgl. Schawinski, Roger: Die TV-Falle. Vom Sendungsbewußtsein zum Fernsehgeschäft; Zürich 20072, S. 17, im folgenden zitiert als Schawinski: TV-Falle…, 26 Vgl. Miroschnikoff: Lebenversicherung…, S. 40 27 Vgl. hierzu die „einschlägigen“ Erinnerungen der lange Zeit in Saigon stationierten Journalisten wie etwa , Horst Fass oder . Siehe auch Hammond, William M.: Who were the Saigon Corre- spondents, and does it Matter? (With an Appendix on the Embedded Reporters of the Iraq War); in: Ionescu, Mi- hail E. [Hrsg.]: War, Military and Media from Gutenberg to Today (= Acta XIX. International Congress of Mili- tary History); Bucharest 2004, S. 80 – 108, im folgenden zitiert als Hammond: Who Were the Saigon Corre- spondents..., 28 http://www.pbs.org/weta/reportingamericaatwar/reporters/browne/ap_handbook.html (Letzer Zugriff 15. 07. 2008)

Seite 7 “The Picture Survives” geschehen in Vietnam. In Wirklichkeit haben beide Seiten diametral entgegengesetzte Interessen: Der Korrespondent möchte so viel wie möglich, so schnell wie möglich über einen Konflikt be- richten, während die Militärs so wenig wie möglich, so spät wie möglich über den selben Kon- flikt berichten wollen.29

Nicht nur der Gegensatz zwischen „so viel und so schnell wie möglich“ und „so wenig und so spät wie möglich“, sondern auch die schiere Vielzahl an Anfragen an das Militär machen die Zu- sammenarbeit mit dem Militär nicht eben leicht. Wie sehr aber oftmals die Herausgeber und Chefredakteure Teil des Establishments sind und daher ein Interesse an guten Beziehungen zu militärischen Stellen haben, macht zum Beispiel die Rede des Chefredakteurs der britischen Nachrichtenagentur Reuters30 vor seinen Redakteuren und Mitarbeiten am 27. Juli 1939 deutlich. Er sprach darüber, wie Nachrichten, die Auswirkungen auf die offizielle Sphäre haben, in Kriegszeiten behandelt werden sollten. Seinen Mitarbeitern riet er, sich immer der führenden Stellung, der großen Reputation von Reuters bewußt zu sein und dementsprechend zu handeln.31

In dieser Arbeit soll auch eines der Grundprobleme der Berichterstattung über Kriege themati- siert werden: Der Zwang, eine Nachricht zu bringen – auch wenn es eigentlich gar nichts Neues zu berichten gibt. In den letzen 30 Jahren hat sich das Tempo der Berichterstattung erheblich be- schleunigt. Der Puls der Medien hat sich – analog zum Puls der Zeit – erhöht. Die Schlagzahl, mit der Nachrichtenredaktionen heute arbeiten, ist in einem derartigen Maße gestiegen, daß oft- mals für eine genaue Nachprüfung der Fakten keine Zeit bleibt. Die Redaktion des Medienmaga- zins des NDR-Fernsehens „ZAPP“ konnte dies etwa in ihrer Sendung vom 14. März 200732 am Beispiel der Äußerungen des SPD-Vorsitzenden Kurt Beck zur CO2-Bilanz der Atomkraft illus- trieren. Während Becks Äußerungen an jenem Tag auf allen Kanälen auf und ab liefen und sei- tens der Nachrichtenredakteure nicht kritisch geprüft wurden, kamen die kritischen Recherchen der Nachrichtensendungen erst mit mindestens eintägiger Verspätung.33 So kommt es, daß Eil- meldungen der Nachrichtenagenturen weitergegeben werden, ohne auf Bestätigung durch andere Agenturmeldungen zu warten.34 Auch der oben beschriebene Reporter vor Ort sieht sich diesem Druck ausgesetzt. Oftmals von der Redaktion eiligst in Marsch gesetzt, steht er vor der Kamera und muß versuchen, die wenigen Informationen, die er hat, zu einem sinnvollen Text zusammen- zusetzen.35

In der modernen Medienwelt ist es so, daß das Medium, wie Bruce Cumings es so treffend for- muliert, selbst oftmals zur eigenen Nachricht verkommt. Die Möglichkeit, sich binnen weniger Sekunden durch die gesamte Welt, von Kontinent zu Kontinent, zu schalten, trägt nur in den sel- tensten Fällen zur Erhellung des Lagebildes bei. Leider ist es allzuoft der Fall, daß der Reporter vor Ort an der Aufgabe, dem Zuschauer das Ereignis in einer Minute und dreißig Sekunden zu

29 Vgl. Knightley: First casualty..., S. 300 30 Zu jener Zeit (1939) firmierte Reuters noch unter dem Namen Reuter. Die Umänderung des Namens erfolgte erst später. 31 Vgl. Read, Donald: The Power of News. The History of Reuters 1849 - 1989; London, New York 1992, S. 217; im folgenden zitiert als Read: Power of News..., 32 NDR Sendung ZAPP, Sendedatum: 14. 03. 2007, Sendezeit: 23. 00 Uhr 33 Das „heute-journal“ des ZDF brachte am 15. 03. 2007 einen Bericht zu Becks Äußerung, in dem gezeigt wurde, wie unbegründet und haltlos die Äußerungen Becks sind. 34 Vgl. Segbers, Michael: Die Ware Nachricht. Wie Nachrichtenagenturen ticken; Konstanz 2007, im folgenden zi- tiert als Segbers: Die Ware Nachricht..., S. 134 – 137, der Autor listet hier einige der peinlichsten Fehlmeldun- gen der Nachtrichtenagenturen auf und schildert für einen konkreten Fall das Zustandekommen der Falschmel- dung und deren drastische Konsequenzen. 35 Vgl. Miroschnikoff: Lebenversicherung…, S. 38

Seite 8 “The Picture Survives” erklären, scheitert. In diesem Fall wird die technische Möglichkeit, den Reporter vor Ort in die Sendung schalten zu können, zur einzigen Nachricht, gleichsam der Devise folgend: Es ist etwas passiert und wir waren mit einem Reporter dabei. In den meisten Fällen handelt es sich dann auch noch um „Fallschirm-Journalisten“36, die aus der heimischen Redaktion kommend, in das Kriegs- oder Katastrophengebiet eingeflogen wurden und mit den lokalen Gegebenheiten wenig bis überhaupt nicht vertraut sind. Diese Unerfahrenheit mit den Gegebenheiten wird dann zum Problem, wenn der Reporter vor Ort nur so kurz wie nötig vor Ort bleibt und dadurch keine Ge- legenheit hat, etwas über die Situation vor Ort zu lernen.37 Dieser Umstand wurde schon vom Büroleiter der Washington Post in Saigon, , kritisiert: “Braestrup added that many legitimate reporters were on the scene for only short periods of time, often less than a week. This was just long enough to give their work at home some semblance of cachet but hardly enough for them to learn much about the war.”38

Die Zusammenarbeit von Militär und Medien in Kriegszeiten ist Gegenstand zahlreicher Unter- suchungen und Darstellungen.39 Aus der Vielzahl von Kriegen, die sich seit dem Jahr 1960 ereig- net haben, wurden für diese Arbeit nur die Kriege ausgewählt, die eine Veränderung in der Be- richterstattung und im Verhältnis zwischen dem Militär und den Medien mit sich gebracht ha- ben: der Vietnam-Krieg, der Krieg um die Falkland-Inseln, der Golfkrieg von 1991 und schließ- lich die beiden Kriege in der Folge des 11. September in Afghanistan und gegen den Irak. Außer acht gelassen wurden die unzähligen Kriege in Afrika sowie in Mittel- und Lateinamerika. Le- diglich die im Jahre 1989 erfolgte amerikanische Invasion in Panama soll hier erwähnt werden, da sie für das Verständnis der späteren Pressepolitik des Pentagons von entscheidender Bedeu- tung ist. Korrekterweise muß die Frage nach dem Verhältnis von Militär und Medien in umge- kehrter Reihenfolge gestellt werden. Schließlich berichten ja die Medien über das Militär und bringen ihm dadurch eine gewisse Aufmerksamkeit entgegen. Auch wenn das Forschungsfeld aus dem angelsächsischen Sprachraum kommend mit “Military-Media Relations” bezeichnet wird, so ist in dieser Arbeit doch eher das Verhältnis der Medien zur kriegsführenden Macht als das Verhältnis der kriegsführenden Macht zu den Medien von Interesse. Was zuerst nach Wort- klauberei klingt, wird dann logisch, wenn die Annahme, daß die Medien ja über den Krieg und das Militär berichten wollen, in diese Überlegungen eingeführt wird. Dann nämlich wird klar, daß ein Großteil der Definitionsmacht und Deutungshoheit über die Ereignisse nicht mehr in Händen des Militärs liegt. Damit ist es dem Militär nicht mehr möglich, seine Sichtweise der Dinge ungefiltert an die Öffentlichkeit weiterzugeben. Wenn aber die Deutungshoheit über die Ereignisse in die Hände der Medien übergangenen ist, dann ist es gerechtfertigt, von “Media- Military Relations” zu sprechen.

36 Zititert nach Munz, Richard: Im Zentrum der Katastrophe. Was es wirklich bedeutet, vor Ort zu helfen; Frank- furt, New York 2007, S. 34, im folgenden zitiert als Munz: Im Zentrum der Katastrophe..., 37 Vgl. Cumings: War and Television..., S. 1 – 2 ; Miroschnikoff: Lebenversicherung…, S. 42 38 Zitiert nach Hammond: Who Were the Saigon Correspondents..., S. 80 39 An dieser Stelle seien nur einige Publikationen hierzu genannt, unter anderem Young, Peter; Jesser, Peter: The Media and the Military. From the Crimea to Desert Strike; Basingstoke 1997, im folgenden zitiert als Young; Jesser: Media and the Military...,; Hudson, Miles; Stanier, John: War and the Media. A random Searchlight; Phoenix Mill 1997, im folgenden zitiert als Hudson; Stanier: War and the Media...,; Nikiforov, Nikolai Ivanovic: War and Mass Media. Problem Analysis; in: Ionescu, Mihail E. [Hrsg.]: War, Military and Media from Guten- berg to Today (= Acta XIX. International Congress of Military History); Bucharest 2004, S. 483 – 456, im fol- genden zitiert als Nikiforov: War and Mass Media...,; Rid, Thomas: War and Media Operations. The US Milita- ry und the Press from Vietnam to Iraq; London, New York 2007, im folgenden zitiert als Rid: War and Media Operations...,; Thrall, Trevor A.: War in the Media Age; Cresskill / New Jersey 2000, im folgenden zitiert als Thrall: War in the media age...,

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Diese Änderung der Begrifflichkeit hat nun aber zur Folge, daß sich die klassische Form der Tra- dierung und damit auch die Kultur des Erinnerns ändert. Wurden Kriege früher über die Erinne- rung des Einzelnen und die Lageberichte in den Zeitungen tradiert, so finden Kriege heute – trotz eines erheblichen Aufwandes in der Berichterstattung – weitgehend unter Ausschluß der Öffent- lichkeit statt. Anders formuliert: Trotz der Tatsache, daß immer mehr über Kriege berichtet wird, wird das, was über diese Kriege wirklich bekannt ist, immer weniger. Als im Dezember 2001 die amerikanischen Truppen in Afghanisten gegen die letzen Kämpfer von Taliban und Al Qaida vor- gingen, konnte man den Fernsehberichten lediglich entnehmen, daß die Kämpfe weitergingen. Dazu sah man feuernde Panzer und Kondensstreifen am Himmel, die angeblich amerikanische Kampfflugzeuge darstellen sollten. Was aber genau vor sich ging, das kann bis heute nicht re- konstruiert werden. Bis zum Fall von Bagdad im April 2003 brachte das ZDF 45 Sondersendun- gen über diesen Krieg.40 Selbst mit Unterstützung eines ehemaligen Generals der Bundeswehr konnte zu keiner Zeit ein genaues Lagebild gewonnen werden.

Ein beliebtes Mittel der jeweiligen Machthaber, zu erreichen, daß weniger berichtet wird, ist die Zensur der Berichte. Folgt man der Definition des Dudens, so ist Zensur eine behördliche Prü- fung mit einem gegebenenfalls einhergehenden Verbot von Druckschriften und anderen Medien. Dieser Erklärung muß aber für die vorliegende Arbeit erweitert werden, da diese Definition man- che Formen der behördlichen Einflußnahme auf den Journalismus nicht abdecken kann. So nimmt sie beispielsweise von der Möglichkeit der Selbstzensur, der sprichwörtlichen „Schere im Kopf“, keine Notiz, obwohl sie in den letzen Jahren immer wichtiger geworden ist. Unter ande- rem werden die diversen subtilen Methoden der Pressezensur davon nicht erfaßt. Auch wenn das chinesische Staatsfernsehen es wohl nie zugeben würde, ist doch die Tatsache, daß alle Livebil- der des olympischen Fackellaufs durch die Welt mit ungefähr einer Minute Verzögerung ausge- strahlt wurden, um nötigenfalls unliebsame Bilder unterdrücken zu können, eine dieser subtilen Methoden der Pressezensur. Schließlich sieht der Zuschauer so nur Bilder voller Harmonie. Des- weiteren läßt diese Definition die vielfältigen Formen der Behinderung von Journalisten in der Ausübung ihres Berufes außer acht.

Ferner sind die Form und der Grad der Zensur das wohl wichtigste Kriterium bei der Beurteilung des Einflusses der ausgewählten Kriege auf die Geschichte der Kriegsberichterstattung. Der Krieg gegen den Irak im Jahre 2003 brachte eine neue Spezies von Berichterstatter hervor, den “Embedded Journalist”. Dieser sollte, so die Pläne des amerikanischen Verteidigungsministeri- ums, einer Einheit der US-Streitkräfte zugeteilt werden, er sollte diese Einheit während des ge- samten Krieges begleiten und über sie wie auch über den Verlauf des Krieges berichten. Bald wurde Kritik an diesen Plänen laut. Die Kritiker stellten die Objektivität der “Embedded Journal- ists” grundsätzlich in Frage: Ein Journalist, der einer militärischen Einheit zugeteilt ist, mit ihr lebt und damit auch das Schicksal dieser Einheit teilt, könne – so die Argumentation der Kritiker – niemals neutral und objektiv berichten. Ihm fehle die notwendige Distanz zu den Ereignissen, über die er zu berichten hat. Grundlage der Kritik war die Frage, ob ein Reporter, der vor Ort über einen Krieg berichtet, seiner Arbeit mit der gebotenen Sorgfalt und Distanz nachgehen kann. Eine Zensur im Sinne der Definition des Duden gab es im Irak-Krieg bei den “Embedded Journalists” zumindest auf dem Papier auch, jedoch setzten die Verantwortlichen lieber auf die Schere im Kopf des Reporters, der, da er ja eben mit der Einheit lebt und so zu einem Teil von ihr geworden ist, wohl nichts berichten wird, was seiner Einheit und damit auch ihm schaden könne.41 40 Vgl. Zweites Deutsches Fernsehen [Hrsg.]: ZDF-Jahrbuch 2003; Mainz 2004, S. 334 – 336 41 Zur Bedeutung der militärischen Einheit für den einzelnen Soldaten siehe Fraund, Philipp: Zur Funktion einer Elite - Das United States Marine Corps als Stifter nationaler Identität; in: Hofmann, Wilhelm; Lesske, Frank

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Das klassische Beispiel dafür, was passieren kann, wenn keinerlei Zensur in einem Kriegsgebiet ausgübt wird, ist der Krieg, der sich von 1960 bis 1975 in Vietnam und Süd-Ost-Asien abspielte. Dies war der einzige Krieg, über den die westlichen Medien ohne jede Form von Zensur berich- ten konnten. Gleichzeitig steht dieser Krieg im Ruf, der bestdokumentierte Krieg überhaupt zu sein, ein Einschätzung, die sich erstens auf die Intensität der Berichterstattung über die gesamte Dauer des Krieges und zweitens auf die Zahl der Journalisten vor Ort stützt.42 Folgt man den Er- hebungen des Centers of Military History der U.S. Army, waren 5098 Journalisten in Vietnam akkreditiert.43 Damit verbunden war jedoch eine teilweise kritischere und skeptischere Berichter- stattung, als dies den offiziellen Stellen lieb sein konnte. Gleichwohl scheiterte, wie zu zeigen sein wird, die Einführung einer Pressezensur schon zu Beginn des amerikanischen Engagements in Vietnam. Dies führte dazu, daß sich die Legende, die Medien hätten durch ihre Berichterstat- tung maßgeblich zur Beendigung des Krieges beigetragen, bis heute hartnäckig hält. Es wird zu fragen sein, ob diese Legende weiterleben kann.

Zwischen diesen beiden Extremen in der Berichterstattung und Zensur verliefen weitere Kriege und Konflikte, in denen sich die Einschränkungen und Zensurmaßnahmen immer weiter verfei- nert haben. Rekonstruiert man den Verlauf der Einschränkungen und Zensurmaßnahmen in der Berichterstattung über Kriege, so scheint der Schluß nahezuliegen, daß sich diese Maßnahmen von Krieg zu Krieg verschärft haben. Hierbei scheint es sich eher um eine Form von institutio- nellem Lernen zu handeln als um ein zufälliges Produkt. So läßt sich das Diktum des amerikani- schen Militärhistorikers Samuel Eliot Morison “Military men are often accused of planning every new war in terms of the last one.”44 in diesem Fall eher auf die Berichterstattung der Presse anwenden als auf die Planungsstäbe der Militärs. Daraus läßt sich aber der Schluß ableiten, daß die Presse oftmals in die Berichterstattung über einen Krieg so einsteigt, wie sie es im Krieg zu- vor auch getan hat.

Wenn dem aber so ist, dann stellt sich die Frage, ob nur die Militärs Lehren aus den vergangenen Kriegen gezogen haben. Bei einem Blick auf die Umstände der Berichterstattung zeigt sich aber, daß der Lernprozeß der Medien oftmals spät einsetzt und sich nicht so sehr mit den Vorwürfen der Kritiker gegen die Medien befaßt, sondern oftmals nur schaut, wie über den letzten Krieg bei der Konkurrenz berichtet wurde; welche Mittel und Techniken sie eingesetzt hat, um die Bericht- erstattung sicherzustellen. In dieser Art und Weise findet auch innerhalb der Sendeanstalten und Verlagshäuser ein institutioneller Lernprozeß statt, der sich aber von dem der Militärs grundle- gend unterscheidet. Dieser unterschiedliche Lernprozeß hängt unter anderem damit zusammen, daß die Konkurrenzsituation der verschiedenen Medien untereinander viel größer ist als die des Militärs. Ferner besteht zumindest der Verdacht, daß es sich bei den Medien um extrem selbstre- ferentielle Institutionen handelt, die mehr an der „Nabelschau“ untereinander interessiert sind als an der Verbesserung der Berichterstattung. In diesem Fall trifft das alte Credo der Verfechter ei- ner freien Marktwirtschaft, nach dem sich über Angebot und Nachfrage auch die Qualität ändert,

[Hrsg.]: Politische Identität – visuell; Münster 2005, S. 87 – 109, hier S. 88 – 89, im folgenden zitiert als Fraund: Funktion einer Elite..., 42 Vgl. unter anderem die Fragestellung in Shaughnessy, C. A.: The Vietnam Conflict. "America's Best Documen- ted War"?; in: The History Teacher 24 / 2 / 1991; S. 135 - 147 , im folgenden zitiert als Shaughnessy: Vietnam Conflict..., 43 Zahlenangabe entnommen aus Hammond: Who Were the Saigon Correspondents..., S. 81 44 Zitiert nach Morison, Samuel Eliot: The Battle of the Atlantic. September 1939 - May 1943; Boston 1984, S. 3, im folgenden zitiert als Morison: Battle...,

Seite 11 “The Picture Survives” nicht zu. Es ist vielmehr zu beobachten, daß die Qualität des Fernsehprogramms im Allgemeinen wie auch die Qualität der Kriegsberichterstattung im Speziellen in umgekehrt proportionalem Verhältnis zur Anzahl der empfangbaren Programme steht.

Daher erscheint es notwendig zu sein, die Berichterstattung über Kriege durch den kritischen Blick des Historikers zu würdigen. Der Blick von außen gerade auf das selbstrefentielle System der Medien scheint umso nötiger, je mehr die Medien in der modernen Gesellschaft die Funktion einer Deutungsinstanz wahrnehmen.45 Dadurch, daß die Medien eben diese Funktion wahrneh- men, wird ihnen bzw. den Bildern und Informationen, die sie liefern, eine Objektivität zuge- schrieben, deren Anspruch sie aber in den seltensten Fällen gerecht werden können. Wenn ihnen aber dieses nicht einzulösende Objektivitätsversprechen zugeschrieben wird, dann muß danach gefragt werden, wie es zu dieser Zuschreibung kommt und ob sich die Berichterstattung dieser Erwartungshaltung angepaßt hat.

1.1 Quellenlage

Kriege und Konflikte sind so alt wie die Menschheit selbst.46 In dem Maße, wie sich die Natur, das Erscheinungsbild des Krieges, über die Jahrhunderte geändert hat, scheint sich auch die Art und Weise, wie über Kriege berichtet wird, geändert zu haben.47 Folgt man John Keegan und den Entdeckern der Psychoanalyse um Sigmund Freud, so reicht Krieg bis in die dunkelsten Tiefen der menschlichen Seele, dorthin, „wo das Ich rationale Ziele auflöst, wo der Stolz regiert, Emo- tionen die Oberhand haben und der Instinkt herrscht.“48 Wenn er aber in diesen Ebenen der menschlichen Seele existiert, dann ist der Mensch gewissermaßen genetisch auf Krieg program- miert. So erschreckend diese Vorstellung ist, sie gehört zu den Grundlagen der politischen Theo- rie, aber auch zu den Fundamenten der großen monotheistischen Religionen. Aus dieser Vorstel- lung heraus entwickelten sich auch die ersten Versuche zur Begrenzung und Einhegung des Krie- ges.49 Die Versuche, Krieg zu begrenzen, hatten ihre Ursache vermutlich in dem Schrecken, den

45 Siehe hierzu auch den Titel des Sammelbandes von Korte, Barbara; Tonn, Horst [Hrsg.]: Kriegskorresponden- ten: Deutungsinstanzen in der Mediengesellschaft; Wiesbaden 2007 46 Vgl. Knott-Wolf, Brigitte: Zwischen Sensationsmache und Propaganda. Über Macht und Ohnmacht der Kriegs- berichterstatter; in: Deutsche Welle [Hrsg.]: "Sagt die Wahrheit: Die bringen uns um!". Zur Rolle der Medien in Krisen und Kriegen (= DW-Schriftenreihe, Bd. 3); Berlin 2001, S. 15 – 26, hier S. 15; im folgenden zitiert als Knott-Wolf: Sensationsmache und Propaganda…, 47 Hierzu ausführlich Münkler, Herfried: Die neuen Kriege; Reinbeck / Hamburg 20022, im folgenden zitiert als Münkler: Die neuen Kriege..., siehe auch Black, Jeremy: War in the new Century; London 2001, im folgenden zitiert als Black: War in the new Century..., siehe auch Keegan, John: Die Kultur des Krieges; Reinbeck / Ham- burg 20012, im folgenden zitiert als Keegan: Kultur des Krieges..., siehe ferner Frieser, Karl-Heinz: Blitzkrieg- Legende. Der Westfeldzug 1940; München 19962, im folgenden zitiert als Frieser: Blitzkrieg-Legende..., auch Roth, Günter: Das Verhältnis von Politik und Kriegsführung. Ein Streifzug durch die Militär- und Kriegsge- schichte; in: Militärgeschichtliches Forschungsamt [Hrsg.]: Ideen und Strategien 1940. Ausgewählte Operatio- nen und deren militärgeschichtliche Aufarbeitung (= Operatives Denken und Handeln in deutschen Streitkräften, Bd. 3); Herford, Bonn 1990, S. 11 – 66, im folgenden zitiert als Roth: Verhältnis von Politik und Kriegsfüh- rung..., siehe auch Vegetius, Flavius Renatus: Epitoma rei militaris; Aarau, Frankfurt / Main 1986, im folgenden zitiert als Vegetius: Epitoma..., siehe ferner Fürbeth, Frank: Zur deutschsprachigen Rezeption des "Epitoma rei militaris" des Vegetius im Mittelalter; in: Brunner, Horst [Hrsg.]: Die Wahrnehmung und Darstellung von Krie- gen im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit; Wiesbaden , S. 141 – 165, im folgenden zitiert als Fürbeth: Re- zeption der "Epitoma rei militaris"..., 48 Keegan: Kultur des Krieges..., S. 21 – 22 49 Vgl. Keegan: Kultur des Krieges..., S. 22. Zu den theologischen wie auch philosophischen Versuchen, den Krieg einzuhegen, siehe unter anderem Kleemeier, Ulrike: Grundfragen einer philosophischen Theorie des Krieges.

Seite 12 “The Picture Survives” der einzelne Kriegsteilnehmer erlebt hatte. Dieser Schrecken wurde innerhalb der Familie tra- diert und bildete so den Stoff der ersten Berichte über den Krieg. Der legendäre General des amerikanischen Bürgerkrieges, William Tecumseh Sherman, faßte im hohen Alter das Resümee seiner Erfahrungen mit Krieg wie folgt zusammen: „Ich habe den Krieg satt und bin seiner müde. Sein ganzer Ruhm ist nichts als fauler Zauber ... Der Krieg ist die Hölle“50. Mit der Schil- derung der Schrecken eines Krieges ist zugleich auch eine der großen Hoffnungen aller Kriegsre- porter verbunden: mit der Berichterstattung etwas zu bewegen und zu ändern. Dies setzt aber voraus, daß sich der Reporter immer an der Frontlinie bewegt. Die Frontlinie ist in diesem Fall eine doppelte: Zum einen handelt es sich um die Linie zwischen den beiden Kontrahenten, zum anderen aber um das, was im angelsächsischen Sprachgebrauch als “Frontlines of History” be- zeichnet wird. Diese Frontlinie ist ein rein theoretisches Konstrukt und spielt auf den Umstand an, daß Journalisten oftmals Augen-, aber auch Zeitzeugen historischer Umbrüche und Verände- rungen sind. Es ist daher auch zu fragen, ob das Gefühl, dort zu sein, wo augenblicklich Ge- schichte geschrieben wird, nicht zu einem gewissen Teil die eigentliche Motivation für einen Einsatz an dieser Frontlinie ist – schließlich treffen hier der Hauch von Abenteuer und Gefahr so- wie die Möglichkeit, zu guten und exklusiven Bildern zu kommen, aufeinander. Desweiteren scheint diese „Frontline“ auch eine Art Mythos zu sein, erhöht sich doch die Reputation unter den Kollegen, wenn der Reporter sehr nahe an der „Frontline“ war. Mittlerweile gibt es in Lon- don einen eigenen Club für Kriegsreporter – den “Frontline Club”51.

In diesem Club finden nicht nur Kriegsreporter aus aller Welt einen Ort, um sich, fernab vom Schlachtengetümmel, zu treffen und auszutauschen. Dabei ist Mitgliedschaft im Frontline-Club nicht an eine berufliche Tätigkeit als Kriegsreporter gebunden. Seine historischen Wurzeln hat dieser Club bei den Mitgliedern der mittlerweile nicht mehr existierenden Fernsehnachrichten- agentur “Frontline”52:

“[...] The Club quickly became a centre for a diverse group of people united by their passion for quality journalism and dedication to ensuring that stories that fade from headlines are kept in sharp focus. It exists to promote freedom of expression and support journalists, cameramen and photographers who risk their lives in the course of their work. [...]”53 Die Mitglieder des Clubs sind, wie das Zitat besagt, Anhänger des Qualitätsjournalismus und ha- ben eine lange Erfahrung in der Erstellung und Bearbeitung von Fernsehbeiträgen. Sie wissen daher auch um die Probleme, die sich bei der Bearbeitung eines Beitrages ergeben können.

Meldungen und Beiträge im Fernsehen entstehen heute aus vielen Quellen. Zum einen bestehen sie aus Material, das ein Kamerateam im Auftrag des Senders gedreht hat, aus Material also, des- sen Herkunft und Zuverlässigkeit von der verantwortlichen Redaktion meistens sehr genau ein- geschätzt werden kann. Zum anderen bestehen Fernsehbeiträge aber auch aus Material, das von den großen internationalen Nachrichtenagenturen wie APTN ( TELEVISION NEWS) und Reuters stammt. Die Redaktionen können in den meisten Fällen nur auf die Angaben der zu-

Platon - Hobbes - Clausewitz; Berlin 2002, im folgenden zitiert als Kleemeier: Grundfragen..., 50 Zitiert nach Keegan: Kultur des Krieges..., S. 28. General Sherman erlangte seinen legendären, aber auch zwei- felhaften Ruf dadurch, daß er 1864 nach Atlanta marschierte und alles entlang seiner Marschroute, inklusive des Ziels seines Marsches, in Brand steckte und so einen breiten Streifen verbrannter Erde, auch wenn dies damals noch nicht so genannt wurde, zurückließ, vgl. Walter, Dierk: Im Niemandsland. Cold Harbor, 31. Mai bis 3. Juni 1864; in: Förster, Stig; Pöhlmann, Markus; Walter, Dierk [Hrsg.]: Schlachten der Weltgeschichte. Von Salamis bis Sinai; München 20033, S. 201 – 21, im folgenden zitiert als Walter: Cold Harbor..., 51 http://www.frontlineclub.com/ (Letzter Zugriff 15. 07. 2008) 52 Vgl. http://www.frontlineclub.com/club_aboutus.php (Letzter Zugriff 15. 07. 2008) 53 http://www.frontlineclub.com/club_aboutus.php (Letzter Zugriff 15. 07. 2008)

Seite 13 “The Picture Survives” liefernden Agenturen vertrauen und sind selbst kaum in der Lage, die Herkunft und Zuverlässig- keit einschätzen zu können. Ein Mittelding zwischen beiden Extremen stellt das Material dar, das 54 über den Pool der EBU (EUROPEAN BROADCASTING UNION) mit Sitz in Genf bezogen wird. Materi- al aus diesem Pool stammt von einem der Partnersender der EBU und ist so zumindest besser nachprüfbar als das von APTN und Reuters. Auch der Text, ohne den das Fernsehen lediglich den Informationswert eines Stummfilms hätte, stammt aus den gleichen Quellen. Der Redakteur muß sich also bei der Produktion eines Fernsehbeitrages darauf verlassen, daß die Redaktionen der Nachrichtenagenturen sauber recherchiert haben. Daher sind Fernsehberichte stets mit einer gewissen Vorsicht zu genießen, spiegeln sie – auch wegen des beschränkten Blickwinkels der Kamera – lediglich einen Teil der Wirklichkeit wider.

Ein wesentlicher Teil dieser Arbeit befaßt sich mit Bildern. Es erscheint an dieser Stelle sinnvoll zu sein, eine Unterscheidung zwischen Fernsehbeiträgen einerseits und Bildern andererseits zu treffen. Dies ist umso notwendiger, da die Geschichtswissenschaft bei der Verwendung von Bild- quellen oder Bildern im allgemeinen große Probleme hat. Bilder werden zwar gerne zur Illustra- tion der eigenen Schriften verwandt, vor der Verwendung von Bildern als Objekt des eigenen Forschens schrecken die meisten Historiker aber zurück. Spätestens nachdem Bogdan Musial für die umstrittene Wehrmachtsausstellung des Hamburger Institutes für Sozialforschung die Ver- wendung falsch zugeordneter Bilder nachgewiesen hat, ist die Angst vor der Verlockung durch die „Macht der Bilder“ deutlich zu spüren.55 Der größte Unterschied von Fernsehbildern zu Standbildern ist, daß erstere bewegt56 und mit einem Sprechertext versehen sind. Begreift man Bild und Text im Fernsehen als Einheit, ist die Bilderflut überwältigend. Bei der Verwendung von Bildern besteht aber das große Problem, daß die Originale in den seltensten Fällen zugäng- lich sind. In den meisten Fällen sind die Aufnahmen dennoch von der einen oder anderen Websi- te downloadbar bzw. in diversen Büchern und Bildbänden verfügbar. Teilweise sind diese Bilder auch in mehreren Publikationen zu finden. Die Bildunterschrift jedoch – die in den meisten Fäl- len dem abgedruckten Bild den Kontext und die Bedeutung zuweist – ist aber vertauscht bzw. in- tendiert einen anderen Zusammenhang. Es wurde daher versucht, immer die originale Bildunter- schrift – soweit rekonstruierbar – zu verwenden. Ist bei einem Standbild die originale Bildunter- schrift noch rekonstruierbar, so ist dies bei den bewegten Bildern des Fernsehens schier unmög- lich: Da Fernsehbeiträge in den Archiven der Fernsehsender immer erst nach Ansicht des Beitra- ges verschlagwortet werden, wird dem Bild automatisch der Sprechertext als Bedeutung zuge- schrieben. Durch diese Zuschreibung besteht aber die Gefahr, den Bildinhalt mit einem vollkom- men anderen Kontext zu überschreiben.

Angesichts dieser Probleme stellt sich die Frage nach der Verwendbarkeit von Fernsehbeiträgen in der Geschichtswissenschaft. Diese Frage wurde in der Geschichtswissenschaft bisher nur im Rahmen der Diskussion um die zeitgeschichtlichen Dokumentationen Guido Knopps wahrge- nommen.57 Problematisch an Fernsehbeiträgen ist, so viel läßt sich schon jetzt sagen, der Um-

54 Bei der EBU handelt es sich um den Zusammenschluß aller öffentlich-rechtlich finanzierten Fernsehsender Eu- ropas. Nähere Informationen finden sich auf www.ebu.ch (Letzer Zugriff 15. 07. 2008). Eine Auflistung aller Mitgliedssender findet sich unter http://www.ebu.ch/en/ebu_members/actives/index.php (Letzter Zugriff 15. 07. 2008) 55 Vgl. Musial, Bogdan: Bilder einer Ausstellung. Kritische Anmerkungen zur Wanderausstellung „Vernichtungs- krieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941 bis 1944“; in: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte 4 / 47 / 1999; S. 563 – 592, im folgenden zitiert als Musial: Bilder einer Ausstellung..., 56 In aller Regel laufen Fernsehbilder mit 24 Halbbildern (Frames) pro Sekunde. 57 Vgl. Fraund, Philipp: Tagungsbericht Sektion „Popularisierung der Geschichte im Fernsehen – Folgen für die Geschichtswissenschaft“ Historikertag 2006 http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/tagungsberichte/id=1201 (Letzer Zugriff 15. 07. 2008)

Seite 14 “The Picture Survives” stand, daß sie nur teilweise mit den klassischen Methoden der historischen Forschung, wie exter- ne und interne Kritik, bearbeitet werden können. Diese Methoden versagen angesichts der An- dersartigkeit der Quellengattung. Daher ist zu fragen, inwieweit diese Quellengattung dann über- haupt für die historische Forschung geeignet ist. Grundsätzlich kann die Aussage getroffen wer- den, daß es notwendig ist, zu lernen, den Bildern zu mißtrauen.58 Dies ist umso notwendiger, als dieses Mißtrauen zur Zeit das einzige Mittel zu sein scheint, der faktischen Macht der Bilder nicht kritiklos zu erliegen.

Für diese Arbeit stand kaum Quellenmaterial in Form von Archivalien zur Verfügung. Insbeson- dere schriftliche Quellen zur neuesten Geschichte sind kaum erhältlich. Dies liegt vor allem dar- an, daß viele Bestände – vor allem in den amerikanischen National Archives – nicht oder kaum noch zugänglich sind.59 In diesem Zusammenhang ist das “Digital National Security Archive”,60 das sich zum Ziel gesetzt hat, alle für die Geschichte der nationalen Sicherheit der Vereinigten Staaten von Amerika relevanten Dokumente online und downloadbar zur Verfügung zu stellen, zumindest ein Zeichen der Hoffnung auf bessere Benutzungsmöglichkeiten. Leider ist dieses Ar- chiv – wie die meisten Angebote dieser Art – kostenpflichtig. Autobiographien und Zeitzeugen bieten einen guten Zugang zu Teilgebieten, können aber den Blick auf die Bestände in den Archi- ven nicht ersetzen.61 Problematisch ist vor allem, daß ein großer Teil der hier behandelten Kriege und Konflikte jüngeren Datums ist, so daß die minimale Sperrfrist in den Archiven von norma- lerweise 30 Jahren noch nicht vergangen ist. Im Falle des argentinisch-britischen Krieges um die Falklandinseln ist mit der Freigabe der Bestände frühestens im Jahre 2012 zu rechnen, beim 2. Golfkrieg frühestens im Jahre 2020. Von daher kann in diesen Fällen nicht mit archivalischen Quellen gearbeitet werden. Hier sind die bereits publizierten journalistischen Quellen oftmals die einzige Möglichkeit, das Geschehen zu rekonstruieren.

Ein weiteres, aber eher grundsätzliches Problem soll hier nicht unangesprochen bleiben: In dem Maße, wie regierungsinterne Kommunikation auf elektronischem Wege, also über eMail, abge- wickelt wird, besteht zumindest die Gefahr, daß Entscheidungen und Entscheidungsfindungspro- zesse innerhalb der Regierungen nicht mehr rekonstruierbar sind. Die Halbwertzeit von Doku- menten, die auf elektronischem Wege produziert, gespeichert und archiviert werden, entspricht nicht annähernd der Halbwertzeit von auf Papier festgehaltenen Dokumenten. Von den üblichen Problemen mit elektronischen Dokumenten einmal abgesehen, deren Folge gemeinhin als „Digi- tales Dunkles Zeitalter“62 bezeichnet werden, besteht auch die erhebliche Gefahr des versehentli-

58 Vgl. den Titel einer Tagung der Bundeszentrale für politische Bildung vom 9. Dezember 2002, siehe http://ww- w.bpb.de/presse/02J0KH,0,Lernt_den_Bildern_zu_misstrauen__.html (Letzter Zugriff 15. 07. 2008) 59 So sind z. B. alle Bestände zum Thema Afghanistan nach dem 11. September 2001 für weitere 70 Jahre zur Ver- schlußsache erklärt worden. Vgl. Wefing, Heinrich: Erlaß 13 233. Aktenhoheit: George W. Bush verschließt das Weiße Haus; in: Frankfurter Allgemeine Zeitung / 28. Mai 2002; S. 45 im folgenden zitiert als Wefing: Erlaß 13 233..., 60 Erreichbar unter folgender Internetadresse: http://nsarchive.chadwyck.com/ 61 Hier sind vor allem die Erinnerungen an ihre Zeit in Bagdad von Fröhder, Christoph Maria: Ein Bild vom Krieg. Meine Tage in Bagdad; Hamburg 2003, im folgenden zitiert als Fröhder: Bild vom Krieg...,; Rados, Antonia: Live aus Bagdad. Das Tagebuch einer Kriegs-Reporterin; München 2003, im folgenden zitiert als Rados: Live aus Bagdad...,; Tilgner, Ulrich: Berichte aus dem Irak; in: Zweites Deutsches Fernsehen [Hrsg.]: ZDF- Jahrbuch 2003; Mainz 2004, S. 67 - 69, im folgenden zitiert als Tilgner: Bericht aus dem Irak...,; Tilgner, Ulrich: Der in- szenierte Krieg; Reinbeck bei Hamburg 2003, im folgenden zitiert als Tilgner: Der inszenierte Krieg..., zu nen- nen. 62 Der Ursprung dieses Begriffes liegt im angelsächsischen Sprachraum, er wird dort mit „Digital Dark Age“ ange- geben. Hierunter versteht man vor allem die technischen Probleme, die bei der Archivierung von elektronischen Informationen entstehen. So sind heute Informationen, die einstmals auf 5,25 Zoll-Disketten abgelegt wurden, kaum noch lesbar, da die notwendige Hardware (und meistens auch eine kompatible Software) dafür fehlt. Vgl.

Seite 15 “The Picture Survives” chen oder gar absichtlichen Verlustes von Informationen. So mußte das mittlerwei- le zugeben, daß der gesamte eMail-Verkehr für 200 Tage seit Oktober 2002 nicht mehr auffind- bar ist.63

Die Archive der Fernsehanstalten lassen sich zumeist in zwei Bereiche aufteilen: Das Unterneh- mensarchiv auf der einen Seite, in dem die für die Unternehmensgeschichte des Fernsehsenders relevanten Dokumente verwahrt werden. Auf der anderen Seite das Programmarchiv, in dem alle für das Programm des Fernsehsenders relevanten Beiträge auf entsprechenden Speichermedien (Film und Video) verwahrt werden. Die Unternehmensarchive der Fernsehsender sind teilweise nicht zugänglich bzw. der Zugang bedarf der Genehmigung durch die Intendanz. Ferner lassen sich in diesen Archiven in aller Regel nur die Sendeprotokolle lückenlos nachweisen. Schrifttum, das Diskussionen in Redaktionen widerspiegeln könnte, ist kaum überliefert.64 Die Sendeproto- kolle wiederum geben wenigstens einen Anhalt, wie oft, in welchem Format, zu welcher Uhrzeit, auf welchem Sendeplatz über einen Krieg berichtet wurde. Leider ist die Arbeit mit diesen Sen- deprotokollen bisher eine eher unbekannte Art der Recherche. Die meisten Untersuchungen über das Fernsehen sind rein statistische Werke, in denen lediglich aufgezählt wird, wie hoch der An- teil an Nachrichten im Programm ist.65

Die Programmarchive der Fernsehanstalten sind für die Öffentlichkeit – auch für die Wissen- schaft – nicht zugänglich. Diese extrem restriktive Zugangsregelung hat ihren Ursprung darin, daß diese Archive in erster Linie dem internen Gebrauch des Hauses dienen und die Mitarbeiter der Archive mit den Anfragen der Redaktionen schon ausreichend zu tun haben. Ferner scheint der Aufwand, das dort vorliegende sendefähige Material auf VHS oder DVD zu kopieren, zu hoch. Die Kosten für professionelle Abspielgeräte sind selbst für Fernsehsender teilweise nicht mehr tragbar. Nicht zuletzt steht einer Weitergabe an Dritte oftmals die unklare Situation, die Ur- heberrechte betreffend, entgegen, da die Sender oftmals nur das Recht zur einmaligen Ausstrah- lung oder zur einmaligen Verwertung haben und Verstöße gegen diese Klauseln extrem teuer werden können. Als besonders negativ hervorzuheben ist ferner die Tatsache, daß alle Archive der großen Nachrichtenagenturen ebenfalls weder für wissenschaftliche Zwecke noch für die Öf- fentlichkeit zugänglich sind.

Desweiteren fallen bei der Verwendung von Archivmaterial dermaßen hohe Lizenzgebühren an, daß diese – zumindest bei Nutzung für wissenschaftliche Zwecke – nicht mehr tragbar sind.66 Dies ist umso schwerwiegender, als die von den Nachrichtenagenturen übertragenen Nachrichten die Basis für die meisten Zeitungsartikel der heutigen Zeit bilden. Die einzige Möglichkeit, Mel- dungen zu rekonstruieren, besteht darin, in den gelegentlich erscheinenden Bildbänden der Agen- turen nach Meldungen zu Bildern zu fahnden. Die einschlägigen Medienseiten der großen über- regionalen Tageszeitungen bieten hingegen einen guten und teilweise sehr kritischen Einblick in die Arbeitsweise der Medien in Kriegszeiten.67

http://www.ifla.org/IV/ifla63/63kuny1.pdf 63 Vgl. http://www.gwu.edu/~nsarchiv/news/20080226/index.htm 64 So waren mehrere Anfragen dieser Art an den Leiter des Unternehmensarchivs des ZDF erfolglos. 65 Ruhrmann, Georg; Göbbel, Roland: Veränderung der Nachrichtenfaktoren und Auswirkungen auf die journalis- tische Praxis in Deutschland. Abschlussbericht für netzwerk recherche e.V.; Wiesbaden 2007 66 So kostet beispielsweise der Zugriff auf Videomaterial bei dem Dienstleister www.efootage.com für Studenten 20 Dollar pro Sekunde, bei einer Mindestabnahme von 15 Sekunden. Dabei darf das so bezogene Videomaterial nur für ein Jahr verwandt werden, danach müssen die Rechte an diesem Material erneut erworben werden. In dieser Summe ist aber noch nicht die Kopie des Materials enthalten, die je nach Format des Archivbandes bis zu 250 Dollar betragen kann. (Letzter Zugriff 15. 07. 2008)

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Bei der Vielzahl der in dieser Arbeit genannten ausländischen Namen ist in der Literatur in den meisten Fällen keine kohärente Schreibweise zu sehen. Daher werden ausländische Namen, ins- besondere Namen aus dem arabischen und russischen Sprachraum, nach den einheitlichen und für deutschsprachige Nachrichtenagenturen verbindlichen Regelungen transkribiert.68

1.2 Anmerkungen zur verwendeten Literatur

Der Themenbereich „Medien und Militär“ ist vor allem in der angelsächsischen Literatur gut er- schlossen. Unter dem Stichwort “Media and Military” finden sich mehrere Publikationen.69 Pro- blematisch ist jedoch, daß viele Veröffentlichungen von außerordentlich zweifelhafter Qualität sind. Hier ist vor allem zu kritisieren, daß viele Autoren den gleichen Fokus, ungefähr vom Krimkrieg bis zu “Desert Storm”, haben. Arbeiten, die sich mit der Geschichte der Kriegsbe- richterstattung vor dem Krimkrieg beschäftigen, sind kaum zu finden. Hingegen sind Arbeiten zur Berichterstattung über die jüngsten Kriege meist nur statistische Analysen des Inhalts von FAZ und SZ.70 Historische Arbeiten zum Thema in dem Sinne, daß sie von Historikern verfasst worden sind, gibt es indes kaum. Der Großteil der verfügbaren Literatur ist von Journalisten, Kommunikationswissenschaftlern und nicht zuletzt von Militärs für ein breiteres Publikum ge- schrieben worden. Bei den von Angehörigen des Militärs verfaßten Büchern muß aber zwischen Autoren mit wissenschaftlichem Hintergrund einerseits und Autoren mit anderem Hintergrund andererseits unterschieden werden. Zu ersteren zählen unter anderem die „Historiker in Uniform“ der diversen Geschichts-Abteilungen der verschiedenen Armeen und Teilstreitkräften. Hier seien besonders die Mitarbeiter des U.S. Army Center on Military History (CMH) genannt, deren Historiker einige der fundiertesten Werke über die Geschichte der amerikanischen Streit- kräfte in Vietnam vorgelegt haben. So stammen auch die beiden Bände über die Geschichte der amerikanischen Militärberatermission in Vietnam aus der Feder von Angehörigen des CMH.71

Es ist zu bedauern, dass diese Schwerpunkte den Blick auf ein Gesamtbild der Kriegsberichter- stattung verbauen. So mag zwar der Anspruch, den Ute Daniel in dem von ihr herausgegebenen Sammelband „Augenzeugen“ formuliert: „[Eine] Einstiegshilfe konzipiert [zu haben,] die ein unwegsames, durch historische Detailforschung erst noch zu vermessendes Gelände mit einigen sicheren Trittstufen versehen soll“72, in diesem Band etwas zu kurz kommen, zeigt aber dennoch das Grundproblem auf: Eine konsistente Geschichte der Kriegsberichterstattung, die zumindest das letzte Jahrhundert in seiner Länge abdeckt, fehlt bisher. Zu einer solchen Geschichte sollte idealerweise auch eine Untersuchung der Entwicklung und Verwendung von Propaganda im letz-

67 Siehe unter anderem Jeissmann, Michael: 15 Tage. Ausschlußfrist: Wann darf die Geschichte beginnen; in: Frankfurter Allgemeine Zeitung 15. 11. 2001, S. 49, im folgenden zitiert als Jeissmann: 15 Tage..., 68 Diese Regelungen finden sich unter http://www.agenturjournalismus.de/index.php? option=com_content&view=article&id=60&Itemid=55 (Letzter Zugriff 15. 07. 2008) 69 An dieser Stelle sei nur auf die für die Medien- bzw. Pressegeschichte des Vietnamkrieges grundlegende Studie von Hammond, William H.: Reporting Vietnam: Media and Military at War; Lawrence 1998, im folgenden zi- tiert als Hammond: Reporting Vietnam..., verwiesen. 70 Beispielhaft hierfür ist die Arbeit von Müntinga, Maike: Von der "uneingeschränkten" zur "kritischen" Solidari- tät mit den USA? Eine Untersuchung der Meinungsbildung in FAZ und SZ nach den Ereignissen des 11. Sep- tember 2001; Münster 2002, im folgenden zitiert als Müntinga: Solidarität mit den USA?..., 71 Spector, Ronald H.: Advice and support. The early Years, 1941 - 1960; Washington 1983, im folgenden zitiert als Spector: Advice and Support I..., und Clarke, Jeffrey J.: Advice and support. The final years, 1965 - 1973; Washington 1988, im folgenden zitiert als Clarke: Advice and Support II..., 72 Daniel, Ute: Einleitung; in: Daniel, Ute [Hrsg.]: Augenzeugen. Kriegsberichterstattung vom 18. bis zum 21. Jahrhundert; Göttingen 2006, S. 7 – 22, hier S. 10, im folgenden zitiert als Daniel: Einleitung...,

Seite 17 “The Picture Survives” ten Jahrhundert gehören. Schließlich ist es das Hauptproblem eines Kriegsberichterstatters, die Informationen, die er bekommt, auf das Vorhandensein von Propaganda zu überprüfen. Geradezu erschreckend ist es, daß die Geschichte der Propagandakompanien der Wehrmacht bisher nicht systematisch erforscht wurde. Zur Rekonstruktion der Geschichte dieser Einheiten ist auch heute noch – über 60 Jahre nach Ende des Krieges – der Rückgriff auf die Erinnerungen der damals Beteiligten notwendig.73 Eine Arbeit, die sich der Geschichte und der Wirkungsweise jener Ein- heiten der Wehrmacht aus kritisch wissenschaftlicher Sicht widmet, ist bisher nur in Ansätzen er- kennbar.74 Generell ist anzumerken, daß die Geschichte des Zweiten Weltkrieges auf beiden Kriegsschauplätzen sehr gut erforscht ist. Bedauerlicherweise ist aber über die Berichterstattung auf dem Europäischen Kriegsschauplatz kaum etwas Verwertbares geschrieben worden, so daß dieses Unterkapitel, im Vergleich zum Kapitel über den Pazifikkrieg, weniger umfangreich aus- fällt.

Die Schilderung der Berichterstattung über den Falkland-Krieg beschränkt sich aus zwei Grün- den auf die britische Seite. Zum einen agierte die britische Regierung im Hinblick auf die Inter- essen der Presse dermaßen unglücklich, daß sie danach von Seiten der Presse massiv angegriffen wurde und dieses Negativbeispiel den Anstoß für eine intensive Diskussion über die zukünftige Rolle der Berichterstattung über Kriege gab. Zum anderen sind verwertbare argentinische Publi- kationen zum Thema Berichterstattung über den Malvinas-Konflikt kaum zu finden.

Die Erinnerungen von Zeitzeugen sind – trotz aller damit verbundenen grundsätzlichen methodi- schen Bedenken des Teilgebiets der Oral History – eine gute Basis für Teilaspekte des Themen- bereiches. Sie bieten zudem Einblicke in Strukturen und Prozesse der Entscheidungsfindung in- nerhalb von sowohl Medienunternehmen als auch von militärischen Einrichtungen. In aller Re- gel bleiben diese Bereiche der historischen Forschung verborgen bzw. die Entscheidungsprozes- se können nur unter großem Aufwand aus der Aktenlage rekonstruiert werden.

Während der 90er Jahre vollzog sich ein Wandel in der Publikation von Erinnerungen und Zeit- zeugenberichten. War es davor allgemein üblich, seine Memoiren erst nach Beendigung des be- ruflichen Wirkens oder weit nach der Pensionierung zu verfassen, so hat sich dies im Laufe der Jahre geändert. Den Anfang machte hier wohl der CNN-Reporter Peter Arnett, der nach dem Golfkrieg von 1990 seine Memoiren veröffentlichte.75 Besonders in der Folge des 3. Golfkriegs von 2003 läßt sich beobachten, daß kurz danach mehrere Journalisten ihre „Bagdad- Tagebücher“76 veröffentlichten.77 So erschien beispielsweise das Buch des ARD-Vertreters in

73 Beispielhaft Schmidt, Georg: Reporter der Hölle. Die Propagandakompanien im 2. Weltkrieg; Erlebnis und Do- kumentation; Stuttgart 1977, im folgenden zitiert als Schmidt: Reporter der Hölle…, 74 Als Beispiele seien genannt Boll, Bernd: Die Propaganda-Kompanien der Wehrmacht 1938 - 1945; in: Stadel- mann, Christian; Wonisch, Regina [Hrsg.]: Brutale Neugier. Walter Henisch, Kriegsfotograf und Bildreporter; (Wien Museum, Karlsplatz, 30. Oktober 2003 - 6. Jänner 2004, Ausstellung); Wien 2003, S. 37 – 48, im folgen- den zitiert als Boll: Propaganda-Kompanien…, Longerich, Peter: Propagandisten im Krieg. Die Presseabteilung des Auswärtigen Amtes unter Ribbentrop (= Studien zur Zeitgeschichte, Bd. 33); München 1987 im folgenden zitiert als Longerich: Propagandisten…, Hoffmann, Kay: Der Mythos der perfekten Propaganda. Zur Kriegsbe- richterstattung der "Deutschen Wochenschau" im Zweiten Weltkrieg; in: Daniel, Ute [Hrsg.]: Augenzeugen. Kriegsberichterstattung vom 18. bis zum 21. Jahrhundert; Göttingen 2006, S. 169 – 192, im folgenden zitiert als Hoffmann: Mythos der perfekten Propaganda…, 75 Arnett, Peter: Unter Einsatz des Lebens. Der CNN-Reporter live von den Kriegsschauplätzen unserer Welt; München 1996, im folgenden zitiert als Arnett: Einsatz des Lebens…,.Die englische Originalausgabe mit dem Titel „Live from the Battlefield“ erschien 1994. 76 So der Titel des Buches von Kloss, Stephan: Mein Bagdad-Tagebuch. Als Kriegsreporter im Brennpunkt Irak; Frankfurt / Main 2003, im folgenden zitiert als Kloss: Bagdad-Tagebuch..., 77 Vgl. Korte; Tonn: Einleitung..., S. 11

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Bagdad, Stefan Kloss, das auch dieser Art von Literatur den Namen gab, im Juni 2003 – knapp einen Monat nach dem von George W. Bush am 1. Mai 2003 auf dem Flugzeugträger USS Abra- ham Lincoln mit großem Aufwand und Pathos verkündeten Ende der Kampfhandlungen.78 Zu dieser augenscheinlich immer schneller laufenden Verwertungskette von Kriegen ist auch das Buch von Herfried Münkler „Der neue Golfkrieg“79 zu rechnen. Dieses Werk erschien in der ers- ten Auflage im April 2003 – also noch bevor der Krieg überhaupt offiziell für beendet erklärt worden war. Kurz nach dem Krieg folgte dann das beinahe schon obligatorische Buch des Duos Stefan Aust und Cordt Schnibben zum Krieg im Irak mit dem Titel „Irak: Geschichte eines mo- dernen Krieges“80. Damit war die mediale Verwertungskette auch beim Spiegel-Verlag angekom- men.

Die zuerst geplante Verbindung des Dissertationsthemas mit der technikgeschichtlichen Frage- stellung, inwieweit sich die Kriegsberichterstattung durch die technischen Innovationen auf dem Gebiet der Film- und Fernsehtechnik verändert hat, mußte im Laufe der Recherche aufgegeben werden, da die Literaturlage hierzu als dermaßen schlecht zu bezeichnen ist, daß hier viel mit dem wenig belegbaren Prinzip des „Hören-Sagens“ hätte gearbeitet werden müssen. Auch sind die Hersteller der entsprechenden Technik, die Firmen Arnold und Richter81, BTS, Bosch-FESE, Canon, Nikon, Sony, Thompson und Panasonic zwar, sofern sie noch existieren82, grundsätzlich bereit, Anfragen zu beantworten, meistens werden aber konkrete Anfragen nicht beantwortet. Als Beispiel mag hier die Firma Nikon dienen, die erstens auf ihrer Website kaum etwas zur eigenen Geschichte aussagt und konsequent alle, per Brief und Fax an das europäische wie auch das in- ternationale Hauptquartier gestellten, Fragen ignoriert. Selbst der Eingang der Schreiben wird in der Regel nicht bestätigt.

Die schier unerschöpflichen Weiten des Internets waren für die Recherche mancher Teilbereiche dieser Arbeit unverzichtbar, da zum einen manche Zeitschriften nur noch online existieren und zum anderen manche Quelle leichter und besser über elektronische Formate zugänglich ist. So sind beispielsweise alle Pressemitteilungen der amerikanischen Regierung und die darin veröf- fentlichen Reden mittlerweile besser und aktueller im Internet recherchierbar als in gedruckten Werken. In allen Fällen, in denen Informationen aus dem Internet verwandt wurden, wurde die Verwendung durch Angabe der vollständigen URL-Adresse und des Datums des letzten Zugriffs kenntlich gemacht. Stichtag für die Überprüfung der URL-Adressen auf Gültigkeit war der 15. Juli 2008.

78 Vgl. Bush, George W.: President Bush Announces Major Combat Operations in Iraq Have Ended. Remarks by the President from the USS Abraham Lincoln, at Sea Off the Coast of San Diego, , http://www.white- house.gov/news/releases/2003/05/20030501-15.html (Letzer Zugriff: 15. 07. 2008) 79 Münkler, Herfried: Der neue Golfkrieg; Reinbeck / Hamburg 2003, im folgenden zitiert als Münkler: Golfkrieg..., 80 Aust, Stefan; Schnibben, Cordt: Irak: Geschichte eines modernen Krieges; München 2003, im folgenden zitiert als Aust; Schnibben: Irak… 81 Die Firma „Arnold und Richter“ ist vermutlich besser unter ihren Kürzel „ARRI“ bekannt. 82 BTS und Bosch-FESE haben Ende der 1980er Jahre aufgehört zu existieren.

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2 Globale Berichterstattung zu Kriegszeiten – Der Zweite Weltkrieg als Beispiel

„Die Nachrichtenpolitik im Krieg ist ein Kriegsmittel. Man benutzt es, um Krieg zu führen, nicht um Informationen herauszugeben.“ 83 Joseph Goebbels

Bei der Schilderung der Geschichte der Kriegsberichterstattung gilt es, zwischen literarischen und journalistischen Quellen zu unterscheiden. Die Grenze zwischen literarischer und journalisti- scher Berichterstattung über Kriege wird in der Literatur meistens mit dem Krim-Krieg gezo- gen.84 Folgt man dieser Einteilung, so habe es vor dem Krim-Krieg nur Literatur über Kriege, aber keine Berichterstattung gegeben. Für diese Arbeit ist diese Einteilung allerdings kaum rele- vant, da sich die Kriegsberichterstattung analog zum Krieg in den Jahren vor und während des Zweiten Weltkrieges gewandelt hatte.85 Die Betrachtung der beiden Kriegsschauplätze zeigt, daß diese Schauplätze gar nicht unterschiedlicher hätten sein können: Auf dem pazifischen Kriegs- schauplatz dominierte der Pazifik das Geschehen und nötigte beiden Seiten den verbissenen Kampf um beinahe jede Insel zwischen San Francisco und Tokio auf, während der Feind in Eu- ropa gleich von mehreren Seiten aus angegriffen werden konnte. Dies schlägt sich in der Kriegs- berichterstattung nieder, die sich in ihrer Art und Weise, aber auch in ihren Arbeitsweisen und Arbeitsbedingungen von Kriegsschauplatz zu Kriegsschauplatz unterschied.

Als am 1. September 1939 der Zweite Weltkrieg ausbrach, war das für alle Redaktionen weltweit ein einschneidendes Ereignis, das sie vor vollkommen neue Herausforderungen – journalistischer wie auch personeller und organisatorischer Natur – stellte. Zum einen ist hier die wirklich globa- le Ausdehnung des Kriegsgeschehens zu nennen, die die Verteilung von Reportern wie auch den Empfang ihrer Berichte und Reportagen über die einzelnen Kriegsschauplätze erheblich er- schwerte. Zum anderen fanden in diesem Krieg ganz neue Arten der Kriegsführung Anwendung, die ebenfalls neue Formen der Berichterstattung notwendig machten. So wie auch die Kriegsfüh- rung eine totale war, so war auch die Berichterstattung eine totale. Total in dem Sinne, daß über sie sämtliche Ressourcen im Staat – materielle, personelle und ideelle – mobilisiert werden soll- ten. Der Krieg sollte auch das zivile Leben durchdringen und die Heimatfront durch die mediale Inszenierung zugleich formieren und festigen. Durch dieses mediale Dauerfeuer war es für den einzelnen fast unmöglich geworden, sich dieser „Berieselung“ und damit dem Kriegsgeschehen als solchem zu entziehen.86 Insgesamt steht der Zweite Weltkrieg auch für einen Krieg, über den

83 Zitiert nach Paul, Gerhard: Bilder des Krieges – Krieg der Bilder. Die Visualisierung des modernen Krieges; Pa- derborn, München, Wien, Zürich 2004, S. 224, im folgenden zitiert als Paul: Bilder des Krieges..., 84 Vgl. Young; Jesser: Media and the Military..., S. 20 – 24, siehe auch Beham, Mira: Kriegstrommeln. Medien, Krieg und Politik; München 19962 , im folgenden zitiert als Beham: Kriegstrommeln..., siehe ferner Daniel, Ute [Hrsg.]: Augenzeugen. Kriegsberichterstattung vom 18. bis zum 21. Jahrhundert; Göttingen 2006 85 Vgl. Paul, Gerhard: Der Krieg der Fotografen. Die fotografische Kriegsberichterstattung im Spanischen Bürger- krieg 1936 - 1939; in: Daniel, Ute [Hrsg.]: Augenzeugen. Kriegsberichterstattung vom 18. bis zum 21. Jahrhun- dert; Göttingen 2006, S. 141 – 169, im folgenden zitiert als Paul: Krieg der Fotografen…, 86 Vgl. Paul: Bilder des Krieges..., S. 223 – 225, siehe auch Hoffmann: Mythos der perfekten Propaganda…, S. 169

Seite 20 “The Picture Survives” umfassend in allen Medien berichtet wurde87: “World War II was a cinematic War. From the out- set, governments and national-picture industries used moving images – newsreels, documentar- ies, and feature films – to help mobilize populations for war.”88 Die größte Innovation auf dem Gebiet der Berichterstattung war jedoch die Schaffung der Propagandakompanien auf deutscher Seite.

Daher scheint eine Aufteilung in die beiden Hauptschauplätze des Zweiten Weltkrieges für diese Arbeit sinnvoll, erlaubt diese Einteilung es doch, die Charakteristika und Veränderungen in der Berichterstattung für beide Kriegsschauplätze getrennt herauszuarbeiten. So war etwa die Kriegsführung auf dem Kriegsschauplatz in Europa eine vollkommen andere als auf dem Kriegs- schauplatz im Pazifik. Die Kämpfe waren auf beiden Schauplätzen hart und erbarmungslos, den- noch sind sie, vor allem auf Grund der verschiedenen geographischen Gegebenheiten, vollkom- men unterschiedlicher Natur. Auch der Einsatz der Kriegsmittel war ein vollkommen anderer: Spielte die Marine auf dem europäischen Kriegsschauplatz – von der Kriegsführung mit und ge- gen U-Boote einmal abgesehen – eine eher untergeordnete Rolle, so wäre die Kriegsführung ge- gen Japan ohne die Marine nicht denkbar gewesen.89 Aber nicht nur der Einsatz der Kriegsmittel war ein anderer, auch die Berichterstattung über diesen globalen Krieg unterschied sich in erheb- lichem Maße von der Berichterstattung über den ersten Weltkrieg.90 Die Berichterstattung unter- schied sich zudem auch zwischen den beiden Kriegsschauplätzen erheblich. Diese Unterschiede sind zum einen in der unterschiedlichen Beschaffenheit der Kriegsschauplätze zu suchen und zum anderen auch in den unterschiedlichen journalistischen Traditionen auf allen Seiten. War die Berichterstattung über den Zweiten Weltkrieg auf deutscher Seite in einem Monopol organisiert, dessen Vorschriften sich alles unterzuordnen hatte, so waren waren die Berichterstatter auf ame- rikanischer Seite Journalisten, die für ein bestimmtes Presseorgan arbeiteten und nur die allge- meinen Vorschriften der zivilen und militärischen Behörden zu beachten hatten. Dies hat zu Fol- ge, daß die Berichte der deutschen Seite immer wie von der gleichen Person geschrieben wirken, während die individuelle Handschrift bei den Berichten der amerikanischen Journalisten immer noch erkennbar ist.

2.1 Der Zweite Weltkrieg auf dem Europäischen Kriegsschauplatz

Die revolutionärste Neuerung auf dem Gebiet der Kriegsführung war auf deutscher Seite sicher- lich die planmäßige und gezielte Nutzung der Propaganda. Wurde sie doch als gleichwertiges Kampfinstrument neben dem konventionellen Krieg gesehen. Daraus resultierte eine Verschmel- zung von Kriegsführung und Kriegsberichterstattung.91 Die Zahl der Arbeiten über Josef Goeb- bels und sein „Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda“ (RMVP)92 ist mittler-

87 Vgl. Hoffmann: Mythos der perfekten Propaganda…, S. 169 88 Chambers, John Whiteclay; Culbert David [Hrsg.]: World War II, Film and History; New York, Oxford 1996, S. 4 89 Vgl. Collins, Ross F.; Washburn, Patrick S.: World War I & World War II, The European Theater; in: Copeland, Douglas A. [Hrsg.]: The Greenwood Library of American War Reporting, Vol. 5; Westport / Conn., London 2005, S. 248, im folgenden zitiert als Collins; Washburn: American War Reporting, Vol. 5..., 90 Vgl. Brocks, Christine: "Unser Schild muß rein bleiben." Deutsche Bildzensur und -propaganda im Ersten Welt- krieg; in: Militärgeschichtliche Zeitschrift 67 / 1 / 2008; S. 25 – 51, im folgenden zitiert als Brocks: "Unser Schild muß rein blieben"…, 91 Vgl. Hoffmann: Mythos der perfekten Propaganda…, S. 172; Paul: Bilder des Krieges..., S. 226 – 227 92 Gerhard Paul verwendet die (untypische) Abkürzung RMVuP (Paul: Bilder des Krieges..., S. 226). Der Autor bleibt jedoch bei der allgemein bekannten und akzeptierten Abkürzung RMVP

Seite 21 “The Picture Survives” weile dermaßen vielfältig, daß an dieser Stelle auf eine ausführliche Darstellung verzichtet wer- den kann. Die weitverbreitete Annahme allerdings, daß die alleinige Verantwortung für die deut- sche Propaganda in den Händen Goebbels lag, daß Goebbels dort, „wo Hitler nicht selbst redete, als sein Sprachrohr fungierte“93, kann heute in dieser Form nicht mehr aufrechterhalten werden. Zumindest im Bereich Auslandspropaganda hatte das RMVP nicht die Federführung, diese lag beim Auswärtigen Amt – auch wenn Goebbels alles versuchte, dem Auswärtigen Amt dieses Pri- vileg streitig zu machen.94 In einem Punkt war jedoch das RMVP nach wie vor führend: im Ein- satz des Mediums Films als Medium der Propaganda. So formulierte der deutsche Filmkritiker Frank Maraun im November 1939 die folgende Maxime, die für das Bildprogramm der deut- schen Propaganda handlungsleitend werden sollte: „Der Film ist das eindringlichste und erleb- nisstärkste Mittel der Mitteilung, weil das Sehen die befriedigendste und überzeugendste Form der Kenntnisnahme von einem Tatbestand, weil das Augenerlebnis das entscheidende Erlebnis der Wahrnehmung ist.“95

Getreu dieser Maxime wurden für die gezielte Nutzung der Propaganda im Krieg die sogenann- ten Propagandakompanien (PK) geschaffen. Diese Einheiten hatten die Aufgabe, das „Zusam- menwirken des Propagandakrieges mit dem Waffenkrieg“96 sicherzustellen. Erste Pläne für Ein- heiten dieser Art wurden im Juni 1935 auf einer Konferenz mit Vertretern des Reichsverteidi- gungsrates erörtert.97 Vor der Einrichtung der PK entbrannte ein erbitterter bürokratischer Klein- krieg zwischen dem RMVP und dem Oberkommando der Wehrmacht (OKW), die Ausbildungs- inhalte und auch die Kontrolle dieser neuen Einheiten betreffend. Nach den für sie enttäuschen- den Erfahrungen des Ersten Weltkrieges98 wollten die Militärs diese Art von Aufgaben nur noch von regulären militärischen Einheiten erfüllt sehen, da nach Auffassung des OKW „über soldati- sche Dinge nur soldatisch denkende Männer wirklichkeitsgetreu berichten können“99. Minister Goebbels wollte diese Aufgabe aber nicht in den Händen von Soldaten sehen und bestand daher auf Personal, das über eine gewisse Vorbildung verfügte – also Journalisten, Kameraleuten und Photographen. Die ersten Versuche mit vom RMVP zusammengestellten zivilen Journalisten bei den Herbstmanövern der Jahre 1936 und 1937 verliefen allerdings nicht wirklich erfolgreich.100

Aus diesem Grund forderte das Reichskriegsministerium (RKM) die Eingliederung der Berichter – so der damalige Jargon – in die Wehrmacht. Als sich im Winter 1938 Goebbels für das RMVP und General Keitel für das Oberkommando der Wehrmacht auf das grundlegende „Abkommen über die Durchführung der Propaganda im Kriege“ einigten, wurden die Mitglieder der PK in die militärischen Verbände und Hierarchien eingegliedert. Das Personal wurde von Wehrmacht und RMVP gemeinsam ausgewählt und geschult, die Wehrmacht sorgte für die rasche Beförderung der Berichte und das schnelle Passieren der militärischen Zensur. Das RMVP wiederum sollte dann über die weitere Verwendung des Materials zu entscheiden haben. Die Eingliederung der Propagandakompanien in die Wehrmacht hatte zur Folge, daß ihre Hauptaufgabe zwar aus der

93 Wette, Wolfram: Ideologien, Propaganda und Innenpolitik als Voraussetzungen der Kriegspolitik des Dritten Reiches; in: Deist, Wilhelm; Messerschmidt, Manfred; Volkmann, Hans-Erich; Wette, Wolfram [Hrsg.]: Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg Bd. 1. Ursachen und Voraussetzungen der deutschen Kriegspolitik; Stuttgart 1979, S. 25 – 173, hier S. 108, im folgenden zitiert als Wette: Ideologien..., 94 Vgl. Longerich: Propagandisten…, S. 136 95 Zitiert nach Hoffmann: Mythos der perfekten Propaganda…, S. 169 96 Paul: Bilder des Krieges..., S. 227 97 International Military Tribunal (IMT), Bd. XXXVI; S. 410 - 412, Dokument 405-EC, Bericht über die Zehnte Sitzung des Arbeitsausschusses des Reichsverteidigungsrates vom 26. Juni 1935 98 Zu den Erfahrungen des Ersten Weltkrieges siehe Beham: Kriegstrommeln..., S. 54 99 Zitiert nach Beham: Kriegstrommeln..., S. 57 100 Vgl. Boll: Propaganda-Kompanien…, S. 7 siehe auch Beham: Kriegstrommeln..., S. 57

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Berichterstattung bestand, sie aber über soldatische Grundtugenden verfügen mußten, wollten sie mit der Truppe im Feld überleben. Organisiert waren die Propagandakompanien mit einer Soll- stärke von 250 Mann in Kriegsberichterzügen, die sich jeweils in einen Wort-, Bild-, Film- und Rundfunktrupp untergliederten. Hinzu kamen noch die üblichen Einheiten für Versorgung und Verwaltung. Im Falles eines Krieges sollte jedem Armee-Oberkommando eine PK zugeteilt wer- den: dem Heer also sieben, der Luftwaffe vier und der Marine zwei. Sie sollten aber nicht nur Bilder und Filmmaterial für den Propagandaeinsatz im Reich sammeln, sondern auch die mediale Truppenbetreuung vor Ort, durch Feldzeitschriften und dergleichen, sowie die Feindpropaganda mit Lautsprechern sicherstellen. Diese PK wurden rasch zu einem regelrechten Erfolgsmodell. Im Frühjahr des Jahres 1943 stieg ihre Anzahl auf 40 Propaganadakompanien mit einer Personal- stärke von ca. 15.000 Mann an – damit hatten die PK schon fast die Stärke einer kompletten Di- vision. Parallel zum Aufbau und Einsatz der Propagandakompanien entstand innerhalb des Wehr- machtführungsstabes (WFSt) eine eigene Propaganda-Abteilung – die Wehrmachtspropaganda- abteilung, die die Aufgabe hatte, den Einsatz der Pk zu koordinieren.101 Wie das OKW die Rolle „seiner“ Berichter sah, zeigt folgendes Zitat aus einem Propagandawerk des OKW über die Kriegsereignisse des Jahres 1940:

„[...] War der Kriegsberichterstatter früherer Kriege, von wenigen Ausnahmen abgesehen, „Zivilist“, Angestellter seiner Zeitung und bestenfalls Gast des Stabes des kämpfenden Verbandes, so hat unsere neue Wehrmacht in dem PK-Mann einen vollkommen neuen Typ von Kriegsberichtern geschaffen. Der Kriegsberichter von heute ist Soldat, ausgebildeter Soldat, der mit Pistole, Handgranate, Gewehr, MG genau so umzugehen versteht wie mit Schreibmaschine, Fotoapparat, Filmkamera und Rundfunkgerät; er ist Soldat, der wie alle seine Kameraden auch keine Beziehungen zu seiner „zivilen Stellung“, seiner Zeitung, mehr hat, sondern nur noch Teil seiner neuen Gemeinschaft, der Wehrmacht, ist. Es interessiert ihn nicht mehr, für wen oder welches Honorar – er erhält keines – er photographiert, schreibt, kämpft zu Lande, zur See, in der Luft; er weiß nur: es geschieht für sein Volk. Er bringt für Volk und Vaterland Blutopfer wie jeder seiner Kameraden aus allen Wehrmachtsteilen; er ist Kämpfer, nicht „Journalist“, Soldat, nicht Schreiber oder Photograph. [...]“102 Wenn aber der Kriegsberichter in erster Linie Soldat war und erst in zweiter Linie journalistisch tätig sein durfte, dann war aber auch die Gefahr für den journalistisch tätigen Soldaten die glei- che wie für seine Kameraden. Bis zum Oktober 1943 waren 106 Bildberichter und 62 Filmbe- richter als gefallen oder vermißt gemeldet, 57 waren verwundet worden und 4 in Kriegsgefan- genschaft geraten. Mit einer geradezu perversen Logik wurden diese Verluste als Qualitäts- und Authentizitätsmerkmal – getreu dem damals noch nicht so formulierten Motto Robert Capas: “If your pictures aren't good enough, you aren't close enough”103 – hochstilisiert. Bedingt durch die hervorragende Ausstattung der PK und die große Zahl der Bildberichter kam es bis zum Herbst 1944 zu einer bis dahin noch nie gekannten Bilderflut von beinahe allen Kriegsschauplätzen. Von den Kameramännern der Propagandakompanien wurden pro Woche ca. 20.000 bis 30.000 Meter Film belichtet – bis zum September 1944 hatten sich so ungefähr 5.000.000 Meter Film ange- sammelt. Davon wurden aber lediglich 6 Prozent in den Wochenschauen verwandt. Das so ge- sammelte Filmmaterial wurde von den zuständigen Stellen im Reichsministerium für Volksauf- klärung und Propaganda zentral entwickelt, bearbeitet und den militärischen Zensurbehörden vorgelegt. Danach wurde das Material selektiert. Dabei und bei Fragen der militärischen Zensur kam es immer wieder zu erheblichen Diskrepanzen zwischen Goebbels und dem OKW bzw. mit 101 Vgl. Paul: Bilder des Krieges..., S. 228 - 229; Boll: Propaganda-Kompanien…, S. 38 – 40; Hoffmann: Mythos der perfekten Propaganda…, S. 170, 172 102 OKW [Hrsg.]: Die Wehrmacht. Der Freiheitskampf des großdeutschen Volkes; Berlin 1940, S. 312, in kürzerer Form auch bei Paul: Bilder des Krieges..., S. 227 103 Zitiert nach http://www.bundestag.de/dasparlament/2006/51-52/Panorama/001.html (Letzter Zugriff 15. 07. 2008)

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Hitler persönlich.104 Wie sehr Goebbels sich der Macht der bewegten Bilder bewußt war und wel- chen Wert er der Wochenschau als Medium beimaß, illustriert folgendes Zitat aus einer Rede Go- ebbels vom 15. Feberuar 1941:

„[...] Mit einem Mal bekam das Volk, das nun in seiner Gesamtheit in Beziehung gesetzt wurde zum Krieg selbst, den Krieg selbst Auge in Auge zu sehen, und zwar so, wie er ist, und ohne Beigabe und ohne jede Hinzufügung, kommentarlos in seiner ganzen grausigen Wirklichkeit. [...]“105 Die Authentizität, die Goebbels hier so wortreich beschwor, war in Wirklichkeit alles andere als eine wirklich authentische Abbildung der Realität. Die Realität, die in den Wochenschauen vor- gespiegelt wurde, entstand häufig erst am Schneidetisch, wenn Aufnahmen verschiedener Quel- len zu einem einheitlichen Geschehen zusammengeführt wurden – das oftmals nie so stattgefun- den hatte. Die Anweisungen an die Mitglieder der PK verboten eigentlich die Inszenierung von Ereignissen – tatsächlich waren diese Inszenierungen aber ebenfalls Teil der Inszenierung der Wochenschau. Das von den militärischen Zensoren freigebene Material wurde an die Redaktio- nen der vier Wochenschauen von Ufa, Deuling, Fox und Tobis, die alle unter Kontrolle des Deut- schen Nachrichtenbüros standen und ab Juni 1940 zur Deutschen Wochenschau (DW) zusam- mengefaßt wurden, weitergeleitet. Dort hatten die Redakteure die Aufgabe, die eingehenden Bil- der zu sichten und im Schnitt „dynamisch zu steigern [und] Akzente richtig zu verteilen“106. Der Herstellungsprozeß einer Wochenschauausgabe dauerte in der Regel zwei Wochen. Montags wurden in einer Redaktionsitzung die Themenauswahl und die Struktur beschlossen, Ende der Woche war dann der Rohschnitt fertig. Der Rohschnitt wurde zusammen mit dem Kommentar- text Goebbels zur Abnahme vorgelegt. Goebbels griff häufig in die textliche Gestaltung der Wo- chenschauen ein. Die endgültige Version, die Goebbels Gnade gefunden hatte, wurde dann am Sonntag oder Montag Hitler vorgeführt. Falls dieser Änderungswünsche hatte, wurden diese am Dienstag ausgeführt und die finale Mischung der Audio-Spuren vollzogen. Hierbei konnten die Cutter auf ein umfangreiches Tonarchiv, das Originaltöne von beinahe allen im Kriege verwand- ten Waffensystemen enthielt, zurückgreifen. Dieses Archiv war angelegt worden, nachdem sich das OKW mehrfach darüber beschwert hatte, daß die unter die Aufnahmen gelegten Töne nicht mit dem Originalgeräusch der verwendeten und im Bild zu sehenden Waffe übereinstimmte. Wurde in der Wochenschau Musik eingesetzt, diente diese in erster Linie zur Untermalung: So wurden häufig beliebte Soldatenlieder unter Kampfszenen gelegt. War dies nicht möglich, so griffen die Cutter und Toningenieure auf freie Kompositionen zurück, die nicht dem Urheber- recht unterlagen107 und unterlegten die Bilder der Wochenschau mit ihnen. Einige Berühmtheit erlangte die Ausgabe der Wochenschau, in der die Landung der deutschen Fallschirmjäger auf Kreta thematisiert wurde. Der Anflug der Flugzeuge auf Kreta und der Luftkampf über Kreta wurden mit dem „Ritt der Walküre“ aus der Wagner Oper „Die Walküre“ unterlegt. Das gleiche musikalische Motiv wurde später bei der berühmt-berüchtigten Helikopter-Szene im Film “Apo- calypse Now” von Francis Ford Coppola verwandt – ob Coppola die Szene aus der Wochenschau kannte, ist leider nicht überliefert.108

104 Vgl. Hoffmann: Mythos der perfekten Propaganda…, S. 172, 175; Paul: Bilder des Krieges..., S. 229; siehe auch (mit unerträglichem Pathos) Schmidt: Reporter der Hölle…, S. 10 -11; Boll: Propagande-Kompanien…, S. 38; Beham: Kriegstrommeln..., S. 58 105 Zitiert nach Paul: Bilder des Krieges..., S. 233 106 Zitiert nach Hoffmann: Mythos der perfekten Propaganda…, S. 175; vgl. Paul: Bilder des Krieges..., S. 233 107 Bei der Recherche konnte nicht geklärt werden, ob die, schon zu NS-Zeiten existierende, GEMA, nicht auch dem RMVP unterstellt war. Wenn dem so war, dann scheint zumindest der Verweis Hoffmanns auf die GEMA- bzw. Urheberrechtsproblematik fragwürdig. Schließlich hätte Goebbels dann ja befehlen können, daß die Wo- chenschau der GEMA keine Abgaben hätte zahlen müssen.

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Mittwochs wurden dann von der so fertiggestellen Master-Version ca. 20 Kopien gezogen, die als Vorlage dienten für die Kopierwerke, die die Kopien für das ganze Reich und die Wehrmacht zu ziehen hatten. Bei einer Zahl von 1700 Kopien pro Wochenschau konnte diese Anzahl nicht mehr von einem Kopierwerk in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag, dem üblichen Tag für die Programmwechsel in den Kinos, geleistet werden. Um dieses Auftragsvolumen bewältigen zu können, waren sämtliche Kopierwerke Berlins in dieser Nacht nur mit der Erstellung dieser Kopien beschäftigt.109 Die Bilderwelten, die die Kameramänner der PK erschufen, waren aber in ihrer Ästhetik dennoch maßgebend und neu. Viele der faszinierendsten Einstellungen von damals gelten noch heute als genuine Leistung der Kameraleute der PK. Die Leistung der Cutter darf ebenfalls nicht unterbewertet werden: „Mit den Mitteln des Schnitts konnte auf diese Weise au- thentisches Bildmaterial zu einer Scheinwelt montiert werden, die mit den realen Ereignissen kaum noch etwas zu tun hatte, aber gleichwohl ungemein authentisch wirkte.“110

Als am ersten 1. September 1939 deutsche Truppen die Grenze nach Polen überschritten111, war dieser Operation eine groß angelegte Propaganda-Operation des Reichsministeriums für Volks- aufklärung und Propaganda vorausgegangen.112 Dabei konkurrierten das RMVP und das Auswär- tige Amt (AA) um die Vorherrschaft in der Auslandspropaganda. Vereinfacht gesagt, reklamierte das RMVP mit Goebbels an der Spitze die gesamte deutsche Propagandatätigkeit im In- und Ausland für sich, während das AA in der Richtung argumentierte, daß im Auswärtigen Amt alle Kompetenzen, die die Verbindungen mit dem Ausland beträfen, gebündelt seien. Daher läge die Zuständigkeit für die Auslandspropaganda auch nicht beim Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda, sondern beim Reichsaußenminister und den nachgeordneten Dienststellen im Auswärtigen Amt. Um dieses Kompetenzgerangel zu beenden, erließ Hitler am 8. September 1939 einen Führerbefehl, in dem er die Zuständigkeit für die Auslandspropaganda dem AA zu- wies und das RMVP zum bloßen Erfüllungsgehilfen in dieser Sache degradierte113:

„[...] 1.) Die Propaganda ist ein wichtiges Instrument der Führung zur Förderung und Festigung des eigenen Siegeswillens und zur Zerstörung des Siegeswillens und der Moral der Gegner. Es gibt im Kriege keine Kompetenzprobleme. Entscheidend ist, daß das Instrument der Propaganda wirksam gehandhabt wird. Alle anderen Fragen sind demgegenüber bedeutungslos. 2.) Der im Laufe der Jahre aufgebaute Propaganda-Apparat des Propagandaministeriums ist die zentrale Einrichtung für die praktische Durchführung der Propaganda. Seine Zerschlagung im Kriege würde ähnlich sein einer Zerschlagung bestimmter Wehrmachtteile. [...]

108 Vgl. Paul: Bilder des Krieges..., S. 232 - 233, insbesondere Fußnote 57; siehe auch Hoffmann: Mythos der per- fekten Propaganda…, S. 174 – 175; Barral, Pierre Emmanuel: La Guerre de Vietnam au Cinema; in: Ionescu, Mihail E. [Hrsg.]: War, Military and Media from Gutenberg to Today (= Acta XIX. International Congress of Military History); Bucharest 2004, S. 109 – 120, im folgenden zitiert als Barral: Guerre du Vietnam au Cinema..., Devine, Jeremy M.: Vietnam at 24 frames a second. A critical and thematic analysis of over 400 films about the ; Jefferson / North Carolina 1995, S. 173 – 197, im folgenden zitiert als Devine: Vietnam at 24 frames..., siehe auch Weigel- Klinck: Die Verarbeitung des Vietnam-Traumas im US-amerikanischen Spielfilm seit 1968; Alfeld / Leine 1996, S. 58 – 59, im folgenden zitiert als Weigel-Klinck: Verarbeitung des Vietnam-Traumas…, 109 Vgl. Hoffmann: Mythos der perfekten Propaganda…, S. 175 – 176 110 Paul: Bilder des Krieges..., S. 233 111 Siehe hierzu ausführlich Rohde, Horst: Hitlers erster „Blitzkrieg“ und seine Auswirkungen auf Nordosteuropa; in: Maier, Klaus A.; Rohde, Horst; Stegemann, Bernd; Umbreit, Hans [Hrsg.]: Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg Bd. 2. Die Errichtung der Hegemonie auf dem Europäischem Kontinent; Stuttgart 1979, S. 79 – 156, im folgenden zitiert als Rohde: Hitlers erster "Blitzkrieg"…, siehe auch Paul: Bilder des Krieges..., S. 229 112 Vgl. Rohde: Hitlers erster "Blitzkrieg"…, S. 86, 111 113 Vgl. Longerich: Propagandisten…, S. 134 – 135

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5.) Auf dem Gebiet der außenpolitischen Propaganda, d. h., jener Propaganda, die sich direkt oder indirekt an das Ausland wendet, erteilt die allgemeinen Richtlinien und Anweisungen der Reichsaußenminister, insoweit ich mich nicht veranlaßt sehe, persönliche Anordnungen zu treffen. Der gesamte Propaganda-Apparat des Reichspropagandaministeriums steht der praktischen Durchführung dieser Anweisungen zur Verfügung. [...] 6.) Um die einheitliche Ausrichtung der Außenpropaganda in Flugblatt, Film, Rundfunk, Presse usw. sicherzustellen, gibt der Reichsaußenminister – wenn irgend möglich persönlich – dem Reichspropagandaminister seine Wünsche und seine Anordnungen bekannt. [...] 114 Hatte Hitler mit diesem Befehl gehofft, den sprichwörtlichen Kleinkrieg zwischen dem Goebbels Resort und dem Resort von Ribbentrop zumindest so lange, wie der Krieg dauern würde, beendet zu haben, so war diese Hoffnung bald vergebens. Beide Seiten scheinen sich zeitweise mehr mit diesem Kleinkrieg bürokratischer Art befasst zu haben als mit ihren originären Kernaufgaben.115 Zuständig für die deutsche Auslandspropaganda war die „Nachrichten – und Presseabteilung“ im Auswärtigen Amt. Diese Abteilung stand unter der Leitung von Paul Karl Schmidt116. Innerhalb des Ministeriums war Schmidts Abteilung für folgende Aufgabenbereiche zuständig: Erstens, für die Erstellung des täglichen Pressespiegels über die Berichterstattung der in- und ausländischen Presse, zweitens für die Einflußnahme auf die Berichterstattung der auswärtigen Presse und drit- tens für die Herausgabe von Sprachregelungen für die deutsche Presse in auswärtigen Angele- genheiten. Diese Kernkompetenzen repräsentierten eine Vielzahl von Aufgaben, zu deren Erfül- lung der „Nachrichten- und Presseabteilung“ ein umfangreicher Mitarbeiterstab sowie beinahe unbeschränkter Zugang zu fast allen Interna des Ministeriums zur Verfügung standen.117

Der Zugang zu diesen Informationen erfolgte über den Leiter der Abteilung. Paul Karl Schmidt war Teilnehmer an den Direktorenrunden des AA und las zudem noch einen Großteil des Schrift- verkehrs des Auswärtigen Amtes mit. So konnte Schmidt für seine Abteilung genügend Informa- tionen sammeln, um die täglichen Sprachregelungen des AA an die auswärtige Presse weiterzu- geben. Zugleich verfügte Schmidt über sehr gute Verbindung zu SS und SD, so daß er auch In- formationen, die von diese Seiten an ihn herangetragen wurden, nutzen konnte. Die Presselen- kung der ausländischen Presse fand zum einen durch eine tägliche Pressekonferenz für die in Berlin akkreditierten auswärtigen Journalisten statt, zum anderen war die „Nachrichten- und Presseabteilung“ an der deutschen Pressekonferenz, in der alle amtlichen Sprachregelungen ver- kündet wurden, kraft Amtes verteten. Ferner verbreitete die Abteilung ihre eigenen Pressemittei- lungen über deutsche und auswärtige Nachrichtenagenturen. Nicht zuletzt wurde die Arbeit der Pressereferenten in den diplomatischen Vertretungen des Reiches überwacht und durch die Ver- breitung der aktuellen Sprachregelungen gesteuert. Die „Nachrichten- und Presseabteilung“ des Auswärtigen Amtes war somit auf der einen Seite das offizielle Verlautbarungsorgan des AA mit der Hauptaufgabe, dessen Politik in der Öffentlichkeit durch klassische Pressearbeit zu kommu- nizieren. Auf der anderen Seite aber war diese Abteilung auch so etwas wie die private, aber höchst effiziente Propagandaorganisation des Auswärtigen Amtes und nicht zuletzt von Ribben- trop persönlich.118

114 ADAP, Serie D, Band VIII, Nr. 31 Befehl des Führers vom 8. September 1939 115 Vgl. Longerich: Propagandisten…, S. 136 – 137 116 Der Chef jener Abteilung, Paul Karl Schmidt, ist nicht mit dem Chefdolmetscher des Auswärtigen Amtes, Paul Schmidt zu verwechseln, dessen Memoiren eine exzellente Quelle für alle Vorgänge in der deutschen Diploma- tie seit ca. 1923 sind. Vgl. Schmidt, Paul: Statist auf Diplomatischer Bühne 1923 - 45; Bonn 1949, im folgenden zitiert als Schmidt: Statist...,. Zu Karriere und Wirkung Paul Karl Schmidts siehe ausführlich Benz, Wigbert: Paul Carell. Ribbentrops Pressechef Paul Karl Schmidt vor und nach 1945; Berlin 2005, im folgenden zitiert als Benz: Paul Carell…, 117 Vgl. Benz: Paul Carell…, S. 19 118 Vgl. Benz: Paul Carell…, S. 19 – 20, siehe auch Longerich: Propagandisten…, S. 135, 167

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Die Informationsbeschaffung erwies sich aber bald als extrem schwieriges Geschäft: Um die we- nigen nach Deutschland geschmuggelten Exemplare auswärtiger Zeitungen konkurrierten neben dem RMVP und dem AA auch die Auslandspressestelle der NSDAP, das Amt Presse beim Reichsführer SS sowie diverse andere Presseabteilungen. Die Mittel und Wege, die man für die Beschaffung dieser „Feindpresse“ aufwenden und gehen mußte, haben teilweise den Charakter eines Agententhrillers. So waren in machen Fällen die diplomatischen Vertreter des Deutschen Reiches damit beschäftigt, Zeitungen und andere Periodika zu beschaffen und nach Berlin wei- terzuleiten. Informationen aus dem Ausland wurden auch über das weltweite Korrespondenten- und Mitarbeiternetzwerk des „Deutschen Nachrichtenbüros“ (DNB) beschafft, während die bei- den anderen deutschen Nachrichtenagenturen „Transocean“ und „Europapress“ vor allem für die Verbreitung von Nachrichten benutzt wurden. Die Mitarbeiter des DNB hatten somit eine Dop- pelrolle inne: Mitarbeiter einer Nachrichtenagentur zum einen und Geheimagenten in deutschen Diensten zum anderen zu sein. Eine weitere Quelle von Informationen bot das Abhören auswärti- ger Rundfunkstationen. Auch hier tummelten sich wiederum diverse Dienststellen (unter ande- rem RMVP, Reichspost, Gestapo, Wehrmacht), die in keinster Weise koordiniert diese Art von Funkaufklärung bertrieben.119

Welche grotesken Formen das Ringen um die Vorherrschaft im Bereich der Auslandspropaganda – trotz jenes Führerbefehls vom 8. September 1939 – annahm, zeigt der Umstand, daß die in Ber- lin akkreditierten auswärtigen Journalisten seitens des RMVP mit allerhand Freundlichkeiten be- dacht wurden. So wurden sie beispielsweise mit Bildmaterial, Berichten und ganzen Ausgaben der Wochenschau außerordentlich freigebig versorgt. Angesichts des Umstandes, daß die Presse- politik in anderen Ländern noch weitaus restriktiver als im Deutschen Reich war, verwundert es nicht, wenn die Vertreter jener Presseorgane gerne Gebrauch von diesen Materialien machten: So wurde beispielsweise der deutsche Angriff auf Polen in den USA hauptsächlich aus deutscher Perspektive dargestellt. In den Kinos liefen die Bilder der Deutschen Wochenschau, in den Zei- tungen waren deutsche Photos zu sehen. Bei der deutschen Besetzung Norwegens, die unter dem Codenamen „Weserübung“120 ablief, verfuhr das RMVP genauso und stellte den auswärtigen Korrespondenten 300 Berichte, 250 Bilder und 16.000 Meter Film der Propagandakompanien zur Verfügung.121

Die britische Regierung stellte der deutschen Regierung an jenem 1. September das Ultimatum, bis zum 3. September, 11 Uhr, zum status quo ante zurückzukehren, ansonsten käme Großbritan- nien seinen Verpflichtungen gegenüber Polen nach und befände sich im Kriegszustand mit Deutschland. Während dieser beiden Tage, an denen sich entscheiden sollte, ob sich Großbritan- nien im Kriegszustand mit Deutschland befinden würde, versuchte die britische Regierung alles zu verhindern, daß Hitler sich so über England ereifern würde, daß er sich eher für Krieg als für Frieden entscheiden würde. Hierzu bat, als ein Krieg in Europa schon abzusehen war, der briti- sche Innenminister, Sir Samuel Hoare, die Vertreter der britischen Presse und Nachrichtenagen- turen am 30. August zu sich und bot ihnen „Hilfestellung“ in der Berichterstattung an. Diese „Hilfestellung“ entpuppte sich bei näherer Betrachtung als Leitlinie zur Berichterstattung über die Ereignisse in Berlin und London. So sollte jeglicher persönlicher Kommentar der Herausge-

119 Vgl. Longerich: Propagandisten…, S. 170 – 177 120 Siehe hierzu ausführlich Ottmer, Hans-Martin: "Weserübung". Der deutsche Angriff auf Dänemark und Norwe- gen im April 1940 (= Operationen des Zweiten Weltkrieges, Bd. I); München 1994, im folgenden zitiert als Ott- mer: "Weserübung"…, 121 Vgl. Beham: Kriegstrommeln..., S. 58 – 59, Hoffmann: Mythos der perfekten Propaganda…, S. 183 – 184; zu den „Freundlichkeiten“, die den in Berlin akkreditierten auswärtigen Journalisten, insbesondere den amerikani- schen, gewährt wurden, siehe Hudson; Stanier: War and the Media..., S. 71

Seite 27 “The Picture Survives” ber zur Person von Hitler vermieden werden. Auf der anderen Seite würde es die britische Regie- rung als hilfreich erachten, wenn darüber berichtet würde, daß die britische Bevölkerung ruhig und gefaßt sei, es also keinerlei Anzeichen von Panik im Land gäbe. Ferner, so diese „Handrei- chung“ des Innenministeriums, sähe es die britische Regierung gerne, wenn über ihre Entschlos- senheit, ihren Verpflichtungen Polen gegenüber nachzukommen, berichtet würde.122

Die hinter diesen Vorschlägen stehende Absicht ist klar: Die britische Regierung wollte damit zum einen mögliche negative Auswirkungen auf die Ereignisse verhindern und zum anderen – dies mag vielleicht noch wichtiger sein – zeigen, daß die britische Bevölkerung, der Verschlech- terung der Lage zum Trotz, sich nicht in Panik versetzen ließ. Damit sollte nach außen – briti- sche Zeitungen wurden auch in Berlin gelesen – gezeigt werden, daß England keine Angst vor einem Krieg habe und die Bevölkerung nicht mit Hamsterkäufen und ähnlichen Zeichen von akuter Panik auf die angespannte Lage reagiere. Die Tatsache, daß gerade dieser Punkt seitens des britischen Innenministeriums so betont wurde, läßt einen gewissen Rückschluß auf die tat- sächliche Stimmung in der Bevölkerung zu, die vermutlich längst nicht so ruhig und gefaßt war, wie dies nach außen betont wurde. So ist zumindest der letztere Teil dieser „Handreichung“ klar als Versuch von Desinformation zu sehen. In diesem Punkt stand die britische Regierung keines- wegs hinter der deutschen zurück: 1935 begann sie mit der Einrichtung eines Informationsminis- teriums für den Kriegsfall. Dieses Ministerium sollte das ausführen und gewährleisten, was Go- ebbels unter dem Datum des 10. Mai 1942 in seinem Tagebuch festhielt: „Die Nachrichtenpoli- tik im Krieg ist ein Kriegsmittel. Man benutzt es, um Krieg zu führen, nicht um Informationen herauszugeben.“123

Wie eng zumindest das Verhältnis der Herausgeber und Chefredakteure der Nachrichtenagentur Reuters124 zu den entscheidenden militärischen Stellen war und wie willfährig sie den Interessen des Establishments gegenüberstanden, macht die Rede des Chefredakteurs vor seinen Redakteu- ren und Mitarbeiten am 27. Juli 1939 klar. Er sprach darüber, wie Nachrichten, die Auswirkun- gen auf die offizielle Atmosphäre haben könnten, in Kriegszeiten behandelt werden sollten:

“[...] Reuter must never loose sight of the national interest. Reuter is authoritative, more than any other British press organ, even including The Times, and Reuters is so regarded abroad. This places Reuters under the obligation to observe great prudence in handling any news which may possibly involve the national interest, and to act in close collaboration and accord with Whitehall125 in this connection [...] On a lower plane, Whitehall is a most important source of news to Reuter, and any failure an Reuters' part to conform to the principle and practice of close collaboration with Whitehall would isto facto [sic!] close that source of news to us. [...]”126 Der Chefredakteur ging sogar soweit zu behaupten, daß diese Einstellung perfekt zur Unabhän- gigkeit der Presse passe: Dies sei keine Unterwerfung unter eine Diktatur, sondern lediglich die Inanspruchnahme von Expertenratschlägen. Auch unabhängig von den Wünschen “Whitehalls” waren die Redakteure nur zu gerne bereit, die journalistische Sorgfaltspflicht gegenüber dem, was man als nationale Sicherheit definierte, abzuwägen. So zogen es die Reuters-Redakteure vor, in der ersten Woche des Krieges einen Bericht des Chef-Korrespondenten aus Kopenhagen nicht zu veröffentlichen. Dieser hatte berichtet, daß Propagandaflugblätter, die über Deutschland abge-

122 Vgl. Read: Power of News..., S. 216 123 Zitiert nach Paul: Bilder des Krieges..., S. 224 124 Zu jener Zeit (1939) firmierte Reuters noch unter dem Namen Reuter. Die Umänderung des Namens erfolgte erst später. 125 “Whitehall” ist der Sitz des britischen Verteidigungsministeriums. 126 Zitiert nach Read: Power of News..., S. 217

Seite 28 “The Picture Survives” worfen werden sollten, irrtümlich über Dänemark abgeworfen worden waren. Daß die dänische Regierung darüber nicht gerade erfreut war, versteht sich von selbst, schließlich hätten die Flug- blätter ja Bomben sein können. Dementsprechend fiel auch die dänische Reaktion aus: In seinem Bericht, den der Reuters-Korrespondent nach London drahtete, wurde der Ratschlag der däni- schen Regierung zitiert, daß man der britischen Regierung nahelege, ihre Piloten nochmals zur Schule zu schicken, um ihnen Geographie beizubringen.127

Wie sehr jener Reuters-Chefredakteur im Recht war, als er behauptete, daß Reuters einflußrei- cher als die altehrwürdige “Times” sei, zeigt sich daran, daß die Arbeit von Reuters im Auswärti- gen Amt und im RMVP stets aufmerksam beachtet wurde. Zwar hielt man Reuters für ein Sprachrohr der britischen Propaganda – was angesichts der oben genannten Beispiele nicht ganz im Bereich des Unmöglichen lag – beobachtete aber dennoch alle von Reuters verbreiteten Mel- dungen. Den wohl größten Erfolg, im Journalisten-Jargon auch „Scoop“ genannt, erzielte Reu- ters mit der Berichterstattung über den deutschen Angriff auf die Sowjetunion. Jener 22. Juni des Jahres 1941 fiel auf einen Sonntag. Am Freitag zuvor hatte das Auswärtige Amt in seinem Lage- bericht davon gesprochen, ein ruhiges Wochenende zu erwarten. Diese Formulierung ließ bei dem verantwortlichen Redakteur die Alarmglocken klingeln – warum, kann heute nicht mehr re- konstruiert werden. Zu vermuten ist jedoch, daß diese Sprachregelung in ihrer Formulierung un- gewöhnlich war. Sein Instinkt sollte ihn nicht täuschen: Bald schon meldete sich der Abhördienst mit der Meldung, daß Deutschland in die Sowjetunion einmarschiert sei.128

2.2 Der Zweite Weltkrieg auf dem Pazifischen Kriegsschauplatz

Der japanische Angriff auf die amerikanische Marinebasis Pearl Harbor am 7. Dezember 1941 markiert den Beginn jenes Krieges, an dessen Ende Joe Rosenthals Bild von der Aufrichtung der amerikanischen Flagge auf einem unwirtlichen Eiland vulkanischer Herkunft namens Iwo Jima steht. Als an jenem 7. Dezember die japanischen Flugzeuge nach der letzten Angriffswelle wie- der Kurs auf ihre Flugzeugträger nahmen, lag Pearl Harbor unter einer dichten Rauchwolke. Der gesamte Stolz der amerikanischen Pazifikflotte, die großen Schlachtschiffe, lagen entweder bren- nend und schwer beschädigt im Wasser oder waren gekentert und anschließend gesunken.129

Die Nachricht vom japanischen Angriff auf amerikanisches Festland verbreitete sich schnell über den gesamten Kontinent. Allerdings wurde die amerikanische Öffentlichkeit bewußt im Unklaren über die Zahl der Opfer und die materiellen Verluste gehalten. Die Stabschefs der amerikani- schen Streitkräfte waren der Meinung, daß diese Nachricht zu unkontrollierbaren Reaktionen in- nerhalb der US-Gesellschaft führen könnte. Daher entschloß man sich zu einer rigiden Zensur. Diese führte dazu, daß eine regelrechte Mauer des Schweigens um Pearl Harbor herum errichtet wurde. So wurde beispielsweise die Telephonverbindung des Büros der Nachrichtenagentur Uni- ted Press lahmgelegt – in dem Moment, als der Büroleiter den ersten Bericht über die Ereignisse nach San Francisco durchgeben wollte. Diese Versuche zur Isolation Hawaiis waren so effektiv, daß die ersten Berichte – von offiziellen Verlautbarungen abgesehen – erst nach vier Tagen be- 127 Vgl. Read: Power of News..., S. 217 128 Vgl. Read: Power of News..., S. 219 – 221 129 Zu Genese, Ablauf und Verlusten des japanischen Angriffs auf Pearl Harbor siehe Rahn, Werner: Der Krieg im Pazifik; in: Boog, Horst; Rahn, Werner; Stumpf, Reinhard; Wegner, Bernd [Hrsg.]: Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg Bd. 6. Der globale Krieg. Die Ausweitung zum Weltkrieg und der Wechsel der Alternative 1941 - 1943; Stuttgart 1990, S. 173 – 271, hier S. 227 – 237 im folgenden zitiert als Rahn: Krieg im Pazifik...,, siehe auch

Seite 29 “The Picture Survives” kannt wurden. Das, was dann aber bekannt wurde, zeichnete ein vollkommen falsches Bild der Lage: Demnach war beim japanischen Angriff ein Schlachtschiff gesunken. Desweiteren hätten die Japaner schwere Verluste erlitten. An diesem Punkt ist Philip Knightley's Argumentation zu- zustimmen, nach der diese Falschmeldungen nicht nötig gewesen seien, um das wahre Ausmaß der Schäden vor den Aggressoren geheim zu halten. Dank der japanischen Fotoaufklärung wuß- ten die Planer des Pearl Harbor Unternehmens um Admiral Yamamoto direkt nach den Angriffen vom verheerenden Erfolg ihres Plans. Wenn aber diese gezielte Desinformation nicht mit den Er- fordernissen der nationalen Sicherheit erklärt werden kann, dann kann – auch hierin ist Knight- ley zuzustimmen – diese Desinformationskampagne nur auf die eigene Bevölkerung gemünzt ge- wesen sein.130 Als Präsident Roosevelt am 8. Dezember vor beiden Häusern des Kongresses, vor Senat und Repräsentantenhaus, sprach, brandmarkte er den 7. Dezember 1941 als “date which will live in infamy”.131 Insgesamt vermittelte Roosevelt durch diese Rede den Eindruck, er sei grimmig dazu entschlossen, diesen Krieg zu gewinnen:

“[...] Always will our whole Nation remember the character of the onslaught against us. No matter how long it may take us to overcome this premeditated invasion, the American people in their righteous might will win through to absolute victory. I believe that I interpret the will of the Congress and of the people when I assert that we will not only defend ourselves to the uttermost but will make it very certain that this form of treachery shall never again endanger us. [...]”132 Nachdem sich der Marineminister, Frank Knox, ein Bild von der Lage in Pearl Harbor gemacht hatte, hielt er am 16. Dezember 1941 eine Pressekonferenz in New York ab. Dort sprach er vor den versammelten Journalisten offen über die amerikanischen Verluste: Das Schlachtschiff USS Arizona sei gesunken und könne nicht mehr geborgen werden, das Schlachtschiff Oklahoma sei zwar gekentert, könne aber wieder aufgerichtet und geborgen werden. Angesichts der wirklichen Verluste an Menschen und Schiffen war dies nur ein weiterer Versuch, der Öffentlichkeit das wahre Ausmaß jenes Angriffes vorzuenthalten, drastischer formuliert, es wurde in diesem Fall die Wahrheit nur scheibchenweise veröffentlicht.133

Währenddessen schritt der japanische Vormarsch im Pazifik unaufhörlich voran. Bis zum Mai 1942 fielen in schneller Reihenfolge Singapur, Hongkong, Manila, Borneo, Neu-Guinea und Java – nichts schien den japanischen Expansionsdrang stoppen zu können.134 Gleichzeitig wurde in den USA immer deutlicher, daß dieser Krieg nur zu gewinnen wäre, wenn jeder Amerikaner seiner “wholehearted patriotic participation in the conflict”135 nachkommen und die amerikani- schen Kriegsanstrengungen nach Kräften unterstützen würde. Daher, so ein amerikanischer Zen- sor, müsse die amerikanische Presse aktiv hinter diesen Kriegsanstrengungen stehen. Um dies zu

130 Vgl. Beham: Kriegstrommeln..., S. 63; Knightley: First casualty..., S. 297; Rahn: Krieg im Pazifik..., S. 237 131 Roosevelt, Franklin D.: Development of United States Foreign Policy. Addresses and Messages; New York 1970, S. 125 132 Roosevelt, Franklin D.: Development of United States Foreign Policy. Addresses and Messages; New York 1970, S. 126 133 Vgl. Knightley: First casualty..., S. 297, für die amerikanischen Verluste und die Zeit, in denen die Schiffe wie- der einsatzfähig gemacht werden konnten, siehe Rahn: Krieg im Pazifik..., S. 237 134 Siehe hierzu auch die Ansprache des amerikanischen Präsidenten Franklin D. Roosevelt vor dem Kongress, die Kriegserklärung an Japan betreffend, vom 8. Dezember 1941; in: FRUS 1941, Vol. I, S. 590. Zur Verteidigung der Philippinen durch General Douglas MacArthur siehe ausführlich Connaughton, Richard: MacArthur and the Defeat in the Philippines; Woodstock, New York 2001; im folgenden zitiert als Connaughton: Defeat in the Phil- ippines..., Zum japanischen Vormarsch siehe ausführlich Rahn: Krieg im Pazifik..., S. 237 – 243, zu den ersten Versuchen eines amerikanischen Gegenschlages siehe S. 244 – 248 135 Knightley: First casualty..., S. 299

Seite 30 “The Picture Survives” erreichen, wurde ein Apparat gigantischen Ausmaßes eingerichtet, dessen einziger Zweck es war, diese Unterstützung der Bevölkerung zu garantieren.136 So machte Präsident Roosevelt in einer Presseerklärung vom 16. Dezember 1941 den Weg für die Einrichtung eines Zensurregimes frei:

“[...] All Americans abhor censorship, just as they abhor war. But the experiance of this and all other nations has demonstrated that some degree of censorship is essential in war time, and we are at war. ... It is necessary to the national security that military information which might be of aid to the enemy be scrupulously withheld at the source. ... It is necessary that prohibtions against the domestic publication of some types of information, contained in long- exististing statues, be rigidly enforced. [...]”137 War im ersten Weltkrieg nur eine Organisation, das Creel Committee, für die Bereiche Propagan- da und Zensur zuständig, wurden diese beiden Aufgaben im Zweiten Weltkrieg auf zwei Organi- sationen verteilt: auf das “Office of Facts and Figures”, das spätere “Office of War Information”, und auf das “Office of Censorship”. Dem “Office of War Information” fiel die Aufgabe zu, die amerikanischen Kriegsanstrengungen mit Zahlenmaterial und Schaubildern zu illustrieren und diese Graphiken im In- und Ausland zu publizieren.138

Das “Office of Censorship” hingegen hatte, wie die Namensgebung schon andeutet, die Aufgabe, die gesamte Kommunikation in den USA zu überwachen. Unter diese Überwachung fielen sämt- liche in den USA verkehrende Briefe und Telegramme, die Überwachung des Telephonverkehrs sowie die Kontrolle über Zeitungen und Radiostationen. Ferner hatte diese Behörde darüber zu wachen, daß Hollywood sich ebenfalls an die Zensurvorschriften hielt und nicht zum Defätisten im eigenen Land wurde. Im Falle von Hollywood schwang sich das “Office of Censorship” aber auch zum Richter über Moral und politische Korrektheit auf. So waren beispielsweise Szenen, in denen die amerikanischen Streitkräfte der Lächerlichkeit preisgegeben wurden, ebenso verboten wie Themen, die Probleme aus den Bereichen Arbeit und sozialer Klassen seit 1917 ansprachen. Gerne gesehen waren hingegen Szenen, in denen unterschiedliche Ethnien bei Aufmärschen und Paraden der amerikanischen Streitkräfte auszumachen waren.139 Es sollte also – kurz gesagt – der Anschein erweckt werden, als wäre “a just and perfect America [...] well on the way to swift and total victory.”140 Der Aufgabenbereich des “Office of Censorship” beschränkte sich also vorwie- gend auf die Überwachung der amerikanischen Zivilbevölkerung und der Zivilmedien. Gleich- zeitig sollte durch dieses Zensurbüro garantiert werden, daß die Moral der amerikanischen Nati- on stets kampfbereit und niemals wankend war. Dies konnte aus Sicht des Leiters jener Behörde, Byron Price, dadurch erreicht werden, daß die amerikanische Zivilbevölkerung von all dem, was die Moral gefährden konnte, isoliert wurde. Einer der Gründe für die Akzeptanz der Regularien des “Office of Censorship” war die Person seines Leiters. Byron Price war durch seine Tätigkeit als Chefredakteur der Nachrichtenagentur Associated Press beinahe jedem amerikanischen Jour- nalisten und Verleger bekannt.141 Bedingt durch diesen Bekanntheitsgrad und durch seine untade- lige Amtsführung genoß Price den Respekt seiner Kollegen. Wie sehr Price im Kreise seiner Kol- legen geschätzt wurde, läßt sich aus der beinahe schon hymnischen Beschreibung seiner Person in der Zeitung “Philadelphia Bulletin”, vom 17. Dezember 1941, ersehen:

136 Vgl. Knightley: First casualty..., S. 299 137 Zitiert nach Collins; Washburn: American War Reporting, Vol. 5..., S. 250 138 Vgl. Knightley: First casualty..., S. 299 139 Vgl. Knightley: First casualty..., S. 299 140 Knightley: First casualty..., S. 300 141 Dies liegt auch in der Organisationsstruktur von AP begründet. Alle amerikanischen Medien, die Meldungen von AP beziehen, sind gleichzeitig die Inhaber von Associated Press. Die Verleger und Herausgeber der Blätter wählen aus ihren Reihen den Aufsichtsrat. Vgl. http://www.ap.org/pages/about/about.html (Letzter Zugriff 15. 07. 2008)

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“[...] Byron Price ... epitomizes common sense [...] No other newspaperman could be more depend upon to insist upon the supression of anything that would give aid or comfort to the enemy and at the same time protect the right of the people to free communication and to have all possible information on the progress of war through their newspapers and over the air. [...]”142 Der Umstand, daß man bei dem neuen Chefzensor wußte, woran man war, dürfte ein übriges zur weitreichenden Akzeptanz des “Office of Censorship” beigetragen haben.143 Die Besetzung die- ses Postens mit einem Journalisten wie Price hatte für die Regierung wie auch für die Medien den Vorteil, daß sich, bedingt durch die Erfahrung und die Reputation, die Price sich erworben hatte, kein Konflikt über die Art und Weise, wie die Pressezensur ausgeübt wurde, entwickeln konnte. Für die Regierung bot sich noch ein weiterer Vorteil: Indem man den ehemaligen Chefre- dakteur der einflußreichsten amerikanischen Nachrichtenagentur zum Chef eben jenes “Office of Censorship” gemacht hatte, konnte man darauf hoffen, daß jede Sprachregelung, die er verkün- dete, von seinen ehemaligen Kollegen auch so übernommen wurde.

Bald nach der Gründung des “Office of Censorship” erließ Price einen freiwilligen Verhaltensko- dex für die Presse. Der wohl wichtigste an seine ehemaligen Kollegen gerichtete Vorschlag war, bei jedem Detail zu prüfen, ob der Journalist, wäre er der Feind, diese Information würde haben wollen. Dieser Vorschlag ist im Endeffekt nichts anderes als die höflich verbrämte Aufforderung an den Journalisten, eine Schere im Kopf für diese Art von Information einzurichten und gewis- senhaft zu verwenden. Auch der Umstand, daß ein freiwilliger Verhaltenskodex für die Presse er- lassen werden kann, zeigt an, daß hier versucht wurde, auf eine sehr subtile Art und Weise Ein- fluß auf die Berichterstattung innerhalb der USA zu nehmen. Prinzipiell war der Presse in den USA weiterhin freigestellt, alles zu veröffentlichen – so lange sie damit nicht die Wut der Regie- rung heraufbeschwor. Diese hatte durch die Pressezensur die Möglichkeit, mit der nötigen Härte zurückzuschlagen. Wobei die amerikanische Regierung nur einige wenige Präzedenzfälle brauchte, um klarzumachen, wie weit die Presse wirklich gehen durfte: Im Mai und Juni des Jah- res 1942 wurde beispielsweise drei wöchentlich erscheinenden Publikationen, die dem amerika- nischen Engagement im Zweiten Weltkrieg kritisch gegenüberstanden, die Lizenz entzogen, ihre Ausgaben als Zeitung zu versenden, so daß der Versand in einer anderen Portoklasse erfolgen mußte und damit kaum mehr wirtschaftlich zu betreiben war.144

Angesichts der Tatsache, daß die USA in den ersten Kriegsmonaten bis zum waghalsigen Angriff des damaligen Lieutenant Colonel (Lt. Col.) Doolittle auf Tokio, dem sogenannten “Doolittle Raid” am 18. April 1942145, keine nennenswerten Aktionen gegen die japanischen Aggressoren vorweisen konnten, der japanische Vormarsch indessen noch immer weiterging, scheint diese to- tale Überwachung des Seelenzustandes der amerikanischen Zivilbevölkerung durchaus ange- bracht, wollte man verhindern, daß die herrschende Zustimmung für einen Krieg gegen Japan schwand. Der legendäre Doolittle-Raid war aber in erster Linie kein militärischer, sondern ein propagandistischer Erfolg mit einer stark ausgeprägten psychologischen Komponente. Die Schä- den, die Doolittles Bomber anrichteten, waren indes eher gering. Um so stärker wog die psycho- logische Komponente, mußte das japanische Hauptquartier doch erkennen, wie verwundbar das Heimatland war. In den Vereinigten Staaten wurde diese Aktion als propagandistischer Erfolg

142 Collins; Washburn: American War Reporting, Vol. 5..., S. 251 143 Vgl. Collins; Washburn: American War Reporting, Vol. 5..., S. 251 siehe auch Knightley: First casualty..., S. 304 144 Vgl. Collins; Washburn: American War Reporting, Vol. 5..., S. 251: “[...] A maximum of accomplishment will be attained if editors will ask themselves with respect to any given detail, “Is this information I would like to have if I were the enemy?” and then act accordingly [...]” 145 Siehe hierzu ausführlich Rahn: Krieg im Pazifik..., S. 247 – 248

Seite 32 “The Picture Survives” mit einer stark ausgeprägten psychologischen Komponente gewertet, zeigte diese Aktion doch, daß die USA nun endlich handelten und nicht mehr nur defensiv auf jede japanische Aktion re- agierten.146

Die Überwachung der Berichte der Korrespondenten, die zu den verschiedenen Kriegsschauplät- zen entsandt wurden, oblag den militärischen Zensurbehörden von Army und Navy. Innerhalb der USA praktizierten diese Zensurbehörden ein Verfahren, mit dem versucht werden sollte, die Journalisten von unerwünschten Informationen fernzuhalten; ein Verfahren, das unheimlich kom- plex war und dem vage formulierten Grundsatz, ob es Army und Navy zum Vorteil gereicht, wenn diese Information publiziert wird, gehorchte. Die Kontrolle des Korrespondenten außer- halb der USA war, im Vergleich zu diesem Verfahren, wesentlich einfacher. Bedingt durch den Umstand, daß jeder Korrespondent im Kriegsgebiet bei den zuständigen Militärbehörden akkre- ditiert sein mußte, konnte diese Kontrolle leicht ausgeübt werden. Ferner war eine Vorausset- zung, um überhaupt akkreditiert werden zu können, die Zustimmung zur Klausel, alle Berichte den militärischen Zensoren vorzulegen. Die Journalisten, die außerhalb der USA arbeiten woll- ten, hatten also gar keine andere Wahl als diesen Bedingungen zuzustimmen. Zu einem gewissen Teil spielte aber auch die Überzeugung eine Rolle, daß diese Einschränkung der Pressefreiheit im Interesse der Nationalen Sicherheit und daher zumindest zu erdulden sei.147 Nach dem Krieg schrieb der amerikanische Journalist und Schriftsteller John Steinbeck rückblickend über die Rolle und das Selbstverständnis der Journalisten im Zweiten Weltkrieg:

“[...] We were all part of the war effort. We went along with it, and not only that, we abetted it. Gradually it became a part of us that the truth about anything was automatically secret and that to trifle with it was to interfere with the war effort. By this I don't mean that the correspondents were liars. They were not... It is in the things not mentioned that the untruth lies... Yes, we wrote only a part of the war but at that time we believed, fervently believed, that it was the best thing to do. And perhaps that is why, when the war was over, novels and stories by ex-soldiers, like “The Naked and the Dead”, proved so shocking to a public which had been carefully protected from contact with crazy, hysterical mess.”148 Ein Beispiel, wie desaströs die militärische Lage war, bietet der Versuch der Verteidigung der Philippinen. Der mit dieser Aufgabe betraute General Douglas MacArthur überschätzte die „ge- gebenen Kräfte und Möglichkeiten krass.“149 Die Folge war, daß er die ihm gestellte Aufgabe komplett in den Sand setzte und, als sich die japanischen Angreifer näherten, ziemlich unhelden- haft evakuiert werden mußte.150 Während nur rund 60 Prozent der auf den Philippinen gefangen- genommenen Soldaten das Kriegsende 1945 erlebten, wurde MacArthur in der Heimat zum Kriegshelden und mit der höchsten amerikanischen Auszeichnung, der Ehrenmedaille des Kon- gresses, der “Congressional Medal of Honor”, ausgezeichnet.151 Indem Douglas MacArthur sich

146 Vgl. Rahn: Krieg im Pazifik..., S. 248 147 Vgl. Knightley: First casualty..., S. 300 148 Knightley: First casualty..., S. 301 149 Rahn: Krieg im Pazifik..., S. 239 150 Vgl. Rahn: Krieg im Pazifik..., S. 240, siehe hierzu auch Connaughton: Defeat in the Philippines..., S. 152; Per- ret, Geoffrey: Old Soldiers never die. The Life of Douglas MacArthur; London 1996, S. 253 – 285; im folgen- den zitiert als Perret: Old Soldiers..., siehe auch Knightley: First casualty..., S. 304 151 Vgl. Rahn: Krieg im Pazifik..., S. 240 – 241, siehe auch Perret: Old Soldiers..., S. 285. Bei der Auflistung aller Träger der Ehrenmedaille unter http://www.army.mil/cmh/html/moh/wwII-m-s.html (Letzer Zugriff 15. 07. 2008) ist folgende Passage aus der Laudatio für Douglas MacArthur zu finden: “For conspicous leadership in preparing the Philippine Islands to resist conquest, for gallantry and intrepidity above and beyond the call of duty in action against invading Japanese forces, and for the heroic conduct of defensive and offensive opera- tions on the Bataan Peninsula. He mobilized, trained, and led an army which has received world acclaim for its gallant defense against a tremendous superiority of enemy forces in men and arms. His utter disregard of per-

Seite 33 “The Picture Survives” selbst zum legendären und genialen Kommandeur hochstilisierte, der im Zweifel außerhalb der militärischen Befehlskette stand, gelang es ihm, sowohl auf den Philippinen als auch in den Ver- einigten Staaten selbst, zum Helden des Krieges zu werden, dessen Person und dessen Entschei- dungen über jeden Zweifel erhaben waren:

“[...] An accomplished self-promoter, MacArthur embellished the image of himself trough his “I Shall Return” [sic!] speech after leaving the Philippines, issued selfishly against the wishes of the administration. Within the military, some felt MacArthur should confront a court- martial because of his unexplained actions that left the Philippines defenseless against certain Japanese attack. He was warned hours in advance but failed to act in any way to limit the destruction of challenge the Japanese. But back home, MacArthur became a public hero, and the media fed the image.[...]”152 Dieses Image wurde mit der Zeit so wirkmächtig, daß MacArthur Präsident Roosevelt zwingen konnte, ihn, neben Admiral Chester W. Nimitz, zum Oberbefehlshaber über die amerikanischen Pazifikstreitkräfte zu berufen: Die Navy unter dem Kommando von Nimitz sollte sich westwärts über den Pazifik in Richtung Japan bewegen, während die Army unter MacArthurs Kommando sich, aus dem Südpazifik kommend, nördwärts bewegen sollte.153 Auch dies kann als Folge sei- nes selbsterschaffenen Ruhmes und seines guten Verhältnisses zu den Medien gesehen werden.154 Der Aufgabe der Glorifizierung MacArthurs widmete sich gleich eine ganze Abteilung aus sei- nem persönlichen Stab. Als er im im März 1942, nach jener wenig heldenhaften Evakuierungsak- tion, in der australischen Hafenstadt Melbourne ankam, diktierte er den wartenden Reporten fol- genden Satz in die Blöcke: “I have come through and I will return!”155. Sein PR-Stab machte daraus den Satz “I shall return”156 – ein Satz, der bald zum legendären Selbstläufer werden soll- te. Nicht nur, daß er von jedem Journalisten begeistert weiterverbreitet wurde, sondern er wurde auch auf beinahe allen Gegenständen, die man zur Unterstützung des philippinischen Widerstan- des abwarf, angebracht. Seine erste Amtshandlung nach der Ankunft in Australien war eine Rede vor den Parteichefs und anderen wichtigen Personen der australischen Politik in der Hauptstadt Canberra, in der er Australien die volle Unterstüzung der USA zusagte. Er tat dies mit dem ihm eigenen Sinn für Inszenierung und Pathos: “We shall win or we shall die. To this end I pledge you the full resources and all the mighty power, all the blood of my countrymen.”157 Auch sein Auftreten vor jenen Herren war typisch für MacArthur, ließ es doch keinen Zweifel an seinen militärischen Fähigkeiten und seiner Macht zu: Bei jener Rede trug er eine Uniformjacke, die mit der Miniaturversion seiner 36 militärischen Orden und Ehrenzeichen, angeordnet in 9 Reihen, geschmückt war. Sein eigener Photograph machte laufend Bilder von diesem ersten Auftritt auf australischer Erde. Beinahe unnötig zu erwähnen, daß dieser die Aufgabe hatte, seinen Chef nur in den vorteilhaftesten Posen abzulichten.158

sonal danger under heavy fire and aerial bombardment, his calm judgment in each crisis, inspired his troops, galvanized the spirit of resistance of the Filipino people, and confirmed the faith of the American people in their Armed Forces.” 152 Hamm; Shaw; Daniel: American War Reporting, Vol. 6..., S. 15 153 Vgl. Perret: Old Soldiers..., S. 462 154 Zu den Absichten und Hintergründen dieses geteilten Kommandos siehe ausführlich Rahn: Krieg im Pazifik..., S. 241, siehe hierzu auch Hamm; Shaw; Daniel: American War Reporting, Vol. 6..., S. 15 155 Knightley: First casualty..., S. 306 156 Knightley: First casualty..., S. 306; vgl. Perret: Old Soldiers..., S. 282, dort zitiert wie folgt: “The President of the United States ordered me to break through the Japanese lines and proceed from Corregidor [der letzten amerikanischen Bastion auf den Philippinen] to Australia for the purpose, as I understand it, of organizing the American offensive against Japan, a primary objective of which is the relief of the Philippines. I came through and I shall return.” 157 Perret: Old Soldiers..., S. 285 – 286; siehe auch Knightley: First casualty..., S. 306 158 Vgl. Knightley: First casualty..., S. 306

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Eine von MacArthurs ersten Amtshandlungen war die Einrichtung eines eigenen Zensurappara- tes, der vor allem zwei Zwecken dienen sollte: Zum einen sollte er Zeitungsberichte verhindern, aus denen ersichtlich wurde, wie schwach die alliierte Position in Australien war; zum anderen sollte er dafür sorgeh, daß am strahlenden Bild MacArthurs in der Öffentlichkeit festgehalten werden. Welche besondere Beziehung MacArthur zu den Journalisten in seinem Verantwortungs- bereich hatte, ist daraus ersichtlich, daß jeder, der an einen anderen Kriegsschauplatz gehen woll- te, zu MacArthur zitiert wurde, der ihm ins Gewissen redete und verkündete, daß der „fahnen- flüchtige“ Journalist nun den “big war” verlassen werde. Daß aber immer wieder Journalisten diesen Kriegsschauplatz verlassen wollten, ist, angesichts der rigiden Zensurmaßnahmen und der bisher kaum stattfindenden Kampfhandlungen, wohl ziemlich verständlich. Das Fehlen von ame- rikanischen Offensiv-Kämpfen machte es für die meisten Korrespondenten schwer, ihren Hei- matredaktionen gegenüber ihr Verbleiben vor Ort zu rechtfertigen.159

Dies sollte sich erst mit den Ereignissen im Korallenmeer, im Mai 1942, ändern. Die Gefahr ei- ner japanischen Invasion Australiens war nach der Seeluftschlacht im Korallenmeer nicht mehr gegeben. Die Bezeichnung Seeluftschlacht deutet schon an, daß die Kämpfe in dieser Schlacht ausschließlich in der Luft stattfanden und die mächtigen Schlachtschiffe beider Seiten keinen einzigen Schuß abfeuerten. Noch deutlicher als jene Ereignisse in Pearl Harbor zeigten diese Er- eignisse, daß das Zeitalter der großen Schlachtschiffe vorbei war und das der Flugzeugträger an- gebrochen war. Zu diesem, heute allgemein akzeptierten, Schluß kam der Korrespondent der amerikanischen Zeitung „Chicago Tribune“, Stanley Johnston, der damals von dem Flugzeugträ- ger „USS Lexington“ berichtete. Bei jenem Gefecht wurde die „Lexington“ so schwer beschä- digt, daß es nicht gelang, die Schäden unter Kontrolle zu bringen. Als es dann noch zu einer Ex- plosion im Innern des Trägers kam, mußte die „Lexington“ aufgegeben und versenkt werden. Der andere dort eingesetzte amerikanischer Flugzeugträger, die „USS Yorktown“, wurde zwar auch beschädigt, konnte aber nach Pearl Harbor zurückkehren, wo sie schnellstmöglich instand gesetzt wurde.160

Vor jenen Ereignissen in Pearl Harbor nahm die Zeitung, für die Johnston arbeitete, die „Chicago Tribune“, einen herausragenden Platz innerhalb der Reihen der isolationistisch eingestellten Presse, ein. So konnte sie sich 1938 mit dem Prädikat der „parteiischsten und unzuverlässigsten“161 Zeitung neben denen aus dem Hause Hearst schmücken. Ihr Besitzer, Ro- bert R. McCormick162, in Personalunion noch Herausgeber und Chefredakteur, war Colonel der

159 De facto wäre Australien im Falle eines ernsthaften japanischen Angriffs niemals zu halten gewesen: Hierzu war zum einen die australische Küstenlinie zu lang, um sie effektiv verteidigen zu können, zum anderen war hierfür nicht genügend Personal vorhanden, vgl. Perret: Old Soldiers..., 276 – 278 ; Knightley: First casualty..., S. 306 – 307. Im Falle einer japanischen Besatzung hätten allerdings auch die Besatzer die große Weite des Landes kaum kontrollieren können, dazu fehlte ebenfalls das Personal. Man wollte sich daher auf wichtige Ziele wie Sydney und Brisbane beschränken, vgl. Knightley: First casualty..., S. 307 – 309 160 Zur den Ereignissen in der “Coral Sea” siehe ausführlich Rahn: Krieg im Pazifik..., S. 248 – 251; siehe auch Morison, Samuel Elliot: History of United States Naval Operations in World War II., Vol IV; Coral Sea, Midway and Submarine Actions, May 1942 - August 1942; Boston 1984, S. 290 im folgenden zitiert als Morison: Coral Sea, Midway..., siehe auch Rahn: Krieg im Pazifik..., S. 250, 261; Knightley: First casualty..., S. 308 161 Zitiert nach Wiedmann, Catherine: Die amerikanische Außenpolitik des Jahres 1941 zwischen Isolationismus und Interventionismus. Der Einfluß der Isolationisten; Konstanz 1996, S. 22, im folgenden zitiert als Wied- mann: Einfluß der Isolationisten..., 162 Zur Person Robert Rutherford McCormicks und zur Geschichte der "Chicago Tribune" siehe ausführlich Wendt, Lloyd: Chicago Tribune. The rise of a great American Newspaper; Chicago, New York, San Francisco 1979, im folgenden zitiert als Wendt: Chicago Tribune...,

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Nationalgarde und konnte auf eine lange Familientradition als Zeitungsverleger zurückblicken. Er selbst versuchte per Leitartikel Einfluß auf die Leser zu nehmen. McCormick scheint diesen Privatkrieg hauptsächlich gegen die Außenpolitik Roosevelts geführt zu haben.163

Johnston überlebte den Untergang der „Lexington“, half bei den Rettungsarbeiten mit und be- fand sich auf einem Transportschiff der Marine auf dem Rückweg in die USA, als er von den Matrosen dieses Schiffes hörte, daß es um das Atoll von Midway heftige Kämpfe gäbe. Die See- luftschlacht von Midway, die gemeinhin als die Wendemarke des Pazifikkrieges bezeichnet wird, fand vom 4. bis zum 6. Juni 1942 statt und endete mit einen klaren Sieg der amerikanischen Streitkräfte.164 Hatte der Doolittle-Raid der amerikanischen Heimatfront Anlaß zu Hoffnung und Inspiration gegeben, die Kriegsanstrengungen nicht zu verringern, so gaben die Ereignisse bei Midway der Heimatfront endlich einen Sieg, der den Durchhaltewillen erheblich stärken mußte – schien doch damit die Serie der Niederlagen gegen Japan beendet zu sein.165 Als Johnston wieder in seinem Büro in Chicago war, schrieb er alles, was er von den Matrosen an Bord gehört hatte, nieder. Zusammen mit einem Kollegen suchte er sich dann aus dem Periodikum „Jane's Fighting Ships“ die wahrscheinlichste Zusammensetzung der beiden gegnerischen Flottenverbände her- aus. Als dann noch die Navy einen kurzen Überblick über die Ereignisse publizierte, konnte Johnston nun seinen ziemlich genauen und detailierten Bericht veröffentlichen.166 Er konnte dies tun, da er zum einen nicht als Kriegsberichterstatter bei der Navy akkreditiert war und so deren Zensoren umgehen konnte. Zum anderen verboten es die Zensurvorschriften nicht, über Namen und Bewegungen von feindlichen Schiffen zu berichten.167

Was trotz dieser Tatsache folgte, war ein Aufschrei seitens der Verantwortlichen in der Navy. Johnston wurde nach Washington vorgeladen und von einigen Vertretern der Navy befragt, denen er bereitwillig seine Quellenbasis darlegte und sich darüber wunderte, warum der Versuch, über einen großartigen amerikanischen Sieg zu berichten, derartige Folgen haben konnte. Nach der Befragung durch die Marine wurde eine “grand jury” eingerichtet, die auf Anordnung des Justiz- ministers168 prüfen sollte, ob durch den Bericht Johnstons der Tatbestand des Hochverrates erfüllt worden sei. Nach zwei Monaten beendete die Jury ihre Arbeit mit der Feststellung, daß Johnston nichts vorzuwerfen sei. Diese Jury trat während des gesamten Krieges nur dieses eine Mal – in Johnstons Fall – zusammen.169

In Anbetracht dieses Vorgehens stellt sich natürlich die Frage, warum die amerikanische Regie- rung in diesem Fall dermaßen extrem handelte. Angesichts des Verhaltens seiner Zeitung vor

163 Vgl. Wiedmann: Einfluß der Isolationisten..., S. 22 – 23; Knightley: First casualty..., S. 310 164 Zu den Hintergründen und zum Verlauf der Seeluftschlacht von Midway siehe ausführlich Rahn: Krieg im Pazi- fik..., S. 251 – 261; siehe auch Weinberg, Gerhard L.: A World at Arms. A Global History of World War II; Cam- bridge 20052, S. 362 – 375, im folgenden zitiert als Weinberg: A World at Arms...,: Rohwer, Jürgen: Die See- Luftschlacht bei Midway 1942; in: Jacobsen, Hans-Adolf [Hrsg.]: Entscheidungsschlachten des Zweiten Welt- krieges; Frankfurt 1960, S. 189 – 227, im folgenden zitiert als Rohwer: Midway...,; Morison: Coral Sea, Mid- way..., S. 67 – 159; Potter, Elmar B.: Das Blatt wendet sich; in: Potter, Elmar B.; Nimitz, Chester W. [Hrsg.]: Seemacht. Eine Seekriegsgeschichte von der Antike bis zur Gegenwart; Herrsching 1982, S. 776 – 793, hier S. 776 – 780; im folgenden zitiert als Potter: Blatt wendet sich..., 165 Vgl. Hamm; Shaw; Daniel: American War Reporting, Vol. 6..., S. 107 166 Johnstons bestechend präzise Analyse der bei Midway dislozierten Kräfte findet sich abgedruckt bei Hamm; Shaw; Daniel: American War Reporting, Vol. 6..., S. 115 - 116 167 Vgl. Knightley: First casualty..., S. 309 – 310 168 Im amerikanischen Rechtssystem ist der Justizminister, der “attorney general”, gleichzeitig oberster Vertreter seines Landes vor Gericht und Vorsteher aller Justizbehörden. Er wird vom Senat auf Vorschlag des Präsidenten ernannt. 169 Vgl. Collins; Washburn: American War Reporting, Vol. 5..., siehe auch Knightley: First casualty..., S. 310

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Ausbruch des Krieges liegt die Vermutung nahe, daß Franklin D. Roosevelt über Johnston den Herausgeber der „Chicago Tribune“, Robert R. McCormick, treffen wollte. Aus heutiger Sicht hat es den Anschein, als sei dies nicht das Motiv dieses Vorgehens gewesen. Vielmehr hatte die Marineführung Angst, ihre Fähigkeit, den japanischen Marinefunkverkehr abzuhören und zu ent- schlüsseln, sei durch Johnstons Artikel kompromittiert worden. Der japanische Gegner aber kam niemals auf die Idee, sein Funkverkehr sei abgehört worden. Auch den Johnston Artikel in der Chicago Tribune nahm er nicht zur Kenntnis. Um aber solche Fälle in der Zukunft zuverlässig verhindern zu können, wurden die Zensurvorschriften nun auch auf die Nennung gegnerischer Einheiten ausgeweitet.170

Die Schlacht von Midway bedeutete, wie oben erwähnt, einen Wendepunkt im Pazifikkrieg. Von nun an waren die amerikanischen Streitkräfte nicht mehr nur auf dem Rückzug, sondern konnten offensiv agieren. Für Japan bedeutete die Niederlage von Midway weit mehr: Mit dem Verlust von vier großen Flugzeugträgern verlor Japan eine großen Teil seiner Offensivkapazität. Diese Flugzeugträger hätten zwar theoretisch ersetzt werden können, doch war die japanische Groß- und Schwerindustrie zu diesem Zeitpunkt schon bei der Obergrenze dessen, was überhaupt zu leisten war, angekommen. Hinzu kam noch der Mangel an Industriegütern aller Art. Weit schwe- rer wog indes der Verlust von über 100 Piloten. Diese standen seit dem japanischen Angriff auf Pearl Harbor im Dienst und bildeten den erfahrensten Teil der japanischen Marineflieger. Da man aber versäumt hatte, diese erfahrenen Piloten von Bord zu nehmen und an Land mit der Ausbildung der Rekruten zu betrauen, klaffte nun eine erhebliche Lücke im Personalbestand – eine Lücke, die im weiteren Verlauf des Krieges nie mehr geschlossen werden konnte.171

Nach dem negativen Ausgang der Schlacht von Midway war der japanische Vormarsch zum Ste- hen gekommen. Die USA befanden sich nun nicht mehr nur in der Defensive, sondern konnten zur Offensive übergehen. Dabei stand im Vordergrund, den Verteidigungsring aus befestigten In- seln vor den japanischen Hauptinseln zu knacken, diese also zu erobern oder zu umgehen.172 Die japanischen Streitkräfte waren zwar immer noch ein gefährlicher Gegner, dessen fanatischer Kampfeswille das Gefahrenmoment noch erhöhte, wie die Kämpfe um Guadalcanal, die vom August 1942 bis zum Februar 1943 dauerten, eindrucksvoll zeigten, doch gelang es den japani- schen Kräften nicht mehr, ihren Machtbereich auszuweiten.173

Mit dem Übergang zur Offensive änderte sich auch die bis dahin extrem repressive Pressepolitik der amerikanischen Streitkräfte. Die Pressestäbe schalteten nun von Konfrontation auf Koopera- tion und boten an, Arrangements für die Korrespondenten zu treffen. So sollten für einzelne Jour- nalisten Besuchstouren zu jedem beliebigen Kommando organisiert werden, es sollte erlaubt sein, jeden zu interviewen und alles zu photographieren. Die Zensurabteilung der Navy wurde nun von einem erfahrenen Offizier geleitet, der selbst entscheiden konnte, welche Berichte veröf- fentlicht werden durften.174 Ferner änderte man die Richtlinien für die Zensur von Bildern. Durf- ten in den ersten Jahren des Krieges keine Bilder veröffentlicht werden, die Rückschlüsse auf die

170 Vgl. Knightley: First casualty..., S. 310; zur Relevanz der amerikanischen Funkaufklärung für die Schlacht von Midway siehe Rahn: Krieg im Pazifik..., S. 254, siehe auch Krebs: Krieg im Pazifik..., S. 655; Hamm; Shaw; Daniel: American War Reporting, Vol. 6..., S. 17 171 Vgl. Rahn: Krieg im Pazifik..., S. 261 172 Vgl. Rahn: Krieg im Pazifik..., S. 263 173 Zu der Vorgeschichte und den Kämpfen um Guadacanal siehe Rahn: Krieg im Pazifik..., S. 263 – 271; und aus- führlich Morison, Samuel Elliot: History of United States Naval Operations in World War II., Vol. V; The strug- gle for Guadalcanal. August 1942 - February 1943; Boston 1959; im folgenden zitiert als Morison: Guadacanal..., 174 Vgl. Knightley: First casualty..., S. 322

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Position der Alliierten zuließen oder auf denen gefallene Alliierte zu sehen waren, so fiel letzte- res Verbot im Laufe der Jahre weg. Zum einen dauerte der Krieg schon sehr lange und die Zahl der Opfer war gestiegen, was eine gewisse Unruhe an der Heimatfront zur Folge hatte. Zum an- deren glaubten die Verantwortlichen in Washington, daß Bilder von amerikanischen Gefallenen den Geist, der nach den Ereignissen von Pearl Harbor in der amerikanischen Bevölkerung herrschte, wiederbeleben würden.175

Dieses so hervorragend klingende Angebot hatte jedoch einen Haken: Die Berichte, die man als Journalist auf den Kriegsschauplätzen sammeln konnte, waren nicht exklusiv. Man war Mitglied eines Pools. Als Mitglied in einem solchen Pressepool war man gezwungen, seine Berichte mit den Kollegen, die nicht vor Ort sein konnten, zu teilen. War es dann aber einem Korrespondenten gelungen, einen Bericht wirklich exklusiv zu erhalten, so waren die Kommunikationswege auf dem pazifischen Kriegsschauplatz so lang, so kompliziert und fehleranfällig, daß der Bericht, traf er in den USA ein, alles andere als exklusiv – im Sinne von erstem Bericht über das betreffende Ereignis – war. Die amtlichen Verlautbarungen waren meist schneller. So wurde aus dem ver- meintlichen Scoop, dem Knüller, nur eine normale Meldung von vielen. Das Nachrichtenmaga- zin bemerkte hierzu bitter, daß die wichtigsten amerikanischen Kriegskorresponden- ten die beiden Männer seien, die in Washington säßen und die Kommuniqués von Army und Navy verfaßten.176

Im Mai 1944 wollte das “Harper's Magazine” einen auf den Februar 1944 datierenden Artikel des britischen Kriegskorrespondenten Walter Lucas veröffentlichen, der sich kritisch mit Dou- glas MacArthur auseinandersetzte. MacArthur war zu dieser Zeit als Präsidentschaftskandidat für die Republikaner im Gespräch, bis er sich entschied, dieses Angebot abzulehnen. Die amerikani- sche Militärzensur verhinderte jedoch den Abdruck mit folgender Begründung:

“[...] The article as written undermines the confidence of this country, Australia, and particularly the troops in that theatre, in their commander and his strategic and tactical plans. Such a result would be of great value to the Axis and damaging to General MacArthur's very difficult campaign in the Southwest Pacific.[...]”177 Die Herausgeber von “Harper's” druckten den Brief, aus dem das obige Zitat stammt, in ihrem Magazin ab. Sie betonten in ihrem Editorial ferner, daß sie nichts gegen Zensur hätten, wenn die Information dem Feind nutzen würde, sie aber erhebliche Probleme darin sähen

“[...] that censorship may be extended to the concealment of military losses, mistakes and shortcomings, and we believe it is better in the long run that the publicity given to, let us say, a Patton incident should cause acute discomfort in high military quarters than that mistakes should be hidden. [...]”178 Hier scheint es sich um einen seltenen Fall journalistischer Courage in Zeiten des Krieges zu handeln, waren doch amerikanische Journalisten sonst nicht so sehr auf Konfrontationskurs bedacht. Bedauerli- cherweise – und das ist das größte Problem an diesem Beispiel – ist der beanstandete Artikel nicht überliefert, sondern lediglich der Artikel der New York Times über diesen Vorfall. Daher soll dieses Beispiel nur illustrieren, wie weit die amerikanische Militärzensur gehen konnte. 175 Vgl. Buell, Hal: Uncommon Valor, Common Virtue. Iwo Jima and the Photograph that Captured America; New York 2006, S. 128, im folgenden zitiert als Buell: Uncommon Valor..., 176 Vgl. Beham: Kriegstrommeln..., S. 64; Knightley: First casualty..., S. 323 177 Zitiert nach: Army Bars Article Judging M'Arthur. Refuses to Pass for Harper's a Criticism Written by Bri- ton Who Was Long in Australia; in: , 04. Mai 1944 178 Zitiert nach: Army Bars Article Judging M'Arthur. Refuses to Pass for Harper's a Criticism Written by Bri- ton Who Was Long in Australia; in: The New York Times, 04. Mai 1944

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Am Beispiel des Pazifikkrieges läßt sich auch zeigen, wie sehr die Feststellung des preußischen Militärtheoretikers Carl von Clausewitz „Ein großer Teil der Nachrichten, die man im Krieg be- kommt, ist widersprechend, ein noch größerer falsch und bei weitem der größte einer ziemlichen Ungewißheit unterworfen“179 nicht nur auf den Informationsstand des Führers im Gefecht, son- dern auch auf den ihn begleitenden Journalisten zutrifft: Am 20. Oktober 1944 landeten die ers- ten amerikanischen Truppen auf der philippinischen Insel Leyte. Beinahe parallel hierzu kam es zur „bis dahin größten Seeschlacht der Weltgeschichte“180. Im Verlauf der dreitägigen See- schlacht verlor die japanische Seite die Hälfte der eingesetzen Schiffe. Der für die amerikanische Nachrichtenagentur United Press arbeitende Journalist George E. Jones hielt sich damals an Bord des Flaggschiffes von Admiral Mitcher auf. Er berichtete über die Ereignisse wie folgt: “Today, the Japanese fleet submitted itself to the destinies of war and lost. Four enemy carriers have been sunk, eight battleships have been damaged.”181 Jones berichtete über das, was er und auch die amerikanischen Stäbe mit Sicherheit annehmen konnten: einen weiteren amerikanischen Sieg über eine überlegene japanische Flotte. Was er und auch die amerikanischen Stäbe erst später sa- hen, war der Umstand, wie überragend und gleichzeitig knapp der amerikanische Sieg – die japa- nischen Marinestreitkräfte zogen sich, aus bis heute ungeklärten Gründen, überraschend zurück – tatsächlich war. Die Japaner hatten in jener Schlacht 4 Flugzeugträger, 3 Schlachtschiffe, 6 Schwere Kreuzer, 3 Leichte Kreuzer, 1 U-Boot und ca. 500 Flugzeuge verloren. Dazu kam noch der Verlust von 10500 Mann. Die japanische Flotte als offensives Instrument war damit praktisch nicht mehr existent.182

Nicht nur die Seeschlacht war, um wieder in Superlativen zu sprechen, die größte. Auch die ame- rikanische Landungsoperation auf Leyte war die größte Unternehmung dieser Art. Abgesehen von der Größe der Landungsflotte – auf amerikanischer Seite nahmen 16 Flugzeugträger, 16 Ge- leitträger, 12 Schlachtschiffe, 23 Kreuzer, 94 Zerstörer und 160.000 Mann Bodentruppen teil – war diese Operation auch ein Teil des persönlichen Feldzuges von Douglas MacArthur gegen die Japaner. Als im Laufe des 20. Oktober 1944 der erste Landungsabschnitt, Red Beach, gesichert war, watete Douglas MacArthur zusammen mit dem Exil-Präsidenten der Philippinen an Land. Dieses sorgsam inszenierte Bild – am Strand wurden beide schon von Photographen und Kame- ramännern, unter ihnen auch MacArthurs persönlicher Photograph, erwartet – sollte zum Arche- typ der Bilder von erfolgreichen Landungsoperationen werden.183 Was also auf den Betrachter wie ein Schnappschuß wirkt, war in Wirklichkeit eine vorausberechnete und geplante Aktion mit dem Ziel, weiter an MacArthurs Glorifizierung und seinem Bild als amerikanischer Held schlechthin zu feilen und ihn so über alle anderen hochrangigen Militärs auf dem pazifischen Kriegsschauplatz zu erheben.184 Ein Journalist der Zeitschrift „Fortune“, der sich im Tross Ma- cArthurs befand, schildert die Ereignisse an jenem Oktobertag des Jahres 1944 wie folgt:

“[...] MacArthur appeared on deck in fresh, smooth-pressed suntans, bebraided hat, and sun glasses, and let himself down a ladder into a barge. He took up a position in the stern, directly

179 Zitiert nach: Becker, Jörg: Medien im Krieg; in: Österreichische Militärische Zeitschrift, 5 / 2001, S. 575 – 580, hier S. 580, im folgenden zitiert als Becker: Medien im Krieg..., 180 Krebs: Krieg im Pazifik..., S. 723 181 Knightley: First casualty..., S. 324 182 Zum genauen Verlauf der Seeschlacht im Leyte-Golf siehe ausführlich Krebs: Krieg im Pazifik..., S. 719 – 723; siehe auch Morison, Samuel Elliot: History of United States Naval Operations in World War II., Vol. XII; Leyte, June 1944 - January 1945; Boston 1958, S. VII; im folgenden zitiert als Morison: Leyte..., 183 So ähneln etwa die Bilder der Landung amerikanischer Marines im südvietnamesischen Da Nang, 1965, und die Bilder von der Landung amerikanischer Truppen in Somalia 1991 verblüffend diesem ersten Bild. 184 Vgl. Perret: Old Soldiers..., S. 421 – 422; Krebs: Krieg im Pazifik..., S. 718 – 719; siehe auch Arnett: Einsatz des Lebens..., S. 222 – 223; Knightley: First casualty..., S. 326

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behind and above Philippines President Osmena, Commissioner Romulo, Chief of Staff Sutherland, and Air Commander Kenney, looking all the time a picture of composure and dignified good humor. He smiled broadly and said to Sutherland, “Well, believe it or not, we're here.” When the landing barge grounded and the forward end flapped down, Mac Arthur stepped out calmly into knee-deep water and, with Kenny, Sutherland, and other officers around him, waded impressively ashore. The party inspected the beach, walked inland about 200 yards and studied the damage done by the bombardment. Back on the beach MacArthur delivered his liberation speech. He was genuinely moved; his hands shook and his voice took on the timbre of deep emotion. “People of the Philippines,” he said, “I have returned. By the grace of Almighty God our forces stand again on Philippine soil - soil consecrated in the blood of our two peoples. We have come, dedicated and committed, to the task of destroying every vestige of enemy control over your daily lives, and of restoring, upon a foundation of indestructible, strength, the liberties of your people. At my side is your President, Sergio Osmena, worthy successor of that great patriot, Manuel Quezon, with members of his cabinet.” His voice became fuller as rich prose flowed on. “Rally to me. Let the indomitable spirit of Bataan and Corregidor lead on. As the lines of battle roll forward to bring you within the zone of operations, rise and strike. ... For your homes and hearths, strike! For future generations of your sons and daughters, strike! In the name of your sacred dead, strike! Let no heart be faint. Let every arm be steeled. The guidance of divine God points the way. Follow in His Name to the Holy Grail of righteous victory!” He walked down the beach, sat down under a palm, chatted awhile with President Osmena. He was introduced to Major General Irving of th 24th Division. Then he went back to the [USS] Nashville. Douglas MacArthur had returned.”185 Die Ansprache MacArthurs wurde über Rundfunk an „seine“ Philippinos verbreitet, die so von der Landung und der Einlösung seines zwei Jahre zuvor gegebenen Versprechens erfuhren. Gleichzeitig wurde obiges Bild weltweit von allen Zeitungen gedruckt. In diesem Moment war General Douglas MacArthur mehr als nur ein General, er war ein Symbol186 geworden: ein Sym- bol für den amerikanischen Vormarsch im Pazifik, ein Symbol für die unter japanischer Herr- schaft leidenden Menschen und für die bevorstehende Befreiung, nicht zuletzt auch ein Symbol für die amerikanische Nation, daß dieser Krieg erfolgreich enden würde. Sein Weg vom Lan- dungsschiff zum Strand am ersten Tag der Landungsoperationen wurde auch zum Symbol von weniger amerikanischer als vielmehr von MacArthurs Risikobereitschaft. Das Symbolhafteste an diesen Bild ist auch der Umstand seiner Entstehung mit eben diesen Protagonisten. Die Tatsache, daß MacArthur auf diesem Bild zu sehen ist und nicht Admiral Nimitz, MacArthurs Widerpart auf amerikanischer Seite, zeigt auch an, wem nach Meinung MacArthurs die meisten Lorbeeren in diesem Krieg zustünden: nicht Chester Nimitz und der Marine, sondern ihm und dem Heer. Der Eindruck, daß MacArthur ein Meister der Selbstinszenierung war, wird noch dadurch ver- stärkt, daß seine Rede nicht so einfach hatte gehalten werden können: MacArthur war zwar am Strand von Leyte an Land gegangen, es dauerte aber noch über eine Stunde, bis er jene Rede hal- ten konnte. Zuerst mußte vom Landungsschiff “USS Nashville” ein transportabler Sender an den Strand geschafft werden, der es ermöglichte, die starken Funkanlagen der “Nashville” als Relais- station zur Übertragung der Rede zu nutzen.187

185 Zitiert nach Morison: Leyte..., S. 136 – 137. Eine vollständige Version von MacArthurs Rede findet sich unter http://www.pbs.org/wgbh/amex/macarthur/filmmore/reference/primary/macspeech03.html (Letzer Zugriff 15. 07. 2008). 186 Vgl. Morison: Leyte..., S. 137 187 Vgl. Perret: Old Soldiers..., S. 422

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Abbildung 3: “Gen. Douglas MacArthur wades ashore during initial landings at Leyte, P.I.” October 1944. 111-SC-407101.

Quelle: http://www.archives.gov/research/ww2/photos/images/ww2-150.jpg (Letzter Zugriff 15. 07. 2008)

Diese auf so spektatuläre Weise aufgenommene Photographie wurde auch für die japanische Ge- neralität zum Symbol: zum Symbol für den gescheiterten Kampf um die Vormachtstellung im asiatisch-pazifischen Raum. Mit dem Verlust der Philippinen war der Seeweg nach Indonesien wieder fest in amerikanischer Hand, so daß japanische Öltanker und Rohstofffrachter kaum noch die dringend benötigten Versorgungsgüter in die Heimat schaffen konnten. Dies führte zu einer immer weiter zunehmenden Verknappung dieser beiden Rohstoffe. Lediglich der japanische Ge- neral Tomoyuki Yamashita, seit der Eroberung Singapurs und Malaysias als der „Tiger von Ma- laya“ bekannt, hegte Zweifel an der Authentizität des Bildes. Wie nach dem Krieg bekannt wur- de, glaubte er, dieses legendäre Photo von MacArthur sei damals in Neu Guinea inszeniert wor- den. Ein so bedeutender General wie MacArthur, so dachte jener japanische General, würde doch niemals selbst an die Front gehen und sich dermaßen exponieren. Yamashita sagte nach dem Krieg, daß er, hätte er gewußt, daß dieses Bild echt – also nicht gestellt – sei, dann hätte er einen Selbstmordangriff der gesamten japanischen Luftwaffe gegen das Hauptquartier MacArthurs be- fohlen.188

Die nächsten Wegmarken auf dem Weg nach Japan waren, nach der Befreiung der Philippinen, die Inseln von Iwo Jima und Okinawa. Die Landung auf diesen beiden Inseln würde, so die An- nahme der Planungsstäbe, den Alliierten den unbegrenzten Zugang zum Luftraum über dem ja- panischen Festland sichern und das Ende des Krieges beschleunigen.

188 Vgl. Morison: Leyte..., S. 138

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Insbesondere Iwo Jima, zu deutsch „Schwefelinsel“,189 dies mag ein Hinweis auf die Ödnis die- ser Insel sein, von der Allan R. Millett schreibt: “Of all the unpleasant islands the Marines saw in World War II, Iwo Jima was the nastiest [...]”190. Diese Insel war jedoch für die Alliierten von größter Wichtigkeit, bot sie doch als einzige in dieser Zone des Pazifik genügend große flache Abschnitte, auf denen man schon vorhandene Start- und Landebahnen für schwere Bomber er- tüchtigen konnte, die auf dem Rückweg von ihren Einsätzen über dem japanischen Festland Pro- bleme bekommen hatten und notlanden mußten. Die Initiative zu dieser Operation ging dabei ur- sprünglich von General „Hap“ Arnold aus, dem Oberbefehlshaber der Army Air Forces,191 der diese Landungsmöglichkeit für seine Bomber haben wollte.192

Abbildung 4: Iwo Jima, Volcano Islands, Feb. 23, 1945 – U.S. Marines raise the flag atop Mount Suribachi on the Pacific island of Iwo Jima in World War II.

AP / Joe Rosenthal Quelle: http://www.archives.gov/research/ww2/photos/images/ww2-156.jpg (Letzter Zugriff 15. 07. 2008)

189 Vgl. Krebs: Krieg im Pazifik..., S. 735 190 Millett: Semper Fidelis..., S. 427 191 Während des Zweiten Weltkrieges gab es noch keine Luftwaffe im Sinne einer eigenständigen Teilstreitkraft. Das, was nach dem Krieg die USAF (United States Air Force) werden sollte, gehörte damals noch als Army Air Force zur US-Army. 192 Siehe hierzu ausführlich Morison, Samuel Elliot: History of United States Naval Operations in World War II., Vol. XIV; Victory in the Pacific, 1945; Boston 1961, S. 7, im folgenden zitiert als Morison: Victory in the Paci- fic...,, siehe auch Millett: Semper Fidelis..., S. 427; Krebs: Krieg im Pazifik..., S. 735 – 736; siehe auch Hamm; Shaw; Daniel: American War Reporting, Vol. 6..., S. 163

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Aus diesem Grund mußte dieses Inselchen unter beinahe allen Umständen erobert werden. Nach zweimonatigem Bombardement und mehrtägigem Trommelfeuer der Schiffsartillerie begann am 19. Februar 1945 die Landungsoperation. Am Tag der Landung selbst startete man ein exzessives Bombardement als direkte Vorbereitung der Landungsoperation, bei dem die Insel sprichwörtlich mit Granaten und Bomben bedeckt wurde. Die Landung war durch die flachen Strände einfach, die vorrückenden Angreifer stießen auf wenig japanische Gegenwehr. Schon am zweiten Tag ge- lang es, das erste Flugfeld einzunehmen und zu sichern, am fünften Tage dann das zweite Flug- feld und den Mount Suribachi zu besetzten.193

Kein anderes Bild ist so sehr Symbol für die Kämpfe auf dem Pazifischen Kriegsschauplatz des Zweiten Weltkrieges geworden wie das Bild des AP-Photographen Joe Rosenthal aus dem Febru- ar 1945.194 Dieses Foto vom Hissen der amerikanischen Flagge auf einem unwirtlichen Eiland vulkanischer Herkunft im Pazifik namens Iwo Jima ist aber nicht das Symbol für das Ende der Kämpfe um Iwo Jima, sondern das Symbol für amerikanischen Kampfeswillen und die Fähig- keit, bis an die Grenze der Selbstaufopferung für eine Sache zu kämpfen. Die Kämpfe wurden danach immer heftiger und verlustreicher, hatten die japanischen Verteidiger, die natürlichen Ge- gebenheiten perfekt ausnutzend, doch die Insel in ein Labyrinth aus „künstlich angelegte[n] Bunkern, natürlichen Höhlen und ein ausgeklügeltes Tunnelsystem“195 verwandelt. Den Angrei- fern bot die Insel immer weniger Möglichkeiten, Deckung zu suchen. Die Marines mußten sich Meter um Meter vorankämpfen, wobei die Zahl der Verwundeten und Toten immer höher stieg. So verlangte beispielsweise die Eroberung der Höhe 382 einen derart hohen Blutzoll, daß diese Höhe bald als “Meat Grinder” zu trauriger Berühmtheit gelangte. Insgesamt dauerte die Erobe- rung Iwo Jimas 36 Tage. Die Planer hatten für diese Operation ursprünglich nur ein Drittel dieser Zeit veranschlagt. Die Schlacht um Iwo Jima entwickelte sich mit der Zeit zu einem Moloch, der Personal und Material, das eigentlich an anderer Stelle dringend gebraucht wurde, verschlang: bei den Kampfhandlungen hatten die USA ca. 7000 Gefallene und über 18000 Verwundete, die Japaner 20.000 Gefallene zu beklagen. Die Tatsache, daß die USA nur ca. 200 Gefangene ma- chen konnten, zeugt vom unbändigen Durchhaltewillen der japanischen Soldaten.196 Admiral Ni- mitz bemerkte im seinem Schlußbericht zu den Kampfhandlungen um Iwo Jima: “uncommon valor was a common virtue”.197

193 Vgl. Morison: Victory in the Pacific..., S. 11 – 12, 34 – 35; Krebs: Krieg im Pazifik..., S. 735; Millett: Semper Fidelis..., S. 429 194 Bildunterschrift im Original: “Iwo Jima, Volcano Islands, Feb. 23, 1945 - U.S. Marines raise the flag atop Mount Suribachi on the Pacific island of Iwo Jima in World War II”, zitiert nach Alabiso, Vincent; Smith Tun- ney, Kelly; Zoeller, Chuck: Flash! The Associated Press Covers the World; New York 1998, S. 7 – 8, im folgen- den zitiert als Alabiso et al.: Flash!...,; vgl. Dülffer, Jost: Über-Helden - Das Bild von Iwo Jima in der Repräsen- tation des Sieges. Eine Studie zur US-amerikanischen Erinnerungskultur seit 1945, in: Zeithistorische Forschun- gen / Studies in Contemporary History 2006, http://www.zeithistorische-forschungen.de/16126041-Duelffer-2- 2006 ; im folgenden zitiert als Dülffer: Über-Helden..., 195 Krebs: Krieg im Pazifik..., S. 735 196 Vgl. Millett: Semper Fidelis..., S. 427; Morison: Victory in the Pacific..., S. 47; Krebs: Krieg im Pazifik..., S. 736 197 Zitiert nach: Morison: Victory in the Pacific..., S. 48

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Abbildung 5: Die erste auf dem Mount Suribachi gehisse Flagge wird eingeholt, während die größere, zweite Flagge, die schließlich auf dem Bild Joe Rosenthals zu sehen sein sollte,, im Hintergrund gehisst wird.

Private Bob Campbell / USMC Quelle: USMC History Division

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Diese Aufnahme ist aber nicht nur das Symbol für die Kämpfe im Pazifik, sondern auch ein Bild, das auf vielfache Art und Weise zur amerikanischen Ikone wurde. Die Legendenbildung setzte hierbei schon in dem Moment ein, als das Ereignis stattfand: Die Landungsoperationen wurden vom Marineminister198 James V. Forrestal beobachtet. Als die Marines, Angehörige der 28th Mari- nes, 5th Marines Division, die Flagge auf dem Gipfel des Mount Suribachi hißten, drehte sich Forrestal zum neben ihm stehenden Kommandeur des Marine Corps um und sagte: “The raising of that flag on Suribachi means there will be a Marine Corps for the next 500 years.”199 Kurz da- nach erreichte eine weitere Gruppe Marines, offenbar durch die nun sichtbare amerikanische Flagge ermutigt, den Gipfel des Suribachi; diese Gruppe von Marineinfanteristen führte eine grö- ßere Flagge mit sich.200 Als sie diese hißten, entstand jenes Foto, das um die Welt gehen und zur Ikone werden sollte: “The picture of six ordinary Americans, half of them doomed to become casualties on Iwo, came to symbolize the Corps of World War II and served as an inspiration to Marines and their fellow citizens ever since”.201 Als Joe Rosenthal im September 2006 starb, ver- neigten sich, neben einigen ranghohen Militärs, auch zwei amerikanische Präsidenten, und George H. W. Bush, an seinem Grab. Gerald Ford, 38. Präsident der Vereinigten Staa- ten und Teilnehmer des Zweiten Weltkrieges auf dem pazifischen Kriegsschauplatz, schrieb in seinem Kondolenzbrief an Rosenthals Kinder:

“[...] Your father Joe Rosenthal's photograph of the Marines raising our flag over Mt. Suribachi on Iwo Jima also raised the spirits of millions of people when it was published, particularly those of us who saw combat in the Pacific. That remarkable picture still underscores the resilience and spirit of we Americans, and is an everlasting reminder of who we are as a people, something as important today as it was then. [...]”202 Der damalige Vorsitzende der Vereinigten Stabschefs, der Joint Chiefs of Staff, Peter Pace, seines Zeichens General des Marine Corps, schrieb in seinem Kondolenzschreiben:

“[...] Generations of Marines have been forged from our heritage which is so aptly reflected in that one image. It continues to serve as a benchmark – something to strive for, to live up to – a reminder of who we are as Marines. Joe's photo embodies our core values, and each new generation of Marines, and all who wear the uniform of this great Nation, will continue to draw strength and purpose from it. [...]”203 Das Beispiel jener Aufnahme von Joe Rosenthal dient auch als Beispiel dafür, wie langsam und kompliziert der Transport von Bildmaterial auf dem Pazifischen Kriegsschauplatz war. Bedingt durch die großen Entfernungen, die zurückgelegt werden mußten, erwies sich die Übermittlung von Nachrichtenmaterial – sowohl von Texten als auch von Bildern – oftmals als ungemein lang- wierig und kompliziert. Im Gegensatz zu anderen Schauplätzen des Krieges im Pazifik klappte, im Falle von Iwo Jima, der Transport des Bildmaterials hervorragend, die Navy hatte auch nichts unversucht gelassen, diesen sicherzustellen: so startete beispielsweise ein Wasserflugzeug einmal

198 Die amerikanische Bezeichung für diese Position ist die des „Secretary of the Navy“. 199 Millett: Semper Fidelis..., S. 430, ähnlich Morison: Victory in the Pacific..., S. 61 – 62; siehe auch Remarks by at the Tribute to Joe Rosenthal; in: Digitaljournalist.org, Ausgabe September 2006 http://digitaljournalist.org/issue0609/tribute-to-joe-rosenthal.html (Letzter Zugriff 15. 07. 2008) 200 Vgl. Buell: Uncommon Valor..., S. 101; Millett: Semper Fidelis..., S. 429 – 430 201 Millett: Semper Fidelis..., S. 430 202 Remarks by David Hume Kennerly at the Tribute to Joe Rosenthal; in: Digitaljournalist.org, Ausgabe Septem- ber 2006 http://digitaljournalist.org/issue0609/tribute-to-joe-rosenthal.html (Letzter Zugriff 15. 07. 2008) 203 Remarks by David Hume Kennerly at the Tribute to Joe Rosenthal; in: Digitaljournalist.org, Ausgabe Septem- ber 2006 http://digitaljournalist.org/issue0609/tribute-to-joe-rosenthal.html (Letzter Zugriff 15. 07. 2008)

Seite 45 “The Picture Survives” am Tag. Daß dies eher die Ausnahme als die Regel war, zeigt das Beispiel des Landungsunter- nehmens auf Tarawa im November 1943. Dort trafen die Bilder erst nach dem Ende der Schlacht in den USA ein.204

Das Entgegenkommen des amerikani- schen Militärs hatte aber einen besonde- ren Hintergrund: Schon bei der Planung der Landungsoperation hatte man be- schlossen, die Medien miteinzubezie- hen. Dabei wurde den Vertretern der Presse ein gesondertes Landungsschiff mit der gut sichtbaren Aufschrift “Press” zur Verfügung gestellt.205 Joe Rosenthals Bildmaterial wurde wie das seiner ca. 90 zur Berichterstattung über die Invasion entsandten Kollegen von einem Wasser- flugzeug der Navy nach Guam geflogen, wo das Hauptquartier des “Wartime Still Picture Pool” angesiedelt war. In diesem Pool dienten zivile und militärische Abbildung 6: Landungsschiff mit der Aufschrift "Press", es scheint sich hierbei um das Landungsschiff zu handeln, daß 1945 bei der Landung auf Iwo Jima der Presse Bildredakteure gemeinsam mit militäri- zur Verfügung gestellt wurde. schen Technikern und Zensoren. Viele Quelle: Standbild aus dem Film “Shores of Iwo Jima” der militärischen Bildredakteure hatten den gleichen Beruf in ihrem zivilen Le- ben, so daß hier durchaus Profis am Werk waren. Die großen amerikanischen Nachrichtenagen- turen und Magazine waren ebenfalls an diesem Pool beteiligt.206 Sie bezahlten die Gehälter ihrer zivilen Mitarbeiter, während das Militär den Transport und die Versorgung mit Lebensmitteln übernahm. Die dort ankommenden Filme wurden entwickelt und nach der Freigabe durch die Zensoren zu Bilderserien zusammengestellt, die über eine militärische Bildfunkleitung in die USA übertragen wurden. Dort wurden die Bilder von den einzelnen Mitgliedern des Pools über ihre eigenen Funknetze weitergeleitet, während das Originalmaterial über Kuriere nach Washing- ton gelangte.207

Rosenthals Filme von jenem Ereignis trafen am Abend des 23. Februar 1945, einem Freitag, in Guam ein, wo sie umgehend entwickelt wurden. Er hatte seinem Bildmaterial mehrere Sätze an Bildunterschriften beigefügt, ein Umstand, der die Bearbeitung seiner Bilder erheblich beschleu- nigte, da der Zensor schon die Unterschriften abnehmen konnte, während der Film noch entwi- ckelt wurde. Offenbar waren die Mitarbeiter des “Wartime Still Picture Pool” von jenem Bild so in ihren Bann gezogen, daß es vom zuständigen Offizier gleich, über eine Bildfunkverbindung der Marine, an Associated Press in San Francisco weitergeleitet wurde. AP wiederum sandte das

204 Vgl. Buell: Uncommon Valor..., S. 128 – 129 205 Vgl. Dülffer: Über-Helden..., Abschnitt 2 206 An diesem Pool waren beteiligt: die Nachrichtenagentur Associated Press, die Nachrichtenagentur Acme (der Vorläufer von United Press), Randolf Hearsts „International Newsphotos“ und das Life Magazine. Vgl. Buell: Uncommon Valor..., S. 128 207 Vgl. Buell: Uncommon Valor..., S. 128 – 129

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Bild im Verlauf des 24. Februar an alle seine Relaisstationen, die die Aufgabe hatten, die Funk- bilder von AP landesweit zu verteilen. Bilder, die über diesen Weg übertragen werden, haben meist eine ziemlich miserable Bildqualität.208

Rosenthals Aufnahme hatte dieses Manko – aus nicht zu klärenden Gründen – nicht. Sie war am 25. Februar 1945 in beinahe allen Sonntagszeitungen des Landes der Aufmacher, da alle anderen Nachrichtenagenturen das Bild, vermutlich mit Genehmigung von Associated Press, übernom- men hatten:209 “Americans fell in love with the photograph. It promised victory”.210

Diese Photographie, die so viele an eine Statue erinnerte, inspirierte noch am selben Tag einen Künstler der Marine dazu, eine dreidimensionalen Statue zu formen.211 Der Kölner Historiker Jost Dülffer kommt angesichts dieser Vergleichsmöglichkeit zu folgender Interpretation dieses Bildes:

„[...] Das fertige Bild hält eine Geste des Sieges, der Bemächtigung fest, als die das Hissen der Flagge gemeinhin galt und die auch im Zweiten Weltkrieg immer wieder praktiziert wurde. Es war nicht die aufrecht stehende Fahne mit den sie umringenden Soldaten, sondern der vorausgehende Akt, die Arbeit am Sieg gleichsam, welcher dem Foto seinen einzigartigen Charakter verlieh. Unterstrichen wird die nach rechts aufwärts gerichtete Dynamik der Soldaten durch die gegenläufige diagonale Ausrichtung des Fahnenmastes, der links oben die Fahne trägt und rechts unten in einen aufgewühlten, von Holzteilen und anderen undefinierbaren Gegenständen bedeckten Boden gerammt wird. Diese Bewegung wird durch die im Winde wehende Fahne gesteigert, welche die Serie der Sterne und Streifen dennoch gut erkennen lässt. Das veröffentlichte Bild war in der Waagerechten stark beschnitten, aus dem Querformat wurde ein Hochformat. Daher blieb der obere Teil des Bildes gleichsam leer, in Erwartung, mit der Dynamik des Aufstiegs gefüllt zu werden. Das stellt in abendländischer Tradition eine sakral gefärbte Pose dar. [...]“212 Diese Interpretation trifft zwar den Kern der Sache. Es ist aber zu bezweifeln, daß der Photo- graph oder der Bildredakteur all dies im Hinterkopf hatte, als dieses Bild entstand. Angesichts der Tatsache, daß das Photo in einer 4/100stel Sekunde entstanden ist, was übrigens auch Dülffer einräumt,213 und angesichts der Umstände, die die Entstehung dieser Aufnahme begleiteten, scheint diese Überlegung auf Seiten des Photographen eher im theoretischen Bereich der Mög- lichkeiten zu liegen. Joe Rosenthal war ein professioneller Photograph mit einer gewissen Routi- ne. Selbst wenn unter dieser Prämisse manche Prozesse schneller ablaufen und der Blick für das richtige Motiv eintrainiert ist, erscheint es doch unwahrscheinlich, daß all diese Überlegungen in dieser kurzen Zeitspanne abgelaufen sind.

Der Schöpfer jener Statuengruppe, Felix de Weldon, lieferte mit seinem Werk den ersten Entwurf zu dem, was zehn Jahre später, am 10. November 1954, das „USMC War Memorial“ werden sollte. Diese Gedenkstätte ist zum einen allen amerikanischen Marineinfanteristen gewidmet, die seit 1775 bei der Verteidigung der Vereinigten Staaten von Amerika gefallen sind. Damit perpe- tuiert dieses Mahnmal aber auch die Werte des Marine Corps und damit auch indirekt die ameri- kanischen Werte, die in „der amerikanischen Dreieinigkeit von Gott, Vaterland und Freiheit“214

208 Vgl. Buell: Uncommon Valor..., S. 130 – 132 209 Vgl. Dülffer: Über-Helden..., Abschnitt 2; siehe auch Buell: Uncommon Valor..., S. 132 210 Buell: Uncommon Valor..., S. 132 211 Vgl. Buell: Uncommon Valor..., S. 132 212 Dülffer: Über-Helden..., Abschnitt 3 213 Vgl. Dülffer: Über-Helden..., Abschnitt 1 214 Junker, Detlef: Power and Mission. Was Amerika antreibt; Freiburg 2003, S. 7, im folgenden zitiert als Junker: Power and Mission...,

Seite 47 “The Picture Survives” formelhaft zusammengefaßt sind. Zum ande- ren aber ist die Gedenkstätte durch ihr Bild- programm dem Andenken der 6 Marines ge- widmet, die am 23. Februar 1945 die amerika- nische Flagge auf dem Gipfel des Mount Suri- bachi hißten. Ferner ist dieses Denkmal aber auch ein Ort, um des Photographen, der diese Aufnahme machte, zu gedenken. Joe Rosen- thal und seine Geschichte leben in der kollek- tiven Erinnerung durch dieses Bild und durch das Denkmal weiter.215

Die Geschichte der jungen Marines, die durch jenes Bild unsterblich geworden sind, wurde schon während des Krieges politisch instru- mentalisiert, um Geld für den Krieg, in Form von Kriegsanleihen, einzuwerben. Der “Sev- enth War Bond”, die Sammelrunde, bei der die Helden von Iwo Jima quer durch die Vereinig- ten Staaten gekarrt wurden, um Werbung für die Kriegsanleihe zu machen, war die erfolg- reichste des Zweiten Weltkrieges.216

Auch als Briefmarke war dieses Bild und die Geschichte dahinter eine absolute Erfolgssto- ry: Bis 1948 wurden 135.000.000 Briefmar- Abbildung 7: 040709-N-0295M-003 Washington, D.C., (July 9, 2004) – ken ausgegeben, auch wenn die Veröffentli- Two U.S. Marines lower the American flag flown over the U.S. Marine Corps War Memorial, located in Washington, D.C. Flags flown over the chung einer Marke mit dem Abbild der ameri- memorial are made available to retiring military personal, and many military kanischen Flagge zuerst auf heftigen Protest ceremonies and formal presentations. Felix DeWeldon sculpted the memori- stieß. Präsident Roosevelt hatte zwar erlaubt, al after the famous flag-raising scene at the Battle of Iwo Jima during World War II. The memorial is dedicated to all Marines who have given their lives daß die “Stars and Stripes” während des Krie- in the defense of the United States since 1775. U.S. Navy photo by Photo- ges auch von privater Seite zur Beflaggung grapher’s Mate 2nd Class Daniel J. McLain (RELEASED verwandt werden durfte, jedoch hatte das „Na- Quelle: US-Navy, Pressestelle tional Flag Code Committee“, das – stark ver- http://www.navy.mil/management/photodb/photos/040709-N-0295M- einfacht – die Aufgabe hat, über die Verwen- 003.jpg (Letzter Zugriff 15. 07. 2008) dung der Flagge als amerikanisches Hoheitszeichen zu wachen – doch erhebliche Bedenken ge- gen die Verwendung der Flagge auf einer Briefmarke, schließlich sei es mit der Würde der Flag- ge nicht zu vereinbaren, wenn die Briefmarke abgeleckt würde.217

Das Schicksal jener Marines wurde mehrmals von Hollywood verfilmt und als Vorlage für das amerikanische Heldenepos schlechthin genommen. Noch 1945 erschien eine Dokumentation des “Office of War Information” mit dem Titel “The shores of Iwo Jima”. Das Rohmaterial stammte von Kameraleuten der Marines, der Navy und der Coast Guard. Die Montage erfolgte durch einen Schnittmeister der Warner Bros. Studios. Es hat den Anschein, als sei im Schnitt auch die Audiospur dieser Dokumentation komplett neu angelegt worden, da der Atmo-Ton, der eigent- lich von den Kameras mit aufgezeichnet wird, zu perfekt und zu rein ist, um original zu sein. In 215 Vgl. Buell: Uncommon Valor..., S. 132, 195; Fraund: Funktion einer Elite..., S. 89 216 Vgl. Buell: Uncommon Valor..., S. 190; siehe auch Dülffer: Über-Helden..., Abschnitt 5 217 Vgl. Dülffer: Über-Helden..., Abschnitt 4

Seite 48 “The Picture Survives” dieser Audiospur finden sich weder Über- noch Untersteuerungen oder Tonaussetzer, wie sie bei Material, das unter diesen Umständen entstanden ist, wahrscheinlich wären. Das Material an sich scheint aber authentisch und nicht nachgestellt zu sein. Dafür ist die Bildsprache oftmals zu hek- tisch, sind Einstellungen unscharf und verschwommen. All dies sind Indizien, die darauf hindeu- ten, daß es sich hierbei um Originalmaterial handelt. Solche Fehler, wie sie in der Situation eines Gefechtes entstehen, sind – sollten sie bei einem Neudreh simuliert werden – nur sehr schwer und mit viel Aufwand zu wiederholen.

1949 wurde der erste Spielfilm über jenes Ereignis, “Sands of Iwo Jima”, mit John Wayne in der Hauptrolle gedreht. Teilweise wurde Material aus der Dokumentation “The shores of Iwo Jima” verwendet. Das Drama wurde für vier Oscars nominiert und schließlich mit einem Oscar ausge- zeichnet.218 Für die Szene, in der die Flagge aufgerichtet wird, wurden die noch lebenden „Origi- naldarsteller“ aus dem Jahr 1945 verpflichtet. Der Film schildert die Umstände, die zur Aufrich- tung der Flagge führten, falsch. Dafür genoß er aber die volle Unterstützung des Marine Corps: Nicht nur, daß echte Marines aus dem Ausbildungslager der Marines im kalifornischen Camp Pendelton ihre Vorgänger mimten, das Corps spielte das gesamte Landungsunternehmen an der kalifornischen Küste nach – als ein ins Gigantische gesteigertes Reenactment. Die Verantwortli- chen gingen sogar soweit, die Originalflagge mit militärischem Geleit einzufliegen. Der Grund für dieses – selbst für die Möglichkeiten des amerikanischen Militärs, Filme zu unterstützten – außergewöhnliche Engagement liegt darin, daß das Marine Corps zu dieser Zeit um sein Überle- ben als Teilstreitkraft kämpfte.219

Der letze Film in dieser Reihe ist der 2006 erschienene Streifen “Flags of our Fathers”, bei dem Clint Eastwood Regie führte. Clint Eastwood wollte die reale Lebensgeschichte der Männer, die die Flagge hißten, darstellen. Parallel dazu drehte Eastwood noch den Film “Letters from Iwo Jima”, in dem die japanische Sichtweise der Ereignisse rund um die Schlacht von Iwo Jima auf- gezeigt wird. “Letters from Iwo Jima” wurde mehrfach für den Oscar nominiert, konnte jedoch letztlich nur einen Oscar für den besten Soundtrack erringen.220

Sowohl die Schlacht als auch das Hissen der Flagge wurden bis heute in diversen Dokumentatio- nen und Fernsehserien221 geschildert und teilweise auch zitiert. So zum Beispiel in einer Folge der amerikanischen Fernsehkrimiserie „Navy-NCIS“222, in der ein Marine, Träger der Ehrenme- daille des Kongresses und Veteran der Schlacht von Iwo Jima, sich selbst beschuldigt, bei den

218 Vgl. http://www.imdb.com/title/tt0041841/ (Letzter Zugriff 15. 07. 2008), siehe auch Dülffer: Über-Helden..., Abschnitt 7 219 Vgl. Buell: Uncommon Valor..., S. 195; Dülffer: Über-Helden..., Abschnitt 6 220 Vgl. http://www.imdb.com/title/tt0498380/ (Letzter Zugriff 15. 07. 2008) 221 Genaugenommen handelt es sich bei diesen Fernsehserien nicht um Serien nach dem Verständnis des amerikani- schen TV-Marktes. “Serials”, von dem sich das deutsche Wort „Serie“ ableitet, steht eigentlich für Geschichten mit fortlaufender Handlung, bei denen jede Folge auf der anderen aufbaut. Im Gegensatz hierzu stehen “Proced- urals”, also Serien, bei denen die Handlung einer Folge in sich abgeschlossen ist. Vgl. Schawinski: TV-Falle…, S. 76 – 77. Der Einfachheit halber, da der Begriff „Serie“ in Deutschland bekannt ist, wird dieser Begriff weiter- verwandt. 222 Der Originaltitel der Serie, die seit dem Jahr 2003 im amerikanischen Fernsehen zu sehen ist, lautet “NCIS: Naval Criminal Investigative Service”. Im deutschen Fernsehen wird sie seit dem Jahr 2005 vom Sender Sat 1 ausgestrahlt. Vgl. http://www.imdb.com/title/tt0364845/ (Letzter Zugriff 15. 07. 2008). Da aber der Originaltitel NCIS für den deutschen Markt ungeeignet erschien, wurde daraus dann “N-CIS”, “Navy-CIS” zum einen, um den Zungenbrecher NCIS zu umgehen, und zweitens, um eine sinnhafte Verwandtschaft zu den – sowohl in den USA als auch in Deutschland mit großem Erfolg laufenden – Serien “CIS” herzustellten, vgl. Schawinski: TV- Falle…, S. 87 – 89

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Kämpfen auf Iwo Jima seinen besten Freund getötet zu haben.223 Jener Marine ist, so will es das Drehbuch, der letzte lebende amerikanische Teilnehmer dieser Schlacht und auch noch Mitglied jener 28th Marines, 5th Marines Division, deren Angehörige damals die Flagge auf dem Mount Suribachi gehißt hatten.224 Corporal Yost, so der Name jenes Marine, leidet offensichtlich unter einer Mischung von Altersdemenz und einer Posttraumatischen Belastungsstörung225, der dazu noch vor kurzem seine Frau zu Grabe tragen mußte.226 Im Verlauf der Folge versuchen die Er- mittler unter anderem den Ablauf der Schlacht von Iwo Jima genau zu rekonstruieren. Dabei ver- wenden sie auch die Dokumentation “To the shores of Iwo Jima”. Einer der Ermittler verwech- selt diese Dokumentation, offenbar aufgrund des gleichen Bildmaterials, mit dem ersten der Iwo Jima Filme “Sands of Iwo Jima” von 1949.227 Bei Yost zu Hause steht das legendäre Bild Joe Ro- senthals auf dem Couchtisch.228 Auch in der Rekonstruktion der Ereignisse von damals wird der legendäre Moment des Hissens der Flagge perpetuiert. Diesmal jedoch nicht in Form des Bildes von Joe Rosenthal, sondern als Farbfilm im Hintergrund – offenbar wieder mit Material aus der Dokumentation “To the shores of Iwo Jima”. An dieser Stelle wird auch darauf eingegangen, daß auf Iwo Jima die Flagge zweimal hintereinander gehißt wurde.229

Auch in der Musik werden auf der Basis dieses Mythos die Geschichte und auch die Hintergrün- de jenes Bildes perpetuiert. So beispielsweise in dem Lied “Ballad of Ira Hayes” des Folk- und Countrysängers Peter La Farge. Sein Lied wurde aber erst in der Interpretation von Johnny Cash einer breiteren Öffentlichkeit bekannt. Dieses Lied thematisiert die Ereignisse auf Iwo Jima im Februar 1945 nur indirekt, während das Schicksal eines der Marines beleuchtet wird: Ira Hayes war einer der GI's, die durch Rosenthals Photo über Nacht zu nationalen Berühmtheiten wurden. Hayes wurde dabei eine besondere Aufmerksamkeit zuteil, da er einer der wenigen Indianer war, die im Zweiten Weltkrieg Berühmtheit erlangten. Mit dem Ruhm und dem, was er im Kriege er- lebt hatte, kam er indes nicht zurecht und fing an, massiv zu trinken. Die Geschichte dieses tragi- schen Helden hinter dem so glorifizierenden Mythos Iwo Jima wurde auch in Clint Eastwoods Film “Flags of our Fathers” thematisiert. Die Ballade wiederum faßt das Leben Hayes so zusam- men:

“[...] There they battled up Iwo Jima's hill, Two hundred and fifty men But only twenty-seven lived to walk back down again

223 Die Folge lief unter dem Originaltitel „Call of Silence“ am 23. November 2004 im amerikanischen Fernsehen. In Deutschland wurde diese Folge am 13. Oktober 2005 unter dem Titel „Der Held von Iwo Jima“ ausgestrahlt. Vgl. http://www.imdb.com/title/tt0657985/ (Letzter Zugriff 15. 07. 2008) 224 Navy-NCIS, 2. Staffel, Folge „Der Held von Iwo Jima“; TC in: 00:08:58 – TC out: 00:09:23 (Alle Angaben beziehen sich auf die im Handel erhältliche DVD dieser Serie.) 225 Zu den medizinischen Details, Erscheinungsformen und der Diagnose einer Postraumatischen Belastungsstö- rung siehe ausführlich Hoffmann, Sven Olaf; Hochapfel, Gerd et al. [Hrsg.]: Neurotische Störungen und Psy- chosomatische Medizin. Mit einer Einführung in Psychodiagnostik und Psychotherapie; Stuttgart 20047, S. 169; im folgenden zitiert als Hoffmann, Hochapfel: Neurotische Störungen…, siehe auch Nemeroff, Charles B.; Bremmer, Douglas J; Foa, Edna B. et al.: Posttraumatic stress disorder. A state-of-the-science review; in: Journal of Psychiatric Research 40 / 2006; S. 1 – 21, im folgenden zitiert als Nemeroff; Bremmer; Foa et al.: Posttrau- matic stress disorder…,; ferner Neuner, Frank; Catani, Claudia; Ruf, Martina et al.: Narrative Exposure Therapy

for the Treatment of Traumatized Children and Adolescents (KidNET): From Neurocognitive Theory to Field Intervention; in: Child and Adolescent Psychiatirc Clinics of North America 17 / 2008; S. 641 - 664; im folgen- den zitiert als Neuner; Catani; Ruf et al.: Narrative Exposure Therapy…, 226 Navy-NCIS, 2. Staffel, Folge „Der Held von Iwo Jima“; TC in: 00:08:21 – TC out: 00:08:57 227 Navy-NCIS, 2. Staffel, Folge „Der Held von Iwo Jima“; TC in: 00:16:58 – TC out: 00:17:38 228 Navy-NCIS, 2. Staffel, Folge „Der Held von Iwo Jima“; TC in: 00:24:12 – TC out: 00:24:22 229 Navy-NCIS, 2. Staffel, Folge „Der Held von Iwo Jima“; TC in: 00:28:17 – TC out: 00:29:14

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And when the fight was over And when Old Glory raised Among the men who held it high Was the Indian, Ira Hayes [...] Ira returned a hero Celebrated through the land He was wined and speeched and honored; Everybody shook his hand [...] Then Ira started drinkin' hard; Jail was often his home They'd let him raise the flag and lower it like you'd throw a dog a bone!

He died drunk one mornin' Alone in the land he fought to save Two inches of water in a lonely ditch Was a grave for Ira Hayes [...]”230

Wie sehr Joe Rosenthals Bild zur amerikanischen Ikone ge- worden ist, läßt sich auch daran erkennen, daß nach den Er- eignissen des 11. September 2001 ebenfalls ein ähnliches Bild entstanden ist. Der Photograph Thomas E. Franklin be- fand sich an jenem Tag auf dem Rückweg in die Redaktion, als er drei Feuerwehrleute sah, die die amerikanische Flagge auf den Trümmern des World Trade Centers hißten. Die Ähnlichkeit der beiden Bilder ist enorm. Auch ihre symboli- sche Aufladung ist ähnlich: “One Photo reached the gener- ation to strengten the message of another, each reminding Americans that in 2001, as in the Pacific battle of 1945, the nation, its ideals and its values would prevail.”231

Nach dem Ende der Kampfhandlungen auf dem europäi- schen Schauplatz des Krieges wurden viele Reporter in den pazifischen Schauplatz entsandt, um über die immer perso- nalinternsiveren Kämpfe zu berichten. Unter ihnen war auch der, durch seine Berichte aus Europa zur Legende geworde- ne, Ernie Pyle. Pyle erreichte den pazifischen Kriegsschau- Abbildung 8: Fireman raise a flag where WTC once stood. platz im April 1945 – rechtzeitig, um von den Kämpfen um 232 Thomas Franklin / The Record Okinawa, die seit Mitte März tobten, zu berichten. Als die Quelle: Landung auf Okinawa am 1. April, dem Ostersonntag des http://dirckhalstead.org/issue0110/fulton2.htm (Letz- Jahres 1945, begann, war Ernie Pyle mit dabei: Er ging mit ter Zugriff 15. 07. 2008) einem Regiment Marines an Land und erlebte, daß die An-

230 Der Text des Liedes “Ballad of Ira Hayes” des Country-Sängers Johnny Cash wurde der Website http://www.ly- ricsdomain.com/10/johnny_cash/the_ballad_of_ira_hayes.html (Letzter Zugriff 15. 07. 2008) entnommen. 231 Buell: Uncommon Valor..., S. 217 siehe auch Fulton, Marianne: Memory of a Flag; in: http://dirckhalstead.org/issue0110/fulton2.htm (Letzter Zugriff 15. 07. 2008) 232 Details zur Landung der Alliierten auf Okinawa, der Operation “Iceberg”, finden sich bei Morison: Victory in the Pacific..., S. 79 – 282

Seite 51 “The Picture Survives” greifer auf keinen Widerstand der japanischen Verteidiger stießen. Pyle merkt in seinem Bericht von der Landung an, daß Korrespondenten nicht vor der Landung der 5. Welle der Landungsboo- te an Land gehen durften.233 Doch dieser Eindruck von Ostersonntag-Picknick-Atmosphäre, wie Pyle sie beschreibt: “So instead of grabbing a hasty bite of K rations our first meal ashore, we sat down and lunched on turkey wings and oranges”234 sollte nicht lange anhalten. Die Kampf- handlungen wurden bald heftiger und verlustreicher. Während der Kämpfe um Okinawa starb am 12. April der amerikanische Präsident Franklin D. Roosevelt. Sechs Tage später starb, bei einer Landungsoperation auf einer Okinawa vorgelagerten Insel, Ernie Pyle. Er wurde Opfer eines ja- panischen MG-Schützen, der bis dahin unbemerkt geblieben war. Es wurde in der amerikani- schen Presse zwar über Pyles Tod berichtet.235 Das Bild, das damals von einem Photographen des Army Signal Corps gemacht wurde, wurde jedoch vom Kriegsministerium aus Rücksicht auf Py- les kränkelnde Witwe nicht veröffentlicht. Dieses Bild wurde erst im Jahr 2008 entdeckt, selbst in den National Archives war dieses Bild nicht bekannt.236

Die Überlieferungsgeschichte dieses Photos ist dabei ebenso spannend wie aus wissen- schaftlicher Sicht interessant: Nachdem der Photograph des Army Signal Corps unter Feu- er zu der Stelle des Unglücks gerobbt war und jenes Bild aufgenommen hatte, gelangte der Film – durch wen läßt sich heute nicht mehr rekonstruie- ren – auf ein Kommunikati- onsschiff der Marine, die “USS Panamint”, um dort ent- wickelt zu werden. Das Nega- tiv wurde offenbar auf Anwei- sung höherer Stellen vernich- 237 tet. Abbildung 9: This photo provided by Richard Strasser, made by U.S. Army photographer Alexander Roberts, shows famed World War II war correspondent Ernie Pyle shortly after he was killed by a Ja- Der Besitzer des Abzuges, Ri- panese machine gun bullet on the island of Ie Shima on April 18, 1945. Pyle, 44, had just arrived in the Pacific after four years of writing his popular column from European battlefronts. The Army chard Strasser, bekam von ei- photographer who crawled forward under fire to make this picture later said it was withheld by mil- nem Freund, der auf der “USS itary officials. An AP survey of history museums and archives found only a few copies in existence, Panamint” Photolaborant war, and no trace of the original negative. As far as it could be determined, the photo had perhaps never before been published. But on Feb. 7, AP learned that it was in fact published at least once before, in nach der japanischen Kapitula- the Burlington, N.C. Daily Times-News on Dec. 14, 1979. This is the only example of it to date. tion einen großen Umschlag AP Photo / Alexander Roberts / Courtesy of Richard Strasser voller Bilder. Etliche Monate Quelle: http://www.digitaljournalist.org/issue0802/after-63-years-death-photo-of-famed- später, nach der Entlassung aus wwii-reporter-ernie-pyle-surfaces.html (Letzter Zugriff: 15. 07 . 2008) 233 Vgl. Hamm; Shaw; Daniel: American War Reporting, Vol. 6..., S. 182 – 183 234 Zitiert nach Hamm; Shaw; Daniel: American War Reporting, Vol. 6..., S. 182 235 Vgl. Hamm; Shaw; Daniel: American War Reporting, Vol. 6..., S. 183 - 184 236 Vgl. Pyle, Richard: After 63 Years, Death Photo of Famed WWII Reporter Ernie Pyle Surfaces; in: http://www.- digitaljournalist.org/issue0802/after-63-years-death-photo-of-famed-wwii-reporter-ernie-pyle-surfaces.html (Letzter Zugriff 15. 07. 2008) 237 Vgl. Pyle, Richard: After 63 Years, Death Photo of Famed WWII Reporter Ernie Pyle Surfaces; in: http://www.- digitaljournalist.org/issue0802/after-63-years-death-photo-of-famed-wwii-reporter-ernie-pyle-surfaces.html (Letzter Zugriff 15. 07. 2008)

Seite 52 “The Picture Survives” dem Militärdienst, öffnete Strasser diesen Umschlag und fand darin unter anderem jenes Photos. Strasser bot dieses Bild im letzten Jahr der Nachrichtenagentur AP an, die dann Nachforschun- gen zur Geschichte dieses Bildes anstellte und so entdeckte, daß es noch ein zweites Bild glei- chen Inhalts mit einer ähnlichen Überlieferungsgeschichte gab.238

Nach der Eroberung und endgültigen Sicherung Okinawas hätte als nächstes die Landung in Ja- pan, die Operation “Olympic”, angestanden. Dazu sollte es jedoch nicht mehr kommen: Als nach dem Abwurf der beiden ersten Atombomben auf Hiroshima (6. August 1945) und Nagasaki (9. August 1945) und nach dem Eintritt der Sowjetunion in den Krieg Japan am 2. September 1945 offiziell kapitulierte, nahm kein geringerer als Douglas MacArthur die japanische Kapitulation entgegen.239

Die japanische Nachrichtenagentur Domei hatte am 10. August eine Ankündigung des Außenmi- nisters ausgestrahlt, nach der Japan bereit wäre, zu den Bedingungen des Protokolls der Konfe- renz von Potsdam zu kapitulieren – wenn die Person des Tenno nicht angetastet würde.240 Diese Ankündigung muß die Verantwortlichen in Washington, aber auch die Soldaten an der Front un- vorbereitet erreicht haben. So erinnert sich ein Colonel aus dem High Command der Army: “When the Japanese surrendered it caught the whole goddamn administrative machinery with their pants down.”241 Was diese Nachricht im politischen Washington an Aktivitäten tatsächlich auslöste, läßt sich ungefähr vorstellen.242

MacArthur wurde am 15. August 1945 zum “Supreme Commander of the Allied Powers” (SCAP) ernannt – eine Ernennung, mit der der sonst so selbstbewußte General nicht rechnen konnte: Im April 1945 war Präsident Roosevelt verstorben, mit dem MacArthur, trotz etlicher Spannungen, sehr gut zurechtgekommen war. Roosevelts Nachfolger, Harry S. Truman, konnte nicht so gut mit Douglas MacArthur und seinen Eigenheiten umgehen.243 Wobei diese Formulie- rung eher noch untertrieben ist: Truman haßte MacArthur unsäglich:“To his commander in chief, the most higly decorated soldier in American history was a contemptible coward. [...] To Tru- man, everything about MacArthur was fake, including his bravery.”244 Warum Truman aber die- sem Mann, den er dermaßen haßte, diesen verantwortungsvollen und prestigeträchtigen Posten übertrug, läßt sich nur dadurch erklären, daß Truman letztlich keine andere Wahl hatte. Dadurch, daß MacArthur auf dem Capitol Hill sehr viele einflußreiche Bewunderer hatte, wäre eine Abbe- rufung MacArthurs politischer Selbstmord gewesen.245 MacArthur sollte nicht nur die japanische Kapitulation entgegennehmen, sondern auch die Demilitarisierung und Demobilisierung Japans überwachen.246

238 Vgl. Pyle, Richard: After 63 Years, Death Photo of Famed WWII Reporter Ernie Pyle Surfaces; in: http://www.- digitaljournalist.org/issue0802/after-63-years-death-photo-of-famed-wwii-reporter-ernie-pyle-surfaces.html (Letzter Zugriff 15. 07. 2008) 239 Zum Ringen um die Bedingungen einer Kapitulation siehe Krebs: Krieg im Pazifik..., S. 747 – 753 240 Vgl. Spector, Ronald H.: In the Ruins of Empire. The Japanese Surrender and the Battle for Postwar Asia; New York 2007, S. 3, im folgenden zitiert als Spector: Ruins of Empire...,; siehe auch Krebs: Krieg im Pazifik..., S. 761 241 Spector: Ruins of Empire...,, S. 3 242 Siehe hierzu ausführlich Spector: Ruins of Empire..., S. 4 – 7 243 Vgl. Perret: Old Soldiers..., S. 472; Morison: Victory in the Pacific..., S. 358 244 Perret: Old Soldiers..., S. 472 245 Vgl. Perret: Old Soldiers..., S. 473 246 Vgl. Perret: Old Soldiers..., S. 474; Morison: Victory in the Pacific..., S. 362

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Im Gegensatz zur Kapitulation Deutschlands sollte die Kapitulation Japans, nach dem Wunsch MacArthurs, ein herausragendes Ereignis werden, das der Welt noch lange im Gedächnis bleiben sollte. Die Abstimmung zwischen den amerikanischen und japanischen Stellen dauerte beinahe zwei Wochen.247 Normalerweise wäre diese lange Abstimmungsphase zwischen den beiden Sei- ten nicht notwendig gewesen, war die Sachlage an sich doch eindeutig: Japan hatte die bedin- gungslose Kapitulation, wie im Protokoll der Konferenz von Potsdam gefordert, akzeptiert.248 Somit wären Verhandlungen über den Ablauf der Kapitulation an sich unnötig und unlogisch ge- wesen: Japan hätte sich – analog zu Deutschland, in Schimpf und Schande den Alliierten ergeben müssen. Die Tatsache, daß aber diese Verhandlungen überhaupt stattfanden, zeugt in diesem Fall vom Weitblick Douglas MacArthurs, der wohl eingesehen hatte, daß er in dieser Situation nicht anders handeln konnte, wollte er verhindern, daß die spätere alliierte Besatzungsherrschaft über Japan ein harter und langwieriger Prozeß werden würde. Hier zahlte sich aus, daß MacArthur im Gefolge seines Vaters, der als Militärattaché an der amerikanischen Botschaft diente, in Japan stationiert war und daher mit der japanischen Kultur einigermaßen vertraut war.249 Der britische Befehlshaber auf dem südasiatischen Kriegsschauplatz, Lord Louis Mountbatten, hatte beispiels- weise gefordert, der Tenno sollte sich persönlich nach Manila begeben und dort vor MacArthur kapitulieren. MacArthur wollte indes alles vermeiden, was die japanische Nation demütigen konnte, da dies nicht unbedingt dazu beigetragen hätte, die alliierte Herrschaft über Japan in der Bevölkerung populär zu machen. Also waren die sonst üblichen Kapitulationszeremonien wie das Entgegennehmen der gegnerischen Waffen und eine pompöse Siegesparade durch Tokio, um möglichst eindrucksvoll zu zeigen, welch glorreichen Sieg die Eroberer errungen hatten, eher kontraproduktiv im Hinblick auf die Zeit nach dem Kriege.250 Wenn aber ein japanischer Ge- sichtsverlust politisch nicht wünschenswert war, so blieb am Ende nur eine Zeremonie, in der Ja- pan zwar kapitulieren würde, dies aber in vergleichsweise würdigem Rahmen tun konnte. Auch wenn hierbei noch eine Demonstration der alliierten Stärke zu Wasser und in der Luft gegeben wurde. So ankerten in der Bucht von Tokio nun 258 Kriegsschiffe aller Größen – vom Schlacht- schiff bis zum Patrouillenboot.251

247 Vgl. Morison: Victory in the Pacific..., S. 358 – 360; Perret: Old Soldiers..., S. 469, 473 248 Vgl. Protokoll der Konferenz von Potsdam; in: Department of State [Hrsg.]: 1947 – 1949. The Story in Documents; Washington 1950, S. 47 – 57 249 Vgl. Perret: Old Soldiers..., S. 472 250 Vgl. Perret: Old Soldiers..., S. 474 251 Vgl. Morison: Victory in the Pacific..., S. 362

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Abbildung 10: Photo #: USA C-4626 (Color) Surrender of Japan, Tokyo Bay, 2 September 1945Japanese Foreign Mi- nistry representatives Katsuo Okazaki and Toshikazu Kase, and Lieutenant General Richard K. Sutherland, U.S. Army, correcting an error on the Japanese copy of the Instrument of Surrender, at the conclusion of the surrender ceremo- nies, 2 September 1945.Photographed looking forward from USS Missouri's superstructure. Note the relaxed stance of most of those around the surrender table. The larger ship in the right distance is USS Ancon (AGC-4).

Quelle: http://www.history.navy.mil/photos/images/ac00001/ac04626.jpg (Letzter Zugriff 15. 07. 2008) Das Ereignis selbst war mit symbolisch aufgeladenen Verweisen auf den Sieger regelrecht über- häuft: Die Kapitulation fand auf dem Schlachtschiff USS Missouri statt – ironischerweise auf dem Waffensystem, das sich im vergangenen Krieg als obsolet erwiesen hatte. Dieses Schiff war nach dem Heimatstaat Präsident Trumans benannt und beim Stapellauf von seiner Tochter ge- tauft worden. Am Flaggenmast der Missouri wehte eine Flagge: jene Flagge, die am Tag von Pearl Harbor über dem Kapitol gehißt war. Eine zweite Flagge war so angebracht, daß sie die Ze- remonie überragte: Es war die Flagge mit den 31 Sternen, die Oliver Hazard Perry im Jahr 1853, dem Jahr, als er die selbstgewählte Isolation Japans gewaltsam beendete, mit sich führte.252 Ma- cArthur sollte, auf Geheiß Trumans, die japanische Kapitulation entgegennehmen – eine Ent- scheidung, die Admiral Chester Nimitz zutiefst wütend machte, dachte er doch, die Botschaft dieser Entscheidung sei, daß die Army, nicht aber seine Navy, die Schlacht um Japan gewonnen hätte.253 Dieser denkwürdige Augenblick – die Unterzeichung der japanischen Kapitulation sollte den Zweiten Weltkrieg offiziell beenden – wird von den amerikanischen Journalisten wie folgt beschrieben:

“[...] The assembly of brass and braid was a thing to see – a lake of gold and silver sparkling with rainbows of decorations and ribbons. British and Australian Army officers had scarlet stripes on their garrison and on their collars. The French were more conservative, except for the acres of vivid decorations on their breasts. The stocky leader of the Russian delegation wore gold shoulder boards and red-striped trousers. The Dutch had gold-looped shoulder emblems. The British admirals wore snow-white summer uniforms with shorts and knee-length

252 Vgl. Morison: Victory in the Pacific..., S. 362 – 363 253 Vgl. Hamm; Shaw; Daniel: American War Reporting, Vol. 6..., S. 215, siehe auch Perret: Old Soldiers..., S. 477

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white stockings. The olive-drab of the Chinese was plain except for ribbons. The least decked- out of all were the Americans. Their hats, except for Admiral Halsey’s go-to-hell cap, were gold-braided, but their uniforms were plain suntan. Navy regulations do not permit wearing ribbons or decorations on a shirt. [...] A few minutes later, a gig flying the American flag and operated by whiteclad American sailors putted around the bow of the ship. In the gig, wearing formal diplomatic morning attire, consisting of black cutaway coat, and striped pants and stovepipe hat, sat Foreign Minister Mamoru Shigemitsu, leader of the Japanese delegation. Coming up the gangway, Shigemitsu climbed very slowly because of a stiff left leg, and he limped onto the veranda deck with the aid of a heavy, light-colored cane. Behind him came ten other Saps. One wore a white suit, two more wore formal morning attire, the rest were dressed in pieced-out uniforms of the Jap Army and Navy. They gathered into three rows on the forward side of the green-covered table. The representative of the Allied powers formed on the other side. When they arranged, General MacArthur entered and stepped to the microphone. His words rolled sonorously: “We are gathered here, representatives of the major warring powers, to conclude a solemn agreement whereby peace may be restored.” He emphasized the necessity that both victors and vanquished rise to a greater dignity in order that the world may merge forever from blood and carnage. He declared his firm intention as Supreme Commander to “discharge my responsibility with justice and tolerance while taking all necessary dispositions to insure that the terms of surrender are fully, promptly, and faithfully complied with. [...]”254 Nach der Unterzeichnung der Kapitulationsdokumente, MacArthur unterschrieb als Vertreter der Alliierten, Chester Nimitz unterschrieb als Vertreter der USA, erklärte MacArthur die Zeremonie für beendet. Als die japanische Delegation auf dem Weg zu dem Zerstörer war, der sie zurück zum Festland bringen sollte, brach, einem Symbol gleich, die Sonne durch die Wolken – zum ersten Mal, seitdem MacArthur am 29. August japanischen Boden betreten hatte. Das offizielle Ende der Zeremonie war der Überflug von 450 Kampfflugzeugen der Navy und mehrerer Hun- dert der Army Air Force.255

Mit der Unterzeichung der japanischen Kapitulation an jenem 2. September 1945 in der Bucht von Tokio endete der Zweite Weltkrieg offiziell. Die Zeit des Wiederaufbaus – im kleinen, bei den ausgebombten Familien, und in der großen Politik – war gekommen. Während die Politik versuchte, das „Nie-wieder“ des letzten Krieges durch die Gründung der kollektiven Sicherheits- organisation UNO umzusetzen, tauchte am Horizont schon die nächste Herausforderung, die je- derzeit in einen Dritten Weltkrieg münden konnte, auf. Douglas MacArthur wurde von Harry S. Truman zum Oberbefehlshaber der alliierten Truppen in Japan ernannt. Mit dieser Ernennung schien eine ungeheure Machtfülle einherzugehen, die ihn regelrecht omnipotent erscheinen ließ:

“[...] The MacArthur publicity machine in Tokyo and the adoring right-wing press in the United States, however, made it appear that no sparrow could fall dead from a Japanese tree, its claws forever curled, without MacArthur's knowing about it and probably authorizing its demise in advance [...]”256 Zuerste dachte MacArthur offenbar auch daran, über Japan zu herrschen, wie es ihm als Befehls- haber der siegreichen Streitkräfte zustand. So sahen es auch seine Befehle vor, die an dieser Stel- le aber eigentümlich vage formuliert sind: Zuerst wird darin die klare Aussage getroffen, daß die Autorität des Kaisers und der Regierung allein in den Händen des Oberbefehlshabers läge, später

254 Hamm; Shaw; Daniel: American War Reporting, Vol. 6..., S. 217 255 Vgl. Morison: Victory in the Pacific..., S. 367; Perret: Old Soldiers..., S. 481, kommt hier allerdings zu ziemlich phantastischen Zahlen, die eher unwahrscheinlich sind. So erscheint die Masse von 1500 Kampfflugzeugen, die von Flugzeugträgern gestartet wurden, als zu hoch gegriffen. Geht man von einer Zahl von 72 Flugzeugen pro Flugzeugträger aus, so hätte man für diese Operation rund 20 Flugzeugträger benötigt. Eine Zahl, die selbst bei dem enormen militärischen Potential der USA unwahrscheinlich ist. 256 Perret: Old Soldiers..., S. 481

Seite 56 “The Picture Survives” heißt es aber, der Oberbefehlshaber würde seine Autorität durch die japanische Regierung und den Kaiser ausüben.257 MacArthur entwarf als eine der ersten Amtshandlungen, kaum hatte er Ja- pan erreicht, drei Proklamationen, in denen er erstens die Bildung einer Militärregierung bekannt gab und Englisch zur offiziellen Sprache erklärte, zweitens jedem Japaner mit härtesten Konse- quenzen drohte, sollte er die Militärregierung nicht anerkennen, und drittens eine neue Währung einführte. Diese drei Proklamationen sollten am Tag nach der japanischen Kapitulation, dem 3. September 1945, um zehn Uhr verkündet werden. Als jedoch die (noch) amtierende japanische Regierung davon Kenntnis bekam, machte sich Außenminister Shigemitsu auf den Weg zu Ma- cArthur, um ihn zu bitten, diese Proklamationen nicht zu verbreiten, er warnte ihn in feinster di- plomatischer Ausdrucksweise davor, daß im Falle der Veröffentlichung, die eine faktische Kalt- stellung des Kaisers bedeutete, die öffentliche Ordnung – Kapitulation hin oder her – zusammen- brechen würde. Gleichzeitig versicherte Shigemitsu MacArthur, daß er keine Militärregierung brauche, er solle einfach dem japanischen Kabinett sagen, was seine Politik sei, das Kabinett werde sie dann ausführen – wenn dies nicht gelänge, dann könne er ja immer noch eine Militär- regierung einführen. Damit wies Shigemitsu dem amerikanischen General den Königsweg, die Besatzung Japans erfolgreich zu beenden: So lange die Person des Tenno nicht angetastet würde, so lange würde die japanische Regierung sich den Wünschen MacArthurs unterwerfen.258

Etwa vier Wochen nach dieser Unterredung fuhr eine lange Reihe schwarzer Limousinen vor der Amerikanischen Botschaft, dem Amtssitz MacArthurs, vor. Einer dieser Limousinen entstieg der japanische Kaiser. Nicht MacArthur ersuchte um eine Audienz beim Kaiser – wie das dem Proto- koll des kaiserlichen Palastes entsprochen hätte – sondern der Kaiser ersuchte selbst um eine Au- dienz bei MacArthur. Der japanische Kaiser, dessen Vorgänger seit 2500 Jahren von der Außen- welt abgeschottet in ihrem Palast lebten und den meisten Japanern als göttergleiche Wesen vor- kommen mußten, zeigte sich einem gewöhnlichen Mann und suchte ihn auch noch auf. Die sym- bolhafte Botschaft dieses Besuches war klar: Der japanische Kaiser legte sein Leben – es bestand immerhin noch die theoretische Möglichkeit, ihn als Kriegsverbrecher anzuklagen, es war zwar die Position des Tenno, aber nicht die Person Hirohitos, garantiert worden – in die Hände Ma- cArthurs. Nach dem Austausch der üblichen Höflichkeiten kam der Kaiser gleich zur Sache: Er sei bereit, die komplette Verantwortung für die japanischen Aktionen während des Krieges zu übernehmen. Desweiteren erklärte er, daß er per- sönlich den Krieg gewollt nicht habe, gegen den (schlechten) Rat seiner Militärs und Minister aber nichts habe unternehmen können. Im Nachhinein wirft dieses Geständnis Hirohitos einige Fragen auf, vor allem aber die Frage, für was genau er ei- gentlich die Verantwortung übernahm: Übernahm er nur die Verantwortung für den Krieg Japans ge- gen die USA – also von Pearl Harbor bis Nagasaki – oder auch für den Krieg und die Verbrechen Ja- pans in und der Mandschurei?259

Bei jener Unterredung Hirohitos mit MacArthur Abbildung 11: Das einzige Bild des ersten Treffens zwischen dem japa- entstand nebenstehendes Photo. Dieses Bild wur- nischen Kaiser Hirohito (r.) und General Douglas MacArthur im Sep- de zwei Tage später auf Anordnung MacArthurs in tember 1945 allen japanischen Zeitungen abgedruckt. Auf die Quelle: Perret: Old Soldiers..., Bildteil 257 Vgl. Perret: Old Soldiers..., S. 479 – 480 258 Vgl. Perret: Old Soldiers..., S. 480 259 Vgl. Perret: Old Soldiers..., S. 483 – 484

Seite 57 “The Picture Survives” japanische Bevölkerung wirkte es wie ein Schock: zum ersten Mal sahen sie ein Bild des Tenno, nachdem sie Mitte August zum ersten Mal seine Stimme gehört hatten. Das Bild zeigt aber auch, wer zu diesem Zeitpunk wirklich die Macht in Japan innehatte und wer von dessen Wohlwollen abhing: Der baumlange Amerikaner wirkt auf diesem Bild physisch deutlich präsenter als Hiro- hito, der im dunklen Hintergrund fast unterzugehen droht. Etwas befremdlich wirkt die Pose Ma- cArthurs, sie wirkt im Gegensatz zu der Hirohitos, der mit den Händen an der Hosennaht wie ein Soldat dasteht, sehr entspannt und gelöst. Fast könnte der Eindruck entstehen, als hätte MacAr- thur seine Hände in den Gesäßtaschen seiner Uniformhose verborgen. Auch die Tatsache, daß MacArthur auf diesem Bild keine Krawatte trägt, zeigt deutlich, wer in diesem Moment derjeni- ge ist, der wirklich die Macht in Händen hält. Gleichzeitig zeigt dieses Bild aber auch, wie wenig sich MacArthur um das in solchen Fällen anzuwendende Protokoll kümmerte. Der japanische Kaiser hingegen war so gekleidet, wie es die protokollarischen Regeln für den (Antritts-)Besuch am japanischen Kaiserhof vorschreiben.260

2.3 Totaler Krieg und Totale Berichterstattung

In der wissenschaftlichen Diskussion über das Wesen des Krieges nimmt der Begriff „Totaler Krieg“ eine zentrale Rolle ein.261 Dabei ist es gerechtfertigt, die Argumentation Roger Chicke- rings aufnehmend, von einer Art “master narrative”262 zu sprechen, selbst wenn dieser Begriff in den letzten Jahren – auch durch Diskussionen in der Wissenschaft – nicht unbedingt an Präzision gewonnen hat. Der “master narrative” folgend wird das Zeitalter des Totalen Krieges weder durch die Jahre 1939 – 1945 noch durch Goebbels Rede vom „Totalen Krieg“ nach dem Debakel von Stalingrad begrenzt und definiert. Der Ursprung dessen, was heute im allgemeinen unter to- taler Kriegsführung verstanden wird, liegt vielmehr in der Französischen Revolution.263

Die Regierung des republikanischen Frankreich verkündete 1793, vor dem Hintergrund der Be- drohung von innen und außen, ein Gesetz, nach dem alle unverheirateten Männer zwischen 18 und 25 Jahren zum Kriegsdienst, der sogenannten „levée en masse“, verpflichtet waren. Die Idee, den Bürger in Uniform als „soldat citoyen“ in die Verteidigung des Landes einzubeziehen, wurde im Dezember 1789 von dem Militärpolitiker Edmond Dubois-Crancé in die Nationalver- sammlung eingebracht. Dabei argumentierte er vor allem mit dem Begriff „Ehre“: „Es ist das

260 Vgl. Perret: Old Soldiers..., S. 484 261 Zur Konzeption des „Totalen Krieges“ siehe Förster, Stig [Hrsg.]: An der Schwelle zum Totalen Krieg. Die mili- tärische Debatte um den Krieg der Zukunft 1919 - 1939; Paderborn, München, Wien 2002; siehe auch Chicke- ring, Roger; Förster, Stig; Greiner, Bernd [Hrsg.]: A World at Total War. Global Conflict and the Politics of De- struction, 1937 - 1945; Cambridge 2005; ferner Wehler, Hans-Ulrich: "Absoluter" und "Totaler" Krieg. Von Clausewitz zu Ludendorff; in: Dill, Günter [Hrsg.]: Clausewitz in Perspektive. Materialien zu Carl von Clause- witz: Vom Kriege; Frankfurt, Berlin, Wien 1980, S. 474 – 510, im folgenden zitiert als Wehler: "Absoluter" und "Totaler" Krieg…, Ein Teil der folgenden theoretischen Überlegungen wurde durch Diskussionen auf dem “Book-Panel” des XX- XIV. Kongresses der Commission Internationale d'Histoire Militaire angeregt. Der Verfasser dankt Dr. Joseph P. Hararan für die Überlassung seines Scriptes und Herrn Prof. Dr. Erwin A. Schmidl und Herrn Charles Neimeyer, Ph. D. für die Bereitschaft, diese Überlegungen zu diskutieren und wertvolle Hinweise zu geben. 262 Zitiert nach Chickering, Roger: Total War: The Use and Abuse of a Concept; in: Boemeke, Manfred F.; Chicker- ing, Roger; Förster, Stig [Hrsg.]: Anticipating Total War. The German and American Experiences, 1871 - 1914; Cambridge 1999, S. 13 – 28, hier S. 13, im folgenden zitiert als Chickering: Total War…, 263 Zur frühen Kritik an der inflationären Verwendung des Begriffes „Totaler Krieg“ siehe Beck, Ludwig: Die Leh- re vom totalen Kriege; in: Dill, Günter [Hrsg.]: Clausewitz in Perspektive. Materialien zu Carl von Clausewitz: Vom Kriege; Frankfurt / Main 1980, S. 520 – 541, im folgenden zitiert als Beck: Lehre vom totalen Kriege...,

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Recht aller Franzosen zu dienen, es ist eine Ehre, Soldat zu sein. Ich stelle als Axiom fest, daß in Frankreich jeder Bürger Soldat sein muß und jeder Soldat Bürger.“264 In diesem Axiom war im wesentlichen schon der Gedanke des Volkskrieges, des Krieges also, bei dem das ganze Volk zum Erreichen der Kriegsziele, eingespannt wird, angelegt. Die Nationalversammlung indessen lehnte dieses Konzept ab zugunsten der Idee von der „liberté“, nach der jeder Bürger das Recht hatte, sein Leben, seinen Möglichkeiten entsprechend, frei zu gestalten. Erst mit dem Gesetz von 1793, das in seiner Wirkung aber weit hinter den Erwartungen, es waren einfach zu wenig Waf- fen für diese Menge an neuen Soldaten vorhanden, zurückblieb, änderte die Nationalversamm- lung ihre Strategie. Den Mangel an Erfahrung und Ausbildung, den die auf diese Weise gewon- nenen Soldaten aufwiesen, machten sie durch einen bemerkenswerten Einsatz für die Sache Frankreichs und einen beinahe fanatischen Kampfeswillen mehr als wett. Durch den Einsatz die- ser Massen veränderte sich die französische Kriegsführung – weg vom stehenden Heer des Kö- nigs hin zum Volksheer – und wurde so zum Ausgangspunkt dessen, was heute als „totaler Krieg“ bezeichnet wird. Ab diesem Zeitpunkt sollte der Krieg an Intensität und Ausdehnung im- mer weiter zunehmen, bis er schließlich zum wirklichen „Totalen Krieg“ wurde.265

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts kam zum Volksheer die Industrialisierung des Krieges hinzu. Nach der gängigen Erzählstruktur dieser “master narrative” war der Krieg, in dem die In- dustrialisierung zum ersten Mal richtig sichtbar und Bedingung für die Kriegsführung wurde, der amerikanische Bürgerkrieg. Durch die Eisenbahn wurden erstmals Truppenbewegungen über große Distanzen in kurzer Zeit möglich. Durch die Einführung des Telegraphen wurde es zum ersten Mal möglich, Einheiten und ganze Armeen in einer Weise zu koordinieren, die über die Grenzen, die bisher das Schlachtfeld gesetzt hatte, weit hinausging. Sowohl in den Nord- wie auch den Südstaaten sicherte die industrialisierte Produktionsweise den kontinuierlichen Nach- schub an Waffen und Ausrüstung. Ferner zeigte dieser Krieg, wohin die modernen Mittel der Kriegsführung führen konnten: zu strategische, Stillstand und so zur Verlängerung der Kriegs- dauer. Dieser auf diese Weise verlängerte Verlauf des Kriegs hing aber zu einem wesentlichen Teil von der wirtschaftlichen und moralischen Mobilisierung der gesamten Bevölkerung ab. Die Kriegsführung mußte also, sollte sie von Erfolg gekrönt sein, eng mit der Lebenssphäre der Zi- vilbevölkerung verzahnt werden, da der Krieg ohne die Anstrengungen der Zivilbevölkerung nicht hätte weitergeführt werden können: „[...] the victorious power in the Civil War did all it could to devastate the enemy's economic resources as well as the morale of its home front popu- lation, which was considered almost as important as enemy armies in the war effort.“266 Gleich- zeitig wurde der amerikanische Bürgerkrieg von beiden Seiten mit äußerster Härte gegenüber der Zivilbevölkerung geführt, so daß die Zivilbevölkerung immer mehr zum Ziel der Kampfhandlun- gen wurde. Als Beispiel hierfür mögen die Ereignisse um die Schlacht von Cold Harbor, die vom 31. Mai bis zum 3. Juni 1864 dauerte, dienen: Zum einen spielten hier zum ersten Mal Schützen-

264 Zitiert nach Krumeich, Gerd: Zur Entwicklung der "nation armée" in Frankreich bis zum Ersten Weltkrieg; in: Foerster, Roland G. [Hrsg.]: Die Wehrpflicht. Entstehung, Erscheinungsformen und politisch-militärische Wir- kung (= Beiträge zur Militärgeschichte, Bd. 43); München 1994, S. 133 – 145, hier S. 136, im folgenden zitiert als Krumeich: Entwicklung der "nation armée" in Frankreich…, siehe auch Hippler, Thomas: Citizens, Soldiers and National Armies. Military service in France and Germany, 1789 - 1830; London, New York 2008, S. 46 – 52, im folgenden zitiert als Hippler: Citizens, Soldiers…, 265 Vgl. Krumeich: Entwicklung der "nation armée" in Frankreich…, S. 136 – 138; Chickering: Total War…, S. 14; Hippler: Citizens, Soldiers…, S. 56 – 76 266 McPherson, James M.: From Limited War to Total War in America; in: Förster, Stig; Nagler, Jörg [Hrsg.]: On the Road to Total War. The American Civil War and the German Wars of Unification, 1861 - 1871; Cambridge 1997, S. 295 – 310, hier S. 296, im folgenden zitiert als McPherson: Limited War to Total War in America…,

Seite 59 “The Picture Survives” gräben auf beiden Seiten der Front eine wesentliche Rolle, zum anderen erreichten die Verlustra- ten in den Wochen davor, während und nach der Schlacht Höhen, die beide Seiten in ihrer Kampfkraft erheblich beeinträchtigten.267

Die Industrialisierung des Krieges, der sich gegen Ende des 19. Jahrhunderts auch die europäi- schen Armeen wie auch die jeweiligen Staaten nicht mehr verschließen konnten, stellt also die Basis für die Kriege des 20. Jahrhunderts dar, die den amerikanischen Bürgerkrieg jedoch an Umfang und Zerstörung bei weitem übertreffen sollten. Als Beispiel mag hier die Schlacht von Sedan am 1. und 2. September 1870 gelten, die, wie Dennis E. Showalter richtig bemerkt, heute in Vergessenheit geraten ist.268 Dabei weist diese Schlacht eher das Gesicht eines Januskopfes auf. Zum einen war sie die letzte Schlacht der Zeitalter der Kabinettskriege, zum anderen zeigt sich in ihr schon das Antlitz des totalen, technisierten Krieges. Der Wechsel im Einsatz der Artil- lerie, weg von der reinen Hilfswaffe, die man nutzte, um die gegnerischen Batterien niederzu- kämpfen und somit den Weg für die eigene Infanterie freizumachen, hin zu einer Hauptwaffe, die, als Waffe gegen Infanterie eingesetzt, nun schlachtentscheidend war.269

Gemäß dieser “master narrative” war das 20. Jahrhundert das „Zeitalter des Totalen Krieges“270. Der Erste Weltkrieg war, wie der Name schon andeutet, der erste Krieg, bei dem die Kämpfe ein globales Ausmaß erreichten. Ferner führte dieser Krieg viele Innovationen, bei- spielsweise im Bereich der Schnellfeuerwaffen oder der Artillerie, in das Handwerk des Soldaten ein. Diese Innovationen führten, analog zum amerikanischen Bürgerkrieg, zum absoluten Still- stand auf dem Schlachtfeld. Das Grauen der Schützengräben wurde nun zum Synonym für den Krieg. Das Schlachtgeschehen wirkte auf die militärische Führung, wie auch auf die Soldaten in den Schützengräben, dermaßen paralysierend, daß an den Fronten kein Sieg errungen werden konnte. Daher galten hier andere Regeln: Nicht die Seite, die militärisch im Vorteil war, hatte ge- wonnen, sondern die Seite, der es gelungen war, die personellen und materiellen Ressourcen am besten zu bündeln und zu mobilisieren. War dies doch der einzige Weg, die ebenfalls ernormen Anstrengungen des Gegners zu kontern. Bedingt durch die See- und Wirtschaftsblockaden und die ersten flächendeckenden Bombardements, wurde die Zivilbevölkerung immer mehr zum Be- standteil des Krieges und die Differenzierung zwischen Kombattanten und Nichtkombattanten verwischte immer mehr: „Wo die Kraft des Heeres und der Marine begann, die des Volkes auf- hörte, war in dem jetzigen Kriege nicht mehr zu unterscheiden. Wehrmacht und Volk waren eins. Die Welt sah den Volkskrieg im buchstäblichen Sinne des Wortes.“271 Diese Entgrenzung des Krieges im Bezug auf die Zivilbevölkerung verschärfte sich während des Zweiten Weltkrieges erneut. Zivilisten wurden nun Ziel einer systematischen und nicht nur in Kauf genommenen, son-

267 Vgl. Walter: Cold Harbor..., S. 214; McPherson: Limited War to Total War in America…, S. 308 – 309 268 Vgl. Showalter, Dennis E.: Das Gesicht des modernen Krieges. Sedan, 1. und 2. September 1870; in: Förster, Stig; Pöhlmann, Markus; Walter, Dierk [Hrsg.]: Schlachten der Weltgeschichte. Von Salamis bis Sinai; München 20033, S. 230 – 247, hier S. 231, im folgenden zitiert als Showalter: Gesicht des modernen Krieges…, 269 Vgl. Chickering: Total War…, S. 14; Showalter: Gesicht des modernen Krieges…, S. 240 – 241; Linnenkohl, Hans: Vom Einzelschuß zur Feuerwalze. Der Wettlauf zwischen Technik und Taktik im Ersten Weltkrieg; Bonn 1996, im folgenden zitiert als Linnenkohl: Vom Einzelschuß…, 270 Zur Festlegung des 20. Jahrhunderts als Zeitalter des Totalen Krieges siehe ausführlich Chickering: Total War…, S. 14, Fußnote 6; siehe auch Förster, Stig: Introduction; in: Chickering, Roger; Förster, Stig [Hrsg.]: Great War, Total War. Combat and Mobilization on the Western Front, 1914 - 1918; Cambridge 2000, S. 1 – 18, hier S. 13, im folgenden zitiert als Förster: Introduction…, 271 Ludendorff, Erich: Das Wesen des totalen Krieges; in: Dill, Günter [Hrsg.]: Clausewitz in Perspektive. Materia- lien zu Carl von Clausewitz: Vom Kriege; Frankfurt, Berlin, Wien 1980, S. 511 – 519, hier S. 513, im folgenden zitiert als Ludendorff: Wesen des totalen Krieges…, Ludendorff zitiert an dieser Stelle aus seinen „Kriegserin- nerungen“

Seite 60 “The Picture Survives” dern bewußt einkalkulierten Vernichtung. Drastischer formuliert: Das „Zeitalter der Industriali- sierung des Krieges“ fand seinen bis dahin nicht vollstellbaren Gipfel und Abschluß in Ausch- witz und im Abwurf der ersten Atombombe auf Hiroshima.272

Wenn aber das Zeitalter des industrialisierten Krieges mit Auschwitz und Hiroshima seinen Gip- fel und Abschluß gefunden hat, dann stellt sich die Frage nach der Charakterisierung und Gestalt der Kriege nach 1945. Hier ist es an der Zeit, das vermeintlich sichere Gebiet dieser “master narrative” zu verlassen und zu versuchen, das Phänomen des Totalen Krieges durch eine Defini- tion seiner Grundbedingungen zu fassen. Der Berner Historiker Stig Förster schlug hierzu fol- gende Punkte vor, die eine grundlegende Charakterisierung dieses Phänomens ermöglichen sol- len:

1. Der Totale Krieg wird durch die totale Mobilisierung der Bevölkerung, der Industrie und Ressourcen durch den zentralisierten Staat, um eine Kriegsführung mit unbegrenzten Kriegszielen zu ermöglichen, charakterisiert.

2. Die Kriegsziele sind absolut: Totaler Sieg über die Streitkräfte des Gegners oder bedin- gungslose Kapitulation der Regierung, danach Kriegsverbrecherprozesse und Inhaftierung oder Tod der Verantwortlichen.

3. Die Kriegsführung beinhaltet die unbegrenzte Gewaltanwendung gegen die Armee des Geg- ners und dessen Zivilbevölkerung. Diese Art der Kriegsführung nimmt auch die komplette Zerstörung von Städten und Dörfern, aus der Luft oder von Land aus, in Kauf und reicht in ihrer extremsten Form bis zur Vernichtung von Nichtkombattanten und Kriegsgefangenen.

4. Im Ersten und Zweiten Weltkrieg waren Millionen von Kombattanten, hunderte Millionen Zivilisten und viele Nationen involviert. Daraus entstand eine globale Kriegsführung über Grenzen und Ozeane hinweg.273

Dieses Konzept Försters wirft aber mehr Fragen auf, als es Antworten bietet. So war, unter Be- rücksichtigung dieser Definition, der amerikanische Bürgerkrieg kein Totaler Krieg, sondern eher ein industrialisierter Volkskrieg. Der deutsch-französische Krieg von 1870 – 1871 war, Försters Charakterisierung zufolge, auch kein Totaler Krieg, sondern ein klassischer Kabinetts- krieg mit, in ihrer Reichweite und Umfang, beschränkten Kriegszielen, der aber in Teilen schon die Industrialisierung des Krieges auf europäischem Boden vorwegnahm. Der Erste Weltkrieg selbst entsprach zwar vielen dieser Charakteristika, dennoch bleibt gerade der Grad der Mobili- sierung der deutschen Heimatfront fraglich. Der Einsatz der Luftwaffe gegen deutsche Städte blieb auf wenige Ausnahmen beschränkt. Auch die Zahl der Opfer blieb mit 740 getöteten Zivi- listen, verglichen mit den Auswirkungen des Zweiten Weltkrieges auf die Bevölkerung, nied- rig.274 Lediglich der Zweite Weltkrieg paßt – von wenigen Ausnahmen abgesehen – exakt in das von Stig Förster skizzierte Schema.275

272 Vgl. Chickering: Total War…, S. 14 – 15; siehe auch Chickering, Roger; Förster, Stig: Are we there yet? World War II and the Theory of Total War; in: Chickering, Roger; Förster, Stig; Greiner, Bernd [Hrsg.]: A World at Total War. Global Conflict and the Politics of Destruction, 1937 - 1945; Cambrigde 2005, S. 1 – 18, hier S. 13, im folgenden zitiert als Chickering; Förster: Are we there yet…, 273 Vgl. Förster: Introduction…, S. 7 – 9; Chickering; Förster: Are we there yet…, S. 2 – 10 274 Angaben entnommen aus Chickering; Förster: Are we there yet…, S. 12 275 Vgl. Chickering; Förster: Are we there yet…, S. 2, 4 – 5; Showalter: Gesicht des modernen Krieges…, S. 231 – 233

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Daher stellt sich die Frage, ob Förster bei dem Versuch, Charakteristika des Totalen Krieges her- auszuarbeiten, nicht der Fehler unterlaufen ist, diese aufgrund der Lehren und Spezifika des Zweiten Weltkrieges zu formulieren. Dies kann aus zwei Gründen ausgeschlossen werden: Zum einen ist Stig Förster Herausgeber einer ganzen Reihe von Sammelbänden, die sich mit dem Phä- nomen des „Totalen Krieges“ beschäftigen. Diese Werke basieren auf einer Reihe von Konferen- zen am Deutschen Historischen Institut in Washington, organisiert von Roger Chickering und Stig Förster, die alle diese Problematik zu Thema hatten. Zum anderen, dies arbeiten Chickering und Förster deutlich heraus, ist die Definition dessen, was gemeinhin als „Totaler Krieg“ be- zeichnet wird, dermaßen schwierig und kompliziert, daß die oben genannten Charakteristika so etwas wie die universell geltenden Regeln zur Definition eines solchen Krieges darstellen. Zwei wichtige Punkte werden in der gesamten Literatur zum Themenkomplex des „Totalen Krieges“ nur gestreift: Zum einen der Einfluß der Medien auf die Heimatfront und zum anderen die Me- thoden, mit denen versucht wurde, die Medien zum Teil dieses „Totalen Krieges“ zu machen.

Die Kriegsführung im Zweiten Weltkrieg war, wie oben beschrieben, eine totale. War aber auch die Berichterstattung über den Zweiten Weltkrieg total? Bei der Betrachtung der Berichterstat- tung über den Krieg an den beiden Hauptschauplätzen, dem europäischen und dem pazifischen, wird deutlich, daß die Berichterstattung analog zum Krieg eine totale war. Dies ist schon daran erkennbar, daß eines der wichtigsten Ziele der Berichterstattung auf beiden Schauplätzen des Krieges die moralische Unterstützung der Heimatfront war. Die Umsetzung in Deutschland und den USA war zwar unterschiedlich, das oben genannte Ziel jedoch das gleiche. Versuchte das RMVP mit einer gleichgeschalteten Berichterstattung, bei der der einzelne Journalist nicht mehr als ein kleines Rädchen im Getriebe war, die Heimatfront mit einem gleichen Wissensstand und gleicher ideologischer Untermauerung zu stärken, gingen die Verantwortlichen in den USA einen vollkommen anderen Weg. Dort war die Rolle des einzelnen Journalisten viel wichtiger als in Deutschland. Sein Auftrag- wie auch sein Arbeitgeber war nicht das staatliche Propagandasys- tem, sondern seine Nachrichtenagentur, seine Zeitung oder sein Radiosender. Diese erwarteten von ihm Geschichten mit einem gewissen Bezug zur Heimat, der durch die Nennung von Namen von Soldaten, deren Herkunftsort und Heimateinheit erzielt werden konnte. Auch war eine ge- wisse Subjektivität oder, anders formuliert, persönliche Sichtweise des Geschehens durchaus er- wünscht, ermöglichte diese Art von Berichterstattung dem Konsumenten daheim, die Ereignisse nachzuvollziehen. Dem Rezipienten wurden, durch die so entstandenen Bilder und Berichte, Ein- drücke von den globalen Schlachtfeldern des Krieges vermittelt, auf denen amerikanische „boys“ kämpften. Gleichzeitig unterlagen diese Bilder und Berichte einer strengen Zensur, die aller- dings, da nach einem einzigen Zwischenfall, der allen anderen Journalisten als Warnung diente, die Schere im Kopf des jeweiligen Journalisten das wesentlich effektivere Zensurwerkzeug war, kaum eingreifen mußte. Es brauchte in der Tat nicht mehr als dieses, an Stanley Johnston statu- ierte Exempel, um die meisten Journalisten an ihre „patriotische Pflicht“ zu erinnern und sie in Zukunft noch etwas vorsichtiger im Umgang und der Publikation von Informationen werden zu lassen.

In Deutschland waren die Journalisten, die von den Kriegsschauplätzen berichteten, Mitglieder der Propagandakompanien und somit in erster Linie so etwas wie Journalisten in Uniform, die sowohl der militärischen Ordnung als auch den Leitlinien des RMVP unterstanden. Ihre indivi- duelle journalistische Leistung war – im Gegensatz zu der ihrer amerikanischen Kollegen – nicht als solche erkennbar. Sie hatten mit ihren Berichten zu einem einheitlichen Propagandaprodukt beizutragen, ohne als Individuen hervortreten zu können. Dieses Propagandaprodukt, und hierin liegt der größte Unterschied zur Berichterstattung in den USA, wurde zentral in Berlin, aus allen verfügbaren Materialien und Quellen, zusammengesetzt und so zu einem einzigen Produkt, das

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Dies führt aber auch zu einem grundsätzlichen methodischen Problem im Umgang mit Materiali- en der Wochenschau: Da hier Material von allen PK's zusammenmontiert wurde, müssen die Bil- der nicht zwangsläufig an dem Ort und in dem Kontext entstanden sein, in den sie in der Wo- chenschau gestellt werden. Die Auswahlkriterien des Bild- bzw. Filmmaterials war nicht so sehr die Authentizität des Dargestellten, sondern eher die dynamische und ästhetische Wirkung der Bilder. Da aber das Material der Wochenschauen nicht nur in deutschen Kinos, bzw. in Kinos der besetzten Gebiete gezeigt wurde, sondern auch freigebig unter den in Berlin akkreditierten aus- wärtigen Journalisten und Korrespondenten verteilt wurde, kam es so zu einer Verbreitung des deutschen Propagandamaterials weit über diesen vorher beschriebenen Verbreitungsraum hinaus. So wurde dieses Material auch gerne in den britischen und amerikanischen Wochenschauen ver- wandt, da es oftmals das einzig erhältliche Bildmaterial von den Kämpfen an den Fronten Euro- pas war. Die meisten Heimatnationen der in Berlin akkreditierten Journalisten verfolgten in die- ser Hinsicht eine wesentlich restriktivere Pressepolitik. Für die mit der deutschen Propaganda be- faßten Stellen bot dieses Vorgehen daher den Vorteil, mit vergleichsweise wenig Aufwand einen großen Zuschauerkreis erreichen zu können. Amerikanischen Zuschauern beispielsweise, die vermutlich nicht einmal ahnten, daß sie deutsches Propagandamaterial vorgeführt bekamen. So wandte sich die sehr restriktive alliierte Pressepolitik in diesem Punkt direkt gegen die Urheber dieser Politik, da auf diese Weise zumindest die deutschen Bilder, wenn nicht sogar die dazu ge- hörenden Texte, im Ausland zu sehen waren.

Eine totale Kriegsführung bedingt, dies kann als sicher gelten, immer auch eine totale Berichter- stattung. Dabei muß es vor allem Aufgabe dieser Berichterstattung sein, die Heimatfront „bei Laune“ zu halten. Die Wege, dieses Ziel, ohne das eine totale Kriegsführung kaum möglich ist, zu erreichen, sind vielfältiger Natur. Es lassen sich aber im groben drei Ansätze, die auch die je- weilige Herangehensweise des Staates widerspiegeln, unterscheiden.

Zum ersten besteht die in Deutschland praktizierte Möglichkeit, die Berichterstattung in die Hän- de von soldatisch ausgebildeten Journalisten oder journalistisch ausgebildeten Soldaten zu legen, die dann mit den Einheiten im Kriegsgebiet unterwegs sind und die das Gesehene und Erlebte in ihren Berichten verarbeiten und so Informationen von der Front liefern. Dabei unterliegt der Ein- satz dieser Berichterstatter zum einen den Bedürfnissen des Militärs und zum anderen den Be- dürfnissen der für die Presselenkung zuständigen Stellen. Hier liegt aber auch die Stelle im Ver- hältnis zwischen (staatlich) gelenkten Medien und dem Militär, die immer wieder zu erheblichen Friktionen führen sollte. Obwohl in einem zentralistisch ausgeprägten Staat beide dem obersten Lenkungsorgan verpflichtet sind und beide dessen Anordnungen gehorchen müssen, entsteht hier ein Konflikt, der auch durch das Eingreifen des obersten Lenkungsorgans nicht endgültig gelöst werden kann. Die Schaffung einer eigenen Zensurbehörde ist hierbei allerdings nicht notwendig, da alle Berichte, bevor sie überhaupt in die Propagandamaschinerie eingeschleußt wurden, zuerst die militärische Zensur durchlaufen mußten und dann noch einmal von den Experten im RMVP überprüft wurden..

Zum zweiten besteht die Möglichkeit, eine prinzipiell freie Berichterstattung zuzulassen, die aber durch eine strenge und mit zunehmend längerer Kriegsdauer immer weiter verschärften Zensur kontrolliert wird. Diese Form der Informationskontrolle wurde in den Vereinigten Staaten von

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Amerika praktiziert. Bei dieser Form der journalistischen Arbeit ist der Reporter zu jeder Zeit seinem Arbeits- bzw. Auftraggeber unterstellt und wird lediglich in die Kriegsgebiete, über die er berichten soll, entsandt. Dort steht er zwar, als beim Militär akkreditierter Reporter, an der Front und untersteht damit in Teilen der Militärjurisdiktion, bleibt aber nach wie vor Zivilist. Es exis- tiert hier eine beinahe allmächtige Zensurbehörde, die beinahe alle Bereiche des öffentlichen Le- bens durchdringt und auf diese Weise versucht, einen größten gemeinsamen Nenner in der Öf- fentlichkeit herzustellen. Vermeintliche Verstöße gegen diese Regelungen sind relativ selten, da bereits ein Exempel ausreichte, um zu demonstrieren, was mißliebigen Journalisten bevorstehen konnte.

Die dritte – britische – Möglichkeit besteht für die Presse darin, obwohl formell unabhängig und überparteiisch, in Kriegszeiten zum willfährigen Vollstreckungsgehilfen der Regierung zu wer- den und gewissermaßen eine Zensur und Einschränkung der Berichterstattung vorzunehmen, die die Einrichtung einer Zensurbehörde de jure überflüssig macht. Bei dieser Form der Berichter- stattung steht die Nationale Sicherheit an erster Stelle der journalistischen Pflichten, die eigentli- chen journalistischen Pflichten und Tugenden kommen erst danach. Dieses System hat für die Regierung den Vorteil, sich zu jeder Zeit auf die Loyalität der Medien verlassen zu können, die nach entsprechender „Hilfestellung“ aus dem Verteidigungsministerium genau das berichteten, was sie sollten.

Zu Zeiten einer totalen Kriegsanstrengung eines Staates kann es als normal gelten, dies gilt unab- hängig von den oben beschriebenen Möglichkeiten, daß die Medien alle kritische Distanz über Bord werfen und zu willfährigen Vollstreckern und Verkündern der jeweiligen Regierungspolitik werden. In dieser Situation ist daran auch nichts Verwerfliches zu finden, schließlich muß dann den Kriegsanstrengungen alles andere untergeordnet werden.

Es ist zu berücksichtigen, daß zwischen Reporter, dem Ereignis, über das er berichtet, und dem Bericht selber, eine seltsame Art von Beziehung existiert. Das Bild, als das Produkt der journalis- tischen Arbeit, existiert – losgelöst von Reporter und Geschehen – beinahe unbegrenzt in Zeit und Raum, während Reporter und Ereignis nur im Kontext dieses Bildes existieren können. Dies bedeutet, daß die Erinnerung an ein Ereignis in erster Linie über die Berichterstattung über jenes Ereignis abläuft. In diesem Zusammenhang ist der Urheber dieses Bildes zuerst nicht wichtig. Das Bild, damit das Ereignis und, unmittelbar daran anknüpfend, auch die Erinnerung an jenes Ereignis, können ohne die Kenntnis des Urhebers ent- und bestehen – der Urheber jedoch nicht ohne sie: „Auch wer auf die kleine Zeile „Foto Barbara Klemm“ bei der Lektüre der „FAZ“ noch nie geachtet haben mag, wird viele ihrer Fotos kennen, weil sich diese von der üblichen Bilderflut abheben und Zeitgeschichte prägnant auf den Punkt bringen.“276 Besonders deutlich wird dies dann, wenn jenes Ereignis nicht nur als Ereignis an sich, sondern als Symbol memo- riert wird. In diesem Fall tritt der Urheber gänzlich hinter sein Werk und das Geschehen zurück. Das Ereignis wird über das dazu gehörige Bild repräsentiert und damit memoriert. Erst wenn das Bild in diesem Prozeß der Formierung des öffentlichen Gedächtnisses die gewissermaßen nächs- te Stufe erreicht hat, wird die Person des Urhebers zu einem Bestandteil des Bildes. Wenn das Bild, das auf diese Weise zu einer Ikone geworden ist, die nicht nur für das Ereignis, sondern auch stellvertretend für eine ganze Reihe von Ereignissen steht, und diese dabei formelhaft re- präsentiert, wird die Person des Urhebers wichtig. Seine Person wird ab diesem Punkt zusammen mit dem Bild und dem Ereignis als eine Art Gesamtkomplex wahrgenommen, bei dem die Erin- 276 O. A.: Ein Gespräch mit Barbara Klemm, Fotografie als visuelle Geschichtsschreibung; in: Zeithistorische Forschungen / Studies in Contemporary History, Online-Ausgabe, 2 (2005), H. 2, http://www.zeithistorische- forschungen.de/16126041-Klemm-2-2005 (Letzer Zugriff 15. 07. 2008), Einführung

Seite 64 “The Picture Survives” nerung an das Ereignis auch die Erinnerung an den Urheber inkorporiert. Dadurch lebt aber der Urheber, selbst wenn er schon verstorben ist, durch sein Bild weiter. Ebenso lebt die Erinnerung an das Ereignis weiter. Das Bild bleibt im kollektiven Gedächtnis der Menschheit verankert: The picture survives.

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3 Exkurs: Zerfall der Anti-Hitler-Koalition und Ausbruch des Kalten Krieges

Waren bei der Potsdamer Konferenz noch alle beteiligten Parteien mit dem Ergebnis soweit zu- frieden, daß man sich auf ein gemeinsames Schlußdokument einigen konnte, endete die Phase der einigermaßen guten Zusammenarbeit bald darauf. Auf der Außenministerkonferenz von Lon- don (11. September bis 2. Oktober 1945) traten die Probleme erstmals offen, sichtbar für die Welt, zu Tage, als man sich auf kein Schlußdokument einigen konnte.

Eigentlich hatte man auf der Londoner Konferenz vor, Friedensverträge mit den ehemaligen deutschen Verbündeten Italien, Rumänien, Bulgarien, Ungarn und Finnland vorzubereiten. Von amerikanischer Seite versuchte man, mit Unterstützung der britischen Regierung, Einfluß auf die Gestaltung der ostmittel- und südosteuropäischen Staaten zu gewinnen. Auf amerikanischer Seite wähnte man sich in einer kraftvollen Verhandlungsposition, glaubte man doch, mit dem amerika- nischen Monopol über Atomwaffen und der Zusage zur Prüfung eines sowjetischen Kreditersu- chens schlagkräftige Argumente zu haben. Doch das Vorhaben erwies sich als beinahe undurch- führbar: Zum einen hatte England bereits 1944 einige Teile dieses Gebietes als der sowjetischen Einflußsphäre zugehörig angesehen, zum anderen konnte man seine eigenen Interessen dort nicht mit Waffengewalt durchsetzten; in allen diesen Staaten stand die Rote Armee, jedoch kein einzi- ger Soldat der Westmächte. Um also irgendetwas zu erreichen, war man gezwungen, die Koope- ration mit Moskau zu suchen. Allerdings konnte man sich keine großen Hoffnungen auf einen Erfolg machen; die Erfahrungen, die man bisher mit der Blockade westlicher Anliegen, diese Staaten betreffend, durch die Sowjetunion gemacht hatte, waren alles andere als ermutigend. Kurz vor Beginn der Londoner Konferenz, ein Friedensvertrag war noch nicht unterzeichnet, entsandte Moskau Botschafter nach Sofia und Bukarest und erkannte damit die jeweils herr- schende Marionettenregierung faktisch an.277 Daher verpufften die amerikanischen „Argumente“ beinahe wirkungslos und entlarvten sie als “Illusion of Omnipotence”.278

Mit dem so offensichtlichen Scheitern der Konferenz von London wuchsen auch in Washington die Zweifel an der Ehrlichkeit und Kooperationsbereitschaft der Sowjetunion. Um sich einen un- abhängigen Überblick über die Lage in Südosteuropa zu verschaffen, beauftragte der neue Au- ßenminister Byrnes279 den amerikanischen Journalisten Mark Ethridge, Verleger des Louisville

277 Vgl. FRUS 1945, Vol. II, S. 101 – 109, Second Meeting of the Foreign Ministers, Thursday, July 19, 1945; S. 116 – 137, Third Plenary Meeting, Thursday, July 19, 1945; siehe auch: FRUS 1945, Vol. IV, S. 135 – 419, 420 – 557; FRUS 1945, Vol. V, S. 110 – 436, 464 – 606, 809 – 1173, 1174 – 1397. Auf die Problematik der Wahlen in diesem Gebiet soll hier nicht weiter eingegangen werden. Einzelheiten hierzu finden sich bei Wiggershaus, Norbert: Von Potsdam zum Pleven-Plan. Deutschland in der internationalen Konfrontation 1945 - 1950; in: Foerster, Roland G.; Greiner, Christian; Meyer, Georg; Rautenberg, Hans-Jürgen; Wiggershaus, Norbert [Hrsg.]: Anfänge westdeutscher Sicherheitspolitik 1945 - 1956, Bd. 1. Von der Kapitulation bis zum Pleven-Plan; Mün- chen, Wien 1982, S. 1 – 118, hier S. 46, im folgenden zitiert als Wiggershaus: Von Potsdam..., S. 46, siehe hier- zu auch Adams, Bianca J.: TRUST: Guarding the Freedom of Trieste in front of the “Iron Curtain”; in: Ehlert, Hans; Heinemann, Winfried [Hrsg.]: Nationalstaat; Nationalismus und Militär (= Tagungsband XXXII. Interna- tionaler Kongress für Militärgeschichte); Potsdam 2007, S. 477 – 489, im folgenden zitiert als Adams: TRUST..., 278 Zitiert nach Wiggershaus: Von Potsdam..., S. 45 279 James F. Byrnes wurde vor der Konferenz von Potsdam Nachfolger von Harold Stettinius im Amt des Außenmi- nisters.

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Courier Journal, mit dem Studium der dortigen politischen Verhältnisse. Das Ergebnis dieses Be- richts bestätigte die Beamten des State Departments: „Moskau verhalte sich wie eine imperialis- tische Macht und versuche, mit Hilfe einheimischer Kommunisten politische und wirtschaftliche Dominanz in Rumänien und Bulgarien zu erhalten.“280

Die Beamten im State Department sahen sich bei diesen Ergebnissen in ihren eigenen Prognosen im Großen und Ganzen bestätigt. Sie warnten man auch davor, die Probleme, die sich in Südost- europa ergaben, isoliert zu betrachten und der Sowjetunion, selbst in für sie wichtigen Gebieten, Einflußsphären zuzugestehen. Dies würde diese nämlich nur noch zu mehr Ansprüchen verleiten. Pikanterweise machte Byrnes sich beide Empfehlungen, vermutlich durch die Wahlen in Ungarn und Österreich in eine optimistische Stimmung versetzt, nicht zu eigen und verbreitete den Ethridge-Bericht nur im kleinen Kreis und verbot eine Veröffentlichung. Ergab doch, in den Au- gen von Byrnes, die Durchführung freier Wahlen in Ungarn und Österreich die Möglichkeit, die alte Kriegskoalition wieder zu mehr Leben zu erwecken. Er ging – aus heutiger Sicht reichlich naiv – davon aus, daß eine direkte Unterredung, sozusagen von Mann zu Mann, mit Molotov und Stalin, alle Probleme lösen würde.281

Durch einen Brief, den Truman an Byrnes mit der Aufforderung, die Sowjetunion in Zukunft här- ter anzufassen, da deren Führer nur die Sprache der Stärke verstünden, am 5. Januar 1946 schrieb, änderte sich langsam der Kurs der USA gegenüber der Sowjetunion. Truman verlangte in diesem Schreiben, daß die Regierungen in Sofia und Bukarest erst nach einer radikalen Kurs- änderung und Umbildung anzuerkennen seien. Dieses Schreiben schloß er mit dem vielfach zi- tierten Satz: “I’m tired of babying the Soviets.”282

Sichtbares Zeichen für den amerikanischen Politikwechsel war die wirtschaftliche und militäri- sche Unterstützung von Staaten, die durch den Kommunismus bedroht waren, so beispielsweise von Griechenland und der Türkei. Die Frage, die man sich seitens der amerikanischen Regierung stellte, war, inwieweit und unter welchen Bedingungen eine weitere Zusammenarbeit, wenn möglich dauerhafter Natur, im Bereiche des Möglichen sei. Diese Frage war wiederum eng mit der Frage verbunden, welche Antriebskraft und Motivation, ideologisch oder machtpolitisch, hin- ter der sowjetischen Außenpolitik stünden.283 Zu Beginn des Februar 1946 wurde diese Frage durch Ereignisse in der Sowjetunion beantwortet. Die Stimmen, die in der Sowjetunion vor einer Einkreisung durch den kapitalistischen Westen warnten, wurden lauter. Zu ihnen zählten, neben Außenminister Molotov, auch Malenkov, Ždanov und Kaganovic. Am 8. Februar hielt Stalin eine Rede, in der er mit einer Deutlichkeit, die keinen Zweifel mehr zuließ, feststellte, daß das kapita- listische System weiterhin und unverändert der Todfeind der sozialistischen Welt sei.284 Dabei waren die USA und die UdSSR in manchen Teilen gar nicht so unterschiedlich, wie die damali- gen Falken auf beiden Seiten immer glauben machen wollten:

280 Mark Ethridge, zitiert nach Wiggershaus: Von Potsdam..., S. 47. “[...] It [der Ethridge Bericht] stated frankly that “constant and vigorous intrusion (by the ) into the internal affairs of these countries is so obvious to an impartial observer that Soviet denial of its existence can only be regarded as a reflection of the party line. [...]” Gaddis, John Lewis: The United States and the Origins of the Cold War 1941 - 1947; New York 2000, S. 279 – 280, im folgenden zitiert als Gaddis: Origins of the Cold War..., 281 Vgl. Gaddis: Origins of the Cold War..., S. 280; Wiggershaus: Von Potsdam..., S. 47 282 Zitiert nach Wiggershaus: Von Potsdam..., S. 49; siehe auch ausführlich Gaddis: Origins of the Cold War..., S. 289 283 Vgl. Gaddis: Origins of the Cold War..., S. 296 284 Vgl.: Wiggershaus: Von Potsdam..., S. 49; Gaddis: Origins of the Cold War..., S. 299 - 300

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“[...] In one sense the United States and the Soviet Union shared similar characteristics. Both were latecomers to the arena of international politics; both had large populations and industrial resources that spanned entire continents; both had been drawn into continental rivalries that had produced two global wars; both had messianic visions about the nature of political organization and economic development; both had no intention of allowing the traditional European patterns of nationalism and imperialism to define the international system in the last half of the twentieth century. [...]”285 Vielleicht lag aber gerade darin, daß diese Unterschiede nicht so groß waren, das Potential für jene Auseinandersetzung, die die zweite Hälfte des Zwanzigsten Jahrhunderts bestimmen sollte. Wenn aber diese Unterschiede aus heutiger Sicht nicht so groß waren, erscheint aber die Frage nach der Größe der damaligen Unterschiede gerechtfertigt. Hierzu ist ein Blick auf die Weltbil- der, die “believe systems”, so der politikwissenschaftliche Fachausdruck dafür, beider Seiten hilfreich. Der Schlüssel zum Verständnis beider “believe systems” liegt in dem, was Millett und Maslowski mit „den messianischen Visionen über politische Organisation und wirtschaftliche Entwicklung“ umschreiben. Beide Seiten gehen in ideologisch festgefügter Weise davon aus, daß der von ihnen vertretene Weg der einzige, allein seligmachende sei.

In Washington war man sich lange nicht darüber einig, welche Intentionen die Sowjetunion w i r k l i c h hatte, bis der amerikanische Geschäftsträger in Moskau, George F. Kennan, in jenem be- rühmten “Long Telegram” seine Sichtweise der Dinge vorlegte. Kennan führte im Wesentlichen aus, daß die sowjetische Doktrin jede Möglichkeit der Koexistenz zwischen beiden Systemen verneine286, daß Moskau sich erst dann sicher fühle, wenn es über seinen kapitalistischen Rivalen dominiere, und daß die Sowjetische Regierung an die Gewalt als Mittel der Politik glaube und daher nur diese Sprache verstünde.287

Dieses Telegramm löste im politischen Washington ein Erdbeben aus, das nicht nur die Haltung der amerikanischen Außenpolitik, sondern auch die Haltung großer Teile der amerikanischen Be- völkerung erschüttern sollte. Binnen kürzester Zeit machten sich weite Teile der amerikanischen Regierung und Öffentlichkeit Kennans Ansichten zu eigen. Als Truman dann Byrnes noch bat, das amerikanische Volk über die Sowjetunion und ihre Absichten aufzuklären, und dieser darauf- hin am 18. Februar der Nation erklärte, daß die USA einem bewaffneten Konflikt mit der Sowje- tunion im Notfall nicht ausweichen dürften, war damit der neue Kurs gegenüber Moskau formu- liert. Gleichzeitig stand damit aber auch fest, daß die Vereinigten Staaten: “for its policy could no longer stand on the twin pillars of noninvolvement and commercialism and its defense policy on the dual concepts of maritime security and wartime mobilization.”288

Neben dem mageren Ergebnis der Konferenz von London, Kennans “Long Telegramm” und je- ner Byrnes Rede machte noch ein weiteres Ereignis der Welt deutlich, daß die Kriegskoalition nun endgültig auseinandergebrochen war: Churchills Rede in Fulton / Missouri am 5. März 1946.289 Churchill führte bei dieser Rede aus:

285 Millett, Allan R.; Maslowski, Peter: For the Common Defense. A Military History of the United States of Ame- rica; New York 19942, S. 495, im folgenden zitiert als Millett; Maslowski: For the Common Defense..., 286 Kennan schreibt hier im Original: “[...] USSR still lives in antagonistic “capitalist encirclement” with which in the long run there can be no peaceful coexistence. [...]” vgl. FRUS 1946, Vol. VI, S. 697 287 Der Wortlaut des “Long Telegramm” findet sich in FRUS 1946, Vol. VI, S. 696 - 709 288 Millett; Maslowski: For the Common Defense..., S. 494 289 Zur Vorgeschichte dieser Rede und auch zum Abstimmungsprozeß mit der amerikanischen Regierung siehe Gaddis: Origins of the Cold War..., S. 307 - 308

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“[...] From Stettin in the Baltic to Triest in the Adriatic, an iron curtain has descended across the Continent. Behind that line lie all the capitals of the ancient states of central and eastern Europe. Warsaw, Berlin, Prague, Vienna, Budapest, Belgrade, Bucharest and Sofia, all these famous cities and the populations around them lie in the Soviet sphere and all are subject in one form or another, not only to Soviet influence but to a very high and increasing measure of control from Moscow. [...]”290 Interessant ist Churchills Wortwahl: Sie zeigt an, daß die Grenzen zwischen den Einflußsphären der Sowjetunion und der Westmächte zu diesem Zeitpunkt alles andere als statisch und unver- rückbar waren. Die Nennung der polnischen Stadt Stettin macht deutlich, daß die DDR damals noch nicht definitiv zum sowjetischen Machtbereich gerechnet werden konnte. Umgekehrt gilt dies auch für Triest, war es doch zu diesem Zeitpunkt keineswegs sicher, ob die Kommunisten in Italien nicht doch noch die Regierung stellen würden.291 Churchills Rede muß zudem als Antwort auf die Rede Stalins vom 8. Februar 1946 gesehen werden, in der er mit einer Deutlichkeit, die keinen Zweifel mehr zuließ, feststellte, daß das kapitalistische System weiterhin und unverändert der Todfeind der sozialistischen Welt sei.292

Die Bedeutung dieser Rede Churchills liegt indes nicht so sehr in ihrer Wirkung nach außen, auf die Öffentlichkeit in Amerika und in der Welt, sondern vielmehr darin, daß die beiden Mächte, die USA auf der einen und Großbritannien auf der anderen Seite, ein weiteres Kapitel in ihren freundschaftlichen Beziehungen aufschlugen. Es ist wahrscheinlich, daß Truman und Byrnes den Inhalt dieser Rede schon vorab kannten und Churchills Ansichten zustimmten.293 Es ist klar, daß ein ehemaliger Premierminister eine Rede, wenn sie solchen Zündstoff enthielt, noch dazu wenn sie in einem Gastland gehalten werden sollte, auch im Voraus mit der amtierenden Regierung sei- nes Heimatlandes abstimmen mußte. In London hatte man dieser Rede zugestimmt und Churchill über das Außenministerium noch mit geheimen Dokumenten zur Vorbereitung seiner Rede ver- sorgt.294

Im Gegensatz zur “Fulton-Speech” ist, wie zu zeigen sein wird, die zweite wichtige Rede des Jahres 1946, die Rede des amerikanischen Außenministers Byrnes in Stuttgart vom 6. September, kein wegweisendes Dokument für den weiteren Verlauf des Kalten Krieges.295 Byrnes befaßte sich in seiner Rede hauptsächlich mit den, aus deutscher Sicht, drängendsten Problemen der Zeit.296 So sprach er unter anderem darüber, daß es notwendig sei, das Niveau der deutschen Nachkriegsindustrie zu erhöhen. Er sprach über Entmilitarisierung, das Problem der Reparatio- nen, das Versagen des Alliierten Kontrollrates in Berlin. Byrnes bekräftigte ferner die Entschlos- senheit der Vereinigten Staaten, so lange wie jede andere Besatzungsmacht auch, in Deutschland zu bleiben:

290 Zitiert nach Gaddis: Origins of the Cold War..., S. 308 291 Vgl. Heinemann, Winfried: Entstehung und frühe Geschichte der NATO; Unveröffentliches Manuskript (Vor- trag PzBtl 84 Lüneburg, 25. 02. 2002) im Besitz des Autors, im folgenden zitiert als Heinemann: Entstehung... 292 Vgl.: Wiggershaus: Von Potsdam...,S. 49; Gaddis: Origins of the Cold War..., S. 299 - 300 293 So Wiggershaus: Von Potsdam..., S. 50; Gaddis hingegen behauptet, daß Churchill zwar ein Exemplar der Rede vorab an Truman sandte, dieser aber die Kenntnisnahme verweigerte, um behaupten zu können, er habe die Rede vorher nicht gekannt, vgl. Gaddis: Origins of the Cold War..., S. 308 294 Vgl. Wiggershaus: Von Potsdam..., S. 50 295 Vgl. Gimbel, John: Byrnes’ Stuttgarter Rede und die amerikanische Nachkriegspolitik in Deutschland; in: Vier- teljahreshefte für Zeitgeschichte, 20 / 1972, S. 39 - 62, im folgenden zitiert als Gimbel: Byrnes' Stuttgarter Rede..., 296 Zur Rezeption dieser Rede in Deutschland siehe Speidel, Hans: Aus unserer Zeit. Erinnerungen; Berlin, Frank- furt, Wien 1977, S. 238, im folgenden zitiert als Speidel: Aus unserer Zeit…,

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“[..] We have learned, whether we like it or not, that we live in one world, from wich world we cannot isolate ourselves. [...] I hope that the German people will never again make the mistake of believing that because the American people are peace-loving they will sit back hoping for peace in any nation uses force or the threat of force to acquire dominion over other peoples and other governments. In 1917 the United States was forced into the First World War. After that war we refused to join the League of Nations. We thought we could stay out of Europe’s wars, and lost interest in the affairs of Europe. That did not keep us from being forced into a second world war [sic!]. We will not again make that mistake. We intend to continue our interest in the affairs of Europe and of the world. [...] I want no misunderstanding. We will not shirk our duty. We are not withdrawing. We are staying here. As long as there is an occupation army in Germany, American armed forces will be part of that occupation army. [...]”297 Im Hinblick auf die Wirkung der Rede ist die Entstehungsgeschichte interessant: Byrnes benutz- te als Basis für seine Rede ein Memorandum, das der amerikanische Oberbefehlshaber Clay ent- worfen hatte, um seine Politik zusammenfassend darzulegen. Dieses Memorandum schickte er im Juli 1946 zur Prüfung und wahrscheinlich auch zur Genehmigung an das Pentagon. Clay for- mulierte diese Niederschrift, damit er sie unter den Mitgliedern der Militärregierung und der amerikanischen Truppen in Deutschland verteilen konnte. Byrnes schreibt in einem Brief an den amerikanischen Finanzminister Snyder:

„[...] Die Armeeoffiziere, die mit der Verwaltung unserer Zone in Deutschland beauftragt sind, waren höchst erfreut, daß die Regierung ihren Standpunkt bekannt gemacht hat, so daß sie ihre eigene Politik daran ausrichten können. Sie hatten schon seit langem geklagt, außerstande zu sein, die Fragen der von ihnen in der amerikanischen Zone eingesetzten antinazistischen Beamten zu beantworten . Die deutschen Beamten, die von unseren Leuten eingesetzt waren . . . hatten das Gefühl, daß es zwecklos sei, mit amerikanischen Plänen zum wirtschaftlichen Wiederaufbau . . . und zur Bildung lokaler Regierungen zu rechnen, wenn wir ohnehin weggingen. Täglich wurde gesagt, die Amerikaner werden gehen, während die Sowjets bleiben werden. Wir mußten unsere Einstellung zu diesem Problem ebenso klarstellen wie zu den äußerst wichtigen Grenzfragen, die unsere Entscheidungen in Wirtschaftsfragen beeinflussen werden. [...]“ 298 Byrnes Rede stellt also nicht, wie in der Literatur mehrheitlich zu lesen, die Ankündigung eines grundsätzlich neuen Kurses der amerikanischen Deutschland- und Europapolitik dar. Sie ist auch kein Wendepunkt in der Geschichte der deutsch-amerikanischen Beziehungen, sondern lediglich als Zeichen für Deutschland und das deutsche Volk gedacht, daß sie nicht ganz vergessen sind. Byrnes zielte vielmehr darauf ab, der Pariser Molotov-Rede vom 10. Juli 1946 über die Grund- züge der sowjetischen Nachkriegspolitik etwas entgegenzustellen. Noch war das Potsdamer Ab- kommen als Basis für eine Nachkriegsregelung in Deutschland von den USA nicht aufgegeben worden, noch war keine grundlegende Überprüfung der amerikanischen Außenpolitik eingeleitet worden. Die Maßnahmen, die bisher ergriffen worden waren, dienten lediglich dazu, erkannte Schwächen der amerikanischen Außenpolitik zu korrigieren. Eine grundlegende Überprüfung der amerikanischen Außenpolitik fand erst nach jenem September des Jahres 1946 statt. Man konnte daher noch nicht sagen, ob es nicht doch noch zu einer weiteren Zusammenarbeit der vier Mäch- te kommen konnte. Geht man davon aus, daß sich die alliierten Positionen zu einer Deutschland- politik erst nach und nach, so gegen Ende des Jahres 1946, bildeten und jedes Land, insbesonde-

297 Zitiert nach: Rede des amerikanischen Außenministers Byrnes in Stuttgart, 6. September 1946; in: US Depart- ment of State [Hrsg.]: Germany 1947 - 1950, The Story in Documents; Washington D.C. 1950, S. 3 - 8, hier S. 3, S. 7, im folgenden zitiert als: Rede des amerikanischen Außenministers... 298 Zitiert nach Gimbel: Byrnes' Stuttgarter Rede..., S. 44

Seite 70 “The Picture Survives” re Frankreich und England, seinen eigenen Kurs steuerte, dann kann es noch zu keiner genügend großen Konfrontation mit der Sowjetunion gekommen sein, die einen Bruch mit ihr erforderlich gemacht hätte.299

Seit Truman im Januar 1946 erklärt hatte, daß er es leid sei, die Sowjets zu verhätscheln, wandel- te sich die amerikanische Politik langsam, aber stetig. Die Überzeugung, daß es mit der Sowjetu- nion keine gemeinsamen Interessen mehr gebe und es unmöglich sei, mit der Sowjetunion auf der Basis von Verträgen einen modus vivendi zu finden, setzte sich immer mehr durch. Aus die- sem Grund zog man sich von einer Kooperation mit der UNO allmählich zurück und begann par- allel dazu mit der gezielten Eindämmung des sowjetischen Einflusses. Dies geschah hauptsäch- lich durch Wirtschaftshilfe für Länder außerhalb des gegnerischen Machtbereichs. Das State De- partment folgerte und forderte hierzu in einer Denkschrift, daß der sowjetische Expansionsdrang nur durch bewaffneten Widerstand der Großmächte eingedämmt werden könnte. Daher sollten die USA ihre militärische Potenz weiter ausbauen und ihre Außen-, Wirtschafts- und Militärpoli- tik koordinieren. Schließlich sei eine globale Strategie des Handelns notwendig, da auch die So- wjetunion global operiere und hierzu verschiedene Methoden anwende.300

Augenfälligstes Zeichen für die Änderung der amerikanischen Politik war die Ernennung des amerikanischen Generals George C. Marshall zum neuen Außenminister am 21. Januar 1947. Er ersetzte den immer kompromiß- und verhandlungsbereiten, insgesamt aber eher glücklos agie- renden James F. Byrnes. Marshall war das ganze Jahr 1946 hindurch in China unterwegs gewe- sen, um zwischen Tschiang Kai-shek und Mao zu vermitteln. Von daher mit den Problemen, die es im Umgang mit Kommunisten geben konnte, bestens vertraut, war Marshall zu diesem Zeit- punkt die ideale Besetzung dieses Postens. Schon in seinen ersten Tagen im Amt konnte er sich als tatkräftiger Verfechter des „Containment“ profilieren.301

Die erste wirkliche Bewährungsprobe für Marshall, aber auch für die amerikanische Regierung insgesamt, war der 21. Februar 1947. An diesem Tag kündigte die britische Regierung an, sie werde binnen 40 Tagen, zum 31. März 1947, ihr Engagement als Schutzmacht Griechenlands be- enden und die Finanzhilfe für Athen einstellen, da sie diese Unterstützung aus finanziellen Grün- den nicht mehr länger leisten könne. Gleichzeitig machte sie auf die Lage der Türkei aufmerk- sam und deutete an, sie könne die westlichen Interessen in diesem Teil des Mittelmeeres eben- falls nicht mehr vertreten.302

Damit gab England nicht nur einen Teil seiner klassischen Interessensgebiete auf, sondern über- trug auch die Verantwortung für diesen Teil der Welt den USA. Die Frage, ob die Vereinigten Staaten von Amerika dieses Erbe annehmen würden, war indes unschwer positiv zu beantworten. Beide Staaten – Griechenland und die Türkei – bekamen schon amerikanische Hilfsgelder. Die Notwendigkeit der militärischen Unterstützung war seit dem Herbst 1946 unbestritten. Wollte man verhindern, daß die Sowjetunion in beiden Staaten Fuß faßte und diese Staaten am Ende zu Satelliten Moskaus degradiert wurden, mußte man den Russen zuvorkommen und diese strate- gisch wichtigen Frontstellungen des beginnenden Kalten Krieges sichern.303

299 Vgl. Gimbel: Byrnes' Stuttgarter Rede..., S. 41 - 43 300 Vgl. Wiggershaus: Von Potsdam..., S. 69 301 Vgl. Wiggershaus: Von Potsdam..., S. 69 - 70 302 Vgl. Millett; Maslowski: For the Common Defense..., S. 496 – 497; siehe auch Wiggershaus: Von Potsdam..., S. 70 303 Vgl. Wiggershaus: Von Potsdam..., S. 71

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Die neue Linie der amerikanischen Außenpolitik wurde von Präsident Truman am 12. März 1947 verkündet. In einer Sondersitzung, zu der sich beide Häuser des Kongresses versammelt hatten, bekundete er den festen Willen der USA, jeder Ausdehnung des sowjetischen Imperiums entge- genzutreten und “to help free people to maintain ... their national integrity against aggressive movements that seek to impose upon them totalitarian regimes”304, bei der Herstellung geordne- ter politischer Verhältnisse und wirtschaftlicher Stabilität zu helfen.

Mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges hatte sich auch das geopolitische Koordinatensystem verschoben. Statt einer Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus stand nun eine Ausein- andersetzung mit der Sowjetunion und dem Kommunismus an erster Stelle der politischen Agen- da. Mit der Gründung des “Kommunistischen Informationsbüros” (KomInform) am 30. Septem- ber 1947 sahen sich die USA in ihrer Ansicht, daß die Sowjetunion aktiv die Ausbreitung des Kommunismus fördere, bestätigt. Verstärkt wurden diese Ressentiments gegenüber den sowjeti- schen Herren im Kreml, allen voran Stalin, dadurch, daß diese auf amerikanischer Seite, gewis- sermaßen per definitionem, als unberechenbar galten. Aus amerikanischer Sicht präsentierte sich die Weltlage im April 1948 als „ständiger, kritischer Spannungszustand“.305 Noch hatte man auf amerikanischer Seite die Gewißheit, jeden kommenden Konflikt, zur Not mit Hilfe der “atoma- ren Option”, für sich entscheiden zu können. Hätten die USA aber zu jener Zeit wirklich von der „atomaren Option“ Gebrauch machen müssen, dann wäre die Kulisse der “deterrence”, der Ab- schreckung der anderen Seite durch die Androhung der atomaren Vernichtung, sehr schnell in sich zusammen gebrochen, da die Vereinigten Staaten zwar zu dieser Zeit über das Monopol der Atomwaffen verfügten – aber selbst wenn sie gewollt hätten, keine einzige hätten einsetzen kön- nen. Zu diesem Zeitpunkt gab es in den amerikanischen Arsenalen schlichtweg keine einzige ein- satzfähige Bombe. Die Bomber des SAC (STRATEGIC AIR COMMAND), die ständig in der Luft waren, um einen atomaren Angriff sofort fliegen zu können, konnten – zumindest atomar – kein Ziel treffen. Ein Besserung dieser Situation war erst zum Jahr 1951 absehbar.306

Doch um die Mitte des Jahres 1948 änderte sich das Lagebild erneut – wiederum zum Schlech- teren. Die vollständige Blockade West-Berlins bildete den Kulminationspunkt einer Reihe von Ereignissen, die auf westlicher Seite zu einer latenten Angst vor einem erneuten Kriegsausbruch führten. Nicht nur die Bevölkerung, auch die Regierungskreise in Washington steigerten sich in eine regelrechte “Krieg-in-Sicht”-Stimmung hinein. Man rechnete beinahe minütlich mit dem Beginn von Feindseligkeiten.307

Kaum war diese Krise überstanden, brach schon die nächste Krise über Washington herein, die in ihren Folgen kaum hätte schlimmer sein können. Der Nachweis von Plutoniumspuren in einer ra- dioaktiven Wolke beendete das amerikanische Atombombenmonopol. Nach Einschätzung der CIA von 1947, die sich auch weite Teile des amerikanischen Offizierskorps zueigen machten, war man „für die nächsten vier oder fünf Jahre relativ sicher“.308 Es bestand also, nach Einschät-

304 Rede des amerikanischen Präsidenten Harry S. Truman vor dem Kongress, 12. März 1947, zitiert nach Millett; Maslowski: For the Common Defense..., S. 497 305 So der amerikanische Verteidigungsminister Forrestal vor dem Streitkräfteausschuß des Repräsentantenhauses, zitiert nach Greiner, Christian: Die alliierten militärstrategischen Planungen zur Verteidigung Westeuropas 1947 - 1950; in: Foerster, Roland G.; Greiner, Christian; Meyer, Georg; Rautenberg, Hans-Jürgen; Wiggershaus, Nor- bert [Hrsg.]: Anfänge westdeutscher Sicherheitspolitik 1945 - 1956, Bd. 1. Von der Kapitulation bis zum Ple- ven-Plan; München, Wien 1982, S. 119 – 324, hier S. 132, im folgenden zitiert als Greiner: Militärstrategische Planungen..., 306 Vgl. Millett; Maslowski: For the Common Defense..., S. 498 – 499 307 Vgl. Greiner: Militärstrategische Planungen..., S. 132 308 Zitiert nach Greiner: Militärstrategische Planungen..., S. 133

Seite 72 “The Picture Survives” zung der Geheimdienste, erst nach diesem Termin die Chance des Verlusts dieses Monopols. Die Schockwellen, die der Wegfall des Monopols auslöste, waren für die amerikanische Psyche gra- vierend: Auf amerikanischer Seite erwies sich der bisherige Glaube, vor sowjetischen Angriffen auf amerikanisches Festland sicher zu sein, als Illusion. Nach dem Schock des japanischen An- griffes auf Pearl Harbor war nun die Sicherheit der Nation zum zweiten Mal direkt bedroht: “A domestic firestorm engulfed to government, which was variously accused of passing atomic secrets to the Soviets, of abandoning or betraying the nationalist Chinese leader Chiang Kai- Shek, and of being soft on communism in general”.309

Dadurch hatte sich aber auch die strategische Situation grundlegend geändert. War das Ziel des Zweiten Weltkrieges, durch eine offensive Kriegsführung den Gegner zu vernichten, noch ein geradezu klassisches, so änderte sich dies in den Jahren zwischen 1945 und 1950 grundlegend. Das primäre Ziel wandelte sich: Von der Kriegsführung im klassischen Sinne entwickelte sich die Verteidigung hin zu einer defensiven Strategie, nicht mehr für den Kriegs-, sondern für den Verteidigungsfall, deren oberster Zweck es war, einen neuen Krieg durch Abschreckung zu ver- hindern, auch wenn die alte Weisheit der Kriegsakademien und Offiziersschulen „Si vis pacem, para bellum!“ – „Willst Du Frieden, so bereite den Krieg vor!“310 nichts von ihrer Gültigkeit verloren hatte.311

Das Jahr 1947 brachte für die USA nicht nur den „offenen“ Ausbruch des Kalten Krieges und die amerikanische Reaktion in Form einer Neuformulierung der Außenpolitik, sondern auch eine neue Spitzengliederung der Streitkräfte mit sich. Diese Neuformierung sollte die, seit dem ersten Weltkrieg bestehende, Diskussion um eine neue Spitzengliederung der Führungsebene unter dem Präsidenten beenden und gleichzeitig den Entwicklungen in der Waffentechnik Rechnung tragen. Bei dieser Reform fielen das Kriegs- und Marineministerium als eigene selbständige Resorts weg. Die Spitze bildete nun ein Verteidigungsminister (Secretary of Defense), dem jetzt Depart- ments der drei Teilstreitkräfte Heer, Luftwaffe und Marine, denen jeweils ein Minister vorstand, unterstellt waren. Durch diese Reform sollte ferner erreicht werden, daß die Koordinierung aller Belange der verschiedenen Teilstreitkräfte in der Hand eines Ministeriums liegen sollte.

Das Gegenteil war aber der Fall: Die Teilstreitkräfte wurden immer selbständiger und die Rivali- täten und Eifersüchteleien immer größer. Sichtbarstes Resultat dieser Neugliederung war die Schaffung der Luftwaffe, der „Air Force“, als eigenständige Teilstreitkraft. Sie wurde vom An- hängsel der Army, der Army Air Force, also eine Art Heeresflieger, zum selbständig agierenden Truppenteil aufgewertet. Diese Aufwertung trug der Tatsache Rechnung, daß die Luftwaffe als alleiniges Einsatzmittel für die Atomwaffen eine besondere Stellung innehatte. Diese Position hütete die Air Force vor allem gegenüber der Marine geradezu eifersüchtig.312 Das United States Marine Corps, bis dato nur so etwas wie der geduldete Annex der Navy, wurde nun in den Rang einer eigenen Teilstreitkraft erhoben. Dieses Upgrade erwies sich aber bei näherer Betrachtung als Gabe mit dem faden Beigeschmack eines Danaer-Geschenkes: Auch wenn das Marine Corps nun formell eine eigenständige Teilstreitkraft war, blieb es doch der Navy unterstellt.313 Die Posi-

309 Ruane, Kevin: War and Revolution in Vietnam, 1930-75; London, New York 1998; S. 24, im folgenden zitiert als Ruane: War and Revolution..., 310 Die Quelle dieser Formulierung ist unbekannt, sie wird im allgemeinen jedoch dem römischen Militärtheoreti- ker Flavius Renatus Vegetius (4. Jh. n. Chr.) zugeschrieben. 311 Vgl. Greiner: Militärstrategische Planungen..., S. 121 312 Vgl. Utz, Curtis A.: Assault from the Sea. The Amphibious Landing at Inchon; Washington 1994, S. 7, im fol- genden zitiert als Utz: Assault from the Sea...,; siehe auch Greiner: Militärstrategische Planungen..., S. 165 313 Vgl. Millett: Semper Fidelis..., S. 454 – 474; siehe auch Dülffer: Über Helden..., 6

Seite 73 “The Picture Survives” tion des Verteidigungsministers war indes aufgrund der geschilderten Eifersüchteleien einerseits, andererseits aber auch durch die ihn unterstellten Minister, geschwächt. Die Vorsteher der einzel- nen Departments hatten zu dieser Zeit noch das Recht der unmittelbaren Vorsprache beim Haus- haltsdirektor und beim Präsidenten. So artete jede Diskussion über eine neue Militärstrategie in eine Diskussion über mehr Haushaltsmittel für die jeweilige Teilstreitkraft aus:314 “James V. For- restal, the first Secretary of Defense [...] literally worked to death trying to accommodate the dif- fering views of each service”.315

Auch das Gremium, in dem die Chefs der Teilstreitkräfte aufeinandertrafen, das Gremium der Joint Chiefs of Staff, wurde auf eine neue, institutionalisiertere Grundlage gestellt. Dieser Ver- sammlung stand nun ein Vorsitzender vor, der aus den Reihen der Stabschefs erwählt und vom Präsidenten bestätigt wurde. Auch der Zuständigkeitsbereich wurde erweitert: Die JCS waren nun für die gesamte logistische und militärstrategische Planung sowie für die Führung der Streit- kräfte in Krieg und Frieden verantwortlich. Dieser Gewinn an Einfluß und Gewicht wurde da- durch, daß der Vorsitzende der JCS ohne eigenes Stimmrecht war und daher die zum Teil unter- schiedlichsten Meinungen nicht zu einer gemeinsamen Empfehlung bündeln konnte, wieder zu- nichte gemacht.316

In diesem Klima des Mißtrauens und des Neides Entscheidungen zu treffen, die für ganze Land- striche und Bevölkerungen von lebenswichtiger Bedeutung sein können, scheint kaum vorstell- bar zu sein. Dennoch gelang es schließlich, nach teilweise zähen und langwierigen Verhandlun- gen.317 Ausschlaggebend war vielleicht auch die Zuspitzung der internationalen Lage, die, wie oben schon beschrieben, jederzeit einen Kriegsausbruch zwischen den USA und der UdSSR be- fürchten ließ. Wurde doch die Einschätzung, daß die Sowjetunion von sich aus, zumindest in ab- sehbarer Zeit, keinen Krieg beginnen würde, von der Einschätzung abgelöst, daß ein Krieg nun jederzeit und überraschend möglich sei. Hierbei könnten die Ursachen zwar verschieden sein, beispielsweise die Fehleinschätzung der westlichen Reaktion auf die sowjetische Expansionspo- litik, mögliche innenpolitische Probleme in der UdSSR, im Resultat würde daraus jedesmal ein verheerender Krieg zwischen der UdSSR und den USA folgen.

3.1 Die Ära McCarthy als Faktor des Kalten Krieges

Vor diesem Hintergrund erscheint die exzessive Jagd auf vermeintliche kommunistische Agenten und Saboteure, wie sie in den späten 40er und frühen 50er Jahren stattfand, ein radikaler Aus- druck der Furcht vor der Sowjetunion zu sein. Leitfigur und spiritus rector aller Antikommunis- ten war der aus Grand Chute im amerikanischen Bundesstaat Wisconsin stammende republikani- sche Senator Joseph R. McCarthy.

Er stammte aus armer Familie deutsch-irischer Herkunft. Das Studium der Jurisprudenz mußte er sich mit allerhand Nebenjobs verdienen. Nach dem Abschluß seines Studiums wurde er 1936 Teilhaber in einer Rechtsanwaltskanzlei. 1939 erfolgte seine Wahl zum Richter am 10. Rechtshof

314 Vgl. Greiner: Militärstrategische Planungen..., S. 163 315 Utz: Assault from the Sea..., S. 7 316 Vgl. Greiner: Militärstrategische Planungen..., S. 163 317 Vgl. Utz: Assault from the Sea..., S. 7

Seite 74 “The Picture Survives” seines Heimatstaates Wisconsin, nach Ablauf seiner 6-jährigen Amtszeit als Richter wurde er 1947 in den Senat gewählt. In seiner Laufbahn stand er zuerst den Demokraten nahe und enga- gierte sich später bei den Republikanern, in deren Reihen er rasch Karriere machte.

Berühmt und berüchtigt gleichermaßen wurde McCarthy als eifriger Ankläger von eigenen Gna- den. Zu dem Schock, den der erste sowjetische Atomtest der amerikanischen Regierung wie der amerikanischen Öffentlichkeit versetzt hatte, kam nun der Schock über den Verrat der Geheim- nisse der Atombombe an die Sowjetunion. Auslöser hierfür waren die Hochverratsprozesse ge- gen Alger Hiss, gegen den Spionagering des Ehepaars Julius und Ethel Rosenberg auf amerikani- scher sowie gegen Klaus Fuchs auf britischer Seite. McCarthy nahm dies zum Anlaß, gegen die vermeintliche Unterwanderung der USA durch kommunistische Spione zu Felde zu ziehen.318 In einer Rede, die McCarthy am 9. Mai 1950 in Wheeling / West Virginia hielt, führte er folgendes aus:

“[...] The reason why we find ourselves in a position of impotency [in international affairs] is not because our only powerful potential enemy has sent men to invade our shores , but rather because of the traitorous action of those who have been treated so well by this Nation. [...] The bright young men who are born with a silver spoon in their mouths are the ones who have been worst. [...] In my opinion the State Department, which is one of the most important government departments, is thoroughly infested with communists [...]”319 Bei dieser Rhetorik stellt sich die Frage, ob hinter all diesen Verdächtigungen nicht auch ein ge- wisser Minderwertigkeitskomplex steckte, den McCarthy auf diese Art und Weise kompensieren wollte, ein Minderwertigkeitskomplex wegen jener „jungen Männer, die mit einem silbernen Löffel im Mund“ geboren wurden. McCarthy spielt hier auf seine Herkunft aus ärmlichen Ver- hältnissen und auf den Umstand an, daß er – im Gegensatz zu jenen anderen jungen Männern – arbeiten mußte, um sich sein Jura-Studium zu finanzieren. Dabei – ignoriert man die psychologi- sche Komponente und betrachtet die Fakten objektiv – hätte er keinen Grund gehabt, sich seiner Herkunft zu schämen. Schließlich verkörpert auch McCarthy in gewisser Weise den amerikani- schen Traum: Sein Werdegang vom Sohn armer Eltern zum Richter und später zum Senator ent- spricht der politischen Version der sprichwörtlichen Karriere vom Tellerwäscher zum Millionär.

Bei jener Rede zeigt sich aber auch, welch geschickter Demagoge Joseph McCarthy war: Indem er auf seine Herkunft anspielte, zeigte er den „durchschnittlichen“ Amerikanern, daß er einer von ihnen war und ihre Sorgen ernstnahm. Gleichzeitig spielte er mit der vermeintlichen Tatsache, daß die meisten Diplomaten des State Department, so auch George F. Kennan, aus den besseren Familien der Ostküste kamen und nach dem Abschluß an einer der Ivy-League Universitäten in den Staatsdienst eingetreten waren. Eine Karriere, die dem durchschnittlichen Amerikaner zu- mindest etwas suspekt vorkommen mußte. Nimmt man die Erkenntnisse der Forschung über den amerikanischen Isolationismus vor dem Zweiten Weltkrieg und vergleicht sie mit den Schichten, die McCarthy ansprach, so stellt man eine gewisse Übereinstimmung dieser Klientel fest:

„[...] Seine [der Isolatinismus] Schwerpunkte lagen in der Provinz: Bei den Bewohnern des „Mittleren Westens“, deren politischer Horizont oft genug mit den Ufern des Michigan-Sees zusammenfiel; sie lagen bei den Farmern, die seit eh und je dem Geld- und Industrie- Establishment der Ostküste voller Ressentiments gegenüberstanden; sie lagen im Bereich der Republikanischen Partei, deren Funktionäre ihren Wählern vorrechneten, daß Kriege in der amerikanischen Geschichte erheblich öfter unter demokratischen Administrationen geführt

318 Vgl. Ruane: War and Revolution..., S. 24; siehe auch Millett; Maslowski: For the Common Defense..., S. 497 319 Zitiert nach Caridi, Ronald J.: The Korean War and American Politics. The Repuclican Party as a Case Study; Philadelphia 1968, S. 12; im folgenden zitiert als Caridi: Korean War and American Politics...,

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worden seien als unter republikanischen. Schwerpunkte lagen weiter bei der deutschen und der irischen Minderheit, die von ihrem Englandhaß nicht loskamen, – bei einigen traditions- und machtbewußten Senatoren, welche die außenpolitischen Kompetenzen des amerikanischen Präsidenten tunlichst eingegrenzt wissen wollten, – bei einigen Intellektuellen nicht zuletzt, Pazifisten, Hochschullehrern, Pädagogen und „Berufsprogressiven“, die alle auf dem Primat innerer Reformpolitik eingeschworen waren - und wenn die Welt außerhalb von „Gottes eigenem Land“ zum Teufel ging . [...]“320 Die „Beweise“ für eine bestimmte isolationistisch oder antikommunistisch geprägte Region im Mittleren Westen der Vereinigten Staaten sind allerdings nicht sonderlich schlagend. Aus dieser Gegend stammten die meisten der Isolationisten und Kommunistenjäger im Senat, diese waren meist Republikaner. Das Land war agrarisch geprägt, die Farmer meist Anhänger, wenn nicht so- gar Mitglieder der GOP. In dieser Gegend war das Mißtrauen gegenüber „denen“ in Washington besonders groß. Nicht zuletzt hatten dort die großen isolationistischen wie auch die antikommu- nistischen Tageszeitungen und Organisationen ihren Sitz. Soweit die Fakten. Alles andere ist eine Frage der Interpretation.

Der von McCarthy geleitete Unter- ausschuß des amerikanischen Senats zur „Untersuchung unamerikani- scher Umtriebe“ bildete rasch zu ei- nem Sammelbecken von radikalen Antikommunisten aller Couleur.321 Durch seine rigorosen Verhörmetho- den wurde dieser Ausschuß schnell zum gefürchtetsten Ausschuß der Regierung. Hauptzielscheibe war das Außenministerium, von dem McCar- thy behauptete, er habe eine Liste mit „205 „eingeschriebenen“ Mit- gliedern der Kommunistischen Par- tei“322 in Diensten des State Depart- ments. Die Tatsache, daß die Regie- rung Truman „China an die Kom- 323 munisten verloren“ hatte – wie Abbildung 12: Washington, April 22, 1954 – U.S. Sen. Joseph McCarthy holds both hands McCarthy und seine Anhänger nicht over microphones as he speaks to his chief counsel, Roy Cohn, during a hearing of the Se- nate Investigations Subcommittee. The subcommittee was investigating McCarthy's dispute müde wurden zu betonen – bot aus with top Army officials. Sicht dieser Antikommunisten die Photo: Byron Rollins / AP ideale Chance, gegen das Außenmi- Entnommen aus: Alabiso et al.: Flash!..., S. 36 nisterium vorzugehen. Schien das State Department doch Hort derjenigen zu sein, die für eine realistische Einstellung gegenüber der Sowjetunion plädierten und diesen Realismus nicht auf dem Altar des Antikommunismus op- fern wollten.324 Die Experten im Außenministerium hätten, so die Argumentation von McCarthy und seinen Getreuen, schließlich ihren Anteil daran, daß Mao in China den Sieg davongetragen

320 Zitiert nach Schwabe, Klaus: Der amerikanische Isolationismus im 20. Jahrhundert. Legende und Wirklichkeit; Wiesbaden 1975, S. 8; im folgenden zitiert als Schwabe: Isolationismus im 20. Jahrhundert..., 321 Vgl. Ruane: War and Revolution..., S. 24 322 zitiert nach Tuchman: Torheit..., S. 307 323 Tuchman: Torheit..., S. 311 324 Vgl. Mai: Westliche Sicherheitspolitik..., S. 22

Seite 76 “The Picture Survives” hätte.325 Die Tatsache jedoch, daß die paar wenigen wirklichen Kommunisten sehr schnell aus ih- ren Positionen entfernt worden waren, wurde von seiten McCarthys und seiner Anhänger geflis- sentlich ignoriert.326

McCarthy lud so ziemlich jeden vor seinen Ausschuß, der in irgendeiner Art und Weise auch nur im geringsten Verdacht stand, kommunistische Ideale zu teilen. Die Liste der so vor den Aus- schuß zitierten Personen liest sich wie das „Who is Who“ des politischen, wissenschaftlichen und kulturellen Lebens: vom amerikanischen Außenminister Dean Acheson über den „Vater der Atombombe“, J. Robert Oppenheimer, bis zu Schriftstellern wie Thomas Mann und Arthur Mil- ler sowie Schauspielern wie Charlie Chaplin.327

McCarthy konnte – unberührt von aller Kritik – seinen Feldzug fortsetzen. Während der Wahl- kampagne von 1952 erlangte er weitere Berühmtheit durch seine Angriffe gegen die – angeblich kommunistisch infizierte – Korruption im Lager der Demokraten. Ihren Zenit erreichten McCar- thys Aktionen Anfang 1954, als es mit der US-Army – auch deren Vertreter lud er vor seinen Ausschuß – zum Konflikt kam. Im Verlauf dieser Auseinandersetzung verstieg sich McCarthy zu einer ganzen Reihe von Schmähungen und anderen nicht minder ehrverletzenden Ausbrüchen. Als Präsident Truman McCarthy daraufhin tadelte, antwortete dieser mit einer Gegenerklärung, die dem Präsidenten unterstellte, ebenfalls Kommunist zu sein. Als er daraufhin – allerdings ohne Erfolg – versuchte, den Präsidenten selbst vor seinen Ausschuß zu laden, und sich dann noch in Beleidigungen gegenüber dem Senat als solchem und seinen Kollegen im Senat erging, war das Maß offenbar voll.

Der Senat setzte nun seinerseits einen Untersuchungsausschuß gegen McCarthy ein. Nach Er- scheinen des Abschlußberichts tadelte der Senat McCarthy zweimal – bis dato war so etwas in der Geschichte des Senats noch nie vorgekommen. Als die Wahlen zum Kongreß Ende 1954 den Demokraten die Mehrheit brachten, war McCarthy's Stern endgültig am Sinken: Er mußte den Vorsitz seines Ausschusses an einen Demokraten abgeben. Im Dezember 1954 distanzierte sich der Senat vom sogenannten „McCarthyismus“. Seine letzten Lebensjahre verbrachte McCarthy sehr zurückgezogen. Er starb am 2. Mai 1957 an den Folgen einer akuten Lungenentzündung.

Aus heutiger Sicht läßt sich sagen, daß die „McCarthy-Ära“ eine Ausprägung der generellen Li- nie des Antikommunismus war. Sie war zwar vielleicht die radikalste Ausprägung des amerikani- schen Antikommunismus, die in ihren Aktionen weit über das Ziel hinausschoß, fügte sich aber allgemein in die – durch die vorhergehenden Ereignisse – erschütterte kollektive amerikanische Psyche ein: „Jede Privatperson, jede Organisation, der das Etikett „kommunistisch“ zu sein an- haftete, schien ein Teil der Verschwörung der Sowjetunion zu sein, die Weltherrschaft an sich rei- ßen zu wollen.“328

325 Vgl. Tuchman: Torheit..., S. 311; siehe auch Frey, Marc: Geschichte des Vietnamkriegs. Die Tragödie in Asien und das Ende des amerikanischen Traums; München 20005, S. 25; im folgenden zitiert als Frey: Geschichte des Vietnamkriegs..., 326 Vgl. Millett; Maslowski: For the Common Defense..., S. 497 327 Vgl. Millett; Maslowski: For the Common Defense..., S. 497 328 Vgl. Tuchman: Torheit..., S. 307

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4 Der „heiße Krieg“ im Kalten Krieg329

“The first essential in military operations is that no information of value shall be given to the enemy. The first essential in newspaper work and broadcasting is wide- open publicity. It is your job and mine to try to reconcile those sometimes diverse considerations.” Dwight D. Eisenhower330

Die besten Beispiele für das Phänomen der „heißen Kriege“ im Kalten Krieg sind die Kriege in Korea und Vietnam. Beide Kriege wurden von allen beteiligten Seiten mit unbarmherziger Härte geführt und zeigen in ihrem Ende die Schwachstellen des Sicherheitssystems des Kalten Krieges auf.

Die Sichtweise, den Korea-Krieg einzig und allein als ersten Krieg des Kalten Krieges und ana- log dazu als ersten Stellvertreterkrieg der beiden Supermächte zu sehen, greift indes zu kurz. Der Korea-Krieg war auch ein Volkskrieg zur revolutionären nationalen Befreiung. Er war dabei auch ein regionaler Krieg um die Vorherrschaft auf der Koreanischen Halbinsel, der nur deshalb eska- lierte, weil beide Seiten – Nord- und Südkorea – der jeweils anderen Macht- bzw. Einflußsphäre des bipolaren Systems nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges angehörten. Nicht zuletzt ist die- ser Krieg auch ein rein asiatischer Konflikt um die Vorherrschaft in Asien. Insofern ist der Krieg in Korea auch ein Krieg um die postkoloniale Nachfolge.331

Gleichzeitig ist der Krieg in Korea der erste Krieg, über den unter den Vorzeichen des Kalten Krieges berichtet wird. Die Berichterstattung folgte nun den politischen Gegebenheiten und Er- fordernissen der beiden Seiten, was zur Folge hatte, daß sich die Berichte aus Korea zu Kriegs- beginn nicht wesentlich von Berichten des Zweiten Weltkrieges unterschieden: kritisch in der Sa- che, aber meistens unter der Prämisse, daß die jeweilige Seite den Krieg gewinnen werde.

Die Kriege in Vietnam hingegen sind zugleich unterschiedlich, unterscheiden sich dennoch nicht wesentlich voneinander. Kämpften im Indochina-Krieg die französischen Kolonialherren gegen die vietnamesische Unabhängigkeitsbewegung, den Viet Minh, um den Erhalt ihres Kolonialrei- ches, so änderte sich das im Vietnam-Krieg. Kämpfte der Viet Minh im Indochina-Krieg noch für einen souveränen vietnamesischen Staat, kämpften die USA im Vietnam-Krieg für den Erhalt des südvietnamesischen Staates. Gemeinsam war beiden Kriegen die unbarmherzige und harte Kriegsführung, bei der sich alle Beteiligten an Grausamkeiten nicht viel unterschieden. 329 Der Titel dieses Kapitels orientiert sich an dem von Bernd Greiner herausgegebenen Sammelband: Heiße Kriege im Kalten Krieg, Hamburg 2006. An dieser Stelle sei insbesondere auf den Aufsatz von Greiner, Bernd: Die Blutpumpe. Zur Strategie und Praxis des Abnutzungskrieges in Vietnam 1965 - 1973; in: Greiner, Bernd; Mül- ler, Christian Th.; Walter, Dierk [Hrsg.]: Heiße Kriege im Kalten Krieg; Hamburg 2006, S. 167 – 238, im fol- genden zitiert als Greiner: Blutpumpe..., 330 Zitiert nach Paul, Christopher; Kim, James J.: Reporters of the Battlefield. The Embedded Press System in Historical Context; Santa Monica 2004; in: http://www.rand.org/pubs/monographs/2004/RAND_MG200.pdf (Letzter Zugriff 15. 07. 2008), S. 1 331 Vgl. Millett, Allan R.: Introduction to the Korean War; in: The Journal of Military History 65 / 4 / 2001; S. 921 – 935, hier S. 933 – 935 im folgenden zitiert als Millett: Introduction to the Korean War...,

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“There was more of it in Vietnam”332 dieses geflügelte Wort unter amerikanischen GI's beschreibt ziemlich deutlich, daß der Krieg in Vietnam in jeder Hinsicht etwas Außergewöhnliches war: au- ßergewöhnlich grausam, außergewöhnlich lang, außergewöhnlich hart und außergewöhnlich im Materialverbrauch. In den Jahren zwischen 1966 und 1968 wurden mehr Bomben über dem viet- namesischen Kriegsgebiet abgeworfen als in den 6 Jahren des Zweiten Weltkrieges auf beiden Kriegsschauplätzen zusammen.333 Nicht zuletzt war der Krieg in Vietnam auch außergewöhnlich grausam gegenüber der Zivilbevölkerung – nicht nur gegenüber der vietnamesischen, sondern auch gegenüber der amerikanischen. Jeder Versuch, die zivilen Opfer des Vietnamkrieges zu schätzen oder zu beziffern, schlägt fehl.334 Die Auswirkungen auf die amerikanische Zivilbevöl- kerung sind zwar eher indirekter Natur – aber von den Auswirkungen her ebenfalls gravierend. Neben den Ehefrauen und Müttern, deren Männer und Kinder in Vietnam gefallen sind, sind die- jenigen GI's, die vollkommen traumatisiert oder vollkommen invalide aus dem Krieg heimge- kehrt sind, beredtes Zeugnis der Auswirkungen und Grausamkeiten dieses Krieges – aber auch des Umgangs mit ihnen. So kann beispielsweise Georg Stefan Troller in der Reportage im Rah- men seiner Sendereihe „Personenbeschreibungen“ den Vietnam-Veteranen und Anti-Kriegsakti- visten Ron Kovic335 – das Vorbild für Oliver Stones Film “Born on 4th of July” – mit den Worten zitieren:

„[...] Ich bin wie eine lebensgroße Marionette mit durchgeschnittenen Fäden. Zuerst hielt ich meine Verwundung für interessant – fast ein Abenteuer. Jetzt ist sie kein Abenteuer mehr. Jetzt ist sie ein Schlauch an meinem Penis und ein Gummisack. Alles, was an mir zu heilen war, ist geheilt. Ich lebe weiter mit meinem eigenen Leichnam, der Krüppel, der Hinkemann, der Mann mit dem toten Schwanz, der John Wayne nach Filmschluß, der Mann, der im Bett weint. Ich hätte nicht gedacht, daß es so ausgehen würde. Im Kino ist es nie so ausgegangen. [...]“336 Gerade dieses Zitat zeigt aber auch, wie sehr in der amerikanischen Populärkultur das Bild des maskulinen, virilen und „coolen“ John Wayne nachwirkt. John Wayne, als personifizierter Proto- typ des amerikanischen Helden schlechthin, wird in seinen Filmen kaum verwundet – und wenn, dann waren seine Verletzungen meist so leicht, daß er weiterkämpfen konnte. Auch in seinen Fil- men gibt es Tote. Verwundete, die ihr ganzes Leben unter den Folgen des Krieges, seien sie phy- sischer oder psychischer Natur, leiden müssen, gibt es in seinen Filmen nicht. Dadurch werden aber der Krieg und der Kampf als solche mystifiziert und dadurch der Jugend im Kino gezeigt, daß es zum einen ehrenvoll ist, für das Vaterland zu sterben, und zum anderen, daß Kampf ein immer wiederkehrendes Mittel ist, zum Mann und damit zum Helden zu werden. Diese den Fil- men John Waynes innewohnende Logik, die genaugenommen schon als Indoktrination bezeich- net werden kann, spiegelt sich auch in John Waynes Film über Iwo Jima wider.

Dieses “There was more of it in Vietnam” läßt sich ebenfalls auf die Berichterstattung über den Vietnamkrieg anwenden. Über keinen Krieg – mit Ausnahme des Golfkrieges von 2003 – wurde so viel und so intensiv berichtet. Auch auf die Art und Weise der Berichterstattung ist jener Aphorismus anwendbar: Das Spektrum reichte in diesem Krieg von normalen Berichten über den Krieg bis hin zu extrem kritischen Berichten über die amerikanische Kriegsführung in Viet-

332 Greiner: Blutpumpe..., S. 167 333 Vgl. Greiner: Blutpumpe..., S. 167 334 Siehe hierzu ausführlich Greiner: Blutpumpe..., S. 169 – 170, siehe auch Greiner, Bernd: Krieg ohne Fronten. Die USA in Vietnam; Hamburg 2007; im folgenden zitiert als Greiner: Krieg ohne Fronten..., 335 Erstsendung ZDF 20. 02. 1977 336 Troller, Georg Stefan: Ihr Unvergeßlichen. 22 starke Begegnungen; Düsseldorf 20062. S. 142, im folgenden zi- tiert als Troller: Ihr Unvergeßlichen...,

Seite 79 “The Picture Survives” nam und über amerikanische Gewaltexzesse. Ebenfall waren in jenem Krieg so viele Journalisten wie nie zuvor im Kriegseinsatz – auch in dieser Hinsicht bricht das „Phänomen Vietnam“ alle Rekorde.

4.1 Korea – Der „vergessene“ Krieg

Der erste Krieg, der unter den Vorzeichen dessen geführt wurde, was Bernhard Baruch 1947 als „Kalten Krieg“ bezeichnet hatte, war der Krieg des sozialistischen Nordkoreas gegen das natio- nalistische Südkorea. Die Auseinandersetzung dieser beiden Staaten war die erste gewaltsame dieser neuen Epoche. Bis dahin hatte sich die Auseinandersetzung der beiden Supermächte UdSSR und USA eher auf ideologischer, diplomatischer und rüstungstechnischer Ebene abge- spielt. Die Konflikte, die sich bis dato – auch unter der Demonstration militärischer Stärke – er- eignet hatten, dienten lediglich zur Definition und Sicherung der jeweiligen Machtbereiche.

Analog zur Geschichte Vietnams ist auch die koreanische Geschichte von Gewalt und kriegeri- scher Auseinandersetzung geprägt:

“[...] One bit of their lore is that the country has been invaded at least six hundred times in the last three millenia, although the counting includes incidents of piracy, minor punitive expeditions, and naval encounters along Korea's long and island-dotted coastline. [...] The Korean peninsula served as the military marches both for Japan and China – and for waves of Mongols and Manchurians bent on visiting Japan [...]”337 War es im Falle Vietnams lediglich China, das immer wieder zum Hauptfeind wurde, so waren es in Korea sowohl China als auch Japan, die wechselseitig ihre Ansprüche auf dieses Land gelten machen wollten. Es ist wohl nicht übertrieben zu behaupten, daß beinahe jeder Krieg dieser bei- den Mächte teilweise auch auf koreanischem Boden oder in koreanischen Gewässern ausgefoch- ten wurde.338 So verwundert es nicht, wenn sich das koreanische Selbstverständnis damit abge- funden hat, immer zwischen den beiden regionalen Hegemonialmächten China und Japan zu ste- hen: “Koreans compare themselves to a school of shrimp caught between two whales. Wether the whales are fighting or making love – not to mention feeding – the shrimp have a short live ex- pectancy.”339

4.1.1 Historischer Kontext

Nach dem Ende der japanischen Annektion Koreas, die von 1910 bis 1945 andauerte, herrschte innerhalb des Landes die Meinung vor, daß nach der Befreiung von 40 Jahren japanischer Fremdherrschaft der Weg des Landes nun direkt in die völlige Unabhängigkeit und Souveränität führen würde. Der Weg dahin schien vorgezeichnet, sprachen doch alle Vereinbarungen, die die Alliierten während des Krieges, die koreanische Frage betreffend, beschlossen hatten, von „Be- freiung“ und „Unabhängigkeit“. In der Kairoer Erklärung vom 1. Dezember 1943, die der Kairo- er Konferenz folgte, war dann auch die Rede davon, daß Korea „zu gegebener Zeit“ in Freiheit

337 Millett: Introduction to the Korean War..., S. 921 – 922 338 Vgl. Millett: Introduction to the Korean War..., S. 921 339 Millett: Introduction to the Korean War..., S. 922

Seite 80 “The Picture Survives” und Unabhängigkeit entlassen werden sollte340: “The United States, Great Britain, and National- ist China, “mindful of the enslavement of the Korean people”, would ensure “that in due course Korea shall be free and independant”.”341

Allerdings existierten auf alliierter Seite noch keinerlei Planungen für die Gestaltung einer ko- reanischen Unabhängigkeit nach dem Kriege, schien doch der Sieg über Japan noch zu weit ent- fernt. Auf amerikanischer Seite hatte man lediglich ziemlich unkonkrete Pläne, ähnlich zu ver- fahren wie auf den Philippinen. Dort brauchte man 40 Jahre Vorbereitungszeit bis zur Selbstre- gierung. Daher verwundert es auch nicht, wenn auf der Konferenz von Jalta über eine Vier- Mächte-Treuhänderschaft durch National-China, England, die UdSSR und die USA für Korea gesprochen wurde, die einen Bestand von 20 bis 30 Jahren haben sollte.342 Dem Thema „Korea“ wurde in Jalta allerdings auch keine große Aufmerksamkeit zuteil, auch wurde die Kairoer Erklä- rung nicht weiter präzisiert.343

Nach dem Sieg über Deutschland spielte das Thema „Korea“ auf der Konferenz von Potsdam eine eher untergeordnete Rolle. Der neue Präsident, Harry S. Truman, wich von dem Vorschlag einer Treuhänderschaft wieder ab und machte sich damit die Auffassung des State Department, nach der die Koreaner vermutlich unfähig seien, sich selbst zu regieren, zu eigen. Die „großen Drei“ einigten sich darauf, die Kairoer Erklärung umzusetzen. Die Selbstverwaltung des koreani- schen Volkes sollte kommen, wenn die japanischen Besetzer durch eine Militärregierung ersetzt worden seien. Danach käme dann eine internationale Überwachungsmission, die die Einsetzung einer unabhängigen, von Koreanern gewählten Regierung, vorbereiten sollte. In Potsdam dräng- ten die USA, vermutlich in Überschätzung der japanischen Fähigkeiten, die Sowjetunion zur Er- öffnung einer zweiten Front gegen Japan. Die UdSSR sollte gegen die, in der Mandschurei sta- tionierte, japanische Kwangtung-Armee vorgehen. Als Preis hierfür forderte Stalin die Zuerken- nung der der Sowjetunion „angestammten“, Rechte in Asien, vor allem aber die Zuerkennung von im russisch-japanischen Krieg verlorener Gebiete. Für den Fall einer sowjetischen Interven- tion zugunsten der USA im Pazifik einigte man sich auf die Aufteilung Koreas zwischen den USA und der UdSSR. Korea sollte so etwas werden wie der „unsinkbare Flugzeugträger“ in Asi- en, eine Funktion, die Jahre später der japanischen Insel Okinawa zufallen sollte. Man einigte sich schließlich auf den 38. Breitengrad als Trennungslinie zwischen den USA und der UdSSR.344

Auf der Moskauer Außenministerkonferenz wurde das Korea-Problem ausführlicher als bisher behandelt. Es war notwendig geworden, sich konkreter mit dieser diffizilen Sachlage auseinan-

340 Vgl. Choi, Hyung-Sik: Zur Frage der Rolle des Korea-Krieges bei der westdeutschen Wiederaufrüstungsdebatte und des Einflusses auf die prinzipielle Entscheidung für die Wiederaufrüstung im Kontext der Aktualisierung des Ost-West-Konfliktes; Diss. Düsseldorf 1994, hier S. 14, im folgenden zitiert als Choi: Rolle des Korea- Krieges..., 341 Millett, Allan R.: The War for Korea, 1945 - 1950. A house burning; Lawrence 2005, S. 52, im folgenden zitiert als Millett: War for Korea..., 342 Diese Aussage findet sich, leider ohne weitere Quellenangabe, bei Choi: Rolle des Korea-Krieges..., S. 15; bei Tag, Myung-Sig: Die US-Politik gegenüber Korea 1942 - 1953. Unter besonderer Berücksichtigung der Teilung Koreas, des Koreakrieges und der Rolle der UNO; Diss. Köln 1995 im folgenden zitiert als Tag: US-Politik gegenüber Korea..., findet sich zwar ein Hinweis auf die Treuhänderschaft, aber kein Hinweis auf die Dauer dieser Pläne, siehe auch Millett: War for Korea..., S. 52 – 53 343 Vgl. Millett: War for Korea..., S. 52 344 Vgl. Millett: War for Korea..., S. 48 – 49, 53; Choi: Rolle des Korea-Krieges..., S. 16; siehe auch Higgins, Rosalyn: United Nations Peacekeeping 1946 - 1967. Documents and Commentary; Bd. II, Asia; London 1970, S. 153, im folgenden zitiert als Higgins: United Nations Peacekeeping..., zu den Details der sowjetischen Besatzung Nordkoreas siehe Millett: War for Korea..., S. 48 – 51

Seite 81 “The Picture Survives” derzusetzen, da der japanische Zusammenbruch schneller als erwartet erfolgte und man nun nach wirklich tragfähigen Lösungen suchen mußte, da abzusehen war, daß die Formelkompromisse der „Treuhänderschaft“ und der „gegebenen Zeit“ kaum wirklich eine Lösung darstellten. Man einigte sich auf ein, wenn auch vage formuliertes, Konzept, wie man mit Korea und den sich dar- aus ergebenden Problemem verfahren wollte. Dieses Konzept sah vor:

1. “[...] With a view to the re-establishment of Korea as an independent state. The creation of conditions for developing the country on democratic principles and the earliest possible liquidation of the disastrous results, of the protracted Japanese domination in Korea, there shall set up a provisional Korean democratic government which shall take all the necessary steps for developing the industry, transport and agriculture of Korea and the national culture of the Korean people. 2. In order to assist the formation of a provisional Korean government and with a view to the preliminary elaboration of the appropriate measures, there shall be established a Joint Commission consisting of representatives of the United States command in southern Korea and the Soviet command in northern Korea. In preparing their proposals the Commission shall consult with the Korean democratic parties and social organizations. The recommendations worked out by the Commission shall be presented for the consideration of the Governments of the Union of Soviet Socialist Republics, China, the United Kingdom and the United States prior to final decision by the two Governments represented on the Joint Commission. 3. It shall be the task of the Joint Commission, with the participation of the provisional Korean democratic government and of the Korean democratic organisations to work out measures also for helping and assisting (trusteeship) the political, economic and social progress of the Korean people, the development of democratic self-government and the establishment of the national independence of Korea. The proposals of the Joint Commission shall be submitted, following consultation with the provisional Korean government for the joint consideration of the Governments of the United States, Union of Soviet Socialist Republics, United Kingdom and China for the working out of an agreement concerning a four-power trusteeship of Korea for a period of up to five years. 4. For the consideration of urgent problems affecting both southern and northern Korea and for the elaboration of measures establishing permanent coordination in administrative- economic matters between the United States command in southern Korea and the Soviet command in northern Korea, a conference of the representatives of the United States and Soviet commands in Korea shall be convened within a period of two weeks. [...]”345 Von koreanischer Seite wurde diese Übereinkunft hingegen kategorisch abgelehnt. Der Konsens ging dabei durch fast alle Parteien hindurch. Einzig die Kommunisten unter Kim Il Sung erklär- ten sich, vermutlich nach diskreter sowjetischer Einflußnahme, damit einverstanden. Prominen- tester Vertreter der Vertragsgegner war der spätere Premierminister Südkoreas, Syngman Rhee. Diese beiden Führungspersönlichkeiten mitsamt ihren jeweiligen Anhängern sollten auch das spätere Schicksal Koreas unter sich ausmachen. Dies ist wiederum das Charakteristikum des na- tionalen Befreiungskampfes Koreas: Es handelte sich – ganz im Sinne Maos – um einen „Volks- krieg zur Nationalen Befreiung“. Allerdings gab es nicht, wie am Beispiel Vietnams zu zeigen sein wird, eine nationale Befreiungsbewegung, sondern gleich zwei, die wiederum jeweils einen Teil des Landes kontrollierten.346

Getreu den Buchstaben der Moskauer Vereinbarung trafen sich die USA und die UdSSR in Form jener gemeinsamen Komission am 20. März 1946. Man wollte zuerst über die Bildung einer pro-

345 Der Botschafter in der Sowjetunion (Harriman) an Außenminister Acheson, 27. Dezember 1945, zitiert nach: FRUS 1945, Vol. VI / B, S. 1150 - 1151 346 Vgl. Millett: Introduction to the Korean War..., S. 929, zur politischen, religiösen und sozialen Herkunft dieser beiden Gruppen siehe S. 927 – 929

Seite 82 “The Picture Survives” visorischen demokratischen Regierung in Korea beraten. Von sowjetischer Seite wurde verlangt, daß sich diese Komission nur von den koreanischen Gruppen und Parteien beraten lassen sollte, die die Moskauer Übereinkunft akzeptiert hatten. Auf amerikanischer Seite war man hingegen der Auffassung, daß alle politischen Gruppierungen und alle sozialen Organisationen Koreas an- gehört werden sollten. Man brach daraufhin die Konferenz ab und vertagte sich. In der nächsten Sitzung, am 21. März 1947, wiederholten sich die Ereignisse der vorangegangenen Sitzung. Das Scheitern der Konferenz war nun beinahe zwangsläufig.347 Hier, wie auch in Deutschland, zeigte sich, was die Sowjetunion unter dem Begriff der „demokratischen Staaten und der demokrati- schen Parteien“ verstand. Demokratisch - nach der sowjetischen Interpretation dieses Begriffes - waren nur Parteien, die faktisch unter der Regie, dem „Oberkommando“, Moskaus standen.

Das Problem Korea drängte immer noch, doch eine Lösung war wegen der nicht zu vereinbaren- den gegensätzlichen Auffassungen in der gemeinsamen Kommission noch immer nicht in Sicht. So entschied man auf amerikanischer Seite, dieses Problem durch die Vereinten Nationen lösen zu lassen.

Die Generalversammlung der Vereinten Nationen348 beschloß nach eingehender Beratung am 14. November 1947 mit 43 Stimmen bei 6 Enthaltungen349, die Einigung Koreas so schnell wie mög- lich herbeizuführen. Hierzu sollten alle im Land befindlichen Besatzungstruppen schnellstmög- lich abgezogen werden. Ferner sollte eine Art Beobachtermission, die UNTCOK350, eingerichtet werden, deren Aufgabe es sein sollte, die Wahlen zur koreanischen Nationalversammlung zu überwachen. Die Sowjetunion, die sich bei der Abstimmung enthalten hatte, legte unterdessen einen Plan vor, der vorsah, die Besatzungstruppen bis zum 1. Januar 1948 abzuziehen, um dem koreanischen Volk die Ausübung seines Selbstbestimmungsrechtes zu ermöglichen.

Als allerdings die UN-Komission im Januar 1948 in Korea eintraf, verweigerten die sowjeti- schen Militärbehörden den Zutritt nach Nordkorea. Die Argumentation, die hier angewandt wur- de, klingt freilich etwas abenteuerlich: Da die Korea-Frage, nach Auffassung der Sowjetunion, mit dem Abschluß von Friedensverträgen verbunden sei, sei die Organisation der VN nicht dafür zuständig.351

In der Folge einigte man sich innerhalb der Vereinten Nationen auf Wahlen, die man in Südkorea durchführen wollte. Diese Wahlen fanden am 10. Mai 1948 statt, die Wahlbeteiligung lag, trotz eines Boykottaufrufes linksgerichteter Gruppierungen, bei 75%. Nach Einberufung der National- versammlung und der Verkündung der Verfassung wurde am 15. August 1948 die Republik Ko- rea, mit Syngman Rhee als erstem Präsidenten, ausgerufen. Der Norden zog daraufhin mit den Wahlen zu einer Obersten Volksversammlung nach. Man rief am 9. September 1948 die Demo- kratische Volksrepublik Korea aus. Erster Regierungschef wurde Kim Il Sung. Diese beiden Staaten sollten sich von nun an auf das gemeinsame historische Erbe, auch wenn es von Kriegen und Gewalt geprägt war, berufen:

“[...] In a sense the Republic of Korea [...] and its socialist sister the Democratic People's Republic of Korea are „new nations“, but they are built on the wreckage of a failed traditional 347 Daten entnommen aus Choi: Rolle des Korea-Krieges..., S. 18 348 Der Autor verwendet die Abkürzungen VN (VEREINTE NATIONEN) und UN (UNITED NATIONS ) synonym, da beide Akronyme die gleiche Organisation bezeichnen. 349 Die Länder, die der Sowjetunion nahestanden, enthielten sich ebenso wie die UdSSR. Zahlen entnommen aus Choi: Rolle des Korea-Krieges..., S. 19 350 UNITED NATIONS TEMPORARY COMISSIONS ON KOREA 351 Vgl.: Choi: Rolle des Korea-Krieges..., S. 19

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society, forty years of Japanese colonialism, the leaching effect of Japan's wars (1937 – 45), and the trauma of political division and revolutionary social change. [...]”352 In den folgenden Jahren standen sich in Korea zwei Staaten gegenüber, die alles andere taten, als in friedlicher Koexistenz zu leben. Die Aufteilung Koreas spiegelt im kleinen die Aufteilung der Welt wider: am 12. Dezember 1948 wurde Südkorea von der UNO, den USA und anderen, dem westlichen Bündnis nahestehenden, Staaten anerkannt. Wenn nun die westlichen Staaten Südko- rea anerkannten, so mußte die Sowjetunion mit ihren Verbündeten folglich Nordkorea anerken- nen. Die Anerkennung beider Staaten durch ihre jeweiligen Schutzmächte führte nun dazu, daß die Teilung Koreas institutionalisiert wurde. War der Teilungsprozeß mit der Bildung von zwei Staaten abgeschlossen, so wurde er durch deren internationale Anerkennung nun auch zu einem formalen Ende gebracht.353

Eine weitere UN-Resolution sah den Abzug aller Besatzungstruppen zum schnellstmöglichen Termin vor. Die UNTCOK sollte den Abzug überwachen und, wie schon in der Resolution vom 14. 11. 1947 vorgesehen, bei der Wiedervereinigung und dem Aufbau einer Demokratie helfen. Die USA leisteten dieser Resolution Folge, der Rückzug ihrer Truppen war am 29. Juni 1949 be- endet. Auf sowjetischer Seite gab man bekannt, den Abzug schon zum Jahresende 1948 beendet zu haben – einer Kontrolle durch die UNTCOK verweigerte man sich jedoch.354

Die USA zogen jedoch auch nicht alle Truppen ab, sie ließen eine ca. 500 Mann starke Berater- gruppe in Südkorea zurück, die die südkoreanische Armee ausbilden sollte. Bewaffnet war diese Armee, die mit einer Stärke von ca. 100 000 Mann im Vergleich zur Armee Nordkoreas relativ klein war, nur mit leichten Waffen. Ihr fehlte alles, was eine Armee in Zeiten der mobilen Kriegs- führung brauchte: Panzer, Artillerie, Panzerabwehrwaffen. Diese Armee war daher eigentlich nichts anderes als eine etwas schwerer bewaffnete Polizeitruppe, die lediglich für den Kampf ge- gen Guerillas wirklich geeignet war.355 Die nordkoreanische Armee war hingegen wesentlich besser ausgerüstet und ausgebildet.

Im Gegensatz zu den USA stattete die UdSSR die Armee in ihrem Teil Koreas vergleichsweise komfortabel aus: Im März 1949 schloß Nordkorea mit Moskau ein Abkommen über wirtschaftli- che und kulturelle Zusammenarbeit. In einem geheimen Zusatzabkommen bestellte Nordkorea Waffen und militärische Ausrüstung „für 6 Infanteriedivisionen und 3 Maschinengewehrtrup- pen“356, 100 Flugzeuge und Militärberater. Gegen Ende des Jahres 1949 hatte die nordkoreani- sche Armee 100.000 Mann unter Waffen. Dazu verfügte man noch über eine starke Luftwaffe, die aus Kampfflugzeugen und Bombern bestand. Hinzu kamen noch zwei kampferprobte Divi- sionen, die ihre Erfahrung an der Seite Maos im Kampf gegen Chiang Kai-shek gesammelt hat- ten.357 Vor dem Angriff auf Südkorea verfügte die nordkoreanische Armee über 242 Panzer und und 211 Flugzeuge.358 Von Ausbildung, Ausrüstung und Taktik her gesehen war die NKPA 359 (NORTH KOREAN PEOPLES ARMY) nichts anderes als “a pocket model of its Soviet counterpart”.

352 Millett: Introduction to the Korean War..., S. 921 353 Vgl. Millett: Introduction to the Korean War..., S. 930; Millett; Maslowski: For the Common Defense..., S. 508 354 Choi: Rolle des Korea-Krieges..., S. 20 355 Vgl.: Choi: Rolle des Korea-Krieges..., S. 20, 22, 24 – 25; siehe auch Millett: Introduction to the Korean War..., S. 931; Millett; Maslowski: For the Common Defense..., S. 508; ferner Utz: Assault from the Sea..., S. 6 356 Choi: Rolle des Korea-Krieges..., S. 22 357 Vgl. Bechtol, Bruce E.: Paradigmenwandel des Kalten Krieges. Der Koreakrieg, 1950 - 1953; in: Greiner, Bernd; Müller, Christian Th.; Walter, Dierk [Hrsg.]: Heiße Kriege im Kalten Krieg; Hamburg 2006, S. 141 – 166, hier S. 144 – 148, im folgenden zitiert als Bechtol: Paradigmenwandel des Kalten Krieges..., 358 Zahlen entnommen aus: Choi: Rolle des Korea-Krieges..., S. 24 359 Millett; Maslowski: For the Common Defense..., S. 508

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Beide Staaten, Nord- wie auch Südkorea, begannen nach ihrer Gründung mit einer intensiven Propaganda- und Guerillatätigkeit. Freilich war den nordkoreanischen Versuchen hierbei mehr Erfolg beschieden als den südkoreanischen. Der Grund hierfür liegt in der desolaten Wirtschafts- situation Südkoreas: Die Teilung des Landes brachte dem Süden zwar die fruchtbarsten Teile des Landes und die größere Bevölkerungszahl, dem Norden jedoch alle Wasserkraftwerke sowie alle Abbaustätten für Kohle und andere Mineralien, nicht zuletzt lagen auch alle von den Japanern er- baute Industrieanlagen in Nähe der Wasserkraftwerke. Die drängendsten Probleme waren eine galoppierende Inflation und eine hohe Arbeitslosigkeit. Gegenüber 1940 war die Produktion um 20% zurückgegangen. Eine Bodenreform wurde, wie auch in Indochina, von den Großgrundbe- sitzern verhindert. Die Folge waren Unruhen, für deren Niederhaltung 60% des Haushaltes für Inneres aufgewandt werden mußten.360

Gleichzeitig zogen sich die USA beinahe vollständig aus Asien zurück. Der Schock über die kommunistische Machtübernahme in China, wo Mao über den von den USA unterstützten Tschi- ang-Kai-Tschek siegte, saß in Washington zu tief. Mit der Machtübernahme Maos hatte sich das politische und strategische Kräfteverhältnis im asiatischen Raum grundlegend verändert.361 Dean Acheson, der damalige amerikanische Außenminister, verkündete daraufhin eine neue amerikani- sche Politik für diesen Raum, die nicht nur die Ansicht des State Department, sondern auch die der Joint Chiefs of Staff widerspiegelte. Der Kernpunkt seiner Rede war die Festlegung einer Verteidigungslinie: “This defensive Perimeter runs along the Aleutians to Japan and then goes to the Ryukyus [...] The defensive Perimeter runs from the Ryukyus to the Philippine Islands.”362 In dieser Festlegung tauchen weder Korea noch Formosa (Taiwan) und Indochina auf. Acheson übergeht hier drei Länder, die schon damals akute Krisenherde waren, oder, wie im Falle von Formosa, jederzeit zu einem virulenten Krisenherd werden konnten. Man kann Acheson bzw. seinen Beratern wohl kaum unterstellen, daß die Nicht-Benennung dieser Länder versehentlich erfolgt sei. Vielmehr ist davon auszugehen, daß diese Länder - eben weil sie Krisenherde waren – nicht erwähnt wurden, da man nicht wußte, wie das neue Regime in China handeln würde.

Ferner gingen die JCS davon aus, daß Japan am vordringlichsten gegen die Ausbreitung des Kommunismus verteidigt werden müsse. Gerade der oben zitierte Teil von Achesons Rede konn- te zur Annahme verleiten, die USA hätten kein Interesse an einer Verteidigung Koreas, hätten also Korea gewissermaßen abgeschrieben. So besteht zumindest Grund zu der Annahme, daß Nordkorea und sein Verbündeter, die Sowjetunion, der Ansicht waren, daß die USA nicht in Ko- rea eingreifen würden, um Südkorea zu retten.363 Im Westen wurde die nordkoreanische Invasion überwiegend als Aktion gewertet, die ohne die Zustimmung Moskaus gar nicht hätte erfolgen können. Aus heutiger Sicht scheint dieser Punkt – nach der Öffnung der sowjetischen Archive in den 1990er Jahren – geklärt: Kim Il Sung hatte mit der rekordverdächtigen Anzahl von 48 Tele- grammen in Moskau um Zustimmung und Hilfe bei der Planung ersucht.364 Nach westlicher Auf- fassung konnte dies also nur ein Stellvertreterkrieg sein: Nordkorea gegen Südkorea als verklei-

360 Vgl. Millett: Introduction to the Korean War..., S. 930; Choi: Rolle des Korea-Krieges..., S. 23; siehe auch Bechtol: Paradigmenwandel des Kalten Krieges..., S. 151 361 Vgl. Millett, Allan R.: Semper Fidelis. The History of the Unites States Marine Corps; New York 199, S. 475 – 476, im folgenden zitiert als Millett: Semper Fidelis..., 362 Zitiert nach: Choi: Rolle des Korea-Krieges..., S. 21, siehe auch Millett: Semper Fidelis..., S. 476; Millett; Maslowski: For the Common Defense..., S. 509 363 Vgl. Millett: Semper Fidelis..., S. 476, siehe auch Utz: Assault from the Sea..., S. 1, 6 siehe auch Rohwer, Jür- gen: Der Korea-Krieg 1950 - 1953; in: Potter, Elmar B.; Nimitz, Chester W. [Hrsg.]: Seemacht. Eine Seekriegs- geschichte von der Antike bis zur Gegenwart; Herrsching 1982, S. 918 – 953, hier S. 918 im folgenden zitiert als Rohwer: Korea-Krieg..., 364 Vgl. Bechtol: Paradigmenwandel des Kalten Krieges..., S. 145

Seite 85 “The Picture Survives” nerte Variante des Kampfes der Sowjetunion gegen die USA.365 Allerdings scheinen sowohl die Regierungen in Moskau als auch in Peking die Entschlossenheit der USA, Kim Il Sungs Plänen für eine gewaltsame Wiedervereinigung des Nordens mit dem Süden nicht tatenlos zuzusehen, unterschätzt zu haben.366

Korea wurde ferner als zu unbedeutend für die amerikanische Verteidigungsdoktrin angesehen. Ferner konnte man in Washington auch keine wirklichen amerikanischen Interessen in Korea ausmachen. Im Falle eines Kriegsausbruches im Fernen Osten würden, so die Annahme der Joint Chiefs of Staff, die in Korea stationierten amerikanischen Truppenteile nur als Belastung für die Kriegsführung wirken. Sie könnten ohne Verstärkung ihre Stellungen in Korea nicht behaupten. Ferner wären sie, sofern der Krieg nicht in Korea selbst stattfände, zu weit von den Ereignissen entfernt und somit nur eine Art „totes Kapital“ zur falschen Zeit am falschen Ort.367

Am 25. Juni 1950 begann die großangelegte Offensive nordkoreanischer Truppen gegen Südko- rea. Zwischenfälle an der innerkoreanischen Grenze waren in den Jahren zuvor eigentlich an der Tagesordnung gewesen und von daher normal. So dachte man sich wohl zu Beginn der nordko- reanischen Operationen nichts Ernstes dabei. Erst als ein amerikanischer Offizier an einem Bahnhof 5 Meilen hinter der Grenze nordkoreanische Truppen aus einem Zug steigen sah, war klar, daß dies garantiert kein weiterer Grenzzwischenfall sein konnte, sondern eine ausgewachse- ne Invasion. In der Nacht vor der Invasion hatten offenbar nordkoreanische Eisenbahnpioniere ihr eigenes Eisenbahnnetz mit dem südkoreanischen verbunden. Die amerikanischen Militärbera- ter in Südkorea wurden von dieser Offensive vollkommen überrascht. So kabelte der amerikani- sche Botschafter an jenem Tag nach Washington, daß es anscheinend eine „Großoffensive gegen 368 die koreanische Republik“ gäbe. Die ROKA (REPUBLIC OF KOREA ARMY), wenn man denn diese leichtbewaffneten Einheiten wirklich als Armee bezeichnen will, war von Beginn an nicht in der Lage, der nordkoreanischen Aggression irgendetwas entgegenzusetzen. Die Mitarbeiter der UN- Komission in Korea warnten den Generalsekreträr der Vereinten Nationen ebenfalls vor der „kommunistischen Gefahr“ und schlugen vor, diese Angelegenheit vor dem Sicherheitsrat zur Sprache zu bringen.369

Es ist wohl nicht übertrieben zu behaupten, daß die westliche Welt von dieser Großoffensive überrascht worden war. Jedenfalls warnte die CIA, Amerikas Auslandsgeheimdienst, nicht vor diesem Coup Nordkoreas, sondern sagte voraus, daß die Nordkoreaner zwar weiter ein paar Scharmützel an der Grenze anzetteln würden, aber keine große Angriffsoperation. Horchposten und andere nachrichtendienstliche Quellen, die aus Taiwan und Südkorea selbst stammten, hatten zwar darauf hingewiesen, daß das Ausbleiben von Grenzzwischenfällen nichts Gutes bedeuten

365 vgl. Rautenberg, Hans-Jürgen; Wiggershaus, Norbert: Die “Himmerroder Denkschrift” vom Oktober 1950, Politische und militärische Überlegungen für einen Beitrag der Bundesrepublik Deutschland zur westeuropäischen Verteidigung; in: Militärgeschichtliche Mitteilungen, Heft 1 / 1977, S. 135 - 206, hier S. 140 im folgenden zitiert als Rautenberg; Wiggershaus: Himmerroder Denkschrift..., 366 Vgl. Bechtol: Paradigmenwandel des Kalten Krieges..., S. 145, Utz: Assault from the Sea...,S. 1, Rohwer: Ko- rea-Krieg..., S. 918 - 919 367 Vgl. Millett: Semper Fidelis..., S. 476 – 477, ferner Choi: Rolle des Korea-Krieges..., S. 21 368 Vgl. Tag: US-Politik gegenüber Korea..., S. 150 „[...] Nach Berichten der koreanischen Armee, die teilweise von unseren Instruktionsoffizieren bestätigt wurden, haben nordkoreanische Kräfte heute früh die südkoreanische Grenze an mehreren Punkten überschritten. ... Alle Anzeichen sprechen dafür, daß es sich um eine Großoffensive gegen die koreanische Republik handelt [...]“ 369 Vgl. Tag: US-Politik gegenüber Korea..., S. 150; Utz: Assault from the Sea..., S. 10

Seite 86 “The Picture Survives” konnte – waren aber mit ihren Warnungen auf taube Ohren gestoßen. Ebenso scheint der mit der Besatzungsverwaltung von Japan beauftragte amerikanische General Douglas MacArthur keiner- lei Hinweise von seinen Aufklärungsspezialisten bekommen zu haben.370

Diese Offensive löste überall in der Welt neue Ängste vor dem expandierenden Kommunismus aus. Von amerikanischer Seite aus wurde nun versucht, diesen Konflikt in die amerikanische Strategie des Containment einzubeziehen. Daher neigte man dazu, den Krieg lediglich als „be- grenzten Krieg“ anzusehen und daher eine von den UN legitimierte, unter amerikanischem Ober- kommando stehende „Polizeiaktion“ zu fordern. Alle anderen Optionen wären mit den wenigen in der Nähe des Schauplatzes verfügbaren Truppen auch gar nicht realisierbar gewesen. Am Tag der Invasion stimmte der Sicherheitsrat der von den Vereinigten Staaten vorgelegten Resolution zu.371 Damit war nun der Weg frei, militärische Schritte gegen die nordkoreanische Militäraktion einzuleiten. Die ersten Schritte hierzu waren die Anweisungen an General Douglas MacArthur, alle Amerikaner, auch die Militärberater, aus Korea zu evakuieren. Hierfür sollte der Flughafen Kimpo weiterhin offengehalten werden. MacArthur sollte ferner Munition, die wahrscheinlich den Instruktoren zu Ausbildungszwecken diente, an die koreanische Armee abgeben.372

Allerding war das, was MacArthur gegen die nordkoreanischen Invasoren in die Waagschale werfen konnte, nur noch ein Schatten dessen, was gegen Ende des Zweiten Weltkrieges die Streitkräfte der Vereinigten Staaten von Amerika ausmachte: Die USA hatten zu diesem Zeit- punkt 12 Millionen Männer und Frauen unter Waffen. Diese waren auf 95 Infanterie-, Panzer-, Luftlande- und Marine Corps-Divisionen verteilt. Das Arsenal der amerikanischen Streitkräfte umfaßte 92.000 Flugzeuge, 1307 Kriegsschiffe und 82.000 Landungsschiffe. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die meisten Soldaten schnell wieder in die Heimat zurückgesandt, um dort aus dem Militärdienst entlassen zu werden. Eine weiterer Ursache für diese Maßnahmen waren – ne- ben der verbreiteten “Bring the Boys home”-Stimmung – auch finanzielle und politische Gründe. Zum einen war der Unterhalt einer dermaßen großen Armee nach dem Ende des Krieges wirt- schaftlich und auch innenpolitisch kaum zu rechtfertigen. Ferner argumentierten die Vertreter ei- ner „Verschlankung“ der US-Armee damit, daß die Vereinigten Staaten ja die Atombombe hätten und daher konventionelle Kräfte kaum noch nötig wären.373

In Japan standen – unter MacArthurs Oberbefehl – lediglich 4 Infanterie-Divisionen374, die per- sonell dermaßen spärlich ausgerüstet waren, daß sie nur noch 60% der Stärke zu Kriegszeiten hatten. Diese 4 Divisionen bildeten die 8. Armee unter dem Kommando von Generalleutnant Walton H. Walker. Diese Armee war zudem mit Material ausgerüstet, das von den Schlachtfel- dern des pazifischen Kriegsschauplatzes geborgen und notdürftig instand gesetzt worden war. Für eine Besatzungstruppe, die lediglich zur Aufrechterhaltung der innerjapanischen Ordnung eingesetzt war, waren diese Mängel nicht wirklich gravierend. Unglücklicherweise machten die- se Mängel die „8th Army“ eigentlich vollkommen ungeeignet für einen Kriegseinsatz. Ähnlich sah die Situation bei der Luftwaffe, den FEAF (FAR EAST AIR FORCES), aus. Die Streitkräfte der

370 Vgl. Utz: Assault from the Sea..., S. 10, siehe auch Weintraub, Stanley: MacArthur's War. Korea and the Un- doing of an American Hero; New York, London 2000, S. 9; im folgenden zitiert als Weintraub: MacArthur's War..., 371 Vgl. SC res. S/1501 abgedruckt in Higgins: United Nations Peacekeeping..., S. 160. An dieser Stelle sollte darauf hingewiesen werden, daß der UNSC am selben Tag zusammentreten konnte, da Korea jenseits der Datumsgrenze liegt und somit, als die Offensive schon lief, in den Vereinigten Staaten erst der Morgen anbrach. 372 Vgl. Tag: US-Politik gegenüber Korea..., S. 152 373 Vgl. Utz: Assault from the Sea..., S. 6 374 Es handelte sich hierbei um die 7th, 24th und 25th Infanteriedivision. Hinzu kam noch die 1st Cavalry Division, vgl. Utz: Assault from the Sea..., S. 8 – 9

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Marine, die NFFE (NAVAL FORCES, FAR EAST) unter dem Kommando von Admiral Charles Turner Joy, die zusammen die legendäre „7th Fleet“ bildeten, verfügten über einen Flugzeugträger, einen Kreuzer und acht Zerstörer – “a pale reflection of the mighty armada that surrounded the Battle- ship Missouri (BB 63) at Tokyo Bay in September 1945”375. Diese Flotte wurde von Präsident Truman bei Ausbruch des Krieges nach Taiwan gesandt, um Nationalchina zu schützen, waren doch auf dem chinesischen Festland, gegenüber Taiwan, starke chinesische Kräfte konzentriert, deren Absicht man (noch nicht) kannte. Die Präsenz der 7. Flotte sollte hauptsächlich das kom- munistische China von einem Angriff auf Taiwan, aber auch Taiwan von einem Angriff auf das kommunistische China abhalten. In den Gewässern Japans waren noch fünf Landungsschiffe so- wie eine Versorgungsgruppe, die sich aus einem Kreuzer, vier Zerstörern und sechs Minensu- chern zusammensetze, stationiert.376

Dennoch verfügten die Vereinigten Staaten über genügend Reserven. Als man nach dem Krieg ganze Truppenteile demobilisiert hatte, hatte man deren Ausrüstung, vor allem Panzer, Artillerie und Schiffe, eingelagert. Diese Material mußte man im Kriegsfall nur noch entmotten und an die Einsatzstelle verbringen. Ferner konnte auch auf kampferprobte Veteranen zurückgegriffen wer- den, doch reichte ihre Zahl bei weitem nicht. Auch war die Zahl der Veteranen, die seit ihrer De- mobilisierung nach dem Weltkrieg regelmäßig an Übungen teilgenommen hatten, eher gering. Dies führte dazu, daß diese Veteranen nicht so flexibel einsetzbar gewesen wären, wie dies für eine schnelle Verstärkung von MacArthurs Truppen notwendig gewesen wäre.377 Wie eng die personelle Situation der amerikanischen Streitkräfte war, mag folgendes Beispiel illustrieren: Die für eine Landung erforderlichen Einheiten der Marines mußten teilweise in See stechen, ohne vollzählig zu sein: “Each of of the 5th Marines' three infantry bataillons deployed without its third rifle company [...]”378. Als man Ende August das 3. Infanterie-Regiment der 1st Marine Di- vison zusammenstellte, waren beispielsweise von den 3836 Marines dieses Regiments 1809 Re- servisten.379 Daß mit einer solch ineffektiven Ansammlung von Truppen, der Begriff „Streit- macht“ scheint dafür doch etwas zu monumental, kein Eindruck zu machen war, versteht sich beinahe von selbst.

Am 27. Juni gab Truman dann in seiner Eigenschaft als Oberbefehlshaber, als NCA (NATIONAL COMMAND AUTHORITY), den Befehl, die militärischen Operationen zur Wiederherstellung des status quo ante unverzüglich zu beginnen. Für Truman war, vor dem Hintergrund des beginnenden Kal- ten Krieges, klar, daß Korea lediglich die „vergrößerte Auflage des Geschehens in Berlin“380 sei. Die Sowjetunion zeige hier abermals ihr wahres Gesicht und versuche, ihren Einflußbereich aus- zudehnen.381 Von dieser Prämisse aus gesehen, werden die Ereignisse, die sich an die nordkorea- nische Aggression gegenüber Südkorea anschlossen, verständlich. Auch die spätere Eskalation des Krieges kann hierdurch erklärt werden.

Die nordkoreanische Offensive schritt indes schnell voran: am 29. Juni 1950, vier Tage nach Be- ginn der nordkoreanischen Operationen gegen Südkorea, wurde Seoul, wiederum ohne nennens- werten Widerstand der südkoreanischen Streitkräfte, erobert. Die Hilfsmaßnahmen liefen lang-

375 Utz: Assault from the Sea..., S. 8 376 Vgl. Millett: Semper Fidelis..., S. 477; siehe auch Rohwer: Korea-Krieg..., S. 918, 921; siehe ferner Utz: Assault from the Sea..., S. 1, 11 377 Vgl. Millett: Semper Fidelis..., S. 477 378 Millett: Semper Fidelis..., S. 480 379 Vgl. Millett: Semper Fidelis..., S. 480 380 Tag: US-Politik gegenüber Korea..., S. 154 381 Vgl. Tag: US-Politik gegenüber Korea..., S. 154

Seite 88 “The Picture Survives” sam und schleppend an. Als Folge der nach dem Beginn der nordkoreanischen Invasion einset- zenden diplomatischen Aktivitäten wurde am 7. Juli die von den USA ausgearbeitete Resolution bezüglich Korea durch den Weltsicherheitsrat angenommen.

Obwohl die Sowjetunion als Ständiges Mitglied im Weltsicherheitsrat ein Veto gegen diese Re- solution hätte einlegen können, tat sie dies nicht und blieb jenen Sitzungen lieber fern. Sie hatte nämlich am 13. Januar 1950 den Sicherheitsrat, aus Protest gegen die Anwesenheit National- chinas382, verlassen. Für die Resolution stimmten China, Kuba, Ecuador, Frankreich, Norwegen, das Vereinigte Königreich von Großbritannien und die Vereinigten Staaten. Der Abstimmung enthielt sich Jugoslawien; Indien und Ägypten nahmen an jener Abstimmung nicht teil. Das ägyptische Mitglied verweigerte die Abstimmung mit der Begründung, es sei von seiner Regie- rung nicht instruiert worden.383 Nachdem der Ägypter dann von seiner Regierung instruiert wor- den war, verknüpfte er die Problematik der koreanischen Situation mit der Problematik dessen, was später als Nah-Ost-Konflikt bekannt werden sollte. Es hat den Anschein, daß die ägyptische Regierung mit der Verweigerung ihrer Zustimmung den Sicherheitsrat für seine laxe Haltung ge- genüber dem Israelischen Staat abstrafen wollte.384 In den folgenden beiden Resolutionen, die die Grundlage für die Aktionen der UN in Korea bildeten, wurde die oben beschriebene Abstim- mungspraxis gewissermaßen institutionalisiert: Ägypten, Indien und Jugoslawien enthielten sich der Abstimmung, die Sowjetunion nahm an jenen Sitzungen gar nicht erst teil.

Korea wurde der erste wirkliche Testfall für die Vereinten Nationen. Es gelang ihnen schließlich, nach langen Jahren des Kampfes gegen die nordkoreanischen und chinesischen Truppen, die seit November 1950 an der Seite Nordkoreas kämpften, einen Waffenstillstand zu vermitteln. Dieser Waffenstillstand setzte den 38. Breitengrad als Grenze und Demarkationslinie zwischen Nord- und Südkorea fest. Allerdings offenbarten sich zu dieser Zeit schon die ersten gravierenden Schwächen der UNO: Sie war, zur Durchsetzung ihrer Ziele in Korea, auf die Unterstützung der Amerikaner angewiesen. Der amerikanische Einfluß auf die Vereinten Nationen wurde damit ge- wissermaßen zementiert.

4.1.2 Einsatz von Journalisten in diesem „vergessenen Krieg“

Die ersten Journalisten, die über den Korea-Krieg berichteten, waren die Vertreter der Nachrich- tenagenturen in Seoul. Von Tokio aus wurden vier Journalisten amerikanischer Tageszeitungen von der USAF in einem Frachtflugzeug, das durch Jagdschutz geschützt werden mußte, nach Seoul eingeflogen. Auf dem Rückweg wurden Angehörige der amerikanischen Botschaft und Personal der UN ausgeflogen. Sie trafen rechtzeitig zum Einmarsch der nordkoreanischen Trup- pen in Seoul ein, so daß sie sich sogleich den nach Süden fliehenden Verteidigern anschließen konnten.385 Gleich den wenigen amerikanischen und südkoreanischen Verteidigern wurden diese Journalisten von den rasch vorrückenden nordkoreanischen Truppen immer weiter vor sich her- getrieben. Sie kamen erst ganz im Süden, in der Umgebung der Hafenstadt Pusan, zum Stehen.

382 Zu dieser Zeit war Nationalchina (Taiwan) noch die Vertretung chinesischer Interessen in der UNO; dies änderte sich erst 1972, als die Volksrepublik China in die UNO aufgenommen wurde. 383 Vgl. Higgins: United Nations Peacekeeping..., S. 162 384 Vgl. Higgins: United Nations Peacekeeping..., S. 163 385 Vgl. Knightley: First casualty..., S. 366, nach Knightley handelte es sich hier um Vertreter der Zeitungen Chica- go Daily News, New York Times, sowie des Magazines Time, siehe auch Ferrari, Mi- chelle: Reporting America at War. An Oral History; New York 2003, S. 64 – 65; im folgenden zitiert als Ferrari: Reporting America at War..., siehe auch Utz: Assault from the Sea...,S. 10

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Die Szenen, die sich bei dieser haltlosen Flucht abspielten, müssen grausam gewesen sein.386 Diese kleine Ecke Südkoreas konnte schließlich von amerikanischen und südkoreanischen Kräf- ten gehalten werden – auch wenn es zuerst den Anschein hatte, als müsse diese Verteidigungs- stellung, analog zu den Ereignissen von Dünkirchen im Juni 1940, unter gegnerischem Feuer evakuiert werden.387

Die Journalisten berichteten über die vergeblichen Versuche der wenigen amerikanischen Solda- ten – hauptsächlich Angehörige jener hastig von Japan aus eingeflogenen 8th US-Army – in Süd- korea, die immer weiter vorrückenden nordkoreanischen Panzerspitzen aufzuhalten, und über die miserable Moral unter den erschöpften und desillusionierten GI's.388 Eine der vor Ort arbeitenden Journalistinnen, die für die New York Herald Tribune arbeitende Marguerite Higging, zitierte in einem ihrer Berichte einen jungen, erschöpften amerikanischen Leutnant mit Worten: “Are you correspondents telling the people back home the thruth? Are you telling that our of one platoon of tweny man, we have three left? Are you telling them that we have nothing to fight with, and that is an utterly useless war?”389

Diese Form der Berichterstattung traf verständlicherweise auf wenig Gegenliebe bei den ameri- kanischen Stäben in Tokio: Die Art und Weise des Berichtens wurde als Verrat und Hilfe für den Feind interpretiert. So wurden zwei amerikanische Journalisten, die zu dieser Zeit in Tokio weil- ten, um ihre Bericht abzusetzen, in das amerikanische Hauptquartier bestellt, wo ihnen mitgeteilt wurde, daß ihre Rückkehr nach Korea nicht erwünscht sei. Der zuständige Presseoffizier warf den beiden vor, daß sie nicht genügend Diskretion und Sensibilität bei ihren Berichten hätten walten lassen. Nach persönlicher Intervention bei General Douglas MacArthur wurde ihnen schließlich die Rückkehr erlaubt. MacArthur nutzte die Gelegenheit, darauf hinzuweisen, daß die Korrespondenten eine wichtige Rolle im Rahmen der psychologischen Kriegsführung der USA spielen würden.390

Diese Episode läßt ferner Rückschlüsse auf die Arbeitsbedingungen in Korea zu. Die Journalis- ten unterlagen zwar keiner offiziellen Zensur – dann wäre das Vorgehen gegen die beiden Jour- nalisten in Tokio von MacArthur nicht so leicht rückgängig zu machen gewesen – sondern ledig- lich einem selbstauferlegten Verhaltenscodex, der es verbot, Dinge zu schreiben, die der militäri- schen Sicherheit bzw. der Sicherheit von militärischen Operationen schaden konnte. Gleichzeitig scheint die Pressepolitik der amerikanischen Kommandeure ebenso improvisiert wie vieles ande- re in dieser frühen Phase des Krieges.391 Verglichen mit den Arbeitsbedingungen vor Ort, waren die Zensurmaßnahmen nicht weiter gravierend. In den ersten Tagen des Krieges mußten die Kor- respondenten nach Tokio fliegen, um ihre Berichte absetzen zu können – eine zeitraubende und 386 Vgl. Millett, Allan R.: The War for Korea, 1945 - 1950. A house Burning; Lawrence 2005, S. 356, im folgenden zitiert als Millett: War for Korea..., ferner Knightley: First casualty..., S. 366; Ferrari: Reporting America at War..., S. 65 – 66 . Einen der wenigen Siege gegen die nordkoreanischen Aggressoren erzielte das einzige U- Jagdschiff der südkoreanischen Marine. Es versenkte in einem Seegefecht einen Truppentransporter, dessen Ziel es gewesen wäre, Truppen in Pusan anzulanden, um die Stadt und den Hafen zu nehmen. Vgl. Utz: Assault from the Sea..., S. 10, siehe auch Rohwer: Korea-Krieg..., S. 921; Millett; Maslowski: For the Common Defense..., S. 510, 387 Vgl. Utz: Assault from the Sea..., S. 1; zu den Ereignissen in Dünkirchen siehe Frieser: Blitzkrieg-Legende..., S. 363 – 393 388 In den ersten Tage des Juli 1950 wurden die ersten Vorauskommandos der 24th Infantry Division von Japan nach Korea geflogen. Vom 3. - 7. Juli wurden die noch verblieben Einheiten der 24 th über den Seeweg nach Pusan verlegt. Vgl. Rohwer: Korea-Krieg..., S. 922 389 Zitiert nach Knightley: First casualty..., S. 366 – 367 390 Vgl. Knightley: First casualty..., S. 367; Ferrari: Reporting America at War..., S. 69 391 Vgl. Ferrari: Reporting America at War..., S. 66 – 67; Knightley: First casualty..., S. 367

Seite 90 “The Picture Survives” ermüdende Tätigkeit, die die Journalisten von ihrem eigentlichen Beruf abhielt.392 Dazu kam noch, daß sie in beinahe allen lebenswichtigen Dingen wie Unterkünften, Kommunikation und Transport von der Gnade der Army abhängig waren. Das Pressehauptquartier im koreanischen Taejon entpuppte sich als schmuddeliges und rattenverseuchtes ehemaliges Regierungsgebäude. Dort gab es einen einzigen großen Raum für die Journalisten, in dem sie arbeiten, essen und schlafen mußten. Als Verbindung zur Außenwelt fungierte eine einzige militärische Telephonlei- tung nach Tokio, die auch nur dann benutzt werden durfte, wenn sie nicht gerade mit Wichtige- rem belegt war. In dieser Situation gab es neben keinerlei Privatsphäre auch keinerlei Exklusiv- berichte mehr: Jeder konnte hören, was die anderen diskutierten und als Bericht ins Telephon diktierten. Vor diesem Hintergrund versuchte ein Journalist, Rutherford Poats von der Nachrich- tenagentur United Press, sich Brieftauben von der japanischen Zeitung Mainichi auszuleihen, um seine Berichte so, unter Umgehung dieses Nadelöhrs von Telephonleitung und Zensur, nach Ja- pan zu befördern. Nachdem aber eine Taube elf Tage brauchte, um die Strecke von Korea bis Ja- pan zurückzulegen, gab er den Versuch wieder auf.393

Wiederholte Bitten der Journalisten, an diesen untragbaren Zuständen etwas zu ändern, fielen bei der Army auf keinen fruchtbaren Boden. Seitens der verantwortlichen Presseoffiziere zog man sich mit dem Hinweis darauf, daß die gewünschte Ausrüstung anderswo dringender gebraucht wurde, aus der Affäre. Die für die New York Herald Tribune arbeitende Journalistin Marguerite Higging schrieb rückblickend: “Colonel Pat Echols, MacArthur's press chief, apparently re- garded the press as natural enemies. He couldn't get rid of us completely, but he could make our reporting life very difficult.”394 Doch diese Politik konnte nicht mehr lange durchgehalten wer- den, da immer mehr Journalisten in Korea eintrafen: Anfang August tummelten sich bereits 270 Vertreter der Medien in diesem umkämpften Land.395 Es hat den Anschein, als seien in etlichen Redaktionen weltweit die Veteranen der Schlachten des Zweiten Weltkrieges und der Berichter- stattung darüber wieder reaktiviert worden, um über den Krieg in Korea und dessen Verlauf zu berichten. Manche dieser Veteranen entschieden sich aber lieber für den Ruhestand, als noch ein- mal ihr Leben zu riskieren.

4.1.2.1 MacArthurs Landungsunternehmen in Inchon396

MacArthurs Plan, mit der Hauptmasse der nach und nach eintreffenden Verstärkungseinheiten in Inchon, das etliche Kilometer näher an der alten innerkoreanischen Grenze als an der Frontlinie lag, zu landen, gehorchte dem Machbaren und Notwendigen zugleich: Zum einen war es durch diese Landung möglich, die Nachschubrouten des Gegners massiv zu stören und damit dessen Position sowie seine Moral zu schwächen. Zum anderen konnte er auf diese Weise die Beweg- lichkeit seiner Seestreitkräfte optimal ausnutzen und so die ihm zur Verfügung stehenden Kräfte optimal einsetzen. Die in der Verteidigungsstellung rund um Pusan kämpfenden amerikanischen und südkoreanischen Einheiten konnten den Gegner frontal angreifen, während die in Inchon an- gelandeten Einheiten den Gegner von Norden her in die Zange nehmen konnten. Auf diese Weise würde sich, so MacArthurs Kalkulation, die gebirgige Beschaffenheit Koreas nachteilig für den 392 Vgl. Knightley: First casualty..., S. 366; Ferrari: Reporting America at War..., S. 66 393 Vgl. Knightley: First casualty..., S. 367 – 368 394 Zitiert nach Knightley: First casualty..., S. 368 395 Vgl. Knightley: First casualty..., S. 368 396 Auf die Einzelheiten des Landungsunternehmens in Inchon soll hier nicht eingangen werden. Siehe hierzu aus- führlich Rohwer: Korea-Krieg..., S. 924 – 931; Millett: Semper Fidelis..., S. 480 – 490; Utz: Assault from the Sea...,

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Gegner auswirken, da dieser zum einen seinen Nachschub über, nun unter amerikanischen Feuer liegendende, Straßen transporteren mußte und zum anderen seine Truppen nun nicht mehr wir- kungsvoll konzentrieren konnte.397

Der Hafen von Inchon, obwohl als einziger für eine Landungsoperation dieses Ausmaßes geeig- net, war dennoch ein tückisches Revier: Der Zugang zum Hafen führte durch eine ziemlich enge und vielfach gewundene Wasserstraße, den „Fliegenden-Fisch-Kanal“, in der zudem noch unre- gelmäßige Strömungsverhältnisse herrschten. Über den Zugang zum eigentlichen Hafen wachten zwei Inselfestungen. Verkompliziert wurde die Situation noch dadurch, daß der Tidenhub im Ha- fen von Inchon mit durchschnittlich 9 m Unterschied zwischen Hoch- und Niedrigwasser zu den stärksten der Welt gehört.398

Dieser Umstand machte das Timing einer solchen Landungsoperation außerordentlich schwierig, da die Landungsschiffe ungefähr 9 m Wasser unter dem Kiel brauchten, um richtig manövieren zu können. Diese, zum Erfolg der ganzen Landungsoperation notwendige, Wassertiefe konnte aber nur an 3 Tagen während eines Monats garantiert werden. Das vom Zeitpunkt der Planung Mitte August frühest erreichbare Zeitfenster waren drei Tage Mitte September – gleichzeitig war dies im Jahre 1950 der einzige zur Verfügung stehende Zeitrahmen. Danach machte der koreani- sche Winter allen Landungsoperationen einen Strich durch die Rechung.399

Als am 15. September 1950 die Landungsoperationen gegen Inchon, die Operation „Chomite“, begannen, hatte MacArthur mit seinen Stäben in seiner Eigenschaft als CINCUNC (COMMANDER IN CHIEF, UNITED NATIONS COMMAND) die Pläne dafür in nur drei Wochen erarbeitet. Im Zweiten Weltkrieg hatte die planerische Vorbereitung jedes Landungsunterneh- mens mehrere Monate gedauert.400 Aus militärischer Sicht kann das Landungsunternehmen als Erfolg gelten, aus media- ler Sicht war es hingegen ein kompletter Fehlschlag. Man hatte in der Eile der Vorbereitung offenbar vollständig ver- Abbildung 13: With the first waves safely ashore on säumt, sich nach den Bedürfnissen der Presse zu erkundi- Wolmi Do, General MacArthur and several of his gen.401 Angesichts des oben geschilderten wechselseitig ge- key officers share a light moment on the brigde of Mount McKinley. störten Verhältnisses von MacArthurs Stäben und der Presse ist dies auch nicht weiter verwunderlich. Entnommen aus Utz: Assault from the Sea..., S. 29 Dies führte dazu, daß die Pressebarken, die mit den ersten Angriffswellen an Land gingen, mit Journalisten von Nachrichtenmagazinen besetzt waren, während die Journalisten von Tageszei- tungen erst drei Tage später an Land gehen konnten. Angesichts der schon damals kurzen Deadli- nes von Tageszeitungen ist wohl ersichtlich, warum dieses Landungsunternehmen aus medialer Sicht zum Debakel wurde. Die einzigen Journalisten der Tagespresse, die einigermaßen nahe am Geschehen waren, waren die vier Chefs der Nachrichtenagenturen, die als persönliche Gäste Ma-

397 Vgl. Rohwer: Korea-Krieg..., S. 924 – 928; Utz: Assault from the Sea..., S. 16 – 17; Millett: Semper Fidelis..., S. 485; Wainstock, Dennis D.: Truman, MacArthur and the Korean War; Westport / Conn., London 1999, S. 45; im folgenden zitiert als Wainstock: Truman, MacArthur..., 398 Vgl. Wainstock: Truman, MacArthur..., S. 45 – 46, Rohwer: Korea-Krieg..., S. 924 – 925; Utz: Assault from the Sea..., S. 16 – 17; Millett: Semper Fidelis..., S. 485 – 486 399 Vgl. Rohwer: Korea-Krieg..., S. 924 – 925 400 Vgl. Utz: Assault from the Sea..., S. 16 – 17; Rohwer: Korea-Krieg..., S. 925 401 Vgl. Knightley: First casualty..., S. 371

Seite 92 “The Picture Survives” cArthurs an Bord seines Flaggschiffes, der “USS Mount McKinley”, weilten. Sie hatten unter an- derem das Privileg einer eigenen Telephonleitung nach Tokio, so daß sie ihre Sicht der Dinge (die vermutlich mit der Sichtweise General MacArthurs ziemlich identisch war) ohne Verzöge- rungen weitergeben konnten. In den Erinnerungen des Journalisten Frank Gibney, der als einer der ersten aus Korea berichten konnte, ist zu ersehen, daß jene Chefs der Nachrichtenagenturen innerhalb des Tokioter Pressecorps als „die Palastwache“402 galten. Für diese Herren war immer ein Platz in Douglas MacArthurs Privatmaschine frei. Im Gegenzug “they reported faithfully what the general had in mind, and it often was far from the true picture”.403 Sie fungierten also als die inoffiziellen Pressesprecher des Generals und als PR-Agenten – ein Begriff, den es erst viel später als solchen geben sollte. Jeder Versuch, die offiziellen Kanäle bei der Weiterleitung des Berichts von den Ereignissen bei jenem Landungsunternehmen zu umgehen, hatte weitrei- chende und drastische Konsequenzen: Dem auf diese Weise schuldig gewordenen Journalisten wurde die Erlaubnis entzogen, sich der militärischen Telephonverbindung zwischen Korea und Tokio zu bedienen.404

Abbildung 14: “Inchon”, prismacolour, by combat artist Herbert C. Hahn. Ein Beispiel für die Bildberichter- stattung durch „Schlachtenmaler“. Diese Art der Kriegsberichterstattung wird in den Vereinigten Staaten von Amerika auch heute noch gepflegt.

Entnommen aus Utz: Assault from the Sea..., Vorsatzblatt MacArthurs Landungsunternehmen war – trotz aller damit verbundenen Schwierigkeiten – ein voller Erfolg. Die angelandeten Truppen stießen beim Vormarsch auf Inchon auf eine kaum ver- teidigte Stadt. Bereits am 27. September 1950 fiel Seoul wieder in die Hände der vorrückenden UN-Soldaten. Die Rückeroberung Seouls gestaltete sich aber als enorm schwierig und verlust- reich, da die nordkoreanischen Verteidiger jeden Häuserblock der Stadt zäh verteidigten.405 Am 3. Oktober wurde die südkoreanische Stadt Uijongbu zurückerobert. Damit war das eigentliche Kriegsziel, die Befreiung Südkoreas, erreicht.406 Präsident Truman authorisierte General MacAr- thur aber, den Krieg auch jenseits des 38. Breitengrades fortzusetzen.407 Ursache für diesen Kurs- 402 Im Original “the Palace Guard”, vgl. Ferrari: Reporting America at War..., S. 67 403 Ferrari: Reporting America at War..., S. 67 404 Vgl. Knightley: First casualty..., S. 371, Ferrari: Reporting America at War..., S. 67 405 Vgl. Wainstock: Truman, MacArthur..., S. 52 – 55; Millett: Semper Fidelis..., S. 489 – 490 406 Vgl. Wainstock: Truman, MacArthur..., S. 57 407 Vgl. Millett: Semper Fidelis..., S. 490

Seite 93 “The Picture Survives” wechsel war der enorme politische Druck, der auf Präsident Truman lastete. Nicht nur, daß Tru- man die meisten der amerikanischen Kolumnisten gegen sich hatte, sondern auch – kurz vor den Wahlen im November – die Gegner aus den Reihen der GOP, allen voran Joseph McCarty, die nicht müde wurden, dem Präsidenten vorzuhalten, zu weich gegenüber dem Kommunismus zu sein.408 Kurz danach rückten die UN-Truppen unter dem Oberbefehl des CINCUNC in breiter Front über den 38. Breitengrad in Richtung Pyöngyang vor, das am 19. Oktober fiel. Auf großen Widerstand des Gegners trafen die vorrückenden Truppen indes nicht mehr.409 Die von Truman erlassenen ROE's (RULES OF ENGAGMENT) sahen vor, daß die NKPA als Gefährdungspotenzial Südkoreas auszuschalten und ein militärischer Sieg sicherzustellen sei, der es erlauben würde, die beiden koreanischen Staaten unter Aufsicht der UNO wieder zu vereinen. Im Falle einer russ- sischen oder chinesischen Intervention würde man diese Einsatzgrundlagen überdenken.410

Aufgrund dieses schnellen Vormarsches vermittelten die meisten mitreisenden Korrespondenten in ihren Berichten keinen Anlaß zur Sorge, da der Krieg ohnehin bald vorbei sein werde. Die meisten Journalisten trafen sogar schon Arrangements für ihre Heimreise. Dem Umstand, daß der Krieg jetzt so schnell und ohne große Kampfhandlungen des Gegners verlief, schenkten die wenigsten Berichterstatter vor Ort Aufmerksamkeit. Die Verlockung, den Siegesmeldungen aus MacArthurs Hauptquartier zu glauben, war wohl in diesem Fall und angesichts der Umstände, zu verführerisch. Die paar wenigen Stimmen, die dies nicht so ganz glauben wollten und ihre eige- nen Schlüsse zogen, mußten sich vorkommen wie Kassandra. Die Vision vom schnellen Ende des Krieges war einfach zu groß.411 Offenbar waren auch die militärischen Kommandostäbe der JCS und auch MacArthurs Hauptquartier dieser Vision des nahenden Sieges erlegen: Sie rechne- ten nicht mit einer russischen oder chinesischen Intervention in diesem Krieg, warnten MacAr- thur aber gleichzeitig davor, internationale Grenzen – also die Grenze zwischen Nordkorea und China – zu verletzen oder amerikanische Truppen zu nahe an den Yalu, den Grenzfluß zu China, zu senden.412

Anfang November standen die Truppen der Vereinten Nationen am Yalu. Der – mit diesem Vor- stoß vermutlich provozierte – Gegenangriff von Teilen der chinesischen Armee führte dazu, daß die gesamte Front am Yalu zusammenbrach und die chinesischen Verbänden nun die Truppen der UN vor sich hertrieben.413 Trotzdem versuchten MacArthurs Presseoffiziere weiterhin das Bild, daß der Krieg gut laufe, aufrechtzuerhalten. Erst als Journalisten, die Organe mit entsprechender Reputation im Rücken hatten, sich weigerten, diese Erklärungen weiterhin zu glauben, war man bereit, zuzugeben, daß „fremde“ Kräfte den Yalu überschritten hatten.414

War dieses Verhalten der Presseoffiziere schon ein Beispiel für miserables Kommunikation- und Katastrophen-Management, so lieferten die danach folgenden Aktionen des amerikanischen Oberkommandos ein hervorragendes Beispiel für eine absolut desaströse Informationspolitik: Obwohl man zu diesem Zeitpunkt nicht genau sagen konnte, welche chinesische Einheiten mit wieviel Soldaten über die Grenze gekommen waren, verbreitete die USAF Meldungen über bis zum letzten Mann zerstörte Ziele. War dieses Vorgehen an und für sich schon absurd genug, so 408 Vgl. Wainstock: Truman, MacArthur..., S. 59 409 Vgl. Knightley: First casualty..., S. 372; Wainstock: Truman, MacArthur..., S. 72 410 Vgl. Millett: Semper Fidelis..., S. 490; Wainstock: Truman, MacArthur..., S. 60 411 Vgl. Knightley: First casualty..., S. 372 – 373 412 Vgl. Millett: Semper Fidelis..., S. 490 413 Zu den Gründen für das Eingreifen Chinas in den Korea-Krieg siehe Bechtol: Paradigmenwandel des Kalten Krieges..., S. 149 – 151, zum Vorrücken der chinesischen Verbände über den Yalu siehe Millett: Semper Fidelis..., S. 491 – 494; Wainstock: Truman, MacArthur..., S. 75 – 76 414 Vgl. Knightley: First casualty..., S. 373

Seite 94 “The Picture Survives” trieben MacArthurs Offiziere dieses Spiel in den folgenden Wochen auf die Spitze des Absurden: Sie versuchten anzugeben, wieviele chinesische Truppen wo standen. Dabei wurde die Zahl der chinesischen Angreifer von Mal zu Mal größer. Philip Knightley faßt dieses Spiel so zusammen: “The “Chinese hordes” were swollen to nearly a million in a few days, though everywhere out of contact.”415 Diese, mittlerweile zur Farce verkommenen, täglichen Pressebriefings wurden erst eingestellt, als ein Reporter der britischen Zeitung „Observer“ mit gespieltem Ernst fragte, wie viele chinesische Bataillone eigentlich in eine Horde passen würden.416

Der Winter, der nun über Korea hereinbrach, führte dazu, daß der Krieg für die kämpfenden Truppen immer härter wurde. Von MacArthurs Versprechen an die Truppen, an Weihnachten wieder zu Hause zu sein, konnte nun keine Rede mehr sein. Dies Enttäuschung, die große Kälte und die damit einhergehenden medizinischen Probleme wie Erfrierungen und Atemwegsinfektio- nen führten zu immer größeren Problemen der personellen Stärke sowie zu einer immer schlech- ter werdenden Moral in der Truppe.417

Die Wucht des chinesischen Gegenangriffes brachte nicht nur die Front ins Wanken, sondern zeigte auch, in welch desolatem Zustand die UN-Streitkräfte wirklich waren – und wie sehr die kritischen Stimmen recht gehabt hatten.418 So sah beispielsweise der BBC-Reporter Rene Cut- forth “young GIs of hardly nineteen or twenty, ill-trained and in total panic, throw down their weapons and run from the front, tears streaming down their faces.”419 Aber nicht nur amerikani- sche GI's waren heulend davongelaufen, ganze Truppenteile der UN waren auf einmal nicht mehr existent. Dies führte natürlich dazu, daß andere Einheiten mit offener Flanke dastanden, was wiederum dazuführte, daß die Reibereien und das Mißtrauen innerhalb der UN-Truppen im- mer mehr zunahmen. Diese Friktionen konnten natürlich auch dem Pressekorps nicht verborgen bleiben, das sich nun in seinen Artikeln zu fragen begann, ob denn Südkorea überhaupt wert wäre, gerettet zu werden. Eine Frage, die angesichts des südkoreanischen Regimes unter Syng- man Rhee durchaus verständlich war. Zu behaupten, die Regierung Südkoreas sei durch und durch korrupt gewesen, ist sicherlich nicht untertrieben. Dafür spricht schon, daß die Polizei selbst massiv in diversen Geschäften des Schwarzen Marktes verstrickt war: Angefangen von „normalem“ Handel auf dem Schwarzen Markt, über den Handel und die Herstellung von schwarz gebranntem Alkohol für die UN-Truppen und Förderung von Prostitution bis hin zur Er- pressung unbescholtener Bürger, mit der Drohung, sie andernfalls als Kommunisten zu brand- marken. Schlimmer als all diese Verfehlungen der Polizei waren aber die Massenhinrichtungen, die das Regime vornehmen ließ. Unter den Hingerichteten waren auch in großer Zahl Mütter mit Kindern und Säuglingen, die teilweise erst in regelrechten Todesmärschen zu den Hinrichtungs- orten geführt wurden.420

Berichte über diese Art von Übergriffen auf die südkoreanische Zivilbevölkerung liefen natürlich der offiziellen Sichtweise von einem „gerechten“ Krieg gegen die nordkoreanischen und chinesi- schen Invasoren im speziellen und dem Kommunismus im allgemeinen zuwider. Die mit diesen Artikeln ebenfalls verbundene Kritik an der Kriegsführung der UN-Truppen führte am 21. De- zember 1950 zu einer gravierenden Verschärfung der Pressepolitik MacArthurs: Das bis dahin gültige Prinzip der freiwilligen Zensur wurde durch eine generelle Militärzensur ersetzt, durch

415 Knightley: First casualty..., S. 373 416 Vgl. Knightley: First casualty..., S. 373 417 Vgl. Millett: Semper Fidelis..., S. 491 418 Vgl. Knightley: First casualty..., S. 374 419 Knightley: First casualty..., S. 374 420 Vgl. Knightley: First casualty..., S. 374 – 376

Seite 95 “The Picture Survives” deren Hände alles gehen mußte, was seitens des Pressecorps in Korea produziert wurde.421 Ferner wurden die in Korea akkreditierten Journalisten im Januar 1951 der Rechtsprechung der ameri- kanischen Armee und damit dem amerikanischen Militärstrafgesetzbuch unterstellt. Dies bot den Vorteil, die Urheber mißliebiger Berichte sanktionieren oder nötigenfalls vor ein Militärgericht stellen zu können. Neben weiteren Einschränkungen der Berichterstattung über militärische De- tails wurde auch jeder negative Bericht über die Kriegsführung der Vereinten Nationen sowie über Kommandeure unter Strafe gestellt und verboten.422 Gerade der letzte Punkt, das Verbot der Kritik an UN-Kommandeuren, hatte aus Sicht der Urheber dieser Verordnungen den Vorteil, daß damit nicht nur die Journalisten kontrollierbar wurden, sondern auch indirekterweise die Kom- mandeure selber. Waren es doch meistens irgendwelche Kommandeure, die den Journalisten – nachdem diese gelernt hatten, den Pressekonferenzen MacArthurs zu mißtrauen – Informationen gaben, die den offiziellen Lageeinschätzungen meist zuwiderliefen.423 Konnte man den Kom- mandeuren vor Ort schon nicht ihre Meinung verbieten, so konnte man auf diese Art und Weise wenigstens verhindern, daß diese publik wurde.

Ein weiterer Faktor in der Beschränkung der Berichterstattung darf dabei allerdings nicht außer acht gelassen werden: die Heimatredaktionen selber. Selbst wenn ein Bericht die Militärzensur anstandslos passiert hatte, konnte der Verfasser nicht sicher sein, daß die Ergebnisse seiner Arbeit auch tatsächlich publiziert worden waren. Die Fälle, in denen sich Redakteure oder Herausgeber weigerten, einen Bericht nicht erscheinen zu lassen, sind bis heute nicht gezählt. In diesem Zu- sammenhang muß die, durch die Aktivitäten McCarthys gespannte, innenpolitische Situation be- rücksichtigt werden. In diesem politischen Klima konnte und wollte sich kein Redakteur oder Herausgeber dem Verdacht aussetzen, unpatriotisch zu handeln, indem er Berichte veröffentlich- te, die im weitesten Sinne gegen das amerikanische Engagement in Korea gerichtet waren.424 Wie angespannt das Klima in den USA zu jener Zeit war, mag folgende Begebenheit zeigen. Nach der Entlassung MacArthurs wegen Ungehorsams gegenüber der NCA, der sogenannten „Truman- MacArthur Kontroverse“, wogte eine wahre Flut von Briefen in das White House. Die überwie- gende Zahl der Briefschreiber war alles andere als freundlich gestimmt. So schrieb beispielswei- se eine Frau aus Texas, daß der Kreml dem US-Präsidenten doch Salut aus 21 Kanonen schießen solle.425

4.1.3 Der Krieg in Korea als “forgotten war”

In der Literatur wird der Krieg in Korea oftmals als „vergessener Krieg“426 bezeichnet und auch als solcher wahrgenommen. Wenn überhaupt, erinnert man sich an den Korea-Krieg lediglich durch die Landungsoperation General Douglas MacArthurs in Inchon und das Rückzugsgefecht der Marines am Chosin Reservoir427. Um im Bild des Garnelen-Schwarms zwischen den beiden

421 Vgl. Ferrari: Reporting America at War..., S. 96; Knightley: First casualty..., S. 376 422 Vgl. Knightley: First casualty..., S. 377 423 Vgl. Ferrari: Reporting America at War..., S. 69 – 70 424 Vgl. mit vielen Beispielen für die Hintergründe von nicht veröffentlichen Berichten Knightley: First casualty..., S. 377 – 379 425 Vgl. Weintraub: MacArthur's War..., S. 2 426 So auch der Titel des Buches von Steininger, Rudolf: Der vergessene Krieg. Korea 1950 - 1953; München 2006, im folgenden zitiert als Steininger: Der vergessene Krieg..., 427 Zu diesem Rückzugsgefecht, das bis heute als eines der Mythen dient, die das United States Marine Corps (USMC) zusammenhalten, siehe ausführlich Millett: Semper Fidelis..., S. 491 – 498, Millet formuliert auf S. 482 seine Sicht der Dinge so: “Even stripped of Corps legend and media myth-making, the Korean campaigns

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Walen zu bleiben: “Caught between the whales of World War II and the Vietnam War, the Korean War shrank to shrimp-like proportions in the American consciousness.”428 Diese Fest- stellung des amerikanischen Militärhistorikers Allan R. Millett muß aber um den Zusatz erwei- tert werden, daß sich dies ebenfalls für die ge- samte westliche Wahrnehmung dieses Krieges sagen läßt. Geht man jedoch von der Zahl der Opfer aus, dann steht jener Krieg, mit mehr als 3 Millionen Toten auf allen Seiten, nach den bei- den Weltkriegen an dritter Stelle der tödlichsten Konflikte des zwanzigsten Jahrhunderts.429

Abbildung 15: North Korea 1950, December, - 40 F. Years later a 22- cent stamp / bargain / censored / maybe "no casualty" wars were born. Look under the trooper's feet. For about a quarter America was reminded of a war in Korea. Abbildung 16: Das Bild auf der linken Seite diente als Vorlage für die Quelle: http://www.digitaljournalist.org/issue0405/ddd23.html (Letzer Briefmarke, die an den Korea-Krieg erinnern sollte. Interesstant ist, wel- Zugriff 15. 07. 2008) che Teile des Bildes in der Beriefmarke nicht zu sehen sind. Der Grund, warum der Krieg in Korea so oft Bild: USA MiNr. 1762 "Veteranen des Koreakrieges", mit freundlicher vergessen wird, liegt zum einen darin, daß er – Genehmigung des Schwanenberger-Verlages obwohl er der erste wirkliche Krieg des Kalten Krieges war – eingezwängt zwischen den Ereig- nissen des Zweiten Weltkrieges und denen des Krieges in Vietnam liegt. Diese Tatsache erklärt zumindest in Teilen die Ignoranz des Westens gegenüber diesem Krieg. Sie liefert aber keine schlüssige Erklärung für dieses Phänomen. Zum anderen liegt der Grund, warum dieses Ereignis so in den Hintergrund geraten ist, darin, daß das, was Kriege erst erinnerbar macht, in der dauer- haften Wirkung jenes Krieges auf die nationale Entwicklung des kriegführenden Landes liegt.430 Legt man dies dem Phänomen des “forgotten war” in Korea zu Grunde, ergibt sich eine schlüs- sige Erklärung für die eher untergeordnete Rolle, die dieser Krieg im kollektiven Gedächtnis des Westens spielt – obwohl seine Auswirkungen auf die internationale Politik stärker sind als bei- spielsweise die des Vietnamkrieges. Ein weiteres Kriterium, das zumindest erwähnt werden soll- te, ist die Frage nach der Sinnhaltigkeit dieses Krieges. Die Geschichte dieses Krieges beginnt und endet – mit der Wiederherstellung des status quo ante im Rahmen eines im übrigen heute noch immer gültigen Waffenstillstandes – am 38. Breitengrad. Dazwischen liegen knapp 3 Jahre voll unsäglichem Leid und schwerster Kämpfe.

of the 1st Marine Division in 1950 retain an epic quality.” Zur Funktion des Marine Corps innerhalb der ameri- kanischen Gesellschaft siehe Fraund: Funktion einer Elite..., 428 Millett: Introduction to the Korean War..., S. 924 429 Vgl. Millett: Introduction to the Korean War..., S. 924 430 Vgl. Millett: Introduction to the Korean War..., S. 932

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Wie heute an diesen Krieg erinnert wird, zeigt das Beispiel eines Bildes des amerikanischen Pho- tographen . Auf diesem Photo sind amerikanische Soldaten zu sehen, die im Dezember 1950 in Korea unterwegs sind. Der erste der Soldaten schaut nach rechts unten. Dort liegen die Leichen seiner Kameraden. Auf der Jahre später erschienen amerikanischen 22 Cent Briefmarke, die an die Veteranen dieses Krieges erinnern soll, fehlt eben diese rechte untere Ecke des Bildes. So sieht man nur ein Gruppe von GI's, deren Gruppenführer nach rechts unten aus dem Rahmen der Marke blickt. Offenbar waren zu diesem Zeitpunkt – leider ist nicht mehr genau zu rekonstruieren, wann diese Marke in Umlauf gebracht wurde – die Gefallenen dieses Krieges nicht (mehr) des Gedenkens wert. Oder aber – was noch schlimmer wäre – der amerika- nischen Bevölkerung sollte vorgegaukelt werden, bei Kriegen gäbe es keine Toten. Dann aber er- innert die Darstellung an die Reliefs der Trajanssäule in Rom, auf denen ebenfalls keine Toten, allenfalls verwundete römische Soldaten zu sehen sind.431

Unter journalistischen Gesichtspunkten liegt der Krieg in Korea ebenfalls zwischen den beiden Hauptereignissen des Zweiten Weltkrieges auf der einen und dem Krieg in Vietnam auf der ande- ren Seite. Dies ist schon an der Tatsache ersichtlich, daß wenige der Journalisten, die Veteranen des Zweiten Weltkrieges waren, wieder in Korea eingesetzt waren. Die meisten der Journalisten, die schon über den Zweiten Weltkrieg berichtet hatten, waren mittlerweile die Karriereleiter in ihren Redaktionen so weit nach oben gestiegen, daß sie nun in leitender Funktion eher andere in den Krieg schicken konnten, oder sie waren mittlerweile schlichtweg zu alt, um noch eine weite- re Tour durchzumachen.432

4.2 Vietnam – Der „erinnerte“ Krieg

Der amerikanische Krieg in Vietnam, den George C. Herring so treffend als “Americas longest War” 433 bezeichnete, hat sich bis heute tief in das kollektive Gedächtnis eingegraben. Die Asso- ziationen, die das Stichwort „Vietnam“ hervorruft, manifestieren sich hauptsächlich in Photos aus diesem Krieg. Etwa in jenen beiden Photos, die seitdem den Charakter einer Ikone haben: Edward „Eddie“ Adams Bild von der Hinrichtung eines Vietnamesen während der Tet-Offensive 1968 durch den Polizeichef von Saigon auf offener Straße (Abb. 17434) und Huyng Cong „Nick“ Ut's Bild des von Napalm verbrannten Mädchens (Abb. 18435).436 Bei beiden Ereignissen waren 431 Vgl. Hölscher, Tonio; Baumer, L; Winkler, L.: Narrative Systematik und Politisches Konzept in den Reliefs der Trajanssäule. Drei Fallstudien; in: Jahrbuch des Deutschen Archäologischen Institutes 106 / 1991; S. 261 - 266, 287 – 295; im folgenden zitiert als Hölscher et al.: Reliefs der Trajanssäule..., 432 Vgl. Knightley: First casualty..., S. 368 – 369; Ferrari: Reporting America at War..., 433 Herring, George C.: America's Longest War. The United States and Vietnam, 1950 - 1975; New York 19963, im folgenden zitiert als Herring: America's Longest War..., 434 Bildunterschrift im Original: “Saigon, Vietnam, Feb. 1, 1968 – South Vietnamese national Police Chief Nguyen Ngoc Loan summarily executes a suspected member of the Viet Cong caputred in Saigon during the communist ” zitiert nach Alabiso et al.: Flash!..., S. 14 435 Bildunterschrift im Original: “Trang Bang, Vietnam, June 8, 1972 – Phan Thi Kim Phuc, center, her burning clothes torn off, flees with other children after U.S. planes mistakenly dropped napalm on South Vietnamese troops and civilians” zitiert nach Alabiso et al.: Flash!..., S. 96 436 Vgl. Paul, Gerhard: Bilder des Krieges - Krieg der Bilder. Die Visualisierung des modernen Krieges; Paderborn, München, Wien, Zürich 2004, S. 319, im folgenden zitiert als Paul: Bilder des Krieges..., siehe auch Gerhard Paul, Die Geschichte hinter dem Foto. Authentizität, Ikonisierung und Überschreibung eines Bildes aus dem Vi- etnamkrieg; in: Zeithistorische Forschungen / Studies in Contemporary History, Online-Ausgabe, 2 (2005), H. 2, http://www.zeithistorische-forschungen.de/16126041-Paul-2-2005 (Letzter Zugriff 15. 07. 2008) im folgen- den zitiert als Paul: Geschichte hinter dem Foto..., siehe auch, allerdings mit manchen Einschränkungen hin- sichtlich der Zuordnung des Bildes, Kellner: Kriegskorrespondenten, das Militär und Propaganda,... S. 21

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auch Kameramänner anwesend, deren Filme überliefert sind. Obwohl beide Filme ausge- strahlt wurden, hatten die Bilder der beiden Photographen den höheren Erinnerungs- wert.437 Warum aber wurden ausgerechnet diese beiden schwarz / weiß-Bilder zu Iko- nen, die die Härte und Brutalität des Krieges wie keine anderen illustrierten, während die farbigen Filmaufnahmen weitgehend verges- sen sind?

Der amerikanische Krieg in Vietnam war nicht der einzige Krieg im 20. Jahrhundert, der dieses Land erschütterte – er war aber der Abbildung 17: Saigon, Vietnam, Feb. 1, 1968 – South Vietnamese national blutigste und grausamste dieser Kriege. Vor Police Chief Nguyen Ngoc Loan summarily executes a suspected member of ihm und auch nach ihm tobten immer wieder the Viet Cong caputred in Saigon during the communist Tet Offensive. Kriege in Vietnam. Doch „überstrahlt“ der Photo: Edward „Eddie“ Adams / AP Krieg, den die USA in diesem Land führten, Entnommen aus Alabiso et al.: Flash!..., S. 14 alle anderen Kriege, die die Bevölkerung Vi- etnams erdulden mußte. Der Krieg vor dem amerikanischen Krieg – der Indochina-Krieg – ist dabei weitgehend in Vergessenheit geraten. Lediglich durch die legendenverklärte Erinnerung an die Ereignisse in Dien Bien Phu ist dieser Krieg in den Köpfen mancher noch präsent. Ohne diesen französischen Krieg in Indochina ist das amerikanische Engagement in Vietnam nicht denkbar und auch nicht erklärbar. Gerade die Ge- waltspirale, die beide Kriege in Gang setzte, ist ohne diese Wissen nicht zu verstehen. Auch der Krieg in Indochina wurde von Kriegsreportern dokumentiert. Der damals bekannteste – und heu- te immer noch legendäre – Robert Capa438 kam in Indochina ums Leben.439 Die von diesem Krieg überlieferten Fotos sind zwar alle technisch ein- wandfrei und sind vom Aus- bzw. Eindruck her „stark“. Doch keines ist so „stark“, so eindrucks- Abbildung 18: Trang Bang, Vietnam, June 8, 1972 – Phan Thi Kim voll, daß es zu einer Ikone, zum Sinnbild dieses Phuc, center, her burning clothes torn off, flees with other children af- ter U.S. planes mistakenly dropped napalm on South Vietnamese Krieges hätte werden können. troops and civilians.

Photo: Huynh Cong „Nick“ Ut / AP Gleichzeitig wurden in beiden Kriegen die Jour- Entnommen aus Alabiso et al.: Flash!..., S. 96 nalisten zu teils willfährigen Helfern der staatlichen Propagandaapparate. Den klassischen Teu- felskreis aus Zugang zu Informationen und der sich daraus ergebenden Nähe zur Macht ließ manchen Journalisten unkritischer werden, als es die Faktenlage erfordert hätte.

437 Siehe Arnett: Einsatz des Lebens…, S. 220 – 221 und 307; siehe auch ausführlich Paul: Bilder des Krieges..., S. 319 und 327 – 330, siehe auch Hammond: Who Were the Saigon Correspondents..., S. 82 438 Von stammen auch jene „starken“ Bilder von der Landung in der Normandie, bei der Capa mit der ersten Welle der Landungstruppen an die Strände der Normandie stürmte. Steven Spielberg adaptierte etliche dieser Aufnahmen für die lange Startsequenz seines Film „Saving Private Ryan“. 439 Die Umstände von Robert Capas Tod schildern Faas, Horst; Page, Tim: Requiem. By the Photographers who died in Indochina and Vietnam; London 1997, S. 64 - 71, im folgenden zitiert als Faas; Page: Requiem...,

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4.2.1 Historischer Kontext

Vietnams „offizielle“ Geschichte beginnt im Jahre 208 v. Chr. Es ist nicht übertrieben zu behaup- ten, daß die Geschichte Vietnams vom Kampf geprägt ist: “By any standard, the long history of Vietnam presents an impressive picture of martial prowess, of victory against odds, of violent and often successful resistance to domestic oppression and foreign conquest”440 Von 111 v. Chr. bis 939 n. Chr. war Vietnam als eigenständiger Staat nicht existent, es wurde als Teil des chinesi- schen Empire regiert. Die Vietnamesen wurden zwar von der Kultur der Besatzungsherren beein- flußt, akzeptierten aber niemals die chinesische Herrschaft. Immer wieder brachen Revolten ge- gen die chinesischen Herren aus.441

Die Keimzelle dessen, was heute als Vietnam bekannt ist, umfaßt das Tal des Roten Flußes und erstreckt sich entlang der Küste bis zur Stadt Vinh. Im Norden befand sich das chinesische Reich, im Südwesten lag das Reich der Khmer in Kambodscha. Im Süden schloß sich das König- reich Champa an. Dieses befand sich mehr oder weniger in dauerndem Kriegszustand mit Viet- nam. Im 11. und im 14. Jahrhundert gelang es, das Königreich Champa zu besiegen. Bei jedem Sieg wurde ein Teil des Territoriums des Königreichs der Champa unter vietnamesische Kontrol- le gestellt. 1471 wurde das, was nach der oben beschriebenen „Salamitaktik“ noch vom Champa- Reich übrig geblieben war, dem vietnamesischen Machtbereich angegliedert.442

Mitte des 18. Jahrhunderts brach allerdings das traditionelle, nach chinesischem Vorbild geform- te Regierungssystem Vietnams zusammen. Die vietnamesischen Kaiser in der Residenzstadt Huê fungierten zwar noch als symbolisches und religiöses Oberhaupt des Landes – die eigentliche po- litische Macht lag allerdings bei zwei rivalisierenden Familien: den Trinh und den Nguyen. Die Trinh kontrollierten den Norden Vietnams, während die Nguyen sich die Kontrolle über den Sü- den gesichert hatten. 1774 begannen schließlich drei Brüder – nach ihrem Heimatdorf Tay Son genannt – mit einer Revolte. Zuerst stürzten sie die Nguyen im Süden, dann die Trinh im Nor- den. Dem letzten Überlebenden des Nguyen-Clans, Nguyen Anh, gelang es schließlich – mit Hil- fe französischer Militärberater – um das Jahr 1802, die Herrschaft der Tay Son zu beenden und selbst den Thron zu besteigen.443 Die Hilfeleistung jener französischen Militärberater bei der Machtübernahme Nguyen Anhs scheint der erste Kontakt Frankreichs mit Indochina gewesen zu sein.

Vietnam war seit Mitte des 19. Jahrhunderts Teil des französischen Kolonialreiches. Im Jahre 1887 gründeten die französischen Kolonialherren schließlich die Indochinesische Union.444 Die Gründung dieser Union schloß den von langen und harten Kämpfen begleiteten Weg der Koloni- sierung ab. Begünstigt wurde die Kolonisierung Vietnams durch die diversen Streitigkeiten und Konflikte zwischen den einzelnen Clans und Regionen. Kernland jener Union waren die drei Verwaltungseinheiten Vietnams: „Cochinchina mit der Hauptstadt Saigon, das Kaiserreich An-

440 Spector: Advice and Support I..., S. 4 441 Vgl. Spector: Advice and Support I...,, siehe auch Herring: America's Longest War..., S. 3 – 4; siehe auch Weg- gel, Oskar: Indochina. Vietnam, Kambodscha, Laos; München 1987, S. 48, im folgenden zitiert als Weggel: In- dochina..., 442 Vgl. Spector: Advice and Support I..., S. 4, siehe auch Herring: America's Longest War..., S. 4 443 Vgl. Spector: Advice and Support I..., S. 4 444 Siehe hierzu ausführlich Hopkins Miller, Robert: The United States and Vietnam 1787 -1941; Washington, D. C. 1990, S. 80 – 85, im folgenden zitiert als Hopkins Miller: The United States and Vietnam..., siehe auch Spector: Advice and Support I..., S. 7

Seite 100 “The Picture Survives” nam in der Mitte [...] Tonkin mit dem Zentrum im Norden“445. Das Königreich Kambo- dscha gehörte ebenfalls zum französischen Territorium in Südostasien. Später kam dann noch Laos zum Gebiet der Union hinzu.446

Von dem Status als Kolonie profitierte indes nur Frankreich. Die Kolonien wurden ausgebeutet und geschröpft. In Indochina waren ganze Heerscharen französischer Beamter stationiert, hier diente die Kolonie als angenehmer, leichter und prestigeträchtiger Dienstort für ca. 45.000 Büro- kraten. Unter ihnen waren, einem Untersuchungsbericht des Jahres 1910 zufolge, gerade drei Be- amte, die einigermaßen fließend vietnamesisch sprachen.447 Die Folgen, die die französische „mission civilatrice“448 – so die französische Bezeichnung für das Kolonialsystem und gleichzei- tig die euphemistische Umschreibung für alle Maßnahmen zur Kolonisierung – für das Land hatte, waren gravierend. Durch die Einführung einer zentralisierten Verwaltung nach französi- schem Vorbild und eines Systems der Zwangsarbeit wurde der traditionell starke vietnamesische Dorfverband geschwächt, wenn nicht sogar teilweise aufgelöst.449 War das vietnamesische Dorf vor Beginn der französischen Besatzung autonom, selbstverwaltet und konnte sich weitgehend selbst versorgen, so änderte sich dies mit Frankreich als neuem Herren vollkommen. Im alten Dorfsystem konnten die Bewohner als Gruppe, z.B. als Steuerzahler, agieren, während die neue Dorfstruktur westliche „Segnungen“ wie individuelle Steuerveranlagung, privates Eigentum und Wahlen brachte. Letztlich beförderte die neue französische Verwaltungsstruktur nur eines: die Desintegration der vietnamesischen Gesellschaft.450

445 Frey: Geschichte des Vietnamkriegs..., S. 12; siehe auch Spector: Advice and Support I..., S. 7 446 Vgl. Frey: Geschichte des Vietnamkriegs..., S. 12 447 Vgl. Tuchman: Torheit..., S. 295 448 Tuchman: Torheit..., S. 295, siehe hierzu auch Long, Ngo Vinh: Before the Revolution. The Vietnamese Pea- sants under the French; New York 1991, S. 4, im folgenden zitiert als Long: Before the Revolution..., 449 Vgl. Frey: Geschichte des Vietnamkriegs..., S. 12 – 13 450 Vgl. Spector: Advice and Support I..., S. 10

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Abbildung 19: Indochina und Vietnam (hell hervorgehoben) mit den Kampfzonen und dem Verlauf des Ho-Chi-Minh Pfades

Entnommen aus Faas; Page: Requiem..., S. 327 Die französischen Kolonialherren ersetzten das traditionelle System der Dorfschulen durch ein Erziehungssystem nach französischem Muster. Problematisch daran war, daß es für ein System dieser Prägung nicht genügend qualifizierte Lehrer gab. Dies hatte zur Folge, daß lediglich 1/5 der schulpflichtigen Teile der Bevölkerung in den Genuß dieser neuen Bildungseinrichtungen

Seite 102 “The Picture Survives” kam. Dies wiederum führte, wie ein französischer Schriftsteller beklagte, dazu, daß die Vietna- mesen „einen niedrigeren Bildungsstand aufweisen als ihre Väter vor der französischen Beset- zung“.451 Noch wesentlich dramatischer war die Lage auf dem Sektor der Gesundheitsversor- gung, kam doch auf 38.000 Einwohner nur ein Arzt. Auf den amerikanisch besetzten Philippinen gab es hingegen einen Arzt für 300 Einwohner.452

Hauptexportartikel Indochinas war Kautschuk. Kautschukbäume wurden auf riesigen Plantagen angepflanzt. Um diese Plantagen anlegen zu können, wurden Bauern reihenweise enteignet und zu besitzlosen Landarbeitern degradiert. Während die vietnamesische Führungsschicht, die bei- nahe ausnahmslos mit den französischen Besatzern kollaborierte, durch diese Zusammenarbeit immer reicher wurde, wuchs die Zahl der Landarbeiter bis zum Vorabend des Zweiten Weltkriegs stetig an, bis auf gut die Hälfte der vietnamesischen Bevölkerung. 1930 gehörten 45 Prozent des bebaubaren Lands im Mekong-Delta lediglich zwei Prozent der Bevölkerung.453

Aus den reichen Landbesitzern und den Vietnamesen, die in Diensten der französischen Besatzer standen bzw. als Geschäftsleute tätig waren und daran gut verdienten, bildete sich eine neue Eli- te. Diese wurde in Schulen nach westlichem Vorbild ausgebildet und schickte ihre Kinder eben- falls auf diese Schulen und im Anschluß daran – mit einem gewissen missionarischem Eifer ver- sehen – auf französische Universitäten. Für die Führungsschicht schien es selbstverständlich zu sein, das französische „Savoir-vivre“ und die französische Ausprägung des Katholizismus zu as- similieren. Für den westlichen Besucher war dies der Teil der vietnamesischen Bevölkerung, mit dem er am ehesten kommunizieren und den er am ehesten verstehen konnte.454

Das französische Kolonialregime übersah bei seiner „mission civilatrice“ allerdings, daß man es im Fall von Vietnam keineswegs mit ungebildeten Barbaren zu tun hatte, die man ganz nach Be- lieben ausbeuten konnte. Durch die Geringschätzung der indigenen Bevölkerung Vietnams über- sah man aber auf französischer – wie auch später auf amerikanischer Seite – den starken Frei- heitsdrang und das extrem ausgeprägte Geschichtsbewußtsein dieses Volkes455. Das vietnamesi- sche Volk hatte in seiner Geschichte eine jahrhundertelange Herrschaft der Chinesen (Chinesi- sche Besetzung 111 v. Chr. - 939 n. Chr.) erfolgreich abgeschüttelt und sich auch später immer wieder erfolgreich gegen chinesische Vorstöße zur Arrondierung des chinesischen Machtberei- ches durchgesetzt.456 Nach diesen negativen Erfahrungen mußten die Vietnamesen die Geschich- te Vietnams nicht als „Vergangenheit, sondern als Wiederkehr des Ewig-Gleichen erlebt“457 ha- ben. So verwundert es nicht, wenn der Historiker Ronald H. Spector zu folgendem Schluß kommt:

“[...] Yet on the eve of Vietnam's emergence on the international scene, few Americans appeared to appreciate that history. In 1945, for example, President Franklin D. Roosevelt casually remarked to Josef Stalin that „the Indochinese were people of small stature ... and 451 Zitiert nach Tuchman: Torheit..., S. 295 452 Vgl. Tuchman: Torheit..., S. 295 453 Vgl. Frey: Geschichte des Vietnamkriegs..., S. 13; Tuchman: Torheit..., S. 295 – 296, 339, siehe auch Long: Be- fore the Revolution..., S. xii – xiii, Zahlenangaben finden sich auf S. 12 – 31, siehe auch Tucker, Spencer C.: Vi- etnam; London 1999, S. 22, im folgenden zitiert als Tucker: Vietnam..., ferner Spector: Advice and Support I..., S. 11 454 Vgl. Frey: Geschichte des Vietnamkriegs..., S. 13, Spector: Advice and Support I..., S. 11 455 Siehe hierzu ausführlich Weggel, Oskar: Indochina. Vietnam, Kambodscha, Laos; München 1987, S. 48 – 49, im folgenden zitiert als Weggel: Indochina..., siehe auch Long: Before the Revolution..., S. 4 456 Vgl. Weggel: Indochina..., S. 48 – 49, 188 – 191; siehe auch Frey: Geschichte des Vietnamkriegs..., S. 13, siehe auch Spector: Advice and Support I..., S. 3 457 Weggel: Indochina..., S. 48

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were not war-like.“ Roosevelt and the handful of Americans who concerned themselves in any way with Vietnam during the 1930s and 1940s viewed it primarily through the eyes of the French. [...]”458 Nicht nur die Amerikaner sahen – wie Spector behauptet – Vietnam durch die Augen der franzö- sischen Kolonialherren, sondern vermutlich auch der größte Teil der westlichen Welt tat dies. Vielfach wurde das von den Franzosen gezeichnete Bild des durchschnittlichen Vietnamesen zur eigenen Sichtweise gemacht: “that “the natives” were too backward to be entrusted with West- ern-style political rights and civil liberties.”459 In einem Bericht über die „kommunistischen Ak- tivitäten“ in Indochina stützte sich der amerikanische Generalkonsul in Saigon, Henry Waterman, hauptsächlich auf französische Regierungsbeamte und Journalisten. Die Aufstände der 1920er Jahre seien hauptsächlich von kommunistischen Agitatoren und nur in einer Provinz angezettelt worden. So kommt er zu folgendem – durch seine französischen Quellen sicherlich beeinflußten – Schluß: Der Großteil der Vietnamesen sei “happy to let other people run the affairs of govern- ment since they have better living conditions than they ever had before the coming of the French.”460

Mit dem Zweiten Weltkrieg rückte Indochina zumindest bei manchen Amerikanern in das Be- wußtsein. Indochina war vorher so etwas wie eine Terra incognita für sie gewesen: Im Jahre 1920 lebten weniger als 100 Amerikaner in Indochina, die meisten davon waren Missionare von protestantischer Kirchen. 1924 gab ein amerikanischer Diplomat eine – etwas überspitzte und sehr farbenfrohe – Beschreibung seines Arbeitsplatzes Laos', die gleichzeitig auch auf Indochina gepaßt hätte: “Laos ... is still in a state of savagery with most of the inhabitants roaming the jungles without clothing and still killing their meat with poisoned arrows.”461 Diese und andere Stereotype faßte die Journalistin und Schriftstellerin Virgina Thompson 1937 zu einem Bericht zusammen, der vor rassistischen und arroganten Vorurteilen nur so strotzte. Dennoch muß dieses Machwerk von einer enormen Überzeugungskraft gewesen sein. So überzeugend, daß das briti- sche Außenministerium während des Zweiten Weltkrieges Argumente aus diesem Bericht ver- wandte, um seine Argumentation, warum es besser sei, daß Indochina unter französischer Kon- trolle bliebe, zu untermauern. Wie lange sich Stereotype dieser Art halten können, läßt sich daran ersehen, daß der amerikanischen Botschafter in Saigon, Henry Cabot Logde, Vietnam noch 1963 als “medieval country”462 bezeichnen konnte.463

4.2.2 Der Kampf um die Unabhängigkeit Vietnams

Auch gegen die französischen Besatzer gab es von Beginn der Besatzung an immer wieder Auf- stände und Versuche, sich aufzulehnen, mußte doch deren Präsenz in der Tat wie eine Wieder- kehr des Ewig-Gleichen, nämlich der Eroberung und Kontrolle durch eine fremde Macht, wir- ken. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts nahm der Widerstand gegen die französischen Besatzer zu. Während die mit Frankreich kollaborierende Führungsschicht von dieser Zusammenarbeit profi- tierte, wuchs unter den landlosen Bauern das Bewußtsein um die eigene historische Vergangen- heit und die Parallelen zwischen der eigenen Situation und den historischen Ereignissen. Seinen Ausgang nahm dieses neue Geschichtsbewußtsein indes nicht – wie Oskar Weggel in einem An- 458 Spector: Advice and Support I..., S. 4 – 5 459 Spector: Advice and Support I..., S. 11 460 Zitiert nach Spector: Advice and Support I..., S. 14 461 Zitiert nach Spector: Advice and Support I..., S. 9 462 Zitiert nach Spector: Advice and Support I..., S. 10 463 Vgl. Spector: Advice and Support I..., S. 7, 10; Herring: America's Longest War..., S. 12

Seite 104 “The Picture Survives” flug von Sozialromantik behauptet – in den Kreisen der landlosen Bauern. Diese Veränderung des Bewußtseins ging vielmehr von der städtischen Bevölkerung aus. Die wenigen Vietnamesen, die man zur Bildungselite zählen konnte, wurden zu immer größeren Gegnern des französischen Regimes. Prägend für diese Gruppe waren die Lehren, die man aus den Aufständen des Jahres 1911 in China und den Ereignissen der Russischen Oktoberrevolution ziehen konnte. Die Ereig- nisse nach dem „Black-Friday“ und dem Beginn der Weltwirtschaftskrise erfaßten neben dem französischen Mutterland auch die Kolonie in Indochina. Diese Intellektuellen, die bisher ihre Erkenntnisse eher in verschwiegenen Zirkeln diskutiert hatten, begannen nun jene Lehren offen zu diskutieren. Es entstanden verschiedene Gruppierungen, die sich alle zum Ziel gesetzt hatten, die vietnamesische Unabhängigkeit herbeizuführen.464 Die einflußreichste dieser Gruppierungen war die um 1919 gegründete Kommunistische Partei Indochinas (KPI). Schließlich erzielte die Sowjetunion unter Stalin erhebliche wirtschaftliche Erfolgte durch das Programm des „Aufbau des Sozialismus im eigenen Land“.465 Treibende Kraft innerhalb der KPI wurde bald Ho Chi Minh466. Die Ziele der Kommunistischen Partei Indochinas faßt Bernhard B. Fall – einer der bes- ten Kenner der Frühgeschichte des Indochinakrieges – wie folgt zusammen:

“[...] 1) To overthrow French imperialism, feudalism, and the reactionary Vietnamese capitalist class. 2) To make Indochina completely independent. 3) To establish a worker-peasant and soldier government. 4) To confiscate the banks and other enterprises belonging to the imperialists and put them under the control of the worker-peasant and soldier government. 5) To confiscate the whole of the plantations and property belonging to the imperialists and the Vietnamese reactionary capitalist class and distribute them to the poor peasants. 6) To implement the eight-hour working day. 7) To abolish public loans and poll tax. To waive unjust taxes hitting the poor people. 8) To bring back all freedom for the masses. 9) To carry out individual education. 10) To implement equality between man and woman. [...]”467 Insgesamt klingen diese Ziele weniger nach der Übertragung der kommunistischen Weltrevoluti- on auf Südostasien, sondern scheinen vielmehr darauf gerichtet, solche Standards, wie sie in den westlichen Ländern galten, auch in Indochina umzusetzen. Die Punkte 3 – 5 sind in dieser Defi- nition der Ziele die Anteile aus dem Marxismus-Leninismus, alle anderen Punkte jedoch schei- nen konkret auf die aktuelle Situation in Indochina bezogen – mit dem Ziel, die Lebensumstände der breiten Masse dramatisch zu verbessern. Hier zeigt sich, daß der Verfasser dieses Zieles, Ho Chi Minh, weniger Kommunist als Nationalist war, der in erster Linie die Lebensumstände sei- nes Volkes verbessern und erst in zweiter Linie die Errichtung eines kommunistisch orientierten Staates wollte.468 464 Vgl. Frey: Geschichte des Vietnamkriegs..., S. 13; siehe auch Ruane: War and Revolution..., S. 1 – 5; Spector: Advice and Support I..., S. 13; Tuchman: Torheit..., S. 296; Long: Before the Revolution..., S. xiii 465 Ein genaues Datum der Gründung ist nicht festzustellen. Barbara Tuchman spricht allgemein von den „zwanzi- ger Jahren“ (Tuchman: Torheit..., S. 296), während Oskar Weggel von einem Gründungsdatum im Oktober 1930 ausgeht (Weggel: Indochina..., S. 58), das Internationale Biographische Archiv 45/1969 vom 27. Oktober 1969 nennt als Gründungsdatum den 3. Februar 1930. Als terminus ante quem kann daher das Jahr 1931 gelten. 466 Zur Biographie Ho Chi Minhs siehe Frey: Geschichte des Vietnamkriegs..., S. 11 – 12, siehe auch Spector: Ad- vice and Support I..., S. 13 467 Zitiert nach Ruane: War and Revolution..., S. 4 - 5 468 Vgl. Ruane: War and Revolution..., S. 5

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1930 brach im Norden Vietnams die sogenannte Yen Bay Revolte aus, die von nationalistisch eingestellten Intellektuellen angezettelt wurde, gleichzeitig gingen in ganz Vietnam Arbeiter und Bauern, angestachelt durch die Kommunisten, auf die Straße. Den französischen Kolonialherren gelang es nur durch außerordentliche Brutalität für Ordnung zu sorgen. Sie verhafteten ca. 10.000 Dissidenten, deportierten ca. 50.000 und schreckten auch nicht vor dem Einsatz von Kampfflugzeugen gegen Demonstranten zurück. Dabei kamen noch einmal 10.000 Menschen ums Leben. Selbst die renommierte „New York Times“ zog es vor, die offizielle französische Er- klärung für die Ursachen und Hintergründe der Aufstände zu übernehmen, anstatt selber vor Ort zu recherchieren. So war der Fernost-Korrespondent des „Christian Science Monitor“ fast der einzige amerikanische Journalist, der über die Revolten berichtete.469

Verstärkt wurde der Kampf um eine vietnamesische Unabhängigkeit von Frankreich durch die Ereignisse in Europa.470 Frankreich war nach Beginn des deutschen Westfeldzuges (Fall Gelb) binnen kürzester Zeit zusammengebrochen und als Staat nicht mehr handlungsfähig.471 Der Zer- fall staatlicher Strukturen im französischen Kernland war für den vietnamesischen Widerstand willkommener Anlaß, um gegen die im Lande verbliebenen Kolonialtruppen vorzugehen.

Der japanische Vorstoß nach China und später auch nach Indochina verlagerte aber den Schwer- punkt der Auseinandersetzung:472 Nun galt es, zuerst der japanischen Besatzungsmacht das Le- ben so unangenehm wie möglich zu machen. Japan war in Indochina vor allem deshalb einmar- schiert, um die Bahnlinie Haiphong – Kunming, über die Chiang Kai-shek in China einen Groß- teil seines Nachschubs bekam, unter seine Kontrolle zu bringen.473 Nach der schnellen Niederla- ge Frankreichs – von der wohl auch die japanische Regierung und die militärische Führung über- rascht worden waren – bot Frankreich an, alle für China bestimmten Hilfslieferungen sofort zu stoppen. Dies sollte durch eine japanische Militärmission überwacht werden. Der japanische Ein- marsch in Nordindochina am 24. September 1941 scheint übrigens ein Stück weit zur Eskalation der Lage zwischen Japan und den USA beigetragen zu haben.474 Die Geschehnisse nach dem ja- panischen Angriff auf die amerikanische Marinebasis Pearl Harbor – Japan hatte binnen weniger Monate nach diesem Ereignis weite Teile Südostasiens besetzt – läuteten den Anfang vom Ende der europäischen Kolonien in Südostasien ein. Die japanische „Asien den Asiaten“-Rhetorik stand zwar in krassem Gegensatz zur Wirklichkeit, die japanische Besatzungsherrschaft war um 469 Vgl. Herring: America's Longest War..., S. 4 – 5; Spector: Advice and Support I..., S. 12 – 15 470 Vgl. Frey: Geschichte des Vietnamkriegs..., S. 14 471 Hierzu ausführlich Umbreit, Hans: Der Kampf um die Vormachtstellung in Westeuropa; in: Maier, Klaus A.; Rohde, Horst; Stegemann, Bernd; Umbreit, Hans [Hrsg.]: Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg Bd.2. Die Errichtung der Hegemonie auf dem europäischen Kontinent; Stuttgart 1979, S. 238 - 327, im folgenden zi- tiert als Umbreit: Vormachtstellung in Westeuropa..., zum Ablauf der deutschen Invasion in Frankreich siehe auch Frieser: Blitzkrieg-Legende..., siehe hierzu auch Bond, Brian: The Fatal Predominance of National In- terests in the Defeat of the Western Allies in 1940; in: Ehlert, Hans; Heinemann, Winfried [Hrsg.]: National- staat; Nationalismus und Militär (= Tagungsband XXXII. Internationaler Kongress für Militärgeschichte); Pots- dam 2007, S. 373 – 378, im folgenden zitiert als Bond: Predominance of National Interests..., 472 Zum japanischen Vorstoß im Pazifik siehe ausführlich Rahn: Krieg im Pazifik..., S. 173 – 271 zum weiteren Verlauf des Krieges siehe ausführlich Krebs, Gerhard: Der Krieg im Pazifik 1943 - 1945; in: Boog, Horst; Krebs, Gerhard; Vogel, Detlef [Hrsg.]: Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg Bd. 7. Das Deutsche Reich in der Defensive. Strategischer Luftkrieg in Europa, Krieg im Osten und in Ostasien 1943 - 1944/45; Stuttgart 2001, S. 643 – 771, im folgenden zitiert als Krebs: Krieg im Pazifik..., 473 Vgl. Rahn: Krieg im Pazifik..., S. 196 – 197, zum Umfang der Hilfslieferungen an die Nationalchinesische Re- gierung siehe S. 201, siehe auch Spector: Advice and Support I..., S. 17 – 19, siehe auch Hopkins Miller: The United States and Vietnam..., S. 192 – 216 474 Vgl. Rahn: Krieg im Pazifik..., S. 201 – 205, nach Smith, Richard H.: OSS: The Secret History of America's first Central Intelligence Agency; Berkeley 1972, S. 320, im folgenden zitiert als Smith: OSS..., soll sich dieser Vorstoß schon im Jahr 1940 ereignet haben.

Seite 106 “The Picture Survives” ein vielfaches brutaler und grausamer als die Herrschaft der europäischen Kolonialherren, zeigte den japanisch besetzten Ländern aber eines: „die vermeintlich westliche Überlegenheit über asiatische Kultur, über asiatische Strategie, Politik und Organisation hatte sich als Trugbild, als Mythos erwiesen“.475

Der vietnamesische Versuch, sich der französischen Kolonialmacht zu entledigen, mußte mit der japanischen Invasion verschoben werden. Die Hauptlast der Kämpfe gegen die japanischen Be- satzer trugen die 1941 von Ho Chi Minh gegründeten „Viet Minh“476. Der Viet Minh führte in je- nen Jahren einen doppelten Kampf: zum einen, wenn auch mit geringerer Intensität, gegen die Franzosen, zum anderen gegen die japanischen Besatzer. Ab 1943 wurde der Viet Minh auch von Kräften des amerikanischen Geheimdiensts OSS (OFFICE OF STRATEGIC SERVICES), der Vorläuferor- 477 ganisation der CIA (CENTRAL INTELLIGENCE AGENCY), von China aus mit Waffen unterstützt.

Wirtschaftlich wurde Indochina auch unter japanischer Herrschaft ausgebeutet. Die Produktion hatte sich sklavisch an den Bedürfnissen Tokios zu orientieren. So wurden kriegsnotwendige Rohstoffe wie Kautschuk und Kohle nach Japan verschifft und / oder den Besatzungstruppen zur Verfügung gestellt. Diese Politik konnte nicht ohne Auswirkung auf die Versorgungslage bleiben. Es kam zu Engpässen in der Versorgung der Zivilbevölkerung und zu einem Ansteigen der Infla- tionsrate. Als dann noch Reis zur Gewinnung von Treibstoffen verwandt wurde und zugleich die- se Anbauflächen zugunsten des Anbaus von Jute verringert wurden, kam es zu Hungersnöten, de- nen allein 1945 im nördlichen Vietnam 1,5 bis 2 Millionen Menschen zum Opfer fielen.478

Aus globaler Perspektive war Indochina relativ uninteressant für die alliierten Planungsoffiziere in den dafür verantwortlichen Stäben. Wenn überhaupt, wurde Indochina als kleines Anhängsel des Kriegsschauplatzes China – Burma – Indien gesehen, der wiederum im Krieg gegen die Ach- senmächte nicht die allerhöchste Priorität genoß. Lediglich 1943 spielte Indochina vorüberge- hend eine größere Rolle: Die Planer überlegten, den Tiefwasserhafen Cam-Ranh-Bay in einem Kommandounternehmen zu erobern, um ihn als alternative Route nach China zu nutzen. Als je- doch der weitere Kriegsverlauf zunehmend für die Alliierten immer günstiger wurde, ließ man diesen Plan wieder fallen.479

Japan übernahm im März 1945 selbst die Verwaltung Indochinas. Als neuer Chef der Verwaltung wurde der ehemalige letzte vietnamesische Kaiser, Bao Dai, eingesetzt. Bis dahin war Indochina zwar japanisch besetzt, jedoch war das französische Verwaltungssystem weitgehend intakt ge- blieben. So konnte Japan sicherstellen, daß es in Indochina weitgehend ruhig blieb. Ursache für die japanische Machtübernahme waren Pläne, die von der französischen Verwaltung Indochinas ausgeheckt worden waren. Diese Pläne sahen vor, einen Aufstand gegen die japanischen Besat- zer anzuzetteln. Mit der japanischen Machtübernahme ging auch das sorgfältig eingerichtete und weitverzweigte nachrichtendienstliche Netzwerk der Alliierten in Indochina verloren. Die einzi- ge Organisation, die noch halbwegs in der Lage schien, Informationen zu liefern, waren die Viet Minh. Amerikanische Geheimdienstoffiziere von der Vorgängerorganisation der CIA, dem OSS, 475 Frey: Geschichte des Vietnamkriegs..., S. 14 476 Viet Minh = Doc-Lap Dong Minh Hoi = Liga für die Unabhängigkeit Vietnams, vgl. Weggel: Indochina..., S. 58, siehe auch Krebs: Krieg im Pazifik..., S. 730, siehe auch Spector: Advice and Support I..., S. 37 477 Vgl. Krebs: Krieg im Pazifik..., S. 730 – 731, siehe auch Smith: OSS..., 478 Vgl. Krebs: Krieg im Pazifik..., S. 730, siehe auch Frey, Marc: Das Ende eines Kolonialreiches. Dien Bien Phu, 13. März bis 7. Mai 1954; in: Förster, Stig; Pöhlmann, Markus; Walter, Dierk [Hrsg.]: Schlachten der Weltge- schichte. Von Salamis bis Sinai; München 2003, S. 358 – 373, hier S. 359 – 360, im folgenden zitiert als Frey: Dien Bien Phu..., 479 Vgl. Spector: Advice and Support I..., S. 21

Seite 107 “The Picture Survives” nahmen nun Kontakt zu den Viet Minh auf. Dieser Kontakt resultierte in der Unterstützung der Viet Minh durch den OSS: Als Gegenleistung für die Beschaffung von Informationen und der Rettung von abgeschossenen alliierten Piloten lieferte der OSS Kommunikationssysteme, Medi- kamente und Waffen. Die Lieferung der Waren erfolgte aus der Luft, durch den Abwurf der Gü- ter.480

Der Kampf gegen die japanische Besatzungsmacht endete mit der japanischen Kapitulation nach dem Abwurf der beiden Atombomben auf Hiroshima (6. August 1945) und Nagasaki (9. August 1945) am 15. August 1945.481 Der von den Japanern eingesetzte Kaiser Bao Dai dankte am 30. August 1945 ab – vorher hatte er auf Tokios Geheiß noch die vietnamesische Unabhängigkeit verkündet. Zuvor, im März 1945, hatte man noch – als von Vichy-Frankreich und Kräften, die treu zu Charles de Gaulle standen, kaum Widerstand zu erwarten war – die französischen Trup- pen entwaffnet und interniert.482 Wenn man schon den Krieg verloren hatte, so die Logik des Plans, der vermutlich hinter diesen Aktionen stand, konnte man wenigstens noch versuchen, die Region zu destabilisieren, indem man den Prozeß der Dekolonisation gewissermaßen oktroyier- te.483

Am 2. September 1945 rief Ho Chi Minh auf dem Platz vor dem Theater von Hanoi die „Demo- kratische Republik Vietnam“ (DRV) unter dem Jubel der Bevölkerung aus. Neben Ho Chi Minh standen auch Agenten des amerikanischen OSS auf der Bühne, die eigens für diesen Anlaß er- richtet worden war. Der Mittelpunkt dieser Veranstaltung bildete die Verkündung der vietnamesi- schen Unabhängigkeit.484 Marc Frey beschreibt die Szenerie wie folgt:

„[...] Amerikanische Flugzeuge drehten eine Ehrenrunde über Hanoi, eine Kapelle schmetterte den „Star-Spangeld-Banner“. Mitarbeiter des amerikanischen Geheimdienstes ‚Office of Strategic Services‘ (OSS) blickten von einer Tribüne über einen Platz, auf dem sich Hundertausende versammelt hatten. Im Mittelpunkt des Geschehens stand der vietnamesische Nationalist und Kommunist Ho Chi Minh. An diesem 2. September 1945 proklamierte er in Anlehnung an Thomas Jefferson die Unabhängigkeit seines Landes von französischer Kolonialherrschaft und japanischer Besatzung [...]“485 Die Unabhängigkeitserklärung, die Ho Chi Minh an jenem Tag im September verlas, beginnt – ohne jede direkte Ansprache der Zuschauer – mit Zitaten aus der amerikanischen Unabhängig- keitserklärung von 1776 und der französischen Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte vom 26. August 1789486. Die Erwähnung dieser beiden Erklärungen – für das westliche Verständnis von Demokratie sind sie Schlüsseldokumente – war ein geschickter Eröffnungszug gewesen. Ausgehend von diesen beiden Dokumenten – auf deren Grundsätze sich das Selbstverständnis Frankreichs gründet – fährt Ho fort, daß die französischen Kolonialherren diese „nicht zu leug- nenden Wahrheiten“487 seit über achtzig Jahren nach Kräften mißachtet und die Standards von

480 Vgl. Spector: Advice and Support I..., S. 29, 38 – 39, 42; Tuchman: Torheit..., S. 297 481 Auf die kurze, von August bis Oktober 1945, dauernde Phase der chinesischen Besatzung Nordvietnams soll an dieser Stelle nicht eingegangen werden, siehe hierzu ausführlich Spector: Advice and Support I..., S. 51 – 73 482 Smith: OSS..., S. 320 gibt die Zahl der französischen Kolonialtruppen mit 40.000 bei einer Zivilbevölkerung von 23 Millionen an 483 Vgl. Weggel: Indochina..., S. 60, siehe auch Krebs: Krieg im Pazifik..., S. 730 - 731 484 Vgl. Smith: OSS..., S. 330 485 Frey: Geschichte des Vietnamkriegs..., S. 11, ähnlich Herring: America's Longest War..., S. 3 486 Ho Chi Minh datiert diese Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte auf das Jahr 1791, vgl. Ho Chi Minh: De- claration of Independence of the Democratic Republic of Viet-Nam. September 2, 1945; in Fall, Bernhard B. [Hrsg.]: Ho Chi Minh. On Revolution – Selected Writings, 1920 – 1966; New York 1967, S. 143 – 145, hier S. 143; im folgenden zitiert als Ho Chi Minh: Declaration of Independence..., 487 Im Original „undeniable truths“, vgl. Ho Chi Minh: Declaration of Independence..., S. 143

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Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit verletzt hätten.488 Marc Frey stellt zurecht fest, daß Ho Chi Minh „die Proklamation der Unabhängigkeit mit der Willkür der französischen Kolonial- herrschaft“489 begründet. Die Erklärung der Unabhängigkeit Vietnams ist somit zugleich eine Anklageschrift gegen die französischen Kolonialherren und ihre Herrschaftsmethoden. Indem er nun den Kolonialherren die Grundlage ihrer eigenen Werte vor Augen hält, um sie dann einen Augenblick später des Verstoßes gegen diese Grundwerte anzuklagen, stellt Ho Chi Minh sich in eine bessere moralische Position. Der sicherlich von französischer Seite erhobene Vorwurf, Ho wolle Vietnam lediglich abspalten, konnte so weniger Anhänger finden. Das freundschaftliche Verhältnis, das hier so beschworen wird, man denke nur an die amerikanischen Offiziere, die der Proklamation beiwohnten, sollte nicht lange Bestand haben. Es ist George C. Herring daher zu- zustimmen, wenn er anmerkt, daß: “The prominent role played by Americans at the birth of modern Vietnam appears in retrospect to be one of history's most bitter ironies.”490

Ebenfalls an jenem Septembertag nahm der amerikanische General Douglas McArthur auf dem amerikanischen Schlachtschiff „USS Missouri“, das in der Bucht von Tokio ankerte, die japani- sche Kapitulation entgegen. Damit waren auf dem pazifischen Kriegsschauplatz alle Kampf- handlungen und gleichzeitig auch der Zweite Weltkrieg beendet. Zeitgleich zu den Ereignissen in der Bucht von Tokio kapitulierten die Japaner auch in Hanoi.491 Ob Ho diesen 2. September we- gen jenen parallel stattfindenden Veranstaltungen zur Verkündigung der vietnamesischen Unab- hängigkeit gewählt hat, kann heute nicht mehr rekonstruiert werden. Legt man aber die Symbol- trächtigkeit der Verkündung der Unabhängigkeit zugrunde, so scheint dieser Termin aber durch- aus mit Bedacht gewählt worden zu sein. Wenn in Tokio das Ende des japanischen Expansionis- mus und das Ende des Zweiten Weltkrieges verkündet wurde, was lag da näher, als diese beiden Ereignisse – die Erklärung der Unabhängigkeit Vietnams und die japanische Kapitulation – sym- bolisch miteinander zu verbinden.

Angesichts der Feindschaft, die die USA später mit dem nordvietnamesischen Regime unter Ho Chi Minh verbanden, scheint es verwunderlich, warum 2. September 1945 Agenten des amerika- nischen Geheimdienstes neben Ho auf der Bühne standen. Es scheint sich hier – ähnlich der Anti-Hitler-Koalition – um eine Kriegskoalition zu handeln, die mit dem Ende des Krieges auch ihre raison d´être verloren hatte und daraufhin zerfiel. Zumindest in den letzen Monaten des Zweiten Weltkrieges wurden die Viet Minh zu Verbündeten im Kampf gegen Japan. Agenten des OSS scheinen Vietnam sowohl als Basis für Operationen gegen Japan als auch als Operationsziel gegen die französischen Verbündeten genutzt haben.492

Ausgangspunkt für die Planung der Zukunft Indochinas nach dem Krieg waren die Beschlüsse der Konferenz von Potsdam. Dort war man übereingekommen, die französischen Besitzungen südlich des 16. Breitengrades durch britische, die Besitzungen nördlich dieses Breitengrades durch Truppen Chiang Kai-sheks besetzen zu lassen.493

488 “Nevertheless, for more than eighty years, the French imperialists, abusing the standard of Liberty, Equality, and Fraternity, have violated our Fatherland and oppressed our fellow citizens. The have acted contrary to the ideals of humanity and justice.” zitiert nach Ho Chi Minh: Declaration of Independence..., S. 143 489 Frey: Geschichte des Vietnamkriegs..., S. 11 490 Herring: America's Longest War..., S. 3 491 Vgl. Spector: Advice and Support I..., S. 62 (Bild) 492 Vgl. Spector: Advice and Support I..., S. 29 493 Vgl. Protokoll der Konferenz von Potsdam; entnommen aus Department of State [Hrsg.]: Germany 1947 – 1949. The Story in Documents; Washington 1950, S. 21 – 33; siehe auch Michels, Eckard: Deutsche in der Fremdenlegion 1870 - 1965. Mythen und Realitäten; Paderborn 20065, S. 170, im folgenden zitiert als Michels: Deutsche in der Fremdenlegion...,

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4.2.3 Der französische Krieg in Indochina 1946 – 1954

Als im Dezember 1945 die letzten amerikanischen Offiziere den Nordteil Vietnams verließen, konnten sie nicht ahnen, daß die amerikanische Armee nach fünf Jahren wieder in Vietnam im Einsatz sein würde, um den bedrängten französischen Truppen beizustehen. “In those five years the United States, impelled by the pressures and anxieties of the cold war, would move from con- cerned neutraltiy to active participation in the struggle for Vietnam.”494

Die Unabhängigkeit Vietnams existierte indes nur noch auf dem Papier. Frankreich strebte die Rückeroberung des Landes an und erhöhte schrittweise den diplomatischen Druck auf Washing- ton. Nach dem Tode Roosevelts im April 1945 hatte sich der offizielle amerikanische Standpunkt zu Indochina langsam, aber stetig geändert. Stand Roosevelt dem Kolonialismus grundsätzlich skeptisch gegenüber, so war er davon überzeugt, daß es Frankreich, nach der beschämenden Nie- derlage von 1940, nicht mehr wert war, als Großmacht angesehen zu werden. Roosevelt schweb- te eine Art Treuhandlösung für Indochina vor: Entweder die Briten oder die Chinesen sollten In- dochina treuhänderisch verwalten. Von diesem Plan blieb aber noch zu Roosevelts Lebzeiten im- mer weniger übrig. So konnte sein Nachfolger im Amt des Präsidenten, Harry S. Truman, schließlich diesen gesamten Plan oder das, was vom ursprünglichen Plan noch übrig war, ad acta legen und dem französischen General de Gaulle versichern, daß die USA dem französischen Ver- such, die Machtverhältnisse in Indochina zu restaurieren, nicht im Wege stehen würden.495

Die Gründe für das erneute französische Engagement in Vietnam waren hauptsächlich geopoliti- scher Natur. Wenn man schon durch die Ereignisse des Zweiten Weltkrieges de facto keine Groß- macht mehr war, wollte man wenigstens so tun, als hielte man den Status de jure aufrecht. Viele Politiker waren der Auffassung, Frankreich könne “only be a great power so long as our flag continues to fly in all the overseas territory”.496 Warum man mit der Restauration der Groß- machtstellung in Indochina anfangen wollte, erklärt sich aus der Tatsache, daß Vietnam die wirt- schaftlich ertragreichste der ehemals französischen Kolonien war und mit seinem Hauptexportar- tikel Kautschuk sehr gut zum Aufbau des französischen Mutterlandes beitragen konnte. Die Re- stauration des französischen Kolonialreiches sollte also – im Bezug auf Indochina – dazu dienen, die Erinnerung an die demütigende Niederlage von 1940 durch enge Einbindung Vietnams in die Französische Union zu tilgen – und sich selbst und der Welt zu demonstrieren, daß Frankreich nach alledem noch immer eine Großmacht war.497

Diese Versuche, die französische Herrschaft über Vietnam wiederzuerlangen, waren bis zum Ja- nuar 1946 auch von einigem Erfolg gekrönt. Es gelang, die Herrschaft über Indochina bis zum 16. Breitengrad wiederherzustellen.498

Nach dem Abzug der amerikanischen Offiziere begannen französische Stellen mit Ho Chi Minh zu verhandeln. Am 6. März 1946 erreichten sie eine Übereinkunft, nach der die von den Viet Minh kontrollierte Demokratische Republik Vietnam ein eigenständiger Staat mit eigener Regie- rung, eigenem Parlament, eigener Armee, eigenem Finanzwesen war. Dieser neue Staat sei wei-

494 Spector: Advice and Support I..., S. 77 495 Vgl. Spector: Advice and Support I..., S. 22; Herring: America's Longest War..., S. 8 – 10 496 Zitiert nach Herring: America's Longest War..., S. 6 497 Dieses Moment findet sich in unterschiedlicher Wertung dieses Faktors bei Herring: America's Longest War..., S. 6; Spector: Advice and Support I..., S. 79; Tuchman: Torheit..., S. 303; Frey: Dien Bien Phu..., S. 360 498 Vgl. Michels: Deutsche in der Fremdenlegion..., S. 170

Seite 110 “The Picture Survives” ter ein Teil der Indo-Chinesischen Föderation und der Französischen Union.499 Diese Überein- kunft bezog sich aber nur auf Tonking, für die beiden anderen Landesteile – Annam und Cochin- china – galt sie indes nicht. Über die Zugehörigkeit dieser beiden Landesteile zur Demokrati- schen Republik Vietnam sollte eine Volksabstimmung entscheiden. Ferner wurde vereinbart, daß die französische Armee in Tonking einrücken sollte, um die abziehenden chinesischen Truppen zu ersetzten. Die Anzahl der Truppen sollte auf eine Gesamtstärke von 15.000 Mann limitiert werden, binnen fünf Jahren sollten diese Truppen auch schrittweise wieder abgezogen werden.500 Die Formulierung dieses Abkommens war aber so gewählt, daß der französische Anspruch auf Souveränität über ganz Indochina niemals gefährdet war.501

Dieses Abkommen, so vage es auch gehalten war, wurde von Anfang an von französischen Stel- len vor Ort nach Kräften sabotiert. Der gerade frisch ins Amt eingeführte französische Hochkom- missar für Indochina, Admiral Thierry d‘Argenlieu, etwa bestand darauf, daß jenes Abkommen keine Gültigkeit für Cochinchina habe, da Cochinchina ein eigener Staat innerhalb der Indo-Chi- nesischen Föderation sei.502 Am 1. Juni 1946 gab er die Bildung einer provisorischen Regierung für die Republik von Cochinchina bekannt – ohne in dieser Sache Paris konsultiert zu haben. Diese Politik der gezielten Eskalation führte d‘Argenlieu weiter: Im August reiste eine Delegati- on des Viet Minh unter Ho's Leitung nach Paris, um über die definitive Regelung der zukünfti- gen Beziehungen zwischen Frankreich und Vietnam zu sprechen.503 Just zu dieser Zeit beraumte der französische Hochkommissar – wiederum ohne vorherige Absprache mit der französischen Regierung – eine Konferenz in Dalat an, zu der er alle politischen Gruppierungen und auch alle Volksgruppen Indochinas, selbst die ethnischen Minderheiten des Zentralen Hochlandes, einlud. Die einzigen, die er „vergessen“ hatte, waren die Viet Minh. Dieses Vorgehen – zeitgleich zu den Verhandlungen in Paris – führte beinahe zum Scheitern der Pariser Konferenz, da die Delegation des Viet Minh verständlicherweise verärgert über dieses eigenmächtige und offenbar nur einem Zweck dienende Verhalten d‘Argenlieus war.504 Dessen – eigentlich untragbares – Verhalten gab Anlaß zu amerikanischer Sorge. So berichtete der amerikanische Vize-Konsul in Hanoi, James L. Sullivan, in einem Schreiben an seinen Vorgesetzen, Abbot Low Moffat, von “an imminent danger of an open break between the French and Viet Nam“, and predicted „that although the French could quickly overrun the country, they could not – as they themselves admit – pacify it except through a long and bitter military operation. [...]”505

Nicht nur Admiral d‘Argenlieu nutzte die Abwesenheit der Viet Minh Delegation, um seine ei- genmächtige Politik zu verfolgen. Ho fand bei seiner Rückkehr im Oktober 1946 folgende Situa- tion vor: Der Innenminister, Vo Nguyen Giap, gleichzeitig Vorsitzender des Nationalen Verteidi- gungsrates506, hatte Ho's Abwesenheit genutzt, um die pro-chinesischen Parteien zu neutralisie- ren, indem er ihre Anführer inhaftieren ließ. Gleichzeitig nutzte er die Gunst der Stunde, um alle Personen, die den Viet Minh oppositionell gegenüberstanden, ebenfalls festzunehmen. Parallel zu diesen Aktivitäten baute er die eigenen Truppen gezielt auf. So hatte er im Juli des gleichen

499 Vgl. Spector: Advice and Support I..., S. 78; Herring: America's Longest War..., S. 6 – 8 500 Vgl. Spector: Advice and Support I..., S. 78 – 79 501 Vgl. Tuchman: Torheit..., S. 303; Frey: Geschichte des Vietnamkriegs..., S. 20 502 Vgl. Memorandum by the Chief of the Division of Southeast Asian Affairs (Moffat) to the Director of the Office of Far Eastern Affairs (Vincent), 9 August 1946; in FRUS 1946 / Vol. VIII, S. 52 – 54 503 Während Ho's Abwesenheit war Huyn Thuc Khang der offizielle Ansprechpartner für die Franzosen, vgl. Spec- tor: Advice and Support I..., 80, Fußnote 9 504 Vgl. Spector: Advice and Support I..., S. 79 505 Memorandum by the Chief of the Division of Southeast Asian Affairs (Moffat) to the Director of the Office of Far Eastern Affairs (Vincent), 9 August 1946; in FRUS 1946 / Vol. VIII, S. 52 – 54, hier S. 54 506 Chairman of the Council of National Defense, so Giap's Titel im Englischen

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Jahres bereits 38.000 Mann unter Waffen. Im Gegensatz zu Ho war Giap's Vertrauen in eine friedliche Einigung nicht sonderlich ausgeprägt. Giap intensivierte daher das Training seiner Truppen und holte Militärberater aus dem kommunistischen Teil Chinas, um seine Soldaten zu trainieren. Die Ausrüstung für die immer weiter steigende Zahl an Kämpfern, im November ging man von 68.000 aus, kam per Schiff via Shanghai und Hongkong über den Hafen von Haiphong ins Land.507

Die von den Viet Minh kontrollierte Nationalversammlung Vietnams erklärte am 8. November 1946, daß Nord-, Süd- und Zentralvietnam eins und unteilbar seien. Am 20. November kam es dann zu einem folgenschweren Zwischenfall: Ein französisches Hafenpatrouillenboot brachte im Hafen von Haiphong eine der chinesischen Dschunken auf, die Waffen für die Viet Minh trans- portierte. Daraufhin brachen in Haiphong heftige Kämpfe zwischen Kräften der Viet Minh und französischen Truppen aus. Es wurde zwar am nächsten Tag ein Waffenstillstand beschlossen, doch Hochkommissar Admiral Thierry d‘Argenlieu wollte diesen Zwischenfall – diesmal mit Zustimmung aus Paris – nutzen, um die Kontrolle über die Stadt zu gewinnen. So stellte der französische Kommandeur in Haiphong den Repräsentanten der Viet Minh ein Ultimatum, in dem er verlangte, daß alle Kämpfer des Viet Minh die Stadt zu verlassen hätten und alle umlie- genden Dörfer entwaffnet werden sollten. Noch vor Ablauf des Ultimatums begannen französi- sche Kriegsschiffe mit dem Beschuß von Haiphong. Gleichzeitig griffen französische Kampf- flugzeuge auch aus der Luft an. Bei dieser Demonstration der französischen Stärke soll es 6.000 Tote in der Zivilbevölkerung gegeben haben.508

Knapp einen Monat später, am 19. Dezember, griffen Einheiten der Viet Minh die Franzosen di- rekt in Hanoi an. Ziel des Angriffs, der gegen 20 Uhr begann, war es, die französischen Verteidi- ger in der Zitadelle von Hanoi zu isolieren. Die Angriffe konnten von den französischen Truppen vereitelt werden. Aus dem vietnamesischen Angriff wurde schließlich ein Kampf Haus um Haus und Straßenzug um Straßenzug. Die französischen Kräfte wurden von Artillerie und Kampfflug- zeugen unterstützt. Dennoch dauerten die Kämpfe 60 Tage an. Am Ende der Kampfhandlungen konnten 2000 vietnamesische Soldaten durch Tunnelsysteme entkommen. Dieser Angriff – auch wenn die Offensive bereits zu Anfang stecken blieb und alles andere als erfolgreich verlief – war das Signal zu einem landesweiten Aufstand.509 Zu Beginn der Schlacht hatte Giap alle Komman- deure der Viet Minh aufgerufen “[to] Stand up in Unison / Dash into battle / Destroy the in- vaders and save the country”.510 Zwei Tage später, am 21. Dezember 1946, wandte sich Ho Chi Minh an das vietnamesische Volk und rief es zum Widerstand auf. Dabei brachte er auch den vielzitierten Aphorismus vom Elefanten und Tiger:

“[...] If the tiger ever stands still the elephant will crush him with his mighty tusks. But the tiger does not stand still. He lurks in the jungle by day and emerges by night. He will leap upon the back of the elephant, tearing huge chunks from his hide, and then he will leap back into the dark jungle. And slowly the elephant will bleed to death. [...]”511 507 Vgl. Spector: Advice and Support I..., S. 80 – 81, vgl. Buttinger, Joseph: Vietnam: A Dragon embattled. From Colonialism to the Vietminh; London 1967, S.421, im folgenden zitiert als Buttinger: Dragon Embatteld I...,, nach Frey: Geschichte des Vietnamkriegs..., S. 17 betrug die Truppenstärke Ende 1946 80.000 Mann. 508 Vgl. Buttinger, Joseph: Vietnam: A Dragon Embattled. Vietnam at War; London 1967, S. 421, im folgenden zi- tiert als Buttinger: Dragon Embattled II..., siehe auch Spector: Advice and Support I..., 81 – 82 , ebenfalls Her- ring: America's Longest War..., S. 8, siehe auch Frey: Geschichte des Vietnamkriegs..., S. 20; siehe hierzu auch Frey: Dien Bien Phu..., S. 360 509 Vgl. Spector: Advice and Support I..., S. 82 – 83 510 Zitiert nach Spector: Advice and Support I..., S. 83 511 Zitiert nach Ruane: War and Revolution..., S. 19; ähnlich Herring: America's Longest War..., S. 8; siehe auch Spector: Advice and Support I..., S. 83

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Es ist eindeutig, wer in Ho's Augen der Elephant und wer der Tiger war. Der schwerfällige Ele- phant ist, nach Ho Chi Minh, das französische Kolonialregime, der flinke und wendige Tiger ist der Viet Minh. Mit diesem Vergleich sollte Ho Chi Minh gleichzeitig den Charakter des nun langsam beginnenden vietnamesischen Guerillakrieges gegen die Franzosen beschreiben: Der Ti- ger, also die Viet Minh, würde in der Nacht angreifen, dem Elephanten, also den Franzosen, sei- ne Krallen in die Seite schlagen und dann wieder im Dschungel verschwinden. Der Elephant hin- gegen würde langsam, aber sicher verbluten. Ho nahm in dieser Rede im Endeffekt das vorweg, was den Franzosen in den nächsten Jahren widerfahren sollte.

Die ersten Operationen der Viet Minh folgten hingegen eher den klassischen Prinzipien des Kampfes, von Guerillakrieg war zu diesem Zeitpunkt noch nicht viel zu spüren. In den nördli- cheren Landesteilen Vietnams begannen die Viet Minh noch im Dezember 1946 mit der Belage- rung der größeren Städte wie Huê, Vinh und Haiphong mit dem Ziel, die Kommunikationslinien zu unterbrechen. Die Belagerung von Huê dauerte 47 Tage, der Gegner war ein komplettes fran- zösisches Bataillon mit einer Stärke von 750 Mann. Ein französischer Entsetzungsversuch schei- terte, da die Viet Minh vor ihrem Rückzug systematisch alle Wege vermint und alle Brücken zer- stört hatten. Der Schwung der ersten Tage war jedoch bald erlahmt, das Heft des Handelns ging wieder in französische Hände über. Es war den schlecht bewaffneten Kräften des Viet Minh nicht gelungen, einen Weg zu finden, der überlegenen französischen Feuerkraft Herr zu werden. Im März 1947 ergab sich folgendes Lagebild: Am Tage konnten die Franzosen die meisten Straßen wieder benutzen und hatten die Kontrolle über Hanoi zurückgewonnen. Mittlerweile waren 94.000 französische Soldaten in Vietnam, weitere 11.000 waren auf dem Weg dorthin. In Frank- reich war man nun davon überzeugt, Herr der Lage zu sein. So konnte im Mai 1947 der französi- sche Kriegsminister Floret folgendes kundtun: “there is no military problem any longer in Indo- China ... the success of French arms [is] complete.”512 Problematisch an dieser Siegesmeldung, der im Lauf der Jahre noch viele weitere folgen sollten, war die Tatsache, daß die Franzosen zwar den Großteil der Städte, die Viet Minh hingegen die Dörfer und die Landstriche Vietnams kontrollierten.513

Giap konnte im März 1947 auf 60.000 Kämpfer und ca. 100.000 Sympathisanten zurückgreifen. Die Bewaffnung dieser Kämpfer war eine buntes Gemisch aus chinesischen, japanischen, ameri- kanischen und französischen Waffen. Die Munition für dieses Sammelsurium an Waffen stellten die Viet Minh in mobilen Werkstätten selbst her. Erst nach dem Scheitern der Offensive vom De- zember 1946 wechselten die Viet Minh allmählich zur Taktik des Guerillakrieges.514

Was als Krieg des vietnamesischen Volkes gegen die französischen Besatzer begonnen hatte, sollte bald unter den Vorzeichen des beginnenden Kalten Krieges ausgefochten werden. War schon während des gesamten Jahres 1946 der mögliche Einfluß des Kommunismus auf Ho und die Viet Minh Anlaß zu ständiger Sorge im amerikanischen Außenministerium, so wurde dieser im Frühjahr 1947 zur Gewißheit. In einer Unterredung Anfang 1946 wurde der britische Briga- degeneral Philipp E. Gallagher gefragt, wie kommunistisch die Viet Minh denn nun seien. Dar- auf antwortete Gallagher, daß:

512 Zitiert nach Buttinger, Joseph: Vietnam. A Political History; London 1969, S. 316 - 317, im folgenden zitiert als Buttinger: Vietnam. Political History..., vgl. Spector: Advice and Support I..., S. 87 513 Vgl. Spector: Advice and Support I..., S. 85; siehe auch Porch, Douglas: The French Foreign Legion. A Comple- te History; London 1993, S. 514 – 515, im folgenden zitiert als Porch: French Foreign Legion...,; siehe auch Mi- chels: Deutsche in der Fremdenlegion..., S. 172 514 Vgl. Spector: Advice and Support I..., S. 85 – 86

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“[...] they [der Viet Minh] were smart and successfully gave the impression of not being communist. Rather, they emphasized their interest in independence and their Annamnese patriotism. Their excellent organization and propaganda techniques, General Gallagher pointed out, would seem to have the earmarks of some Russian influence. General Gallagher stated that the minority Cao Dai group were definitely Communist. In his opinion, however, the Viet Minh should not be labeled full-fledged doctrinaire communist. [...]”515 Ursache hierfür war unter anderem die Tatsache, daß die Viet Minh als Symbol für ihre National- flagge einen goldenen Stern auf rotem Grund gewählt hatten.516 Die parallel dazu stattfindenden Ereignisse in aller Welt, die den Vormarsch des Kommunismus deutlich vor Augen treten ließen, ließen das Bild von der kommunistischen Gefährdung Vietnams glaubhaft erscheinen. Eine Ursa- che für diese Interpretation der Ereignisse in Vietnam war eine auf diplomatischer Ebene stattfin- dende französische Offensive in Washington, die zum Ziel hatte, Ho als “agent of international communism”517 zu diskreditieren. Obwohl man auf französischer Seite alles tat, um diesen Krieg zu gewinnen, einschließlich der oben beschriebenen diplomatischen Schritte, waren auch schon zu diesem Zeitpunkt kritische Stimmen zu hören. So äußerte sich der französische General Le- clerc zum Problem Vietnam: „Man bräuchte 500.000 Mann, um das zu schaffen, und selbst dann wäre es nicht zu machen“518 Allerdings machte General Leclerc seine Kritik nicht öffentlich, er vertraute sich nur einem seiner Berater an. Wie unpopulär dieser Krieg schon zu diesem Zeit- punkt in Frankreich war, läßt sich daraus ersehen, daß es kaum möglich war, französische Wehr- pflichtige zum Einsatz in die Kolonien zu senden. Zudem war der Einsatz von französischen Re- kruten in den Kolonien – wenn nicht gerade die eigene nationale Sicherheit gefährdet schien – sowieso nicht von der Verfassung gedeckt.519

Jene französische Offensive verfehlte ihre Wirkung in Washington nicht. Die französischen Ar- gumente paßten ja auch sehr gut in die amerikanische Wahrnehmung der Welt während jener frü- hen Phase des Kalten Krieges. Hinzu kam der Umstand, daß man Ho seit seiner offenen Hinwen- dung zum Kommunismus sowieso mißtraute. Vielleicht war es auch der Umstand, daß die Ge- heimdienstoffiziere des OSS während des Krieges einen so freundlichen Eindruck erweckten, der die Führer der Viet Minh glauben machte, die positive Grundeinstellung zu ihrer Revolution sei auch offizielle amerikanische Politik. Jedenfalls betrachteten sich die USA und die Viet Minh von Anbeginn an “through badly distorted lenses.”520 Der Blick beider Seiten durch diese Brillen sollte einiges zur Verfestigung der Positionen beitragen.521

Für das Containment des sowjetischen Expansionismus in Europa war es notwendig, Frankreich miteinzubeziehen, daher wollte man seitens der Regierung in Washington keinen Bruch provo- zieren. Angesichts der labilen wirtschaftlichen und politischen Situation Frankreichs schien sogar

515 Memorandum of Conversation, by Mr. Richard L. Sharp of the Division of Southeast Asian Affairs, January 30, 1946; in: FRUS 1946, Vol. VIII, S. 15 – 20, hier S.19 516 Vgl. Spector: Advice and Support I..., S. 83 – 84; siehe auch The Acting Secretary of State to the Consul at Sai- gon (Reed), October 9, 1946; in: FRUS 1946 / Vol. VIII, S. 61 517 The Acting Secretary of State to the Consul at Saigon (Reed), December 5, 1946; in FRUS 1946 / Vol. VIII, S. 67 – 69, hier S. 67: “[...] Keep in mind Ho's clear record as agent of international communism, absence evid- ence recantiation Moscow affiliations, confused political situation France and support Ho reciving French Communist Party. Least desirable eventuality would be establishment Communist-dominated, Moscow-oriented state Indochina in view dept [...]”, siehe auch Tuchman: Torheit..., S. 303, S. 311 – 312; siehe weiter Spector: Advice and Support I..., S. 84 518 Zitiert nach Tuchman: Torheit..., S. 305 519 Vgl. Tuchman: Torheit..., S. 304; Michels: Deutsche in der Fremdenlegion..., S. 172; Ruane: War and Revoluti- on..., S. 27 520 Herring: America's Longest War..., S. 11 521 Vgl. Spector: Advice and Support I..., S. 84

Seite 114 “The Picture Survives” eine kommunistische Machtübernahme möglich. Schließlich war die Kommunistische Partei Frankreichs schon traditionell stark und verfügte auch über einen gewissen Einfluß. Offizielle amerikanische Regierungslinie war es weiterhin, nirgendwo auf der Welt den Kolonialismus zu unterstützen. Inoffiziell gewährte man den Franzosen großzügige finanzielle und militärische Hilfe: So transportierten beispielsweise Schiffe, die man den Franzosen während des Zweiten Weltkrieges zu Lend-Lease-Konditionen überlassen hatte, französische Truppen nach Vietnam. Auch der Marschall-Plan ermöglichte es, der französischen Regierung indirekt zu helfen, konnte man doch so eigene französische Ressourcen, die man sonst für den Wiederaufbau benötigt hätte, für den Krieg in Indochina verwenden.522

Trotz dieser Hilfe stellte sich bald eine gewisse Ernüchterung in Frankreich ein. Im Kampf gegen die Viet Minh konnten keine wirklichen Erfolge mehr verzeichnet werden. Bestes Beispielhaft hierfür ist die „Operation Lea“, die im Herbst 1947 gestartet wurde. Mit dieser Operation hatte sich das französische Oberkommando in Saigon zum Ziel gesetzt, die Nachschubwege der Viet Minh entlang der Grenze zu China zu unterbrechen, die Führungsriege der Viet Minh gefangen zu nehmen oder zu töten und die Armee der Viet Minh zu zerstören. Jene Operation verschlang 34 Millionen Dollar pro Monat, brachte aber keinen nennenswerten Erfolg. Keines der gesetzten Ziele konnte erreicht werden – dafür waren 1000 Gefallene und ca. 3000 Verwundete zu bekla- gen. Beinahe noch schlimmer als diese Verluste waren indes der Verlust der Moral der Truppe und der zunehmende Verschleiß an Material.523

Während die französische Armee mit diesen Problemen zu kämpfen hatte, gelang es General Vo Nguyen Giap deren vietnamesischen Gegenspieler, die ehemalige Guerillatruppe, in eine – wie das Beispiel Dien Bien Phu zeigen sollte – effiziente und schlagkräftige reguläre Armee mit einer Personalstärke von 20.000 Mann umzuformen. Diese neue Streitmacht bot die Möglichkeit, statt nur auf französische Aktionen zu reagieren, erstmals von sich aus in die Offensive zu gehen. Schon bald, im Verlauf des Jahres 1950, gelang es den Streitkräften des Viet Minh, die französi- schen Befestigungsanlagen an der Grenze zu China einzunehmen. Von diesem Zeitpunkt an war die Versorgung der Viet Minh mit Waffen und Technik gesichert. Diese konnten nun direkt über die gemeinsame Grenze nach Nordvietnam gebracht werden.524

Das Jahr 1950 brachte für die Viet Minh nicht nur einen großen militärischen und logistischen, sondern auch einen diplomatischen Erfolg: Im Januar erkannten die Sowjetunion und – die eben erst gegründete – Volksrepublik China die Regierung Ho Chi Minhs und damit die Demokrati- sche Republik Vietnam diplomatisch an.525 Was für die vietnamesische Seite einen großen inter- nationalen Erfolg bedeutete, bewies für die amerikanische Seite nur, daß die Vermutung, Ho sei ein williger Handlanger des Kommunismus und Vietnam ein Satellitenstaat Moskaus, zuzutref- fen schien526: „[Die sowjetische und chinesische Anerkennung hätte] alle Illusionen über den „nationalistischen“ Charakter der Ziele Ho Chi Minhs beseitigt und Ho Chi Minh in seiner wahren Gestalt als Todfeind der Unabhängigkeit der Bewohner Indochinas entlarvt.“527

522 Vgl. Frey: Geschichte des Vietnamkriegs..., S. 20 – 27; Herring: America's Longest War..., S. 11 – 13; Spector: Advice and Support I..., S. 85; Tuchman: Torheit..., S. 306 523 Vgl. Spector: Advice and Support I..., S. 89 – 90; Michels: Deutsche in der Fremdenlegion..., S. 172 524 Vgl. Frey: Dien Bien Phu..., S. 361 525 Vgl. Frey: Geschichte des Vietnamkriegs..., S. 25; siehe auch Frey: Dien Bien Phu..., S. 361 526 Vgl. Frey: Geschichte des Vietnamkriegs..., S. 26 – 27; siehe auch Tuchman: Torheit..., S. 307 – 311; Frey: Dien Bien Phu..., S. 361 527 Dean Acheson, zitiert nach Tuchman: Torheit..., S. 311

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Erschwerend kam hinzu, daß sich die Hilfe der chinesischen Regierung in Form von Waffenlie- ferungen und der Entsendung von Militärberatern für die Viet Minh immer mehr auszahlte: So konnte der Viet Minh bis zur Mitte des Jahres 1953 weite Teile Indochinas (Teile von Laos528, den Norden und das Zentrale Hochland Vietnams) unter seine Kontrolle bringen und damit seine Machtbasis immer weiter ausbauen. Gleichzeitig trieb dieser Erfolg den Viet Minh stets neue An- hänger und Rekruten für ihre Streitkräfte zu.529 Ein amerikanischer Militärbeobachter charakteri- sierte die Lage in Vietnam wie folgt: “After dark [...] the French hold only Hanoi and Haiphong.”530

Den aus dieser Situation entstehenden Krieg konnte Frankreich auf die Dauer nicht mehr alleine führen. Wie oben geschildert, war der Preis, den Frankreich für seine erneuten kolonialen Ambi- tionen zahlen mußte, zu hoch: 1949 kostete der Krieg schon 167 Millionen Francs – Geld, das ei- gentlich für den Wiederaufbau des französischen Mutterlandes benötigt wurde. Nach und nach übernahmen die USA immer größere Teile der französischen Ausgaben, so daß sie 1954 bereits 80 % der Kriegskosten trugen und am Ende des Krieges die französischen Bemühungen mit ins- gesamt 2,6 Millarden Dollar unterstützt hatten.531 Frankreich versuchte dem Krieg in Indochina Herr zu werden, indem es immer mehr Soldaten nach Vietnam verlegte. Aus einem kleinen Krieg um eine Kolonie war mittlerweile ein Monstrum geworden, das den Einsatz von 375.000 Mann – unter ihnen 35.000 Deutsche in der Fremdenlegion – erforderte. Die Verluste beliefen sich zu diesem Zeitpunkt auf etwas 90.000 Gefangene, Verwundete und Tote.532 Auch der Materialein- satz wurde massiv gesteigert: Allein die USA lieferten 900 Kampffahrzeuge, 15.000 andere Fahr- zeuge, 2500 Artilleriegeschütze, 24.000 automatische Waffen, 75.000 Handfeuerwaffen und 9000 Funkgeräte. Ferner wurden 160 F-6 Kampfflugzeuge, 41 B-26 Bomber, 28 C-47 Transport- flugzeuge533 und 93.000 Bomben geliefert.534 Besonders beunruhigend war für die französische Regierung wie auch für die französische Bevölkerung, daß allein im Jahre 1952 viermal mehr Offiziere in Indochina gefallen waren, als die Kaderschmiede der französischen Streitkräfte, die Militärakademie St. Cyr, in einem Jahr an Absolventen verabschiedete. Allein diese Zahl illus- triert, wie ernst die Lage in Indochina mittlerweile war. Eine Fortführung des Krieges mit solch hohen Verlustzahlen hätte bedeutet, daß Frankreich seinen Verpflichtungen im Rahmen der NATO nicht mehr hätte nachkommen können.535

Ferner war der Krieg in der Bevölkerung immer unbeliebter geworden. Die Kriegsmüdigkeit der Bevölkerung stieg, in der französischen Nationalversammlung wuchs parallel dazu der Unmut über die galoppierenden Kosten, die dieser Krieg aufhäufte.536 Für die Regierung in Paris stand zu Beginn des Jahres 1953 fest, daß der Krieg irgendwie beendet werden mußte. Die Ausgangs- position für die Versuche, den Krieg zu einem Ende zu bringen, hatte sich in diesem Jahr gebes- sert: Nach dem Tod Stalins waren erste Anzeichen der Entspannung zu sehen. Im Januar hatte Präsident Dwight D. „Ike“ Eisenhower die Amtsgeschäfte in den USA übernommen. Der Korea- krieg konnte durch einen Waffenstillstand beendet werden. Die französische Regierung strebte

528 Hier arbeiteten die Viet Minh mit ihrer „Schwesterorganisation“, dem Pathet Lao, zusammen. 529 Vgl. Frey: Dien Bien Phu..., S. 361; Spector: Advice and Support I..., S. 172 530 Zitiert nach Spector: Advice and Support I..., S. 181 531 Vgl. Frey: Geschichte des Vietnamkriegs..., S. 28; Frey: Dien Bien Phu..., S. 361 532 Vgl. Frey: Dien Bien Phu..., S. 362; Frey: Geschichte des Vietnamkriegs..., S. 29 533 Die Douglas C-47 ist die militärische Variante der legendären Douglas DC-3. 534 Vgl. Spector: Advice and Support I..., S. 168 535 Vgl. Frey: Dien Bien Phu..., S. 362; siehe hierzu auch telephonischer Bericht des NZZ-Korrespondenten in Pa- ris „Die Niederlage von Dien Bien Phu“ vom 9. Mai 1954; erschienen in der Neuen Zürcher Zeitung vom 10. Mai 1954, Morgenausgabe, S. 1 – 2, hier S. 2 536 Vgl. Frey: Geschichte des Vietnamkriegs..., S. 29; Spector: Advice and Support I..., S. 167

Seite 116 “The Picture Survives” eine Lösung dieses Konfliktes auf dem Verhandlungswege an. Allerdings sollten die Verhand- lungen aus einer Position der Stärke heraus geführt werden. Da aber von einer starken französi- schen Position in Indochina keine Rede sein konnte, musste dringend ein Erfolg geschaffen wer- den.537

4.2.3.1 Wendepunkt „Dien Bien Phu“

Dieser so dringend benötigte Erfolg sollte auf militärischem Wege errungen werden. Mit anderen Worten: es sollten auf dem Schlachtfeld die militärischen Voraussetzungen für eine ehrenhafte politische Lösung hergestellt werden. Diese diffizile und ehrgeizige Mission sollte ein neuer Oberbefehlshaber in Indochina ausführen: Generalleutnant Henri Navarre. Navarre war bis zu diesem Zeitpunkt Stabschef des Kommandeurs der NATO-Truppen in Zentraleuropa. Vor dieser Verwendung kämpfte er als Kavallerieoffizier in beiden Weltkriegen. Navarre hatte einige Jahre in Marokko und Syrien verbracht, wo er mit der Führung von Unternehmen pazifizierender Na- tur beschäftigt war. Von daher traute man ihm auch eine gewisse Erfahrung mit Operationen ge- gen Guerilla-Kräfte zu. Mit dem politisch verminten Gelände Vietnam hatte Navarre jedoch kei- ne Erfahrung, er hatte nie dort gedient. Dieser Umstand war aber in den Augen der Verantwortli- chen im französischen Verteidigungsministerium eher ein Vor- denn ein Nachteil. Von der “ab- sence of prejudice toward operations in Inchochina”538 versprach man sich in Paris eine Wen- dung zum Besseren hin. Er könne daher, so die Intention der politischen und militärischen Ent- scheidungsträger, sein Kommando unbelastet von den bisherigen Erfahrungen mit Indochina an- treten und so endlich – indem er frische Gedanken und Lösungsperspektiven einbrachte – für einen französischen Erfolg sorgen.539

Als Navarre sein Kommando im Mai 1953 in Saigon übernahm, hatte er eine ungefähre Vorstel- lung von dem, was nötig war, diesen Krieg zu einem erfolgreichen Ende zu bringen: „Er wollte Paris zur Entsendung weiterer Soldaten bringen, zur Offensive übergehen und die Lage in Laos stabilisieren.“540 Laos war am 22. Oktober 1952 in die Unabhängigkeit entlassen worden. Aller- dings war Laos immer noch Mitglied der Französichen Union. Damit war weiterhin der dominie- rende Einfluß Frankreichs festgeschrieben. Dieses Modell sollte als „Musterlösung“ für Kambo- dscha und Vietnam dienen. Der Haken an dieser Musterlösung war jedoch, daß sie nur dann funktionieren konnte, wenn es gelang, die Viet Minh und die mit ihnen verbündeten Kämpfer des Pathet Lao aus den östlichen Landesteilen Laos' zu vertreiben bzw. zu besiegen.541

Um dies zu erreichen, sah Navarres Strategie wie folgt aus: Das Dorf Dien Bien Phu im Nord- westen Vietnams – in der Nähe der Grenze zu Laos gelegen – sollte erobert und zu einer stark befestigten Basis ausgebaut werden. Von dieser Basis aus sollten sich in einem gewissen Umfang

537 Vgl. Frey: Geschichte des Vietnamkriegs..., S. 33; Spector: Advice and Support I..., S. 167; siehe auch Frey: Dien Bien Phu..., S. 362; ferner Ruane: War and Revolution..., S. 29 538 Zitiert nach Spector: Advice and Support I..., S. 173 539 Vgl. Frey: Dien Bien Phu..., S. 362; Spector: Advice and Support I..., S. 173; ferner Simpson, Howard R.: Dien Bien Phu. The Epic Battle America Forgot; Washington 2005, S. 5, im folgenden zitiert als Simpson: Dien Bien Phu..., siehe auch Fall, Bernhard B.: Hell in a Very Small Place. The Siege of Dien Bien Phu; New York 20022; S. 26 – 29; im folgenden zitiert als Fall: Hell in a Very Small Place..., 540 Frey: Dien Bien Phu..., S. 362; vgl. Simpson: Dien Bien Phu..., S. 8 541 Vgl. Spector: Advice and Support I..., S. 183; Frey: Dien Bien Phu..., S. 362; Fall: Hell in a Very Small Place..., S. 34 – 35

Seite 117 “The Picture Survives” strategische Unternehmungen starten lassen. Ziel dieser Operation war es, zum einen die Versor- gungsrouten des Viet Minh in dieser Region dauerhaft zu stören und zum anderen weitere gegne- rische Operationen nach Laos hinein zu unterbinden.542

Die Lage Dien Bien Phus schien – aus strategischer Sicht – für diesen Zweck ideal: Der Ort ver- fügte über eine, noch aus der japanischen Besatzungszeit stammende, Landebahn. Außerdem war Dien Bien Phu von den Hauptkräften des Viet Minh weit genug entfernt. Ferner waren nach Ein- schätzung der französischen Nachrichtendienste die Straßen nach Dien Bien Phu in einem der- maßen schlechten Zustand, daß es dem Viet Minh kaum gelingen sollte, mehr als 20.000 Solda- ten für die Rückeroberung heranzuführen. Die zahlenmäßige Überlegenheit des Gegners hofften die Verteidiger durch die französische Luftüberlegenheit und Mobilität auszugleichen. Hinter all diesen Planungen steckte die Überlegung, in Vietnam siegen zu können, wenn es gelänge, die Kräfte des Viet Minh zu einer offenen Feldschlacht zu zwingen. Dann, so das Kalkül Navarres, könne die französische Seite ihre militärische Überlegenheit voll ausspielen und den, in einer solchen Kampfsituation unerfahrenen Feind, endlich besiegen.543

Die Bedenken gegen diesen ehrgeizigen Plan wurden von Navarre unterstellten Offizieren getra- gen. So warnte der Vertreter der Luftwaffe davor, daß die Wetterbe- dingungen für das Hochtal von Dien Bien Phu alles andere als ide- al seien. So wäre es oftmals zu neblig für Flugoperationen, außer- dem wäre die Distanz von Hanoi zu weit, um eine sichere Versor- gung gewährleisten zu können.544 Die Mitarbeiter des für die Heeres- truppen verantwortlichen Generals Cogny warnten vor der Übertra- gung europäischer Denkweisen auf vietnamesische Verhältnisse. Insbe- sondere das Ziel, die Kräfte des Viet Minh in seiner Bewegungs- freiheit einzuschränken, stieß auf massiven Widerstand: “In this country one does not block a direc- tion. That is a European notion Abbildung 20: Satellitenbild des Hochtals von Dien Bien Phu. Im oberen Drittel des Bildes ist in der Mitte der Landestreifen zu erkennen. Deutlich sichtbar sind die Berge ringsum, auf with no value here. The Viet Minh denen 1953 / 1954 die Viet Minh ihre Geschützstellungen eingerichtet hatten. passes everywhere, as we've so of- Bild: Google Earth ten seen in the [Mekong] Delta.”545 Die Skeptiker warnten weiter davor, daß Dien Bien Phu leicht zum „Faß ohne Boden“ werden

542 Vgl. Spector: Advice and Support I..., S. 186; Simpson: Dien Bien Phu..., S. 4; ferner Frey: Dien Bien Phu..., S. 363 543 Vgl. Simpson: Dien Bien Phu..., S. 5 – 8; Frey: Dien Bien Phu..., S. 363; Spector: Advice and Support I..., S. 182; Fall: Hell in a Very Small Place..., S. 23; Porch: French Foreign Legion..., S. 555 544 Nach Porch: French Foreign Legion..., S. 556 lag Dien Bien Phu nahe der Maximalreichweite der aus Hanoi kommenden Flugzeuge. 545 Zitiert nach Simpson: Dien Bien Phu..., S. 4

Seite 118 “The Picture Survives” könne. Der Gegner könne so mit wenigen vietnamesischen Angreifern französische Truppen bin- den. Ferner wäre die Sicherung einer Straße keine Einschränkung der gegnerischen Mobilität.546

“[...] Despite these warnings from experienced field commanders, General Navarre's staff in in Saigon had gone ahead with the planning for Operation “Castor”. Isolated from the realities of the war in their air-conditioned headquarters, they had moved units and arrows over detailed wall maps as if the impassable mountains, swamps, thick jungles, monsoon rains, raging torrents, heavy fogs, and searing heat dit not exist. [...]”547 Navarre ließ sich – wie im obigen Zitat von Howard R. Simpson so pointiert beschrieben – von all diesen Einwänden nicht im geringsten irritieren und fuhr mit der Planung der Operation „Cas- tor“ fort. Den Beginn dieser Operation setzte Navarre für den 20. November 1953 fest.

In den frühen Morgenstunden jenes Tages starteten 65 C-47 Flugzeuge mit jeweils 25 Fall- schirmjägern an Bord in Hanoi und nahmen Kurs auf Dien Bien Phu. Die ersten Flugzeuge er- reichten Dien Bien Phu gegen 10.30 und begannen mit dem Absetzen der Fallschirmjäger. In den Landungszonen rund um die Hauptlandebahn trafen die französischen Truppen auf zwei Regi- menter des Viet Minh, die an diesem Tag dort übten. Diese eröffneten das Feuer auf einen Groß- teil der noch in der Luft befindlichen Soldaten. Der Widerstand der Vietnamesen konnte jedoch bald, bei geringen eigenen Verlusten, gebrochen und erste Befestigungen errichtet werden.548

Das Hauptquartier in Saigon hatte zunächst allen Grund zur Zufriedenheit: “Airborne Battle Group No. 1 had landed 1827 paratroops on a defended position 220 miles behind enemy lines, at the price of only 11 dead and 52 wounded, and had secured the position in less than six hours of fighting”549 Unter den Soldaten, die am 20. November über Dien Bien Phu absprangen, waren auch zwei Photographen der französischen Armee – ihnen sind die wenigen Bilder aus jenen ers- ten Tagen zu verdanken.550

In den folgenden Tagen sprangen knapp 5.000 weitere französische Soldaten, darunter zwei Ba- taillone der Fremdenlegion, ein Bataillon vietnamesischer Fallschirmjäger551 in französischen Diensten und Einheiten der Artillerie über Dien Bien Phu ab. Das nun genommene Gelände wur- de planmäßig befestigt.552

Die französischen Operationen in Dien Bien Phu konnten den Viet Minh natürlich nicht verbor- gen bleiben. Giap sah es als gewinnbringender an, nicht sofort loszuschlagen. Er ging davon aus, daß es sinnvoller wäre, zuerst die in der weiteren Umgebung von Dien Bien Phu stationierten Truppen anzugreifen und sich erst dann dem eigentlichen Ziel, Dien Bien Phu, zuzuwenden. Die Option, mit dem Hauptteil seiner Streitmacht direkt anzugreifen, schied für Giap aus, denn dies hätte bedeutet, dem Feind in offenem, flachen Gelände gegenüberzutreten, wo dessen Artillerie, Panzer und Luftwaffe ihre Überlegenheit hätten ausspielen können. Giap entschloß sich daher,

546 Vgl. Simpson: Dien Bien Phu..., S. 4; Frey: Dien Bien Phu..., S. 363; Fall: Hell in a Very Small Place..., S. 18 547 Simpson: Dien Bien Phu..., S. 5 548 Vgl. Frey: Dien Bien Phu..., S. 364; eine ausführliche Schilderung der Kämpfe um die Landebahn findet sich bei Simpson: Dien Bien Phu..., S. 9 – 12; siehe auch Fall: Hell in a Very Small Place..., S. 8 – 9; siehe auch Buch, Hartmut: Geschichte der Luftlandetruppen. Zur Entwicklung der Fallschirmtruppen in Ost und West; Augsburg 2000, S. 73 – 74, im folgenden zitiert als Buch: Geschichte der Luftlandetruppen…, 549 Fall: Hell in a Very Small Place..., S. 14 550 Vgl. Fall: Hell in a Very Small Place..., S. 16 551 Bataillon de Parachutists Vietnamniens, vgl. Simpson: Dien Bien Phu..., S. 16 552 Vgl. Frey: Dien Bien Phu..., S. 364; Fall: Hell in a Very Small Place..., S. 16 – 17; Simpson: Dien Bien Phu..., S. 15 – 16

Seite 119 “The Picture Survives” die etwa 60 Kilometer südlich gelegene Provinz- hauptstadt Lai Chau anzugreifen und gleichzeitig alle Straßen, auf denen der Feind Verstärkung schi- cken konnte, zu blockieren. Parallel zu dieser Akti- on schloß sich der Belagerungsgürtel um Dien Bien Phu immer enger.553

Wie eng dieser Belagerungsgürtel mittlerweile ge- worden war, ließ sich Anfang Dezember erkennen, als drei Bataillone der Légion Étrangère und der Fallschirmjäger ausrückten, um Lai Chau zu entset- zen. Bereits wenige Kilometer außerhalb des La- gers von Dien Bien Phu gerieten sie unter Beschuß von Viet Minh Artillerie und mußten sich nach vier Tagen unter hohen Verlusten zurückziehen: “In fact, the French were by that time completely sur- rounded and unable to move more than a few thou- sand yards from their base and surrounding strong- points.”554 Damit war Dien Bien Phu im Grunde schon – lange vor der eigentlichen Schlacht – obso- let geworden, da die oben genannten Ziele, Störung der Nachschubrouten des Viet Minh und Unterbin- dung gegnerischer Operationen nach Laos hinein, nicht (mehr) erreicht werden konnten. Um aber of- Abbildung 21: Landezonen der Fallschirmjäger in Dien Bien Phu. fensiv agieren zu können, waren zu wenige Trup- Wie zu sehen ist, landeten die wenigsten Einheiten in der Nähe der pen verfügbar, um aber längere Zeit einer Belage- ihnen zugewiesenen Landungszonen. rung standhalten zu können, waren die einzelnen Karte Fall: Hell in a Very Small Place..., S. 15 Stellungen zu schwach ausgebaut worden.555

Die Festung wurde Ziel eines regelrechten Festungstourismus. Abordnungen des französischen Parlaments pilgerten ebenso nach Dien Bien Phu wie ungezählte Journalisten. Sie alle berichte- ten von der waffenstarrenden Festung im Nordwesten Vietnams. Kaum einer, der nicht von den Stellungen und Bunkern begeistert war und diese Festung für uneinnehmbar hielt.556

Im Februar 1954 besuchte ein amerikanischer General – John W. O'Daniel, Oberbefehlshaber der amerikanischen Streitkräfte im Pazifik und damit Nachfolger von General Douglas McArthur – Dien Bien Phu. Sorgen bereitete ihm unter anderem der Umstand, daß die französischen Unter- stände und Bunker nicht allzu stabil schienen. Ferner erfüllte es ihn mit großer Sorge, und ver- mutlich auch mit ebenso großer Verwunderung, daß man versäumt hatte, zumindest einen Teil der umgebenden Berge zu besetzen.557 Er warnte davor, daß “a force with two or three battalions of medium artillery [...] could make the area untenable”558 Trotz dieser Einwände schien er sich

553 Vgl. Fall: Hell in a Very Small Place..., S. 19 – 20, 59 – 64; Frey: Dien Bien Phu..., S. 364 – 365; Simpson: Dien Bien Phu..., S. 17 – 18 554 Spector: Advice and Support I..., S. 187 555 Vgl. Frey: Dien Bien Phu..., S. 365; Simpson: Dien Bien Phu..., S. 18 556 Vgl. Frey: Dien Bien Phu..., S. 366 557 Vgl. Spector: Advice and Support I..., S. 187; Frey: Dien Bien Phu..., S. 366 558 Zitiert nach Spector: Advice and Support I..., S. 187

Seite 120 “The Picture Survives” aber in die Reihe derer einzureihen, die diese Festung prinzipiell für uneinnehmbar hielten.559 O'Daniel glaubte, die Festung könne “withstand any kind of of attack the Viet Minh are capable of launching”.560 Frankreich sei, so fuhr er fort, “in no danger of suffering a major military re- verse. On the contrary they are gaining strength and confidence in their ability to fight the war to a successful conclusion.”561 In der Tat war das, was da binnen weniger Monate aus dem Boden gestampft worden war, beeindruckend: Der gesamte Festungskomplex bestand aus 8 einzelnen Forts, die jeweils unabhängig voneinander befestigt waren. Unter anderem wurden die einzelnen Forts mit schweren Granatwerfern und Mörsern gesichert, ferner waren sie mit Stacheldrahthin- dernissen und Minensperren befestigt. Jede dieser Festungen war durch ein Wegenetz mit den anderen verbunden. Innerhalb der Anlage war jeglicher Bewuchs verschwunden, außerhalb da- von hatte man massive Rodungen vorgenommen, um ein freies Schußfeld zu haben.562

O'Daniels Kritik an der schwachen Befestigung der Bunker und Unterstände war berechtigt. Die französischen Pioniere hatten die Befestigungsanlagen bewußt zu schwach dimensioniert, da nicht genügend Baumaterial für eine ordentliche Befestigung verfügbar war. Um die in Dien Bien Phu stationierten Bataillone schützen zu können, wären 36.000 Tonnen Befestigungsmateri- al – Baumstämme, Sandsäcke und Beton – nötig gewesen, von denen jede einzelne Tonne hätte eingeflogen werden müssen.563 So reduzierte man die zugestandene Menge Material auf 4000 Tonnen. Gerade so viel, um, wie der Kommandeuer der Pioniere meinte, “the headquarters command post, the signal center, and the X-ray room of the underground hospital”564 zu befesti- gen. Der Rest der Festung müsse sich eben, so gut es gehe, selber schützen.565

Kommandeur der Festung Dien Bien Phu war Colonel Christian Marie Ferdinand de la Croix de Castries, Sproß einer Familie, die seit Generationen Frankreich diente und dabei einige hoch de- korierte Offiziere hervorgebracht hatte. Navarre und de Castries kannten sich. Navarre war eini- ge Male der Vorgesetzte von de Castries gewesen. Beide Kommandeure schätzten die Lage in Dien Bien Phu weiterhin positiver ein, als sie tatsächlich war. Sie erwarteten beide einen Frontal- angriff der Viet Minh aus der Ebene des Tals heraus. Hätte dieses Szenario stattgefunden, dann wären die französischen Verteidiger im Vorteil gewesen, da in diesem Fall die eigene Artillerie und ihre Panzer die volle Waffenwirkung hätten entfalten können. Selbst als am 31. Januar 1954 zum ersten Mal 75 mm Granaten aus Geschützstellungen der Viet Minh im Lager einschlugen, weigerten sich beide einzugestehen, daß O'Daniels Prophezeiung eingetreten war und sich der Belagerungsring um Dien Bien Phu geschlossen hatte. Offenbar konnte sich keiner der beiden vorstellen, daß es den Viet Ming gelungen war, Artillerie auf die umliegenden Berge „zu schlep- pen566“. Der Biograph General Giaps, John Colvin, schreibt in seinem Buch „Volcano under Snow. Vo Ngyen Giap“, daß Navarre die Fähigkeit der Viet Minh vollkommen unterschätzt habe, „Geschütze und Munition auf primitiven Dschungelpfaden zu transportieren, durch den Regen, auf russischen Lastwagen, auf Tausenden von Fahrrädern, in unzähligen Sampans und auf Bam-

559 Vgl. Frey: Dien Bien Phu..., S. 366; Spector: Advice and Support I..., S. 187; Fall: Hell in a Very Small Place..., S. 105 – 106; siehe auch Fall, Bernhard B.: Street without Joy; Mechanicsburg / PA. 1994, S. 318, im fogenden zitiert als Fall: Street without Joy.., 560 Zitiert nach Spector: Advice and Support I..., S. 187 561 Zitiert nach Spector: Advice and Support I..., S. 187 562 Vgl. Frey: Dien Bien Phu..., S. 364, 366; Fall: Hell in a Very Small Place..., S. 16 – 17; Simpson: Dien Bien Phu..., S. 15 – 16 563 Vgl. Fall: Hell in a Very Small Place..., S. 88 – 89; Fall: Street without Joy.., S. 321 564 Zitert nach Fall: Hell in a Very Small Place..., S. 90 565 Vgl. Fall: Hell in a Very Small Place..., S. 90 566 Frey: Dien Bien Phu..., S. 365

Seite 121 “The Picture Survives” busflößen, auf Kolonnen von Packpferden und Hunderttausenden von Trägern.“567 Giaps Trup- pen gelang es außerdem, unbemerkt von den Franzosen, ein ganzes System von Laufgräben aus- zuheben, das sich bis in die Nähe der französischen Stellungen erstreckte. Insgesamt wiesen die- se Gräben eine Länge von mehr als 100 km auf.568

In den frühen Abendstunden des 13. März begannen die vietnamesischen Geschütze mit dem Trommelfeuer. Die Präzision der Einschläge ließ erkennen, daß die Geschützbedienungen des Viet Minh erstens ihre Waffen beherrschten und zweitens genau wußten, wie die französischen Stellungen am besten zu treffen waren. Die Ziele waren die drei nördlichsten Forts: „Anne-Ma- rie“, „Gabrielle“ und „Beatrice“. Die französischen Versuche, durch Gegenfeuer die gegnerische Artillerie auszuschalten, mißlangen, da der Gegner seine Geschütze tief eingegraben und gut ge- tarnt hatte. Auch der Versuch, mit Hilfe des Einsatzes von Kampfflugzeugen, die Napalm abwar- fen, die Stellungen der Viet Minh Artillerie auszuschalten, brachte keinen Erfolg. Die Kampf- flugzeuge wie auch die Versorgungsflugzeuge mußten, bedingt durch die geographische Lage, Dien Bien Phu so anfliegen, daß ihre Flanken den Kanonieren an den Flugabwehrgeschützen des Viet Minh direkt zugewandt waren. Der Kommandeur der französischen Artillerie nahm sich darauf in der Nacht vom 16. auf den 17. März 1954 das Leben, als er einsah, daß er mit den we- nigen ihm zur Verfügung stehenden Geschützen nichts ausrichten konnte. Am Abend des selben Tages erlitt der Generalstabschef de Castries einen Nervenzusammenbruch.569

Gleichzeitig ergoß sich Welle um Welle der Angreifer aus den zuvor angelegten Gräben. Gegen Mitternacht des 13. März hatte bereits die Festung „Beatrice“ die letzte Meldung ge- sendet, bevor ihr Sender verstummte. Die Ver- teidiger hatten den immer neuen Wellen der Angreifer nichts mehr entgegenzusetzen ge- habt. Als nächstes nahm sich die Artillerie des Viet-Minh die Fortifikation „Gabrielle“ vor. Der Versuch, „Gabrielle“ zu entsetzen, schei- terte – auch dieses Fort mußte aufgegeben werden. Die blutige Bilanz der ersten 24 Stun- den der Schlacht von Dien Bien Phu ergab über 1000 gefallene französische Soldaten und über 2000 gefallene Viet Minh. Der Wegfall dieser beiden Forts führte zu einer Lücke im äußeren Verteidigungsring. Nicht nur dieser strategische und operative Verlust schwächte Abbildung 22: Stellungen der französischen Verteidiger (Blau) und vietna- die verbleibenden Verteidiger, sondern min- mischen Angreifer (rot) in der Schlacht von Dien Bien Phu. destens genau so schwer wog der psychologi- Karte Spector: Advice and Support I..., S. 18 sche Effekt: Dem Trommelfeuer und den An-

567 Zitiert nach David: Fehlschläge..., S. 310 568 Vgl. Spector: Advice and Support I..., S. 187; Fall: Street without Joy.., S. 324; Fall: Hell in a Very Small Place..., S. 54 – 55; Frey: Dien Bien Phu..., S. 365 - 367; Porch: French Foreign Legion..., S. 555 – 556; vgl. David, Saul: Die größten Fehlschläge der Militärgeschichte. Von der Schlacht im Teutoburger Wald bis zur Ope- ration Desert Storm; München 20065, S. 310 im folgenden zitiert als David: Fehlschläge..., 569 Vgl. Fall: Street without Joy.., S. 323; Spector: Advice and Support I..., S. 187; Frey: Dien Bien Phu..., S. 367; David: Fehlschläge..., S. 311

Seite 122 “The Picture Survives” griffswellen des Viet Minh hatte man kaum etwas entgegenzusetzen. Ganze Einheiten existierten nicht mehr. Von der legendären 13. Demi-Brigade de la Légion Etrangère, der 13. Halbbrigade der Fremdenlegion, hatten nur 194 Mann überlebt. Die Legionäre, die in dieser Einheit dienten, hatten es 1942 geschafft, Rommels Vormarsch bei Bir Harkeim zu stoppen. Das ihnen in Dien Bien Phu zur Seite gestellte algerische Infanteriebataillon wurde komplett aufgerieben.570

Die Schlacht um Dien Bien Phu endete nach 55 Tagen erbitterster Kämpfe. Am 7. Mai 1954 um 17.30 Uhr schloß der französische Nachrichtendienst in Saigon die Akte Dien Bien Phu mit dem lakonischen Vermerk „Kein Radiokontakt mehr mit Dien Bien Phu“.571 Die Festung war gefallen, aber sie hatte nicht kapituliert.572 Nur unter dieser Bedingung war es de Castries vom französi- schen Oberkommando erlaubt worden, die Kampfhandlungen einzustellen.573 Wenn man schon keinen Sieg in Dien Bien Phu erreichen konnte, der es erlaubt hätte, sich ohne Gesichtsverlust aus Indochina zurückzuziehen, dann sollte wenigstens die Niederlage in Dien Bien Phu so ein- deutig sein, daß das französische Gesicht durch diesen „Kampf bis zum Letzten“ gewahrt wurde. Eine Kapitulation kam daher nicht in Frage, hätte diese doch bedeutet, daß es die Soldaten der Grande Nation nicht vermocht hatten, bis zuletzt der erdrückenden Übermacht standzuhalten. Die letzten Funksprüche, die zwischen Dien Bien Phu und Saigon ausgetauscht wurden, hatten genau diesen Punkt zum Thema:

„[...] GEN. DE CASTRIES: „Ich spreche aus dem Zentrum der Schlacht. Die Viets sind überall. Die Lage ist sehr ernst. Die Kampflage ist völlig verwirrt, auf allen Seiten wird gekämpft. Ich glaube, das Ende naht, aber wir werden bis zu diesem Ende kämpfen.“ GEN. COGNY: „Verstanden. Sie kämpfen bis zum Ende. Ein Hissen der weißen Fahne kommt nach Ihrem heldenhaften Widerstand nicht in Frage.“ GEN. DE CASTRIES: „Verstanden. Wir werden die Artillerie und alle Radioausrüstung zerstören. Die tragbare Funkstation wird um 17 Uhr 30 gesprengt. Wir werden bis zum Ende kämpfen. Au revoir, mon Général. Vive la France!“574 Die Kämpfe um die Stellungen in Dien Bien Phu wurden schon bald darauf zum Heldenmythos epischen Ausmaßes hochstilisiert. Als der französische Ministerpräsident Laniel in der National- versammlung die Nachricht vom Fall der Festung überbrachte, erhoben sich alle Abgeordneten – mit Ausnahme der kommunistischen Mitglieder der Assemblée Nationale – schweigend von ih- ren Sitzen.575 Laniel legte mit seiner Erklärung den Grundstein zur Mythologisierung der Ereig- nisse:

„[...] Der Gegner wollte den Fall von Dien Bien Phu vor Beginn der Genfer Konferenz erreichen. Er dachte, er könne damit der französischen Moral einen tödlichen Schlag versetzen. Den französischen guten Willen und den Wunsch nach Frieden beantwortete er mit dem Opfer von Tausenden seiner eigenen Soldaten, deren Zahl die tapferen Verteidiger, die in den letzen 57 Tagen die Bewunderung der ganzen Welt errangen, weit überstieg. Angesichts dieser Niederlage, die den Ruhm der Verteidiger nicht schmälern kann, wird Frankreich seine wahre Größe zeigen. [...] Ganz Frankreich trauert mit den Familien der Verteidiger von Dien Bien Phu. Ihr Heldentum war so groß, daß das menschliche Gewissen dem Gegner

570 Vgl. Porch: French Foreign Legion..., S. 482 – 485, 556 – 557, 562; Frey: Dien Bien Phu..., S. 367; Fall: Hell in a Very Small Place..., S. 115; Frey: Dien Bien Phu..., S. 367 571 Zitiert nach Frey: Dien Bien Phu..., S. 371; Simpson: Dien Bien Phu..., S.166 572 Vgl. Fall: Hell in a Very Small Place..., S. 410; Frey: Dien Bien Phu..., S. 371 573 Vgl. Simpson: Dien Bien Phu..., S.166; Frey: Dien Bien Phu..., S. 371 574 Meldung der Nachrichtenagentur United Press vom 8. Mai 1954, zitiert nach „Das Ende des Widerstandes in der Dschungelfestung“; in: Neue Zürcher Zeitung vom 10. Mai 1954, Morgenausgabe, S. 2; vgl. Fall: Hell in a Very Small Place..., S. 406 – 407 575 Siehe hierzu ausführlich Fall: Hell in a Very Small Place..., S. 415

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vorschreiben sollte, die Verwundeten und die Tapferen mit allen Ehren des Krieges zu behandeln. [...]“576 Neben dieser Erklärung wurde vom französischen Oberkommando in Saigon ein Tagesbefehl veröffentlicht, in dem davon die Rede war, daß „Dien Bien Phu [...] die ihm vom Oberkomman- do gestellte Aufgabe erfüllt [hätte]“577. Diese beiden Aussagen legten den Grundstein zur Deu- tung von Dien Bien Phu als Heldenepos. Am Abend jenes Tages sollte in der Oper von Paris zum ersten Mal seit dem Zweiten Weltkrieg das Ballet der Moskauer Oper auftreten. In der Folge der Nachrichten aus Indochina wurde gleich das gesamte Gastspiel gestrichen. Das französische Ra- dio und Fernsehen unterbrachen ihre Programme und sendeten den ganzen Abend hindurch das 1837 im Pariser Invalidendom uraufgeführte Requiem (Grande Messe des Morts) des französi- schen Komponisten Hector Berlioz.578 Ein Vorgehen übrigens, das im selben Jahr auch beim Tode Stalins angewandt wurde.

Der Frankreich-Korrespondent der Neuen Zürcher Zeitung zitiert in seinem Bericht über die französischen Reaktionen auf das Ende von Dien Bien Phu den britischen Botschafter in Paris, Sir Gladwyn Jebb, der die Leistung der französischen Verteidiger mit dem „Kampf der Griechen in den Thermophylen [sic!]“ gleichsetzt.579 Präsident Eisenhower schrieb in einem Brief an den französischen Staatspräsidenten Coty die tröstenden Worte, daß Frankreich auch schon früher Schlachten verloren habe, zuletzt aber habe Frankreich doch immer als einer der Führer der Welt triumphiert.580 Der britische Premier Churchill versicherte dem französischen Volk das Mitgefühl des britischen Volkes und erklärte weiter, daß „die lange und tapfere Verteidigung der Garnison, die von dem traditionellen Geist französischen Soldatentums getragen war, [...] ein Ansporn für die freie Welt gewesen [sei].“581

Peter Scholl-Latour überliefert in seinem Buch „Der Tod im Reisfeld. 30 Jahre Krieg in Indochi- na“ in weiteres Beispiel für die Gleichsetzung der Kämpfe in Dien Bien Phu mit historischen Schlachten:

„[...] Die Überlebenden von Dien Bien Phu erzählten von der Schlacht, vom Versagen der Führung, von der schrecklichen Überraschung, als plötzlich Artilleriefeuer auf ihre unzureichenden Stellungen trommelte. Ein Thai-Bataillion war sofort übergelaufen. Die übrigen farbigen Truppen der Union Française hatten sich passiv verhalten und Deckung gesucht. Wirklich gekämpft bis zum letzten Erdloch und bis aufs Messer hatten lediglich die französischen Fallschirmjäger und die Fremdenlegionäre. Die Paras [die französischen Fallschirmjäger] sprachen voller Verachtung von den Offizieren anderer Einheiten, die sich

576 Zitiert nach „Dien Bien Phu gefallen. Nur das Außenwerk Isabelle kämpft noch“ basierend auf dem Material der Nachrichtenagenturen UP und AP vom 7. Mai 1954, in: Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 8. Mai 1954, S. 1, siehe auch, dort mit der Angabe von 55 Tagen Schlachtdauer, Fall: Hell in a Very Small Place..., S. 415 577 Zitiert nach dem Artikel „Dien Bien Phu gefallen. Nur das Außenwerk Isabelle kämpft noch“ basierend auf dem Material der Nachrichtenagenturen UP und AP vom 7. Mai 1954, in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 8. Mai 1954, S. 1 578 Vgl. Fall: Hell in a Very Small Place..., S. 416 579 Telephonischer Bericht des NZZ-Korrespondenten in Paris „Die Niederlage von Dien Bien Phu“ vom 9. Mai 1954; in: Neue Zürcher Zeitung vom 10. Mai 1954, Morgenausgabe, S. 1 – 2, hier S. 1; vgl. auch den Bericht der amerikanischen Nachrichtenagentur AP „Die letzten Stunden der Dschungelfestung. Das Ende von Dien Bien Phu / Der Weg in die Gefangenschaft“; in: Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 10. Mai 1954, S. 3 580 Zitiert nach dem Artikel „Dien Bien Phu gefallen. Nur das Außenwerk Isabelle kämpft noch“ basierend auf dem Material der Nachrichtenagenturen UP und AP vom 7. Mai 1954, in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 8. Mai 1954, S. 1 581 Zitiert nach dem Artikel „Dien Bien Phu gefallen. Nur das Außenwerk Isabelle kämpft noch“ basierend auf dem Material der Nachrichtenagenturen UP und AP vom 7. Mai 1954, in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 8. Mai 1954, S. 1

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nicht um ihre Männer gekümmert hatten. Die Fremdenlegionäre jedoch, zu achtzig Prozent Deutsche, seien zum Sterben angetreten wie in einer mythischen Gotenschlacht.[...]“582 So gilt Dien Bien Phu – aufgrund der großen Anzahl von in der Légion Étrangère kämpfender Deutschen – auch als die „letzte Schlacht“ der Waffen-SS. Diese Formulierung mag zwar etwas überspitzt sein, spiegelt jedoch gut das Schicksal etlicher deutscher Kriegsgefangenen wider, die mehr oder minder freiwillig in den Dienst der Grande Nation getreten waren.583 Der Grund, warum die Leistungen der Fremdenlegion von Peter Scholl-Latour so herausgehoben werden, liegt sicherlich auch in der Tatsache begründet, daß Scholl-Latour den Beginn des Krieges in In- dochina als Angehöriger der Legion selbst erlebte und daher eine etwas vorgefasste Meinung zu den Ereignissen in Dien Bien Phu hat.584 Bernhard B. Fall wiederum beschreibt eine Szene, in der einer der Kommandeure des Viet Minh die Gefangenen anherrscht, warum sie denn nicht sin- gen würden. Als er ihnen schließlich befahl zu singen, spielte sich folgende Szene ab: “The For- eign Legionnaires looked at each other in silence and then began to sing. There was an instant gasp of shock among the assembled French prisoners – until they recognized the German song: “Ich hatt' einen Kameraden, Einen Bess'ren findst Du nicht...””585 Dies mag illustrieren, wie groß der deutsche Einfluß auf die Fremdenlegion zur damaligen Zeit wirklich gewesen ist. Gleichzeitig zeigen diese beiden Beispiele ziemlich deutlich: Ohne die Fremdenlegion wäre der Indochina-Krieg schon wesentlich früher zu einem – für Frankreich eventuell noch schmachvol- leren – Ende gekommen.

Diese „mythische Gotenschlacht“ – wie Peter Scholl-Latour die Kämpfe so heroisierend nennt – hatte indes wenig mit den beiden historischen Vorbildern an Mut und Ergebenheit zu tun. Es hat vielmehr den Anschein, als wäre diese He- roisierung zum größten Teil mit dem Ziel geschaffen worden, die dramatische Nieder- lage Frankreichs in irgendeiner Form für die französische Bevölkerung und damit für das Selbstverständnis Frankreichs als Gran- de Nation annehmbar zu machen. Wie bei den meisten – ex post zu Heldenschlachten erklärten – Kampfhandlungen, so waren es auch im Falle von Dien Bien Phu Fehler in der politischen und militärischen Führung, die dieses – dann im Nachhinein zum hel- denhaften Kampf hochstilisierte und ver- klärte – Ringen erforderlich machten. Abbildung 23: Letzte militärische Ehrung für einen Gefallenen der französischen Streitkräfte vor Dien Bien Phu im Frühjahr 1954.

Photo: The Yorck Project: Das große dpa-Bildarchiv, S. 202

582 Scholl-Latour, Peter: Der Tod im Reisfeld. 30 Jahre Krieg in Indochina; Stuttgart 19809, S. 83, im folgenden zi- tiert als Scholl-Latour: Tod im Reisfeld..., zur Wahrscheinlichkeit der Zahlenangaben in diesem Zitat siehe aus- führlich Michels: Deutsche in der Fremdenlegion..., S. 184, Fußnote 38 583 Vgl. Michels: Deutsche in der Fremdenlegion..., S. 186 – 209 584 Vgl. Michels: Deutsche in der Fremdenlegion..., S. 184, Fußnote 38 585 Fall: Hell in a Very Small Place..., S. 435

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4.2.4 Das Engagement der USA in Vietnam

Nach dem Ende der Genfer Verhandlungen über Indochina bildeten sich zwei Staaten auf dem Territorium Vietnams heraus: Nordvietnam unter der Regierung der Viet Minh mit Ho Chi Minh an der Spitze und Südvietnam unter Ngo Dinh Diem. Nachdem die USA sich schon zu Zeiten des französischen Indochinakrieges finanziell in Indochina engagiert hatten, wollte man dieses Engagement nun auch unter der neuen südvietnamesischen Regierung fortsetzen. Der damalige Secretary of State, John Foster Dulles, schrieb in einem Brief vom 10. Juli 1954, noch vor der Unterzeichnung des Waffenstillstandes, an Diem:

“[...] If as a result of such negotiations or of military operations there should now result any cease-fire line tending to divide Vietnam, we would be unwilling to consider it as final. We would lend our best efforts to assist patriotic Vietnamese in building up strength in that part of Vietnam remaining outside Communist occupation. At the same time, it must be recognized that the necessary conditions for intervention by our own forces in have not been realized and are unlikely to be in the future [...]”586 Diese Unterstützung war freilich an die Durchführung von „nötigen Reformen“ geknüpft. In ei- nem Brief an Diem führt Präsident Eisenhower dazu aus:

“[...] The purpose of this offer is to assist the Government of Vietnam in developing and maintaining a strong, viable state capable of resisting attempted subversion or aggression through military means. The Government of the United States expects that this aid will be met by performance on the part of the Government of Vietnam in undertaking needed reforms. It hopes that such aid, combined with your own continuing efforts, will contribute effectively toward an independent Vietnam endowed with a strong Government. [...]”587 Ziel eines möglichen amerikanischen Engagements sollte daher das “Nation-Building”, also die Hilfe zum Aufbau eines handlungs- und funktionsfähigen Staatswesens sein. Dieses “Nation- Building” umfaßte auf der einen Seite wirtschaftliche und administrative Hilfestellungen und auf der anderen Seite die Hilfe in Form von Militärberatern beim Aufbau eigener Streitkräfte. Bis zum Ende der Präsidentschaft Eisenhowers waren dies die hauptsächlichen Gebiete, in denen sich die Vereinigten Staaten engagierten.

In diese Zeit fallen auch die ersten amerikanischen Verluste in Vietnam, über die das „Time Ma- gazine“ 1959 berichtete.588 In der Stadt Bien Hoa, ca. 25 Kilometer von Saigon entfernt, war zu diesem Zeitpunkt die 7. südvietnamesische Infanterie-Division, zusammen mit 8 amerikanischen Militärberatern, stationiert. Der Autor des Artikels weist zunächst darauf hin, daß die amerikani- sche Präsenz in Südvietnam der eigentliche Grund sei, warum dieser Staat 5 Jahre nach seiner Gründung immer noch unabhängig und frei sei – trotz der beinahe erdrückenden Nachbarschaft des kommunistischen Nordens.589 Seit Beginn des Jahres 1959 sei jedoch ein Anstieg der kom-

586 Telegramm des amerikanischen Außenministers John Foster Dulles an den südvietnamesischen „Anführer“ Ngo Dinh Diem vom 10. Juli 1954, Auszüge, in: Hanhimäki; Westad: The Cold War..., S. 213 - 214 587 Zitiert nach Gettleman et al.: Vietnam and America..., S. 113 588 Vgl. „Death at Intermission Time“, Time Magazine vom 20. Juli 1959; in: Bates, Milton J. et al. [Hrsg.]: Repor- ting Vietnam. American Journalism 1959 – 1975; New York 20002, S. 1 – 2 589 “[...] The presence of the Americans symbolized one of the main reasons why South Viet Nam, five years ago a new nation with little life expectancy, is still independent and free and getting stronger all the time – to the growing charging of Communists in neighboring North Viet Nam. [...]” so der Wortlaut des Artikels „Death at Intermission Time“, Time Magazine vom 20. Juli 1959; in: Bates, Milton J. et al. [Hrsg.]: Reporting Vietnam. American Journalism 1959 – 1975; New York 20002, S. 1 – 2

Seite 126 “The Picture Survives” munistischen Terrorakte zu verzeichnen: “assassinating an average of one South Vietnamese a day, frequently hammering lonely victims to death and then hanging their battered bodies in trees under a red flag.”590 Dies illustriert eindrücklich die Situation, die damals auf den Straßen Saigons herrschte. Weiter schildert der Autor dann die genauen Umstände des Todes der Militär- berater in Bien Hoa. Das genaue Eingehen auf die Unsicherheit auf den Straßen durch die kom- munistischen Terroristen dient hier gleichzeitig zur Verdichtung der Ereignisse, da die Militärbe- rater offenbar gezielt Opfer eines Angriffes auf ihr Offizierskasino wurden.591

In der Literatur ist meistens die Rede davon, daß der Vietnamkrieg unter Kennedy erst richtig „geführt“ wurde. Die Autoren gehen soweit, Kennedy eine gewisse Mitschuld an dem Krieg in Vietnam zu geben. Diese Sichtweise greift indes zu kurz. Kennedy und seine Mannschaft hatten Vietnam – wie auch die gegen Kuba gerichteten Aktionen der CIA – von seinem Amtsvorgänger Eisenhower geerbt. Kennedy hatte sich schließlich in den fünfziger Jahren bei etlichen Gelegen- heiten kritisch gegenüber den vielseitigen Bemühungen Frankreichs gezeigt, das Selbstbestim- mungsrecht des vietnamesischen Volkes nicht anzuerkennen. Das Engagement in Vietnam wurde ohne weiteres Nachdenken und ohne Überprüfung weitergeführt. Kennedy war hier Gefangener der Logik des Kalten Krieges, aus der er kaum wirklich ausbrechen konnte.592 Wenn man Kenne- dy und seiner Regierungsmannschaft etwas vorwerfen kann, dann dieses zumindest gedankenlo- se Weiterschleppen des „ererbten“ Problems:

“[...] Confessions of inadequacy, declarations of incapacity to meet the challenge, were simply not acceptable responses. Public servants of the most powerful country in history, men speaking for a nation with almost unimaginable resources, were never giong to conclude that this was too complicated or too demanding a job to get done. [...]” 593 Wenn man sich nun schon mit dem Problem Vietnam konfrontiert sah – für dessen Lösung man auch keine „Exit-Strategie“ hatte – was lag dann näher, als zu versuchen, die Regierung von Ngo Dinh Diem594, der nach der Teilung Vietnams im Jahre 1954 im Süden regierte, mit allen Mitteln zu unterstützen.

Da Diem bei der Mehrheit seiner Landsleute nicht gerade sonderlich beliebt war, wuchs der Wi- derstand gegen ihn im Innern Südvietnams.595 Diem bekämpfte die oppositionellen Parteien so

590 „Death at Intermission Time“, Time Magazine vom 20. Juli 1959; in: Bates, Milton J. et al. [Hrsg.]: Reporting Vietnam. American Journalism 1959 – 1975; New York 20002, S. 1 – 2 591 Vgl. „Death at Intermission Time“, Time Magazine vom 20. Juli 1959; in: Bates, Milton J. et al. [Hrsg.]: Repor- ting Vietnam. American Journalism 1959 – 1975; New York 20002, S. 1 – 2 592 Vgl. Dallek, Robert: An Unfinished Life. John F. Kennedy 1917 - 1963; Boston, New York, London 2003, S.442, im folgenden zitiert als Dallek: Unfinished Life..., 593 Dallek: Unfinished Life..., S. 442 – 443 594 Das Schicksal Diems vor seiner Machtübernahme wie auch seine Wirkung in den USA beschreibt Tuchman: Torheit..., S. 337 – 339, siehe auch Krebs: Krieg im Pazifik..., S. 730; vgl.: Gettleman, Marvin E. [Hrsg.]: Viet- nam and America, a documented History; New York 19952, S. 115 – 129 , im folgenden zitiert als Gettleman et al.: Vietnam and America..., in diesen Publikationen wird auch besonders auf die Pro-Diem Lobby in den USA eingegangen. Zur amerikanischen Pro-Diem Lobby siehe ausführlich Morgan, Joseph G.: The Vietnam Lobby. The American Friends of Vietnam 1955 - 1975; Chapel Hill, London 1997; im folgenden zitiert als Morgan: Vi- etnam Lobby..., 595 Der amerikanische Autor Shultz charaktierisiert Diem wie folgt: “[...] brilliant incompetent who beat the odds longer than anyone thought possible. ... Reclusive and paranoid, he depended almost exclusively on his family, refused to delegate authority, and did little to build a broadly based, popular government.” Corruption, incom- petence, repression, intrigue, and remoteness from the population were the hallmarks of the Diem regime by the early 1960s. Clearly the odds favored the Viet Cong. [...]” Shultz, Richard H.: The Secret War Against Hanoi. Kennedy's and Johnson's Use Of Spies, Saboteurs and Covert Warriors in North Vietnam; New York 1999; im folgenden zitiert als Shultz: Secret War..., S. 77. Babara Tuchman kommt zu folgendem, vielleicht gerechteren,

Seite 127 “The Picture Survives” lange und mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln, bis von diesen kein Widerstand gegen seine Politik mehr zu erwarten war. Gleichzeitig wurde die Guerilla-Bewegung des Viet-Minh, diesmal unter dem Namen Vietcong, wieder aktiv und versuchte, das Land im Kampf gegen die Regierung mit Terror zu überziehen. Diem ging mit der Armee gegen die von Nordvietnam un- terstützten Guerillas vor.

“[...] Diem in his first year in office moved to consolidate his control by crushing all sources of opposition - the religious sects and nationalist but anti-Diem politicians, along with the cadres left behind by the Viet Minh. [...] It was soon clear that Diem would refuse to provide for the popular mandate called for in the Geneva agreements. [...]”596 Gleichwohl war man sich in Washington der Tatsache bewußt, daß die „Wahl“ Diems zum Staatschef von Südvietnam nur die bessere von zwei, im Endeffekt genauso schlechten, Alterna- tiven war. Man konnte aus Sicht Washingtons keinen anderen finden, der nach Washingtoner Idealen formbar war. Außenminister Dulles schreibt in einem Report aus dem Jahre 1955: “Diem is only means US sees to save and counteract revolution. Whatever US view has been in past, today US must support Diem wholeheartedly.”597. Auch Kennedy kam früh mit dem Themenfeld „Vietnam“ in Berührung – noch vor seiner Amtszeit als Präsident: Im Jahr der fran- zösischen Niederlage in Dien Bien Phu und der Entstehung beider vietnamesischer Staaten, wur- de er Mitglied in den “American Friends of Vietnam”, einer Art pro-(süd)vietnamesischer Lobby. Die Mitgliederstruktur dieser Vereinigung läßt sich – im Rückblick – als durchaus kurios be- zeichnen:

“[...] [The American Friends of Vietnam] an eclectic organization of former leftist-leaning intellectuals, conservative generals, and public officials of various political points of view. They hoped to find a “third way or independent nationalist alternative” for South Vietnam. Members included liberal intellectuals such as Max Lerner and Arthur Schlesinger, jr., the socialist leader Norman Thomas, Leo Cherne of the International Rescue Committee, Cardinal John Spellman, Generals William “Wild Bill” Donovan598 and Michael “Iron Mike” O’Daniel, Supreme Court Justice William O. Douglas, conservative Gouvernor J. Bracken Lee, liberal Senator Mike Mansfield, and Joseph P. Kennedy, the father of then-Senator Kennedy. [...]”599 Diese Organisation, mit den Spitzen der damaligen Gesellschaft besetzt, war der Auffassung, daß Ngo Dinh Diem die „unabhängige nationalistische Alternative“600 zum Kommunismus in Viet- nam war, und daher sein Kampf gegen den Kommunismus – egal wie viele Menschenrechte da- bei mit Füßen getreten wurden – gerechtfertigt war. Wie der Autor der bisher einzigen Studie über die “American Friends of Vietnam”, Richard H. Shultz, richtig anmerkt, versammelten sich Urteil: „Diem erwies sich als schlecht gerüstet für diese Aufgabe. Er war von Theorien und hohen Idealen er- füllt, verfügte aber über keinerlei Erfahrung mit der Führung einer unabhängigen nationalen Regierung; er teilte die allgemeine Abneigung gegen die Franzosen, hatte aber aufgrund seiner Zugehörigkeit zu einer Klasse, die von der Kolonialherrschaft profitierte, doch Anteil am Erbe des Kolonialismus; er war gläubiger Katholik in einer überwiegend buddhistischen Gesellschaft und mußte sich mit mafia-ähnlichen Parteien herumschla- gen, die über Privatarmeen verfügten und mit Gangstermethoden vorgingen. Mit seinen rigiden Grundsätzen, ungeübt im Kompromiß und nicht vertraut mit der Praxis der Demokratie, standen ihm im Umgang mit abwei- chenden Meinungen oder einer Opposition keine anderen Mittel zu Gebote als das Machtwort und die Gewalt. So steht auch er in der Reihe jener traurigen Fälle, in denen ein hohes Amt gute Absichten ins Gegenteil ver- kehrt. Die Umstände machten ihn zum Diktator, ohne daß er über die eisernen Mittel eines Diktators verfügt hätte.“, zitiert nach Tuchman: Torheit..., S. 339 596 Zitiert nach Gettleman et al.: Vietnam and America..., S. 117 597 Zitiert nach Gettleman et al.: Vietnam and America..., S. 133 598 General William „Wild Bill“ Donovan war im Zweiten Weltkrieg Leiter der Vorgängerorganisation der CIA, dem OSS. 599 Zitiert nach Shultz: Secret War..., S. 16 600 Shultz: Secret War..., S. 17

Seite 128 “The Picture Survives” in den “American Friends of Vietnam” Personen, deren gesellschaftspolitische Ausrichtung auf den ersten Blick nicht kompatibel zu sein schien. Aus dieser wenig zusammenpassenden Mitglie- derstruktur ergibt sich zwar eine vergleichsweise heterogene Zusammensetzung dieser Lobby. Dieser vermeintliche Schwachpunkt sollte sich aber als die eigentliche Stärke dieser Lobbyorga- nisation erweisen: gerade aufgrund ihrer verschiedenen gesellschaftlichen Hintergründe und po- litischer Standpunkte konnte sie so schlagkräftig sein. Die “American Friends of Vietnam” waren deshalb in ihrer Lobbyarbeit so erfolgreich, weil ihre Mitglieder in Medien unterschiedlichster politischer Couleur Beiträge lancieren konnten. Dadurch waren sie in der Lage, eine möglichst breite Aufmerksamkeit für ihr Anliegen zu generieren und so in die entscheidenden Zirkel der Politik hineinzuwirken.

Diem wurde bei seinem ersten Aufenthalt in den Vereinigten Staaten 1959 von einem seiner Brü- der, der katholischer Bischof war, mit dem New Yorker Kardinal John Spellman bekannt ge- macht. Spellman seinerseits führte Diem bei einflußreichen Kreisen in den USA ein. Unter ande- rem machte er Bekanntschaft mit dem Bundesrichter William O. Douglas. Dieser war von Diems politischen Vorstellungen und Visionen außerordentlich angetan. Douglas war nach seinen Ge- sprächen mit Diem davon überzeugt, daß dieser d i e Alternative zu Ho Chi Minh und dem Ex- Kaiser Bao Dai war. Diem wurde nun von Douglas bei der CIA und den Senatoren Mike Mans- field und John F. Kennedy eingeführt. Damit war das weitere Schicksal Diems und das Schicksal Vietnams besiegelt. Aus Sicht der amerikanischen Regierung hatte Diem zwei entscheidende Vorzüge: Er war ein echter vietnamesischer Nationalist, jeder Hauch von Kolonialismus perlte aufgrund seiner Frankreichfeindlichkeit von ihm ab. Zweitens besaß er das Wohlwollen Spell- mans; dieses Wohlwollen wiederum zeigte, daß er alles andere als Kommunist war. Damit war er vor den Anfeindungen McCarthys sicher.

Als einzigem, aus Sicht Washingtons, richtigem Kandidat für das Amt des Staatsoberhauptes Vi- etnams richteten sich in den folgenden Jahren alle Bemühungen auf Diem und seine Regierung. Diese „wholeheartedly“ Unterstützung führte dazu, daß die USA nun beinahe unerschütterlich an Diem festhielten. Von einer Formbarkeit Diems in amerikanischem Sinne konnte nun keine Rede mehr sein. Das Gegenteil war der Fall: Diem formte die amerikanische Politik nach seinem Wil- len. Stand doch bei seinen Gesprächen mit amerikanischen Regierungsvertretern immer die un- ausgesprochene Drohung im Raum, daß der Kommunismus Vietnam überollen werde, wenn die USA ihn (Diem) nicht von ganzem Herzen unterstützten. So pumpte man Millionen von Dollar nach Vietnam, um in diesem Land eine Atmosphäre des Wohlstands zu erzeugen. Hierbei wirk- ten die „American Friends of Vietnam“, unterstützt von den „Catholic Relief Services“ und dem „International Rescue Committee“, als Verkünder des „Vietnamesischen Wunders“.601 Bei nähe- rer Betrachtung zeigt sich allerdings, wo dieses „Vietnamesische Wunder“ durchaus existierte: in den Köpfen derer, die es so lautstark verkündeten. Hier kommt ein Mechanismus ins Spiel, der sich in ähnlicher Art und Weise auch bei anderen – im Rahmen dieser Arbeit zu behandelnden Konflikte – zeigen wird. Die Unsummen, die von den zur Rettung der bedrohten Staaten angetre- tenen Supermächten in diese Länder gepumpt wurden, müssen – so die Auffassung der dafür Verantwortlichen – ja irgendeinen Effekt haben. Also wurden Vorzeigeprojekte geschaffen, die jedem Interessierten gezeigt werden konnten. Gleichzeitig wohnte diesen Prestigeobjekten auch eine gewisse Autosuggestivkraft inne, die dann einen circulus vitiosus in Gang setzte: Man be- trachtete den großartigen Fortschritt dieser Prestigeobjekte und hielt seine Arbeit für das ganze Land für immens wichtig und so bewundernswert, daß man am Ende selber glaubte, das Land würde auf der ganzen Linie Fortschritte machen.

601 Vgl. Tuchman: Torheit..., S. 349

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Die USA konnten Diem aus zwei Gründen nicht fallen lassen. Zum einen stand das Ansehen der USA in der Welt auf dem Spiel und zum anderen hätte dies einen Aufschrei der „Friends of Viet- nam“ bedeutet, deren Protagonisten, Mansfield und Spellman, genügend Einfluß hatten, um die Regierung in Washington äußerst effektiv in Mißkredit bringen zu können. Gegen Diem zu sein, bedeutete auch gleichzeitig, gegen Mansfield und Spellman zu sein. Es hätte einen gewaltigen Aufschrei der öffentlichen Empörung ausgelöst, hätte man Diem fallen lassen.602

Diems Macht war nur bis zu den Stadtgrenzen von Saigon wirklich gefestigt. Auf dem Land da- gegen war er niemals so mächtig, wie er gegenüber amerikanischen Besuchern zu sein vorgab. Das von Washington so gefeierte Experiment des „Nation-Building“ war dabei schon von Be- ginn an gescheitert. Die Land- und Bodenreform, die von den meisten Bauern herbeigesehnt und von den Viet-Minh teilweise schon durchgeführt worden war, wurde nun zu Gunsten der alten feudalen Landordnung wieder zurückgenommen.

Bald nach seiner Amtseinführung sandte Präsident Kennedy seinen Vizepräsidenten, Lyndon Baines Johnson, zu einer, wie es offiziell hieß, „Erkundungsmission nach Asien“603:

“[...] LBJ [Lyndon B. Johnson] told Kennedy on his return. „The battle against Communism must be joined in Southeast Asia with strength and determination,“ Johnson advised, „or the United States, inevitably, must surrender the Pacific and take up defenses on our own shores.“ Though Johnson did not urge the dispatch of combat troops, only military advisers, his rhetoric was apocalyptic: „The basic decision in Southeast Asia is here. We must decide whether to help these countries to the best of our ability or throw in the towel in the area and pull back our defenses to San Francisco and a „Fortress America“ concept. [...]”604 Auch das unter Kennedy ins Leben gerufene “Counter-Insurgency” Programm mit dem Ziel, die südvietnamesische Bevölkerung mit dem Herzen und dem Kopf für Diem und gegen die kom- munistischen Agitatoren zu gewinnen, scheiterte. Die amerikanischen Militärberater, die für die- ses Programm ausgewählt wurden, waren zwar dafür ausgebildet worden, aber ihre Komman- deure hielten nichts von den neuen, subtilen Methoden der psychologischen Kriegsführung. Das als herausragenden Erfolg dargestellte Programm der sogenannten Wehrdörfer (“strategic ham- lets”) scheiterte ebenfalls. Dafür war hauptsächlich der materielle und personelle Aufwand schuld, der getrieben werden mußte, um diese Dörfer vor dem Vietcong zu schützen.605 Wenn es gelungen wäre, die Bauern von den Vorteilen eines solchen Wehrdorfes zu überzeugen, dann wäre es möglich gewesen, wenigstens dieses Programm zu einem Teilerfolg werden zu lassen. Da aber mit der Zwangsumsiedlung der Bauern die Ziele, das Herz und den Kopf für die südviet- namesische Sache zu gewinnen, ad absurdum geführt wurden, kam es zum vollständigen Schei- tern dieses Programmes.

Obwohl es Diem immer wieder gelang, gegen ihn gerichtete Putschversuche rechtzeitig aufzude- cken und an den Verschwörern blutige Rache zu nehmen, waren mit dem Ausbruch der soge- nannten Buddhisten-Krise im Jahre 1963 seine Tage gezählt. Im Militär wuchs der Widerstand gegen ihn. Mit Unterstützung der CIA – wenn nicht sogar der amerikanischen Botschaft – gelang es den Militärs, einen erfolgreichen Coup d’Etat zu provozieren, an dessen Ende die Ermordung Diems stand.606

602 Vgl. Tuchman: Torheit..., S. 347 603 Dallek: Unfinished Life..., S. 354 604 Dallek: Unfinished Life..., S. 355 605 Vgl.: Arnett: Einsatz des Lebens…, S. 104 – 105 606 Die Gerüchte über die amerikanische Beteiligung am Putsch gegen Diem lassen sich nur schwer verifizieren. Si- cher scheint zu sein, daß die CIA die Putschisten aktiv unterstützte, vgl.: Arnett: Einsatz des Lebens…, S. 124 –

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Abbildung 24: Ein buddhistischer Mönch hat sich auf dem Marktplatz von Saigon selbst angezündet, um gegen die Kirchenpolitik der südvietnamesischen Regierung zu protestieren.

Photo: The Yorck Project: Das große dpa-Bildarchiv, Bild 203, S. 63

Warum stellte sich Washington nun auf einmal gegen den langjährigen Verbündeten, an dem es so lange, trotz aller bekannten „Schwächen“, festgehalten hatte? Eine Antwort auf diese Frage zu geben, ist ziemlich schwierig, da die Ereignisse jener Zeit noch immer weitgehend im Dunklen liegen. Wahrscheinlich ist, das besagen jedenfalls verschiedene Quellen, daß Washington in den Monaten vor Diems Sturz immer verärgerter darüber war, daß Diem alle amerikanischen Ratschläge in den Wind geschlagen und alle Wünsche ignoriert hatte.607

Der endgültige Auslöser für das Umdenken in Washington war wohl die schon erwähnte Bud- dhisten-Krise des Jahres 1963. Diem reagierte auf die Proteste buddhistischer Mönche gegen sei- ne Religionspolitik mit außerordentlich brutaler Härte. Die Zentren des Protestes befanden sich in Hue und Saigon. Polizei und Sondereinheiten stürmten Pagoden und schreckten auch vor Fol- terungen von Mönchen nicht zurück. Das Pressekorps in Saigon lieferte Bilder von der Selbst- verbrennung buddhistischer Mönche nach Amerika.608

150. Wahrscheinlich ist auch eine Duldung der Aktivitäten der Putschisten, da ohne Washingtons Genehmigung eine solche Aktion kaum von Erfolg gekrönt worden wäre. Zum Putsch generell Karnow, Stanley: The Fall of the House of Ngo Dinh, Overthrow of Diem: November 1963; in: Bates, Milton J.; et al. [Hrsg.]: Reporting Vi- etnam, American Journalism 1959 - 1975; New York 2000 S. 36 – 49 607 Vgl. Arnett: Einsatz des Lebens…, S. 124 – 150, Gettleman et al.: Vietnam and America..., S. 216 – 236 608 Zur Buddhisten-Krise siehe Gettleman et al.: Vietnam and America..., S. 225 - 236; Arnett: Einsatz des Lebens…, S. 113 – 124; Browne, Malcolm W.: “He was sitting in the center of a Column of Flame”, Suicide in Saigon: June 1963; in: Bates, Milton J.; et al. [Hrsg.]: Reporting Vietnam, American Journalism 1959 - 1975;

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Aus der wohlwollenden, toleranten Haltung Washingtons, die Diem (fast) alles durchgehen ließ, war nun die Erkenntnis geworden, daß Diem nicht länger zu halten sei. Das Amerikanische Au- ßenministerium faßt diese Erkenntnis in einem Schreiben an den Botschafter in Saigon, Henry Cabot Lodge, wie folgt zusammen:

“[...] It is now clear that whether military proposed martial law or whether Nhu [Diems Bruder und Regierungsmitglied] tricked them into it, Nhu took advantage of its imposition to smash pagodas with police and ... Special Forces loyal to them, thus placing onus on military in eyes of world and . Also clear that Nhu has maneuvered himself into commanding position. U.S. Government cannot tolerate situation in which power lies in Nhu’s hands. Diem must be given chance to rid himself of Nhu and his coterie and replace them with best military and political personalities available. If, in spite of all our efforts, Diem remains obdurate and refuses, then we must face the possibility that Diem himself cannot be preserved. [...]”609 Botschafter Lodge kommt wenige Tage später noch zu einem viel düstereren Lagebild, er schließt auch einen Putsch, um Diem zu beseitigen, nicht mehr aus:

“[...] We are launched on a course from which there is no respectable turning back: the overthrow of the Diem government. There is no turning back in part because U.S. prestige is already publicly committed to this end in large measure and will become more so as the facts leak out. In a more fundamental sense, there is no turning back because there is no possibility, in my view, that the war can be won under a Diem administration, still less that Diem or any member of the family can gouvern the country in a way to gain the support of the people who count, i.e. the educated class in and out of government service, civil and military - not to mention the American people. [...]”610 Wenn man aber in Washington und Saigon glaubte, mit dem Sturz Diems das Problem einiger- maßen elegant gelöst zu haben, dann hatte man sich gründlich getäuscht. Mit dem Sturz Diems platzte auch der beinahe schon zur Selbsthypnose geeignete Glaubenssatz von einem demokrati- schen Südvietnam. Die Argumentation, man würde sich in Saigon so stark engagieren, um eine unabhängige demokratische Regierung zu (unter)stützen, war damit nun endgültig hinfällig ge- worden.

Diems Nachfolger waren letztendlich auch nicht wesentlich besser als er. Sie kamen alle aus den Reihen der südvietnamesischen Generalität. Sie unterschieden sich von Diem hauptsächlich da- durch, daß sie noch brutaler und dabei noch skrupelloser als er waren. Allerdings gingen nun die Experten innerhalb der amerikanischen Regierung davon aus, daß die Chancen, diesen Krieg zu

New York 2000 S. 29 – 35 609 Schreiben des State Departments an Botschafter Henry Cabot Lodge in Saigon, 24. August 1963; zitiert nach Gettleman et al.: Vietnam and America..., S. 225 - 226 610 Schreiben von Botschafter Logde an Außenminister Rusk, 29. August 1963; zitiert nach Gettleman et al.: Viet- nam and America..., S. 227, siehe auch das Telegramm des „White House an Botschafter Logde vom 17. Sep- tember 1963, in: Gettleman et al.: Vietnam and America..., S. 228 – 230; Telegramm des amerikanischen Bot- schafters in Saigon an das State Department, gekennzeichnet „for President only“, vom 19. September 1963; in: Gettleman et al.: Vietnam and America..., S. 231 – 232; Der amerikanische Präsident John F. Kennedy und Ver- teidigungsminister Robert S. McNamara diskutieren den Entwurf eines Telegramms an den amerikanischen Bot- schafter in Saigon, Henry Cabot Lodge, die weitere Unterstützung der Putschisten gegen Ngo Dinh Diem betref- fend. Verlaufsprotokoll vom 29. Oktober 1963, Auszüge, in: Hanhimäki, Jussi M; Westad, Odd Arne: The Cold War. A History in Documents and Eyewitness Accounts; Oxford 2003, S. 218 – 220, im folgenden zitiert als Hanhimäki; Westad: The Cold War..., siehe auch Telegramm des Nationalen Sicherheitsberaters McGeorge Bun- dy an den amerikanischen Botschafter in Saigon, Henry Cabot Lodge, vom 30. Oktober 1963, in: Gettleman et al.: Vietnam and America..., S. 234; Telegramm des amerikanischen Botschafters in Saigon, Henry Cabot Lod- ge, an das State Department, in: Gettleman et al.: Vietnam and America..., S. 235

Seite 132 “The Picture Survives” gewinnen, besser waren als unter Diem. Das gesamte Lagebild Südvietnams wurde nun in einem erheblich optimistischeren und hoffnungsvolleren Licht gesehen. An der Situation in Vietnam hatte sich nichts Grundlegendes geändert, die Situation war eher noch verfahrener als vorher – auch wenn ein Report des State Department an Präsident Johnson anderes impliziert611. Auch die Tatsache, daß die Nachfolger Diems eine extrem kurze Halbwertzeit als Regierungschefs612 auf- wiesen, trug nicht wesentlich zur Stabilisierung der Lage bei. Murphy faßt die Situation wie folgt zusammen:

“[...] The crisis [die Budhhistenkrise] continued, culminating in the assassination of Diem in November. The turbulent period of political instability that followed witnessed numerous coups and countercoups. South Vietnam’s leaders changed so rapidly during this time that it was often difficult for the Americans to know who was in charge of the country on any given day. [...]”613 In Washington war man sich, so scheint es heute, nicht klar darüber, daß diese Machthaber niemals einen breiten Rückhalt in der Bevölkerung finden konnten: “The new government has the enthusiastic support of the urban population. The peasants remain apathetic as under the Diem regime, but the government recognizes the importance of moving to win their support.”614 Der Krieg war mit diesen Generälen niemals zu gewinnen – auch darüber war man sich in Washington offenbar nicht so recht im klaren. Daher stand Washington vor der Wahl, sich entweder aus dem Krieg zurückzuziehen und als Konsequenz ganz Vietnam dem Kommunismus zu überlassen oder sein Engagement zu verstärken und die “Regie” dieses Krieges immer mehr in eigene Hände zu nehmen.

Die Armee Südvietnams (AVRN)615 war zu diesem Zeitpunkt eine Armee, die gleichzeitig im Aufbau begriffen, aber dennoch schon von Symptomen wie Desillusionierung, fehlendem Kamp- feswillen und Unfähigkeit geprägt war. Sie wurde von den USA mit Rüstungstechnologie belie- fert. Gleichzeitig schickte man auch Militärberater nach Südvietnam, um die Soldaten im Um- gang mit ihren Waffen zu schulen und die Offiziere in Taktik und Strategie auszubilden. Um die Vielzahl der Berater koordnieren zu können, richtete man bereits 1954 die MAAG, die MILITARY ASSISTANCE ADVISORY GROUP, ein. Dieses Organ sollte die Aufgabe übernehmen, die damals neu ge- gründete Armee Südvietnams zu trainieren.616

Von ihrer inneren Struktur her war diese Armee ein Spiegelbild der Gesellschaft Südvietnams: Die Offiziere stammten aus der Oberschicht, oftmals nicht aufgrund von Leistungen zum Offi-

611 Report des State Department an Präsident Lyndon B. Johnson, die Situation in Vietnam betreffend, vom 23. No- vember 1963 entnommen aus http://www.presidency.ucsb.edu/vietnam/showdoc.php?docid=6 (Original: John- son Library, National Security Files, Vietnam Country File, Memos and Misc. Confidential. Transmitted to the President under cover of an undated memorandum from Rusk, Letzter Zugriff 15. 07. 2008) 612 Nach Gettleman et al.: Vietnam and America..., S. 239 kamen in den 29 Monaten nach Diems Ermordung 10 Regierungen an die Macht. 613 Zitiert nach Murphy, Edward F.: Semper fi - Vietnam. Marine Coprs campaigns from Da Nang to the DMZ; No- vato / Ca. 1997, S. 3, im folgenden zitiert als Murphy: Semper fi…, 614 Report des State Department an Präsident Lyndon B. Johnson, die Situation in Vietnam betreffend, vom 23. No- vember 1963 entnommen aus http://www.presidency.ucsb.edu/vietnam/showdoc.php?docid=6 (Original: John- son Library, National Security Files, Vietnam Country File, Memos and Misc. Confidential. Transmitted to the President under cover of an undated memorandum from Rusk, Letzter Zugriff 15. 07. 2008) 615 ARMY OF THE REPUBLIC OF VIET NAM 616 Zum Zustand der Armee siehe: Browne, Malcom W.: Paddy War; in: Bates, Milton J. et al. [Hrsg.]: Reporting Vietnam, American Journalism 1959 - 1975; New York 2000, S. 3 - 10; Halberstam, David: “They can win a war if someone shows them how”, Profile of John Paul Vann: 1962 - 1964; in: Bates, Milton J.; et al. [Hrsg.]: Reporting Vietnam, American Journalism 1959 - 1975; New York 2000, S. 50 - 65

Seite 133 “The Picture Survives” zier ernannt, die Mannschaften aus den restlichen Schichten der Gesellschaft. So wie Südviet- nam ein Land war, das nach klassischer Feudalherrenmanier regiert wurde, so war seine Armee auch eine Feudalarmee. Die Korruption war in weiten Teilen der Armee an der Tagesordnung. Für wohlhabende Eltern war es ein leichtes, ihre Kinder vor dem Militärdienst zu bewahren. Mannschaften konnten in den seltensten Fällen im Militär Karriere machen, Offiziere gefielen sich in Pracht und Selbstdarstellung, glänzten gleichwohl meist nur durch den Aufwand ihrer Parties in Saigon und ihre atemberaubende Inkompetenz. Sozialer Unfrieden war an der Tages- ordnung, die Armee drohte, wie Südvietnam selbst, an ungelösten Problemen, die teilweise erst Diem durch seinen Herrschaftsstil geschaffen hatte, zu ersticken.617

In Washington ging man davon aus, daß diese Probleme mit einer größeren Zahl an Militärbera- tern gelöst werden konnten. Unter diesen Militärberatern (1963: 16 300 Soldaten)618 waren auch 18 Soldaten der Marine-Infanterie sowie ein Helikopter-Squadron der Marines.619 Die Aktivitäten dieser Militärberater reichten zu diesem Zeitpunkt weit über die eigentliche Bedeutung des Wor- tes „Beratung“ hinaus. Konsequenterweise wandelte man die MAAG im Februar 1962 in MACV620 um.

4.2.5 Die Amerikanisierung des Krieges

Der Sturz Diems brachte keine Entspannung der Situation, sondern eher eine Verschärfung. In dem Maße, wie die Regierung in Saigon durch den Kreislauf von Putsch und Gegenputsch ge- schwächt wurde, begann die Zahl der Aktionen des Vietcong zu wachsen. Zuerst richteten sich die Ziele noch gegen Einrichtungen der ARVN, doch mit fortschreitender Zeit richteten sich die Aktionen des VC auch immer mehr gegen die Zivilbevölkerung und teilweise auch gegen ameri- kanische Einrichtungen.

4.2.5.1 Die Ereignisse im Golf von Tonking und ihre Folgen

Drei Wochen nach der Ermordung Diems wurde Präsident Kennedy in Dallas ebenfalls ermordet. Daraufhin wurde sein Vizepräsident, Lyndon Baines Johnson, zum neuen Präsidenten, noch auf dem Heimflug nach Washington, vereidigt. Vier Tage später, am 26. November 1963, plante Johnson die Erweiterung des amerikanischen Engagements in Vietnam. In dem Memorandum NSAM 273621 wurde ein Plan für verdeckte Militäraktionen gegen Ziele in Nord-Vietnam festge- legt – verdeckt in dem Sinne, daß die amerikanische Öffentlichkeit davon nichts erfahren sollte. Die Operationen wurden nicht vor Hanoi “versteckt”, zielten aber direkt auf die Regierung des anderen Vietnam in Hanoi.

Es wurde folgender modus operandi festgelegt: Die Operationen wurden von den USA geplant und finanziert, durchgeführt jedoch von Kräften der ARVN und Söldnertruppen. In einer weite- ren Stufe sah der Plan vor, „offene“ Vergeltungsschläge gegen den Norden für Vergeltungsschlä- ge des Nordens als Antwort auf verdeckte Operationen gegen den Norden durchzuführen. Ferner 617 Vgl.: Tuchman: Torheit..., S. 345 - 347 618 Quelle: http://www.globalsecurity.org/military/ops/vietnam2.htm (Letzter Zugriff 15. 07. 2008) 619 Vgl. Murphy: Semper fi…, S. 2 620 MILITARY ASSITANCE COMMAND VIETNAM 621 Vgl. Gettleman et al.: Vietnam and America..., S. 241 - 248

Seite 134 “The Picture Survives” sollten die Vergeltungsschläge zu regelmäßigen Luftschlägen gegen Hanoi werden. Die Entsen- dung von Truppen sollte über das zum Schutz eigener Einrichtungen in Vietnam nötige Maß hin- aus vorgenommen werden, um die militärische Kontrolle über das Land zu übernehmen. Zuletzt wollte man dem Kongreß eine Resolution abringen, die der Regierung carte blanche, vollkom- men freie Hand zur Führung ihres eigenen Krieges in Vietnam gab.622

Diese neue Strategie fand ihren Niederschlag im sogenannten Operationsplan 34A (Oplan 34A)623, welcher am 1. Februar 1964 in Kraft trat. Einer der Grundzüge dieses Plans war das Ziel, herauszufinden, wie effektiv die nordvietnamesische Küstenverteidigung war. Die Schiffe, die im Rahmen dieser Zielsetzung eingesetzt waren, fuhren auf sogenannten De Soto Patrouillen. Diese hauptsächlich auf elektronischem Wege (ESM624) durchgeführten Versuche sollten die Stärken und Schwächen der Verteidigung aufdecken.

“[...] Aircraft - and surface ships - also are used to stimulate enemy radars and communications as they near enemy territory. In turn, this stimulation permits the aircraft or ship to record the electromagnetic responses of an enemy, that is, which of their radars they turn on, which of their communications channels they use, [...] Signals Intelligence (SIGINT) includes the collection of intelligence information for Navy and national requirements, [...] The National Security Agency (NSA) is the national programm manager for the collection, analysis, and dissemination of SIGINT. However, the platforms and personnel involved in SIGINT belonged to the armed services [...]”625 Zusammenfassend läßt sich sagen, daß es die Aufgabe der Schiffe auf den De Soto Patrouillen war, das gegnerische Radar und die Küstenverteidigung ein wenig „zu kitzeln“. Dieses Vorgehen schloß auch gelegentliches gezieltes Feuer auf die Küste Nordvietnams nicht aus, um zu erfah- ren, mit welchen Geschützen zurückgeschossen werde. Im Rahmen „normaler“ Kriegshandlun- gen ist ein solches Vorgehen durchaus richtig und wichtig, in diesem Zusammenhang muß aber auch klar festgestellt werden, daß das amerikanische Engagement in Vietnam, zu diesem Zeit- punkt, offiziell nur aus Beraterteams bestand und die offizielle Linie in Washington immer noch die Politik der Unterstützung Südvietnams war.

Gleichzeitig wurden Pläne für einen Vergeltungsschlag in Form von Luftangriffen auf Nordviet- nam für den Fall gemacht, daß Hanoi sich gegen die Angriffe auf seine Einrichtungen verteidi- gen würde. Im Juni 1964 wurde der bisherige Kommandeur des MACV626, General Paul Harkins, durch General William Westmoreland627 ersetzt. Westmorelands Name wird immer mit der Stra- tegie der Amerikanisierung dieses Krieges verbunden bleiben. Waren zu Beginn seiner Amtszeit 16.000 Berater in Vietnam stationiert, so standen zum Ende seines Kommandos, im Mai 1968, 536.100 amerikanische Soldaten in Vietnam. Hatte Johnson noch am 21. Oktober 1964 vollmun- dig verkündet, daß “We [die USA] are not about to send American boys nine or ten thousand

622 siehe hierzu: Blackburn, Robert M.: Mercenaries and Lyndon Johnson’s “More Flags”. The Hiring of Korean, Filipino and Thai Soldiers in the Vietnam War; Jefferson / NC, London 1994; im folgenden zitiert als Blackburn: Mercenaries..., 623 Zu diesem Operationsplan und den verdeckten Operationen siehe auch Shultz: Secret War..., S. 174 - 181 624 ELECTRONIC WAR FARE SUPPORT MEASURES 625 Zitiert nach: Polmar, Norman: The Naval Institute Guide to the Ships and Aircraft of the U.S.-Fleet; Annapolis / Md 199716 S. 472, im folgenden zitiert als Polmar: Ships and Aircraft..., 626 COMUSMACV = COMMANDER US MILITARY ADVISORY COMMAND VIETNAM 627 Angesichts der nicht unumstrittenen Person Westmorelands ist es schon außerordentlich verwunderlich, daß es bis heute keine Biographie über Westmoreland gibt. Sein Werdegang in der US-Army ist zwar bekannt, doch viel mehr ist über Westmoreland nicht zu erfahren, selbst das Internet ist hier nahezu stumm.

Seite 135 “The Picture Survives” miles away from home to do what Asian boys ought to be doing themselves.”628, so wurden nach seiner Wiederwahl die ersten Truppen nach Vietnam geschickt. Die folgende Graphik zeigt die Involvierung amerikanischer Soldaten in Vietnam.

600000 536100

500000 485600 474400 425300 400000 335800

300000 250900

200000 184300

100000

16300 23300 900 3200 11500 0

63 9

31. 12. 1960 31. 12. 1962 31. 12. 1964 31. 12. 1966 31. 12. 1968 31. 12. 1970 31. 12. 1961 31. 12. 1 31. 12. 1965 31. 12. 1967 31. 12. 1969 09. 06. 1971 Abbildung 25: Anzahl amerikanischer Soldaten in Vietnam 1960 – 1971

Daten entnommen aus http://www.globalsecurity.org/military/ops/vietnam2.htm (Letzter Zugriff 15. 07. 2008)

Ende Juli, Anfang August 1964 griffen Einheiten der südvietnamesischen Marine im Rahmen des Oplan 34A zwei Inseln nördlich des 17. Breitengrades, jenseits der demilitarisierten Zone, an. Wie in jenem Plan vorgesehen, waren es zwar Boote und Mannschaften der ARVN, die die An- griffe durchführten, die Initialzündung kam aber von den Stäben des MACV. Wenige Tage spä- ter, in der Nacht auf den 3. August, wurde der, sich auf einer DeSoto Patrouille befindende, Zer- störer Maddox629 von drei nordvietnamesischen Torpedobooten angegriffen.

Der Auftrag der Maddox war, sich nicht näher als 8 nautische Meilen der Küste Nordvietnams zu nähern und folgende geheimdienstliche Tätigkeiten auszuführen:

“[...] (a) location and identification of all radar transmitters, and estimate of range capabilities; (b) navigational and hydro information along the routes traversed and particular navigational lights characteristics, landmarks, buoys, currents and tidal information, river mouths and channel accessibility, (c) monitoring a junk force with density of surface traffic pattern, (d) sampling electronic environment radars and navigation aids, (e) photography of opportunities in support of above [...]”630 Der offiziellen Version des Zwischenfalls im Golf von Tonking zufolge wurde der Zerstörer Ma- ddox, wie bereits erwähnt, von drei nordvietnamesischen Torpedobooten angegriffen. Die Crew der Maddox verteidigte sich mit Feuer aus ihren 5-inch Geschützen. Kurz danach griffen noch

628 Zitiert nach Gettleman et al.: Vietnam and America..., S. 241; Dieser wohl berühmteste Ausspruch Johnsons stammt aus der heißen Phase seines Kampfes um die Wiederwahl im November 1964. 629 Offizielle Nummer im Schiffsregister der US-Navy: DD-731 630 zitiert nach: Gettleman: Vietnam and America..., S. 247, die Mission der Maddox läßt sich daher als SIGINT (SIGNALS INTELLIGENCE) Mission, mit all ihren Unterarten (COMINT = COMMUNICATIONS INTELLIGENCE, ELINT = ELECTRONIC INTELLIGENCE, ACINT = ACOUSTIC INTELLIGENCE, TELINT = TELEMETRY INTELLIGENCE) charakterisieren.

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Flugzeuge des Flugzeugträgers USS Ticonderoga631 an. Bei diesem Scharmützel wurde ein Boot schwer beschädigt, die beiden anderen Boote konnten fliehen. In der Nacht vom 4. August griff die Maddox, verstärkt durch den Zerstörer Turner Joy632, ein weiteres Torpedoboot an.

Nach dieser weiteren Eskalation ging Johnson auf den Capitol Hill und legte die schon lange vorher vorbereitete – nun nach den Ereignissen „Tonking Gulf Resolution“ genannte – Resoluti- on633 dem Kongreß vor. Dieser stimmte der Resolution und den darin enthaltenen Forderungen und Bedingungen zu:

“[...] SEC.2. The United States regards as vital to its national interest and to world peace the maintenance of international peace and security in Southeast Asia. Consonant with the Constitution of the United States and the Charter of the United Nations and in accordance with its obligations under the Southeast Asia Collective Defense Treaty, the United States is, therefore, prepared, as the President determines, to take all necessary steps, including the use of armed force, to assist any member or protocol state of the Southeast Asia Collective Defense Treaty requesting assistance in defense of its freedom. SEC.3. This resolution shall expire when the President shall determine that the peace and security of the area is reasonably assured by international conditions created by action of the United Nations or otherwise, except that it may be terminated earlier by concurrent resolution of the Congress.[...]”634 De jure war diese Resolution keine Kriegserklärung des Kongresses. De facto entmachtete sich der Kongreß mit dieser Resolution selbst. Er stellte dem Präsidenten damit eine Freikarte für sei- nen ganz persönlichen Krieg in Vietnam aus. Alle Aktionen, die später während des Kriegs unter- nommen wurden, waren durch diese Resolution gedeckt. Das sich immer mehr verstärkende En- gagement in Vietnam war damit fast jeglicher Kontrolle des Kongresses entzogen.

Aus heutiger Sicht sieht es, auch wenn die Umstände wohl nie ganz geklärt werden können, so aus, daß zumindest der zweite Angriff niemals stattgefunden hat. Beide Schiffe feuerten auf ein Radarsignal hin, in der Fachsprache “Blip” genannt, planlos in der Gegend herum. Herbeigerufe- ne Flugzeuge konnten kein Schiff ausmachen, auch von den beiden Zerstörern aus sah man nie- mals dieses angreifende Boot. Johnson ordnete daraufhin ein Vergeltungsbombardement an, das wichtige strategische Ziele in Nordvietnam umfaßte.635

Parallel zur Eskalation das Krieges stieg auch die Zahl der Reporter in Vietnam an. Zu den Jour- nalisten, die schon seit längerem aus Vietnam berichteten, kamen nun auch diejenigen Journalis- ten, die von Krisenherd zu Krisenherd reisten, um zu berichten. Neben dieser Gruppe reisten auch immer mehr junge Photographen und Reporter nach Vietnam, die diesen Krieg als Chance begriffen hatten, mit ihren Bilder und Berichten Karriere zu machen. Unter ihnen war auch der

631 Damals war die Ticonderoga noch ein Flugzeugträger; das Schiff, das heute diesen Namen trägt, ist ein Lenkwaffenzerstörer der gleichnamigen Klasse von Lenkwaffenzerstörern. Diese Klasse gehört zu den Schiffen, die mit dem sogenannten Aegis-System, ein System, das gegen Raketenwaffen wirkt, ausgerüstet sind. Details zu dieser Klasse finden sich in Polmar: Ships and Aircraft..., S. 120 632 Die Schiffe “USS Maddox” und “USS Tuner Joy” waren die beiden einzigen Schiffe der US-Navy, die sowohl für Kampfeinsätze als auch für Aufklärungsmissionen geeignet waren. vgl. Polmar: Ships and Aircraft..., S. 472 633 Joint Resolution of Congress H.J. RES 1445: Tonking Gulf Resolution, 07. August 1964, zitiert nach Gettleman et al.: Vietnam and America..., S. 252 634 Joint Resolution of Congress H.J. RES 1445: Tonking Gulf Resolution, 07. August 1964, zitiert nach Gettleman et al.: Vietnam and America..., S. 252 635 Vgl. Gettleman et al.: Vietnam and America..., S. 248 - 250

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Sohn des Schauspielers Errol Flynn, Sean Flynn. Flynn ging mit seinem besten Freund, , nach Vietnam, um von dort zu berichten. Seit ihrem Versuch, von der amerikanischen In- vasion in Kambodscha zu berichten, gelten Flynn und Stone als verschollen.636

Unter diesen waren viele Einhei- mische, meistens noch halbe Kinder, die versuchten, sich auf diese Art und Weise etwas zu verdienen. Einer dieser Photo- graphen, er arbeitete eigentlich als Tontechniker bei CBS, wur- de bald so etwas wie der heimli- che Star unter all den Photogra- phen, die als freie Mitarbeiter für die immer größer werdende Zahl an Abnehmer für ihre Bil- der arbeiteten. Huynh Cong La, so der Name dieses Photogra- phen, arbeitete vier Jahre für die Nachrichtenagentur Associated Abbildung 26: Huynh Thanh My [eigentl. Huyng Cong La], Mekong Delta, Vietnam 1965 Press. Am 10. Oktober 1965

Photo: Unbekannt / AP starb Huynh Cong La, der sich Entnommen aus Faas; Page: Requiem..., S. 78 – 79 den „nome du guerre“, Huynh Than My, zugelegt hatte, als er eine vietnamesische Einheit begleitete. Zuerst war er nach einem Angriff des Vietcong nur ver- wundet worden, daraufhin wurde er zum Verwundetensammelplatz gebracht. Als er dort auf die Evakuierung per Helikopter wartete, starteten die Vietcong einen weiteren Angriff und exekutierten jeden, den sie auf dem Verwundetensammelplatz an- trafen. Bei der Beerdigung, an der bei- nahe das gesamte Saigoner Pressecorps teilnahm, wurde , der Chef- Photograph von AP in Vietnam, von ei- nem vietnamesischen Teenager anspro- chen, der auch für AP arbeiten wollte. Dieser kleine Junge, Hyung Cong Ut, war der jüngste Bruder des Verstorbe- nen. Er wurde von Faas nach Hause geschickt, sollte jedoch bald ebenfalls zum Photographen werden. Sein Bild von dem Mädchen mit den Napalm- Abbildung 27: Das Bild, daß Hyung Cong „Nick“ Ut den Pulitzer-Preis einbringen soll- Verbrennungen sollte ihn 1972 weltbe- te. Es gemahnt aber auch an seinen verstorbenen Bruder Huynh Thanh My. rühmt machen und ihm den Pulitzer- Photo: Huynh Cong „Nick“ Ut / AP Preis einbringen637 Entnommen aus Alabiso et al.: Flash!..., S. 96

636 Vgl. Arnett: Einsatz des Lebens…, S. 217; Faas; Page: Requiem..., S. 319, 321 637 Vgl. Arnett: Einsatz des Lebens…, S. 217 – 221

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Ebenfalls 1965 kam die Photogra- phin , die bereits im Zweiten Weltkrieg als Photographin gearbeitet hatte, von einem Schrap- nell getroffen, ums Leben. Nach ih- rem Tod zollte ihr ein Kommandeur der Marines, der Truppengattung, die sie meistens begleitet hatte, Re- spekt:

“[...] She'd spread her poncho in the mud like the rest of them and eat out of the tin cans like she hated it, the way we do, not because it was someting cute. In fatigues and helmet you couldn't tell her from the troops and she could keep up front with the best of them. [...]”638 All diese Berichterstatter lieferten Bilder und Berichte, die im politi- schen Washington die Rufe nach ei- ner Pressezensur immer lauter wer- den ließen. Nachdem Johnson, in Folge der Ereignisse in Dallas im Jahre 1963, das Amt des Präsidenten übernommen hatte, entschieden sich er und seine Berater 1965 gegen die Einführung einer solchen Zensur. Obwohl die Einführung einer Pres- Abbildung 28: Chu Lai, Vietnam, 1965 – U.S. Marine Corps chaplain John Monamara of Boston administers the last rites to war correspondent Dickey Chapelle. sezensur einen gewissen Reiz auf Photo: / AP das von negativen Schlagzeilen ge- Entnommen aus Faas; Page: Requiem..., S. 139 plagte White House ausübte, so ent- schied man sich doch gegen ihre Einführung. Ihre Ausübung wäre zwar politisch wünschens- wert, aber leider kaum praktikabel gewesen. Eine effektive Pressezensur hätte nämlich die kom- plette Kontrolle des vietnamesischen Post-, Verkehrs- und Kommunikationswesens bedeutet. Dies hätte wiederum zur Folge gehabt, daß die USA noch tiefer in das politische und gesell- schaftliche Leben Südvietnams hätten eingreifen müssen, als sie es ohnehin schon taten. De fac- to hätte dies dann bedeutet, Südvietam vollständig zu okkupieren und unter Besatzungsherrschaft der USA zu stellen. Von diesen Faktoren einmal abgesehen, basiert eine Pressezensur – wie Wil- liam Hammond richtig anmerkt – auf einer gewissen Freiwilligkeit seitens der Presse. Es wäre ja keineswegs garantiert gewesen, daß sich das gesamte Saigoner Pressecorps daran gehalten hätte, da zumindest theoretisch die Chance bestanden hätte, die Berichte unter Umgehung der Zensur und der Zensoren über die Büros der Nachrichtenagenturen in Hongkong, Tokio oder Singapur zu verbreiten. Desweiteren – dies mag vielleicht sogar der Hauptgrund für die Nichteinführung der Zensur gewesen sein – hätte jeder Versuch der Einrichtung einer Pressezensur zur Folge ge- habt, daß man die südvietnamesische Regierung hätte miteinbeziehen müssen. Bei den misera- blen Erfahrungen, die sowohl die in Saigon akkreditierten Journalisten als auch die amerikani-

638 Zitiert nach Faas; Page: Requiem..., S. 136

Seite 139 “The Picture Survives” sche Politik während der Buddhistenkrise mit dem vietnamesischen Verständnis von Pressefrei- heit gemacht hatten, hätte dies zur Folge gehabt, daß der Krieg in der amerikanischen Öffentlich- keit und im Kongress sehr schnell noch unbeliebter geworden wäre. So entschied man sich schließlich für ein System, das auf Freiwilligkeit basierte, aber versprach, legitime Interessen der militärischen Sicherheit zu schützen, ohne sowohl der Presse als auch den Kriegsanstrengungen der USA Schaden zuzufügen.639 Damit konnten aber solche traurigen und dramatischen Berichte wie der von Peter Arnett, der über den Versuch der 173rd Airborne Brigade die Höhe 875 in der Schlacht von Dak To im November 1967 berichtete, nicht verhindert werden:

„[...] Hill 875, Vietnam AP – Hour after hour of battle gave the living and the death the same gray pallor on Hill 875. At times the only way to tell them apart was to watch when the enemy mortars crashed in on the exhausted American paratroopers. The living rushed unashamedly to the tiny bunkers dug into the red clay. The wounded squirmed toward the shelter of trees blasted on the ground. The dead – propped up in bunkers or face down in the dust – didn't move. Since Sunday the most brutal fighting of the Vietnam war has ebbed and flowed across this remote hill in the western sector of the Dak To battleground. The 2nd Battalion of the 173rd Airborne Brigade went up 875 first. It nearly died. Of the 16 officers who led the men across the ridgeline Sunday, eight were killed and the other eight wounded. Eleven of the 13 medics died. [...]“640

Abbildung 29: Die Schuhe und die Toten. Im roten Staub einer Anhöhe bei Dak To in Südvietnam stehen die Stiefel von 98 Soldaten der 173. Luftlan- debrigade der USA. Die Männer waren bei der Verteidigung der Höhe 875 gegen nordvietnamesische Einheiten ums Leben gekommen. Als der Batail- lons-Kommandeur die Namen der Toten verliest, salutieren die Überlebenden.

C. Rentmester / Life Entnommen aus: Boenisch, Peter; Jacobi, Claus: '46 – '96. Das waren Zeiten. 50 Jahre Springer – 50 Jahre Zeitzeuge; Hamburg 1996, S. 40 - 41

Der immer negativer werdenden Presse versuchte die Administration Johnson mit einer PR- Kampagne gegenzusteuern, die zum Ziel hatte, zu verkünden, daß in Vietnam der „Lichtschein am Ende des Tunnels“641 sichtbar sei. In diesem Zusammenhang muß auch der Besuch General Westmorelands in Washington, im November 1967, gesehen werden. Westmoreland war offiziell in Washington, um das „Programm“ für das nächste halbe Jahr des Krieges mit der politischen Führung abzustimmen. Der eigentliche Grund seines Besuches war jedoch seine Mitwirkung an

639 Vgl. Hammond: Who Were the Saigon Correspondents..., S. 84 640 Zitiert nach Arnett, Peter: Hill 875; in: Bates, Milton J.; et al. [Hrsg.]: Reporting Vietnam, American Journalism 1959 - 1975; New York 2000, S. 267 – 269, hier S. 267, siehe auch Arnett: Einsatz des Lebens…, S. 280 - 289 641 Vgl. Arnett: Einsatz des Lebens…, S. 276 – 291

Seite 140 “The Picture Survives” jener PR-Kampagne. Auch wenn Westmoreland damals ein Mann des öffentlichen Interesses war, erscheint sein Terminkalender für jene Tage in Washington doch sehr voll von Pressetermin: So sagte Westmoreland vor dem “House Armed Services Committee” aus, hielt eine Rede von dem National Press Club und hatte einen Auftritt in der NBC-Talkshow “Meet the Press”.642 Auch dort wiederholte er seine optimistische Lageeinschätzung, daß sich die Lage bald zum Bes- seren wenden würde: “It is significant, that the enemy has not won a major battle in more than a year. In general he can fight his large forces only on the edges of his sanctuaries.”643 Diese Aus- sage Westmorelands zeigt dreierlei: Zum ersten, daß Westmorland auch hier wieder an seiner An- sicht, es werde sich alles zum Besseren wenden, festhielt und diesen Standpunkt offensiv vertrat. Zum zweiten, daß er – obwohl geistiger Vater der Strategie des “Search and Destroy” - immer noch an dem Denkmuster eines klassischen Krieges mit festgelegten Fronten festhielt. Auch wenn die Botschaft, daß die Kräfte des Vietcong schon seit über einem Jahr keine große Schlacht mehr gewonnen hätten, auch zu einem großen Teil auf die amerikanische Bevölkerung gemünzt war und ihr zeigen sollte, daß der Krieg zu gewinnen wäre, zeigt sie dennoch, daß dieses Den- ken, daß alles besser werde, da der Feind keine Schlacht mehr gewonnen habe, in Westmoreland tief verhaftet war. Zum dritten zeigt diese Aussage, mit welch dehnbaren Begriffen Westmore- land hier argumentiert. Eine “major battle”, wie Westmoreland hier korrekterweise aussagt, hatte der Vietcong tatsächlich seit mehr als einem Jahr nicht mehr gewonnen. Da zum einen die Ge- schichte des Krieges in Vietnam aber an Schlachten dieser Art eher arm ist, und es zum anderen auch keine “major battle” brauchte, um den amerikanischen Truppen empfindliche Verluste zu- zufügen, zeigt sich deutlich, wie sehr Westmorelands Argumentation als Mittel zur Beruhigung für die amerikanische Öffentlichkeit gedacht war.

Daß Westmorelands USA-Visite tatsächlich eher im Kontext des „Werbefeldzuges“ für den Krieg als im Kontext von Routinebesprechungen zu sehen ist, zeigt der Umstand, daß Präsident Johnsen selbst im Dezember 1967 in einem Interview mit dem Fernsehsender CBS die Argumen- tation Westmorelands aufgriff und um den Gesichtspunkt, der Feind würde nun Mittel und Wege suchen, den (Kampfes)Willen des amerikanischen Volkes zu brechen, erweiterte. Sekundiert wurde diese Kampagne Johnsons zu ihrem Ende hin vom MACV in Saigon. In einer kaum an- ders als bizarr zu bezeichnenden Aktion wollten die Verantwortlichen vor Ort demonstrieren, wie stabil die Sicherheitslage in Vietnam ist. Daher wurden mehrere Einheiten der amerikanischen Streitkräfte in Vietnam zusammengezogen und entlang des Highway 1, der wichtigsten südviet- namesischen Nord-Süd-Route, stationiert mit der Aufgabe, diese zu sichern. Daraufhin befuhr der südvietnamesische Vizepräsident Ky die Straße auf ihrer ganzen Länge. In seinem Gefolge befanden sich, beinahe unnötig dies noch extra zu erwähnen, einige Journalisten. Was der Presse allerdings verborgen blieb, war der Umstand, daß die Truppen, kaum hatte der Konvoi um Ky sie passiert, von den Straße abgezogen wurden. Dies hatte natürlich zur Folge, daß der VC die frei- gewordenen Positionen entlang des Highway 1 wieder umgehend in Besitz nahm.644

Der Erfolg dieser Kampagne war in den Meinungsumfragen an der Popularität des Präsidenten ablesbar, die um volle 11 Prozentpunkte stieg – obwohl die Kritiker des amerikanischen Engage- ments in Vietnam kaum ruhigzustellen waren. Begleitet wurde die Kampagne, neben den schon erwähnten Auftritten Westmorelands, von einer Presseoffensive, in der mehrere hochrangige Ver- treter der Regierung, unter ihnen Dean Rusk und Walter Rostow, in Fernsehinterviews und Zei-

642 Vgl. Hammond, William H.: Reporting Vietnam: Media and Military at War; Lawrence 1998, S. 105 – 107, im folgenden zitiert als Hammond: Reporting Vietnam..., 643 Zitiert nach Hammond: Reporting Vietnam..., S. 107 644 Vgl. Hammond: Reporting Vietnam..., S. 107

Seite 141 “The Picture Survives” tungsartikeln Stellung zu dem Thema Vietnam nahmen.645 Alle diese Interviews und Artikel schlossen mit dem beinahe schon klassischen Argument der Befürworter eines amerikanischen Engagements in Vietnam: “They added that if the United States had failed to act to save South Vietnam, all of Southeast Asia would by then have been in jeopardy.”646

4.2.5.2 Die „Tet-Offensive“ vom Frühjahr 1968

Obwohl diese Kampagne von einem kaum in Zweifel zu ziehenden Optimismus der Zuständigen und Verantwortlichen kündete, waren diese selbst nicht wirklich von der Botschaft ihrer Kampa- gne, daß alles in bester Ordnung sei und die amerikanischen Truppen in Vietnam auf dem Weg zum Sieg seien, überzeugt. Parallel zu dieser Kampagne in den USA zog die NVA ca. 15.000 Mann vor dem Stützpunkt der Marines von Khe Sanh zusammen. Am 21. Dezember traf sich Präsident Johnson in Australien mit den Staatschefs mehrerer Alliierter. Dort erklärte er, daß er in naher Zukunft einen groß angelegten Angriff des Vietcong und der nordvietnamesischen Armee erwarte. Westmoreland verlegte bereits amerikanische Truppen in die nördlichen Provinzen Süd- vietnams, da er befürchtete, die normalerweise dort stationierten Kräfte würden nicht ausreichen, sollte der Feind mit massiven Angriffen über die Demilitarisierte Zone beginnen. Schließlich bot die Belagerung von Khe Sanh eine Vorstellung von der Wucht eines solchen Angriffs. Aus die- sem Grund ersuchte Westmoreland in Washington auch um die Genehmigung, die er auch er- hielt, mit der Planung zum Einsatz taktischer Atomwaffen zu beginnen.647

Wie schwer die Kämpfe um Khe Sanh waren, zeigt eine Reportage des amerikanischen Journa- listen John T. Wheeler vom Februar 1968:

“...] The first shell burst caught the Marines filling sandbags. More exploding rockets sent showers of hot fragments zinging. The Americans dove for cover. [...] Inside the bunkers the Marines hugged their legs and bowed their heads, unconsciously trying to make themselves as small as possible. The tempo of the shelling increased and the small opening to the bunker seemed in their minds to grow to the size of a barn door. The 5000 sandbags around and over the bunker seemed wafer thin. [...] There were no prays uttered aloud. Two men growled a stream of profanity at the North Vietnamese gunners who might out snuff their lives at any moment. Near misses rocked the bunker and send dirt cascading down everyone's neck. Outside the random explosions sent thousands of pounds of shrapnel tearing into sandbags and battering already damaged messhalls and tent areas long ago destroyed and abandoned for a life of fear and filth underground. This is life in the V Ring, a sharpshooters's term for the inner part of the bull's eye. At Khe Sanh the V Ring for the North Vietnamese gunners neatly covers the bunkers of Bravo Company, 3rd Reconnaissance Battalion. In three weeks, more than half the company had been killed or wounded. It was recon's bad luck to live in an area bordered by an ammunition dump, a flightline loading area, and the 26th Marine Regiment's command post. [...]”648 Die von Westmoreland und Washington erwartete Offensive fand indes nie statt. Stattdessen grif- fen in den Abendstunden des 30. Januar 1968, als die südvietnamesische Bevölkerung das Tet- Fest beging, Einheiten des Vietcong und der Nordvietnamesischen Armee die größeren Städte und Verwaltungszentren in den nördlichen Provinzen des Südens an. In der Nacht vom 30. auf 645 Vgl. Hammond: Reporting Vietnam..., S. 107 – 108 646 Hammond: Reporting Vietnam..., S. 108 647 Vgl. Hammond: Reporting Vietnam..., S. 109, siehe auch Spector, Ronald H.: After Tet. The Bloodiest Year in Vietnam; New York 1993, S. 1 – 5, im folgenden zitiert als Spector: After Tet..., 648 Zitiert nach Wheeler, John T.: Life in the V Ring; in: Bates, Milton J.; et al. [Hrsg.]: Reporting Vietnam, Ameri- can Journalism 1959 - 1975; New York 2000, S. 327 – 328

Seite 142 “The Picture Survives” den 31. Januar weitete der Gegner seine Angriffe noch weiter aus. Die wichtigsten Städte, Dörfer und Strategic Hamlets des Südens wurden gleichzeitig und koordiniert angegriffen. So attakier- ten beispielsweise 8 Bataillone des Vietcong die alte Kaiserstadt Huê, während in Saigon der Vietcong und dessen Sympathisanten beinahe alle wichtigen politischen Ziele angriffen, darunter den Präsidentenpalast, den Flughafen und die amerikanische Botschaft.649

Westmoreland hielt diese Angriffe für eine Operation, um von dem lange erwarteten Großangriff in der Zone des, an der DMZ stationierten, I. Corps abzulenken. Er interpretierte die Belagerung von Khe Sanh als die entscheidende Operation, eben jenen lang erwarteten Großangriff, und die Angriffe auf beinahe alle Städte des Südens als reines Ablenkungsmanöver. Die Konzentration des Gegners auf so sichtbare Ziele wie die amerikanische Botschaft in Saigon interpretierte Westmoreland – richtigerweise – als Wunsch, die Weltöffentlichkeit zu manipulieren. Der auffal- lende zeitliche Zusammenhang zwischen der „Alles wird gut“-Kampagne des Jahres 1967 und der Tet-Offensive mit den Angriffen auf die amerikanische Botschaft blieb auch den Mitgliedern des Saigoner Pressecorps nicht verborgen. Obwohl sich die Regierung in Washington wie auch Westmoreland in Saigon eifrig um Schadensbekämpfung bemühten, wollte dies keiner der Re- porter so richtig glauben. Die meisten hatten eher den Eindruck, daß Westmoreland “seemed to be mouthing platitudes while the wolf was at the gate.”650 Dementsprechend düster fiel auch die Analyse der Journalisten aus. In ihren Artikeln und Berichten war die Rede davon, daß die USA unvorbereitet angegriffen worden wären oder daß – dies war wohl zutreffender – diese Offensive den Mythos von der alliierten Kontrolle über Südvietnam beschädigt hätte. Die New York Times kam zu folgendem Schluß: “These are not the deeds of an enemy whose fighting efficiency has “progressively declined” and whose morale is “sinking fast”, as United States military officials put it in November.”651 , einer der wohl profiliertesten Fernsehjournalisten jener Zeit und gewiß kein Gegner die Krieges in Vietnam, fragte angesichts des goßen Loches, das in der Mauer der amerikanischen Botschaft in Saigon klaffte, was eigentlich los sei: “I thought we were supposed to be winning this war”.652 Wie dramatisch und auch chaotisch die Lage in Wa- shington war, zeigt die Tatsache, daß sich der PR-Stab des Präsidenten genötigt sah, am 1. Febru- ar, einem Samstag, und auf einer improvisierten Pressekonferenz am Tag darauf zur Tet-Offensi- ve Stellung zu nehmen. Auch dort wurden letzendlich nur als Plattitüden kaschierte Durchhalte- parolen verbreitet: Der Feind werde immer und immer wieder scheitern, da Amerika noch nie aufgegeben habe.653

Verglichen mit dem nächsten Thema, das die Tet-Offensive auf die politische Agenda bringen sollte, waren die oben geschilderten Reaktionen der Presse geradezu harmlos. Am Morgen des 2. Februar 1968 machte der AP-Photograph Edward „Eddie“ Adams ein Bild, das unsterblich wur- de, ihm den Pulitzerpreis einbrachte und die ganze Fragwürdigkeit des amerikanischen Engage- ments in Vietnam aufzeigte. Er fotografierte den Chef der südvietnamesischen Polizei, Brigade- general Nguyen Ngoc Loan, dabei, als er gerade einen gefangengenommenen Offizier des Viet- cong erschoß. In einer kurzen Meldung, die AP mit dem Bild versandte, begründete Loan diese Tat damit, daß der Vietcong viele Amerikaner und viele seiner Landsleute umgebracht habe. Ne- ben Adams war auch ein vietnamesischer Kameramann des amerikanischen Fernsehsender NBC

649 Vgl. Hammond: Reporting Vietnam..., S. 109; Herring: America's Longest War..., S. 203 - 206 650 Hammond: Reporting Vietnam..., S. 111 651 Zitiert nach Hammond: Reporting Vietnam..., S. 112 652 Zitiert nach Hammond: Reporting Vietnam..., S. 112 653 Vgl. Hammond: Reporting Vietnam..., S. 112

Seite 143 “The Picture Survives” vor Ort und drehte die Exekution. Dieser Film lief am selben Abend, leicht geschnitten, in den Nachrichten von NBC, trotzdem hinteließ das Foto von Eddie Adams den bleibenderen Eindruck – obwohl dieses Bild erst am nächsten Morgen in den Zeitungen erscheinen konnte.654

Abbildung 30: Saigon, Vietnam, Feb. 1, 1968 – South Vietnamese national Police Chief Nguyen Ngoc Loan summarily exe- cutes a suspected member of the Viet Cong caputred in Saigon during the communist Tet Offensive.

Photo: Edward „Eddie“ Adams / AP Entnommen aus Alabiso et al.: Flash!..., S. 14 Die Reaktionen der Presse auf dieses Bild, das am 3. Februar in beinahe allem amerikanischen Zeitungen abgedruckt wurde, waren gemischt. Einige Zeitungen versuchten, um eine Balance zu wahren, das Bild in den Kontext der Gräueltaten des Vietcong und somit in den breiteren Kon- text der auf beiden Seiten eskalierenden Gewalt zu stellen. Trotz dieser Versuche, die Gewalttä- tigkeiten beider Seiten gegeneinander aufzurechnen, gewann das Thema immer mehr Aufmerk- samkeit. Am 19. Februar machten die New York Times und die Washington Post, sowie eine Rei- he anderer Zeitungen mit einem Bild von AP auf. Es zeigte einen südvietnamesischen Marinein- fanteristen, wie er einen Gefangenen erschoß. Der dazu veröffentlichte Begleittext zitierte einen namentlich nicht genannten amerikanischen Militärberater, der dem Reporter folgendes in den Notizblock diktiert hatte:

“[...] We usually kill the seriously wounded Viet Cong ... The hospitals are so full ... there is no room for the enemy ... (and) when you've seen five-year-old girls with their eyes blindfolded ... and bullets in their brains, you look for revenge. I saw two little girls that dead (sic) yesterday. One hour ago I shot a Viet Cong. [...]”655

654 Vgl. Arnett: Einsatz des Lebens…, S. 307 – 309; Hammond: Reporting Vietnam..., S. 113 655 Zitiert nach Hammond: Reporting Vietnam..., S. 114 – 115

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Die Reaktionen der Bevölkerung auf diese Aussage, genauso wie auf Eddi Adams Photographie, fielen erstaunlich moderat, wenn nicht sogar desinteressiert aus. Der Fernsehsender NBC, der das Video dieser Exekution noch am gleichen Abend, ohne langatmigen Kommentartext, gesen- det hatte, erhielt insgesamt 90 Zuschriften zu diesem Thema. Davon beklagten sich 65 Briefe- schreiber, daß dieses Video „schlechten Geschmack“ darstelle. Der Rest beschwerte sich ledig- lich darüber, daß dieses Video zu einer Zeit gelaufen sei, in der noch Kinder hätten zuschauen können.656 Es hat den Anschein, als sei die Bevölkerung schon soweit abgestumpft gewesen, daß diese Berichterstattung unter dem Aspekt, so sei eben Krieg, abgehakt worden war.

Die Kämpfe gingen indes mit unverminderter Härte weiter. In den Vororten Saigons lieferten sich Einheiten der südvietnamesischen Armee noch immer heftige Gefechte mit dem Vietcong. Die Schäden, die die Offensive und die Versuche zur Rückeroberung der betroffenen Gebiete an- richteten, waren verheerend. Nicht nur, daß ganze Ortschaften im Mekongdelta von südvietna- mesischen Truppen ausgeplündert wurden, ganze Städte wurden beim Versuch, die Besatzer des Vietcong auszuräuchern, beinahe völlig zerstört. Die Presse berichtete über diese Rückerobe- rungsversuche ausführlich und nahm sich auch der Leiden der Zivilbevölkerung an. Nachdem der AP-Reporter Peter Arnett das Dorf Ben Tre, von dem die konzentrierte amerikanische und südvietnamesische Feuerkraft kaum etwas übrig gelassen hatte, besucht hatte, fragte er in seinem Bericht: “At what point do you turn your heavy guns and fighter bombers on your own city? When does the infliction of civilian casualties become irrelevant as long as the enemy is des- troyed?”657 Diese rhetorische Frage beantwortete er, indem er einen nicht näher genannten US- Militärberater mit den Worten “It became necessary to destroy the town in order to save it.”658 zi- tierte. Dieses Zitat hatte zur Folge, daß die militärische Führung um General Westmoreland extra eine Untersuchungskommission einsetzte, die den Urheber dieses Zitats ausfindig machen sollte. Es mag für die perserve Logik dieses Krieges, die auch jenes Zitat illustriert, bezeichnend sein, daß sich das MACV mehr Sorgen um den Urheber als um die Wirkung, die dieses Zitat haben konnte, machte.

Auch in Huê und Khe Sanh gingen die Kämpfe weiter. In Huê waren Einheiten der südvietname- sischen Marineinfanterie zusammen mit amerikanischen Marines dabei, die Stadt zurückzuer- obern. Diese Kämpfe gerieten in dem Maße, wie die Marines immer weiter in der Stadt vorrück- ten, zu immer heftigeren Häuserkämpfen. Dieses zog natürlich auch amerikanischer Reporter an, die allerdings die südvietnamesischen Einheiten, die die Hauptlast der Kämpfe trugen, weitge- hend ignorierten und sich ganz auf die amerikanischen Marines konzentrierten. William Ham- mond merkt hier aber berechtigterweise an, daß die amerikanische Öffentlichkeit auch genau dies von ihnen erwartete.659 Dadurch entstand aber in der Öffentlichkeit der Eindruck, daß nur die amerikanische Marineinfanterie in Huê kämpfen würde. Dieser Eindruck spiegelt sich auch in Stanley Kubricks Spielfim „Full Metal Jacket“ wider, dessen zweiter Teil, nach dem Ausbil- dungslager Parris Island, in Vietnam spielt und unter anderem die Tet-Offensive und die Rückeroberung Huês zeigt. Auch werden dort die Schrecken der Kriegsführung und die Gräuel- taten an der Zivilbevölkerung thematisiert.

656 Vgl. Hammond: Reporting Vietnam..., S. 115 657 Zitiert nach Hammond: Reporting Vietnam..., S. 115; siehe auch Arnett: Einsatz des Lebens…, S. 311 - 313 658 Zitiert nach Arnett: Einsatz des Lebens…, S. 313; siehe auch Hammond: Reporting Vietnam..., S. 115 659 Vgl. Hammond: Reporting Vietnam..., S. 116

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Abbildung 31: Television crewman film the fighting at Huê.

Entnommen aus Hammond: Reporting Vietnam..., S. 117 Mehr noch als die Rückeroberung Huês war die Schlacht bzw. Belagerung von Khe Sang Thema in den Medien. Eingedenk der Warnung Westmorelands, daß die Hauptbedrohung aus dem Nor- den käme, erkannten die Journalisten relativ bald, daß der Vietcong in Huê auf dem Rückzug sei, die Marines in Khe Sang aber von Kräften des Vietcong umzingelt seien. Daher lag für die Pres- se die Annahme nahe, daß hier eine Entscheidungsschlacht, ähnlich der von Dien Bien Phu, drohte. Präsident Johnson teilte diesen Eindruck nicht zuletzt deswegen, da das, was er zu dieser Zeit am geringsten gebrauchen konnte, eine vernichtende Niederlage amerikanischer Truppen war. Schließlich wuchs die Opposition gegen diesen Krieg in den USA beinahe täglich und seine eigene politische Zukunft war alles andere als sicher. Westmoreland und sein Stellvertreter ver- suchten Johnson zu beruhigen, indem sie ihm zeigten, was die Unterschiede zwischen Khe Sang und Dien Bien Phu wären: Die USA könnten, im Gegensatz zu Frankreich, ihre Basis völlig aus der Luft versorgen. Ferner könnten amerikanische B-52 Bomber die gegnerischen Stellungen ganz nach Belieben unter Feuer nehmen. Westmoreland verbreitete nach außen hin Zuversicht, hatte aber selber massive Zweifel, ob er, falls der Gegner eine Großoffensive in den Süden star- ten würde, diese mit den ihm zur Verfügung stehenden Kräften aufhalten könne. Daher ließ er weiterhin im Geheimen an Plänen arbeiten, die für diesen Fall den Einsatz atomarer Waffen vor- sahen. Problematisch war an diesen Planungsarbeiten die Geheimhaltung – es wußten einfach zu viele Beteiligte, was hier geplant wurde. So meldete am 5. Februar ein anonymer Anrufer dem Auswärtigen Ausschuß des Senats, daß der amerikanische Spezialist für Atomwaffen zusammen mit etlichen anderen Experten und Wissenschaftlern kürzlich Südvietnam besucht habe. Nach ei- ner geheimen Sitzung des Auswärtigen Ausschußes ging der demokratische Präsidentschaftsbe- werber, Senator Eugene J. McCarthy, vor die Presse. Was folgte, war ein Aufschrei der Presse, dem ein Aufschrei des Entsetzens in aller Welt folgte.660

660 Vgl. Hammond: Reporting Vietnam..., S. 118

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Unterdessen wurde die Lage in Khe Sang immer bedrohlicher. In der Berichterstattung nahmen die Ereignisse in Khe Sang immer breiteren Raum ein. So waren beispielsweise 38 Prozent aller Berichte, in denen AP von außerhalb Saigons berichtete, Berichte aus Khe Sang. Auch in den amerikanischen Printmedien war Khe Sang das Top-Thema unter den Berichten aus Vietnam. Zum ersten Mal übertraf das Fernsehen jedoch die Printmedien in der Aufmerksamkeit, die sie dem Ereignis schenkten.661 Dabei steckten die Fernsehteams vor Ort in einem schweren Dilem- ma: “Constrained by the nature of television to show action but unable to feature combat be- cause none occurred within camera range, many reports featured the damage the enemy was causing to the marines while neglecting the havoc American artillery and B-52's were inflicting on the besiegers.”662 Dabei übertraten sie, um der Dramatik willen, oftmals die Grenzen des gu- ten Geschmacks. So verstieg sich ein Reporter des Fernsehsenders CBS zur Aussage: “Here the North Vietnamese decide who lives and who dies [...] and sooner or later they will make the move that will seal the fate of Khe Sang.”663

Teilweise übertrieben die für das Fernsehen tätigen Korrespondenten, um des Effektes willen, heftig. So wurden beispielsweise die Zahlen der verlorengegangen Flugzeuge und Helikopter, die durchaus – angesichts der Größe der Operationen – im Rahmen lagen, zu einem Symbol aufge- bauscht, das nicht seiner aktuellen Bedeutung entsprach. So beschrieb ein Journalist des Fernseh- senders ABC eine Gruppe von 18-jährigen Marines, die darauf warteten, aus Khe Sang ausgeflo- gen zu werden, damit, daß sie zur Zeit nur ein Ziel hätten: “[...] to become nineteen – a final dash across the runway into ... cargo planes for a flight back to the world.”664 Jener Reporter fuhr mit dem ominösen Hinweis auf die Landebahn fort, dort lägen “the skeletons of cargo planes that didn't make it.”665 Das Jahr 1968 sollte somit zum blutigsten Jahr des amerikanischen Engagements in Vietnam werden. In den Wochen und Monaten nach der Tet-Offensive waren, wie die folgende Graphik zeigt, mehr Tote und Verwundete zu beklagen als in den Jahren zuvor.

2000

1500

1000

500

0

...... 2 3 3 4 5 5 2 3 4 0 0 0 0 0 0 . 0 . . 0 . . . 0 ...... 2 . 2 3 . 3 4 4 . 5 5 6 3 2 0 3 1 5 0 7 0 0 6 0 0 0 7 0 0 0 0 0 3 1 1 2 . 1 . . 1 . . . 2 . . . ------0 - 4 9 - 3 6 0 - 4 8 1 ...... 1 . 2 0 . 2 0 2 . 0 1 0 1 2 3 4 5 5 - 2 - - 3 - - - 4 - - - 0 0 0 0 0 0 . 0 . . 0 . . . 0 ...... 2 . 2 3 . 3 3 4 . 4 5 5 7 5 4 7 5 9 0 1 0 0 0 0 0 0 1 0 0 0 2 2 2 0 0 1 . 1 . . 1 . . . 2 . . . 4 8 3 7 1 4 8 2 6 0 1 0 1 3 1 2 1 2

Verw undet, nicht hospita- Getötet Verw undet, hospitalisiert lisiert

Abbildung 32: Amerikanische Verluste für die Monate Februar bis Mai 1968, wie sie von Situation Room des White House zusammengestellt wurden.

Entnommen aus: Spector: After Tet..., S. 319

661 Vgl. Hammond: Reporting Vietnam..., S. 119 662 Hammond: Reporting Vietnam..., S. 119 663 Zitiert nach Hammond: Reporting Vietnam..., S. 119 664 Zitiert nach Hammond: Reporting Vietnam..., S. 119 665 Zitiert nach Hammond: Reporting Vietnam..., S. 119

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4.2.5.3 Der Fall Vietnams an den Kommunismus

Die Tet-Offensive mag zwar für den Vietcong ein militärischer Fehlschlag gewesen sein, die Auswirkungen auf die amerikanische Innen- wie Außenpolitik waren jedoch weitaus gravieren- der und folgenreicher, als dies zuerst den Anschein haben mochte. Der erste, der den Schockwel- len, die die Tet-Offensive ausgelöst hatte, zum Opfer fiel, war der Kommandeur aller Streitkräfte in Südvietnam, William Westmoreland. Präsident Johnson verkündete am 28. März 1968, daß Westmoreland der neue Chairman der Joint Chiefs of Staff werden sollte. Diese Beförderung zum ranghöchsten amerikanischen Soldaten war in Wirklichkeit nicht mehr als eine schlecht ka- schierte Suche nach Alternativen. Da Johnson Westmoreland nicht wegen Unfähigkeit entlassen oder wegen Feigheit vor dem Feind anklagen konnte, war diese Beförderung, also Westmoreland gewissermaßen wegzuloben, die einzige Möglichkeit, einen anderen Befehlshaber in Vietnam einzusetzen.666 Wenige Tage später, am 31. März 1968, kündigte Johnson am Ende einer Rede über “Peace in Vietnam and Southeast Asia” an, daß er nicht mehr für das Amt des Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika kandidieren werde:

„[...] For 37 years in the service of our Nation, first as a Congressman, as a Senator, and as Vice President, and now as your President, I have put the unity of the people first. I have put it ahead of any divisive partisanship. And in these times as in times before, it is true that a house divided against itself by the spirit of faction, of party, of region, of religion, of race, is a house that cannot stand. There is division in the American house now. There is divisiveness among us all tonight. And holding the trust that is mine, as President of all the people, I cannot disregard the peril to the progress of the American people and the hope and the prospect of peace for all peoples. [...] With America's sons in the fields far away, with America's future under challenge right here at home, with our hopes and the world's hopes for peace in the balance every day, I do not believe that I should devote an hour or a day of my time to any personal partisan causes or to any duties other than the awesome duties of this office – the Presidency of your country. Accordingly, I shall not seek, and I will not accept, the nomination of my party for another term as your President. [...]“667 Aus den Wahlen im November 1968 ging daher erwartungsgemäß der republikanische Präsident- schaftskandidat, , als Sieger hervor. Nixon hatte während des Wahlkampfes be- hauptet, einen Plan zur Beendigung des Krieges zu haben. Es scheint klar, daß Nixon, selbst wenn er diesen Plan wirklich in der Hinterhand gehabt haben sollte, den Krieg nicht sofort been- den konnte. Ein sofortiger Rückzug ist zwar eine gerne gestellte Forderung der Opposition, in der Praxis ist ein solcher Rückzug aber kaum durchführbar. Einem solchen Unternehmen stehen in erster Linie logistische Gründe entgegen. Ferner ist ein sofortiger Rückzug immer mit erhebli- chen politischen Implikationen behaftet, die im Kontext des Kalten Krieges einen solchen Rück- zug schier unmöglich machten. Daher waren die meisten Amerikaner auch gerne bereit, ihm aus- reichend Zeit zuzugestehen, um diese Exit-Strategie entwickeln zu können. Die Grundzüge die- ser Strategie verkündete Nixon in einer Rede, die am 3. November 1969 live aus dem Oval Offi- ce übertragen wurde. Nach einer eher allgemein gehaltenen Einleitung beginnt Nixon mit der Schilderung der Lage inVietnam, wie er sie bei seinem Amtsantritt vorgefunden habe:

“[....] Now, let me begin by describing the situation I found when I was inaugurated on January 20. • The war had been going on for 4 years. • 31,000 Americans had been killed in action. • The training program for the South Vietnamese was behind schedule. 666 Vgl. Arnett: Einsatz des Lebens…, S. 315 667 Rede des amerikanischen Präsidenten Lyndon B. Johnson an die amerikanische Nation über „Peace in Vietnam and Southeast Asia“ vom 31. März 1968; Gettleman et al.: Vietnam and America..., S. 401 – 409

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• 540,000 Americans were in Vietnam with no plans to reduce the number. • No progress had been made at the negotiations in Paris and the United States had not put forth a comprehensive peace proposal. • The war was causing deep division at home and criticism from many of our friends as well as our enemies abroad. In view of these circumstances there were some who urged that I end the war at once by ordering the immediate withdrawal of all American forces. From a political standpoint this would have been a popular and easy course to follow.[...]”668 Nixon fährt dann mit der Schilderung fort, wie es zum amerikanischen Engagement in Vietnam gekommen sei, und stellt dann die rhetorische Frage, wie denn nun dieser Krieg zu beenden sei. Den Befürwortern eines sofortigen Rückzugs nimmt er mit den bereits oben angedeuteten Argu- menten die Basis ihrer Argumentation: “In January I could only conclude that the precipitate withdrawal of American forces from Vietnam would be a disaster not only for South Vietnam but for the United States and for the cause of peace.”669 Danach geht er detailliert auf die Gründe, warum diese Forderung politisch unklug und unpraktikabel sei, ein. Für Südvietnam sei ein sol- cher Rückzug ein einziges Unglück, da dies eine sofortige Machtübernahme der Kommunisten bedeuten würde und diese fürchterliche Rache an der Bevölkerung nehmen würden. Als Beispiel führt er die, von den Einheiten der NVA und des Vietcong bei den Kämpfen um Huê während der Tet-Offensive begangenen, Gräueltaten an. Ferner könnten sich die USA nicht von jetzt auf gleich aus Vietnam zurückziehen, da dies dem Eingeständnis einer Niederlage gleichkäme und damit der Ruf der USA weltweit auf dem Spiel stünde: “For the United States, this first defeat in our Nation's history would result in a collapse of confidence in American leadership, not only in Asia but throughout the world.”670 Nixon fährt mit der Schilderung der Maßnahmen fort, die er seit seiner Amtsübernahme getroffen habe, um Bewegung in den festgefahrenen Friedensprozeß zu bringen. Er zitiert dabei ausführlich einen Brief, den er Mitte Juli 1969 über einen Mittels- mann an Ho Chi Minh geschrieben habe. Die Antwort Ho Chi Minhs wird von Nixon interessan- terweise aber nicht zitiert. Er verweist an dieser Stelle darauf, daß der Wortlaut des Briefes der Presse zur Verfügung gestellt wurde. Danach folgt eine eindeutige Schuldzuweisung an die nord- vietnamesische Seite, die alle Friedensbemühungen blockieren würde. Der Präsident kündigt daraufhin eine Veränderung in der amerikanischen Außenpolitik an, die in Zukunft weitere „Viet- nams“ verhindern solle. Nebenbei liefert er eine interessante Erklärung für den Einsatz dieser großen amerikanischen Streitmacht in Vietnam:

“[...] We Americans are a do-it-yourself people. We are an impatient people. Instead of teaching someone else to do a job, we like to do it ourselves. And this trait has been carried over into our foreign policy. In Korea and again in Vietnam, the United States furnished most of the money, most of the arms, and most of the men to help the people of those countries defend their freedom against Communist aggression.[...]”671 Daher sei es Prinzip seiner Regierung, alle Verpflichtungen, die aus den bestehenden Bündnissen erwüchsen, zu erfüllen. Es sei aber nicht die Aufgabe der USA, für alle Länder die Freiheit zu verteidigen:

668 Rede des amerikanischen Präsidenten Richard Milhouse Nixon über die „Vietnamisierung“ des Krieges in Viet- nam vom 3. November 1969; in: Gettleman et al.: Vietnam and America..., S. 436 - 445 669 Rede des amerikanischen Präsidenten Richard Milhouse Nixon über die „Vietnamisierung“ des Krieges in Viet- nam vom 3. November 1969; in: Gettleman et al.: Vietnam and America..., S. 436 - 445 670 Rede des amerikanischen Präsidenten Richard Milhouse Nixon über die „Vietnamisierung“ des Krieges in Viet- nam vom 3. November 1969; in: Gettleman et al.: Vietnam and America..., S. 436 - 445 671 Rede des amerikanischen Präsidenten Richard Milhouse Nixon über die „Vietnamisierung“ des Krieges in Viet- nam vom 3. November 1969; in: Gettleman et al.: Vietnam and America..., S. 436 - 445

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“[...] The defense of freedom is everybody's business not just America's business. And it is particularly the responsibility of the people whose freedom is threatened. In the previous administration, we Americanized the war in Vietnam. In this administration, we are Vietnamizing the search for peace. [...]”672 Nixons Plan zur Vietnamisierung sah vor, die bis dahin wenig effektiv agierende südvietnamesi- sche Armee soweit aufzurüsten und auszubilden, daß sie in die Lage versetzt würde, den Kampf gegen die Einheiten von Vietcong und NVA selbständig, ohne weiteres amerikanisches Eingrei- fen, zu führen. Das amerikanische Engagement in Vietnam sollte also zu einem ehrenhaften Ende gebracht werden. Das Konzept der Vietnamisierung erlaubte es den USA, sich ohne Ge- sichtsverlust aus Vietnam zurückzuziehen, ohne gleichzeitig den Sturz der südvietnamesischen Regierung zu riskieren, und so eine sofortige kommunistische Machtübernahme in Südvietnam zu verhindern.

Wie sehr das Konzept der Vietnamisierung auf tönernen Füßen stand, zeigte sich gegen Ende des Jahres 1974. Die amerikanischen Einheiten waren zu diesem Zeitpunkt bis auf wenige Logistik- einheiten und Marines, die unter anderem die amerikanische Botschaft in Saigon beschützen, ab- gezogen. Die südvietnamesischen Einheiten konnten dem Druck der nordvietnamesischen Offen- siven kaum noch standhalten, so daß bereits weite Teile Südvietnams de facto unter nordvietna- mesischer Kontrolle standen. In den ersten Wochen des Jahres 1975 ging die Offensive der NVA weiter, so daß Anfang April alle wichtigen Städte Südvietnams, mit Ausnahme Saigons, unter Kontrolle der Nordvietnamesen standen. Die letzte Stadt vor Saigon, Bien Hoa, etwa 20 km Luftlinie von Saigon entfernt, drohte um den 20. April 1975 an die NVA zu fallen. Der bevorste- hende Fall von Saigon sollte für viele der Korrespondenten, die während der letzten Jahre über diesen Krieg berichtet hatten, zum Schlußkapitel des Krieges und damit auch zum Schlußkapitel eines Teils ihres Lebens und ihrer Karriere werden.

Abbildung 33: Baigon, April 27th, 1975 – Col. Ba holds press conference at North Vietnamese compound at Ton San Nhut.

Photo: / Life http://www.digitaljournalist.org/issue0005/images/5-2.jpg (Letzter Zugriff: 15. 07. 2008)

672 Rede des amerikanischen Präsidenten Richard Milhouse Nixon über die „Vietnamisierung“ des Krieges in Viet- nam vom 3. November 1969; in: Gettleman et al.: Vietnam and America..., S. 436 - 445

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4.3 Zwischenfazit

Wenn aber das „Zeitalter des Totalen Krieges“ mit dem 2. September 1945, dem Datum der japa- nischen Kapitulation vor Douglas MacArthur auf dem Schlachtschiff “USS Missouri” in der Bucht von Tokio, endet, stellt sich die Frage, welcher Typus von Kriegen danach kam. Die klas- sischeDefinition dieser Kriegs ist die des „begrenzen Krieges“. Dieser Begriff, eingeführt als Ab- grenzung zum Phänomen des „Totalen Krieges“, beschreibt einen Krieg, der in seiner Reichweite und seinem Ziel, aber nicht unbedingt auch in seinen Auswirkungen, beschränkt ist:

„[...] Since 1945 large-scale conventional, interstate war has been limited almost entirely to one part of the world. Shaped like a huge sickle, it starts in the Eastern Mediterranean (the Balkans), passed through the Middle East and the Horn of Africa, extends through the Persian Gulf to South Asia, and reaches by way of Vietnam all the way to Korea. Again proceeding from west to east, the List opens with the two Balkan wars of 1992-99. It also includes the six Arab-Israeli wars of 1948, I956, 1967, I970, I973, and 1982; the war between Ethiopia and Somalia; the two Gulf wars of 1991 and 2003, plus the Iran-Iraq War of 1980-88; the three Indo-Pakistani wars of 1947-48, 1965, and 1971; the 1961 Indo-Chinese War; the 1979 Chinese Invasion of Vietnam; and, of course, the Korean War of 1950-53. Thus, the total number of wars waged in this region stands at eighteen. By contrast, and disregarding one or two Latin American "wars" that broke out over such things as a football match between Honduras and El Salvador, elsewhere in the world there has been only one real war: the one waged by the British and the Argentines over the Falkland Islands in 1982. However, since 1945 no first-, or second-rate powers ever engaged in more than border skirmishes against each other. [...]673 Der erste Krieg, der nach diesem Prinzip ausgefochten wurde, war der Krieg in Korea. An ihm lassen sich die Gesetzmäßigkeiten eines solchen begrenzten Krieges studieren: Auf seiten der Streitkräfte unter Führung der Vereinten Nationen und MacArthurs waren die Kriegsziele massiv begrenzt: MacArthurs eigentlicher Auftrag lautete, die nordkoreanischen Angreifer hinter die De- markationslinie des 38. Breitengrades zurückzudrängen. Der hierfür notwendige Kräfteansatz war vor allem durch den akuten Mangel an Personal und den Zustand der amerikanischen Trup- pen in Japan limitiert. Die Kriegsführung der nordkoreanischen Seite hingegen – und dies zeigt deutlich, daß der Begriff des „begrenzten Krieges“ ebenfalls einen weiten Spielraum an Defini- tionen und Grundbedingungen aufweist – war alles andere als begrenzt. Spätestens mit dem Ein- greifen Chinas führte Nordkorea einen unbegrenzten und in Ansätzen totalen Krieg gegen die Streitkräfte der Vereinten Nationen und Südkoreas.

Die Berichterstattung über diesen Krieg war nur beschränkt möglich. Dies lag vor allem an der rigiden Pressepolitik Douglas MacArthurs, aber auch an den miserablen Kommunikationsbedin- gungen der damaligen Zeit.

Auch der Indochina-Krieg wurde seitens der französischen Regierung und später auch seitens der amerikanischen Regierung nur als limitierter Krieg geführt, während die Viet Minh die Un- terstützung der Bevölkerung ausnutzten bzw. einforderten und so einen, zumindest dem An- schein nach, totalen Krieg gegen die französischen Besatzer führten. Die Erfahrungen, die die französischen Soldaten machten, die auf der Küstenstraße Nr. 1, der „rue sans joie“, Versor- gungsgüter transportieren mußten und dabei immer wieder das Ziel von Angriffen aus dem Hin- terhalt wurden, hielt der amerikanische Journalist, Bernhard B. Fall, in seinem Buch „Street Without Joy“ fest. Die Geschichte der französischen Niederlage von Dien Bien Phu zeigt deut-

673 van Creveld, Martin: The Changing Face of War. Combat from the Marne to Iraq; New York 2008, S. 187; im folgenden zitiert als van Creveld: Changing Face of War…,

Seite 151 “The Picture Survives” lich, wie sehr die meisten Journalisten bereit waren, sich von dem Offensichtlichen täuschen zu lassen. Sie stilisierten die Festung von Dien Bien Phu zur uneinnehmbaren Festung herauf, die jedem Versuch der Eroberung durch die Viet Minh standhalten würde. Was im Mittelalter, als noch gewaltige Ritterheere aufeinanderprallten, funktioniert haben mochte, würde, dessen waren sich die meisten Reporter sicher, auch noch im Jahre 1954 funktionieren. Dabei hätte selbst den militärisch Unbedarftesten unter ihnen auffallen können, an welch seidenem Faden die ganze Festung hing. Die Bewölkung, die während der Belagerung eine ausreichende Versorgung aus der Luft beinahe vollständig unmöglich machen sollte, bestand ja nicht erst mit dem Beginn der Schlacht um Dien Bien Phu. Erschwert wurde eine kritische Sicht auf dieses gesamte Abenteuer dadurch, daß gerade die französischen Reporter immer dem Druck der Heimat ausgesetzt waren, eine Siegesperspektive zu vermitteln.

Der amerikanische Krieg in Vietnam, von dem Historiker George C. Herring nicht ohne Grund als “Americas longest war” bezeichnet, ist vielleicht das extremste Beispiel für die Ausmaße, die ein begrenzter Krieg trotzdem erreichen kann. Auch hier zeigt sich wiederum, daß die gegneri- sche Seite, der Vietcong und die nordvietnamesische Armee, eher einer totalen Kriegsführung zuneigten. Der vom Hamburger Historiker Bernd Greiner zitierte Ausspruch amerikanischer GI's “There was more if it in Vietnam”674 verweist nicht nur auf die Ereignisse des Krieges, die mit außerordentlicher Härte geführten Kämpfe und die widrigen Lebens- und Umweltbedingungen, sondern auch auf die Berichterstattung über diesen Krieg. Niemals zuvor wurde so viel und so ausführlich über einen Krieg berichtet. Zum ersten Mal in der Geschichte der Kriegsberichter- stattung war es möglich, mit nur minimaler Zeitverzögerung Filmaufnahmen der zum ersten Mal großflächig eingesetzten Fernsehteams in den abendlichen Hauptnachrichtensendungen zu sehen.

“[...] The Vietnam War was complicated by factors that had never before occured in America's conduct of a war. ... The American news media had come to dominate domestic opinion about its purpose and conduct. ... In each night's TV-news and each morning's paper the war was reported battle by battle, but little or no sense of the underlying purpose of the fighting was conveyed. Eventually this contributed to the impression that we were fighting in military and moral quick sand, rather than toward an important an worthwhile objective. More than ever before, television showed the terrible human suffering and sacrifice of war. Whatever the intention behind such relentless and literal reporting of the war, the result was a serious demoralizing of the home front, raising the question whether America would ever again be able to fight an enemy abroad with unity and strength of purpose at home.”675 Der Effekt, den diese breite Berichterstattung auf die Heimatfront hatte, darin ist Daniel Hallin zuzustimmen, war verheerend. Nicht nur, daß gewissermaßen jeden Abend zu sehen war, wie brutal und verlustreich die Kampfhandlungen waren, sondern auch die Tatsache, daß viele der Berichte in den Medien ein vollkommen anderes, wesentlich düstereres Bild von der Lage in Vi- etnam zeichneten als die offiziellen Berichte und Verlautbarungen, taten ein übriges, diesen Krieg extrem unpopulär zu machen.

Jeder Versuch der amerikanischen Regierung, der kritischen Presse und der negativen Berichter- stattung Herr zu werden, war dadurch zum Scheitern verurteilt, daß es niemals eine offizielle Kriegserklärung des Kongresses gab, in deren Folge man strikte Zensurmaßnahmen verhängen konnte. So blieb der Regierung nur die wesentlich ineffizientere und nicht wirklich aussichtsrei- che Alternative, über die Pressebüros vor Ort und die Chefredakteure daheim, eine Änderung der Berichterstattung herbeizuführen; ein Unterfangen, das niemals wirklich Aussicht auf Erfolg hat- te. 674 Greiner: Blutpumpe..., S. 167 675 Richard Nixon zitiert nach Hallin: Uncensored War..., S. 3

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5 Kriege nach Ende des Vietnamkrieges, 1975 bis 1990

Zu den Erkenntnissen, die Militärs in aller Welt aus dem Krieg in Vietnam gewonnen hatten, zählte unter anderem jene von der Macht der Presse und der Macht der öffentlichen Meinung. Zu den vielen Mythen, die sich um den Krieg in Vietnam ranken, gehört jener Mythos vom enormen negativen Einfluß der amerikanischen Journalisten auf die Moral der Heimatfront.676 Diese Art von amerikanischer „Dolchstoßlegende“ in etwa dem Argumentationsmuster: „Der Vietcong hat uns nie im Felde besiegt“ folgend, hält sich bis heute. Die Lehre, die die militärischen Befehlsha- ber, aber auch die Politiker in aller Welt daraus gezogen hatten, war, zukünftig zu verhindern, dass Berichterstatter in kommenden Kriegen, analog zu Vietnam, ohne jegliche Kontrolle auf den Schlachtfeldern herumspazieren.

5.1 Der Krieg um die Falkland-Inseln

Als argentinische Truppen am 2. April 1982 auf den, der argentinischen Ostküste vorgelagerten und als Kronkolonie zum britischen Königreich gehörenden, Falkland-Inseln677 einmarschierten, war das Erstaunen in der Welt groß. Nicht nur, daß die Existenz dieser Inseln den meisten Men- schen nicht einmal bekannt war, so war auch der bis dahin latent schwelende Konflikt zwischen Argentinien und England, der auf der politischen Agenda irgendwo zwischen “neither important enough to solve nor unimportant enough to forget”678 lag, weitgehend unbeachtet von der Öf- fentlichkeit geblieben.679

Bei den Falkland-Inseln handelt es sich um zwei große Inseln, Ost- und West Falkland, und ca. 200 kleinere Inseln mit einer Gesamtfläche von 12173 km2. Damit ist diese Inselgruppe nur et- was kleiner als Wales. Dieses Archipel liegt ca. 750 km nordöstlich von Kap Hoorn mitten im Südatlantik, mit 1800 km Entfernung liegen die Inseln näher an Buenos Aires, während die Ent- fernung zwischen London und der Inselgruppe etwas 12000 km beträgt.680 Zum Zeitpunkt der In- vasion lebten auf den Inseln etwa 1800 Personen. Die Mehrheit der Einwohner kam, einem Zen-

676 Vgl. Klein, Lars: Größter Erfolg und schwerstes Trauma. Die folgenreiche Idee, Journalisten hätten den Viet- namkrieg beendet; in: Daniel, Ute [Hrsg.]: Augenzeugen. Kriegsberichterstattung vom 18. bis zum 21. Jahrhun- dert; Göttingen 2006, S. 193 – 216; im folgenden zitiert als Klein: Größter Erfolg und schwerstes Trauma... 677 Im argentinischen bzw. spanischen Sprachgebrauch ist von den „Islas de las Malvinas“ die Rede. Siehe Billing, Peter: Der Falkland-Malwinen-Konflikt. Ursachen - Hintergründe - Lösungsperspektiven; London 1983, S. 73 – 83; im folgenden zitiert als Billing: Falkland-Konflikt..., 678 Zitiert nach Schmelter-Mühle, Ulrike: Krieg im Südatlantik. Die Politik der USA im Falklandkonflikt von 1982; Frankfurt / Main, Berlin, Bern 1996, hier S. 44; im folgenden zitiert als Schmelter-Mühe: Krieg im Südatlantik..., 679 Siehe Ruloff, Dieter: Wie Kriege beginnen. Ursachen und Formen; München 20043, S. 143, im folgenden zitiert als Ruloff: Kriege beginnen..., siehe auch Oehrlein, Josef: Der verdrängte Kampf um die Malvinen. Vor 25 Jah- ren zettelte der argentinische Diktator Galtieri den Falkland-Krieg gegen Großbritannien an; in: Frankfurter All- gemeine Zeitung 77 / 31. März 2007; S. 6, im folgenden zitiert als Oehrlein: Verdrängter Kampf um die Malvi- nen..., 680 Vgl. Billing: Falkland-Konflikt..., S. 68

Seite 153 “The Picture Survives” sus des Jahres 1980 zufolge, auf den Inseln zur Welt. In der Hauptstadt der Inselgruppe, Port Stanley, wohnten zu diesem Zeitpunkt ca. 1050 Einwohner. Haupteinnahmequelle der Einwohner ist die Schafzucht.681

Abbildung 34: Politische Karte der Falkland-Inseln

Entnommen aus http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/c/c0/Falklandinseln_karte.svg (Letzter Zugriff: 15. 07. 2008)

5.1.1 Historischer Kontext

Der historische Hintergrund der argentinischen Invasion von 1982 stellt sich wie folgt dar: Die Falkland-Inseln waren schon seit langer Zeit Streitobjekt zwischen den verschiedensten Mäch- ten. Bereits lange bevor Argentinien als Staat existierte, gab es Streit um die territoriale Zugehö- rigkeit der Falkland-Inseln. Wer wann genau die Inselgruppe der Falkland-Inseln entdeckt hat, läßt sich heute nicht mehr genau rekonstruieren. Als terminus post quem läßt sich das Jahr 1502 festhalten, als dieses Archipel auf einer der Expeditionsreisen Amerigo Vespuccis gesichtet wor- den sei. Weitere mögliche Sichtungen danach erfolgten durch Ferdinand Magellan (Sichtung 1519 / 1520), die spanischen Seefahrer Esteban Gómez (1520), Simon de Alcazaba (1535) und

681 Vgl. Billing: Falkland-Konflikt..., S. 68 – 69, einem Zensus des Jahres 2001 zufolge leben 2391 Menschen auf den Falklandinseln, entnommen aus Special Committee on the Situation with regard to the Implementation of the Declaration on the Granting of Independence to Colonial Countries and Peoples: Falkland Islands (Mal- vinas). Working Paper prepared by the Secretariat, 11. April 2006; Drucksache der Generalversammlung der Vereinten Nationen A/AC.109/2006/17

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Camargo (1540), die britischen Entdecker John Davis (1592) und Sir Richard Hawkins (1594), sowie den holländische Seefahrer Sebald de Weert (1600).Alle diese Sichtungen geschahen mehr oder minder zufällig, die meisten Schiffe waren in der Magellanstraße unterwegs, als sie in See- not gerieten und auf dem Weg nach Europa an jenem Archipel vorbeikamen. Die Magellanstraße gilt mit ihrem „komplizierte[n] System der Winde und Strömungen sowie d[en] vielen Untiefen und d[em] allgemein harte[m] Klima“682 als navigatorisch extrem anspruchsvolle Route und auch heute noch als eine der gefährlichsten Wasserstraßen der Welt.683

Erst im Jahre 1690 befuhr der britische Kapitän John Strong mit seinem Schiff „Welfare“ den langen Kanal zwischen den beiden Hauptinseln. Diesem Kanal gab er, dem damaligen Schatz- meister der Royal Navy und späterem Ersten Lord der Admiralität, Viscount Falkland, zu Ehren den Namen Falkland. Dabei legte Strong am 17. Januar des Jahres 1690 zum ersten Mal auf ei- ner der Inseln an – allerdings ohne diese Insel für die britische Krone in Besitz zu nehmen.684

Die nächsten Menschen, die ihren Fuß auf die Insel setzten, waren französische Walfänger, die dort während der Jagdsaison ihr Standquartier hatten. 1764685 gründete der Franzose Louis Antoi- ne de Bougainville auf der Ostinsel eine Kolonie mit 17 aus Kanada vertriebenen Franzosen so- wie einigen Auswanderern aus der Gegend um Saint Malo. Louis Antoine de Bougainville war der „erste, der im Dunkel der Geschichte der Entdecker und Entdeckungen auszumachen ist, und zugleich die Voraussetzungen für eine nach damaligen Völkerrecht anerkannten Rechtser- werb auf den Falklandinseln schuf “686. Die Auswanderer gaben dem Archipel den Namen „Les Nouvelles Malouines“687 und erbauten zudem einen Hafen, dem sie den Namen Port Saint Louis gaben.688 Die spanische Krone erfuhr jedoch bald von dieser Landnahme und protestierte – basie- rend auf der von Papst Alexander VI. erlassenen Bulle „Inter Caetera“ von 1493689 und dem Ver- trag von Tordesillas von 1494 – gegen die französische Inbesitznahme.690 Mit diesem Protest ver- bunden ist das Angebot, eine Kompensationszahlung in Höhe von 25000 £ zu leisten. Die fran- zösische Seite ging nur zögerlich auf dieses Geschäft ein und übergab erst zum 1. April des Jah- res 1767 die Inselgruppe formell an Spanien. Die bestehende Siedlung wurde von den Spaniern übernommen und unter die Verwaltung eines Gouverneurs gestellt.691

682 Meister: Krieg um die Falkland-Inseln..., S. 7 683 Vgl. Schmelter-Mühe: Krieg im Südatlantik..., S. 30 – 31, Billing: Falkland-Konflikt..., S. 73; Meister: Krieg um die Falkland-Inseln..., S. 2 – 8 684 Vgl. Billing: Falkland-Konflikt..., S. 73, Meister: Krieg um die Falkland-Inseln..., S. 8, Freedman, Lawrence: Britain and the Falklands War; Oxford 1988, S. 18, im folgenden zitiert als Freedman: Britain and the Fal- klands..., siehe auch Thatcher, Margaret: Downing Street No. 10. Die Erinnerungen; Düsseldorf, Wien, New York 1993, S. 258, im folgenden zitiert als Thatcher: Downing Street No. 10..., 685 Laut Billing nahm de Bougainville die Insel formell für die französische Krone in Besitz, vgl. Billing: Falkland- Konflikt..., S. 75. Meister und Billing sind sich lediglich über das Jahr 1764 einig. Über das Datum der genauen Landung bzw. Landnahme herrscht bei den Autoren große Uneinigkeit, ihre Angaben differieren um drei Mona- te. Meister gibt den 31. Januar 1764 als Gründungsdatum an, während Billing den 5. April des gleichen Jahres angibt. 686 Zitiert nach Schmelter-Mühe: Krieg im Südatlantik..., S. 31 687 Daraus wurde durch Hispanisierung dieses Namens die heutige spanische Version „Islas Malvinas“. Im folgen- den werden die Begriffe „Falklandinseln“ und „Malvinen / Malvinas“ synonym verwandt. 688 Vgl. Billing: Falkland-Konflikt..., S. 74, Meister: Krieg um die Falkland-Inseln..., S. 8 689 Papst Alexander VI. legte mit dieser Bulle eine imaginäre Linie fest, die 100 Seemeilen westlich der Azoren und den Kap Verdischen Inseln verlief. Spanien sollte alle Lande westlich und Portugal alle Lande östlich dieser Li- nie erhalten, vgl. Schmelter-Mühe: Krieg im Südatlantik..., S. 30 690 Zu den juristischen Aspekten der spanischen Position siehe Hillekamps, Bernd: Der Streit um die Falklandin- seln; Bonn 1978, S. 54 – 58, im folgenden zitiert als Hillekamps: Streit um die Falklandinseln..., 691 Vgl. Billing: Falkland-Konflikt..., S. 75

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England als aufstrebende Seemacht versuchte nun auch, eine Operationsbasis im Südatlantik zu bekommen. Die allgemeine politische Situation begünstigte dieses Vorhaben, denn der Einfluß der Seemächte Portugal und Spanien begann, nicht zuletzt durch die seitens der englischen Kro- ne geduldete Piraterie, allmählich zu schrumpfen. So konnte am 21. Juni 1764 ein britischer Flot- tenverband unter dem Kommando von John Byron, dem Großvater des Reiseschriftstellers Lord Byron, Kurs auf die Falklands nehmen. Offenbar hatte Byron von der Expedition de Bougainvil- les keine Kenntnis. Er landete daher am 11. Januar 1765 auf Westfalkland, nahm die Insel für König Georg III. in Besitz und gründete die Siedlung Port Egmont. Mittlerweile war zwar be- kannt geworden, daß die Inselgruppe französisch besetzt war, aber da Byron keine Anzeichen menschlicher Besiedlung entdecken konnte, war es lange Zeit unklar, ob beide Nationen über- haupt das gleiche Archipel okkupiert hatten.692 So beschloß der damals für den Südatlantik ver- antwortliche Minister die Entsendung einer weiteren Expedition zu den Falklands mit dem Ziel, Port Egmont zu einer ständigen britischen Garnison mit 25 Soldaten auszubauen. Wie wichtig die Falklandinseln schon damals für die britische Krone waren, läßt sich daran erkennen, „daß Lord Egmont die Inseln als „Schlüssel zum Pazifik“ bezeichnete“693. In der Tat konnte von den Falklands aus der Handel mit Chile, Panama und Acapulco kontrolliert werden.

Obwohl an der französischen Okkupation der Falklandinseln auf britischer Seite kein Zweifel mehr bestand, beauftragte man im September des Jahres 1765 Kapitän John McBride694 mit der Errichtung einer britischen Siedlung in Port Egmont. McBride traf am 8. Januar des darauffol- genden Jahres ein, beinahe zwei Jahre nach der Inbesitznahme des Archipels für Frankreich durch de Bougainville. McBride fand jedoch erst gute 11 Monate nach seiner Ankunft, im De- zember 1766 und damit drei Monate nach der spanisch-französichen Übereinkunft, die ersten Anzeichen einer französischen Kolonie. McBride forderte daraufhin die Franzosen zum Abzug auf, was diese, da sie ja durch die französische Krone legitimiert waren, ablehnten.695

Als jedoch der spanische Hof von den Aktionen McBrides Kenntnis erlangte, zog er als erste Re- aktion einen Krieg gegen England in Erwägung. Er ließ jedoch von diesem Unterfangen ab, da Frankreich, sein Verbündeter, nicht bereit war, diesen Waffengang mitzugehen. Der spanische Hof entschied sich stattdessen dafür, den Generalkapitän von Buenos Aires zu ermächtigen, die britische Siedlung nötigenfalls mit Gewalt aufzulösen. Die kleine englische Garnison in Port Eg- mont konnte der spanischen Übermacht nicht lange standhalten: nach kurzer, aber heftiger Ge- genwehr mußte sie am 10. Juni 1770 die Insel verlassen.696

Diese Strafexpedition führte zu extremer Verstimmung auf der britischen Seite. Die britische Öf- fentlichkeit empfand die spanische Aktion als Herabsetzung der nationalen Würde des Vereinig- ten Königreiches. In Kombination mit einer schwachen Regierung unter Lord North, die haupt- sächlich der Opposition beweisen wollte, wie durchsetzungsfähig sie wirklich war, führte diese Verstimmung mehr oder minder direkt zu einer britischen Kriegsdrohung gegen Spanien. Der an- gedrohte Krieg wurde nur deshalb vermieden, weil Frankreich der spanischen Krone – die ohne die französische Unterstützung keine Chance gegen England gehabt hätte – die Unterstützung abermals verweigerte hatte.697 Die britische Regierung ging jedoch schon vorsichtshalber den

692 Vgl. Billing: Falkland-Konflikt..., S. 75, Schmelter-Mühe: Krieg im Südatlantik..., S. 31 693 Zitiert nach Billing: Falkland-Konflikt..., S. 75 694 Nach Schmelter-Mühe: Krieg im Südatlantik..., S. 32 ist auch die Schreibweise McBrydge möglich 695 Vgl. Billing: Falkland-Konflikt..., S. 75 – 76, Schmelter-Mühe: Krieg im Südatlantik..., S. 32 696 Vgl. Billing: Falkland-Konflikt..., S. 76, Meister: Krieg um die Falkland-Inseln..., S. 9 697 Vgl. Billing: Falkland-Konflikt..., S. 76, Meister: Krieg um die Falkland-Inseln..., S. 10

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Weg, die Bevölkerung auf einen möglichen Verlust dieser Inselgruppe einzustimmen. Hierfür wurde extra ein bekannter Publizist engagiert, der in der bestellten Broschüre den Nutzen der Falklands in keiner Relation zu den Kosten sah und dies wortgewaltig ausdrückte:

„[...] Es ist offensichtlich nicht wert, für den leeren Besitztitel eines magellanischen Felsens zu kämpfen, für eine völlig unnütze Insel, stürmisch im Winter, unfruchtbar im Sommer, eine Insel, auf welcher nicht einmal die Wilden des Südens wohnen möchten, und wo eine Garnison unter Bedingungen unterhalten werden müßte, welche die nach Sibirien Verbannten beneiden würden, und für welche die Kosten endlos wären, und die im Frieden nur den Schmugglern und im Kriege vor allem feindlichen Freibeutern dienen könnte. [...]“698 Beide Seiten gingen nun den Weg der Diplomatie. Bei den Verhandlungen kam es zu einer Art „Gentleman-Agreement“: Der britische Premierminister Lord North sagte bei diesen Gesprächen inoffiziell zu, sich von den umstrittenen Inseln zurückzuziehen. Dieser Rückzug solle aber erst nach einer gewissen Zeit begonnen werden, um England die Chance zu geben, sein Gesicht zu wahren. Dadurch, daß dieses Versprechen von Lord North nur inoffiziell und mündlich weiterge- geben wurde, ist sein genauer Inhalt und auch der genaue Geltungsbereich unklar. In der folgen- den Auseinandersetzung um den Geltungsrahmen dieses Agreements sahen sich schließlich beide Seiten als Sieger.699 England zog sich – trotz massiven Drängens der spanischen Seite – erst im Verlauf des Jahres 1774 zurück. Offiziell begründet wurde dieser Vorschlag mit den hohen Kos- ten, die für den Erhalt der Siedlung von Port Egmont notwendig wären.700 Seinen Herrschaftsan- spruch auf die Falklands wollte man auf britischer Seite dennoch nicht ganz aufgeben. Daher hinterließ man beim Abzug einen wehenden Union Jack und am Fuße des Fahnenmasts eine Bleiplatte, die folgende Inschrift trug:

„[...] Laßt es alle Nationen wissen, daß die Falkland-Inseln mit diesem Fort, dem Lagerhaus, den Schiffsländen, Häfen, Buchten und Baien, die dazu gehören, der ausschließliche Besitz Seiner Höchst Geheiligten Majestät Georg der Dritte, König von England, Frankreich und Irland, Verteidiger des Glaubens, sind. Als Zeugnis hierfür ist diese Platte aufgestellt worden und bleibt seiner Britannischen Majestät Fahne wehend als ein Zeichen des Besitzes, von S. W. Clayton, befehlshabender Offizier auf den Falkland-Inseln, A. D. 1774. [...]“701 Es ist heute nicht mehr rekonstruierbar, ob jener S. W. Clayton wissentlich oder nur, weil er es nicht anders wußte, den gesamten Archipel zum Besitz des britischen Königs Georg III. rechnete. Interessanter an diesem Text ist aber der Umstand, daß Clayton hier in der Innomination des Kö- nigs die Formel „König von England, Frankreich und Irland“ verwendet. Den Anspruch, in Per- sonalunion König von Frankreich zu sein, hatten die britischen König schon seit beinahe 200 Jahren nicht mehr ernsthaft verfolgt. Ob Clayton damit einen de facto überkommenen Anspruch der britischen Krone dokumentieren oder lediglich seinem Nationalismus freien Lauf lassen wollte – auch dies ist heute nicht mehr zu rekonstruieren.702

Nach dem britischen Abzug nutzte Spanien die Malvinen als Sträflingskolonie unter Herrschaft der Gouverneure in Buenos Aires. Bedingt durch die politischen Entwicklungen in Europa brach das spanische Weltreich immer mehr auseinander. Napoleon fegte die Reste des bourbonischen Königshauses hinweg und setzte seinen Bruder Joseph als neuen spanischen König ein. In Spani-

698 Zitiert nach Meister: Krieg um die Falkland-Inseln..., S. 10 699 Vgl. ausführlich Billing: Falkland-Konflikt..., S. 77, nach Schmelter-Mühe: Krieg im Südatlantik..., S. 32 – 33 ist es allerdings in der Forschung umstritten, daß es dieses Geheimabkommen jemals gegeben hat. 700 Vgl. Billing: Falkland-Konflikt..., S. 77 701 Zitiert nach Meister: Krieg um die Falkland-Inseln..., S. 11 702 Vgl. Meister: Krieg um die Falkland-Inseln..., S. 11, Billing: Falkland-Konflikt..., S. 77, Schmelter-Mühe: Krieg im Südatlantik..., S. 33

Seite 157 “The Picture Survives” en entstand daraufhin eine nationalistische Bewegung, die weitgehend im Untergrund gegen die französischen Besatzer kämpfte.703 Die Verbindung zwischen den Kolonien und dem spanischen Mutterland riß während der Wirren in Spanien vorübergehend ab. Dennoch gelangten die Ideen von nationaler Identität und Unabhängigkeit in die spanischen Kolonien.

In der Region um den Rio de la Plata fielen diese Ideen auf fruchtbaren Boden. Es entstand ein politisches Gebilde mit dem etwas sperrigen Namen „Vereinigte Provinzen des Rio de la Plata“. Diese Provinzen erklärten 1816 ihre Unabhängigkeit vom spanischen Mutterland.704 Im Jahre 1811, zu Beginn der Unabhängigkeitsbestrebungen jener Provinzen, wurden die Falklandinseln, wie auch alle anderen spanischen Besitzungen in dieser Region, auf Befehl des spanischen Vize- königs evakuiert.705 Der Abzug der spanischen Besatzer brachte allerdings den kompletten Ver- fall der öffentlichen Ordnung mit sich. In den Jahren zwischen 1820 und 1825 herrschte de facto keinerlei zentrale Gewalt in den Vereinigten Provinzen. Trotz dieser „absoluten Desorganisati- on“706 im Innern versuchte der neue Staat, sein Hoheitsgebiet zu erweitern.707 Guilliermo Makin ist zuzustimmen, wenn er argumentiert, daß “the Latin American Wars of Independence (1810 – 1824) did not result in nation-states in any real sense of the word. In the Argentine case too many political issues were unresolved”.708

Am 6. November des Jahres 1820 wurden die Falklandinseln von David Jerret, einem gebürtigen Amerikaner und Kommandeur der Fregatte „Heroina“, im Auftrag der Regierung in Buenos Ai- res erneut in Besitz genommen. Die Regierung Argentiniens berief sich dabei darauf, als Rechts- nachfolger Spaniens zu handeln. Der Versuch, die Falklandinseln in Besitz zu nehmen, wurde durch das Bemühen, die verwaiste Inseln wieder zu besiedeln, verstärkt. 1823 bestellte man einen Gouverneur für jenes Archipel. Im gleichen Jahr erwarb ein französischer Geschäftsmann in argentinischen Diensten namens Louis Vernet die Konzessionen, die Insel für Fischerei und Viehzucht zu nutzen. Vernet wurde 1826 zum Gouverneur über die Malvinas bestellt. Bis 1829 tolerierte man auf britischer Seite diese Entwicklungen. Der spanische Hof reagierte überhaupt nicht und protestierte auch in der Folgezeit nicht gegen die Aktionen der argentinischen Regie- rung.709

Die Situation eskalierte in dem Moment, als Vernet Probleme hatte, die Autorität seines Amtes unter den Fischern der verschiedenen Nationen, die nun in den Gewässern um die Falklandin- seln fischten, durchzusetzen. Er brachte im Juli 1831 drei amerikanische Schiffe auf, die sich sei- nen Anordnungen widersetzt hatten. Die Besatzung eines dieser Schiffe wurde gezwungen, unter seiner „Begleitung“ Kurs nach Buenos Aires zu nehmen, da die Mannschaft dort vor Gericht ge-

703 Folgt man der Argumentation Herfried Münklers, dann war dieser Guerilla-Krieg gegen die französischen Be- satzer der erste „asymmetrische“ Krieg, vgl. Münkler: Die neuen Kriege..., S. 45 – 48 704 Um der Klarheit willen verwendet der Autor den heutigen Namen „Argentinien“ anstelle des Namens „Vereinig- te Provinzen des Rio de la Plata“ siehe auch Picciuolo, José Luis: Means of Communications and the Develop- ment of the Military Factor in Independence War of Argentina. General José de San Martin and the Liberation of Chile and Peru; in: Ionescu, Mihail E. [Hrsg.]: War, Military and Media from Gutenberg to Today (= Acta XIX. International Congress of Military History); Bucharest 2004, S. 425 – 428, im folgenden zitiert als Picciuolo: Means of Communication..., 705 Vgl. Meister: Krieg um die Falkland-Inseln..., S. 11, Billing: Falkland-Konflikt..., S. 78, Schmelter-Mühe: Krieg im Südatlantik..., S. 34 706 Zitiert nach Billing: Falkland-Konflikt..., S. 78 707 Vgl. Makin, Guillermo A.: The Military in Argentine Politics; in: Millenium. Journal of International Studies 12 / 1 / 1983; S. 49 – 72, hier S. 49, im folgenden zitiert als Makin: Military in Argentine Politics..., 708 Makin: Military in Argentine Politics..., S. 50 709 Vgl. Billing: Falkland-Konflikt..., S. 78, Schmelter-Mühe: Krieg im Südatlantik..., S. 34, Hillekamps: Streit um die Falklandinseln..., S. 99 – 103

Seite 158 “The Picture Survives” stellt werden sollte. Als der amerikanische Konsul710 in Buenos Aires davon erfuhr, legte er di- plomatischen Protest gegen diese Aktion ein, der aber seitens der argentinischen Regierung igno- riert wurde. Das Vorgehen Vernets und der weitere Verlauf dieser Geschehnisse hatten mittler- weile nicht nur die amerikanischen Diplomaten vor Ort alarmiert, auch in Washington wurde man auf diese Ereignisse aufmerksam: In seiner Jahresbotschaft vom 6. Dezember 1831 an den Kongress erklärte Präsident Jackson, man werde die Vorfälle untersuchen, und kündigte die Ent- sendung von Kriegsschiffen zum Schutz der dort Handel treibenden amerikanischen Bürger an. Jackson vergriff sich bei seiner Rede allerdings im Tonfall, als er mitteilte „daß auf den Fal- kland-Inseln ein amerikanisches Schiff von einer „Bande“ beschlagnahmt worden sei, die vorge- ben würde, im Namen der argentinischen Regierung zu handeln“.711

Der amerikanische Konsul in Buenos Aires wandte sich daraufhin an den Kommandeur des ame- rikanischen Kriegsschiffes USS Lexington, Silas Duncan, das zufälligerweise in den Gewässern vor der südamerikanischen Küste unterwegs war. Nachdem das amerikanische Ultimatum an die argentinische Regierung, die Schiffe wieder freizugeben und Vernet vor Gericht zu stellen, ohne Reaktion der argentinischen Seite abgelaufen war, griff Duncan nun aktiv in das Geschehen ein, da er es in diesem Moment für seine Pflicht hielt, das Leben amerikanischer Landsleute zu schüt- zen.712

Die nun kommenden Ereignisse hätten sich auch Hollywoods Drehbuchautoren nicht besser aus- denken können: Duncan nahm mit der „Lexington“ Kurs auf die Gewässer um die Falklandin- seln. Er segelte dabei aber nicht unter amerikanischer, sondern unter französischer Flagge. Vor dem Hafen von Puerto Soledad angekommen, bat er die Stellvertreter Vernets unter dem Vor- wand an Bord, für die Einfahrt in den Hafen die Hilfe von Lotsen zu benötigen. Kaum waren diese an Bord, ließ Duncan die französische Flagge einholen und statt derer die amerikanische hissen. Die Lotsen ließ er in die Brig713 verbringen, die Siedlung dem Erdboden gleichmachen und die Einwohner gefangen setzen. Danach erklärte er, daß die Inseln von nun an “free of all government”714 seien und nahm wieder Kurs auf Buenos Aires.715

Die Folgen dieser Ereignisse waren indes dramatisch: Was als Demonstration der Amtsgewalt Vernets begonnen hatte, eskalierte zu einer handfesten Krise, in deren Folge die diplomatischen Beziehungen zwischen Argentinien und den USA für volle elf Jahre unterbrochen wurden. Nutz- nießer dieser diplomatischen Eiszeit zwischen Buenos Aires und Washington war London. 1833 landete ein britisches Schiff auf den Falklands, hißte wieder die britische Flagge und okkupierte jenes Archipel erneut im Namen der britischen Krone. Die wiederholte Inanspruchnahme der Falklandinseln erfolgte dabei britischerseits auf dem Souveränitätsanspruch von 1765.716 Die ar- gentinische Regierung protestierte zwar mehrmals (1833, 1841, 1842 und 1849) gegen die erneu-

710 Es scheint ungewöhnlich, daß ein Konsul in einer Hauptstadt die Interessen seines Heimatlandes repräsentiert. In diesem Fall war jedoch der amerikanische Botschafter in Buenos Aires kurz vorher verstorben. Bis zur Ent- sendung eines neuen Botschafters vertrat nun ein Konsul die amerikanischen Interessen, vgl. Schmelter-Mühe: Krieg im Südatlantik..., S. 36, Hillekamps: Streit um die Falklandinseln..., S. 105 711 Schmelter-Mühe: Krieg im Südatlantik..., S. 37 712 Vgl. Billing: Falkland-Konflikt..., S. 78 – 79; Schmelter-Mühe: Krieg im Südatlantik..., S. 34 – 35; Hillekamps: Streit um die Falklandinseln..., S. 105 – 110; Meister: Krieg um die Falkland-Inseln..., S. 11 – 13 713 Im amerikanischen Sprachgebrauch ist „Brig“ der Fachausdruck für eine Arrestzelle an Bord eines Kriegsschif- fes. 714 Zitiert nach Hillekamps: Streit um die Falklandinseln..., S. 106 715 Vgl. Billing: Falkland-Konflikt..., S. 78 – 79, Schmelter-Mühe: Krieg im Südatlantik..., S. 35 – 39, Hillekamps: Streit um die Falklandinseln..., S. 105 – 110, Meister: Krieg um die Falkland-Inseln..., S. 11 – 13 716 Vgl. Schmelter-Mühe: Krieg im Südatlantik..., S. 39, S. 43

Seite 159 “The Picture Survives” te britische Okkupation, konnte jedoch wegen der nach wie vor ungelösten innenpolitischen Pro- bleme nichts gegen die britische Anwesenheit auf den Inseln ausrichten, so daß diese Proteste ir- gendwann nur noch rituellen Charater hatten.717

Auch die von argentinischer Seite schon fast gebetsmühlenartig wiederholte Berufung auf die, nach dem amerikanischen Außenminister James Monroe benannte, Doktrin half da nicht viel. Zwar sah die Monroe Doktrin eigentlich vor, daß sich die USA weitere europäische Kolonisie- rungsversuche in der westlichen Hemisphäre verbitten würden, doch sah man in diesem Fall ganz gerne – trotz aller Sympathie für frisch dekolonisierte Länder wie Argentinien – von der Anwendung der eigenen Doktrin ab. Nach amerikanischer Lesart stellte die britische Besiedlung der Falklandinseln nach 1833 keine Verletzung der Monroe-Doktrin dar, da die britischen An- sprüche bereits vor 1823, dem Jahr der Proklamtion jener Doktrin, entstanden seien.718

Mit dieser erneuten Besetzung wurden die Falklandinseln zum dritten Mal besiedelt. Diesmal wurde darauf verzichtet, nur eine Siedlung zu gründen. Vielmehr wurde ab 1834 das gesamte Ar- chipel kolonisiert und besiedelt. Gezielt wurden Landwirtschaft und Handwerk gefördert und ausgebaut. Die Inseln standen bis 1841 unter Verwaltung der britischen Admiralität und wurden von Marineoffizieren verwaltet, waren also mehr militärischer Stützpunkt als zivile Siedlung. Erst 1841 wurde ein ziviler Gouverneur bestellt und die Kolonisation des Eilandes ernsthaft be- trieben. Port Stanley wurde 1844 Hauptstadt der Insel und Sitz der Verwaltung. Diese Maßnah- men erwiesen sich als ziemlich erfolgreich: Bereits 1850 konnte die Verwaltung auf den Fal- klandinseln ca. 500 Einwohner zählen. Die Falklandinseln wurden schließlich 1892 in den Rang einer britischen Kronkolonie erhoben.719

Welchen strategischen Wert die Falklandinseln für das britische Königreich hatten und noch im- mer haben, zeigt sich bei zwei Ereignissen während beider Weltkriege. Am 8. Dezember 1914 wurde die deutsche Ostasienflotte unter dem Befehl von Vizeadmiral Maximilien Graf von Spee vor den Falkland-Inseln von britischen Schiffen verfolgt und schließlich versenkt. Im Zweiten Weltkrieg operierten britische Zerstörer und Kreuzer zur Überwachung des Südatlantiks von Port Stanley aus. Das deutsche Panzerschiff Graf Spee wurde vor dem Rio de la Plata bei einem See- gefecht mit jenen Kriegsschiffen so schwer beschädigt, daß es wenige Tage später in der Mün- dung des Rio de la Plata von seine Mannschaft versenkt werden mußte.720 Der strategische Wert der Falklandinseln lag zu jener Zeit auch darin, daß sich über sie – man denke nur an die geogra-

717 Vgl. Billing: Falkland-Konflikt..., S. 80, Schmelter-Mühe: Krieg im Südatlantik..., S. 39, Hillekamps: Streit um die Falklandinseln..., S. 133 – 136 , Meister: Krieg um die Falkland-Inseln..., S. 34 718 Vgl. Sautter, Udo: Geschichte der Vereinigten Staaten von Amerika; Stuttgart 19986, S. 139 – 140, im folgenden zitiert als Sautter: Geschichte der Vereinigten Staaten..., siehe auch Schmelter-Mühe: Krieg im Südatlantik..., S. 41 719 Vgl. Hillekamps: Streit um die Falklandinseln..., S. 110, Schmelter-Mühe: Krieg im Südatlantik..., S. 39, Bil- ling: Falkland-Konflikt..., S. 80 720 Vgl. Schmelter-Mühe: Krieg im Südatlantik..., S. 39. Zu den Details und dem Verlauf dieser beiden Schlachten siehe ausführlich Meister: Krieg um die Falkland-Inseln..., S. 25 – 34, zu den Ereignissen um die „Graf Spee“ siehe auch Stegemann, Bernd: Die erste Phase der Seekriegsführung bis zum Frühjahr 1940; in: Maier, Klaus A.; Rohde, Horst; Stegemann, Bernd; Umbreit, Hans [Hrsg.]: Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg Bd. 2. Die Errichtung der Hegemonie auf dem Europäischen Kontinent; Stuttgart 1979, S. 159 – 185, hier S. 170 – 175, im folgenden zitiert als Stegemann: Erste Phase der Seekriegsführung..., zu den Ereignissen im Ersten Weltkrieg siehe auch Krüger, Friderike: Falkland; in: Hirschfeld, Gerhard; Krumeich, Gerd; Renz, Irina [Hrsg.]: Enzyklopädie Erster Weltkrieg; Paderborn, München, Wien 20042, S. 469 – 470, im folgenden zitiert als Krüger: Falkland...,

Seite 160 “The Picture Survives” phische Lage – der Zugang zu Kap Hoorn kontrollieren ließ. Wäre der Panama-Kanal geschlos- sen oder aus irgendwelchen Gründen unpassierbar gewesen, so hätte dieses “little ice-cold bunch of land down there”721 eine Schlüsselfunktion innegehabt.722

In den folgenden Jahren, bis zu jenem schicksalshaften Jahr 1982, stritten sich Argentinien und das britische Königreich regelmäßig um die Besitzansprüche an jenem Archipel. Mal war es der Streit um britische Briefmarken, mit denen England 1932 / 33 den 100. Jahrestag der erneuten Okkupation feiern wollte, mal waren es die Telekommunikationsverbindungen, die zum Auslöser einer diplomatischen Krise wurden. Die argentinische Strategie wechselte auch vom wirkungslo- sen rituellen diplomatischen Protest, den man in London ebenso ritualisiert entgegennahm, zur Einschaltung größerer, multistaatlicher Organisationen – allen voran schaltete Argentinien die UNO und den Weltsicherheitsrat ein. Dabei konnte sich Argentinien immer auf eine Koalition aus mehreren lateinamerikanischen Staaten verlassen, die dieses Anliegen Argentiniens innerhalb der UNO aktiv unterstützte.723 Die argentinische Position stützte sich hierbei im Wesentlichen auf die Resolutionen 1514 (XV)724 der Generalversammlung der Vereinten Nationen725 (1960), 2065 der UNGA (1965) und 3160 der UNGA aus dem Jahre 1973. Basis der Argumentation ist die erste dieser Resolutionen, die die Malvinen zu der Gruppe der kolonialen Gebiete ohne Selbstregierung rechnet. Hierbei ist allerdings zu beachten, daß diese Resolution sich nicht spezi- ell mit dem Problembereich der Malvinen befaßt, sondern allen Ländern, die eine koloniale Ver- gangenheit haben, das Recht auf Unabhängigkeit zugesteht. Kernpunkt ist hierbei offensichtlich Artikel 6 der Resolution 1514 (XV), nach dem jeder Versuch, die territoriale und / oder nationale Integrität ganz oder in Teilen zu beeinträchtigen, nicht mit den in der Charta der Vereinten Natio- nen verankerten Prinzipien vereinbar sei.726

5.1.2 Der argentinische Entschluß zur Invasion auf den Falklandinseln

Die Gründe für den argentinischen Entschluß zur Invasion auf den Malvinen sind vielfältiger Art. Ein Grund war sicherlich die schon chronische Wirtschaftskrise des Landes, verbunden mit einer galoppierenden Inflation. Ferner war einer weiterer Faktor eine vollkommen chaotische Innenpo- litik. Politisch motivierte Gewalt war in Argentinien bis weit in die 1980er Jahre hinein alltäg- lich. Peter Billing ist zuzustimmen, wenn er ausführt, daß es ein Schlaglicht auf die politische Si- tuations Argentiniens wirft, wenn „bis 1982 nur ein einziger Staatspräsident seine Amtszeit re- gulär beenden konnte.“727 Verbunden damit ist die traditionell starke Rolle des Militärs in Staa- ten, in denen solche chaotischen Zustände herrschen. Eine Rolle, die über die der Landesvertei-

721 So der amerikanische Präsident Ronald Reagen in einer Rede vom 30. April 1982, zitiert nach Freedman: Bri- tain and the Falklands..., S. 14 722 Vgl. Thatcher: Downing Street No. 10..., S. 259 723 Vgl. Billing: Falkland-Konflikt..., S. 80 – 81, Meister: Krieg um die Falkland-Inseln..., S. 35 – 36 Schmelter- Mühe: Krieg im Südatlantik..., S. 68, siehe auch Special Committee on the Situation with regard to the Imple- mentation of the Declaration on the Granting of Independence to Colonial Countries and Peoples: Falkland Is- lands (Malvinas). Working Paper prepared by the Secretariat, 11. April 2006; Drucksache der Generalversamm- lung der Vereinten Nationen A/AC.109/2006/17; siehe auch Entwurf der Resolution der Generalversammlung der Vereinten Nationen, eingebracht von Bolivien, Chile, Cuba und Venezuela, die Frage der Falklandinseln / Malvinas betreffend vom 22. Juni 2001; Drucksache der Generalversammlung der Vereinten Nationen A/AC.109/2001/L.8. 724 Declaration on the Granting of Independence to Colonial Countries and Peoples 725 Im folgenden wird die Abkürzung UNGA (United Nations General Assembly) synonym verwandt. 726 UN Resolution 1514 (XV) 727 Billing: Falkland-Konflikt..., S. 84

Seite 161 “The Picture Survives” digung weit hinausgeht und sich wohl am besten mit der Rolle der einzigen Ordnungsmacht im Lande beschreiben läßt. Das Militär garantiert außerdem den status quo der Herrschafts-, Macht- und Besitzverhältnisse im Land. Hierzu im Gegensatz stehen die Gewerkschaften, die von der herrschenden Schicht, wegen ihres meist revolutionären Impetus, gefürchtet werden. Das Bei- spiel Argentinien vermag das gut zu illustrieren: Im Jahre 1955 verbündete sich das Militär mit der argentinischen Oligarchie und dem Besitzbürgertum, um Präsident Juan Perón zu stürzen. Ferner sind – gerade im Fall Argentiniens – viele Offiziere Mitglieder in irgendwelchen Logen und Geheimbünden728 und so stärker in die Politik als in die Landesverteidigung involviert. Es ist wohl nicht übertrieben zu behaupten, daß das Militär seit dem ersten Putsch gegen die amtieren- de Regierung im Jahre 1930 der Machtfaktor schlechthin war.729

Hinzu kam, daß nicht nur die politische Führung des Landes, sondern auch die politischen Par- teien nicht in der Lage waren, das Land zu regieren. Die Parteien, die, gemäß der argentinischen Verfassung, Träger der politischen Willensbildung des Volkes sein sollten, zeichneten sich haupt- sächlich durch Korruption, Vetternwirtschaft und dem Hang zum Paktieren mit Organisationen, die außerhalb der argentinischen Verfassung standen, aus. Problematisch daran ist, daß diese Par- teien sich nicht nur der demokratisch legitimierten Mittel der Meinungsäußerung bedienen, son- dern auch vor Anwendung von Gewalt nicht zurückschrecken. Manche Autoren gehen sogar so- weit, analog zu Thomas Hobbes, von einem „Krieg aller gegen alle seit 1969“730 zu sprechen.731

Eine der Hauptursachen für den Entschluß zur Invasion auf den Falklandinseln ist sicherlich im teilweise übersteigerten argentinischen Nationalismus zu sehen. Dieser Nationalismus zeichnet sich unter anderem dadurch aus, daß er sich mit bestimmten geographischen Räumen, die aber nicht unbedingt innerhalb der eigenen Grenzen liegen müssen, identifiziert.732 Bezogen auf die Falklandinseln ist dieser Nationalismus wohl der Schlüssel zum Verständnis des Entschlusses zur Invasion. Die Frage, ob die Malvinen nun zu Argentinien oder zum Vereinigten Königreich ge- hörten, nimmt hierbei schon staatstragende Ausmaße als Frage “of the essence of being of the state”733 an. Anders formuliert, die nationalistischen Kreise in Buenos Aires waren der festen Überzeugung, daß „„nuestras Malvinas“ immer argentinisch waren, argentinisch sind und blei- ben [werden]“.734 Mit dieser Ansicht ist auch ein Gefühl der Drittklassigkeit gegenüber dem Rest der Welt verbunden:

„[...] Die historische Betrachtung der „Malvinas“ als „unerlöstes Erbe“ unter dem Blickwinkel „einer Frage der nationalen Ehre und der nationalen Würde“, der Glaube, im Verlauf der Geschichte bei territorialen Fragen nachgegeben und verloren zu haben, [...] die in Argentinien vorherrschende Überzeugung, daß die „Malvinas“ sowohl aus historisch- juristischen als auch aus geographischen Gründen zum nationalen Territorium Argentiniens gehören wie auch die Hoffnung, mit einer erfolgreichen Rückgewinnung der Inseln die Machtstellung am „Cono Sur“ erweitern zu können, ließen den Archipel in den Brennpunkt des argentinischen Nationalismus rücken, der schließlich in der Invasion der Falkland-Inseln im Frühjahr 1982 gipfeln sollte. [...]“735

728 Ein Vergleich mit der berühmt-berüchtigten italienischen Geheimloge P2, deren subversive Tätigkeit Anfang der 1980er enttarnt wurde, drängt sich hier geradezu auf. 729 Vgl. Billing: Falkland-Konflikt..., S. 87 – 88, Makin: Military in Argentine Politics..., S. 49 - 54 730 Zitiert nach Billing: Falkland-Konflikt..., S. 87 731 Vgl. Billing: Falkland-Konflikt..., S. 85 – 87 732 Vgl. Billing: Falkland-Konflikt..., S. 88, Billing zu Folge ist dieses Phänomen auch in anderen Ländern Latein- amerikas zu finden. Vgl. auch Schmelter-Mühe: Krieg im Südatlantik..., S. 65 733 Zitiert nach Schmelter-Mühe: Krieg im Südatlantik..., S. 64 734 Schmelter-Mühe: Krieg im Südatlantik..., S. 64

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Ferner war – angesichts der innenpolitischen Zerrissenheit Argentiniens scheint dies besonders beachtenswert – die beständige Forderung nach Rückgabe der Malvinen ein Faktor, der es er- möglichte, eine möglichst breite Masse der Bevölkerung anzusprechen. Diese integrative Wir- kung des Malvinen-Konflikts wurde durch die Indoktrination breiter Teile der Bevölkerung er- höht – solange bis die Ungerechtigkeit der britischen Herrschaft über die Malvinen common sen- se war. Eine Rückführung der Malvinen in argentinische Herrschaft wäre somit ein Akt gewesen, der auf ungeteilte Zustimmung in der gesamten argentinischen Gesellschaft – ungeachtet aller politischen Differenzen – stoßen mußte. Erschwerend wirkte noch die Tatsache, daß im Jahr 1983 der 150. Jahrestag der Ereignisse von 1833 und damit der (erneuten) britischen Besitznah- me bevorgestanden hätte.736

In diesem von politischer Gewalt geprägten Klima putschte sich im Dezember 1981 der argenti- nische Generalleutnant Leonardo Galtieri in das Amt des Präsidenten. Galtieri hatte erst im Sep- tember 1981 den Oberbefehl über das argentinische Heer übernommen. Unterstützt wurde er da- bei durch den obersten Befehlshaber der argentinischen Marine, Admiral Anaya. Anaya war ex- tremer Nationalist und „Malvinist“, er vertrat den Standpunkt, daß die Malvinas um jeden Preis heim nach Argentinien geführt werden müßten. Versucht man die Ereignisse von damals zu re- konstruieren, muß über eine Invasion der Malvinen zwischen Anaya und Galtieri schon vor des- sen Putsch gesprochen worden sein. Es steht zu vermuten, daß sogar Anaya diese Pläne auf die Agenda setzte – existierten doch solche Pläne bereits früher. Die konkreten Planungen für eine Invasion auf den Malvinen müssen im Januar 1982 begonnen haben. Also nur wenige Wochen nach dem Putsch Galtieris. Die Entscheidung, tatsächlich die Invasion zu wagen, muß jedoch erst um den 26. März gefallen sein. Offenbar war man auf argentinischer Seite mit der Geduld, was weitere Verhandlungen mit London betraf, zu Ende. Ferner hing, wie oben beschrieben, der 150. Jahrestages der britischen Landnahme wie ein Damoklesschwert des über der Regierung in Buenos Aires:737

“[...] It all seemed so easy and so right to the generals and admirals of this remote corner of the world a month ago: the Falkland Islands were, there for the taking and the world would probably accept their capture as an accomplished fact. The United States had been carefully building up an excellent relationship with the pro-Western Galtieri and so would probably limit itself to a lure protest; the Russians, heavily dependent an Argentine grain shipments, would make bare nothing went away; and Argentina's friends in the third world would applaud a victory over colonialism, while Britain, deep in economic crisis, would swallow a temporary discomfort. At home, Argentinians would forget their anger with the Junta over long years of dictatorial rule and economic mismanagement. [...]”738

735 Schmelter-Mühe: Krieg im Südatlantik..., S. 66 – 67, in dieses Horn stieß auch der argentinische Außenminister Méndez in seiner Stellungnahme vor dem Sicherheitsrat der UNO: Argentinien habe von seinem Recht auf Selbstverteidigung Gebrauch gemacht und sich „lediglich einen Teil seines nationalen Erbes zurückgeholt“, vgl. S. 111 736 Vgl. Billing: Falkland-Konflikt..., S. 87, Schmelter-Mühe: Krieg im Südatlantik..., S. 67 737 Vgl. Freedman: Britain and the Falklands..., S. 33, Schmelter-Mühe: Krieg im Südatlantik..., S. 63 - 64, Meister: Krieg um die Falkland-Inseln..., S. 87. Offenbar war Anaya auch derjenige, der in den Bemühungen um eine di- plomatische Lösung des Konfliktes auf der argentinischen Maximalposition beharrte, siehe hierzu Germain; La- wrence S.: A Diary of the Falklands Conflict; in: Watson; Bruce B.; Dunn, Peter M. [Hrsg.]: Military Lessons of the Falkland Islands War: Views from the United States; Boulder / Co 1984, S. 135 – 170, hier S. 141, im fol- genden zitiert als Germain: Diary of the Falklands Conflict..., 738 So die Zeitschrift “The Economist” in ihrer Ausgabe vom 24. April 1982, zitiert nach Hudson; Stanier: War and the Media..., S. 164

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Der amerikanische Marineoffizier und Fachmann für Public Relations, Arthur A. Humphries, stellte in seinem Aufsatz “Two Routes to the Wrong Destination. Public Affairs in the South At- lantic War”739 fest, daß die argentinische Seite, im Gegensatz zur britischen, über einen Plan zur Informationssteuerung in der Bevölkerung verfügte. Der Autor merkt dann süffisant an, daß dem britischen Verteidigungsministerium, wie man heute wisse, auch ein Operationsplan außerhalb der Einbettung in die NATO-Strukturen fehlte. Die argentinische Regierung hingegen sei vorbe- reitet und immer überzeugter von der von ihr vertretenen Position gewesen, so daß sie die bevor- stehende Invasion öffentlich ankündigte. Der argentinische Machthaber, General Galtieri, hätte am 24. Januar 1982 in der Zeitschrift „La Prensa“ versprochen, die Falklandinseln vor dem 3. Ja- nuar 1983 zu besitzen, bevor Großbritannien und die Bewohner der Falklands den 150. Jahrestag der britischen (Wieder-)Besiedlung feiern könnten. Offenbar hätten aber die Verantwortlichen im britischen Verteidigungsministerium dieser und anderen Warnungen keinen Glauben geschenkt. Stattdessen hätte die britische Regierung an jeder Biegung jener “Road to War” den Argentiniern folgendes zu verstehen gegeben:

“[...] Come ahead and have your pleasure. We're not really interested in coming to a conclusion on our negotiations for the islands; we're not interested in defending them either since we're getting ready to scrap our only vessel there, the Endurance, plus some of our amphibs here, and we're selling our ASW carrier Invincible to Australia. [..]”740 Wie schon erwähnt, landeten am 2. April 1982 argentinische Einheiten auf den britischen Fal- klandinseln. Die Invasoren griffen in zwei Gruppen an: Die eine Gruppe hatte den Auftrag, die Kaserne der Royal Marines außerhalb von Port Stanley anzugreifen und den erwarteten Wider- stand der Marines zu neutralisieren. Die andere Gruppe hatte den Auftrag, den Amtssitz der Gou- verneurs in Port Stanley einzunehmen, den Gouverneur gefangen zu setzen und die argentinische Flagge anstelle der britischen über dem Amtssitz zu hissen. Der Gouverneur der Falklandinseln, Rex Hunt, musste sich bald darauf den Invasionstruppen ergeben. Die Falklandinseln wurden in „Islas Malvinas“ und Port Stanley in „Puerto Argentina“ umbenannt.741 Offenbar stellte die Ent- fernung zwischen Port Stanley und London aus kommunikationstechnischer Sicht ein großes Problem dar. So kam der letzte Funkspruch von Gouverneur Hunt nicht in London an. Erst als ein Funk-Amateur die Nachricht von der Invasion über den Äther sandte, gelangte sie nach Lon- don:

“[...] LONDON: What are all these rumors? PORT STANLEY: We have lots of new friends. LONDON: What about invasion rumors? PORT STANLEY: Those are the friends I was meaning. LONDON: They've landed? PORT STANLEY: Absolutely. LONDON: Are you open for traffic? PORT STANLEY: No orders on that yet. One must obey orders. LONDON: Whose orders? PORT STANLEY: The new governor. LONODN: Argentina? PORT STANLEY: Yes. 739 Humphries, Arthur A.: Two Routes to the Wrong Destination. Public Affairs in the South Atlantic War; in: Naval War College Review 36 / 3 / 1993; S. 56 – 71, im folgenden zitiert als Humphries: Two Routes on the Wrong Destinations..., 740 Humphries: Two Routes on the Wrong Destinations..., S. 58 741 Vgl. Germain: Diary of the Falklands Conflict..., S. 138, Schmelter-Mühe: Krieg im Südatlantik..., S. 101, eine detaillierte Schilderung des argentinischen Angriffs findet sich bei Meister: Krieg um die Falkland-Inseln..., S. 88 – 95, allerdings genügt dessen Darstellung der Ereignisse nicht wissenschaftlichen Kriterien. Daher wird hier nur der Form halber auf sie verwiesen.

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LONDON: Are the Argentinians in control? PORT STANLEY: Yes. You can't argue with thousands of troops plus enourmous navy support when you are only 1,800 strong. Stand by please. Then the line went dead. [...]”742

Abbildung 35: Falkland-Konflikt 1982: Argentinische Truppen auf den Falkland-Inseln während einer Übung. 149 Jahre lang, seitdem die Briten die Falkland-Inseln im Südatlantik 1833 in Besitz genommen hatten, stritten London und Buenos Aires um die Inseln. Am 2. April 1982, wenige Tage nach der argentinischen Invasion, setzte Großbritannien seine Flotte in Bewegung, die 74 Tage nach Ausbruch der Feindseligkeiten die argentinischen Militärs zur Kapitulation zwang. Diplomatische Bemühungen um eine friedliche Lösung waren ohne Erfolg geblieben.

Photo: The Yorck Project: Das große dpa-Bildarchiv, Bild: 249, S. 76 Noch am gleichen Tage liefen die britischen Vorbereitungen zur Rückeroberung des Archipels an. London bat bei den Vereinten Nationen um eine Dringlichkeitssitzung des Sicherheitsrates. Ebenfalls bat man um eine Sondersitzung des NATO-Rates. Am darauffolgenden Tag, einem Samstag, erklärte die britische Premierministerin, Margaret Thatcher, vor dem britischen Unter- haus, daß die Falklandinseln britisches Territorium bleiben würden und man anstrebe, die Inseln so bald wie möglich wieder unter britische Verwaltung zu stellen. Sie kündigte ferner an, daß eine große Task Force der Royal Navy, sobald die Vorbereitungen abgeschlossen seien, in Rich- tung der Falklandinseln auslaufen würde. Teil der Task Force würde auch der erst im Jahre 1980 in Dienst gestellte Flugzeugträger HMS Invincible743 sein, der am 5. April Portsmouth, zusam- men mit einem weiteren Flugzeugträger, der HMS Hermes, verlassen werde. Diese Tagung des Parlaments war die erste an einem Samstag seit den Tagen der Suez-Krise 1956 – dies vermag am ehesten die Dramatik und Dringlichkeit der Lage zu illustrieren: “The House meets this Sat- urday to respond to a situation of great gravity. We are here because, for the first time for many

742 Islands' Communications Cut; in: The New York Times, 3. April 1982, S. 6, Margaret Thatcher geht in ihrer Rede vom 3., April 1982 vor dem britischen Unterhaus nur indirekt darauf ein, vgl. Harris, Robin: The Collec- ted Speeches of Margaret Thatcher; London 1997, S. 149, im folgenden zitiert als Harris: Speeches of Margaret Thatcher..., 743 Vgl. http://www.globalsecurity.org/military/world/europe/invincible-unit.htm (Letzter Zugriff 15. 07. 2008)

Seite 165 “The Picture Survives” years, British sovereign territory has been invaded by a foreign power.”744 Die Mobilisierung von Truppenteilen aller drei Waffengattungen der britischen Streitkräfte hatte es in ähnlichem Umfang zuvor ebenfalls nur in der Suez-Krise gegeben.745

Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen stimmte an jenem Tag auch der Resolution 502 zu, in der er formell, gemäß Kapitel 7 der Charta der Vereinten Nationen, feststellte, daß hier “a breach of the peace in the region of the Falkland Islands (Islas Malvinas)”746 vorläge. Er forderte die sofortige Einstellung der Feindseligkeiten, den Rückzug aller argentinischen Truppen von den Inseln und die diplomatische Lösung des Konfliktes. Dadurch, daß der Sicherheitsrat einen Bruch des Friedens, gemäß Chapter 7, Article 39 feststellte, war es der britischen Regierung er- laubt, Maßnahmen zu Selbstverteidigung zu treffen. Die Resolution wurde mit 10 Stimmen bei einer Gegenstimme und 4 Enthaltungen angenommen. Dafür stimmten die USA, Großbritannien, Frankreich, Uganda, Jordanien, Guyana, Zaire, Togo, Japan und Irland. Panama stimmte dage- gen, die UdSSR, China, Spanien und Polen enthielten sich der Stimme. Interessant ist hierbei das Abstimmungsverhalten der 5 ständigen Mitglieder des Weltsicherheitsrates: von diesen Veto- mächten stimmten 3 (USA, UK, Frankreich) für die Resolution, 2 (China und die UdSSR) ent- hielten sich. Legt man das übliche Abstimmungsverhalten dieser Mitglieder während des Kalten Krieges zu Grunde, so kommt man – obwohl es bisher keine Arbeit über das Abstimmungsver- halten der 5 ständigen Mitglieder des Weltsicherheitsrates während dieser Epoche gibt – zum Schluss, daß in diesem Fall die kommunistischen Vetomächte – trotz ihrer offiziellen Linie des Antikolonialismus – eher auf der Seite der „Kolonialmacht“ Großbritannien standen als auf der Seite der vorgeblich bedrängten. Eine – vielleicht etwas wahrscheinlichere – andere Erklärung für das Abstimmungsverhalten der UdSSR läßt sich in der kommunistischen bzw. sowjetischen Ideologie selbst finden: Im Falle von Argentinien und Großbritannien bekriegten sich zwei Län- der, die nach sowjetischer Auffassung beide kapitalistisch waren; dieser Umstand wurde noch durch die koloniale Vorgeschichte dieses Konfliktes verstärkt. Ferner scheint es so gewesen zu sein, daß der Konflikt um die Falklands für den Kreml so überraschend kam wie für den Rest der Welt auch – zu überraschend für eine klare sowjetische Position.747

Das Vereinigte Königreich bot, wie oben angesprochen, eine große Flotte zur Rückeroberung der Falklandinseln auf. Hierzu gehörten unter anderem auch zwei Flugzeugträger, die bereits 1953 in Dienst gestellte HMS Hermes sowie die 1980 in Dienst gestellte HMS Invincible748, mehrere Kreuzer und Fregatten, mehrere Landungsschiffe und etliche Tankschiffe, insgesamt stachen ca. 60 Schiffe in See und nahmen Kurs auf die Gewässer um die Falklandinseln. Die britische Re- gierung hatte sogar mehrere Kreuzfahrtschiffe, darunter auch die weltberühmte Queen Elizabeth II (QE 2) requiriert, um sie zu Lazarettschiffen und Truppentransportern umzurüsten.749 Am 9. April verkündete London die Einrichtung einer Sperrzone mit einem Radius von 200 Seemeilen

744 Harris: Speeches of Margaret Thatcher..., S. 149 745 Vgl. Germain: Diary of the Falklands Conflict..., S. 139 – 140; Schmelter-Mühe: Krieg im Südatlantik..., S. 103; Harris: Speeches of Margaret Thatcher..., S. 150, 156; Adams, Valerie: The Media and the Falklands Campaign; London 1986, S. 4, im folgenden zitiert als Adams: Media and the Falklands..., 746 Resolution 502 des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen vom 3. April 1982 747 Vgl. Charter of the United Nations, Chapter VII, Article 39, Article 51; Germain: Diary of the Falklands Con- flict..., 139 – 140; Schmelter-Mühe: Krieg im Südatlantik..., S. 113 – 114 748 Die HMS Hermes fährt heute unter indischer Flagge als R 22 Viraat, vgl. http://www.globalsecurity.org/military/ world/india/r-viraat.htm (Letzter Zugriff 15. 07. 2008). Die HMS Invincible steht auch heute noch, mit ihren Schwesterschiffen HMS Illustrious und HMS Ark Royal, im Dienst der Royal Navy, vgl. http://www.globalse- curity.org/military/world/europe/invincible.htm (Letzter Zugriff 15. 07. 2008) 749 Eine genaue Aufstellung findet sich bei Germain: Diary of the Falklands Conflict..., S. 142 – 146

Seite 166 “The Picture Survives” um die Falklandinseln. Diese Zone sollte ab dem 12. April 4 Uhr gelten und sollte vermutlich von ein bis zwei britischen U-Booten kontrolliert werden. Die Kontrolle dieser Blockadezone wurde am 30. April auf die Blockade jeglichen Schiffs- und Luftverkehrs ausgeweitet.750

Die ersten offensiven britischen Schüsse, die diese Krise zum Krieg machen sollten, fielen am 1. Mai 1982. Ein einzelner britischer Vulcan-Bomber bombardierte den Flughafen von Port Stan- ley. Gleichzeitig griffen mehrere Kampfflugzeuge den Landestreifen (Airfield) von Goose Green an. Spezialeinheiten wurden via Helikopter an verschiedenen Punkten der beiden Hauptinseln abgesetzt, um mögliche Plätze für eine britische Landung zu erkunden.751 Am nächsten Tag feu- erte das britische U-Boot HMS Conquerer zwei Torpedos auf den argentinischen Kreuzer ARA „General Belgrano“. Der zu diesem Zeitpunkt schon vollkommen veraltete Kreuzer sank binnen 45 Minuten, dabei verloren 321 Matrosen ihr Leben. Die Auswirkungen der Versenkung der „General Belgrano“ waren für den weiteren Kriegsverlauf gravierend. Nicht so sehr der Verlust des Schiffes und der Menschenleben, als der Umstand, daß die argentinische Marine – wenn überhaupt – nur noch in Nähe ihrer eigenen Küste operierte, zeigte den psychologischen Effekt dieses Schlages.752

Abbildung 36: Die Versenkung des Kreuzers „General Belgrano“ durch ein britisches U-Boot am 2. Mai 1982 versetzte derargentinischen Marine einen schweren Schlag.

Photo: AP in Oehrlein: Verdrängter Kampf um die Malvinen...,

750 Vgl. Germain: Diary of the Falklands Conflict..., S. 140, 148, der Fachausdruck hierfür lautet „maritime exclu- sion zone“ 751 Vgl. Germain: Diary of the Falklands Conflict..., S. 149 752 ARA = Armada Republica Argentina ist das Präfix für argentinische Kriegsschiffe. Die „General Belgrano“ wurde 1938 / 1939 als USS Phoenix (CL 46) in Dienst gestellt, überstand den japanischen Angriff auf Pearl Harbor und wurde 1951 an Argentinien verkauft, vgl. Germain: Diary of the Falklands Conflict..., S. 149 – 150; siehe auch http://www.globalsecurity.org/military/systems/ship/cl-40-unit.htm (Letzter Zugriff 15. 07. 2008) sie- he auch Freedman: Britain and the Falklands..., S. 58

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Die britischen Landungsoperationen begannen am 21. Mai 1982. Nachdem bei den Landungs- versuchen vom 1. Mai festgestellt worden war, daß in der Bucht von San Carlos keine argentini- schen Einheiten disloziert waren, landeten dort ab dem 21. Mai britische Einheiten in Regiments- stärke. Sie konnten sich dort festsetzen und einen Brückenkopf bilden. Bereits am Abend des 21. Mai gelang es, schweres Gerät (105mm Haubitzen, Schützenpanzer und Flugabwehr-Raketen) anzulanden. Am Abend des 22. Mai waren bereits 5000 britische Soldaten auf den Falklandinseln gelandet und konnten einen Brückenkopf von 16 km2 besetzen. Am 24. Mai wurde das bri- tische Landungsschiff „Sir Galahead“ von ei- ner Bombe getroffen, geriet in Brand und mußte evakuiert wer- den, blieb aber weiter einsatzfähig. Sein aus- gebrannter Rumpf sank erst am 21. Juli, als es aus dem Landungsge- biet von San Carlos ge- schleppt wurde. Am 28. Mai konnte nach hefti- Abbildung 37: Blick auf das britische Landungsschiff Sir Galahad vor den Falkland-Inseln im Jahr 1982. Es ging gen Gefechten der Ort während des britisch-argentinischen Kriegs nach einem Bombenangriff der argentinischen Luftwaffe in Flam- Goose Green genom- men auf. men werden. Die dort Photo: The Yorck Project: Das große dpa-Bildarchiv, Bild 251, S.76 stationierten argentini- schen Truppen ergaben sich bis zum 29. Mai den britischen Streitkräften. Bei dieser Aktion star- ben 17 britische und 250 argentinische Soldaten; die britischen Streitkräfte konnten 1400 Gefan- gene machen. In den folgenden Tagen bis zum 12. Juni wurde der Brückenkopf immer mehr aus- geweitet, bis ein Großteil der Inseln unter britischer Kontrolle war. An jenem 12. Juni begannen dann die Operationen zur Rückeroberung Port Stanleys. Der britische Vormarsch wurde durch teils heftige Gegenwehr von argentinischen Verbänden erschwert, so daß die Royal Navy mit den 4,5 Inch Geschützen auf den Kriegsschiffen Artillerieunterstützung leisten mußte. Ferner mußten auch Kampfflugzeuge mit Streubomben sowie durch Laser gelenkten Bomben in der CAS-Rol- le753 eingesetzt werden. Am Abend des 12. Juni kapitulierte der argentinische Befehlshaber auf den Falklandinseln, General Menendez, vor dem britischen Oberbefehlshaber der Taskforce, Ge- neral Moore. Am 25. Juni kehrte Gouverneur Hunt zurück nach Port Stanley.754

753 CAS = Close Air Support 754 Vgl. Germain: Diary of the Falklands Conflict..., S. 156 – 157, 162 – 164; Adams: Media and the Falklands..., S. 211

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5.1.3 Berichterstattung

Nach der argentinischen Landung auf den Falklandinseln am 2. April 1982 veröffentlichte die britische Zeitung „The Times“ in ihrer Ausgabe vom 5. April einen mit “We are all Falklanders now” überschriebenen Leitartikel zu dem, was noch kommen sollte. Sie appellierte ferner an die Solidarität der britischen Bevölkerung: So wie man 1939 der polnischen Bevölkerung beigestan- den habe, so müsse dieses Mal die Bevölkerung der Falklandinseln gegen die argentinischen Ge- neräle verteidigt werden. Abgesehen von der Fragwürdigkeit dieses historischen Vergleichs, zeigt dieses Beispiel vor allem eines: Wie groß die nationale Erregung nach den Ereignissen vom 2. April war.755

Dabei war die Berichterstattung über diesen Krieg von Anfang an mit großen Schwierigkeiten behaftet: Zum einen war die räumliche Entfernung enorm groß, zum anderen war die Pressepoli- tik der britischen Regierung – drastisch formuliert – desaströs. In den Stunden nach Bekanntwer- den der Ereignisse auf den Falklandinseln brach eine wahre Flut von Anfragen über das Presse- büro des Verteidigungsministeriums herein: Die meisten dieser Anrufe waren Anfragen nach Möglichkeiten, die in Mobilisierung begriffene Task Force zu begleiten. Alle diese Anfragen wurden auf einer Liste erfaßt, die zu dem Zeitpunkt, als die Flotte in See stach, die Namen hun- derter Journalisten enthielt, die von über 160 verschiedenen Redaktionen angemeldet worden waren. Allein von der British Broadcasting Cooperation (BBC) kamen über zwanzig Anfragen. Zu behaupten, jede Redaktion der BBC hätte einen Reporter angemeldet, ist angesichts dieser Zahlen sicherlich nicht übertrieben.756

Die Royal Navy wollte zuerst gar keine Journalisten an Bord ihrer Schiffe lassen. Die Vorstel- lung, Journalisten, Zivilisten also, die nicht den militärischen Vorstellungen von Disziplin unter- worfen waren, würden an Bord der Kriegsschiffe herumspazieren, muß für die Admiräle der Royal Navy, aber auch für die Kapitäne der Schiffe ein Alptraum gewesen sein. So fragte Sir Henry Leach, der erste Sea-Lord und Chief of Staff der Royal Navy, deutlich gereizt, ob von ihm erwartet würde, seine Schiffe mit “pens or bayonets”757 zu beladen. Schließlich wurden nach der Intervention des Verteidigungsministerium sechs Plätze für Reporter geschaffen, später wurde die Zahl der Plätze auf 10 erhöht. Verantwortlich für die Pressearbeit im Verteidigungsministeri- um war kein Fachmann für Public Relations (PR), sondern ein Zivilangestellter, der normaler- weise nie mit der Pressearbeit als solcher befaßt war. Diesem Mann wurde nun die gesamte Ver- antwortung und Sorge für die Belange der Presse aufgebürdet. Sein ursprünglicher Plan sah vor, alle akkreditierten Journalisten auf die Insel Ascension zu fliegen, um sie erst dort an Bord der Schiffe gehen zu lassen. Dieser Plan hätte die Chance geboten, sowohl der Presse als auch der Marine zwei Wochen an zusätzlicher Zeit zu geben, das Mißtrauen dem jeweils anderen gegen- über abzubauen. Leider hielt sich die Navy nicht an diesen Plan – aus Angst, jemand könnte be- richten, daß der Flughafen von Ascencion, der später zu einem wichtigen Dreh- und Angelpunkt der Operationen gegen die Besatzer auf den Falklands werden sollte, weder durch Flak-Stellun- gen noch durch Bewachung ausreichend gesichert war.758 755 Vgl. Schmelter-Mühe: Krieg im Südatlantik..., S. 105, siehe hierzu auch Kalter Stahl. Die Massenblätter ließen sich vom Falkland-Krieg zu hysterischem Patriotismus anspornen. Wer nicht mitmacht, ist ein Verräter; in: Der Spiegel 20 / 17. Mai 1982, S. 134 – 135, im folgenden zitiert als Kalter Stahl..., 756 Vgl. Harris, Robert: Gotcha! The Media, the Government and the Falklands Crisis; London 1983, S. 15 – 16; im folgenden zitiert als Harris: Gotcha..., 757 Zitiert nach Harris: Gotcha..., S. 17 758 Vgl. Hudson; Stanier: War and the Media..., S. 170; Harris: Gotcha..., S. 18

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Auch der Umstand, wie jene Journalisten, die die Flotte begleiten durften, ausgewählt wurden, war nicht unbedingt geeignet, das Vertrauen der Presse in die offiziellen Stellen zu erhöhen: Zur Mittagszeit des 4. April 1982, einem Sonntag, saß der Direktor der Newspaper Publishers' Asso- ciation, dem britischen Pendant zum Bundesverband der Zeitungsverleger, beim Mittagessen, als er am Telephon mitgeteilt bekam, daß jeder Reporter, der mit der Flotte in See stechen wolle, sich bis Mitternacht im Hafen von Portsmouth einzufinden hätte, da die Flotte früh am Morgen des 5. April aufbrechen werde – er solle dem Ministerium binnen der nächsten vier Stunden die Liste mit den Namen der 5 „Auserwählten“ übermitteln. Für die Vertreter des Fernsehens in Per- son jeweils eines Korrespondenten der BBC und Independant Television News (ITN), einem ge- meinsamen Kamerateam, bestehend aus Kameramann und Kameraassistent und einem Techni- ker, waren die fünf anderen Plätze reserviert. Die nächsten 1 ½ Stunden verbrachte er damit, mit allen wichtigen Zeitungen in der Fleet Street zu telefonieren, die – verständlicherweise – darauf beharrten, daß ihr Korrespondent der jeweils wichtigste sei, der unbedingt mit müsse. Am Ende blieb jenem Direktor nichts anderes übrig, als die Namen aller in Frage kommenden Journalisten in einen seiner Hüte zu werfen und seine Frau die „Gewinner“ ziehen zu lassen. Was nun folgte, waren wütende Proteste des Teils der Presse, der daheim bleiben mußte in Downing Street No. 10, so daß dort die Anweisung gegeben wurde, das Kontingent auf 29 Plätze zu erhöhen. Diese Intervention der Presse im Dienstsitz der Premierministerin wurde allgemein als “the most viol- ent media lobbying of No. 10 in recent history”759 betrachtet. Nebenbei bemerkt, die Akkreditie- rungsformulare, die die Reporter auszufüllen hatten, waren Überbleibsel der Suezkrise von 1956.760

Journalisten waren zwar nun an Bord der Schiffe der Task Force, die sich in den Südatlantik auf- machte, doch worüber sie berichten konnten, wurde am 8. April in einer Weisung des britischen Verteidigungsministeriums genauestens reglementiert. Die Weisung richtete sich zwar in erster Linie an die Kapitäne der Task Force und regelte das, über was sie gegenüber ihren Gästen von der Presse nicht Auskunft geben durften: “including speculation about operational plans; opera- tional capabilities of individual units and of all types of equipment; particulars of current tactics and techniques; logistics; intelligence about Argentine Forces; communications; defects in equipment”761. Im Umkehrschluß durften die britischen Kapitäne mit den Vertretern der Presse über nichts anderes reden als über das Wetter und den Speiseplan der Schiffskantine – und dies vermutlich auch nur nach genauester Abwägung, ob hierbei nicht doch gegen irgendwelche der oben angeführten Richtlinien verstoßen wurde. Aus Gründen der Sicherheit dieser Operation mag diese Anweisung zwar verständlich sein, aus journalistischer Sicht bleibt aber nicht mehr viel, über das berichtet werden kann. Im Endeffekt hätten die Journalisten nur noch über das Wetter berichten können. Die Wetterberichte aus dem Kriegsgebiet waren aber wiederum als „geheim“ klassifiziert worden. Auch die Art und Weise, wie die Reporter vor Ort ihre Berichte – sofern sie denn etwas zu berichten hatten – absetzen konnten, zeigt, wie unorganisiert, chaotisch und zeitraubend das ganze Unterfangen organisiert war. Die Berichte der Zeitungsjournalisten durften zwar über das auf den Schiffen installierte militärische Kommunikationssystem gesendet werden, landeten dann aber nicht direkt in der jeweiligen Redaktion, sondern im Kommunikati- onszentrum des Verteidigungsministeriums. Berichte von Radio- und Fernsehjournalisten konn- ten nur über das kommerzielle Satellitenkommunikationssystem INMARSAT gesendet wer- den.762

759 Zitiert nach Adams: Media and the Falklands..., S. 6 760 Vgl. Freedman: Britain and the Falklands..., S. 89; Adams: Media and the Falklands..., S. 6; siehe auch Kalter Stahl..., S. 134; Hudson; Stanier: War and the Media..., S. 169; Harris: Gotcha..., S. 18 – 20 761 Adams: Media and the Falklands..., S. 6, siehe auch Young; Jesser: Media and the Military..., S. 111 – 112

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Symptomatisch für die eigenwillige Art der Royal Navy im Umgang mit der Presse, es hat den Anschein, als hätten die Verantwortlichen in der britischen Marine über Jahrzehnte hinweg die schiere Existenz einer Institution „Presse“ schlichtweg negiert, ist der Umstand, daß wohl nie- mand auf die Idee gekommen zu sein schien, wenigstens seine führenden Militärs, die allesamt Absolventen des Royal Defence College waren, im Umgang mit der Presse zu schulen. So no- tiert der befehlshabende Admiral der Task Force, Sandy Woodward, unter dem Datum des 26. April in seinem Tagebuch: “On this day I also ran into trouble from an unforeseen, though prob- ably unwitting enemy, the British Press. I should point out, that I had never dealt with this phe- nomenon before, thus I was unsure how to handle them or what to tell them.”763 Die Interviews, die er für das britische Fernsehen gegeben hatte, müssen auf den Zuschauer und auf den Beob- achter einen verheerenden Eindruck gemacht haben: “Seeing him on television, half sitting, half lying back, hiding his mouth behind his knuckles as he reaches hesitantly for the right words, you see what happend on the Hermes last week. An Admiral got out of his depth”, notierte der Sunday Telegraph über eines der Interviews.764 Wenn aber ein ganzer Truppenteil der Meinung ist, die Presse sei der eigentliche Feind, dann verwundert es kaum, daß die Pressepolitik der briti- schen Royal Navy dermaßen dilletantisch umgesetzt wurde. Wieso aber diese Angst vor der Presse herrschte, kann heute kaum nachvollzogen werden. Schließlich erfuhr die britische Pre- mierministerin Margaret Thatcher, den Umfragen zufolge, mehr Unterstützung seitens der Öf- fentlichkeit als jeder andere ihrer Vorgänger, der mit einer internationalen Krise konfrontiert war – ausgenommen Winston Churchill. Sie war daher in der, für einen Politiker, komfortablen Posi- tion, daß große Teile der Parlaments, die Mehrheit der Öffentlichkeit und auch die Medien ihren Kurs, die Inseln nötigenfalls mit Gewalt zurückzugewinnen, sollten alle anderen Mittel versagen, unterstützten. Eine Meinungsumfrage von damals zeigt eine Zustimmungsquote von 83% für die Rückgewinnung der Falklands, 53% der Befragten würden für dieses Ziel sogar den Einsatz von Waffengewalt begrüßen. So verwundert es nicht, wenn Arthur Humphries der Medienpolitik der Regierung Thatcher ein gutes Zeugnis ausstellt und ausdrücklich hervorhebt, daß die Premiermi- nisterin selbst darauf bestanden habe, daß es zu wenig sei, nur sechs Journalisten zu erlauben, mit der Flotte in den Krieg zu ziehen. Ihr Prinzip, die Berichterstattung über die britische Seite des Krieges zu ermöglichen, sei richtig gewesen. Auch sei ihr Lösungsansatz, Journalisten auszu- senden, um über diese Ereignisse zu berichten, richtig gewesen. Es sei aber die Unfähigkeit ge- wesen, eine Methode im Umgang mit den Journalisten zu finden, die die Versuche der Regie- rung, die Öffentlichkeit informiert zu halten, durchkreuzt hätten.765

Erst als die Kampfhandlungen begannen, konnte die auf den Schiffen versammelte Presse etwas Substantielles berichten und so der argentinischen Propaganda entgegenwirken: Diese hatte näm- lich behauptet, die argentinischen Streitkräfte hätten einige britische Kampfflugzeuge vom Typ Harrier abgeschossen. Hier zahlte sich aus, daß die auf den beiden Flugzeugträgern der Task For- ce stationierten Journalisten die ganze Zeit über nichts anderes machen konnten, als die Flugzeu- ge an Bord zu zählen. So konnte einer der Journalisten der argentinischen Behauptung entgegen treten und schreiben, daß er alle Flugzeuge beim Start gezählt hätte und daß bei der Landung alle Flugzeuge wieder nach Hause gefunden hätten.766

762 Vgl. Hudson; Stanier: War and the Media..., S. 171; Kalter Stahl..., S. 134; Adams: Media and the Falklands..., S. 6 763 Zitiert nach Hudson; Stanier: War and the Media..., S. 171 764 Zitiert nach Hudson; Stanier: War and the Media..., S. 172 765 Vgl. Humphries: Two Routes on the Wrong Destinations..., S. 58 – 60; 766 Vgl. Hudson; Stanier: War and the Media..., S. 172

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Negativer und geschmackloser Höhe- punkt der Berichterstattung und gleich- zeitig des „Hurra-Patriotismus“ auf briti- scher Seite war die Schlagzeile des zum Murdoch-Konzern gehörenden briti- schen Boulevardblattes „The Sun“ über die Versenkung des argentinischen Kriegsschiffes „ARA General Belgrano“. Die Sun hatte damals “GOTCHA”, zu Deutsch etwa „Hab Dich“, in riesigen Lettern getitelt. Das Zustandekommen dieser unsäglich abge- schmackten Überschrift erklärte der Chefredakteur des Mutterkonzerns, der News Group Newspapers von Rupert Murdoch, damit, daß die Sun als erste britische Zeitung aufgrund der Auflage von 4 Millionen in Andruck geht und in der Nacht vom 3. auf den 4. Mai 1982 die Zeitung auf Grund eines Journalis- tenstreiks vom Management selber, mit Unterstützung einiger nicht gewerk- schaftlich organisierter Journalisten, Set- zer und Drucker hergestellt werden mußte. Ferner sei diese Schlagzeile der Abbildung 38: Die Titelseite des britischen Boulevardblattes "The Sun" vom 4. Mai Aufregung nach Erhalt der Nachricht ge- 1942. Am oberen Rand der Seite findet sich der Hinweis darauf, daß der Luxusliner QE 2 ebenfalls in den Krieg zog. schuldet: “I agree that headline was a shame [...] But it wasn't meant in a Quelle http://fdd.typepad.com/photos/uncategorized/the_sun_gotcha_1.jpg (Letzer Zugriff 15. 07 . 2008) blood-curdling way. We just felt excited and euphoric. Only when we began to hear reports of how many men had died did we begin to have second thoughts.”767 Als gegen 8 Uhr abends an jenem 3. Mai die ersten Exemplare die Rotation verließen, hatte die Redaktion die Titelseite umgestaltet. Die ersten 1,5 Millionen Exemplare waren aber schon auf dem Weg in den Norden des britischen Königreiches, als die neue Titelseite mit der weitaus reflektierteren Frage “DID 1200 ARGIES DROWN?” als Schlagzeile in Andruck ging.768

Die Basis für die Informationspolitik der Regierung seien, nach der Analyse des amerikanischen PR-Experten Arthur A. Humphries, zwei Grundprinzipien gewesen: Informationsfreiheit und Operationssicherheit. Die Gewährung des einen und Einhaltung des anderen entspräche einer Wanderung auf einem sehr schmalen Grat. Wenn seitens der offiziellen Stellen zu oft argumen- tiert werde, die gewünschte Information könne aus Gründen der Sicherheit von Operationen nicht weitergegeben werden, dann würde – so Humphries – das Vertrauen in die Sprecher der Regierung oder des Militärs schwinden. Daraus lasse sich die Lehre ziehen, daß es für die Regie- rung lebenswichtig sei, sich nicht selbst von der Glaubwürdigkeit der Öffentlichkeit gegenüber abzuschotten. Zu welch lächerlichen Ergebnissen diese Art von Pressepolitik führte, vermag fol- gendes Beispiel zu illustrieren: Während des Krieges hatten die Zensoren, die der Task Force zu-

767 Zitiert nach Harris: Gotcha..., S. 13 768 Vgl. Harris: Gotcha..., S. 13

Seite 172 “The Picture Survives” geteilt waren, und diejenigen in London, die Berichte der Journalisten im übertragenen Sinne „gewogen“ und ihnen nahegelegt, bestimmte Passagen neu zu schreiben. Hierfür existierten aber weder einheitliche Vorgehensweisen noch nachvollziehbare Zensurregeln. So enthielt der Bericht über die Bombardierung des Landungsschiffes Sir Galahad den Verweis auf einen jungen Solda- ten, der mit den Worten zitiert wurde, man sollte seiner Mutter sagen, ihm gehe es gut. Diese Passage passierte die Zensur auf den Schiffen der Task Force, wurde aber vom Zensor in London mit dem Hinweis beanstandet, daß die nächsten Angehörigen dieses Soldaten noch nicht infor- miert seien und man es daher begrüßen würde, wenn sein Name nicht genannt würde.769

Der beinahe perfekte Mantel des Schweigens, der über die Operationen der Royal Navy im Süd- atlantik gebreitet wurde, hatte zur Folge, daß sich die britischen Medien nicht anders zu helfen wußten als auch die Meldungen der argentinischen Regierung zu zitieren – mit der Folge, daß den Verlegern in der Fleet Street vorgeworfen wurde, übertrieben objektiv zu sein. Dieser Man- gel an verwertbaren Informationen war gleichzeitig die Stunde der “armchair strategists”770, heute würde man Militär-Experte dazu sagen, meistens pensionierte Offiziere (vom Oberst an aufwärts), die in die Fernsehstudios geholt wurden, um dort zu erklären, was sie tun würden und wo sie Landungsoperationen planen würden, hätten sie die Operationen zu planen und – viel- leicht noch wichtiger – hätten sie dort unten das Kommando. Der damals oft erhobene Vorwurf, die Gegenseite hätte daraus Informationen für sich selbst ableiten können, konnte nie erhärtet werden – was angesichts der miserablen Informationslage auch nicht verwundert. So kommt der Schluß, daß dieses „Expertenwissen“ in etwa so harmlos wie “the children's blindfold game of pinning a tail on a donkey”771 war, also in etwa dem sprichwörtlichen „Herumstochern im Nebel“ entsprach, nicht von ungefähr.772

Die Journalisten, die von England aus über den Krieg berichteten, kritisierten vor allem die ge- ringe Zahl an Pressekonferenzen773, die seitens der verantwortlichen Stellen gegeben wurden. Es wurde seitens der Presse argumentiert, daß diese geringe Zahl zu der Flut von Spekulationen in den veröffentlichten Berichten beigetragen hätte. In der Tat hatte das Ministerium die fatale Ent- scheidung getroffen, die Pressekonferenzen zwischen dem Zeitpunkt, an dem die Flotte in See stach bis zum 11. Mai einzustellen – als sicher war, daß die Kampfhandlungen ein gutes Ende finden würden. Dabei, so Humphries Schlußfolgerung, sei es für eine Regierung von essentieller Bedeutung, regelmäßige Pressekonferenzen für alle Medienvertreter abzuhalten, um ein vertrau- ensvolles Verhältnis herzustellen, den Fluß korrekter Informationen sicherzustellen und der Ver- breitung von Spekulationen und Gerüchten entgegenzuwirken. Dies sei die Basis für den Erfolg einer PR-Strategie.

Weitaus riskanter als diese paar pensionierten Militärs, die der britischen Nation am Bildschirm erklärten, was sie tun würden, wenn sie es denn könnten, war die Berichterstattung des World Service der BBC über die Schlacht von Goose Green. Nach der Landung und der Errichtung ei- nes Brückenkopfes in der Bucht von San Carlos befand sich das 2nd Parachute Bataillon auf dem Weg zur Ortschaft Goose Green. Dort war eine nicht näher bekannte Anzahl argentinischer Trup-

769 Vgl. Humphries: Two Routes on the Wrong Destinations..., S. 59 – 62 770 Hudson; Stanier: War and the Media..., S. 174; auf Deutsch etwa „Lehnstuhlstrategen“ siehe Beham: Kriegs- trommeln..., S. 92 771 Hudson; Stanier: War and the Media..., S. 174 772 Vgl. Beham: Kriegstrommeln..., S. 92; Adams: Media and the Falklands..., S. 57 – 60 773 Im angelsächsischen Sprachraum wird für eine Pressekonferenz gerne der Begriff “press-briefing” verwendet. Da dieser Begriff eigentlich keine Konferenz im Sinne, daß die Presse Fragen stellen kann, bezeichnet, aber in den meisten Fällen doch Fragen gestellt werden dürfen, werden diese beiden Begriff synonym verwendet.

Seite 173 “The Picture Survives” pen stationiert, die eine mögliche Landung abwehren sollten. Während sich nun das 2nd Parachu- te Bataillon auf dem Weg in Richtung Goose Green befand, berichtete der World Service der BBC in seiner stündlichen Nachrichtensendung von ihrem Vormarsch. Diese Berichte waren nicht allgemeiner Art, sondern außerordentlich detailliert, als würden Wegpunkte auf einer Karte angegeben. Alles, was der argentinische Kommandeur noch zu tun hatte, war, seinen Soldaten zu befehlen, sich in Richtung Norden zu bewegen und sich dort einzugraben. Wie es zu diesem Be- richt der BBC kommen konnte, konnte nie vollständig geklärt werden. Offenbar gab es eine offi- zielle Pressemitteilung – auch wenn nicht ganz klar ist, aus wessen Verantwortungsbereich inner- halb des Verteidigungsministeriums – die dann innerhalb der BBC als offizielle Information wei- tergereicht und so schließlich verbreitet wurde.774

Der Krieg um die Falklandinseln war einer der wenigen Kriege des späten 20. Jahr- hunderts, bei dem es keine Fernsehbilder live von der Front gab. Dies hing haupt- sächlich damit zusammen, daß zu diesem Zeitpunkt Fernsehübertragungen via Satel- lit an der Tagesordnung waren, die hierfür nötige Ausrüstung aber dermaßen sperrig und schwer war, daß diese kaum transpor- tabel war.775 Photographen konnten da et- was besser arbeiten, da ihre Ausrüstung zum größten Teil leichter und handlicher war als die der Kollegen vom Fernsehen, zum anderen, da ihre Bilder wesentlich ein- facher, nötigenfalls auch über eine Tele- phonleitung, zu übermitteln waren. Den- noch gibt es, von wenigen Ausnahmen ab- gesehen, kaum Bilder von den Kampfhand- lungen auf den Falklands. Angesichts der abgeschiedenen Lage und der Tatsache, daß alle Journalisten an Bord der Flotte waren und die Royal Navy definitiv Wich- tigeres zu tun hatte, als „Taxi“ für Journa- listen zu spielen, mag dies ja noch ver- ständlich sein. Was aber kaum verständlich Abbildung 39: Mit Versandtaschen wie dieser wurden Videocassetten oder Film- und auch kaum erklärbar ist, ist der Um- rollen vor der breiten Verfügbarkeit von Satellitenüberspielungen versandt. Wie an den Aufklebern deutlich zu erkennen ist, wurden diese Taschen, als Luftfracht stand, daß es keine Bilder – weder Fernseh- deklariert, dem Piloten mitgegeben. bilder noch Photographien – von der Kapi- Quelle: ZDF / Archiv des Verfassers tulation der argentinischen Besatzer in Port Stanley gibt.776 So verwundert es wenig, wenn sich das Fazit über die britische Pressepolitik wie folgt zusammenfassen läßt: “So there was a serious information problem with the MOD777. It arose not through any Machiavellian desire to mislead the news media or the public constantly,

774 Vgl. Hudson; Stanier: War and the Media..., S. 175 – 176 775 Die hierfür notwendige Technik paßte zu dieser Zeit, in Einzelteile zerlegt, auf einen Tieflader. 776 Vgl. Humphries: Two Routes on the Wrong Destinations..., S. 61 – 62 777 MOD = Ministry of Defence

Seite 174 “The Picture Survives” but trough sheer incompetence at times and most often through naiveté.”778 Genauso wenig ver- wundert die Frage bzw. das Resümee, das die Zeitung “News of the World” in einem Memoran- dum an das britische Verteidigungskomitee aufwarf:

“[...] Did the Ministry of Defence REALLY want this war covered? That is the question that must be asked... why the MoD did not lay down sensible censorship regulations with the help of media experts conscious of the national interest. As it was, the whole operation was a shambles from the media point of view and the figleaf of 'national interest' was used to cover the errors, omission, muddle and lack of information. [...]”779

5.1.4 Lehren aus diesem Krieg

Wie nach jedem Krieg, so wurde auch nach diesem Krieg eine ausführliche Bilanz gezogen. Dies gehört zur normalen Tätigkeit von Generalstabsoffizieren: Die Analyse dessen, was in dem gera- de ausgefochtenen Krieg gut oder schlecht gelaufen ist, der Ursprung der Militärgeschichte, die damals noch unter dem Schlagwort „Operationsgeschichte“ firmierte. Interessant am Krieg um die Falklandinseln ist der Umstand, daß die wohl folgenreichste Lehre nicht vom britischen Ge- neralstab und auch nicht von den Medien gezogen wurde, sondern von einem Korvettenkapitän der amerikanischen Marine und Fachmann für Public Relations, der am amerikanischen Naval War College in Annapolis studierte und sich dort innerhalb einer Forschungsgruppe mit dem Fal- klandkrieg beschäftigte. Daher soll an dieser Stelle auf die detaillierte Analyse der Lehren für Militär und Medien verzichtet werden. Stattdessen erscheint eine genaue Analyse der Lehren, die jener Korvettenkapitän der US-Navy, Arthur A. Humphries, aus diesem Krieg zog, im Hinblick auf die Fragestellung dieser Arbeit lohnenswerter. Seine Schlußfolgerungen lassen sich als Art der „7 Gebote der Presselenkung“ interpretieren780:

1. Die eigene Seite darf in den Medien, möchte sie die Unterstützung der Öffentlichkeit für einen Krieg erlangen und erhalten, nicht als rücksichts- und hemmungslose Barbaren er- scheinen. Bestes Beispiel hierfür sei, so Humphries, das bekannte Bild Edward „Eddie“ Adams aus dem Krieg in Vietnam. Aus diesem Bild bzw. den dazu gehörenden bewegten Bildern zieht er den Schluß, daß diese nicht dazu geeignet waren, die Unterstützung der amerikanischen Öffentlichkeit für den Krieg in Vietnam weiter zu stärken. Man könne ande- rerseits aber realistischerweise nicht erwarten, daß die eigene Seite immer als „Ritter in glänzender Rüstung“ erscheinen würde.781

2. Wenn Angehörige ihre verwundeten oder gefallenen Ehemänner oder Söhne in Farbe auf dem Fernsehschirm zu sehen bekämen, würde die Unterstützung für die Kriegsziele der ei- genen Regierung zu bröckeln beginnen. Genau dieser Fall sei in Vietnam immer wieder ein- getreten. Daher habe das Ansehen und damit auch die Unterstützung für die amerikanischen Aktionen in der Bevölkerung nachgelassen.782

778 Humphries: Two Routes on the Wrong Destinations..., S. 62 779 Zitiert nach Young; Jesser: Media and the Military..., S. 112 – 113 780 Die folgende Aufzählung der Kernpunkte Humphries bezieht sich, sofern nicht anders angegeben, auf Hum- phries: Two Routes on the Wrong Destinations..., S. 70 – 71 781 Vgl. Humphries: Two Routes on the Wrong Destinations..., S. 56 782 Vgl. Humphries: Two Routes on the Wrong Destinations..., S. 56

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3. Um Bilder dieser Art zu verhindern, muß daher der Zugang der Journalisten und Reporter zu den Kampfzonen kontrolliert werden. Es muß auch möglich sein, Journalisten vom Zutritt zur Kampfzone auszuschließen.

4. Die Einführung einer Zensur ist unabdingbar, möchte man Hilfestellung der Medien – sei sie direkt oder indirekt – für die bekannten und vermuteten Feinde verhindern.

5. Es ist für die kriegführende Regierung ratsam, Hilfe bzw. Unterstützung im eigenen Land durch den Appell an den Patriotismus der Bevölkerung zu erzeugen. Gleiches gelte für die kämpfende Truppe. Dies sollte aber keinesfalls zu exzessivem Triumphgeheul führen wie die damalige Schlagzeile „GOTCHA!“ der SUN.

6. Die sich im Krieg befindende Regierung muß ihre Seite, nicht zuletzt um des psychologi- schen Vorteils willen, zuerst über den Verlauf der Geschehnisse informieren, so daß der Feind mit seiner Informationspolitik ins Hintertreffen gerät.

7. Um Hilfestellung der oben beschriebenen Art zu erhalten und um die Lästerer und Verleum- der im eigenen Land zu verwirren, solle die Regierung die Wahrheit über den Gegner berich- ten und die feindliche Gräuel-Propaganda ignorieren.

Humphries schließt seine Anregungen mit der Feststellung, daß Krieg etwas sei, wofür man als Soldat immer und immer wieder trainiere in der Hoffnung, daß er nie kommen werde. Öffent- lichkeitsarbeit in Kriegs- und Krisenzeiten aber sei etwas, das immer wieder angewandt werde, aber so gut wie nie trainiert werde. Daher müsse die Öffentlichkeitsarbeit in Kriegs- und Krisen- zeiten Bestandteil jeder militärischen Übung sein, so daß sich jede Kommandoebene mit diesem Problem befassen müsse.

Diese „7 Gebote der Presselenkung“ klingen beim ersten Lesen, auch nach der Lektüre der detai- lierten Analyse der britischen Pressepolitik im Falklandkonflikt, ausgesprochen gut. Erst bei wie- derholter Lektüre fallen etliche Schwachpunkte in diesen Geboten auf. Wie ist beispielsweise zu verfahren, wenn der Gegner auch nach diesen Prinzipien arbeitet? Denkt man Humphries Gebote weiter, so entwickelt sich daraus eine Art Wettrüsten um die öffentliche Meinung, das früher oder später zu einem alle Ressourcen verschlingenen Monstrum im Krieg werden wird. Wenn dem aber so ist, dann ist davon auszugehen, daß diese Art der Presselenkung zumindest nur bis zu ei- nem Punkt effektiv ist und der Krieg um die Öffentliche Meinung kaum von einer Seite zu ge- winnen ist. Vielmehr erscheint es dann wahrscheinlich, daß aus den jeweils gegnerischen Versu- chen der Presselenkung etwas wie eine dritte Wahrheit generiert wird, die sich aus den berichte- ten Wahrheiten der beiden Kriegsparteien zusammensetzt. Daß diese dritte Wahrheit nicht zwangsläufig dem, was sich tatsächlich ereignet hat, gerecht wird, scheint selbstverständlich zu sein. Die Addition von berichteter Wahrheit der Kriegsseite A mit der berichteten Wahrheit der Kriegsseite B ergibt eben nicht die tatsächliche Wahrheit, sondern spiegelt lediglich die Summe der offiziellen Wahrheiten A und B wider – mit all ihren Auslassungen, Übertreibungen und Feh- lern.

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5.2 Die Operationen “Urgent Fury” (1983) und “Just Cause” (1989) – Formulie- rung einer eigenen amerikanischen Pressepolitik für Kriegszeiten

5.2.1 Die amerikanische Invasion in Grenada – Operation “Urgent Fury”

Der erste Krieg, in dem die Empfehlungen Humphries umgesetzt wurden, war – folgt man der gängigen Literatur783 – das amerikanische Eingreifen in dem karibischen Staat Grenada im Okto- ber 1983, die Operation “Urgent Fury”. Diese Sichtweise hat zugegebenermaßen einige Über- zeugungskraft: Vier Monate nach Erscheinen jenes Artikels erfolgte die Invasion in diesem Kari- bikstaat, bei der die Medien erst nach Ende der Kampfhandlungen auf die Insel gelassen wurden. Leider stimmt diese Sichtweise nicht mit den Tatsachen überein: Humphries Artikel erschien erst im Jahre 1993 in der Zeitschrift der amerikanischen Marineakademie, der “Naval War College Review”. Wenn also die amerikanische Regierung wirklich die Entscheidung, die Presse von den militärischen Operationen gegen Grenada auszuschließen, auf Basis der Empfehlungen Hum- phries getroffen haben sollte, dann jedenfalls nicht auf Basis des publizierten Artikels. Wenn nun aber nicht der publizierte Artikel Basis dieser Entscheidung gewesen ist, dann ergeben sich dar- aus nur zwei Methoden der Entscheidungsfindung: Zum einen kann die Studie Humphries schon zu diesem Zeitpunkt, als terminus ante quem wäre hier der Oktober 1983 zu nennen, vorgelegen haben, dann aber als Diskussionspapier innerhalb der amerikanischen Marine, der Joint Chiefs of Staff, des White House und des State Department. Zum anderen kann die Entscheidung zum Ausschluß der Presse von den Operationen auch als Reflex auf das ohnehin gestörte Verhältnis zwischen Medien und dem amerikanischen Militär nach dem (unrühmlichen) Ende des Krieges in Vietnam gesehen werden. Welche dieser beiden Versionen ist nun wahrscheinlicher? Diese Frage kann nur unter Heranziehung von Indizien beantwortet werden: Der Krieg um die Fal- klandinseln war im Juni 1982 zu Ende. Im Oktober 1983 fanden die Kampfhandlungen in Grena- da statt. Dazwischen liegen ungefähr ein Jahr und drei Monate. Wenn also Humphries seinen Ar- tikel bereits 1983 verfaßt haben sollte, dann muß dieser in den ersten Monaten des Jahres vorge- legen haben, um überhaupt ein genügend großes Zeitfenster von der Formulierung bis zur Imple- mentation dieser neuen Pressepolitik gehabt zu haben. Angesichts der Tatsache, daß Versuche, bestehende Politiken zu ändern in aller Regel einer gewissen Zeitspanne bedürfen, innerhalb de- rer erstens die Grundzüge der neuen Politik formuliert werden und zweitens diese dann mit wei- teren davon betroffenen Dienststellen abgestimmt werden müssen, erscheint eine Zeitspanne von ca. 9 Monaten als unrealistisch. Ferner ist zu bezweifeln, daß Humphries direkt nach Ende der Kampfhandlungen Zugang zu den entscheidenden britischen Quellen, die er zitiert und auf denen seine Analyse beruht, gehabt haben wird. Daher ist anzunehmen, daß diese Version die unwahr- scheinlichere von beiden ist.784

Wie oben erwähnt, wurde den Medien erst nach Ende der Kampfhandlungen, als schon alles vor- bei war, gestattet, den Schauplatz des Geschehens zu betreten. Die Weltpresse hatte sich auf der

783 Hier vor allem MacArthur, John R.: Second Front. Censorship and Propaganda in the 1991 Gulf War; Berkeley, 20042, S. 154 – 160, im folgenden zitiert als MacArthur: Second Front…, und ähnlich Beham: Kriegstrommeln..., S. 93 784 Zu den Details der “Operation Urgent Fury” siehe ausführlich Hudson; Stanier: War and the Media..., S. 189 – 201; Beham: Kriegstrommeln..., S. 93 – 97; Young; Jesser: Media and the Military..., S. 121 – 127; Elter, An- dreas: Die andere Front: Pressepolitik in den US-Kriegen des 20. Jahrhunderts; Diss., Köln 2003, S. 213 - 219, im folgenden zitiert als Elter: Die andere Front…,

Seite 177 “The Picture Survives” benachbarten Insel Barbados versammelt und brannte darauf, über die Ereignisse berichten zu können. Am dritten Tag der Invasion, als keine Kampfhandlungen mehr zu sehen waren, wurde es schließlich den Vertretern der Presse gestattet, die Insel zu betreten. Es handelte sich hierbei allerdings nur um 15 Journalisten der großen Fernsehnetzwerke (ABC, CBS und NBC) sowie der führenden Nachrichtenagenturen (AP, UPI, Reuters), denen der Zugang erlaubt wurde, die in einem Pool zusammengefaßt wurden. Allerdings scheint es sich bei diesem Pool nicht, wie An- dreas Elter annimmt, um den Vorläufer der Presse-Pools zu handeln, wie sie im Zweiten Golf- krieg zum Einsatz kommen sollten. Bei den damaligen Pools scheint es sich eher um ein norma- les Prozedere mit festen Spielregeln bei zu vielen Journalisten, im Falle von Grenada 325, und zu wenigen zur Verfügung stehenden Plätzen gehandelt zu haben: „[...] bei Ereignissen von großem öffentlichem Interesse mit begrenzten Arbeitsmöglichkeiten für die Medienvertreter wird aus je- der Kategorie einer zugelassen, der sein Material dann auch den anderen zur Verfügung stellen muß [...]“.785 Elter weist zwar explizit darauf hin, daß bei diesem Pool kein Vertreter von Tages- zeitungen dabei war, übersieht aber dabei den Umstand, daß Journalisten der großen Nachrich- tenagenturen Mitglieder in diesem Pool waren. Da Tageszeitungen – auch die großen amerikani- schen Rennomierblätter – zum einen Abonnenten der Nachrichtenagenturen und zum anderen die amerikanischen Tageszeitungen letztendlich Inhaber von AP sind, fällt dieser Punkt in diesem Fall kaum ins Gewicht. Angesichts des großen internationalen Interesses standen die amerikani- schen Militärs vermutlich vor der Entscheidung, zwischen der Zulassung von Tageszeitungen oder der Information der Weltöffentlichkeit abwägen zu müssen.786

Wie doppelzüngig allerdings die offizielle amerikanische Politik in Sachen Pressefreiheit war, läßt sich daran erkennen, daß der damalige Präsident Ronald Reagen der “Foreign Press Associ- ation” ausgerechnet am Tag des Beginns der amerikanischen Operationen gegen Grenada ein Glückwunschtelegramm sandte, in dem er vollmundig über die Notwendigkeit einer freien und unabhängigen Presse und Berichterstattung räsonierte:

“[...] It is our conviction that accurate, objective information is necessary to the preservation of democracy and freedom. While there are those in the world who would have the press be an instrument of government policy in a new information order, you and your colleagues may be assured of our support in working against restrictions on the rights of journalists to report and informate as they see fit, free of authoritarian restrictions and official or ideological guidelines. [...]”787 Die Reaktion auf diese vollkommene Aussperrung der Presse von den Ereignissen, der stellver- tretende Sicherheitsberater Reagens, Poindexter, wies den Pressesprecher des White House im Vorfeld an, Gerüchte über Aktionen gegen Grenada als „lächerlich“ zu kommentieren, war für die amerikanische Regierung alles andere als positiv. Allein die Einblendung des Schriftzuges “Cleared by Department of Defense Censors” in das wenige vom Pentagon zur Verfügung ge- stellte Videomaterial zeigte für den Zuschauer deutlich sichtbar an, daß hier etwas passiert war, das zumindest nicht allzu sehr mit dem ersten Zusatzartikel zur amerikanischen Verfassung, dem “First Amendment”, in dem die Meinungs- und Pressefreiheit garantiert wird, vereinbar war. Zwei der großen Fernsehsender der USA, CBS und ABC, protestierten wegen der „Verbannung“

785 Klein, Hans: Es begann im Kaukasus. Der entscheidende Schritt in die Einheit Deutschlands; Berlin, Frankfurt 19912, S. 48; im folgenden zitiert als Klein: Es begann im Kaukasus…, 786 Vgl. Elter: Die andere Front…, S. 222; siehe auch Hudson; Stanier: War and the Media..., S. 200 – 201; Young; Jesser: Media and the Military..., S. 130 787 Telegramm des amerikanischen Präsidenten Ronald Reagen anläßlich des 65. Geburtstages der “Foreign Press Association”, zitiert nach Elter: Die andere Front…, S. 219

Seite 178 “The Picture Survives” ihrer Journalisten vom Schauplatz der Kämpfe dann auch direkt beim damaligen Verteidigungs- minister Weinberger. Sie argumentierten unter anderem mit einem Bruch jenes ersten Zusatzarti- kels.788

All dies führte zur beinahe schon üblichen Reaktion der Politik: wie nach dem Falklandkrieg wurde auch nach Grenada ein Untersuchungsausschuß eingesetzt, der die Vorkommnisse und die grundlegende Entscheidungsstruktur untersuchen und nötigenfalls verbessern sollte.789 Im Falle von Grenada wurden allerdings zwei Untersuchungssausschüsse eingesetzt: Zum einen mußten sich die Verantwortlichen vor dem Streitkräfteausschuß und dem Justizausschuß des Kongresses verantworten – ein in der amerikanischen Politik normales und alles andere als ungewöhnliches Vorgehen. Dieser Vorgang diente im Fall von Grenada dazu, die völkerrechtliche Korrektheit die- ser Intervention festzustellen.790 Der Justizausschuß machte dabei aber, vermutlich unter dem Eindruck der Ereignisse, den Militärs den Vorschlag, doch mit Vertretern der Presse Leitlinien für eine künftige, effektive und möglichste beide Seiten zufriedenstellende Pressepolitik in Kriegszeiten auszuarbeiten. Der Vorsitzende der JCS setzte diesen Ausschuß ein. Zum Leiter wurde der pensionierte Generalmajor der US Army, Winant Sidle, ernannt. Daher trägt dieses Or- gan statt des etwas sperrigen offiziellen Namens “The Chairman of the Joint Chief of Staff (CJCS) Media-Military Relations Panel”791 auch den Namen ihres Leiters – “Sidle Panel”. Sidle verfügte über eine gewisse Erfahrung im Umgang mit der Presse und den sich aus militärischer Sicht daraus ergebenden Problemen, war er doch von Haus aus Journalist und später, als Soldat, während des Krieges in Vietnam, von 1967 – 1969 Leiter der Presseabteilung der Army in Sai- gon, von 1969 – 1973 Leiter der Presseabteilung der Army und von 1974 – 1975 “Deputy Assist- ant Secretary of Defense for Public Affairs”. Nach seiner Pensionierung war er Direktor der PR- Abteilung des Rüstungskonzerns Martin-Marietta.792

Die der Arbeit dieser Kommission zugrundeliegende Fragestellung lautete wie folgt: “How can we [die amerikanische Regierung] conduct military operations in a manner that safeguards the lives of our military and protects the security of the operation while keeping the American public informed trough the media?”793 Ursprünglich sollten der Kommission Mitglieder aller journalis- tischen Dachverbände794 zusammen mit den entsprechenden Dienststellen innerhalb des amerika- nischen Verteidigungsministeriums angehören. Diese journalistischen Standesorganisationen so- wie ihre einzelnen Mitglieder lehnten es aber ab, obwohl sie bereit waren, die Kommission zu unterstützen, Mitglieder dafür zu entsenden. Offenbar empfanden es die angefragten Verbände und Personen als nicht angemessen für Mitglieder der Medien, Mitglied in einer Kommission der

788 Vgl. Elter: Die andere Front…, S. 220, 224 – 226; Young; Jesser: Media and the Military..., S. 129, 137; Hud- son; Stanier: War and the Media..., S. 200 789 Vgl. Elter: Die andere Front…, S. 231 – 233; Young; Jesser: Media and the Military..., S. 121 790 Gemäß der 1973 verabschiedeten, sogenannten “War Powers Resolution” (Joint Resolution of Congress H. J. RES. 54, vom 7. November 1973) muß der Präsident binnen 90 Tage nach dem Ausbruch von Feindseligkeiten dem Kongress dies mitteilen und um weitere Genehmigung des Krieges bitten. 791 Chairman of the Joint Chiefs of Staff (CJCS) Media-Military Relations Panel (Sidle Panel), Final Report, vom 23. Au- gust 1983. Das Dokument besteht aus mehreren Teilen: 1. Pressemitteilung des „Office of Assistant Secretary of Defense (Public Affairs) über die Veröffentlichung dieses Berichts, 2. Begleitschreiben Major General Sidle an den Vorsitzenden der JCS, General Vessey, 3. Einführung, 4. Bericht des “Sidle Panel”. Erst der Bericht trägt eine bei der Zahl 3 beginnen- de Paginierung. Im folgenden wird der Bericht wie folgt zitiert: CJCS Media-Military Relations Panel, Final Report, Dokumententeil. 792 Vgl. http://www.arlingtoncemetery.net/winant-sidle.htm (Letzter Zugriff 15. 07. 2008), siehe auch Elter: Die an- dere Front…, S. 233 – 234; Young; Jesser: Media and the Military..., S. 134 793 CJCS Media-Military Relations Panel, Final Report, Introduction 794 ANPA = American Newspapers Publishers Association; ASNE = American Society of Newspapers Editors; NAB = National Association of Broadcasters

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Regierung zu sein. Daher griffen die Verantwortlichen auf pensionierte Journalisten, die Erfah- rung in der Berichterstattung über Kriege hatten, und Dozenten von Journalistenschulen zurück. Zum Kreis der Mitglieder gehörte unter anderem auch Barry Zorthian. Zorthian war kein Journa- list im eigentlichen Sinne, verfügte dennoch aber über reichlich Erfahrung im Umgang mit der Presse: Er war während der ersten Jahre des amerikanischen Engagements in Vietnam Leiter der Saigoner Niederlassung der United States Information Agency (USIA) gewesen.795

Die Unterstützung durch die Dachverbände sowie Medienhäuser erstreckte sich auf die Entsen- dung von Referenten, die bestimmte Problembereiche vor der Komission erörterten. Wenn nun das der Quelle zugrundeliegende Dokument als Final Report bezeichnet wird, so impliziert dies, daß die Sidle-Kommission über einen längeren Zeitraum hinweg bestanden und mindestens einen Zwischenbericht abgeliefert haben muß. Dem war aber nicht so: Die Komission tagte vom 6. bis zum 10. Februar 1984 in den Räumen der National Defense University. Das Pensum, das die Mitglieder der Komission hierbei absolvieren mußten, war ziemlich beachtlich: Innerhalb von drei Tagen hörten sie 25 Vorträge von Medienvertretern sowie Vorträge der Chefs der Pres- seabteilungen der jeweiligen Teilstreitkräfte.796

Als die Kommission ihre Arbeit beendet hatte, präsentierte sie ihrem Auftraggeber und den Me- dien ihre Empfehlungen. Der eigentliche Report beginnt mit einem, einer Prämbel ähnlichen, “Statement of Priciples”, in dem dargelegt wird, wie eine grundsätzliche Informationspolitik aus- zusehen habe:

“[...] The American people must be informed about United States military operations and this information can best be provided trough both the news media and the government. Therefore, the panel believes it is essential that the U.S. news media cover U.S. military operations to the maximum degree possible consistent with mission security and the safety U.S. Forces.[...]”797 Danach folgen die 8 Empfehlungen der Kommission:

1. Die Planung der Öffentlichkeitsarbeit bei der Planung von militärischen Operationen sollte Hand in Hand gehen. Hierzu sollten alle Planungsdokumente darauf überprüft werden, ob sie den Anforderungen der JCS für Öffentlichkeitsarbeit entsprächen, ferner sollten alle Pla- ner der Commander in Chief Elemente zur Information der Öffentlichkeit vorsehen. Der für die Öffentlichkeitsarbeit zuständige Assistant Secretary of Defense (ASD(PA)) sollte so früh wie möglich über die zu planende Operation informiert werden. Dies solle am besten durch den Verteidigungsminister geschehen. Der ASD(PA) sollte auch dafür verantwortlich sein, die Planungen der CJCS in Sachen Öffentlichkeitsarbeit zu kontrollieren.798

2. Die Einrichtung eines Pool-Systems schien für die Kommission der einzige gangbare Weg zu sein, den Medien einen möglichst frühzeitigen Zugang zu militärischen Operationen zu gewähren. Dabei sollte der zu bildende Pool so groß wie möglich sein. Die Dauer, in der die Medien in diesem Pool zusammengefaßt operieren sollten, sollte auf die kürzest mögliche Zeitspanne beschränkt sein, um danach dann wieder zur normalen, nicht eingeschränkten Berichterstattung übergehen zu können.

795 CJCS Media-Military Relations Panel, Final Report, Introduction 796 CJCS Media-Military Relations Panel, Final Report, Introduction 797 CJCS Media-Military Relations Panel, Final Report, Report, S. 3 798 Die folgendende Aufzählung der Kernpunkte des CJCS Media-Military Relations Panel, Final Report, bezieht sich auf die Seiten 4 – 6 des eigentlichen Reports

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3. Um die Zusammensetzung dieser Pools zu gewährleisten sollte der Verteidigungsminister eine Liste von im voraus akkreditierten Journalisten bereithalten und ständig aktualisieren, auf die man im Kriegsfalle zurückgreifen konnte.

4. Die Zugehörigkeit zu diesem Pool sollte die freiwillige Akzeptanz bestimmter Sicherheits- oder Grundregeln, die vom Militär herausgegeben werden sollten, voraussetzen. Diese An- zahl von Regeln sollte möglichst überschaubar bleiben und für jeden Ernstfall separat fest- gelegt werden. Im Falle eines Verstoßes gegen diese Regeln sollte der betreffende Journalist von der weiteren Berichterstattung über die laufende Operation ausgeschlossen werden.

5. Die Planung der Öffentlichkeitsarbeit für militärische Operationen sollte auch einen logisti- schen Teil umfassen: So sollte für ausreichend Ausrüstung und qualifiziertes Personal ge- sorgt werden. Dieses Personal sollte den Journalisten helfen, über die Operation adäquat zu berichten.

6. Die Planer einer Operation – diese Lehre scheinen die Autoren aus den Kommunikationsde- bakeln „Falkland“ und „Grenada“ gezogen zu haben – sollten die Erfordernisse der Kommu- nikationsinfrastruktur der Medien berücksichtigen, um die frühestmögliche Verfügbarkeit dieser Infrastruktur sicherzustellen. Nötigenfalls sollte eine, von den militärischen Kommu- nikationskanälen getrennte, Kommunikationsinfrastruktur aufgebaut und betrieben werden.

7. Schon bei der Planung einer militärischen Operation sollten Tranportmöglichkeiten für die Medien, sowohl zum Kriegsschauplatz als auch innerhalb dessen, berücksichtigt werden.

8. Um das Verständnis und die Kooperation von Militär und Medien zu verbessern, sollte ein Programm durch den ASD(PA) eingerichtet werden, bei dem sich die Verantwortlichen für Pressearbeit der Streitkräfte mit dem Führungspersonal von Medienunternehmen regelmäßig trafen, um anstehende Probleme zu diskutieren. Ferner sollten schon bestehende Programme ausgebaut werden, um das militärische Verständnis der Medien auszubauen. Hierzu sollten an den diversen Militärakademien der Vereinigten Staaten Kurse zu Pressearbeit und Me- dienmanagment eingeführt werden. Um ein besseres Verständnis für die Belange der Medien zu wecken, sollten mehr Besuche von Kommandeuren und ihren Stäben in Verlagshäusern und Radio- sowie Fernsehsendern durchgeführt werden. Ferner sollte – zum damaligen Zeit- punkt geradezu weitblickend – in regelmäßigen Konsulationen geklärt werden, welche spe- ziellen Probleme es bei der Gewährleistung militärischer Sicherheit gäbe, wenn realtime oder nahezu in Echtzeit von einem Schlachtfeld berichtet werden sollte.

Obwohl die Schlußfolgerungen dieser Kommission letztendlich nur Empfehlungen waren, wur- den sie vom Verteidigungsministerium umgesetzt. Der SECDEF (Secretary of Defense) Caspar Weinberger akzeptierte ebenfalls, trotz seiner unnachgiebigen Haltung zu den Ereignissen in Grenada, die Empfehlungen der Kommission. So wurde ein solcher Pool aufgestellt, der aus ei- ner Vielzahl von Journalisten bestand, die aber auf einer rotierenden Basis eingesetzt wurden. Dies geschah aus zwei Grundüberlegungen heraus: Zum einen konnte die Dauer eines Einsatzes nicht vorausgesehen werden, es mußten also Journalisten bereitstehen, die als Austausch für die erste Besatzung in Marsch gesetzt werden konnten. Zum anderen konnte nur so garantiert wer- den, daß nicht immer die gleichen Medienvertreter in Marsch gesetzt wurden, es also eine gewis- se Gerechtigkeit in der Verteilung der Einsätze kam. Dieser Pool stand unter der Oberaufsicht ei- nes Media Advisory Committee, das, aus prominenten Journalisten zusammengesetzt, über die Einhaltung einer maximal möglichen Berichterstattung bei gleichzeitiger Sicherstellung der

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Operationssicherheit wachen sollte. So kommen Peter Young und Peter Yesser in ihrem Buch “The Media and the Military” zu dem Schluß, daß die meisten Empfehlungen umgesetzt wurden und das Pool-System generell als wirksames Instrument angesehen wurde.799 In der, den Ereig- nissen von Grenada folgenden, Periode sah es dann so aus, als hätte das Militär seinen alten Korpsgeist von Kontrolle der Presse aufgegeben: “the new spirit of cooperation and openness which had been endorsed by Washington now enabled a balance to be achieved between the le- gitimate needs of operational security and the duty of the media to keep the public informed.”800

5.2.2 Die amerikanische Invasion in Panama – Operation “Just Cause”

Die erste Gelegenheit, die Empfehlungen der Sidle-Kommission in großem Maßstab umzuset- zen, bot sich im Dezember 1989, als die USA versuchten, den Machthaber des Kanalstaates Pa- nama, General Manuel Noriega, der in den USA wegen diverser Drogendelikte angeklagt war, festzunehmen.

Es hatte zwar schon vor 1989 Einsätze des US-Militärs gegeben, zu denen die jeweiligen Mit- glieder des "Department of Defense National Media Pool” alarmiert worden waren, doch diese waren aus journalistischer Sicht unbefriedigend verlaufen. So beschwerte sich etwa ein Reporter der New York Times, der über Geleitfahrten amerikanischer Kriegsschiffe für kuwaitische Tan- ker im Persischen Golf berichten sollte, über die Ineffizienz einer solchen Drei-Wochen-Tour, bei der er die meiste Zeit an Land, im Hotel in Bahrain, verbrachte Er und seine frustrierten, zur Un- tätigkeit verdammten Kollegen ließen sich T-Shirts mit der eindeutig doppeldeutigen Aufschrift “When there's news in the Gulf, we're in the pool”801 drucken. Der Fairneß halber sollte aber er- wähnt werden, daß die Berichterstattung über diese Geleitfahrten insgesamt eher als lästige Pflicht denn als wirklich journalistische Herausforderung zu sehen waren: Seit die unter ameri- kanischer Flagge fahrenden kuwaitischen Tanker von amerikanischen Kriegsschiffen beschützt wurden, war so gut wie gar nichts Berichtenswertes mehr geschehen – von dem Abschuß einer iranischen Verkehrsmaschine durch ein amerikanisches Kriegsschiff einmal abgesehen.802

Der erste große Test für das Pool-System war, wie oben erwähnt, die amerikanische Intervention in Panama. Panama war spätestens seit der Vollendung des Panama-Kanals im Jahre 1914 von eminenter Wichtigkeit für amerikanische Interessen. War doch der Panama-Kanal der einzige Weg für die USA, ihre Flotte vom Pazifik in den Atlantik und zurück zu verlegen, ohne den lan- gen und gefahrvollen Weg um Kap Hoorn nehmen zu müssen. Später richtete die Regierung in Washington eine 1300 km2 große Zone ein, die sich links und rechts des Kanals erstreckte. Diese später auch sogenannte Kanalzone war de facto amerikanisches Staatsgebiet, auf dem sich – ne- ben dem Kanal- auch amerikanische Verteidigungseinrichtungen befanden. Daher verwundert es nicht, wenn Panama innerhalb der amerikanischen Politik eher als Klientel-Staat, denn als eigen- ständiger, souveräner Staat betrachtet wurde, und die USA daher immer in die panamesische In- nenpolitik involviert waren. Dies führte beispielsweise dazu, daß der demokratisch gewählte Prä- sident Panamas, Arnulfo Arias, nach dem Eintritt der Vereinigten Staaten in den Zweiten Welt-

799 Vgl. Young; Jesser: Media and the Military..., S. 136, 139 800 Young; Jesser: Media and the Military..., S. 139 801 Zitiert nach Beham: Kriegstrommeln..., S. 97 802 Operationen “Earnest Will” und “Praying Mantis”, vgl. http://www.globalsecurity.org/military/ops/earnest_will.htm (Letzer Zugriff: 15. 07. 2008), siehe auch Beham: Kriegstrommeln..., S. 97

Seite 182 “The Picture Survives” krieg durch einen Militärputsch gestürzt wurde, weil seine Politik nicht ganz den Vorstellungen Washingtons entsprach. Auf diesen Coup d'état folgte eine lange und chaotische Phase, in der die USA versuchten, ihre Interessen durchzusetzen, während der immer wieder demokratisch ge- wählte Arias mit schöner Regelmäßigkeit aus dem Amt geputscht wurde.803

Die Machtverhältnisse in Panama wurden erst wieder stabiler, als sich 1968 General Omar Torri- jos an die Macht putschte. Er schaffte es, Panama für die nächsten 13 Jahre zu regieren. Seit je- nem ersten Putsch gegen Arias, 1941 – 1942, hatte die Frage nach der vollen panamesischen Souveränität immer auf der Agenda gestanden, konnte aber nie gelöst werden. Erst 1977 konnte eine Übereinkunft gefunden werden, die vorsah, den Kanal im Jahre 1999 an Panama zurückzu- geben. Vorher sollte die von den USA beanspruchte Kanal-Zone sukzessive unter panamesische Kontrolle gestellt werden. Torrijos kam aber 1981 bei einem Flugzeugabsturz ums Leben. Nach einem kurzen Machtkampf gelangte Generel Manuel Noriega, ein Karrieresoldat, der den Ge- heimdienst der Armee leitete und gleichzeitig auf der Gehaltsliste der CIA und des militärischen Nachrichtendienstes DIA (Defense Intelligence Agency) sowie diverser anderer Geheimdienste stand, an die Macht. Zwei Jahre später, 1983, übernahm er als inoffizielles Staatsoberhaupt die Amtsgeschäfte.804

Noriega setzte als beinahe erste Amtshandlung Präsidentschaftswahlen, die ersten demokrati- schen Wahlen seit 16 Jahren, für das Jahr 1984 an. Der von Noriega auserwählte Kandidat, Ni- cholas Barletta, hatte aus Sicht seines Förderers den Vorteil, ein für Washington akzeptabler Kan- didat und gleichzeitig dem Militär gegenüber aufgeschlossen zu sein. Noriega hatte natürlich nicht die Absicht zu riskieren, daß sein Kandat nicht gewählt werden würde, und manipulierte die Wahl zu seinen Gunsten. Diese offensichtliche Wahlmanipulation führte zu diversen Untersu- chungen, die alle zum gleichen Ergebnis kamen: Arnulfo Arias hätte die Wahl eigentlich – zum vierten Mal – gewonnen. Damit war Noriegas Versuch, seine Machtübernahme durch die Abhal- tung von Wahlen zu sichern, gescheitert; seine eigene Position damit – ohne amerikanische Un- terstützung – zumindest fraglich.805

Barletta wurde trotzdem Staatspräsident, mußte aber schon nach knapp einem Jahr, Ende 1985, wieder zurücktreten. Ironischerweise war er selbst das Opfer seiner eigenen Bemühungen gewor- den, eine Untersuchung diverser gegen Noriega gerichteter Aktionen, in die auch das Militär ver- wickelt war, einzuleiten. Kopf hinter diesen Aktionen war ausgerechnet Noriegas Stellvertreter Oberst Roberto Diaz Herrera806:

“[...] What Barletta didn't know, even as president, was that Noriega had been quietly providing the CIA with enough help in its Nicaraguan war to ensure his protection by some Washington's most influential power brokers... The (US) intelligence community felt that the loss of a president, who had been elected trough fraudulent means anyway, was far less dangerous to them than a Diaz Herrera dictatorship – which might have undermined their private contra war. [...]”807 Diaz Herrera fuhr immer weiter fort, mittlerweile schrieb man das Jahr 1987, Noriega der Kor- ruption, des Wahlbetrugs und des Mordes an General Torrijos in Zusammenarbeit mit der CIA zu

803 Vgl. Young; Jesser: Media and the Military..., S. 141 – 142 804 Vgl. Hudson; Stanier: War and the Media..., S. 202 – 203; Young; Jesser: Media and the Military..., S. 142 – 143; siehe auch Powell, Colin; Persico, Joseph E.: Mein Weg; München, Zürich 1996, S. 425, im folgenden zi- tiert als Powell: Mein Weg…, 805 Vgl. Young; Jesser: Media and the Military..., S. 142 806 Vgl. Young; Jesser: Media and the Military..., S. 142 807 Zitiert nach Young; Jesser: Media and the Military..., S, 143

Seite 183 “The Picture Survives” beschuldigen. Diese Anschuldigungen führten in Panama-City zu heftigen Demonstrationen ge- gen Noriega, die nur durch hartes Durchgreifen der Sicherheitsorgane in den Griff zu bekommen waren.808

Es wirft kein gutes Licht auf das amerikanische Engagement in dieser Region, daß man seitens Washington an Noriega festhielt, obwohl seine Fehler, unter anderem Korruption und Verstri- ckung in den Drogenhandel, schon bei Beginn der Zusammenarbeit, immerhin schon zu Zeiten Richard Nixons, bekannt waren. Am 4. Februar 1988, Noriega hatte sich mittlerweile massiv in den Drogentransfers der kolumbianischen Drogenkartelle engagiert, wurde er deswegen und we- gen verbrecherischer Gesetze vom amerikanischen Justizministerium, sehr zur Überraschung des politischen Washington, angeklagt. Außenminister George Schulz meinte dazu, General Noriega sei angeklagt worden, “without adequate consultation with the State Department or, as far as (he) could learn with the White House”.809 Auch der innenpolitische Druck auf den General wuchs, ein früherer Berater beschuldigte ihn noch weiterer Verbrechen, so daß die Anti-Noriega Demonstrationen wieder aufflammten und in einem Generalstreik mündeten. In der Folge ver- suchte der neue Staatspräsident, Artruro Delvalle, der von Noriega als Nachfolger Barlettas ein- gesetzt worden war, diesen von seinem Posten als Oberkommandierender der Panamesischen Streitkräfte abzulösen, wurde aber letztendlich von Noriega selber abgelöst. Im März, als ein weiterer Putsch gegen Noriega scheiterte, rief dieser den Notstand aus. Daraufhin begann Wa- shington nun offen für Noriegas Absetzung zu votieren und entschied sich dafür, den gerade erst abgesetzten Präsidenten Delvalle anzuerkennen. Desweiteren fror man 375 Milionen Dollar an panamesischen Vermögen in den USA ein und hielt 86.5 Millionen Dollar an Kanalgebühren zu- rück. Offenbar vertraten Präsident Reagen und sein Vizepräsident George H. W. Bush in der Fra- ge, wie mit Noriega zu verfahren sei, unterschiedliche Standpunkte: Reagen plädierte für einen Deal, den sein Außenminister Shultz vorgeschlagen hatte: wenn Noriega das Land verließe, wür- den die USA alle Saktionen gegen Panama aufheben und die Anklage gegen ihn fallen lassen. Bush plädierte nach einer Unterredung mit dem damaligen Polizeichef von Los Angeles für eine harte Haltung gegenüber Noriega, da der Verzicht auf eine Anklage ein falsches Signal für den alltäglichen Kampf gegen die Drogenkriminalität in den Vereinigten Staaten sei.810

Trotz dieser Sanktionen gelang es Noriega, an der Macht zu bleiben und für 1989 neue Präsi- dentschaftswahlen anzusetzen. Der Kandidat der Opposition gewann diese Wahlen mit großer Mehrheit. Noriega ließ die Wahlen annullieren und erklärte, die patriotische Karte ausspielend, der Kandidat der Opposition sei nichts weiter als eine Marionette Amerikas, um auf diese Weise wieder in den Besitz des Kanals und ganz Panamas zu kommen. Desweiteren wurde auf Befehl Noriegas der Oppositionskandidat für die Vizepräsidentschaft vor den laufenden Kameras ameri- kanischer TV-Teams verprügelt. Präsident George H. W. Bush, der zu diesem Zeitpunkt gerade neu im Amt war, wartete mit einem Militärschlag gegen Noriega ab. Zuerst wollte er mit diplo- matischen Mitteln versuchen, diesen Konflikt zu beenden – zu lang und zu negativ waren die Er- fahrungen der anderen mittelamerikanischen Staaten mit amerikanischen Invasionen gewesen.811

Anfang Mai befahl Bush die Verstärkung der 10.300 bisher in der Kanal-Zone stationierten ame- rikanischen Truppen, zog den amerikanischen Botschafter ab und ordnete an, die Angehörigen von amerikanischen GI's in die Heimat zu evakuieren. Ferner verschärfte er die bestehenden

808 Vgl. Young; Jesser: Media and the Military..., S. 143 809 Zitiert nach Young; Jesser: Media and the Military..., S. 143 810 Vgl. Hudson; Stanier: War and the Media..., S. 202 – 203; Young; Jesser: Media and the Military..., S. 143 – 144; Powell: Mein Weg…, S. 396 – 397 811 Vgl. Powell: Mein Weg…, S. 426; Young; Jesser: Media and the Military..., S. 144

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Wirtschaftssanktionen. Desweiteren berief er sich auf den Vertrag über die Kanalzone, der den amerikanischen Streitkräften die Bewegungsfreiheit innerhalb der Kanal-Zone zusicherte und es ihnen erlaubte, diese gegebenenfalls zu verteidigen. Dieses Vorgehen suchte Bush durch den Aufruf an alle lateinamerikanischen Nationen, Norieges Aktionen zu verurteilen, auf eine breite- re Basis zu stellen. Die Präsidenten der meisten Staaten Lateinamerikas folgten diesem Aufruf. Chile, Peru und Mexiko widersetzten sich und gaben ihrer Besorgnis um die Einmischung (der USA) in die inneren Angelegenheiten Panamas kund. Bush hingegen, der mit einer solchen Re- aktion fast sicher rechnen konnte, versuchte noch immer eine direkte Konfrontation zu vermei- den. Das Militär war von der Aussicht, in Panama eingreifen zu müssen, ebenfalls nicht beson- ders angetan. So warnte der damalige CJCS anläßlich einer Anhörung des Kongresses vor den möglichen Opferzahlen. Auch der ehemalige Chef des Generalstabes der US-Marine, Admiral Zumwalt, warnte vor einer militärischen Intervention, da der Kanal leicht zu beschädigen, aber nur schwer zu verteidigen sei. Die gleichen Argumente brachte der langjährige Kenner der Regi- on und Direktor der Nichtregierungsorganisation “Hemispheric Affairs”, Laurence Birns, vor, als er öffentlich fragte: “since when has a dictator staging fraudulent elections in Central America ever been grounds in the past for sending in US troops?”812. Noriega bekam unterdessen Unter- stützung von zwei Seiten, die den USA ebenfalls nicht wohlwollend gesonnen waren: von Kuba und Lybien. Desweiteren setzte er auf weitere Eskalation, als er erklärte, Panama befände sich im Kriegszustand mit den Vereinigten Staaten. Gleichzeitig machte er sich selbst zum Regierungs- chef. Offiziell setzte Präsident Bush weiter auf einen Kurs der Deeskalation, inoffiziell setzte man auf eine graduelle Veränderung der Politik gegen Panama. Im September 1989 wurde der als zu schwach wahrgenommenen Kommandeur des Southern Command (SOUTHCOM)813, Ge- neral Frederick Woerner, durch den wesentlich aktiveren General Maxwell „Mad Max“ Thur- mann ersetzt.814

Anfang Oktober 1989 boten einige Dissidenten innerhalb der Panama Defense Force (PDF) der CIA einen Putsch gegen Noriega an. Der Putsch, der dann begann, war dermaßen dilettantisch geplant und ausgeführt – unter anderem wußten die Putschisten nicht, was sie mit Noriega, den sie gefangennehmen konnten, machen sollten – daß Noriega gegen diese Gruppe von Dissiden- ten vorgehen konnte, und damit jede weitere Aktion gegen ihn im Keim ersticken konnte. Als diese vertane Chance ruchbar wurde, war das Presseecho auch dementsprechend. Mehrere Leit- artikler verglichen diese Affäre mit den gescheiterten Operationen zur Befreiung der Geiseln in Teheran und dem Debakel in der Schweinebucht. Als dann am 16. Dezember ein paar GI's in Zi- vil in eine Straßensperre der PDF gerieten und die Situation eskalierte, ergriff der Fahrer des Wa- gens die Flucht, die Soldaten, die die Straßensperre bewachten, schossen hinterher. Dabei wurde ein Angehöriger der amerikanischen Streitkräfte erschossen. Im Laufe der Nacht eskalierte die Situation weiter. Ein Marineoffizier und seine Frau, die Augenzeugen dieses Vorfalls waren, wur- den verhaftet. Er wurde mit dem Tod bedroht und seine Frau so lange sexuell belästigt, bis sie ohnmächtig wurde. Dies bot genügend Anlaß für eine amerikanische Intervention in Panama. So landeten in den Morgenstunden des 20. Dezember Fallschirmjäger der 82. Luftlandedivision815

812 Zitiert nach Young; Jesser: Media and the Military..., S. 145 813 In etlichen Publikationen hierzu, unter anderem in Hudson; Stanier: War and the Media..., S. ### wird das Southern Command, wenn es um das Akronym geht, mit SOCOM abgekürzt. Die Autoren unterliegen hier ei- nem drastischen Irrtum, da das SOCOM, da es sich hierbei um das “Special Operations Commad” handelt, von dem aus alle Spezialoperationen weltweit geführt werden. 814 Vgl. Young; Jesser: Media and the Military..., S. 144 – 145; Powell: Mein Weg…, S. 423, 425, siehe auch http:// www.arlingtoncemetery.net/mthurman.htm (Letzter Zugriff 15. 07. 2008) 815 Neben der 101st Airborne Divison, den “Screaming Eagles”, stationiert in Fort Campbell / KY, stellen die Fall- schirmjäger der 82nd Airborne Division, der “All Americal Division”, stationiert in Fort Bragg / NC, die beiden einzigen großen Luftlandeverbände innerhalb der amerikanischen Streitkräfte dar. Vgl. http://www.globalsecuri-

Seite 185 “The Picture Survives” und Soldaten der 7. Infanteriedivision816 in Panama City. Die Operation “Just Cause” war die größte amerikanische Militärintervention seit dem Krieg in Vietnam.817 Für eine Operation dieser Art existierten im Pentagon schon lange ausführliche Pläne, die jetzt nur noch den aktuellen Ge- gebenheiten angepaßt werden mußten. Die Planung und Durchführung der Operation verlief na- hezu im Geheimen. In den Memoiren von findet sich hierzu ein interessanter Kom- mentar: „Die Presse hatte, wie wir wußten, die ungewöhnlichen Aktivitäten in der Luft bemerkt [gemeint sind die Verlegungsflüge der Invasionstruppen aus den ganzen USA in die Kanalzone], deutete sie aber eher als eine Demonstration der Stärke oder als Operation zur Verstärkung der Truppen vor Ort. Die strategische Überraschung war uns gelungen.“818

Gemäß den Empfehlungen der Sidle-Kommission, die zu jenem Zeitpunkt offizielle Pentagon- Politik waren, hätten die Medien zum frühestmöglichen Zeitpunkt, an dem die Sicherheit und die Geheimhaltung der Operation nicht mehr gefährdet war, informiert werden müssen. Doch dies wurde bei Planung der Operation “Just Cause” vollkommen ignoriert. Obwohl die Mitglieder des “National Media Pools” mehrfach bewiesen hatten, daß sie in der Lage waren, die operationelle Sicherheit und Geheimhaltung zu gewährleisten, wurde der Pool zu spät alarmiert und in Marsch gesetzt. Die offizielle Linie der Verantwortlichen im Pentagon, in diesem Fall der Verteidigungs- minister, der CJCS und der ASD(PA), war, daß man Pläne, die Reporter die erste Invasionswelle begleiten zu lassen, nicht weiter verfolgt habe – warum, das ließ sich nicht mehr nachvollziehen: “for reasons that are not readily understandable, the decision to send the pool was made too late, and as a result, it got to Panam late and there war little support once it did get there.”819 General Patrick Brady, bis zum Mai 1990 Leiter der Öffentlichkeitsarbeit der US-Army, der die- se Mainung äußerte, sagte weiter aus, dem Fernsehen wäre es auf jeden Fall nicht erlaubt wor- den, das Schlachtfeld zu betreten, bevor dieses nicht sicher gewesen wäre.820 Wenn aber das Fernsehen das Schlachtfeld erst dann betreten durfte, wenn absolut kein Risiko mehr bestand, dann stellt sich die grundsätzliche Frage nach dem Sinn dieses Pool-Systems, dessen Bestandteil auch das Fernsehen ist. Ferner scheint zumindest der Ausschluß der TV-Teams schon von vorne- herein festgestanden zu haben, somit kann teilweise davon ausgegangen werden, daß die Zer- knirschung, die im obigen Zitat aufscheint, nur teilweise ernst gemeint war.

Ein Erklärungsansatz findet sich bei Betrachtung der militärischen Seite dieses Problems: Als die Entsendung eines Media-Pools im Vorfeld der Ereignisse des 20. Dezember zur Debatte stand, diskutierte man zwei Optionen der Zusammensetzung dieses Pools: Es bestand zum einen die Möglichkeit, einen Pool aus den amerikanischen Journalisten, die sich schon in Panama aufhiel- ten, zu bilden. Zum anderen gab es die Möglichkeit, die in Washington tätigen Journalisten in ei- nem Pool zusammenzufassen und nach Panama einzufliegen. Ein Teil des Militärs bevorzugte die Lösung mit den schon im Land befindlichen Korrespondenten, da sie, bezogen auf die Ge- heimhaltung der Operation vor der Stunde des Angriffs, das wesentlich geringere Risiko darstel- len würden. Der SECDEF, Richard Bruce „Dick“ Cheney, favorisierte hingegen die Entsendung von erfahrenen Journalisten, die ferner mit dem Themenkomplex „Central Amerika“ vertraut sein sollten. So kam es zur Entsendung eines Medien-Pools, der sich aus Washingtoner Journalis-

ty.org/military/agency/army/xviii-corps.htm (Letzter Zugriff 15. 07. 2008) 816 7th Infantry Division (light) in Fort Ord / CA. Diese Einheit ist heute eine Einheit der Nationalgarde. Vgl. http:// www.globalsecurity.org/military/agency/army/7id.htm (Letzter Zugriff 15. 07. 2008) 817 Vgl. Powell: Mein Weg…, S. 426 – 429; Hudson; Stanier: War and the Media...,, S. 203; Young; Jesser: Media and the Military..., S. 145 818 Powell: Mein Weg…, S. 438 819 Zitiert nach Young; Jesser: Media and the Military..., S. 146 820 Vgl. Young; Jesser: Media and the Military..., S. 146

Seite 186 “The Picture Survives” ten zusammensetzte. Folgt man dem offiziellen Bericht des „Joint History Office“ des CJCS, der im November 1995 zur Publikation freigegeben wurde, so verhinderte Cheney aber bewußt die Aktivierung dieses Pools, obwohl die ersten Flugzeuge bereits in Richtung Panama unterwegs waren.821 Es gab Warnungen der Metereologen, daß ein Wintereinbruch die Flugoperationen in Richtung Panama um 24 Stunden verzögern könne. Hierbei hätte, so Cheney, die Gefahr bestan- den, daß eines der Mitglieder des Media-Pools die Geheimhaltung durchbrechen könne: “I really felt [that] it was a direct trade off between maintaining security of the operation and protecting lives...versus accommodating the press.... Protecting the security of the troops was my first prior- ity.”822 So wurde festgelegt, daß die Alarmierung des Media-Pools erst am 19. Dezember nach den 19 Uhr Nachrichten erfolgen sollte. Die Alarmierung erfolgte dann tatsächlich um 19.30 Uhr am 19. Dezember. Die Maschine mit den Journalisten an Bord hob aber erst vier Stunden später von der Andrews-AFB (AIR FORCE BASE) in Richtung Panama ab. Dadurch war es aber unmöglich geworden, die Journalisten rechtzeitig zu Beginn der Kampfhandlungen an den Ort des Gesche- hens zu bringen. Dem Pool gehörten 14 Journalisten an, die von zwei Technikern und drei Offi- zieren als Eskorte begleitet wurden. 823

In der Nacht vom 19. auf den 20. Dezember sandte Cheney zweimal Richtlinien, wie mit den Mitgliedern des Pools umgegangen werden sollte, an Thurman. Danach sollten die Journalisten mit den amerikanischen Kräften disloziert werden, um sie in die Lage zu versetzen, über ver- schiedenste Aspekte der Operation berichten zu können. In regelmäßigen Abständen, aber nicht früher als zwei Stunden nach Beginn der zu begleitenden Operation, sollten sie wieder zusam- mengesammelt werden, um es ihnen zu ermöglichen, ihre Berichte, rechtzeitig zum Redaktions- schluß, absetzen zu können. Desweiteren sollte ihnen solange, wie ihre eigene Kommunikations- ausrüstung nicht verfügbar wäre, Zugang zu den militärischen Kommunikationskanälen, insbe- sondere den Satellitenverbindungen, gewährt werden. Die in jenem Pool zusammengefaßten Journalisten landeten mit ihrer Maschine in Panama und wurden von dem Landeplatz, Fort Clay- ton, aus per Helikopter zu den Einsatgebieten verbracht. Parallel dazu richtete das SOUTHCOM ein Pressebüro ein, um Fragen der Presse beantworten zu können.824

Ein Großteil der miserablen Erfahrungen mit dem Pool-System, wie sie nachher von der ameri- kanischen Presse mannigfach beklagt wurden, lag darin begründet, daß die Pressevertreter zu spät, um von Anfang an dabei zu sein, in Panama eintraf.825 So konnten sie nur noch berichten, was sich zugetragen hatte, nämlich ein Sieg der amerikanischen Truppen, aber nicht wie es dazu gekommen war. Hinzu kam noch, daß sie mit den Truppen um die raren Plätze in den Heliko- ptern, die zu Operationen gegen die PDF aufbrachen, konkurrierte.826

Aber nicht nur die Militärs waren bei der Inavsion in Panama in einer Weise aufgetreten, die we- nig dazu geeignet war, das Vertrauen der Presse in sie zu stärken. Auch die Presse tat ein übriges, um das krankhaft gestörte Verhältnis zwischen diesen beiden Interessensgruppen weiterhin nach- haltig zu verschlechtern. So arbeitete das amerikanische Fernsehen am zweiten Tag der Operati- on mit einer sogenannten “Split-Screen”, bei der zwei unterschiedliche TV Bilder nebeneinander

821 Cole, Ronald H.: Operation Just Cause. The Planning and Execution of Joint Operations in Panama February 1988 – January 1990; Washington, D.C. 1995; im folgenden zitiert als Cole: Operation Just Cause..., Cole verfaße sei- ne Bericht bereits im Jahre 1990, dieser Bericht wurde aber erst 1995 deklassifiziert. 822 Zitiert nach Cole: Operation Just Cause..., S. 47. Einfügung im Original. 823 Vgl. Cole: Operation Just Cause..., S. 47 824 Vgl. Cole: Operation Just Cause..., S. 47 – 48 825 Vgl. MacArthur: Second Front…, S. 160 – 161 826 Vgl. Cole: Operation Just Cause..., S. 48

Seite 187 “The Picture Survives” gezeigt werden. Auf dem einen Teil des Fernsehers war ein über den raschen Fortschritt der Ope- ration erleichtert lächelnder Präsident Bush zu sehen. Auf dem anderen Teil der Bildröhre erschi- en das Livebild von der AFB Dover, auf dem gleichzeitig ein Flugzeug mit den ersten gefallenen GI's an Bord landete und man sehen konnte, wie die Särge ausgeladen wurden.827 Auch wenn die Öffentlichkeit das Recht hat, über beide Ereignisse informiert zu werden, so ist die Art und Wei- se, in der die Sender dies machten, nur wenig mehr als billigste Effekthascherei auf Kosten der Opfer, die ihrer Würde beraubt wurden, und des Präsidenten, der dadurch in Gefahr geriet, kalt und gefühllos zu wirken.

Die Entscheidung der Fernsehsender, beide Bilder gleichzeitig und parallel zu zeigen, hatte im- merhin keine direkte Auswirkung auf den Fortgang der Ereignisse. Kritisch und mit der Wächter- funktion der Presse kaum mehr zu vereinbaren wird es dann, wenn Teile der Presse versuchen, aktiv in das Kriegsgeschehen einzugreifen. Mit der Universalentschuldigung des öffentlichen In- teresses kann in diesem Fall auch nicht argumentiert werden, da hier – wie zu zeigen sein wird – die Presse ihre Befugnisse bei weitem überschritten hatte.

Der Umfang, in dem sich die Presse zum „Befehlshaber“ über die amerikanischen Operationen erhob, zeigt deutlich die Selbstüberschätzung und Selbstreferentialität der Presse: Im Verlauf der Operation “Just Cause” stellte sich heraus, daß von einem Funkmasten in der Nähe des Zentrums von Panama-City aus immer noch Pro-Noriega Propaganda ausgestrahlt wurde. Dieser Umstand wurde von der Presse scharf kritisiert, so scharf, daß der Nationale Sicherheitsberater Präsident Bushs, Brent Scowrcroft, anordnete, diesen Funkturm – troz der Proteste der militärischen Füh- rung, die diesen Turm später für die eigenen Zwecke nutzen wollte – sprengen zu lassen. Noch frappanter ist das andere Beispiel, das Colin Powell in seinen Memoiren schildert: Einen Tag später erhielt Powell wieder einen Anruf des Nationalen Sicherheitsberaters, in dem dieser von mehreren Journalisten berichtete, die im Marriot-Hotel in Panama-City festsäßen. Man müsse, so Scowcroft, Truppen zur Befreiung der Journalisten schicken. Powell lehnte dies mit dem Hin- weis, daß sie nicht in Gefahr seien und die Kämpfe sich bald verlagern würden, ab. Kurze Zeit nach diesem Gespräch rief Scowcroft erneut bei Powell an und sagte, daß etwas unternommen werden müsse, da die Chefs der Verlagshäuser und Fernsehsender erheblichen Druck ausüben würden. Powell lehnte eine Intervention mit dem Hinweis auf die Kommandostruktur vor Ort er- neut ab. Kurze Zeit später wurde Powell von Verteidigungsminister Cheney angerufen, der eine sofortige Befreiung anordnete. Daß die Kommandeure vor Ort über eine solche Einmischung nicht gerade glücklich waren, ist nachvollziehbar. Sie entsandten Einheiten der 82nd Airborne Di- vision zur Rettung dieser Journalisten. Auf dem Weg zum Hotel gerieten diese Soldaten in hefti- ge Gefechte, es gelang ihnen zwar, die Journalisten in Sicherheit zu bringen, sie erlitten dabei aber Verluste: Drei GI's und ein spanischer Photograph kamen ums Leben.828

Diese beiden Beispiele zeigen mehrere Dinge sehr deutlich: Zum einen, wie sehr militärische Operationen selbst dann, wenn sie bereits erfolgreich am Laufen sind, immer noch vom Primat und auch vom Desiderat der Politik abhängig sind. Zum anderen zeigt dies aber auch, wie groß der Druck externer Faktoren auf Politik und Militär sein kann. Wenn die Chefs der großen Me- dienhäuser in der Lage sind, eine derartige Atmosphäre des politischen Druckes zu erzeugen, dann ist dies auch ein Indiz dafür, wie mächtig und einflußreich mittlerweile die Vertreter dieser vierten Macht im Staate geworden sind.

827 Vgl. Powell: Mein Weg…, S. 442 828 Vgl. Powell: Mein Weg…, S. 442 – 443

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In den Medien hielt sich die Kritik an der Pressepolitik dieses Mal in Grenzen, schließlich waren die Möglichkeiten zur Berichterstattung – gemessen an dem, was in Grenada möglich gewesen war – geradezu komfortabel.829 Das Pool-System hatte trotz diverser Mängel seine Feuertaufe be- standen. Immerhin stellte es für die Medien die bessere von zwei – im Grunde genommen schlechten Alternativen – dar: Zum einen konnten die Medienvertreter dem Pool-System zustim- men und hatten somit die Chance, überhaupt etwas mit eigenem Personal vor Ort berichten zu können. Zum anderen hätten sie das Pool-System ablehnen, dann aber gar nicht mehr berichten können, und das militärische Bildmaterial, sofern es dieses überhaupt gegeben hätte, akzeptieren müssen. Somit bot das Pool-System für die Vertreter der Medien immerhin noch die Chance, mit eigenem Personal einigermaßen unabhängig und frei berichten zu können, und nicht auf die vom amerikanischen Militär freigegebenen Berichter und Bilder angewiesen zu sein.

5.3 Zwischenfazit

Die britische Operation zur Rückeroberung der Falkland-Inseln und die amerikanische Invasion in Grenada stellen jeweils den Tiefpunkt in der Zusammenarbeit von Medien und Militär dar. Beide Operationen fanden an vergleichsweise isoliert liegenden Plätzen statt, wo kaum andere Kommunikationsmöglichkeiten existierten als die des Militärs. Aufgrund der isolierten Insellage beider Schauplätze war es für die jeweils verantwortlichen Militärs nicht sonderlich schwer, die Presse nahezu vollständig von den Kampfhandlungen auszuschließen. Interpretiert man beide Er- eignisse als „Sündenfälle“ in Sachen Informationsfreiheit, dann sind sie beispielhaft dafür, wie über einen Krieg nicht berichtet werden sollte. Sie bieten daher aber die beste historische Lekti- on, was in der Berichterstattung und in der Art und Weise, wie das Militär eine solche Berichter- stattung unterstützen kann, zu verbessern ist. So sind gerade die Anstrengungen auf amerikani- scher Seite sowohl aus dem Krieg um die Falklandinseln als auch aus der Invasion in Grenada Lehren für die Zukunft von Kriegsführung und Kriegberichterstattung zu ziehen, besonders in- tensiv.

Die wichtigste Lehre, die die Verantwortlichen im Pentagon aus den negativen Erfahrungen der britischen Kollegen im Umgang mit der Presse während und nach dem Falkland-Krieg und aus den eigenen negativen Erfahrungen mit der Presse während und nach der Invasion in Grenada zogen war die, daß die Formulierung einer eigenen amerikanischen Politik gegenüber der Presse zwingend notwendig war. Der erste Schritt hierzu bildete die Einsetzung einer Komission mit dem Namen “The Chairman of the Joint Chief of Staff (CJCS) Media-Military Relations Panel”. Diese Komission, unter Vorsitz des ehemaligen “Deputy Assistant Secretary of Defense for Pub- lic Affairs”, Brigadegeneral Winant Sidle, sollte Empfehlungen für eine zukünftige Pressepolitik des amerikanischen Militärs ausarbeiten. Die von dieser Komission ausgearbeiteten Vorschläge für eine Pressepolitik führten zur Einrichtung des sogenannten “Department of Defense National Media Pool” in den Jahren zwischen 1984 und 1989.

Dieser Pool sollte die in Washington stationierten und hauptsächlich mit der Berichterstattung aus dem Pentagon befaßten Journalisten umfassen. Diese sollten, im Falle einer kriegerischen Auseinandersetzung, in der amerikanische Streitkräfte involviert waren, die Berichterstattung si- cherstellen. Hierzu befanden sich immer einige Journalisten in Rufbereitschaft, so daß sie kurz nach der Entscheidung zur Aktivierung des “Deputy Assistant Secretary of Defense for Public Affairs” zur Abreise bereit waren. Diese so eingesetzten Journalisten sollten das vor Ort gesam- 829 Vgl. Elter: Die andere Front…, S. 249

Seite 189 “The Picture Survives” melte Material für die daheim zurückgebliebenen Kollegen aufbereiten, so daß alle Medien – dem Grundgedanken eines solchen Pools entsprechend – mit dem gleichen Material arbeiten konnten.

Mit der Einführung dieses Pool-Systems sollten alle Probleme, wie sie bis dahin im Umgang zwischen Medien und Militär existierten, zur beiderseitigen Zufriedenheit gelöst werden. Die erste wirkliche Bewährungsprobe für das Pool-System kam im Dezember 1989 mit dem ameri- kanischen Eingreifen in Panama. Dadurch, daß der Pool aber erst gut 24 Stunden nach Beginn der Feindseligkeiten in Marsch gesetzt wurde, konnten die Medienvertreter so gut wie gar nichts von den Kampfhandlungen und letztlich nur über den erfolgreichen Ausgang der Operation „Just Cause“ berichten. Damit waren die Beziehungen zwischen Medien und Militär aber wieder auf dem Stand angekommen, den sie vor der Einsetzung des “The Chairman of the Joint Chief of Staff (CJCS) Media-Military Relations Panel” hatten.

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6 Der 11. September 2001 und die Folgen

Die hören sollen, sie hören nicht mehr, Vernichtet ist das ganze Heer, Mit dreizehntausend der Zug begann, Einer kam heim aus Afghanistan. Theodor Fontane: Das Afghanische Trauerspiel830

Gegen Ende des Monats Juni 2001 began- nen die französischen Dokumentarfilmer Ju- les und Gedeon Naudet mit den Dreharbei- ten zu einem Film über die Feuerwehr von New York. Sie wollten die ersten Gehversu- che eines jungen Feuerwehrmannes, der frisch von der Ausbildung zu seiner Einheit, Engine 1, Ladder 7831, kam, nachzeichnen. So brachen sie, zusammen mit den Feuer- wehrleuten von Leiter 7, am frühen Morgen des 11. September 2001 zur Abarbeitung ei- nes absoluten Routineeinsatzes, wenn es denn so etwas bei einer Feuerwehr über- haupt gibt, auf, als auf einmal ein tiefflie- gendes Flugzeug zu hören war. Der Kamera- mann Gedeon Naudet schwenkte seine Ka- Abbildung 40: Die einzigen Bilder vom Einschlag des ersten Flugzeuges in den Nordturm des World Trade Centers. Gedreht von den französischen Dokumen- mera in Richtung des Geräusches. So konnte tarfilmern Jules und Gedeon Naudet. er filmen, wie das Flugzeug in den Nord- Standbild: Naudest, Gédéon; Naudet, Jules: 9/11, 2002 turm des World Trade Centers (WTC) flog. Seine Aufnahmen wurden – wenn auch un- freiwillig – zu einem einzigartigen Dokument in der Geschichte. Zum ersten Mal konnte ein Er- eignis, das das Potential hatte, die Welt zu verändern, gefilmt werden, während es geschah. Aus der geplanten Dokumentaion der Gebrüder Naudet wurde so, wenn auch unfreiwillig, eine Doku- mentation über den Einsatz der ersten Feuerwehrleute am World Trade Center. Gleichzeitig sind dies die einzig existierenden Filmaufnahmen vom Inneren des Nordturmes des WTC nach den Anschlägen.

Im Gegensatz zu den heute im Internet weit verbreiteten Videos von Anschlägen auf amerikani- sche Militärbasen im Irak, bei denen die Komplizen der Attentäter ja wissen, wann und wo dieser Anschlag passieren soll, sind diese ersten Aufnahmen von den Anschlägen des 11. September ungeplant und unabsichtlich entstanden und daher macht gerade dieser Umstand ihren bleiben- den historischen Wert aus:

830 Fontane, Theodor: Das Trauerspiel von Afghanistan; in: Keitel, Walter; Nürnberger, Helmuth [Hrsg.]: Theodor Fontane. Sämtliche Romane, Erzählungen, Gedichte, Nachgelassenes (= Werke und Schriften, Bd. 22); Mün- chen 1979, S. 164 - 165 831 Zur etwas komplizierten Nomenklatur und Aufteilung des Fire Department New York (FDNY) siehe http://ww- w.fdnytrucks.com/files/html/manhattan/e7.htm (Letzer Zugriff 15. 07. 2008)

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“[...] As no other event in U.S. History, not even Pearl Harbor, the deadly assaults on New York and Washington that took the lives of almost 3,000 people on 11 September 2001 shattered the nation's sense of security. The utter destruction of the Twin Towers in New York and the severe damage done to the Pentagon by Middle East terrorists signaled a changed world in the making, one that poses a constant threat of attack that the United States must guard against and defeat if its people are to live freedom and safety. The nation responded first with stunned surprise and overwhelming grief, then with outrage and stern refusal to be intimidated. [...]”832 Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, daß genau dieses diffuse Gefühl der Bedrohung dafür sorgte, daß der amerikanische Präsident George W. Bush den „Global War On Terror“ (GWOT), den Globalen Krieg gegen den Terrorismus ausrufen konnte, ohne jemals auch nur im Ansatz zu definieren, was nun eigentlich genau einen Terroristen ausmacht. Der an die Ereignisse des 11. September anschließende amerikanische Gegenschlag gegen das Terrornetzwerk Al Kaida und gegen die Taliban in Afghanistan las- sen sich vielleicht noch am ehesten mit diesem globalen Krieg gegen den Terrorismus in Verbindung bringen. Der Krieg gegen den Irak jedoch, der zwar politisch unter den Vorzeichen des GWOT begründet wurde, hat ei- gentlich nichts mit jenem Kampf ge- gen den Terror zu tun. Daß hier beide Kriege unter dem gleichen Rubrum abgehandelt werden, hängt nicht mit jener fragwürdigen Einordnung des Irak-Krieges zusammen, sondern le- diglich damit, daß es in der Rückbe- trachtung der Ereignisse wie auch auf- grund des sensiblen politischen Kli- Abbildung 41: The World Trade Center south Tower (L) bursts into flames after being mas der Region Naher Osten / Zen- struck by hijacked United Airlines Flight 175 as the north tower burns following an ear- tralasien sinnvoll erschien, beide Krie- lier attack by a hijacked airliner in New York City in this September 11, 2001. ge mit ihrer Vorgeschichte in einem Photo: Sean Adair / REUTERS Quelle http://digitaljournalist.org/issue0110/main02.htm (Letzter Zugriff 15. 07. 2008) breiteren Kontext zu behandeln.

6.1 Berichterstattung über den 11. September

Die Anschläge in New York ereigneten sich in der Region mit der höchsten Journalistendichte weltweit: In New York haben alle Nachrichtenagenturen zumindest ein Korrespondentenbüro, wenn nicht sogar ihren Hauptsitz. Ebenfalls sind dort alle großen Photoagenturen vertreten wie auch alle großen Fernsehsender dort Studios unterhalten. Desweiteren leben und arbeiten im Großraum New York unzählige Freie Journalisten und Photographen, sogenannte freelancer. So verwundert es nicht, wenn kurz nach dem Einschlag des ersten Flugzeuges in das WTC alles, was sprichwörtlich in der Lage war, eine Kamera zu halten, zum Ort des Geschehens eilte. So wurden die darauffolgenden Ereignisse zu dem bestdokumentierten Ereignis in der Geschichte:833

832 Goldberg, Alfred; Papadopoulos, Sarandis et al.: Pentagon 9 /11; Washington 2007, S. i, im folgenden zitiert als Goldberg; Papadopoulos et al.: Pentagon 9/11..., 833 Vgl. Brender: Umgang mit den Bildern des Terrors..., S. 69

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“[...] September 11 was not only the deadliest attack on American homeland, surpassing Pearl Harbor in body count, but the most photographed and filmed violent assault in history. [...] It was almost as if the terrorists had a perfect sense of the American thirst for the theatrical and the dramatic. It seemed they realized that the count had a news media and value system that would push all these images back in every face time and time and time again.[...]”834 Ebenfalls sofort begannen jene Fernsehsender, die von der Berichterstattung über solche Ereig- nisse leben, in erster Linie also CNN und FOX News, mit dem Insert “Breaking News” live zu senden. Dieses “Breaking News” war für viele Redaktionen weltweit, in denen zumindest CNN immer auf einem Fernseher im Hintergrund läuft, das Signal, genauer hinzusehen und die weite- re Entwicklung abzuwarten bzw. Vorkehrungen zu treffen, um das laufende Programm mit einer Sondersendung zu unterbrechen.835 Viele Sender gingen bald nach den ersten Meldungen auf Sendung, eine solche Katastrophe – zu diesem Zeitpunkt war von einem Terroranschlag noch nicht die Rede – hätte auf alle Fälle eine Sondersendung gerechtfertigt. Der Einschlag des ersten Flugzeuges in den Nordturm des WTC erfolge um 8.46 Uhr New Yorker Zeit an jenem 11. Sep- tember 2001. Für Nachrichtenagenturen und aktuell arbeitende Redaktionen des Hörfunks und Fernsehens eine ausreichende Zeitspanne, für die, meist zur vollen Stunde anstehenden, Nach- richtensendungen erste Meldungen aufzubereiten und damit auf Sendung zu gehen. Eine knappe Viertelstunde später, um 9.03 Uhr, raste eine zweite Maschine in den Südturm des World Trade Centers. Spätestens zu diesem Zeitpunkt war klar, daß es sich bei den Ereignissen in New York nicht um ein singuläres Ereignis handeln konnte, wie dies nach dem ersten Einschlag in den Nordturm noch wahrscheinlich gewesen ist. Dieser zweite Einschlag geschah zu einem Zeit- punkt, an dem schon alle Nachrichtensendungen mit der Meldung des ersten Einschlages auf Sendung waren. Als Präsident Bush in seiner ersten Reaktion vor den Kameras davon sprach, daß es sich vermutlich um einen Terroranschlag handeln würde, wurde diese Terminologie bald von den großen amerikanischen Sendern übernommen.836 Gewissermaßen als Reflex änderte sich auch der Tonfall in der Berichterstattung: Die USA wurden im allgemeinen Sprachgebrauch des Fernsehens pauschal zu “America”. In den folgenden zwölf Stunden wurde allein das englische Wort für Krieg “war” 234 Mal in den Fernsehberichten verwandt. Die amerikanischen Werte wurden nicht, wie sonst üblich, in den Formeln bzw. Leitmotiven “et pluribus unum”, “in God we trust”, “one nation under God” und “novo ordus seclorum”, sondern in Formeln wie “free- dom”, “justice” und “liberty” zusammengefaßt.837

Im Regelfall wird mit dem Bekanntwerden eines außergewöhnlichen Ereignisses innerhalb der Fernsehsender ein Räderwerk in Gang gesetzt, an dessen Ende die „normale“ 15-Minuten Son- dersendung nach der Hauptnachrichtensendung steht.838 Im Falle der ARD ist das der „Brenn- punkt“ nach der Tagesschau, beim ZDF das „spezial“ nach der 19 Uhr „heute“-Sendung. Die fol- gende Schilderung der Abläufe bezieht sich, der besseren Nachvollziehbarkeit wegen, auf das Procedere, wie das ZDF es handhabt. Die Entscheidung, ob es eine Sondersendnung zu einem

834 Woodward: Bush at War..., S. 94 – 95 835 Vgl. Seibert, Stefan: Der Moderator als Augenzeuge; in: Zweites Deutsches Fernsehen [Hrsg.]: ZDF-Jahrbuch 2001; Mainz 2002, S. 71 – 72, hier S. 1, im folgenden zitiert als Seibert: Moderator als Augenzeuge..., 836 Vgl. Bush, George W.: Remarks by the President After Two Planes Crash Into World Trade Center, vom 11. September 2001; in: http://www.whitehouse.gov/news/releases/2001/09/print/20010911.html (Letzter Zugriff 15. 07. 2008), siehe auch Barnett, Brooke: The Greenwood Library of American War Reporting, Vol. 8. The Iraq Wars and the War on Terror; Westport / Connecticut, London 2005, S. 725; im folgenden zitiert als Barnett: American War Reporting, Vol. 8…, 837 Vgl. Barnett: American War Reporting, Vol. 8…, S. 72; Fraund: Funktion einer Elite..., S. 89 838 Diese Aussagen beziehen sich explizit auf die beiden Öffentlich-Rechtlichen Fernsehsender Deutschlands. Die mannigfaltige Anzahl an Privatsendern sendet in aller Regel keine Sondersendung, die aus aktuellem Anlaß ins Programm aufgenommen werden.

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Ereignis geben wird, hängt davon ab, ob das Ereignis weitreichende Konsequenzen hat und / oder viele Menschen davon betroffen sind. Hinzu kommt noch die Frage, ob dieses Ereignis den deutschen Fernsehzuschauer emotional anspricht. Diese emotionale Involvierung ist beispiels- weise dann gegeben, wenn entweder viele Deutsche direkt von einem Ereignis betroffen sind, so etwa bei der Lawinenkatastrophe von Galtür 1999 oder bei dem Gletscherbahnunglück am Kitz- steinhorn 2000, oder wenn das Ereignis viele Deutsche bewegt, wie etwa der Untergang des rus- sischen Atom-U-Bootes „Kursk“ im Jahre 2000. Hinzu kommen noch die Katastrophen allge- meinerer Art, die grundsätzlich berichtenswert sind, wie etwa das ICE-Unglück von Eschede, im Jahre 1998, oder der Absturz der Concorde über Paris, im Jahre 2000. Ferner gibt es zum Tod von herausragenden, international bedeutenden Persönlichkeiten Sondersendungen.839 Je nach Prominenz und internationaler Bedeutung kann aus dieser makaberen Normalität schnell die Pla- nung für ein gigantisches Medienevent werden, das der Bedeutung des Verblichenen dann kaum mehr gerecht wird, da im Laufe der Planungen für dieses Sendung die Pietät gegenüber der Pro- fessionalität verloren gegangen ist. Ein Beispiel hierfür ist die Berichterstattung über den Tod Jo- hannes Pauls II. und die Wahl seines Nachfolgers Benedikt XVI:

“[...] The ancient Roman buildings that surround the Vatican must be creaking under the strain of networks gearing up for the big story – the demise of the Pope. As distasteful as it might seem to the layman, no serious journalist based in Italy could not have been making plans for what is clearly going to be a big story. [...] Pope jitters come and go as pope watchers report on the various stages of his aging process. Lately however, they've been reaching fever pitch, as the networks – American and European – struggle to ensure they won't be scooped when it finally happens. [...] Then there's the question of uplink gear. No way can the networks rely on finding local uplink companies – especially in that first vital 24 hours – while platoons, divisions and whole armies of gear-laden TV journos crash in on sleepy Rome.[...]”840 Zu der weitreichenden Entscheidung, ob und wann es eine Sondersendung geben wird – es han- delt sich ja um einen Eingriff in die Programmstruktur – sind kraft Amtes der Chefredakteur oder sein Stellvertreter, der Leiter der Hauptredaktion Aktuelles, befugt. So kann bei Ereignissen, die eine sofortige Sondersendung notwendig machen, ohne große Kompetenzstreitigkeiten das Nöti- ge in die Wege geleitet werden. Bei Sondersendungen, die von den Fachredaktionen (Innen-, Au- ßen- und Gesellschaftspolitik) erstellt werden müssen, entscheidet in der Regel die in den Mit- tagsstunden stattfindende Schaltkonferenz. Ist die Entscheidung gegen 13 bis 14 Uhr gefallen, beginnt die zuständige Redaktion mit der Produktion der Beiträge für diese Sondersendung.

839 In den meisten Rundfunkanstalten liegen regelmäßig aktualisierte Nachrufe für die wichtigsten Staatsmänner bereit, die im Falle eines Falles ohne großen Aufwand und damit relativ zeitnah gesendet werden können. 840 http://www.digitaljournalist.org/issue0206/arden.htm (Letzter Zugriff 15. 07. 2008)

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Abbildung 42: Seite des Sendeablaufs der Sondersendung (ZDF-spezial) „Gefangen in der Tiefe. U-Boot-Drama im Nordmeer“ vom 20. 08. 2000. Nach diesem Muster finden alle kurzen Sondersendungen sowohl von ARD als auch ZDF statt. In der ersten Spalte findet sich die Po- sition innerhalb des Ablaufplans, in der zweiten Spalte die Art und Quelle des Beitrages (MOD = Moderation, BETA = Bandformat Betacam SP, SGS = Schaltgespräch / Studiogespräch).

Quelle: ZDF / Archiv des Verfassers

Stefan Seibert, Moderator der „heute“-Nachrichten und an jenem 11. September Moderator der Sondersendung fasst das Routinegeschehen so zusammen: „Ätnaausbruch und Amokläufer, die Tragödie der Kursk und das Keulen der BSE-Rinder – beim ZDF haben wir mittlerweile einige Routine darin, alles in Tagesreportagen, Korrespondentenschalten, Erklärstücke und Experten- gespräche zu zerlegen und zum „ZDF spezial“ wieder zusammenzusetzen.“841 Die Abfolge, die

841 Seibert: Moderator als Augenzeuge..., S. 71

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Seibert hier beschreibt, spiegelt den regulären Verlauf des normalen 13 – 15 Minuten „spezials“ wider: Zuerst die Bilder des Tages, dann die Eröffnung und Begrüßung durch den Moderator. Danach folgt die Tagesreportage, in der die für den Anlaß relevanten Ereignisse zusammengefaßt werden. Darauf folgt dann ein Schaltgespräch mit einem Experten oder dem Korrespondenten vor Ort. Nach dieser „Schalte“ folgt in aller Regel in Erklärstück, in dem der Hintergrund des Er- eignisses dargestellt wird. Darauf folgen noch einmal ein Schaltgespräch oder ein Studioge- spräch und die Abmoderation.

Von solch einem geregelten Prozedere konnte am 11. September keine Rede sein. Dort wurde – wohl zum ersten Mal in der Geschichte des Fernsehens – live über eine solche Katastrophe be- richtet, noch während sie geschah.842 In allen Fernsehsendern, die live berichteten, standen die Moderatoren im Studio und konnten lediglich berichten, was ohnehin schon auf den Live-Bil- dern zu sehen war und was über Agenturmeldungen hereinkam. In vielen Fernsehsendern wurde das Singal von CNN nur „durchgesteckt“, also auf dem eigenen Programm gesendet und nur noch kommentiert:

“[...] By noon, all four major television networks had agreed to share video images. By mid afternoon, almost all of AOL Time Warner's cable channels, like TBS and TNT, were carrying CNN; Viacom's CBS News feed was being carried by Viacom's music channels, VH1 and MTV; and Peter Jennings of ABC News was appearing not just on his network, but on Disney's ESPN channel and all ABC radio stations. [...]”843 In dieser Situation, in der die tatsächliche Faktenlage außerordentlich dürr war, blieb den Mode- ratoren nur eines übrig: Das wenige, das wirklich klar zu sein schien, zu melden und gleichzeitig noch mit dem Konjunktiv als weitere journalistische Vorsichtsmaßnahme zu versehen.844 So wur- de in diesem Fall aus den beinahe schon klassischen Sondersendungen, die lediglich den Fakten- stand eines bereits abgeschlossenen Ereignisses berichten, die erste Live-Berichterstattung von einem Ereignis, noch während es sich entwickelte.845 Wie geschockt auch die Moderatoren dieser Sondersendungen auf das Unfaßbare reagierten, das sich vor ihren Augen ereignete, mag folgen- der Ausschnit aus einem Schaltgespräch zwischen dem ABC-Reporter John Miller und dem An- chor im Studio, Peter Jennings, illustrieren:

“[...] JENNINGS: Let's look at the north tower quickly – quickly. MILLER: The north tower seems to be coming down. JENNINGS: Oh, my God! MILLER: The second – the second tower. JENNINGS: It's hard to put it into word and maybe one doesn't need to. Both Trade Towers, where thousands of people work, on this day, Tuesday, have now been attacked and destroyed

842 Vgl. Warken, Bettina: Nachrichtenauswahl in Krisenzeiten; in: Zweites Deutsches Fernsehen [Hrsg.]: ZDF-Jahr- buch 2001; 2002, S. 73 – 75, hier S. 73, im folgenden zitiert als Warken: Nachrichtenauswahl..., 843 Barringer, Felicity; Fabrikant, Geraldine: A DAY OF TERROR: THE MEDIA. As an Attack Unfolds, A Strug- gle to Provide Vivid Images to Homes; in: The New York Times, 12. September 2001 844 Vgl. Seibert: Moderator als Augenzeuge..., S. 71 845 Vgl. Barringer, Felicity; Fabrikant, Geraldine: A DAY OF TERROR: THE MEDIA. As an Attack Unfolds, A Struggle to Provide Vivid Images to Homes; in: The New York Times, 12. September 2001, siehe auch Neuber, Harald: Erstes Opfer: Pressefreiheit. Medien geraten zunehmend ins Visir von Kriegsparteien. Dazu trägt vor al- lem die Auflösung internationaler Vereinbarungen bei. Eine subjektive Bestandsaufnahme, wenige Monate nach dem 11. September 2001; in: Palm, Godeart; Rötzer, Florian [Hrsg.]: MedienTerrorKrieg. Zum neuen Kriegspa- radigma des 21. Jahrhunderts; Hannover 2002, S. 125 – 139, hier S. 134 – 136 , im folgenden zitiert als Neuber: Erstes Opfer…,. Neuber übersieht bei seinem Artikel aber den Umstand, daß es für solche Ereignisse keinerlei Pläne geben kann.

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with thousands of people either in them or in the immediate area adjacent to them. This is – there is simply no way to accurately describe the emotion this evokes in people all over the world; friends of the United States and enemies of the United States as well. [...]”846 Daß hierbei trotz aller Vorsicht auch Falschmeldungen verbreitet wurden, scheint angesichts der erschütternden Tragweite dieser Ereignisse schon beinahe normal, ist aber dennoch – zumindest in der Rückschau – ein Indiz dafür, wie chaotisch und verworren die Meldungslage an diesem Tag war. Angesichts der Ungeheuerlichkeit des bisher Geschehenen erschien allein schon die Meldung, das Pentagon sei nicht nur mit einem Flugzeug, sondern auch mit einer Autobombe an- gegriffen worden, so weit im Bereich des Möglichen zu liegen, daß diese Meldung, die sich spä- ter als „klassische Ente“ herausstellte, verbreitet wurde. Zu jenen Journalisten, die in Richtung des World Trade Centers eilten, gehörte auch die ZDF-Redakteurin Julie von Kessel, die sich mit einem Kameramann auf den Weg machte, um Bilder vom Ort des Geschehens einzufangen. Sie waren noch am Drehen, als die beiden Türme einstürzten. Unter dramatischen Umständen gelang es ihr und später auch ihrem Kameramann, Michael Vance, in das New Yorker Studio des ZDF zurückzukehren. Dort wurde sie von Studioleiter Udo van Kampen interviewt und schilderte, ge- zeichnet von den Eindrücken von der Unglücksstelle, was ihr passiert war.847 Damit waren sie und der Teil der Menschheit, der zu diesem Zeitpunkt das Geschehen vor den Fernsehschirmen mehr oder minder ungläubig verfolgten, nicht nur zum Augenzeugen jener Ereignisse, sondern auch zum Augenzeugen des ersten live übertragenen Massenmordes der Geschichte geworden.848

Abbildung 43: Linkes Bild: Der damalige Studioleiter des ZDF in New York , Udo van Kampen, vor dem Fesnter des Studios. Im Hintergrund die Rauchfahne von "Ground Zero" deutlich zu erkennen. Rechtes Bild: Der Studioleiter des ZDF-Studios New York, Udo van Kampen, im Gespräch mit seiner Mitarbeiterin Julie von Kessel am 11. September 2001. Von Kessel konnte sich nach dem Einsturz der Doppeltürme des World Trade Centers zurück zum Studio durch- schlagen und von ihren Erlebnissen aus erster Hand berichten.

Quelle: ZDF-Bilderdienst

846 Zititert nach Barnett: American War Reporting, Vol. 8…, S. 77 847 Julie von Kessel war – nach eigener Aussage – im Studio New York des ZDF als Producerin und Redakteurin und nicht – wie oft zu lesen – als Hospitantin oder Praktikantin dort. Die beiden letzt genannten Möglichkeiten würden sich eigentlich schon durch ein wenig Kenntnis der TV-Hirachie von selbst ausschließen. Es ist – selbst oder gerade in Situationen wie dieser – unüblich, Praktikanten mit der Beschaffung solcher Bilder zu beauftra- gen.Vgl. Wans, Simone: Star wider Willen. ZDF-Mitarbeiterin Julie von Kessel war am 11. September die erste deutsche Fernsehreporterin am Unglücksort; in: Berliner Zeitung, 11. September 2002 http://www.berlinonline.- de/berliner-zeitung/archiv/.bin/dump.fcgi/2002/0911/medien/0014/index.html (Letzter Zugriff 15. 07. 2008); O. A.: Die Journalisten der Stunde Null; in: Deutsche Welle, 11. 09. 2006 http://www.dw- world.de/dw/article/0,2144,2150078_page_1,00.html (Letzter Zugriff 15. 07. 2008) 848 Vgl. Barnett: American War Reporting, Vol. 8…,, S. 75, 77; Seibert: Moderator als Augenzeuge..., S. 71; War- ken: Nachrichtenauswahl..., S. 73; Brender: Umgang mit den Bildern des Terrors..., S. 69

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Unter den Photographen, die zum Ort des Ge- schehens eilten, befand sich auch der für die Bildagentur SIPA arbeitende Photograph Bill Biggart. Biggart Photographierte bis zu dem Moment, in dem er von den Trümmern des ein- stürzenden World Trade Centers begraben wur- de. Als man zwei Wochen später die Überbleib- sel seiner Habseligkeiten seiner Witwe aushän- digte, befand sich darunter auch seine Kamera- tasche. Seine Witwe Wendy charakterisiert ih- ren verstorbenen Mann so: “With a press pass around his neck and a camera bag over his shoulder, in the middle of a cross fire – Bill was Abbildung 44: Das aus den Trümmern des World Trade Centers geborge- 849 ne Equipment des Photographen Bill Biggart. Er selbst kam in den Trüm- in heaven.” Biggart war an jenem Tag mit mern ums Leben. zwei analogen und einer digitalen Spiegelre- Photo: Chip East / SIPA flexkamera unterwegs gewesen. Sie gab diese Quelle: http://digitaljournalist.org/issue0111/biggart_intro.htm (Letzter Tasche an einen befreundeten Kollegen, Chip Zugriff 15. 07. 2008) East, weiter, der davon überzeugt war, daß keines der Bilder, die Biggart vor seinem Tod ge- macht hatte, den Einsturz und die Trümmer überlebt haben konnte.850

Die konventionellen, also auf Kleinbildfilm aufgenommenen, Bilder waren durch die Einwir- kung der Trümmer tatsächlich in Mitleidenschaft gezogen worden – durch den Druck der Trüm- mer hatten sich die Filmpatronen geöffnet und Licht konnte eindringen – aber sie waren unter gewissen Einschränkungen verwendbar. Als East sich der scheinbar vollkommen zerstörten digi- talen Spiegelreflexkamera zuwandte, entdeckte er, daß das Fach, in dem die Speicherkarte der Kamera untergebracht war, vollkommen unversehrt geblieben war. Angesichts der zerstörten und mit Staub und Asche bedeckten Kamera ein Wunder. Nach einigen Fehlversuchen gelang es, die auf der Karte gespeicherten Bilder auszulesen.851

Abbildung 45: Der letzte Filmstreifen aus der Kamera Bill Biggarts. Deutlich ist die Lichteinwirkung zu erkennen

Quelle http://digitaljournalist.org/issue0111/biggart12.htm (Letzer Zugriff 15. 07. 2008)

849 http://www.billbiggart.com/about.html (Letzter Zugriff 15. 07. 2008) 850 Vgl. http://digitaljournalist.org/issue0111/biggart_intro.htm (Letzter Zugriff 15. 07. 2008) 851 Vgl. http://digitaljournalist.org/issue0111/biggart_intro.htm (Letzter Zugriff 15. 07. 2008)

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Mit diesen Bildern konnte nicht nur das photographische Vermächtnis Biggarts gerettet werden, sondern auch die letzte Stunde seines Lebens chronologisch rekonstruiert werden. Dadurch, daß die Bilder auf einer Speicherkarte, analog zum Kleinbildfilm, mit einer Nummer versehen sind, dazu aber noch jeweils in den Meta- oder Exif-Daten (Exchangeable Image File Format) neben anderen Informationen auch das Datum und die Uhrzeit festgehalten werden, konnte genau re- konstruiert werden, wann welches Foto wo aufgenommen worden war.852 Damit stand fest, daß Biggart es gelungen war, an den Ort des Geschehens, der später als “Ground Zero” bezeichnet werden sollte, vorzudringen und dort Bilder zu machen. Die wenigen Bilder, die es vom Epizen- trum der Ereignisse im Zeitraum zwischen dem Einsturz des ersten und dem Einsturz des zwei- ten Turms des World Trade Centers existieren, stammen also von Biggart. Easts Nachruf auf Big- gart endet mit den Worten: “Bill was killed when the second building came down, and he was crushed under all the debris. [...] We know in his last picture he was working to the very end, and that's telling of the commitment he had to his work.”853 Damit hatte sich wieder einmal das Prinzip durchgesetzt, wonach, auch wenn der Photograph nicht mehr am Leben ist, seine Bilder jedoch weiterleben und er auch durch seine Bilder weiterlebt.

So wie Biggart wurde zumindest der Teil der Welt, der über ein Fernsehgerät verfügte und in der Lage war, es zu benutzen, zum Augenzeugen. Als dann vor den laufenden Fernsehkameras die beiden Türme des World Trade Centers in sich zusammenstürzten, wurde zur Gewißheit, was vorher nur vermutet worden war: Bei beiden Ereignissen handelte es sich nicht um zwei zufällig den gleichen Gebäudekomplex betreffende singuläre Ereignisse, sondern um einen koordinierten Angriff gegen eines der Symbole der Weltmacht USA. Dies war vermutlich auch die Absicht der Attentäter, sie wollten mit diesen Anschlägen die größte erreichbare Medienöffentlichkeit für ihr Vorhaben erzielen. Ihr perverser Plan, anders kann man diese Art der Instrumentalisierung der Medien nicht bezeichnen, bestand darin, mit diesen Bildern auf der ganzen Welt Angst und Schrecken zu verbreiten und zu zeigen, daß auch die Weltmacht Amerika verwundbar ist. Getreu der Maxime, nach der das Fernsehen heute stärker ist als ein Panzer854, wollten die Angreifer live demonstrieren, daß sie überall auf der Welt, ganz egal wann und wo, zuschlagen könnten und daß niemand mehr vor ihren Attentaten sicher wäre. Die Symbolik der von ihnen ausgewählten Ziele war auch dementsprechend stark: Das Pentagon als Symbol für die militärische Macht Amerikas und das World Trade Center, das ehemals höchste Gebäude der Welt, als Symbol für die wirtschaftliche Macht Amerikas. Somit waren die Anschläge des 11. September 2001 in ers- ter Linie ein Angriff auf die USA und erst in zweiter Linie ein Angriff auf die gesamte freie Welt. Insbesondere der letzte Punkt kam bei allen Analysen des 11. September bisher zu kurz. Indem die Attentäter das World Trade Center in New York angriffen, griffen sie nicht nur die Wirt- schaftssupermacht Amerika, sondern indirekt auch die ganze Welt an. Der Name „World Trade Center” ist hierbei Symbol für den weltweit vernetzten Handel, der mit den Anschlägen an jenem Septembertag empfindlich getroffen wurde. Die Reaktionen der Medien auf diese Art von Terro- rismus – daß es sich um „Terrorismus“ handelte, stand nach den Ereignissen das Tages in Wa- shington und New York relativ bald fest – fielen unterschiedlich aus: Die großen amerikanischen Senderketten benannten ihre Sondersendungen mit schlagzeilenartigen und griffigen Stichworten wie: “War Against America” und “Attack On America”855, das ZDF benannte seine Sondersen- dungen mit dem Titel „Terrorkrieg gegen Amerika“. In all diesen Schlagworten wurden zwei un- terschiedliche Arten von Gewaltanwendung miteinander verwoben: Terrorismus und Krieg. Es scheint fast so, als hätten die Medien an jenem Tag die Entscheidung der Politik, auf diese An-

852 Vgl. http://digitaljournalist.org/issue0111/biggart_intro.htm (Letzter Zugriff 15. 07. 2008) 853 http://digitaljournalist.org/issue0111/biggart_intro.htm (Letzter Zugriff 15. 07. 2008) 854 Vgl. Brender: Umgang mit den Bildern des Terrors..., S. 70 855 Vgl. Neuber: Erstes Opfer…, S. 132

Seite 199 “The Picture Survives” schläge mit militärischen Mitteln zu reagieren, wenn nicht vorweggenommen, so doch zumindest präjudiziert. Dies zeigt sich auch durch die viel hundertfache, geradezu inflationäre Verwendung des Wortes „Krieg“. Hier gingen die Medien weit über die bereits erwähnte „Wächterfunktion“ hinaus und wurden somit Teil des Exekutive: Ein Vorkommnis, das zwar so neu nicht war, aber in dieser Heftigkeit wiederum bis heute ziemlich einzigartig ist. Der damalige Soldat der Bun- deswehr Achim Wohlgethan beschreibt in seinem Buch „Endstation Kabul“,856 wie er und seine Kameraden den 11. September erlebten:

„[...] Die Bilder des rauchenden Wolkenkratzers liefen in Echtzeit über den Fernseher, aber wir hatten keine Ahnung, was das alles zu bedeuten hatte. Doch plötzlich änderten sich die Bilder, und auch der Ton. Es kamen Schreie aus dem Fernseher, und wir sahen fassungslos, wie die zweite Maschine in dem anderen Turm einschlug. In dem sonst so warmen und geselligen Raum mit der Holztäfelung herrschte plötzlich eisige Stille. Immer mehr meiner Kameraden kamen herbeigeeilt, die Neuigkeiten sprachen sich herum wie ein Lauffeuer. Niemand wagte ein Wort zu sagen. [...] Alles, was außerhalb des Fernsehers geschah, war in diesem Augenblick völlig unbedeutend geworden, es interessierte niemanden von uns. Irgendwo in einem der Büros klingelte ein Telefon, aber keiner nahm ab. Es war, als wäre ein Schlag durch den Standort gegangen. [...] Aber wir wußten, daß es eine militärische Antwort geben würde und daß das möglicherweise auch für uns Folgen hätte. „Jetzt gibt’s Krieg“, kommentierten schließlich einige jüngere Soldaten die Szenen auf dem Bildschirm und durchbrachen die bedrohliche Stille. Die älteren, etwas abgeklärten waren sehr still. [...]857 Die entweder noch am selben Tag erschienenen Sonderausgaben oder die am nächsten Tag er- schienen regulären Ausgaben der Printmedien machten weltweit alle mit diesen Ereignissen des 11. September auf der Titelseite auf. Die Vielfalt der Schlagzeilen reichte dabei von “Attack”, “Acts of War” und “U.S. At- tacked” über die Gleichsetzung dieses Er- eignisses mit der Landung in der Norman- die “Longest Day”858, dem Vergleich mit dem japanischen Angriff auf Pearl Harbor 1941 “Second Pearl Harbor” und “A New Day of Infamy” bis hin zum simplen Aus- ruf “IT'S WAR” vor dem Hintergrund des zweiten Flugzeuges, kurz vor dem Ein- schlag in das World Trade Center. Aus die- sem Rahmen fällt die Schlagzeile, die die Ereignisse jenes Tages unter dem Rubrum “The Day After” zusammenfasst. Der Refe- renzrahmen ist hier nicht der Krieg im all- gemeinen oder der Zweite Weltkrieg. Die Macher dieser Schlagzeile bezogen sich auf den 1983 ausgestrahlten Spielfilm „The Abbildung 46: Ausgewählte Titelseiten amerikanischer Tageszeitungen vom 11. Day After“, der die Auswirkungen eines und 12. September 2001. Teil I nuklearen Krieges auf die Zivilbevölkerung Quelle: http://www.newseum.org/todaysfrontpages/hr_archive.asp? im amerikanischen Bundesstaat Kansas fpVname=AL_AS&ref_pge=gal&b_pge=1 (Letzter Zugriff 15. 07. 2008)

856 Wohlgethan, Achim: Endstation Kabul. Als deutscher Soldat in Afghanistan - ein Insiderbericht; Berlin 20086, im folgenden zitiert als Wohlgethan: Endstation Kabul…, 857 Wohlgethan: Endstation Kabul…, S. 7 – 8 858 Der Titel “Longest Day” bezieht sich auf das 1965 erschienene Buch “The Longest Day” des Kriegsberichter- statters Cornelius Ryan, das die Vorlage lieferte für den gleichnamigen Spielfilm, bei dem unter anderem Bern- hard Wicki, der Regisseur des Anti-Kriegsfilms „Die Brücke“, Regie führte.

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schildert. Damit setzten sie die Wir- kung der Anschläge vom 11. September mit den Auswirkungen eines atomaren Schlagabtausches der Supermächte während des Kalten Krieges gleich.

Bei der Auswahl der Titelbilder waren die verantwortlichen Bildredakteure zu- meist nicht sehr kreativ. Aus der Masse der Bilder, die von diesem Tag in die Redaktionen flutete, wurden nur weni- ge ausgewählt. Hierbei lassen sich mehrere Topoi unterscheiden: Erstens unterschiedliche Varitationen der Bilder der brennenden und später einstürzen- den Doppeltürme, zweitens unter- schiedliche Blickwinkel des zweiten Flugzeuges kurz vor dem Einschlag in den Südturm des World Trade Centers

Abbildung 47: Ausgewählte Titelseiten amerikanischer Tageszeitungen vom 11. und und drittens Bilder, die die staubbe- 12. September 2001. Teil II deckten Straßen und Trümmer des be- Quelle: http://www.newseum.org/todaysfrontpages/hr_archive.asp? troffenen Areals zum Thema haben. Die fpVname=AL_AS&ref_pge=gal&b_pge=1 (Letzter Zugriff 15. 07. 2008) amerikanischen Radiosender reagierten mit Live-Berichten von den Orten der Ereignisse. Das Musikprogramm wurde am 11. Septem- ber, analog zu MTV und Viva, gestrichen. In den Tagen nach der Katastrophe änderte sich die Musikauswahl der Radioprogramme vollständig. Die Hörer wurden via Radio in die sprichwört- liche amerikanische Flagge gehüllt: Die amerikanische Nationalhymne, “The Star Spangled Ban- ner”, war beinahe auf jedem Kanal zu hören ebenso wie der Hit von Bruce Springsteen “Born in the USA” und der Country-Klassiker schlechthin “Good Bless the U.S.A”.859 Manche Lieder wurden regelrecht auf eine schwarze Liste gesetzt. So gab der texanische Radiosender “Clear Channel Communications”, der fast 1200 Radiostationen in den gesamten USA kontrolliert, eine Liste mit 150 Titeln heraus, die besser nicht zu spielen wären. So etwa das Lied “Blow Up the Outside World” der Gruppe Soundgarden oder “Ticket to Ride” von den Beatles.860 Auf dieser Liste standen aber auch ganze Bands:

„[...] Rage Against the Machine wird schlicht insgesamt zur Band non grata erklärt, wie die “New York Times” berichtet. Selbst die Hymne “New York, New York” von Frank Sinatra ist tabu, klingen die Zeilen “If you can make it there, you can make it everywhere” mittlerweile eher nach amerikanischer Bedrohung als nach amerikanischem Traum.[...]“861 Die Schlagzeilen, mit denen die amerikanischen Zeitungen aufmachten, sind vor dem Hinter- grund, daß dies erst der zweite Angriff auf amerikanisches Territorium war, verständlich. Weni- ger verständlich sind hingegen die Schlagzeilen der großen überregionalen deutschen Tageszei- tungen „Die Welt“ und die „Süddeutsche Zeitung“, die ebenfalls mit Titeln dieser Art aufmach-

859 Vgl. Bock, Caroline: „God Bless America“ - Musik in Zeiten des Terrors; in: dpa – Basisdienst, 25. 09. 2001, 14:45 Uhr 860 Vgl. Bock, Caroline: „God Bless America“ - Musik in Zeiten des Terrors; in: dpa – Basisdienst, 25. 09. 2001, 14:45 Uhr 861 Bock, Caroline: „God Bless America“ - Musik in Zeiten des Terrors; in: dpa – Basisdienst, 25. 09. 2001, 14:45 Uhr

Seite 201 “The Picture Survives” ten. Aus diesem Rahmen fällt die BILD-Zeitung, die am 12. September in großen weißen Lettern auf schwarzem Grund titelte: „Großer Gott, steh uns bei!“. Den Hintergrund dieser Schlagzeile bildete die Aufnahme, die im Moment, als das zweite Flugzeug in einem Feuerball im Südturm des World Trade Centers explodierte, entstand. Über dieser Schlagzeile stand dann, in schwarzer Schrift auf rotem Grund, zu lesen: „Tausende Tote in Amerika! Die Welt in Angst! Gibt es Krieg?“. Im Gegensatz zu den Schlagzeilen der Pforzheimer Zeitung und der SZ, die beide „Ter- rorkrieg gegen Amerika“ titelten und damit den Titel der Sondersendungen des ZDF aufgriffen, erscheint die Schlagzeile von BILD – unüblicherweise – gemäßigter, da in ihr die Frage gestellt wird, ob es „Krieg“ geben werde. Diese Frage, was auch immer mit diesem reichlich abstrakten Begriff „Krieg“ gemeint ist, wird zwar nicht beantwortet und doppelt so indirekt das weltweite Echo in den Schlagzeilen, die mehr- heitlich von einen „Terrorkrieg“ sprachen. Daneben wird mit diesem Interrogativsatz auch die in den Tie- fen der menschlichen Psyche veran- kerte Urangst vor einem „Krieg“ an- gesprochen. Der Exklamationssatz vorher, mit der die Redakteure der BILD-Zeitung die Stimmung, die an diesem „Tag des Terrors“862 weltweit herrschte, versuchten einzufangen, spiegelt zumindest die Unsicherheit und Angst wider, gleichzeitig ergibt sich aber, in Verbindung mit der fol- genden Schlagzeile „Gibt es Krieg?“ ein Eindruck von der Strahlkraft die- ser Ereignisse. Auch der Umstand, daß die folgenden Tage, aus medialer Sicht, beinahe ausschließlich im Schatten der Ereignisse in New York und in Washington standen, zeigt, von welcher Tragweite diese Ereig- Abbildung 48: Ausgewählte Titelseiten deutscher Tageszeitungen vom 12. September 2001 nisse waren.863 Quelle: http://www.newseum.org/todaysfrontpages/hr_archive.asp? fpVname=AL_AS&ref_pge=gal&b_pge=1 (Letzter Zugriff 15. 07. 2008) Der NATO-Rat traf sich am Abend des 12. September, um über die Ereignisse des vorangegan- genen Tages zu beraten und das weitere Vorgehen zu koordinieren. Bei dieser Sitzung wurde auch festgestellt, daß der Bündnisfall gemäß Kapitel 5 des NATO-Vertrages vorliege.864 Nach- dem einige Jahre zuvor die Definition, was unter einem Angriff auf einen Staat zu verstehen sei, nach der dieser Angriff einem Angriff auf das gesamte nordatlantische Bündnis gleichzusetzen ist, auf Akte des Terrorismus ausgeweitet wurde, kam nun dieses Kapitel des NATO-Vertrages zur Anwendung. Zum ersten Mal in der Geschichte des Bündnisses wurde somit der Bündnisfall 862 So der Titel einer Sondersendung des ZDF zum ersten Jahrestag des 11. September. 863 Vgl. Warken: Nachrichtenauswahl..., S. 73 864 Wortlaut des NATO-Vertrages: “[...] The Parties agree that an armed attack against one or more of them in Europe or North America shall be considered an attack against them all and consequently they agree that, if such an armed attack occurs, each of them, in exercise of the right of individual or collective self-defence recog- nised by Article 51 of the Charter of the United Nations, will assist the Party or Parties so attacked by taking forthwith, individually and in concert with the other parties, such action as it deems necessary, including the use of armed force, to restore and maintain the security of the North Atlantic area. [...]” zitiert nach http://www.nato.int/docu/basictxt/treaty.htm (Letzter Zugriff 15. 07. 2008)

Seite 202 “The Picture Survives” festgestellt.865 Dieser Bündnisfall, ursprünglich für den Fall eines sowjetischen Angriffes auf einen Mitgliedsstaat gedacht, wurde nun in Kraft gesetzt. Allerdings hat die Feststellung des Bündnisfalls nach Kapitel 5 zuerst einmal keinerlei weitergehende Wirkung als eben die Feststel- lung jenes Zustandes. Daher ist dies in erster Linie eine symbolische Geste der Solidarität gegen- über den Vereinigten Staaten und sollte erst in zweiter Linie direkte Folgen für die Nato haben. Eine direkte Folge der Ausrufung des Bündnisfalls nach Kapitel 5 war, daß sich, kaum war dies in den Medien bekannt gegeben worden, Reservisten mit ihrem Seesack vor etlichen deutschen Kreiswehrersatzämtern einfanden, die glaubten, mit dem Bündnisfall sei automatisch auch der Verteidigungsfall gemäß Art. 115 GG festgestellt worden.866

6.2 Der “Global War on Terror”

Die Nachricht von den Ereignissen in New York erreichte den amerikanischen Präsidenten Bush in einer Grundschule in Sarasota im amerikanischen Bundesstaat Florida. Um 9.30, ca. 45 Minu- ten nach dem Beginn der Ereignisse, trat Bush in dieser Grundschule vor die Weltpresse und gab eine erste Erklärung ab. Dabei sprach er davon, daß es sich bei den Ereignissen um eine “appar- ent terrorist attack on our country [die USA]”867 handeln würde und daß “Terrorism against our nation will not stand”.868 Danach wurde er eilends zur seiner auf dem Flughafen von Sarasota wartenden Maschine gebracht.869

Wie sehr sich selbst die ansonsten so präzise funktionierende amerikanische Militär- und Regie- rungsmaschinerie von jenen Ereignissen in New York und Washington irritieren und verstören ließ, mag der Umstand illustrieren, daß die Ankunftszeit von , der Maschine des US-Präsidenten, auf der Barksdale AFB (Air Force Base) im amerikanischen Bundesstaat Loui- siana mit 11.48, 11.54, 12.08 und 12.16 Uhr angegeben wird. Irgendwann innerhalb dieser 28 minütigen Zeitspanne landete also die nach Barksdale umgeleitete Maschine des Präsidenten, von Sarasota in Florida kommend, dort. Die nächste exakte Zeitangabe datiert auf 12.36. Zu die- sem Zeitpunkt trat Bush ein weiteres Mal vor die Fernsehkameras. Bei dieser Erklärung sah man Bush deutlich an, daß er von den Ereignissen des Tages mitgenommen war. Danach bestieg er wieder die Air Force One, flog aber nicht nach Washington, sondern zur Offutt AFB in Nebraska, den Sitz des amerikanischen Strategic Command. Dort hatte Bush zum ersten Mal die Möglich- keit, über eine Videokonferenzschaltung mit seinem Vizepräsidenten, dem Verteidigungsminister, dem Vorsitzenden der JCS und dem Direktor der CIA zu sprechen. Nach dieser Videokonferenz beschloß Bush, entgegen dem Rat seiner Berater und seiner Leibwächter, daß er sich nicht länger verstecken und lieber nach Washington zurückkehren wolle.870

865 Zu den Gründungsabsichten und zur Gründungsgeschichte der NATO siehe ausführlich Kieninger, Michael: Double Containment: Kanada und die Entstehung der NATO; Konstanz 2001, im folgenden zitiert als Kienin- ger: Double Containment..., 866 Vgl. AP / Guido Rijkhoek: Die ersten Reservisten haben sich schon gemeldet. Räselraten bei Deutschlands Sol- daten über die Folgen des NATO-Beschlusses zum „kollektiven Verteidigungsfall“; in; Wiesbadener Kurier, 14. September 2001, S. 2 867 Bush, George W.: Remarks by the President After Two Planes Crash Into World Trade Center, vom 11. Septem- ber 2001; in: http://www.whitehouse.gov/news/releases/2001/09/print/20010911.html (Letzter Zugriff 15. 07. 2008) 868 Bush, George W.: Remarks by the President After Two Planes Crash Into World Trade Center, vom 11. Septem- ber 2001; in: http://www.whitehouse.gov/news/releases/2001/09/print/20010911.html (Letzter Zugriff 15. 07. 2008), vgl. Woodward: Bush at War..., S. 15 869 Vgl. Woodward: Bush at War..., S. 16 870 Vgl. Woodward: Bush at War..., S. 18 – 19

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Bush erreichte das Weiße Haus gegen 18.30 Uhr. In einer Fernsehansprache um 20.30 Uhr wollte er, in seiner Rolle als Oberbefehlshaber und Präsident, beruhigend auf die Menschen in Amerika einwirken. Zum anderen wollte er mit seiner Rede demonstrieren, daß er diesen Tag überlebt hat- te. Eine Tatsache, die heftig angezweifelt wurde, da Bush den Großteil des Tages damit verbracht hatte, sich auf den diversen Luftwaffenstützpunkten zu verstecken: “He wanted to go on televi- sion and be tough, show some resolve but also find some balance – be comforting, demonstrate that the government was functioning and show the nation that their president had made it through [...]”.871 In seiner Rede an die Nation legte Bush unter anderem die dann später nach ihm benannte Doktrin, die als Kernaussage “We will make no distinction between the terrorists who committed these acts and those who harbor them.”872 zum Inhalt hatte, fest. Dieser Satz soll- te zur Kernpolitik der Bush-Administration im Kampf gegen den Terror werden, drohte sie doch nicht nur den Terroristen selbst, sondern auch allen, die ihnen Unterstützung und Unterschlupf gewährten, weitreichende Konsequenzen an.873

Als sich die amerikanische Führung um George W. Bush in den Abendstunden des 11. Septem- ber 2001 im verbunkerten Lageraum des Weißen Hauses einfand, stand, neben der Frage, wie denn auf die Ereignisse des Tages zu reagieren sei, auch die Frage nach dem Schuldigen auf der Agenda:

“[...] “This is the time for self-defense,” the president said, making the somewhat obvious point. There was a sense it was not over, and they were meeting in the bunker not because it was comfortable – it wasn't – but because it was still dangerous. They had neither a handle on what happened nor what might be next nor how to respond. “We made the decision to punish whoever harbors terrorists, not just the perpetrators,” he [Präsident Bush] told them.” [...]”874 Es schien zu diesem Zeitpunkt festzustehen, daß die Schuldigen bzw. die Verwantwortlichen für die Ereignisse des Tages in den Reihen der Terrororganisation „Al Kaida“ Osama bin Ladens zu suchen seien. Daher lag es nahe, gegen diese Organisation und ihren Anführer vorzugehen. Pro- blematisch daran war, daß die Anführer von Al Kaida mitsamt ihren Ausbildungslagern in Afgha- nistan ansässig waren. Dort genossen sie die Gastfreundschaft und den Schutz der regierenden radikal-islamischen und fundamentalistischen Taliban.875 Diese mußten sich nun, getreu den Buchstaben der „Bush-Doktrin“, entscheiden, ob sie in dieser Sache für die USA, also mit ihnen gegen Al-Kaida vorgehen oder gegen sie seien. Problematisch war nur, daß die Planungsstäbe des Pentagon keinerlei Operationspläne, Afghanistan betreffend, hatten, daß dieses Land in ge- wisser Weise eine Art terra incognita für die amerikanische Politik und Militärs war. Klar war le- diglich, daß diese Regierung es nicht bei der „Clinton-Option“, ein paar Marschflugkörper auf ohnehin schon verlassene Terrorcamps abzufeuern, bewenden lassen wollte. Genau dies hatte nach den Angriffen auf die amerikanischen Botschaften in Nairobi und Daressalam 1998 befohlen. Diese Reaktion sei, aus Sicht von George Bush, geradezu eine Einladung an Ter- roristen weltweit gewesen, die Vereinigten Staaten anzugreifen. Das wirkmächtige Bild sei ge- wesen, die USA seien dermaßen risikoavers, daß lediglich ein paar Cruise-Missiles als Antwort

871 Woodward: Bush at War..., S. 30 872 Bush, George W.: Statement by the President in His Address to the Nation vom 11. September 2001; http://ww- w.whitehouse.gov/news/releases/2001/09/print/20010911-16.html (Letzter Zugriff 15. 07. 2008) 873 Vgl. Woodward: Bush at War..., S. 30 – 31 874 Woodward: Bush at War..., S. 31 875 Zum Hintergrund der afghanischen Gastfreundschaft und des paschtunischen Ehrenkodexes, dem „Paschtunwa- li“ siehe Orywal, Erwin: Krieg und Kampf in Afghanistan; in: Chiari, Bernhard [Hrsg.]: Wegweiser zur Ge- schichte. Afghanistan; Paderborn, München, Wien, Zürich 2006, S. 110 – 117, im folgenden zitiert als Orywal: Krieg und Kampf…,

Seite 204 “The Picture Survives” auf einen Angriff zu erwarten wären – Amerika sei impotent geworden:876 “I do believe there is the image of America out there that we are so materialistic, that we're almost hedonistic, that we don't have values, and that when struck, we wouldn't fight back.”877

Am Freitag, den 14. September 2001, verabschiedete der US-Kongress in einer gemeinsamen Sitzung von Senat und Repräsentantenhaus eine Resolution, die den Präsidenten dazu ermächtig- te, die Streitkräfte der Vereinigten Staaten gegen die Urheber des 11. September und ihre Unter- stützer und Helfershelfer einzusetzen:

“[...] Whereas, on Sept. 11, 2001, acts of despicable violence were committed against the United States and its citizens [...] Whereas the president has authority under the Constitution to take action to deter and prevent acts of international terrorism against the United States. [...] That the president is authorized to use all necessary and appropriate force against those nations, organizations, or persons he determines planned, authorized, committed, or aided the terrorist attacks that occurred on Sept. 11, 2001, or harbored such organizations or persons, in order to prevent any future acts of international terrorism against the United States by such nations, organizations or persons. [...]”878 Diese Resolution ähnelt einer anderen Resolution des Kongresses: der sogenannten “Tonking- Gulf Resolution” vom 7. August 1964.879 In dieser Resolution sicherte der Kongress der Verein- igten Staaten von Amerika dem amerikanischen Präsidenten, als Reaktion auf die Ereignisse im Golf von Tonking, das Recht zu, “as the President determines, to take all necessary steps, in- cluding the use of armed force, to assist any member or protocol state of the Southeast Asia Col- lective Defense Treaty requesting assistance in defense of its freedom.”880 Beide Resolutionen entstanden unter dem Eindruck bewaffneter Angriffe auf Einrichtungen der Vereinigten Staaten bzw. auf das amerikanische Festland. In beiden Fällen war der Kongress nur zu gerne bereit, sei- nen Befugnissen entsprechend, den Präsidenten zur Anwendung militärischer Gewalt zu autori- sieren. Der Unterschied zwischen beiden Resolutionen liegt jedoch im Detail: Der Kongress ent- machtete sich mit der “Tonking-Gulf Resolution” quasi selbst und stellte dem damaligen Präsi- denten Johnson einen Blankoscheck zur Eskalation des Krieges aus. Er stellte dem Präsidenten damit frei, zu entscheiden, wann die Gefährdung der Freiheit vorüber sei.881 Die Resolution nach dem 11. September räumt dem Präsidenten dieses Recht nicht mehr ein. Sie bindet ihn vielmehr an die Regularien der sogenannten “War Powers Resolution”882 vom 7. November 1973, in der

876 Vgl. Woodward: Bush at War..., S. 38, 63, 79 – 80 877 Bush nach Woodward: Bush at War..., S. 38 – 39 878 Joint Resolution S.J. Res. 23 “To authorize the use of United States Armed Forces against those responsible for the recent attacks launched against the United States” vom 14. September 2001; in: http://thomas.loc.gov/cgi- bin/query/C?c107:./temp/~c1076fnn3c (Letzter Zugriff 15. 07. 2008) 879 Joint Resolution of Congress H.J. RES 1445: “Tonking Gulf Resolution”. To Promote the Maintenance of Inter- national Peace and Security in Southeast Asia vom 7. August 1964; in: Gettleman et al.: Vietnam and America..., S. 252 880 Joint Resolution of Congress H.J. RES 1445: “Tonking Gulf Resolution”. To Promote the Maintenance of Inter- national Peace and Security in Southeast Asia vom 7. August 1964; in: Gettleman et al.: Vietnam and America..., S. 252 881 “[...] This resolution shall expire when the President shall determine that the peace and security of the area is reasonably assured by international conditions created by action of the United Nations or otherwise, except that it may be terminated earlier by concurrent resolution of the Congress. [...]” Joint Resolution of Congress H.J. RES 1445: “Tonking Gulf Resolution”. To Promote the Maintenance of International Peace and Security in Southeast Asia vom 7. August 1964; in: Gettleman et al.: Vietnam and America..., S. 252 882 Joint Resolution of Congress H. J. RES. 54 “War Powers Resolution”, vom 7. November 1973; in: http://ww- w.yale.edu/lawweb/avalon/warpower.htm (Letzter Zugriff 15. 07. 2008)

Seite 205 “The Picture Survives” der Kongress, unter dem Eindruck der Machtlosigkeit nach der Verabschiedung der “Tonking- Gulf Resolution”, festgelegt hatte, unter welchen Bedingungen der Präsident den Einsatz militä- rischer Gewalt befehlen kann.

Im Laufe der weiteren Beratungen während der nächsten Tage über die Strategie gegen Afgha- nistan kam auch die Frage auf, ob sich ein ernstgemeinter Krieg gegen den Terror nicht auch frü- her oder später mit dem irakischen Machthaber Saddam Hussein beschäftigen müsse. Schließlich sei – nach den Ereignissen des 11. September – die Gelegenheit gerade günstig, um auch mit die- sem Problem abzuschließen. Ferner sei, so der stellvertretende Verteidigungsminister und auf den Irak kaprizierte neokonservative Falke, Paul Wolfowitz, das Regime des Saddam Hussein ein schwaches Regime, das sicherlich leicht zu stürzen sei. Ein Einsatz in Afghanistan hingegen sei unsicher und würde zu viele Truppen binden.883 Der damalige Außenminister Colin Powell ar- gumentierte auf der Wochenend-Sitzung in Camp-David gegen diese Pläne. Er warnte die Anwe- senden ausdrücklich davor, die gerade erst geschmiedete Koalition gegen den Terror leichtfertig durch einen Angriff auf den Irak aufs Spiel zu setzen.884 Ferner käme ein Angriff auf den Irak zu einem absolut falschen Zeitpunkt, da das amerikanische Volk einen Schlag gegen die Urheber der Attentate des 11. September erwarten und unterstützen würde: “Any action needs public sup- port. It's not just what the international coalition supports; it's what the American people want to support. The American people want us to do something about al Qaeda.”885 Ein Schlag gegen den Irak zu diesem Zeitpunkt würde, so Powell, die Unterstützung durch die Heimatfront ernst- haft gefährden. Wenn die Unterstützung der Heimatfront aber nicht mehr gegeben sei, dann wür- de die amerikanische Regierung Gefahr laufen, einen Krieg zu führen, ohne die notwendige Un- terstützung zu Hause zu haben. Unpopuläre Kriege, das hatten die Erfahrungen während und nach dem Krieg in Vietnam gelehrt, führen auf lange Sicht zu einer Niederlage der USA. Diese Niederlage wird den USA aber von keinem externem Feind beigebracht, sondern von der eige- nen Bevölkerung, die dem Kriegskurs ihres Präsidenten die Gefolgschaft versagt. Hieran zeigt sich exemplarisch die Macht der Öffentlichen Meinung: Sie kann, wenn sie nur stark genug ist, die Politik ganzer Länder ändern. Im Umkehrschluß bedeutet dies aber auch, daß die Angst vor der Reaktion der Öffentlichen Meinung eine Regierung schon von vornherein zu einer anderen, unter Umständen etwas überlegteren und maßvolleren Reaktion bringen kann.

6.2.1 Operation “Enduring Freedom” – Krieg gegen Afghanistan

6.2.1.1 Historischer Kontext

Afghanistan gehört zu den Staaten, die erst durch dramatische Ereignisse weltweit auf sich auf- merksam machen. Ohne die sowjetische Invasion in Afghanistan in den Weihnachtstagen des Jahres 1979 wäre dieses Land heute nur wenigen bekannt. Im Gleichgewicht der Großmächte während des Kalten Krieges spielte Afghanistan bis zu jenen Ereignissen, die schließlich zur In- vasion der UdSSR führen sollten, nur eine Nebenrolle. Um zu verstehen, warum Afghanistan nach dem 11. September 2001 dermaßen stark in den Fokus des amerikanischen Interesses rück- te, soll an dieser Stelle ein kurzer Überblick über die Geschichte Afghanistans im 20. Jahrhun-

883 Vgl. Woodward: Bush at War..., S. 49, 83 884 Vgl. Woodward: Bush at War..., S. 84 885 Powell nach Woodward: Bush at War..., S. 49

Seite 206 “The Picture Survives” dert gegeben werden. Hierbei erscheint eine Aufgliederung in verschiedene Phasen der afghani- schen Geschichte sinnvoll, da sonst bestimmte Entwicklungstendenzen, sowohl innen- als auch außenpolitischer Natur, nicht oder nur teilweise gewürdigt werden können. Gleichzeitig soll aber nicht versucht werden, das gerade in den 1990er Jahren stark verworrene Geflecht unterschiedli- cher Interessen in und an der Region Zentralasien darzustellen. Dies kann im Rahmen der Arbeit nur grob und holzschnittartig geschehen, um den ungefähren Verlauf der Cliveages und Interes- sensverbünde aufzuzeigen.886

6.2.1.2 Afghanistan vor der sowjetischen Invasion

Die afghanische Geschichte ist reich an bewaffneten Auseinandersetzungen und Kämpfen, so daß Afghanistan bis heute den Ruf hat, ein Land der Kämpfer und des Kampfes zu sein887: “Afghanistan's history nagged at the president's advisers. Its geography was forbidding and its record of rebuffing outside forces was real.”888 England als Kolonialmacht des 19. Jahrhunderts mußte diese Erfahrung mehrmals machen. Die Schlacht am Khyber-Pass in den Jahren 1841 – 1842, bei der „eine ganze Armee verloren [ging] – in einer Schlacht mit einem Haufen bewaffne- ter Stammeskrieger“889, dient heute noch als Beispiel für den Kampfesmut, die Zähigkeit und den Durchhaltewillen, aber auch für die Grausamkeit der afghanischen Kämpfer.890

Als im September 1901 Emir Abdur Rachman in Kabul verstarb, verschied nicht nur ein hoher politischer Würdenträger, sondern auch der Gründungsvater des afghanischen Staates. In pausen- losen Feldzügen und, gestützt auf seine Armee und ein landesweit einheitliches Steuerwesen, war es ihm gelungen, in dem von ihm eroberten und beherrschten Gebiet eine gewisse Ruhe zu erreichen und einen bis dahin eher lockeren Verband von Stämmen und regional herrschenden Fürstenhäusern zu einem Gebilde zusammenzufassen, das in etwa einem halbwegs zentral orga- nisierten Staat glich. Daher wagten es weder die Kolonialmacht Großbritannien noch die regio- nale Macht Rußland, als sie begannen, ihre Einflußsphären in Zentralasien abzustecken, die af- ghanische Souveränität ernsthaft in Frage zu stellen. Desweiteren scheuten beide Seiten einen Krieg und beließen es daher lieber beim status quo. Damit war Afghanistan de jure ein souverä-

886 Siehe hierzu ausführlich Schlagintweit, Reinhard: Zwischen Tradition und Fortschritt. Afghanistan als Staat im 20. Jahrhundert; in: Chiari, Bernhard [Hrsg.]: Wegweiser zur Geschichte. Afghanistan; Paderborn, München, Wien, Zürich 2006, S. 32 - 39, im folgenden zitiert als Schlagintweit: Zwischen Tradition und Fortschritt…, siehe auch Leitenberg, Milton: United States Foreign Policy and the Soviet Invasion of Afghanistan; in: Arms Control 7 / 3 / 1986; S. 271 – 294; im folgenden zitiert als Leitenberg: Foreign Policy and the Soviet Invasion..., siehe auch Khan, Rais Ahmad: US policy towards Afghanistan; in: Pakistan Horizon 40 / 1 / 1987; S. 65 – 79, im folgenden zitiert als Kahn: Policy towards Afghanistan..., Gibbs, David N.: Die Hintergründe der sowjeti- schen Invasion in Afghanistan 1979; in: Greiner, Bernd; Müller, Christian Th.; Walter, Dierk [Hrsg.]: Heiße Kriege im Kalten Krieg; Hamburg 2006, S. 291 – 314, hier S. 294, im folgenden zitiert als Gibbs: Hintergründe der sowjetischen Invasion..., 887 Orywal: Krieg und Kampf…, siehe auch Sager, Dirk: Afghanische Alpträume; in: Zweites Deutsches Fernsehen [Hrsg.]: ZDF-Jahrbuch 2001; Mainz 2002, S. 76 – 78, hier S. 76, im folgenden zitiert als Sager: Afghanische Alpträume..., 888 Woodward: Bush at War..., S. 82 889 Doering, Martina: In den Schluchten des Krieges. Die Grenze zwischen Afghanistan und Pakistan verläuft durch eine unwegsame Bergregion. Sie ist schwer zu kontollieren. Das hilft den Taliban sehr; in: Berliner Zeitung, 3. April 2007 890 Zur Kolonialgeschichte Afghanistans siehe Baberowski, Jörg: England und Russland. Afghanistan als Objekt der Fremdherrschaft im 19. Jahrhundert; in: Chiari, Bernhard [Hrsg.]: Wegweiser zur Geschichte. Afghanistan; Paderborn, München, Wien, Zürich 2006, S. 22 – 31, im folgenden zitiert als Baberowski: Afghanistan als Ob- jekt der Fremdherrschaft…,

Seite 207 “The Picture Survives” ner Staat, de facto hingegen war es eher ein Staat von britischen Gnaden oder, drastischer formu- liert, ein britisches Protektorat: So lag die Außenpolitik Afghanistans komplett in britischer Hand, der Königshof sowie auch die Kriegsführung Abdur Rachmans hing am finanziellen Tropf der britischen Kolonialverwaltung in Indien. Die volle Souveränität sollte Afghanistan erst unter dem Enkel Abdur Rachmans, Amanullah, erlangen können.891

Nach dem Tod Abdur Rachmans wurde sein Sohn Habibullah I. König. Unter ihm gewannen die traditionellen Eliten wieder den Einfluß, der ihnen von Abdur Rahman genommen worden war und konnten daher auch wieder Einfluß auf die afghanische Politik ausüben. Habibullah I. starb am 12. Februar 1919 während eines Jagdausfluges durch die Hand eines Mörders. Sein Sohn Amanullah, zu dieser Zeit Gouverneur von Kabul, konnte sich in den Thronstreitigkeiten gegen seinen Onkel Nasrullah durchsetzen. Obwohl der Täter nie gefaßt werden konnte, wird Amanul- lah immer wieder als der Hauptverdächtige genannt.892

Amanullahs Politik verfolgte zwei Ziele: Zum einen wollte er die volle Souveränität Afghanist- ans erreichen, zum anderen seinem Land eine moderne Gestalt geben. Das erste Ziel erreichte er, als er 1919 an der afghanischen Grenze zu Britisch-Indien Truppen aufmarschieren ließ. Die zer- mürbten und kriegsmüden Briten gaben auf und gestanden im August des gleichen Jahres Afgha- nistan die volle Souveränität zu. Im Nachhinein war dies eine Art Vabanquespiel, das Amanullah für sich entscheiden konnte, obwohl seine eigenen Streitkräfte sich als nicht wirklich einsatzfä- hig gegen die britische Armee erwiesen. Sein zweites Ziel, dem Land eine moderne Gestalt zu geben, erreichte Amanullah nicht. Für die Reform Afghanistans hatte sich Amanullah die Ideen des türkischen Staatsgründers Kemal Atatürk zum Vorbild genommen. Nach dessen Idealen wollte er das Land modernisieren. So wollte er, analog zu Atatürk, eine säkulare Ausrichtung des Staates erreichen, die traditionelle Rolle der Frau verändern und eine allgemeine Schulpflicht für beide Geschlechter einführen. Diese, für afghanische Verhältnisse revolutionären, Neuerungen stießen auf den erbitterten Widerstand der Traditionalisten, allen voran der Paschtunen. Amanul- lah hatte bei seinen Reformversuchen übersehen, daß es in den Ländern, die ihm als Vorbild dienten, eine bürgerliche Gesellschaftsschicht gab, die darauf brannte, sich am Gemeinwesen zu beteiligen, und die auch in der Lage war, die Reformen kulturell, intellektuell und finanziell zu unterstützen. All dies gab es in Afghanistan nicht. Hier war der Gegensatz zwischen den wenigen Städten und der Provinz zu groß, zu krass und zu spannungsreich – ein Problem, mit dem sich auch heute noch die afghanische Regierung und damit die internationale Gemeinschaft täglich befassen muß. So griffen diese Reformen niemals wirklich über die Städte hinaus. Auf dem Land führten die Reformversuche zu heftigem Widerstand der traditionell eingestellten Bevölkerung, mußte sie doch diese Reformagenda als Angriff auf ihre angestammte Lebensweise betrachten.

Amanullas persönliche Ideologie, er sah sich als weltlicher Herrscher, der im Dienste der afgha- nischen Nation stand, tat hierbei ein übriges, da die meisten Afghanen mehr in ihrem Stammes- system als in einem, wie auch immer gearteten, Staat verwurzelt waren. Als Amanullah in den Jahren 1927 / 1928 zu einer ausdehnten Europareise aufbrach, läutete dies den Anfang von einem Ende ein. Nicht nur, daß eine gegen ihn gerichtete Propaganda die Gerüchte streute, er habe auf seiner Reise Alkohol und Schweinefleisch zu sich genommen und sei nach einer Audienz beim Papst zum Christentum konvertiert, auch seine modernen Ideen stießen die traditionelle afghani- sche Gesellschaft vor den Kopf. 1928 eröffnete er den sicherlich vollkommen verblüfften Dele- gierten der loya jirga, daß von nun an in Kabul westliche Kleidung zu tragen sei, desweiteren sei 891 Vgl. Schetter, Conrad: Kleine Geschichte Afghanistans; München 20072, S. 69 – 72, im folgenden zitiert als Schetter: Geschichte Afghanistans…, ferner Schlagintweit: Zwischen Tradition und Fortschritt…, S. 32 892 Vgl. Schetter: Geschichte Afghanistans…, S. 73

Seite 208 “The Picture Survives” damit die Verschleierung der Frau und die Polygamie abgeschafft. So kam es überall im Land zu Rebellionen paschtunischer Stämme. Die Hauptstadt Kabul selbst wurde von tadschikischen Mi- lizen eingenommen. Ihr Anführer, übrigens ein Analphabet, ließ sich als Habibullah II. zum Kö- nig ausrufen. Amanullah blieben damit nur die Flucht und der Weg ins Exil nach Rom. Da Habi- bullah II. von der Bevölkerung in allererster Linie als das geringere Übel als Amanullah gesehen wurde, konnte er zunächst die Macht an sich reißen und ausüben. Sein Regierungsstil erwies sich jedoch schon nach kurzer Zeit als völlig chaotisch und ineffizient. Da es ihm nicht gelang Steu- ern einzutreiben, war die Staatskasse bald vollkommen leer. Daraufhin begannen Habibullahs Spießgesellen – die Bezeichnung Anhänger scheint bei deren Aktionen zu verharmlosend – die Bevölkerung Kabuls auszurauben. Alle diese Vorgänge, aber auch die Tatsache, daß er aus einer niederen tadschikischen Familie stammte, brachten die Paschtunen endgültig gegen ihn auf. Die- ser landesweite Aufstand konnte erst beendet werden, als General Nadir Khan, ein Abkömmling der Familie Amanullahs, begann, militärisch gegen die Aufständischen vorzugehen. Habibullah II. wurde gestürzt und Nadir Khan bestieg als Nadir Schah im Jahre 1930 selbst den Thron.893

Die beiden Nachfolger Amanullahs, König Nadir Schah und König Zahir Schah, hatten ihre Lek- tionen gelernt. Nadir Schah hob die meisten Reformen Amanullahs auf und stellte die Befugnisse der örtlichen und religiösen Führer wieder her. Die allgemeine Gleichheit vor dem Gesetz und die Schulpflicht für Jungen behielt er – mit Ausnahme der paschtunischen Stämme, die davon befreit waren – jedoch bei. Dieses Nachgeben des Zentralstaates gegenüber der Provinz hatte nicht, wie eigentlich zu erwarten war, eine Schwächung des Zentralstaates zur Folge. Im Gegen- teil, der gesamte Staat ging daraus gestärkt hervor, was sich wiederum positiv auf die Macht der Zentralregierung in Kabul auswirkte. So konnte Kabul nun Gouverneure und Bürgermeister er- nennen, ohne auf unüberwindbaren Widerstand zu stoßen. Die Regierung konnte nun auch be- scheidene Infrastrukturmaßnahmen, wie etwa den Bau von Überland-Wüstenpisten und Schulen, einleiten. Im Gegensatz zu Amanullah, der in der loya jirga einen Anachronismus gesehen hatte, mit dem man sich der Not gehorchend arrangieren mußte, wertete Nadir Schah diese erheblich auf: Sie war nun die höchste politische Instanz, in der alle wichtigen Entscheidungen getroffen wurden. Diese Maßnahme änderten jedoch an der Gesamtsituation wenig bis gar nichts: An dem Befund, daß Afghanistan ein bitterarmes, massiv unterentwickeltes Land war, hatte sich auch durch diese Maßnahmen nichts geändert. Die staatliche Wirtschaftspolitik bestand hauptsächlich darin, Steuern zu erheben. Mit dem Geld wurden zum einen das Staatswesen am Laufen gehalten und zum anderen eine Ringstraße, die alle wichtigen Städte Afghanistan miteinander verband, sowie eine Baumwollfabrik gebaut. Nadir Schah starb in November 1933 durch ein Attentat.894

Außenpolitisch stellte sich die Lage in den Jahren zwischen 1930 und 1945 wesentlich positiver dar. Durch die Verleihung der vollen Souveränität war der afghanischen Regierung ein Hand- lungsspielraum erwachsen, den sie nutzen konnte: So suchte Kabul in jenen Jahren die Nähe zu den Achsenmächten auf der einen und zu den USA auf der anderen Seite. Die Hinwendung Deutschlands hatte, nebenbei bemerkt ,noch eine ganz kuriose Folge: Auf diesem Wege gelang- ten die nationalsozialistischen Ideologien, allen voran die NS-Rassenideologie, nach Afghanis- tan. Dies hatte zur Folge, daß die diversen Rasseexperten die Afghanen, aufgrund der räumlichen

893 Vgl. Thayer, Charles W.: Bären im Kaviar. Was man als Diplomat in Rußland erleben kann; München 1973, S. 12, im folgenden zitier als Thayer: Bären im Kaviar…,. Thayer war 1942 – 1943 Geschäftsträger der amerikani- schen Botschaft in Kabul. Siehe auch Schetter: Geschichte Afghanistans…, S. 73 – 78; Schlagintweit: Zwischen Tradition und Fortschritt…, S. 32 – 33; 894 Vgl. Thayer: Bären im Kaviar…, S. 194 – 195; Schlagintweit: Zwischen Tradition und Fortschritt…, S. 33 – 34; Schetter: Geschichte Afghanistans…, S. 79 – 84

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Übereinstimmung mit Aryana zu „eigentlichen Ariern“ erhoben.895 Nach Ende des Zweiten Welt- krieges und nach dem Ausbruch des Kalten Krieges schloß sich Afghanistan der Bewegung der Blockfreien Staaten an. Auch wenn Afghanistan im Kalten Krieg vorerst nur einen Nebenrolle spielen sollte, so verstand es die Regierung in Kabul, so geschickt zwischen beiden großen Machtblöcken zu lavieren, daß beide Seiten großzügig Entwicklungshilfe leisteten.

Diese Entwicklungshilfe war allerdings nicht – wie heute allgemein üblich – als „Hilfe zur Selbsthilfe“ zu verstehen. Das Gegenteil war der Fall: Neben Straßen bauten die USA und Deutschland vor allem Kraftwerke und Fabriken, während die UdSSR sich auf die personelle und materielle Modernisierung der afghanischen Streitkräfte konzentrierte. Diese Art von Ent- wicklungshilfe produzierte eine Art „Wohlstandblase“, die dem Land einen kleinen Aufschwung und eine Stabilisierung der innenpolitischen Lage brachten. Problematisch daran war aber, daß ca. 40% der öffentlichen Ausgaben direkt von den ausländischen Entwicklungshilfemillionen ge- deckt wurden. Die von den ausländischen Mächten angestoßenen Großprojekte waren, anstatt daß sie Gewinn abwarfen, ebenfalls auf Unterstützung durch den Staatshaushalt angewiesen. Ferner bestand ein Teil der Entwicklungshilfe aus günstigen Krediten, die aber irgendwann auch zurückgezahlt werden mußten. Weite Teile des Landes wie auch weite Teile der Bevölkerung profitierten überhaupt nicht von den Enwicklungshilfegeldern. So begann diese Wohlstandblase gegen Ende der 60er Jahre langsam zu zerplatzen: Die Wirtschaft stagnierte, der Staatshaushalt schrumpfte immer weiter.896

Diese wirtschaftliche Stagnation bzw. Rezession hatte natürlich auch Auswirkungen auf die in- nenpolitische Lage: Im Land begann es langsam, aber sicher zu gären. 1964 hatte Zahir Schah ein Verfassung erlassen, die in ihren Grundzügen demokratisch und liberal angelegt war. So hat- ten beispielsweise alle Männer das Wahlrecht, sowohl das aktive als auch das passive. Auch wenn ein Bürgerlicher Ministerpräsident wurde, die Macht lag nach wie vor beim König. In die- ser Verfassung war die Frage, wer an der „politischen Willensbildung des Volkes“897 mitwirken durfte, nicht geregelt. Es gab zwar Abgeordnete, die aber keiner Partei angehörten, da die Grün- dung von Parteien nicht in der Verfassung vorgesehen war. Das Parlament hatte zwar ein Partei- engesetz verabschiedet, das aber vom König nie gegengezeichnet wurde. Dies hatte konkret zwei Folgen, die gleichzeitig das Vertrauen in den Staat massiv erschütterten: Zum einen achteten die Abgeordneten stark auf ihren persönlichen Vorteil und kaum – was ja noch einigermaßen ehren- haft gewesen wäre – auf das Wohl ihres eigenen Stammes oder Dorfes. Zum anderen stritten die Abgeordneten im Parlament um Kleinigkeiten, die aber vollkommen an den Sorgen und Nöten der Menschen auf der Straße vorbeigingen. Gleichzeitig bildeten sich im Untergrund, da Parteien offiziell verboten waren, politische Gruppierungen, die aber vorerst nur auf die Hauptstadt Ka- bul, wo neben dem politischen auch das religiöse und wissenschaftliche Zentrum des Landes war, beschränkt waren. Bei dieser Art politisch aktiver Bürger handelte es sich zumeist um Schü- ler und Studenten, die in der Hauptstadt studieren durften und die durch die neue Verfassung ge- währte Freiheit nutzen wollten, das Land voranzubringen. Es sind hierbei zwei Gruppen zu nen- nen, die politisch besonders aktiv waren, gleichzeitig handelt es sich um die beiden äußersten

895 Vgl. Westad, Odd Arne: Prelude to Invasion. The Soviet Union and the Afghan Communists, 1978 - 1979; in: International History Review 16 / 1 / 1994; S. 49 – 69, hier S. 50 – 51, im folgenden zitiert als Westad: Prelude to Invasion...,; Kahn: Policy towards Afghanistan..., S. 65; siehe hierzu auch Thayer: Bären im Kaviar…, S. 192 – 215; Schetter: Geschichte Afghanistans…, S. 84 896 Vgl. Kahn: Policy towards Afghanistan..., S. 65 – 66; Schlagintweit: Zwischen Tradition und Fortschritt…, S. 34 – 35; Borer, Douglas A.: Superpowers Defeated. Vietnam and Afghanistan Compared; London 1999, S. 117, im folgenden zitiert als Borer: Superpowers..., 897 Vgl. Art. 21, Abs. 1 GG

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Positionen innerhalb des politischen Spektrums: Kommunisten und Islamisten. Die Anhänger der Kommunisten wurden über die sowjetische Botschaft in Kabul direkt von Moskau unterstützt, während die Islamisten Kontakt zu Saudi-Arabien und dem Nachbarland Pakistan hielten.898

Der revolutionäre Impetus dieser Gruppen hatte zur Folge, daß die Kritik an den korrupten Ver- hältnissen und den ineffizienten, vollkommen überteuerten Großprojekten der Entwicklungshilfe immer weiter wuchs. Gleichzeitig ließ der Geldsegen aus den Mitteln für Entwicklungshilfe nach, die Wohlstandblase platzte in dem Moment endgültig, als die allgemeinen Verbraucherprei- se anstiegen. Die Symptome einer allgemeinen Krise wurden nun überall sichtbar: In den Jahren zwischen 1969 und 1971 wurde Afghanistan von einer Dürreperiode heimgesucht, die Staatsfüh- rung begann durch ein dilettantisches und miserables Krisenmanagement – trotz internationaler Hilfe verhungerten ca. 100.000 Afghanen – sich selbst zu demontieren. Aber nicht nur die Staats- führung stand massiv in der Kritik, auch König Zahir Schah, der bisher nie öffentlich angegriffen worden war, wurde nun heftig kritisiert. In dieser Situation putschte am 17. Juli 1973 Prinz Daud, der schon in den Jahren 1953 – 1963 als Premierminister regiert hatte, gegen seinen Vetter und Schwager, den König, der zu dieser Zeit – praktischerweise – im Ausland weilte. Daud schaffte die Monarchie ab und rief die „Republik Afghanistan“ aus. Seine Machtbasis bildeten in der UdSSR ausgebildete Offiziere und Mitglieder der afghanischen Kommunistischen Partei. Trotz der Tatsache, daß die Unterstützung für diesen Staatsstreich aus den Reihen der Kommu- nistischen Partei kam, war sich die CIA in ihrer Lagebeurteilung nach dem Putsch sicher, daß

„[...] die Machtergreifung durch Daud die sowjetische Position in Kabul nur unwesentlich gestärkt haben [dürfte]. Es gibt Gerüchte, die Sowjets hätten von seinen Plänen zum Sturz des Königs gewußt [...] Aber nichts weist darauf hin, daß sie den Putsch angestiftet oder aktiv daran beteiligt waren. [...]“899 Die Ausrufung der Republik hatte aber nichts mit der Einführung von demokratischen Prinzipien zu tun. Die Regierungsform, die Daud einführte, glich eher einer autoritären Herrschaft, denn ei- ner Demokratie. Dies zeigte sich auch daran, daß Daud in Personalunion Präsident, Premiermi- nister, Außenminister und Verteidigungsminister war. Die traditionelle sowie die islamische Elite ließ Daud teilweise blutigst verfolgen. Als er versuchte, die traditionellen Eigentumsverhältnisse durch eine Landreform zu verändern und neue Ideen und Organisationsformen in die Dörfer Af- ghanistans zu tragen, schlug ihm heftiger, teilweise sogar gewaltätiger Widerstand entgegen. Dieser ging soweit, daß die Beamten und Lehrer, die in die Dörfer entsandt wurden, um diese Ideen zu lehren und durchzusetzen, erschlagen wurden. 1978 wurde offensichtlich, daß nicht mehr Daud über das Land und die Kommunisten regierte, sondern sie über ihn. Daud wollte sei- ne Macht mit einem politischen Schwenk in Richtung Westen retten, doch für einen Schachzug dieser Größenordnung war es schon zu spät. So bot ihm der persische Schah, selbst bedrängt durch innenpolitische Probleme, Entwicklungshilfe im Wert von zwei Milliarden US-Dollar an. Gleichzeitig kühlte sich das Verhältnis zu Moskau merklich ab, bis es 1977 zum Eklat kam: Daud weilte zu einem Staatsbesuch in Moskau. Als Brežnev über eine Erhöhung der sowjeti- schen Militärberater in Afghanistan sprechen wollte, brach Daud die Sitzung verärgert ab. Nor- malerweise hätte dies den Sturz des sich dermaßen unbotmäßig verhaltenden Günstlings zur Fol- ge gehabt. In diesem Falle kam es jedoch nicht zum Sturz Dauds. Offenbar hatte man in Moskau eingesehen, daß Afghanistan noch zu rückständig war, als daß die Voraussetzungen für eine so- zialistische Revolution gegeben seien. Ein Agent des KGB formulierte diese Erkenntnis so: „Wenn es ein Land in der Welt gibt, wo wir nicht den wissenschaftlichen Sozialismus einführen

898 Vgl. Borer: Superpowers..., S. 118; Schlagintweit: Zwischen Tradition und Fortschritt…, S. 35 – 36 899 Zitiert nach Gibbs: Hintergründe der sowjetischen Invasion..., S. 297

Seite 211 “The Picture Survives” wollten, dann ist es Afghanistan.“900 Damit wurde eine sich immer schneller drehende Spirale politischer Gewalt in Gang gesetzt: Im April 1978 stürmten Anhänger der Demokratischen Volkspartei Afghanistans (DVPA) und Truppen den Präsidentenpalast, ermordeten Daud und machten Mohammed Taraki zum neuen Regierungschef. Moskau wurde von diesem coup d'etat vollkommen überrascht, da man weder einen Sturz Dauds geplant hatte, noch über eine solche Planung informiert worden war. Die Schockwellen dieser sogenannten „Saur-Revolution“ liefen bald im ganzen Land um, insgesamt soll dieser Putsch etwa 2000 Menschen das Leben gekostet haben.901

Verschlimmert wurde die Situation durch heftige Flügelkämpfe innerhalb der kommunistischen Partei, wobei die Zusammensetzung der Flügel in etwa die ethnische Zusammensetzung des Lan- des widerspiegelte. Der Zwist konnte erst durch die Ermordung Tarakis im Oktober 1979 gelöst werden. Die beiden Flügel „khalq“ (Volk) und „parcham“ (Fahne, Banner) waren nicht nur durch die üblichen afghanischen Gegensätze – Land (khalq) gegen Stadt (parcham) – sondern auch durch die Auffassung, auf welche Art und Weise die sozialistische Revolution in Afghanis- tan umgesetzt werden könne, unterschiedlich. Khalq, unter der Führung von Mohammed Taraki und Hafizullah Amin, wollte den radikalen Umbruch der bestehenden Verhältnisse, während par- cham, unter der Führung von Babrak Karmal, auf den langsamen, aber stetigen Wandel setzte, weshalb parcham in der Anfangszeit der DVPA auch als „Königliche Kommunistische Partei“902 bespöttelt wurde. In den ersten Wochen nach dem Umsturz regierten beiden Flüge unter der Füh- rung von Taraki gemeinsam. Karmal und Amin waren seine Vizepräsidenten. Bereits nach 6 Wo- chen gelang es dem khalq-Flügel, parcham aus der Regierung zu drängen. Karmal wurde als Botschafter Afghanistans nach Prag weggelobt. In der nun folgenden Alleinregierung der khalq stellte sich immer mehr, sehr zum Verdruß Moskaus, heraus, daß nicht Taraki, sondern Amin der eigentlich starke Mann in der khalq und in der Regierung war. So befehligte er bereits im Som- mer 1978 die Sicherheitskräfte und war zudem der alleinige Vizepräsident.903

Die in der Alleinregierung von khalq verfolgte Politik entpuppte sich schnell als eine Mischung von, die Wirklichkeit verkennenden, radikalen Reformen und, an die “Killing Fields” der Khmer Rouge erinnernden, Maßnahmen gegen die traditionelle Elite und Intelligenz. Die Maßnahmen, die eingeleitet wurden, um das Land voranzubringen, scheinen teilweise direkt aus dem Univer- salhandbuch des sozialistischen Revolutionärs entnommen worden zu sein. So versuchte man eine Landreform durchzuführen, um die vermeintlich ausgebeuteten Bauern zu befreien. Da es aber in Afghanistan kaum Großgrundbesitz, auf den die kommunistische Rhetorik von Feudal- herrentum passen konnte, gab, und es den Pächtern nicht um Befreiung oder gar mehr Bodenbe- sitz, sondern um Verbesserung der Pachtverhältnisse ging, war diese Landreform quasi von Be- ginn an eine Totgeburt, die aber erhebliches Konfliktpotential in sich barg. Diese, vollkommen an der Lebenswirklichkeit der meisten Afghanen vorbeigehende, Politik erstaunt umso mehr, als gerade die Wurzeln des khalq in den ländlichen Gebieten Afghanistans lagen und auch ihre meis-

900 Zitiert nach Schetter: Geschichte Afghanistans…, S. 94 901 Vgl. Kahn: Policy towards Afghanistan..., S. 67 – 68; Borer: Superpowers..., S. 117 – 119, 124 – 127; Schetter: Geschichte Afghanistans…, S. 92 – 95; Schlagintweit: Zwischen Tradition und Fortschritt…, S. 36 – 37; Chia- ri, Bernhard: Der sowjetische Einmarsch in Afghanistan und die Besatzung von 1979 bis 1989; in: Chiari, Bern- hard [Hrsg.]: Wegweiser zur Geschichte. Afghanistan; Paderborn, München, Wien, Zürich 2006, S. 50 – 61, hier S. 53, im folgenden zitiert als Chiari: Der sowjetische Einmarsch…, 902 Schetter: Geschichte Afghanistans…, S. 90 903 Vgl. DECREE of the Secretariat of the CC CPSU - An Appeal to the Leaders of the PDPA Groups “Parcham” and “Khalq”, 08 January 1974; Entscheidung des Politbüros der ZK der KPdSU mit Berichten von Gromyko, Ustinov und Tsvigun, 15. September 1979; siehe auch Schetter: Geschichte Afghanistans…, S. S. 90 – 92, 96; Chiari: Der sowjetische Einmarsch…, S. 52; Westad: Prelude to Invasion..., S. 51 – 53

Seite 212 “The Picture Survives” ten Mitglieder in diesen Gebieten rekrutiert hatte. Auch im Bestreben, die Alphabetisierungsrate des Landes zu verbessern, zeigte sich die wenig glückliche Hand bei der Umsetzung dieses Vor- habens. Bildung im Allgemeinen wurde zwar in Afghanistan generell positiv gesehen, doch war es hier die Art und Weise, wie dieses Ziel erreicht werden sollte, die den Unmut und den Wider- stand der Bevölkerung heraufbeschwor. In den Dörfern wurde nämlich jeder, nicht nur die Kin- der, in den Unterricht gepresst, hinzu kam noch, daß man, den modernen Erkenntnissen der Bil- dungsforschung folgend, nicht nach Geschlechtern getrennt unterrichtete. Auch das Auftreten der Lehrer, ganz vom revolutionären Geist erfüllt glich ihr Unterricht oftmals eher einer Indoktrinati- on, erregte den Zorn der Bevölkerung.904

6.2.1.3 Die sowjetische Invasion in Afghanistan

Überall brachen teilweise schwere Kämpfe zwischen den Regierungstruppen und islamischen Kräften aus. Die islamischen Milizen konnten sich auf weite Teile der Bevölkerung stützen und gewannen so immer mehr an Boden. In diesem Klima der politischen Gewalt kam es im März 1979 in der Stadt Herat zu einem Aufstand, bei dem sich die Bewohner der Stadt, Guerillakämp- fer und Truppen der lokalen Garnison, vier Tage lang heftige und blutige Gefechte mit den Trup- pen der Regierung lieferten. Die Ereignisse in Herat kosteten vermutlich 20.000 Menschen das Leben, unter ihnen befanden auch ca. 100 sowjetische Entwicklungshelfer. Tarakis Regierung er- wies sich als unfähig, der Revolten Herr zu werden, und bat in regelmäßigen Abständen in Mos- kau um Hilfe.905 Moskau sah sich nun mit einer Situation konfrontiert, die man so nicht voraus- gesehen hatte und in die man sich durch seine bisherige Außenpolitik so tief verstrickt hatte, daß man unmöglich, ohne großen Schaden anzurichten, aus dieser afghanischen Angelegenheit her- auskam. Auf der einen Seite stand Brežnevs Doktrin von der Unumkehrbarkeit eines revolutio- nären Prozesses und das Selbstverständnis als Hort der Weltrevolution, die eine Unterstützung von khalq gewissermaßen zur Verpflichtung machte, verbunden mit der Angst vor dem, was pas- sieren würde, wenn die UdSSR Afghanistan im Stich lassen würden. Diese Angst bezog sich so- wohl auf Afghanistan selbst als auch auf die Reaktion der Verbündeten. Daher schloß man im Dezember 1978 einen Friedens- und Freundschaftsvertrag mit Afghanistan, der allerdings keine automatische Beistandsklausel, analog zu Kapitel 5 des NATO-Vertrages906, enthielt. Auf der an- deren Seite stand man in Moskau den Genossen in Afghanistan zumindest etwas skeptisch ge- genüber und sah vor allem in Amin einen unsicheren und noch weniger berechenbaren Partner. Dieses gestörte Verhältnis zu Amin basierte wohl auf Gegenseitigkeit. Moskau hatte im Vorfeld alles getan, um zu verhindern, daß ausgerechnet Amin in eine Position kam, in der er zuviel Macht bekam, war doch seine Amtsführung als Außenminister während der Ereignisse in Herat alles andere als glücklich gewesen.907

Das ZK der KpdSU beriet seit dem Frühjahr 1979 regelmäßig, wie mit der Situation in Afghanis- tan umzugehen sei. Gleichzeitig führten im Zeitraum April bis August mehrere Teams Erkundun- gen in Afghanistan durch. Im August plädierte dann der oberste russische Militärberater in Af-

904 Vgl. Schetter: Geschichte Afghanistans…, S. 97 – 98; Schlagintweit: Zwischen Tradition und Fortschritt…, S. 36 905 Tagungsprotokoll der außerordentlichen Sitzung des ZK-KpdSU vom 17. 03. 1979; siehe auch Schetter: Geschichte Afghanistans…, S. 98 906 Vgl. http://www.nato.int/docu/basictxt/treaty.htm 907 Vgl. Vgl. Grau, Lester W.; Nawroz, Mohammed Yahya: The Soviet Experience in Afghanistan; in: Military Re- view 75 / 5 / 1995; S. 17 – 27, hier S. 18, im folgenden zitiert als Grau; Nawroz: Soviet Experience in Afghanis- tan...,; Borer: Superpowers..., S. 130; Schetter: Geschichte Afghanistans…, S. 98 – 99

Seite 213 “The Picture Survives” ghanistan, Generalleutnant Gerelov, gegen die weitere Entsendung von Militärberatern und Ma- terial nach Afghanistan. Zwischen August und Oktober führte General Ivan G. Pavlovskii, in Personalunion stellvertretender Verteidigungsminister und Kommandeur der sowjetischen Land- streitkräfte sowie vermutlich verantwortlich für die Planung der sowjetischen Invasion in der CSSR 1968, eine weitere Erkundungsmission durch. Er empfahl vermutlich, daß die Sowjetuni- on in Afghanistan nicht weiter aktiv bleiben solle, da das bisherige Engagement keinerlei klare militärische Mission gehabt habe.908 Gleichzeitig lehnte er aber Amins, schon wiederholt vorge- tragenes, Ansinnen ab, Truppen der UdSSR in Kabul zu stationieren, um ungefähr zwei afghani- sche Divisionen der Kabuler Garnison zur Unterstützung im Kampf gegen die Aufständischen freistellen zu können, da dies nur zu weiterer amerikanischer Unterstützung der gegnerischen Kräfte führen würde.909

Gleichzeitig zeigte sich immer mehr, daß mit Amin keine Zusammenarbeit über das bisher beste- hende Maß hinaus möglich war. Das Politbüro kam zu der Erkenntnis, daß Amin vom Zentrum der Macht in Zukunft ferngehalten werden müsse, da die Rivalität zwischen Amin und Taraki, trotz mehrfacher verhallter Appelle, ihre persönlichen Reibereien zugunsten Afghanistans in den Hintergrund zu stellen, immer weiter zunehme. Als Taraki, von Havanna kommend, am 10. Sep- tember in Moskau Station machte, wurde er von Brežnev angewiesen, Amin kaltzustellen.910 Gleich nach Tarakis Rückkehr nach Kabul kam es am 14. September zum großen Finale, das aber ganz anders endete, als sich Brežnev das vorgestellt haben mochte: Ein Gesprächstermin zwischen Taraki, Amin und dem sowjetischen Botschafter endete in einem heftigen Feuerge- fecht. Amin ging als Sieger aus diesem Gefecht hervor und eroberte, unterstützt durch Einheiten der Sicherheitskräfte, den Präsidentenpalast. Taraki wurde – die wütenden Proteste des KGB und der sowjetischen Botschaft verhallten ungehört – am 16. September seiner Ämter enthoben. Amin ernannte sich selbst zum neuen Generalsekretär. Am 10. Oktober wurde Taraki in seinem Haus erwürgt aufgefunden.911 Der neue Präsident, Hafizullah Amin, plante, obwohl Kommunist, analog zu Daud einen Wechsel der Außenpolitik, weg von engen Verbindungen zur UdSSR hin zu den USA und Pakistan.912 Dieser Kurswechel mußte in Moskau alle Alarmsirenen schrillen lassen, konnte man doch hier seine Einschätzung, daß Amin unberechenbar sei, bestätigt sehen. Ferner sah man seit den Ereignissen des April 1978 Afghanistan als Teil der sowjetischen Ein- flußsphäre an. Der Verlust eines Verbündeten und die dadurch offen liegende Südflanke der UdSSR – neben dem gerade erst zur „Islamischen Republik“ gewordenen Iran erschien ein zwei- ter islamistischer Staat an der Südgrenze der UdSSR eine zu große Gefahr zu sein. Die Angst,

908 Bericht des sowjetischen Verteidigungsministers Ustinov an das ZK der KPdSU über die Afghanistan-Mission des stellvertretenden Verteidigungsministers, Armeegeneral I. G. Pavlovskii vom 5. November 1979, in: CWIHP [Hrsg.]: Documents on the Soviet Invasion of Afghanistan (e-Dossier (4)), S. 53; vgl. Schetter: Geschichte Afghanistans…, S. 99; Borer: Superpowers..., S. 130 909 Gesprächsnotiz einer Unterredung zwischen dem sowjetischen Botschafter in Afghanistan, A. M. Puzahnov, und Hafizullah Amin vom 21. Juli 1979, in: CWIHP [Hrsg.]: Documents on the Soviet Invasion of Afghanistan (e- Dossier (4)), S. 48; Gesprächsnotiz einer Unterredung des Kommandeurs der sowjetischen Militärberatergruppe in Afghanistan, Generalleutnant Gerolov, mit Hafizullah Amin vom 11. August 1979, in: CWIHP [Hrsg.]: Docu- ments on the Soviet Invasion of Afghanistan (e-Dossier (4)), S. 48 – 49; Bericht des stellvertretenden sowjeti- schen Verteidigungministers General Ivan Pavlovskii während seines Besuchs in Afghanistan, 25. August 1979, in: CWIHP [Hrsg.]: Documents on the Soviet Invasion of Afghanistan (e-Dossier (4)), S. 49 910 Siehe unter anderem Entscheidung des Politbüros des ZK der KPdSU (Auszüge) vom 13. September 1979, in: CWIHP [Hrsg.]: Documents on the Soviet Invasion of Afghanistan (e-Dossier (4)), S. 49 911 Vgl. Schetter: Geschichte Afghanistans…, S. 99 912 Persönliches Memorandum, Andropov an Brežnev, o.D. (Anfang Dezember 1979?), in: CWIHP [Hrsg.]: Docu- ments on the Soviet Invasion of Afghanistan (e-Dossier (4)), S. 54 – 55; vgl. Schetter: Geschichte Afgh- anistans…, S. 99 – 100; Schlagintweit: Zwischen Tradition und Fortschritt…, S. 36 – 37; Westad: Prelude to In- vasion..., S. 63

Seite 214 “The Picture Survives” daß die Muslime in den angrenzenden Sowjetrepubliken ebenfalls radikal werden könnten, for- cierten wohl die Gedanken an eine militärische Invasion in Afghanistan zur Erhaltung bzw. Wie- derherstellung des status quo ante. Den Entschluß zur Intervention dürfte auch die Tatsache be- fördert haben, daß gemäß Brežnevs Doktrin ein sozialistischer Staat immer sozialistisch bleiben müsse, und dieser Prozeß nicht umkehrbar sei.913

Die Invasion erfolgte über die Weihnachtstage 1979. Sie wurde so rasch und zügig durchgeführt, daß der Westen, als er nach Weihnachten aus der Feiertagsträgheit erwachte, erstmal Mühe hatte, festzustellen, was über- haupt geschehen war. Es stand nämlich lange Zeit fest, daß sich etwas er- eignet hatte, man wußte nur nicht genau was. Ebenso erging es den Kandidaten für das Polit- büro – auch sie erfuhren erst aus der Zeitung von der Invasion. Der Opera- tionsplan, es handelte sich um die größte Ope- ration der Sowjetarmee nach dem Zweiten Welt- krieg, war vergleichswei- se einfach konzipiert und basierte zum einen auf der Mitwirkung der schon in Afghanistan sta- Abbildung 49: Schlagzeilen ausgewählter Tageszeitungen vom 27. bis zum 31. Dezember 1979 tionierten Truppenteile und zum anderen auf den besonderen infrastrukturell-geographischen Be- sonderheiten Afghanistans, die versprachen, die Operationen zur Besetzung und Befriedung des Landes schnell abschließen zu können. Der Ablauf der Operation war, im Vergleich zu den müh- seligen Versuchen der späteren Jahre, Herr der Lage zu bleiben, eigentlich unkompliziert. Seit dem 24. Dezember wurden aus der ganzen Sowjetunion Truppen über eine Luftbrücke nach Ka- bul verlegt – die Einrichtung und Aufrechterhaltung dieser Luftbrücke war wohl der komplizier- teste Teil der Operation. In Kabul landeten die Flugzeuge auf dem Flughafen, auf dem zu diesem Zeitpunkt schon sowjetische Truppen, die man in den chaotischen Monaten seit März 1979 zur Unterstützung des Regimes nach Afghanistan entsandt hatte, stationiert waren. Daher verlief die Luftbrücke auch ohne Zwischenfälle. Gleichzeitig hatten die sowjetischen Militärberater damit begonnen, afghanische Ausrüstung unbrauchbar zu machen, die Waffenkammern unter ihre Kon- trolle zubringen und somit relativ einfach verhindert, daß die Garnisonen von Kabul in Aktion treten konnten. Danach begann der Vormarsch in die Stadt. Welche Truppenteile daran beteiligt waren, ist nicht mit letzter Sicherheit zu klären, da sich die Literatur hier widerspricht: Fest steht lediglich, daß nur Luftlandetruppen über die, für eine solche Operation notwendige, Ausrüstung verfügten. Daher kommen lediglich die 103. oder die 105. Garde-Luftlandedivision in Frage.914

913 Vgl. Schetter: Geschichte Afghanistans…, S. 100; Chiari: Der sowjetische Einmarsch…, S. 54; Schlagintweit: Zwischen Tradition und Fortschritt…, S. 37; Borer: Superpowers..., S. 133 – 138 914 Vgl. Grau; Nawroz: Soviet Experience in Afghanistan..., S. 18; Sietz, Henning: Der Krieg, der nicht zu gewin- nen war. Die Intervention der Sowjets in Afghanistan 1979 führte ins totale Desaster; in: Die Zeit 40 / 2001 http://www.zeit.de/zeitlaeufte/sietz_afghanistan (Letzter Zugriff 15. 07. 2008); Borer: Superpowers..., S. 132;

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Abbildung 50: Afghanistan unter sowjetischer Besatzung, 1979 – 1989

Entnommen aus Chiari: Der sowjetische Einmarsch…, S. 59 Nachdem Kabul am Abend des 27. Dezembers eingenommen worden war, rückten weitere Ver- bände (5. und 108. mot. Schützendivision) über den Landweg nach Afghanistan ein. Von Mazar- e-Scharif und Kundus aus stießen diese Verbände über den Salang-Paß, der zuvor von Fall- schirmjägern und Spetsnaz-Einheiten915 gesichert worden war, nach Kabul vor. Von Kabul aus rückten diese Verbände dann, unter Nutzung der Ringstraße, in alle größeren Städte Afghanistans ein. In einigen Städten trafen die vorrückenden Truppen zwar auf leichten Widerstand seitens af- ghanischer Verbände, konnten diesen aber meistens schnell überwinden. So gelang es, innerhalb weniger Wochen 85.000 Soldaten der Roten Armee in Afghanistan zu stationieren.916 Das Haupt- ziel dieser Operation war, Afghanistan zu befrieden, indem die Hauptstraßen, die wichtigsten Städte, die Luftwaffenbasen und Logistikstandorte unter sowjetische Kontrolle gestellt wurden. Ferner sollte die afghanische Armee durch den Einmarsch in die Lage versetzt werden, nun frei- werdende Einheiten im Kampf gegen die Aufständischen einzusetzen. Die Rote Armee sollte die afghanische Armee in den Bereichen Luftwaffe, Artillerie, Logistik und Geheimdienstinforma- tionen unterstützen. Dabei sollten die Streitkräfte der Sowjetarmee möglichst wenig Kontakt zur indigenen Bevölkerung herstellen. Desweiteren sollten die afghanischen Streitkräfte gestärkt und so in die Lage versetzt werden, das Land zu stabilisieren, damit die Rote Armee schnellstmöglich wieder abziehen könne.917

Chiari: Der sowjetische Einmarsch…, S. 50; Buch: Geschichte der Luftlandetruppen…, S. 123 915 Spetznas-Einheiten sind Spezialeinheiten der Roten Armee und mit den amerikanischen Seals oder den deut- schen Kampfschwimmern vergleichbar. 916 Vgl. Chiari: Der sowjetische Einmarsch…, S. 50 – 51; Schetter: Geschichte Afghanistans…, S. 100 – 103; Borer: Superpowers..., S. 130 – 130; Grau; Nawroz: Soviet Experience in Afghanistan..., S. 18; Sietz, Henning: Der Krieg, der nicht zu gewinnen war. Die Intervention der Sowjets in Afghanistan 1979 führte ins totale Desas- ter; in: Die Zeit 40 / 2001 http://www.zeit.de/zeitlaeufte/sietz_afghanistan (Letzter Zugriff 15. 07. 2008) 917 Vgl. Grau; Nawroz: Soviet Experience in Afghanistan..., S. 19

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6.2.1.4 Der Krieg der Mudjaheddin gegen die sowjetischen Invasoren

Die als „Blitzkrieg“918 geplante Invasion in Afghanistan schien zunächst erfolgreich zu verlaufen, der afghanische Widerstand, auf den die Invasoren trafen, war nicht nennenswert. Im sowjeti- schen Generalstab konnte man hoffnungsvoll davon ausgehen, daß die Befriedung des Landes binnen eines Jahres abgeschlossen sein würde:

“[...] The Soviets' Afghan invasion was similar to their Czechoslovakian invasion. For months after the invasion, hardly a political or military expert in the world doubted that Afghanistan was forever part of the Soviet Empire and nothing short of a large-scale global war could alter the status quo. Global war was unlikely since both superpowers intended to avoid it. Some westerners recalled the British experiences in Afghanistan in the 1800s and early 1900s and waited for a Soviet “Vietnam” to emerge, but most believed the Soviets would ultimately prevail. [...]”919 Wie sehr diejenigen, die an die britischen Erfahrungen in Afghanistan erinnerten und auf ein so- wjetisches „Vietnam“ warteten bzw. hofften, im Recht waren, zeigte sich bereits im Februar des Jahres 1980 – nur zwei Monate nach Beginn der Invasion. In der Nacht vom 22. auf den 23. Fe- bruar kletterte beinahe die gesamte Bevölkerung Kabuls auf die Dächer ihrer Häuser und skan- dierte laut „Allah ist groß, Allah ist mächtig“. Dies machte bald in ganz Afghanistan Schule. Im August kam es in Kandahar und im September in Herat zu Aufständen, denen die Rote Armee nur mühsam Herr werden konnte. Die afghanische Armee, die den sowjetischen Operationszielen zufolge unterstützt werden sollte, zerfiel in diesen Wochen und Monaten regelrecht: Von den einst 90.000 Mann waren im Februar920 nur noch 30.000 – 40.000 Mann übrig – ganze Brigaden liefen geschlossen zu den Mudjaheddin über. Die Aufständischen hatten so Verstärkung, vor al- lem aber neuen Waffen, erhalten. 921

Die Kriegsführung der Mudjaheddin922 war das, was heute im allgemeinen unter dem Stichwort „Asymetrischen Krieg“ subsummiert wird: Kleine, leicht bewaffnete Einheiten, die sich in den lokalen Eigenheiten (geographische, klimatische und regionale Gegebenheiten) perfekt ausken- nen und sich nach einem überraschenden Angriff sofort wieder zurückziehen können.

Die Rote Armee war bereits im März gezwungen, die erste Großoffensive an der Grenze zu Pa- kistan zu starten. Dies war die erste von vielen weiteren Offensiven, mit denen die Stavka in Moskau versuchte, dieses rebellische, widerständige Land unter Kontrolle zu bringen. Letztend- lich waren diese Großoffensiven nur das verdeckte Eingeständnis, daß man der Kriegsführung, wie die Mudjaheddin sie den sowjetischen Truppen aufoktroyiert hatten, kein effizienteres Mittel entgegensetzen konnte. Hinzu kam, daß die Rote Armee, ähnlich der US-Army in Vietnam, für einen Krieg in Mitteleuropa am sogenannten “Fulda-Gap” ausgerüstet und trainiert war, nicht

918 Von einer Blitzkriegsstrategie, wie Frieser: Blitzkrieg-Legende..., S. 5 - 14 sie darlegt, kann hier allerdings nicht gesprochen werden. Der Begriff „Blitzkrieg“ wird an dieser Stelle lediglich verwandt, um die sowj. Pläne für ein schnelles Ende des blitzartig begonnen Engagements in Afghanistan zu charakterisieren. 919 Grau; Nawroz: Soviet Experience in Afghanistan..., S. 17 920 Die Angabe der Daten schwankt in der Literatur erheblich: Teilweise wird die Zahl der verbleibenden afghani- schen Truppen bereits auf Ende Dezember 1979 datiert, teilweise auf die Mitte des Jahres 1980. Daher scheint der Monat Februar ein guter Kompromiß zu sein. 921 Vgl. Schetter: Geschichte Afghanistans…, S. 102 – 103; Grau; Nawroz: Soviet Experience in Afghanistan..., S. 18; Chiari: Der sowjetische Einmarsch…, S. 59 – 60 922 Zu den diversen Widerstandsgruppen der Mudjaheddin siehe ausführlich Schetter: Geschichte Afghanistans…, S. 110 – 111

Seite 217 “The Picture Survives” aber für einen Krieg in einem Land, dessen Geographie und Infrastruktur nicht im entferntesten mit Mitteleuropa vergleichbar waren. Auch die Kriegsführung war eine komplett andere: Statt gi- gantischer Panzerschlachten in Mitteleuropa gegen die NATO auszufechen, mußte die sowjeti- sche Armee nun in einem asymetrischen Krieg kämpfen, auf den sie in keinster Weise vorbereitet war: “The Soviet Union's armed forces were structured, equipped and trained for nuclear and high-intensity war on the great northern European plain”.923 Auch war der Kräfteansatz von 90.000 – 120.000 Soldaten für ein Land mit der fünffachen Größe Vietnams viel zu gering.924

Unterstützung erhielten die Mudjaheddin aus dem Ausland. Aus Pakistan, das in den Jahren zwi- schen 1979 und 1989 zum zentralen Versorgungspunkt der Mudjaheddin werden sollte, gelangte die Unterstützung, Männer und Waffen, über die kaum zu überwachende gemeinsame Grenze nach Afghanistan. In Peshawar sammelten sich die diversen muslimischen Widerstandsgruppen. Inoffizieller Koordinator der Hilfe war der pakistanische Geheimdienst ISI (Inter Services Intel- ligence). Der Widerstand der Mudjaheddin war dabei keineswegs koordiniert im Sinne einer gruppenübergreifenden Globalstrategie. Vielmehr handelte es sich um eine Art Allianz, die zwar ein als ideologisches Fundament, die Ablehnung einer auswärtigen, nicht muslimischen Invasi- onsarmee im eigenen Land sowie die Ablehnung der kommunistischen Regierung in Kabul, hat- te, aber sonst ohne große Absprachen zu funktionieren hatte. Innerhalb dieser eher informellen und losen Allianz wechselten die Absprachen je nachdem, was gerade politisch oppurtun erschi- en.925 Die meisten dieser Widerstandsgruppierungen wurden von Personen angeleitet, die der We- ber'schen Definition eines charismatischen Herrschers entsprechen. Beispiele hierfür sind der spätere Führer der sogenannten „Nordallianz“, Ahmad Schah Massud926, oder der als „Schlächter von Kabul“ bekanntgewordene Gulbuddin Hekmatiyar.

Die Unterstützung der Mudjaheddin erfolgte vor allem aus zwei Quellen: Zum einen sahen die Geheimdienste der Vereinigten Staaten und Großbritanniens hier eine hervorragende Möglich- keit, die Rote Armee und damit die Sowjetunion selbst massiv zu schwächen. Zum anderen wur- den die Widerstandsgruppen durch das religiöse Establishment in den Golf-Staaten, allen voran Saudi-Arabien, unterstützt. Neben diversen anderen Motivationen, insbesondere auf Seiten der islamischen Unterstützer, darf ein Hauptmotiv bei beiden Unterstützergruppen nicht vernachläs- sigt werden: Die Angst vor dem, was geschehen würde, wäre der sowjetische Einmarsch in Af- ghanistan nur der erste Schritt zur Sicherung eines Zugangs zum Persischen Golf gewesen. Von den sowjetischen Flugplätzen in Afghanistan aus hätte die strategische Bomberflotte jederzeit einen vernichtenden Schlag gegen die Erdölfelder entlang des Persischen Golfes führen kön- nen.927 Diese “Bear on the Move”-These928 ordnete das sowjetische Engagement in Afghanistan in den globalen Kontext des Kalten Krieges ein und machte Afghanistan damit zu einem der letz- ten Schlachtfelder des Kalten Krieges. Wenn aber Afghanistan als Bestandteil des Kalten Krieges rezipiert wurde, dann war die Unterstützung des afghanischen Widerstandes nicht nur ein legiti-

923 Grau; Nawroz: Soviet Experience in Afghanistan..., S. 21 924 Vgl. Grau; Nawroz: Soviet Experience in Afghanistan..., S. 20; Chiari: Der sowjetische Einmarsch…, S. 58 – 59; Schetter: Geschichte Afghanistans…, S. 102 925 Vgl. Chiari: Der sowjetische Einmarsch…, S. 56; Schetter: Geschichte Afghanistans…, S. 103 – 104; Sietz, Henning: Der Krieg, der nicht zu gewinnen war. Die Intervention der Sowjets in Afghanistan 1979 führte ins to- tale Desaster; in: Die Zeit 40 / 2001 http://www.zeit.de/zeitlaeufte/sietz_afghanistan (Letzter Zugriff 15. 07. 2008) 926 Zur Person des Ahmad Schah Massud siehe ausführlich Strachwitz, Karl Ernst Graf: Das Bild vom Helden. Achmad Schah Massud; in: Chiari, Bernhard [Hrsg.]: Wegweiser zur Geschichte. Afghanistan; Paderborn, Mün- chen, Wien, Zürich 2006, S. 118 – 125, im folgenden zitiert als Strachwitz: Bild vom Helden…, 927 Vgl. Kahn: Policy towards Afghanistan..., S. 72 928 Vgl. Kahn: Policy towards Afghanistan..., S. 70

Seite 218 “The Picture Survives” mes, sondern auch ein geradezu notwendiges Mittel, um die Ausbreitung des Kommunismus zu verhindern. In diesem Kontext ist auch die 1986 erfolgte Belieferung der Mudjaheddin mit ame- rikanischen Luftabwehrraketen des Typs “Stinger” zu sehen, die es den Mudjaheddin erlaubte, auf die Veränderungen in der sowjetischen Kriegsführung, auf den verstärkten Einsatz von „flie- genden Panzern“ des Typs Mil-Mi 24, auch unter dem Nato-Codenamen “Hind” bekannt, effek- tiv zu reagieren.929

Die Berichterstattung über diesen Krieg war nur möglich, wenn sich der Berichterstatter im pa- kistanischen Peschawar einer der vielen Widerstandsgruppen anschloß und mit ihr über die bei- nahe unwegsame Grenze nach Afghanistan einsickerte. Seitens der sowjetischen Besatzer war kein westlicher Korrespondent in Afghanistan geduldet, eine Anreise von Moskau aus durch die Überwachung der Korrespondenten durch den KBG auch unmöglich.930 Daher scheint eine der klassischen Geschichten, die aus Afghanistan berichtet wurden, auch eher den Zielen der Mudja- heddin, Unterstützung zu gewinnen und zu erhalten, dienlich gewesen zu sein: Die Geschichte von den „Spielzeugbomben“, die die sowjetische Armee angeblich über Afghanistan abgeworfen habe, um gezielt die Kinder des Landes zu treffen und zu verstümmeln. Was auf den ersten Blick gut klingt und auch zur oftmals brutalen Kriegsführung der Sowjetunion in Afghanistan paßt, hat einen kleinen, aber letztlich entscheidenden Haken: Diese Geschichte ist zu perfekt, um wirklich wahr zu sein. Die wiederholte Verbreitung dieser Geschichte ist hauptsächlich der klassischen Rhetorik des Kalten Krieges zuzuschreiben. In einer Zeit, in der die Sowjetunion als Reich des Bösen, als “Empire of Evil”, galt, paßte diese Story perfekt zu diesem Image. Die Russen, so der Grundtenor dieses Märchens, seien so böse, pervers und hinterhältig, eine Waffe zu entwickeln, die sich speziell gegen (unschuldige) Kinder richte. Bei dieser „Bombe“ handelte es sich in Wirklichkeit um die sowjetische Kopie einer amerikani- schen Antipersonenmine bzw. Schützenabwehrmine, die zu Zeiten des Vietnamkrieges eingesetzt wurde. Deren Einsatz und die verheerenden Auswirkungen auf Kinder wurden damals aber nicht in den Medien thematisiert. Diese Antipersonenmine konnte aufgrund ihres geringen Gewichts und ihrer aerodynamischen Eigenschaften ent- weder von Flugzeugen und Hubschraubern oder durch Artilleriegeschosse verbreitet werden. Aufgrund ihrer Form- und Farbgebung wurde sie von vielen Kindern als Spielzeug gebraucht, mit verheerenden Folgen. Der Um- stand, daß diese Mine nur sehr schwer aufzuheben ist, ohne gleich die Detonation auszulösen, macht sie so ge- fährlich. Es handelt sich hierbei aber nicht – wie immer wieder kolportiert wird – über eine als Spielzeug getarn- Abbildung 51: Sowjetische Schützenmine PFM-1. te Sprengfalle.931 Photo: Dresdner Sprengschule

929 Siehe, auch zu den Hintergründen der Entscheidung, ausführlich Kuperman, Alan J.: The Stinger Missile and U.S. Intervention in Afghanistan; in: Political Science Quarterly 114 / 2 / 1999; S. 219 – 263; im folgenden zi- tiert als Kupermann: Stinger Missile..., ferner Sietz, Henning: Der Krieg, der nicht zu gewinnen war. Die Inter- vention der Sowjets in Afghanistan 1979 führte ins totale Desaster; in: Die Zeit 40 / 2001 http://www.zeit.de/zeitlaeufte/sietz_afghanistan (Letzter Zugriff 15. 07. 2008) 930 Vgl. 931 Vgl. Lohr, Steve: Moscow's Millions of Deadly Seeds:Afghan Mines; in: The New York Times, 2. März 1989; Schetter: Geschichte Afghanistans…, S. 103; http://www.globalsecurity.org/military/systems/munitions/blu- 43.htm (Letzter Zugriff 15. 07. 2008); Sietz, Henning: Der Krieg, der nicht zu gewinnen war. Die Intervention der Sowjets in Afghanistan 1979 führte ins totale Desaster; in: Die Zeit 40 / 2001 http://www.zeit.de/zeitlaeufte/ sietz_afghanistan (Letzter Zugriff 15. 07. 2008).

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Letztlich war der Krieg für die Sowjetunion in dem Moment verloren, als sie gegen Ende des Jahres 1980 zusammen mit den verbliebenen afghanischen Verbündeten begann, Abstand von Operationen mit offensivem Charakter zu nehmen und stattdessen versuchte, Schlüsselstellungen um Kabul, an der großen Ringstraße und in den großen Städten zu halten. Den Mudjaheddin ge- lang es dadurch, ca. 90 Prozent des Landes unter ihre Kontrolle zu bringen. In den folgenden Jahren, bis zum Abzug der sowjetischen Truppen, lieferten sich beide Seiten teilweise heftige Schlachten und Scharmützel.932 Der generelle Verzicht auf groß angelegte Offensivoperationen bedeutete aber nicht, daß es nicht weiterhin – wenn es die Lage erforderlich machte – zu solchen großen Operationen kam.933 So kam es etwa im Herbst des Jahres 1987 zur „Operation Magistral“, der größten sowjetischen An- griffsoperation des gesamtes Krieges. An deren Ende – Ziel war die Wiederöffnung der Versorgungsroute von Gardes nach Chost gewesen – stand die Erkenntnis, daß „sich Afghanistan mit militärischen Mitteln allein nicht beherrschen ließ“934.

So wurde unter dem seit 1986 amtierenden Generalsekretär des ZK der KPdSU, Michail Gorbatschow, mit dem Rückzug der sowjeti- schen Truppen aus Afghanistan begonnen, der am 15. Februar 1989 abgeschlossen Abbildung 52: 15. Februar 1989 – Die letzten sowjetischen Panzer verlassen Af- 935 ghanistan. war. Der Abzug der letzten sowjetischen Soldaten war gleichzeitig ein Beispiel für Quelle: ZDF-Bilderdienst die neue Politik von „Glasnost“ und „Perestroika“: Dieser Abzug über die, über den Grenzfluß Amurdarja führende, „Brücke der Freundschaft“ war regelrecht für die Medien inszeniert. In den wenigen Sekunden Videomateri- al, die im Westen gelaufen sind, ist dies deutlich erkennbar. Winkende Soldaten auf ihren gepan- zerten, mit roten Fahnen geschmückten, Fahrzeugen fahren aus dem Bildhintergrund kommend nach rechts an der Kamera vorbei. Zuletzt kommt der letzte Kommandeur der sowjetischen Truppen in Afghanistan, General Boris Gromov, begleitet von einer Fernsehkamera, zu Fuß über die Brücke. Gerade dieses Bild ist symbolhaft aufgeladen. Eine Symbolik ähnlich der, wie sie als Ethos aller Schiffsbesatzungen gilt, der Kapitän verläßt als letzter das sinkende Schiff. Interpre- tiert man diese Bilder weiter, ist dies gleichzeitig der Abgesang auf die Sowjetunion, deren Ende erst 1992 besiegelt wurde. Der General hält rote Blumen, vermutlich Nelken, in der Hand, be-

932 Vgl. Thun-Hohenstein, Romedio Graf von: "Magistral". Die größte Angriffsoperation sowjetischer Truppen in Afghanistan; in: Chiari, Bernhard [Hrsg.]: Wegweiser zur Geschichte. Afghanistan; Paderborn, München, Wien, Zürich 2006, S. 62 – 65; hier S. 62, im folgenden zitiert als Thun-Hohenstein: "Magistral"…, 933 Vgl. Grau, Lester W.; Jalali, Ali Ahmad: The Campaign for the Caves. The Battles of Zhawar in the Soviet-Af- ghan War; in: Journal of Slavic Military Studies 14 / 3 / 2001; S. 69 – 92, im folgenden zitiert als Grau: Jalali: Campaign for the Caves..., Grau, Lester W.; Jorgensen, William A.: Beaten by the Bugs. The Soviet Afghan War Experiance; in: Military Review 77 / 6 / 1997; S. 30 – 37, im folgenden zitiert als Grau; Jorgensen: Bugs..., 934 Thun-Hohenstein: "Magistral"…, S. 65 935 Sietz, Henning: Der Krieg, der nicht zu gewinnen war. Die Intervention der Sowjets in Afghanistan 1979 führte ins totale Desaster; in: Die Zeit 40 / 2001 http://www.zeit.de/zeitlaeufte/sietz_afghanistan (Letzter Zugriff 15. 07. 2008)

Seite 220 “The Picture Survives” gleitet wird er von einer nicht näher zu identifizierenden jüngeren Person, die aber allgemein als sein Sohn beschrieben wird. Dann stürmt von rechts eine Frau, ebenfalls mit roten Blumen in der Hand, auf ihn zu und fällt ihm um den Hals.936

Abbildung 53: 15. Februar 1989 – Der letzte sowjetische Soldat, General Boris Gromov, verläßt Afghanistan. Begleitet wird er von seinen Sohn (?). Begrüßt wird Gromov von seiner Frau.

Quelle: ZDF-Bilderdienst

936 Zu den Deutungen der Personen in diesem Videomaterial siehe Sietz, Henning: Der Krieg, der nicht zu gewin- nen war. Die Intervention der Sowjets in Afghanistan 1979 führte ins totale Desaster; in: Die Zeit 40 / 2001 http://www.zeit.de/zeitlaeufte/sietz_afghanistan (Letzter Zugriff 15. 07. 2008)

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6.2.1.5 Der Bürgerkrieg

Mit dem Abzug der sowjetischen Truppen ging der Krieg der Mudjaheddin gegen die nach wie vor kommunistische Regierung Afghanistans unvermindert weiter. Seit Mai 1986 regierte in Ka- bul nicht mehr Babrak Karmal, sondern Mohammed Najibullah. Najibullah war zuvor Leiter des afghanischen Geheimdienstes gewesen und stand im Ruf, den Genossen in Moskau treu ergeben zu sein. Er versuchte eine Regierung aufzubauen, die auf breiten Rückhalt in der Bevölkerung setzte, und so dem Widerstand etwas entgegenzusetzen.937

Mit der Einstellung aller Unterstützung der Regierung Nadjibullah durch das Regime in Moskau am 1. Januar 1992 zerbrach die ohnehin schon brüchige Allianz der Mudjaheddin. Zu diesem Zeitpunkt war der erste Pfeiler des ideologischen Fundamentes, das die integrierende Grundlage aller Widerstandsgruppierungen bildete, die sowjetische Besatzung des Landes, nicht mehr exis- tent. Als nun auch noch die kommunistische Regierung unter Nadjibullah ins Wanken geriet, ge- riet damit auch der zweite Pfeiler dieses ideologischen Fundamentes ins Wanken. Hinzu kam, daß gerade in den letzten Jahren der sowjetischen Besatzung nicht die Regierung in Kabul, son- dern die Führer einzelner Widerstandsgruppen die Garanten von so etwas wie staatlicher Ord- nung waren. Vielmals gelang es ihnen, in den von ihnen beherrschten Gebieten einen Kleinstaat zu errichten, der weitgehend die Aufgaben der Regierung in Kabul übernahm.938 Als mit dem Sturz Nadjibullahs die staatliche Ordnung vollständig zusammenbrach und in Kabul heftige Kämpfe um die Vorherrschaft ausbrachen, standen die Führer dieser Milizen und Warlords bereit, um mit den von ihnen geleiteten Kleinststaaten die Funktionen des Staates Afghanistan, der in dieser Form aufgehört hatte zu existieren, aber – paradoxerweise – noch als Staatsgebiet vorhan- den war, zu übernehmen. Mit dem Zerfall Afghanistans konnte die öffentliche Sicherheit ge- währleistet werden. Die Garantie der öffentlichen Sicherheit konnten auch jene Kleinststaaten nicht übernehmen, so daß bald im ganzen Land Willkür und Unsicherheit herrschten. Die Kämp- fe jener Zeit verliefen nicht mehr entlang der alten Konfliktlinie Widerstand der Mudjaheddin gegen die Sowjets und gegen die kommunistische Zentralregierung in Kabul, sondern entlang ei- ner neuen, prinzipiell aber althergebrachten Konfliktlinie: Paschtunen gegen Nicht-Paschtunen. Die Kämpfe um Kabul nahmen stetig an Intensität zu. Kabul, das in den Kriegsjahren zuvor kaum beschädigt worden war, wurde nun beinahe vollständig in Schutt und Asche gelegt. Hek- matyars Partei beschoß Kabul beinahe dauernd. Diesem Trommelfeuer fielen ungefähr 40.000 Einwohner, beinahe allesamt Mitglieder der Zivilbevölkerung, zum Opfer. Gleichzeitig versuch- ten die beiden angrenzenden Staaten, Iran und Pakistan, das Machtvakuum, das der Zerfall des afghanischen Staatswesens hinterlassen hatte, für ihre eigenen Großmachtinteressen zu nutzen und unterstützten daher unterschiedliche Kräfte und Parteien in Afghanistan.939 937 Sietz, Henning: Der Krieg, der nicht zu gewinnen war. Die Intervention der Sowjets in Afghanistan 1979 führte ins totale Desaster; in: Die Zeit 40 / 2001 http://www.zeit.de/zeitlaeufte/sietz_afghanistan (Letzter Zugriff 15. 07. 2008); siehe auch Schetter: Geschichte Afghanistans…, S. 112 – 116 938 Vgl. Vgl. Mielke, Katja: Der afghanische Bürgerkrieg; in: Chiari, Bernhard [Hrsg.]: Wegweiser zur Geschichte. Afghanistan; Paderborn, München, Wien, Zürich 2006, S. 67 – 73, im folgenden zitiert als Mielke: Bürgerkrieg…,; siehe auch Schetter: Geschichte Afghanistans…, S. 114 – 116 939 Vgl. Vgl. Vgl. Mielke, Katja: Der afghanische Bürgerkrieg; in: Chiari, Bernhard [Hrsg.]: Wegweiser zur Ge- schichte. Afghanistan; Paderborn, München, Wien, Zürich 2006, S. 67 – 73, im folgenden zitiert als Mielke: Bürgerkrieg…,; siehe auch Schetter: Geschichte Afghanistans…, S. 114 – 120, 122 – 124; siehe auch Rashid, Ahmed: Tribe and State in Afghanistan after 1992; in: Noelle-Karimi, Christine; Schetter, Conrad; Schlagint- weit, Reinhard [Hrsg.]: Afghanistan - A Country without a State (= Schriftenreihe der Mediothek für Afgh- anistan, Bd. 2); Frankfurt / London 2002, S. 175 – 178, hier S. 175, im folgenden zitiert als Rashid: Tribe and State…,

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Im Laufe der Jahre geriet Pakistan bei diesem Versuch, klassische “Balance of Power”-Politik zu betreiben, ins Hintertreffen und drohte, ähnlich dem dritten Staat im Bunde, Saudi-Arabien, in geopolitischer Bedeutungslosigkeit zu versinken. Daher beschlossen beide Regierungen, die ra- dikal-islamischen Taliban, die sich aus den Koranschulen im afghanisch-pakistanischen Grenz- gebiet rekrutierten und die extremste Splittergruppe im Kampf um die Macht in Afghanistan dar- stellten, aktiv mit Geld und Logistik zu unterstützen. Dadurch, daß die Taliban dem Islam sunni- tischer Ausprägung angehörten, war ein willkommener Nebeneffekt dieses klassischen machtpo- litischen Spielchens, daß sie dem schiitisch geprägten Iran feindlich gegenüberstanden und damit eine Dominanz des Iran in der Region verhindern konnten. Dieser Umstand führte auch dazu, daß diese Unterstützungsaktionen von den USA gebilligt wurden. Die Arbeitsteilung zwischen Saudi-Arabien und Pakistan sah in der Praxis wie folgt aus: Saudi-Arabien stellte das Geld für die Ausbildung und die Ausrüstung zur Verfügung, während der pakistanische Geheimdienst ISI den Auftrag hatte, aus den Taliban eine schlagkräftige Armee zu schmieden. Mit dieser Unter- stützung gelang es den Taliban, die sich seit 1994 im Süden Afghanistans ausbreiteten, binnen 2 Jahren beinahe ganz Afghanistan zu erobern. Die noch vorhandenen, ehemals bis aufs Blut ver- feindeten, Gruppen schlossen sich daraufhin zur sogenannten „Nordallianz“940 zusammen, der es gelang, die nördlichsten Landesteile an der Grenze zu Turkmenistan, Tadjikistan und Usbekistan weiterhin zu kontrollieren.941

6.2.1.6 Der Krieg der USA gegen die Taliban

Auf der Wochenend-Sitzung nach dem 11. September in Camp David präsentierte General Henry H. Shelton, der kurz vor der routinemäßigen Ablösung als Vorsitzender der Joint Chiefs of Staff stand, drei Szenarien für den Angriff auf Afghanistan bzw. den Angriff gegen Al Kaida. Das erste dieser Szenarien war jene als „Clinton-Option“ verschrieene Möglichkeit, die Terrorcamps mit Marschflugkörpern auszuräuchern. Sie sollte zur Anwendung kommen, falls der Präsident einen schnellen Angriff wünsche. Die zweite Option bestand aus einer kombinierten Angriffsoperation von Marschflugkörpern und konventionellen Bombern. Damit sollten Terrorcamps und andere Einrichtungen von Al Kaida und den Taliban zerstört werden. Diese Operation sollte ungefähr 3 bis 4 Tage dauern, könnte aber auf bis zu 10 Tage ausgedehnt werden, falls der Präsident dies wünsche. Auch diese Variante könnte mit minimaler Verzögerung umgesetzt werden. Das letzte Szenario sah schließlich einen kombinierten Angriff mit Marschflugkörpern, Bombern und auf dem Boden operierenden Einheiten, den sogenannten “boots on the ground”,942 vor. Neben den Elementen der zweiten Option, also Kräften der Air Force, waren für die Boden-Komponente Kommandoeinheiten der amerikanischen Special Forces vorgesehen. Eventuell sollten auch noch Einheiten der Army und der Marines hinzugezogen werden. Allerdings würde es mindestens 10 – 12 Tage brauchen, um die wichtigsten Vorbereitungen zu treffen und die Truppen an Ort und Stelle zu bringen.943

Bei den Versuchen, die Koalition gegen den Terror zu schmieden, wurde auch Russland, dessen Erfahrungen mit der afghanischen Kampfesweise noch die frischesten waren, eingebunden. Der Stellvertreter des amerikanischen Außenministers Colin Powell, Richard Armitage, flog mit ei- nem Vertreter der CIA nach Moskau, um sich der russischen Unterstützung zu versichern. Ihre

940 Eigentlich „Allianz zur Rettung des Vaterlandes“, vgl. Schetter: Geschichte Afghanistans…, S. 127 941 Vgl. Schetter: Geschichte Afghanistans…, S. 125 – 128 942 Woodward: Bush at War..., S. 80 943 Vgl. Woodward: Bush at War..., S. 79 – 81, 91

Seite 223 “The Picture Survives” russischen Gesprächspartner waren auch gewillt zu helfen, wiesen aber auf die sowjetischen Er- fahrungen mit Afghanistan hin: “One noted that Afghanistan was ambush heaven, where the guerilla fighters had demolished the Russian army. “With regret,” the Russian said, “I have to say you're really going to get the hell kicked out of you.””944 Letztendlich fand sich die russische Regierung breit, ein Team zur CIA zu senden, um Erfahrungen aus erster Hand liefern zu kön- nen.945

Neben den oben beschriebenen Operations-Optionen sollten in Afghanistan auch verdeckte Ope- rationen der CIA gestartet werden, um das Regime der Taliban zu schwächen. Hierzu wollte man sich der Stammesgliederung der afghanischen Gesellschaft bedienen, war doch der Streit um die Vorherrschaft zwischen den im Norden des Landes lebenden Tadschiken und Usbeken und den im Süden lebenden Paschtunen der Motor aller Kämpfe seit dem Ende der sowjetischen Besat- zung gewesen. Ferner sollte propagandistisch darauf hingearbeitet werden, daß das bevorstehen- de Engagement in Afghanistan nicht als Kampf des Westens gegen die Afghanen, sondern als Kampf der Afghanen gegen die Araber – die meisten Mudjaheddin und später die Taliban waren keine Afghanen, sondern kamen aus dem arabischen Kulturrraum – wahrgenommen wurde. Kon- kret hieß das, es sollte klargemacht werden, daß dies kein Feldzug gegen den Islam und kein Krieg gegen die afghanische Bevölkerung war.946

Ferner sollte die Nordallianz, quasi der innerafghanische Widerstand gegen die Herrschaft der Taliban, gestärkt werden. Das größte Problem war, daß zwar im Verantwortungsbereich des ame- rikanischen Central Command (CENTCOM), zu dessen Zuständigkeit auch Afghanistan gehört, immer eine gewisse Anzahl von Soldaten – am 11. September 2001 ungefährt 25.000 GI's – ver- fügbar war, diese aber nicht in Afghanistan stationiert waren. Rechnet man die Tatsache ein, daß heute ca. zwei Drittel eines militärischen Verbandes aus Personal besteht, das für logistische Auf- gaben, Verpflegung und Versorgung sowie für Kommunikationsaufgaben gebraucht wird, und nur ca. ein Drittel tatsächlich in der Lage ist zu kämpfen, läßt sich ermessen, wie groß der Man- gel an tatsächlich einsetzbaren “boots on the ground” war. Ferner fehlten im Zuständigkeitsbe- reich des CENTCOM ausreichende Kräfte der Special Forces. Auch die CIA hatte nur sehr weni- ge Kräfte ihrer paramilitärischen Einheiten vor Ort. Diesen Teams war die Aufgabe zugewiesen worden, die bestehenden Kontakte zur Nordallianz zu intensivieren und sie mit finanzieller wie technischer Hilfe zu versehen. Gleichzeitig zeigte auch die diplomatische Offensive der USA Wirkung: Saudi-Arabien, Pakistan und die Vereinigten Arabischen Emirate hatten ihre Verbin- dungen zu Afghanistan gekappt.947

Einziger Lichtblick war zu diesem Zeitpunk, daß sich zwei Flugzeugträger in der Region befan- den: Die “USS Enterprise” (CVN948 – 65) und “USS Carl Vinson” (CVN – 70) standen zu jener Zeit beide in der Operationsregion. Die “Carl Vinson” sollte eigentlich die “Enterprise” nach der routinemäßigen 6-monatigen Patrouille ablösen, jedoch wurde die Enterprise unter dem Eindruck des 11. September noch länger vor Ort gelassen.949

944 Woodward: Bush at War..., S. 103 945 Vgl. Woodward: Bush at War..., S. 110 - 112 946 Vgl. Woodward: Bush at War..., S. 114 947 Vgl. Buzbee, Sally: Starke Militärpräsenz der USA am Persischen Golf. Flugzeugträger, Cruise Missiles und 25.000 Soldaten – Zusätzliche Kräfte in der Türkei – Moskau unbekannte Größe; in: The Associated Press 16.09.2001, 11:42 Uhr; Bericht des amerikanischen Fernsehsenders ABC vom 26. September 2001, abgedruckt in Barnett: American War Reporting, Vol. 8…, S. 111 948 CVN = Carrier Vessel Nuclear 949 Vgl. Buzbee, Sally: Starke Militärpräsenz der USA am Persischen Golf. Flugzeugträger, Cruise Missiles und 25.000 Soldaten – Zusätzliche Kräfte in der Türkei – Moskau unbekannte Größe; in: The Associated Press

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Der Krieg gegen Afghanistan, die Operation “Enduring Freedom”, begann am 7. Oktober 2001, 26 Tage nach den Ereignissen in New York und Washington. Die ersten Schläge erfolgten aus der Luft: Kriegsschiffe der Vereinigten Staaten und Großbritanniens im Persischen Golf starteten Marschflugkörper in Richtung Afghanistan. Von Basen in Saudi-Arabien und den anderen Emi- raten am Golf sowie von Flugzeugträgern im Golf hoben Kampfflugzeuge ab. Von der britisch- amerikanischen Luftwaffenbasis Diego-Garcia im Pazifik, von der Whiteman Air Force Base im amerikanischen Bundesstaat Missouri und von der britischen Luftwaffenbasis Mildenhall starte- ten Bomber der Typen B-1B “Lancer”, B-2 “Spirit” und das altgediente Schlachtross B-52 “Stra- tofortress” ebenfalls mit Ziel Afghanistan. Ziel des letztendlich von Präsident Bush genehmigten Operationsplans, der im wesentlichen der oben geschilderten dritten Option entsprach, war, daß das „US Central Command, as a part of America's Global War on Terrorism ... would destroy the Al Qaida network inside Afghanistan along with the illegitimate Taliban regime which was harboring and protecting the terrorists“.950

Die Weltpresse, die von dem, was da in Afghanistan passieren würde, gerne berichten wollte, sah sich vor extreme Probleme gestellt. Die Taliban waren auch zuvor schon nicht gerade freigebig mit Drehgenehmigungen gewesen und wollten auch in diesem Fall keine Journalisten im Land haben. Der einzige Sender, dem unter den Taliban erlaubt worden war, ein Studio in Kabul ein- zurichten, war das „arabische“ Gegenstück zu CNN, der Sender Al Dschasira mit Sitz im Golf- Emirat Katar. Berichterstattung aus bzw. über Afghanistan war nur von Peschawar in Pakistan aus möglich, wo zugleich der offizielle Pressesprecher der Taliban residierte. So blieben den von Pakistan aus operierenden Korrespondenten eigentlich nur drei Möglichkeiten: Erstens, gar nichts zu berichten. Zweitens, von Pakistan aus zu berichten und darauf zu hoffen, daß genügend Informationen über die Grenze sickerten. Drittens, zu versuchen, als Frau verkleidet, mit Burkha vermummt, über die Grenze nach Afghanistan einzusickern und dann vor Ort zu recherchieren. Von diesen drei Optionen war die erste sicherlich die schlechteste, da sich in diesem Fall die Fra- ge stellte, warum der Journalist dann überhaupt in Pakistan weilte, aus Sicht der Kostenwächter in den Heimatredaktionen kostete er nur und brachte dafür keine Leistung. Die zweitschlechteste Möglichkeit war der Versuch, sich als Frau zu verkleiden und so auf den Schmugglerrouten ent- lang des Khyber-Passes nach Afghanistan zu gelangen. Zum einen war dieser Weg nur den Kol- legen der schreibenden Zunft wirklich gangbar, da sich ein kleiner Photoapperat und ein Notiz- block noch unter der Burkha verbergen ließen – was bei der sperrigen und gewichtigen TV-Aus- rüstung nicht möglich war. Zum anderen war das Risiko, von den Taliban enttarnt zu werden, zu groß.951

So blieb nur noch der Weg über die ehemalige afghanisch-sowjetische Grenze im Norden des Landes. Dort regierte die sogenannte „Nordallianz“, die keine Probleme damit hatte, Journalisten ins Land zu lassen. Die Anreise läßt sich in einen leichten, komfortablen und einen abenteuerli- chen Teil unterteilen. Die Anreise von Moskau mit dem Flugzeug in die tadschikische Hauptstadt Duschanbe ist sicherlich der angnehmere Teil der Anreise. Von Duschanbe aus ging es dann mit dem Auto zur Grenze. Die über den Grenzfluß Pjandsch führende Fähre konnte nur in der Nacht benutzt werden, da sie während des Tages immer wieder von den Taliban mit Artilleriefeuer be- legt wurde. Diese Nordallianz stand bis dahin in dem „Ruf, graduell besser als die Taliban [zu sein...], skrupellose Feldkommandeure an der Spitze eines wilden Haufens von Soldaten“952. Und

16.09.2001, 11:42 Uhr 950 http://www.globalsecurity.org/military/ops/enduring-freedom.htm (Letzter Zugriff 15. 07. 2008) 951 Vgl. Sager: Afghanische Alpträume..., S. 76; Barnett: American War Reporting, Vol. 8…, S. 110; Kröger: Bilder brauchen Skepsis..., S. 79 952 Sager: Afghanische Alpträume..., S. 76

Seite 225 “The Picture Survives” doch hatte es dieser „wilde Haufen von Soldaten“ geschafft, den Taliban Paroli zu bieten – fast komplett ohne Unterstützung aus dem Ausland. Die große Lichtgestalt und Integrationsfigur die- ser Nordallianz, der als „Löwe vom Panschirtal“ berühmt gewordene afghanische Nationalheld, Ahmed Schah Massud, wurde am 9. September 2001 bei einem Selbstmordattentat ermordet. Die Mörder sollen als Journalisten getarnte Mitglieder Al Kaidas gewesen sein. Nun sahen sich die verbliebenen Mitglieder der Nordallianz auf einmal mit der Invasion ganzer „Heerscharen von Journalisten aus aller Welt“ konfrontiert.953

Was die im Norden Afghanistans versammelten Journalisten berichten konnten, war indes nicht allzu erschöpfend. Die Nordallianz lieferte sich zu jener Zeit noch einen Stellungskrieg mit den Taliban. Gleichwohl erzeugten die immer gleichen Bilder von Kondensstreifen am Himmel und ziemlich alten, aber rollenden Panzer sowjetischer Bauart den Eindruck, als befände sich die Nordallianz bereits in heftigen Kämpfen mit den Taliban. Problematisch daran war nur, daß die meisten Bilder dieser Art gestellt waren. Wenn ein Panzer feuert, sieht der Zuschauer im Fernse- hen ein kurzes, aber heftiges Mündungsfeuer und hört einen ziemlich beeindruckenden Knall. Er sieht aber nicht, wo das Geschoß – wenn es sich um ein echtes und keine Übungsmunition han- delte – einschlägt und was es dort trifft. Die meistens hinter den feuernden Panzer geschnittenen, wackeligen und unscharfen Bildern von weit entfernt aufsteigenden Erdfontänen sollen suggerie- ren, daß dort die verschossene Granate des Panzers eingeschlagen ist. Was dort aber wirklich ein- geschlagen ist und was dort getroffen wurde, das kann meistens nicht einmal der Journalist vor Ort abschließend klären. Diese Bilder sollten ferner suggerieren, daß die Nordallianz schlagkräf- tig und entschlossen ist. Was geflissentlich verschwiegen wurde, war der Umstand, daß die Nordallianz ohne massive amerikanische Unterstützung aus der Luft, dem sogenannten Close Air Support, und ohne massive Unterstützung durch Spezialeinheiten niemals eine Chance gegen die Taliban gehabt hätte. Ohne die amerikanische Luftunterstützung, die gezielt die Stellungen der Taliban unter Beschuß nahm, gewissermaßen also der Nordallianz den Weg nach Kabul frei- bombte, wäre dieses Bündnis wohl niemals in der Lage gewesen, den Stellungskrieg zu beenden und nach Kabul vorzustoßen, das am 13. November vollkommen kampflos in die Hände der Nordallianz fiel.954

Nach dem Fall Kabuls an die Nordallianz wurde Anfang Februar 2002 eine von der NATO ge- führte Truppe in Afghanistan stationiert. Der Auftrag dieser International Security Assistance Force (ISAF) bestand und besteht darin, ein Umfeld zu schaffen, das es der afghanischen Bevöl- kerung erlauben sollte, ihr Land wieder aufzubauen und eine stabile Demokratie zu errichten. Gleichzeitig ging aber der Anti-Terroreinsatz im Rahmen der Operation „Enduring Freedom“ weiter. Beide Einsätze sind zwar getrennt, doch ist diese Trennung rein politischer und künstli- cher Natur. Mit der tagtäglichen Wirklichkeit des Einsatzgeschehens läßt sich diese Trennung nicht vereinbaren. Dies zeigt sich besonders in der Hauptstadt Kabul, wo die Grenzen beider Operationen bzw. Mandate aufeinandertreffen und oftmals fließend in einander übergehen.955

953 Vgl. Sager: Afghanische Alpträume..., S. 76. Zur Person des Amed Schah Massud siehe ausführlich Strachwitz, Karl Ernst Graf: Das Bild vom Helden. Achmad Schah Massud; in: Chiari, Bernhard [Hrsg.]: Wegweiser zur Geschichte. Afghanistan; Paderborn, München, Wien, Zürich 2006, S. 118 – 125, im folgenden zitiert als Strachwitz: Bild vom Helden…, 954 Vgl. Sager: Afghanische Alpträume..., S. 77; Kröger: Bilder brauchen Skepsis..., S. 80 – 81 955 Vgl. Wohlgethan: Endstation Kabul…, Karte, hintere Einbandseite, innen

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6.2.2 Operation “Iraqi Freedom” – Krieg zur „Befreiung“ des Irak

Noch während amerikanische Truppen in Afghanistan auf der Suche nach bin Laden waren und versuchten, ein Wiedererstarken der Taliban im Süden Afghanistans zu verhindern, begann sich der Focus in Washington schon auf das nächste Ziel im globalen Kampf gegen den Terror zu richten. Den Forderungen der Falken um Rumsfeld und Wolfowitz entsprechend war dies der Irak. In einer Meldung der Nachrichtenagentur AP wurde schon im Juli 2002 über einen mögli- chen Krieg gegen Saddam spekuliert.956 Dieser Krieg könne sehr schnell beginnen und – das Mo- ment der Überraschung ausnutzend - genauso schnell wieder zu Ende sein. Die Autorin dieser Meldung zitiert hier einen Verteidigungsexperten: “We could have a situation on Monday, it first looks like there will be a war, on Friday troops are in Kuwait, and by (the next) Thursday they're in Baghdad.”957

Die mediale Vorbereitung und gleichzeitig der Countdown zum Krieg gegen den Irak begann am 12. September 2002, einen Tag nach dem ersten Jahrestag der Ereignisse des 11. September. In einer perfekt orchestrierten Rede vor der Vollversammlung der Vereinten Nationen legte der amerikanische Präsident George W. Bush dar, warum er und seine Regierung das amtierende Re- gime Saddam Husseins im Irak für eine Gefährung des Weltfriedens hielten:

“[…] We meet one year and one day after a terrorist attack brought grief to my country, and brought grief to many citizens of our world. Yesterday, we remembered the innocent lives taken that terrible morning. Today, we turn to the urgent duty of protecting other lives, without illusion and without fear. [...] As a symbol of our commitment to human dignity, the United States will return to UNESCO. [...] Above all, our principles and our security are challenged today by outlaw groups and regimes that accept no law of morality and have no limit to their violent ambitions. In the attacks on America a year ago, we saw the destructive intentions of our enemies. [...] And our greatest fear is that terrorists will find a shortcut to their mad ambitions when an outlaw regime supplies them with the technologies to kill on a massive scale. In one place – in one regime – we find all these dangers, in their most lethal and aggressive forms, exactly the kind of aggressive threat the United Nations was born to confront. [...] The history, the logic, and the facts lead to one conclusion: Saddam Hussein's regime is a grave and gathering danger. To suggest otherwise is to hope against the evidence. To assume this regime's good faith is to bet the lives of millions and the peace of the world in a reckless gamble. And this is a risk we must not take. Delegates to the General Assembly, we have been more than patient. We've tried sanctions. We've tried the carrot of oil for food, and the stick of coalition military strikes. But Saddam Hussein has defied all these efforts and continues to develop weapons of mass destruction. […] The conduct of the Iraqi regime is a threat to the authority of the United Nations, and a threat to peace. […] My nation will work with the U.N. Security Council to meet our common challenge. If Iraq's regime defies us again, the world must move deliberately, decisively to hold Iraq to account. We will work with the U.N. Security Council for the necessary resolutions. But the purposes of the United States should not be doubted. The Security Council resolutions will be enforced – the just demands of peace and security will be met -- or action will be unavoidable. And a regime that has lost its legitimacy will also loose its power. [...]” 958

956 Vgl. Buzbee, Sally: If Bush decides to attack Iraq, the strike could be sudden; The Associated Press, 10. Juli 2002 957 Zitiert nach Buzbee, Sally: If Bush decides to attack Iraq, the strike could be sudden; The Associated Press, 10. Juli 2002 958 Bush, George W.: President's Remarks at the United Nations General Assembly vom 12. September 2002, http:// www.whitehouse.gov/news/releases/2002/09/print/20020912-1.html (Letzter Zugriff 15. 07. 2008)

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Mit dieser Rede vor der Weltöffentlichkeit und den versammelten Staatsoberhäuptern aller Mit- gliedsstaaten der Vereinten Nationen stellte Bush klar, daß er und seine Regierung Saddam Huss- ein für eine Gefahr hielten, der man rechtzeitig begegnen müsse. Die UN seien zu lange zu ge- duldig mit Saddam gewesen. Weder Sanktionen, noch das „Öl für Lebensmittel-Programm“ der UNO, von Bush als „Zuckerbrot und Peitsche“ verniedlicht, hätten den Diktator von Bagdad in irgendeiner Art und Weise beeindruckt, statt dessen habe er weiter an der Produktion und Ent- wicklung von Massenvernichtungswaffen gearbeitet. Bush schließt dieses Kapitel dann mit der Feststellung, der Irak sei eine Bedrohung der Autorität der Vereinten Nationen und eine Bedro- hung des Friedens. Der Rede zugrunde lag ein 21 Seiten starkes Papier mit dem programmati- schen Titel “A Decade of Deception and Defiance. Saddam Hussein's Defiance of the United Na- tions”,959 in dem versucht wurde, zu zeigen, daß Saddam Hussein in den letzen 10 Jahren alles getan hatte, um “systematically and continually [...] 16 United Nations Security Council resolu- tions”960 zu verletzen. In diesem Dokument wurde daher bei diesen 16 Resolutionen des UNSC minutiös aufgeführt, wann und wie das irakische Regime dagegen verstoßen hätte. Gleichzeitig weisen die nicht näher bekannten Autoren dieser Studie im Vorwort darauf hin, daß es sich um keine vollständige Auflistung der irakischen „Schandtaten“ handeln würde.961 Die Autoren ließen schon im Vorwort keinen Zweifel an ihrer Absicht, der Welt die „Schandtaten“ des Saddam Hus- sein vorzuführen:

“[...] For more than a decade, Saddam Hussein has deceived and defied the will and resolutions of the United Nations Security Council by, among other things: continuing to seek and develop chemical, biological, and nuclear weapons, and prohibited long-range missiles; brutalizing the Iraqi people, including committing gross human rights violations and crimes against humanity; supporting international terrorism; refusing to release or account for prisoners of war and other missing individuals from the Gulf War era; refusing to return stolen Kuwaiti property; and working to circumvent the UN’s economic sanctions.[...]”962 Gleichzeitig wurde dieses Dokument an alle, in der Generalversammlung der Vereinten Nationen vertretenen, Staaten verteilt. Das Perfide an diesem Dokument ist, daß erstens nicht ersichtlich ist, wer genau die Autoren sind, zweitens nicht genau zu erkennen ist, auf welche Erkenntnisse und Quellen sich die Verfasser stützen. In jenem Dokument werden zwar Quellen angegeben, diese sind aber, bis auf wenige Ausnahmen, alles Quellen, die dem Dunstkreis der amerikani- schen Regierung entstammen und somit nicht wirklich unabhängig sind.

Der ebenfalls seit September 2002 zu beobachtende Truppenaufmarsch am Golf ließ schon da- mals keinen anderen Schluß zu als den, daß ein Krieg gegen den Irak nicht mehr eine Frage des „OB“ sondern nur noch des „WANN“ sei. Insofern, dies läßt sich ex post mit einiger Sicherheit sagen, waren die Bemühungen der Regierung Bush, diese „Krise“ – die sie mit Bushs Auftritt vor der Generalversammlung der UN selbst ausgelöst hatte – mit diplomatischen Mitteln und un- ter Einschaltung der UN zu lösen, lediglich als Zwischenspiel bis zum Beginn eines Feldzuges gegen Saddam Hussein gedacht: Die Waffeninspektoren der UNITED NATIONS MONITORING, VERIFICATION AND INSPECTION COMMISSION (UNMOVIC) um den schwedischen Diplomaten Hans Blix konnten sich noch so anstrengen, die irakische Regierung konnte sich noch so kooperativ

959 A Decade of Deception and Defiance. Saddam Hussein's Defiance of the United Nations. September 12, 2002 http://www.whitehouse.gov/news/releases/2002/09/iraqdecade.pdf (Letzter Zugriff 15. 07. 2008) 960 A Decade of Deception and Defiance. Saddam Hussein's Defiance of the United Nations. September 12, 2002, S. 2 http://www.whitehouse.gov/news/releases/2002/09/iraqdecade.pdf (Letzter Zugriff 15. 07. 2008) 961 Vgl. A Decade of Deception and Defiance. Saddam Hussein's Defiance of the United Nations. September 12, 2002, S. 2 (http://www.whitehouse.gov/news/releases/2002/09/iraqdecade.pdf (Letzter Zugriff 15. 07. 2008) ) 962 A Decade of Deception and Defiance. Saddam Hussein's Defiance of the United Nations. September 12, 2002, S. 2 http://www.whitehouse.gov/news/releases/2002/09/iraqdecade.pdf (Letzter Zugriff 15. 07. 2008)

Seite 228 “The Picture Survives” zeigen, die Würfel waren in Washington längst gefallen: Es würde zu Krieg kommen. Bis jedoch die hierfür notwendigen Kräfte vor Ort waren, konnte man der UN und einer, ob den amerikani- schen Kriegsgründen, skeptischeren Welt die Illusion lassen, diesen Waffengang doch noch ab- wenden zu können. Somit präsentierte sich das Zeitfenster vom September 2002 bis zum März 2003 als Phase hektischer Aktivität auf allen Ebenen.

Gleichzeitig begann die Administration Bush mit einer Medienkampagne, die das Ziel hatte, die amerikanische Entschlossenheit, das Regime Saddam Husseins nicht länger zu dulden, unter- streichen sollte. Diese Botschaft „America will act“ verdeutlichte Präsident Bush in einer Rede auf der amerikanischen Marinebasis Mayport in Jacksonville / Florida:

“[...] Military force is always this nation's last option. Yet if force becomes necessary to disarm Iraq and enforce the will of the United Nations, if force becomes necessary to secure our country and to keep the peace, America will act deliberately, America will act decisively, and America will act victoriously with the world's greatest military. [...]”963 Eine Rekonstruktion des amerikanischen Feldzuges gegen den Irak in den Monaten März bis April 2003 fällt zur Zeit noch schwer, da die verfügbare Literatur oftmals in sich selbst wider- sprüchlich ist und ferner noch lange kein vollständiges Lagebild der amerikanischen Operationen gegen Saddam Hussein zu liefern in der Lage ist. Oftmals basiert der Inhalt dieser Bücher auf reinen Oral-History Projekten und den After-Action Reports der beteiligten Einheiten. Diese Ma- terialbasis ist aber noch lange nicht erschöpfend und beantwortet manche Fragen, die sich bei der Lektüre aufdrängen, nicht.

6.2.2.1 Historischer Kontext

Die Geschichte der arabischen Staaten ist aufs engste mit dem Niedergang des Ottomanischen Reiches verknüpft. Im gleichen Maße, wie die türkische Herrschaft über die Region des Persi- schen Golfes abnahm, erstarkte die britische Herrschaft über diese Region.964 Die britischen Her- ren regierten allerdings nicht direkt, sondern indirekt durch einheimische, von ihnen eingesetzte, konstituionelle Monarchien. Gleichzeitig richteten die britischen Herren neue Staaten in der Golfregion ein, denen eben jene Könige vorstanden; Staaten, zu denen auch der Irak, Saudi-Ara- bien, die Vereinigten Arabischen Emirate und Kuwait zählten. Mit dieser ziemlich willkürlichen Grenzziehung schafften sie aber eine Reihe von Problemen, die das Schicksal dieser Region teil- weise noch Jahre später beeinflussen sollte:

“[...] At least twelve of the new entities that emerged on the Arabian Peninsula after World War I faced problems regarding acceptance of their borders by native inhabitants as well as neighbors. Many traditional tribal and ethnic areas, including regions crossed by nomads, were disrupted by the post-World War I borders. [...]”965

963 President Salutes Sailors at Naval Station Mayport in Jacksonville. Remarks by the President at Naval Station Mayport, Jacksonville, Florida vom 13. Februar 2003; in: http://www.whitehouse.gov/news/releases/2003/02/print/20030213-3.ht ml (Letzter Zugriff 15. 07. 2008) 964 Vgl. Schubert, Frank N; Kraus, Theresa L. [Hrsg.]: The Whirlwind War. The United States Army in Operations "Desert Shield" and "Desert Storm"; Washington, D.C. 1995, S. 3 – 5, im folgenden zitiert als Schubert; Kraus: Whirlwind War…,; Keegan, John: The Iraq War; New York 2004, S. 12 – 13, im folgenden zitiert als Keegan: Iraq War…, 965 Schubert; Kraus: Whirlwind War…, S. 3

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Erschwerend kam in jenen Tagen zwischen dem Ersten und dem Zweiten Weltkrieg der Ölreich- tum jener Region dazu, der in der zunehmend industrialisierten westlichen Welt massive Begehr- lichkeiten weckte.966

Die Geschichte des amerikanischen Engagements in der Region des Persischen Golfes reicht zu- rück bis in die Tage des Zweiten Weltkrieges, als die Logistiker der Alliierten auf der Suche nach einem Ersatz für die hart umkämpften Konvoirouten im Atlantik waren. Die Versorgung der So- wjetunion, die seit dem 2. August 1941 in die Gemeinschaft der Länder aufgenommen worden war, die von den Bestimmungen des “Lend-Lease- Act” profitierten, war von Anbeginn an eine schwierige Angelegenheit. Bedingt durch die Schwierigkeiten, zum einen genügend Schiffsraum bereitzustellen, zum anderen aber sichere Routen zu den Häfen von Archangel´sk, Murmansk und Vladivostok zu gewährleisten, suchte man schon bald nach einer sichereren und besser ge- eigneten Route. Außerdem waren die Häfen von Archangel´sk und Vladivostok nur über den Pa- zifik erreichbar, der aber zu dieser Zeit noch von japanischen U-Booten dominiert wurde. Ferner war der Hafen von Murmansk am besten über den Atlantik zu erreichen, auf dem aber zu jener Zeit die “Atlantikschlacht” schon voll entbrannt war. Die Verluste des für Murmansk bestimmten Geleitzuges PQ 17 hatten gezeigt, wie effektiv die deutschen U-Boote zu diesem Zeitpunkt die alliierten Versorgungslinien stören konnten. Man konnte es sich – vor allem aus psychologischen Gründen – auf alliierter Seite kaum leisten, die Auslieferung der wenigen, überhaupt verfügbaren Hilfsgüter noch durch Schiffsverluste im Atlantik zu gefährden.967 Daher war die Suche nach ei- ner alternativen Transportmöglichkeit für Güter, die für die Sowjetunion bestimmt waren, von höchster Wichtigkeit. Nach der Landung in Afrika und Rommels Niederlage wurde von amerika- nischer Seite nun eine Versorgungsroute quer durch Afrika über Ägypten und den Iran in die So- wjetunion betrieben.968 Dazu errichtete man ein eigenes US-Persian-Gulf-Command, gewisser- maßen der Vorläufer des heutigen CENTCOM, das, mit einer Personalstärke von bis zu 30.000 Mann, die Abwicklung der Transporte koordinieren sollte. Dieses Kommando war im Iran statio- niert, der als Transitland für diese Lieferungen fungieren sollte und deshalb bereits am 25. Au- gust 1941 von britischen und sowjetischen Truppen besetzt worden war. Einer der dort stationier- ten Soldaten war übrigens Brigadegeneral H. Norman Schwarzkopf, der Vater des späteren kom- mandierenden Generals des CENTCOM.969 Wie wenig Erfahrung die USA in dieser Region hat-

966 Vgl. Fürtig, Henner: Der irakisch-iranische Krieg. Ursachen- Verlauf - Folgen; Berlin 1992, S. 2 – 5, im folgen- den zitiert als Fürtig: Der irakisch-iranische Krieg…,; Keegan: Iraq War…, S. 18; Schubert; Kraus: Whirlwind War…, S. 5 – 6; siehe auch Marolda, Edward J.; Schneller, Robert J. Jr.: Shield and Sword. The United States Navy and the Persian Gulf War; Washington, D.C. 2001, S. 4 – 5, im folgenden zitiert als Marolda; Schneller: Shield and Sword…, 967 Zu den Hintergründen und den Schwierigkeiten zwischen den Alliierten siehe ausführlich Boog, Horst: Die Anti-Hitler-Koalition; in: Boog, Horst; Rahn, Werner; Stumpf, Reinhard; Wegner, Bernd [Hrsg.]: Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg Bd. 6. Der globale Krieg. Die Ausweitung zum Weltkrieg und der Wechsel der Alternative 1941 - 1943; Stuttgart 1990, S. 3 – 94, im folgenden zitiert als Boog: Anti-Hitler-Koalition..., siehe auch Gaddis: Origins of the Cold War..., S. 1 – 94. Zur sogenannten „Atlantikschlacht“ siehe ausführlich Rahn, Werner: Der Seekrieg im Atlantik und im Nordmeer; in: Boog, Horst; Rahn, Werner; Stumpf, Reinhard; Wegner, Bernd [Hrsg.]: Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg Bd. 6. Der globale Krieg. Die Ausweitung zum Weltkrieg und der Wechsel der Alternative 1941 - 1943; Stuttgart 1990, S. 275 – 425 im folgenden zitiert als Rahn: Seekrieg im Atlantik..., 968 Zum Afrikafeldzug Rommels und seiner Niederlage bei El Alamein siehe ausführlich Stumpf, Reinhard: Der Krieg im Mittelmeerraum 1942/43: Die Operationen in Nordafrika und im Mittleren Mittelmeer; in: Boog, Horst; Rahn, Werner; Stumpf, Reinhard; Wegner, Bernd [Hrsg.]: Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg Bd. 6. Der globale Krieg. Die Ausweitung zum Weltkrieg und der Wechsel der Alternative 1941 - 1943; Stutt- gart 1990, S. 569 – 757, im folgenden zitiert als Stumpf: Krieg im Mittelmeerraum..., 969 Vgl. Matloff, Maurice; Snell, Edwin M.: United States Army in World War II, The War Department. Strategic Planning for Coaltion Warfare, 1941 – 1942; Washington, D.C. 1966, S. 336 – 339, im folgenden zitiert als Mat- loff; Snell: United States Army in WW II..., siehe auch Vail Motter, Thomas H.: United States Army in World

Seite 230 “The Picture Survives” ten, läßt sich daran ablesen, daß das War Department keinerlei Karten von der Region besaß und in der Nah-Ost-Abteilung des State Department insgesamt 13 Beamte arbeiteten, von denen ge- rade drei einen der in diesem Winkel des Globus gesprochenen Idiome beherrschten.970 Diese Be- setzung geschah, nachdem Hitler etwa ein Jahr vorher eingeräumt hatte, „Aspirationen ... in der allgemeinen Richtung Persischer Golf“971 zu haben. Die Planungen für einen deutschen Angriff auf Afghanistan und Indien waren indes nicht weit fortgeschritten und nur in den allerersten Pla- nungsstadien. Sie kamen auch über dieses Stadium nie hinaus und waren lediglich in den Wei- sungen Hitlers zu finden.972

Die Besetzung des Iran durch England und die Sowjetunion geschah also rein präventiv – zum Schutz vor einer möglichen deutschen Invasion. Nichts konnte für England und die Sowjetunion beängstigender sein als der Gedanke, Hitler hätte nun auf einmal Zugriff auf den Persischen Golf. Aus sowjetischer Sicht bestand die Gefahr der Einkreisung, standen doch zu diesem Zeit- punkt, Ende August 1941, deutsche Truppen kurz vor Moskau. Weitere deutsche Truppen an der Südflanke der Sowjetunion waren also das wenigste, was Stalin zu diesem Zeitpunkt gebrauchen konnte. Aus britischer Sicht war der Gedanke, Hitler herrsche über den Persischen Golf, genauso besorgniserregend, wenn auch aus anderen Gründen. Großbritannien mußte fürchten, daß Hitler nun mit seiner Kriegsmarine auch den Pazifik und damit auch die britischen Verbände dort be- drohen könne.973 Außerdem wären damit die britischen Interessen in Indien direkt angreifbar ge- worden..974

Hinter all diesen Argumenten steht noch ein weitaus zutreffenderes Argument: der Iran besaß schon zu dieser Zeit erhebliche Ölvorräte. Diese Vorräte waren schon länger der Zankapfel zwi- schen dem Iran, England und Rußland. Der amerikanische Geschäftsträger in Moskau, George F. Kennan, stellt diese Ölvorkommen aber in den Kontext des sowjetischen Sicherheitsdenkens:

„[...] Das Öl Nord-Irans ist wichtig nicht als etwas, das Rußland braucht, sondern als etwas, das eine Gefahr darstellen würde, wenn man seine Förderung einem anderen überließe. Das Gebiet liegt nahe den lebenswichtigen kaukasischen Ölzentren, die im gegenwärtigen Krieg nur knapp der Eroberung entgingen. Der Kreml betrachtet es als wesentlich für die Sicherheit

War II, Vol 8. The Middle East Theater. The Persian Corridor and Aid to Russia; Washington 1952, im folgen- den zitiert als Vail Motter: The Persian Corridor…,; siehe auch Marolda; Schneller: Shield and Sword…, S. 5 970 Vgl. Schubert; Kraus: Whirlwind War…, S. 6 971 Handzik, Helmuth: Politische Bedingungen sowjetischer Truppenabzüge. Iran; Ebenhausen 1990, S. 5; im fol- genden zitiert als Handzik: Politische Bedingungen..., zu diesem Aspekt des Zweiten Weltkrieges siehe auch: Fabry, Philipp Walther: Iran, die Sowjetunion und das kriegsführende Deutschland im Sommer und im Herst 1940; Göttingen 1980, im folgenden zitiert als Fabry: Iran...,; ferner Schreiber, Gerhard: Politik und Kriegfüh- rung 1941: in: Schreiber, Gerhard; Stegemann, Bernd et al. [Hrsg.]: Das Deutsche Reich und der Zweite Welt- krieg, Bd. 3. Der Mittelmeerraum und Südosteuropa, Von der “non belligeranza” Italiens bis zum Kriegseintritt der Vereinigten Staaten; Stuttgart 1984, S. 516 – 587, hier S. 579; im folgenden zitiert als Schreiber: Politik und Kriegführung…, 972 Vgl. KTB OKW, Bd. 1, Eintragung vom 13. Juli 1941, S. 433; ferner Hubatsch, Walther: Hitlers Weisungen für die Kriegsführung 1939 – 1945. Dokumente aus dem Oberkommando der Wehrmacht; Koblenz 19832, Weisung 32, vom 11. 6. 1941, S. 129 – 134, Weisung 32 b, vom 14. 07. 1941, S. 136 – 139 973 „Fortsetzung des Kampfes gegen die britische Position im Mittelmeer und in Vorderasien.“ zitiert nach Schrei- ber: Politik und Kriegführung…, S. 579 – 580 974 So Hitler zum japanischen Botschafter Oshima: „Wenn England Indien verliert, stürzt eine Welt ein. Indien ist der Kern des englischen Empire.“ zitiert nach Hoffmann, Peter: The Gulf Region in German strategic projecti- ons, 1940 - 1942; in: Militärgeschichtliche Mitteilungen 2/88, S. 61 - 73, hier S. 70, im folgenden zitiert als Hoffmann: Gulf Region...,

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Rußlands, daß keine andere Großmacht auch nur die Chance hat, sich dort festzusetzen. [...]“975 Wenige Monate nach der Invasion vereinbarte man, die Truppen spätestens ein halbes Jahr nach Kriegsende wieder abzuziehen. Dies jedoch geschah nicht. Erste Anzeichen für die Nichteinhal- tung des Abkommens gab es schon, als der sowjetischen Außenminister Molotov auf der Konfe- renz von Jalta den Vorschlag ablehnte, den Iran früher als vereinbart zu räumen. Nach der Unter- stützung der Ausrufung eines autonomen aserbaidschanischen und kurdischen Staates im sowje- tisch besetzten Teil des Iran stellte auch Stalin selbst den rechtzeitigen Abzug in Frage.

In den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg spielt die Golfregion in den außenpolitischen Planun- gen und stragischen Erwägungen eine – mit Ausnahme des Iran – eher untergeordnetete Rolle. Kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges geriet der Iran in den Fokus des amerikanischen Interesses: Der vereinbarte Abzugstermin der sowjetischen und amerikanischen Truppen aus dem Iran war der 2. März 1946. Dieser Termin wurde von der Sowjetunion nicht eingehalten, sie ver- stärkte im Gegenteil noch ihre Präsenz in ihrem Teil des Landes. Erst nach massiven Druck durch die USA und durch die gerade erst neugeschaffenen Vereinten Nationen zog sich die So- wjetunion schließlich zurück.

Mit dem Abzug der Sowjetunion richtete sich auch der Fokus der amerikanischen Außen- und Sicherheitspolitik auf andere Teile der Welt. Die Golfregion versank für die nächsten Jahre in ei- ner Art Dornröschenschlaf. Einzig der Iran und Saudi-Arabien genossen noch ein wenig ameri- kanische Aufmerksamkeit. Die Wurzeln der amerikanischen Unterstützung des Iran liegen aber dennoch in jenen ersten Jahren nach Entstehung des Kalten Krieges. 1954 wurde die Regierung von Premierminister Mohammed Mossadegh mit amerikanischer Unterstützung gestürzt. Für ei- nige westliche Ölkonzerne bot sich hier die Chance, wieder ins Geschäft zu kommen, nachdem im September 1951 die bis dahin dominierende Ölgesellschaft verstaatlicht worden war. Die Si- cherung von Ressourcen gehörte hierbei zu den Grundpfeilern der amerikanischen Strategie in Nahost: Diese beruhte in der Hauptsache darauf, zwei regionale Machtzentren, eben Iran und Saudi-Arabien, herauszubilden und zu fördern. Diese beiden Machtzentren sollten, so das ameri- kanische Kalkül, die Stabilität der Region gewährleisten und so die Interessen der USA in der Region zu schützen. Desweiteren war ein den USA wohlgesonnener Iran, gemäß der Logik des Kalten Krieges, von eminenter Wichtigkeit, wollte man die Sowjetunion, den nördlichen Nach- bar des Iran, von einem Zugang zur Region des Persischen Golfes fernhalten.976

Das amerikanische Engagement am Persischen Golf beschränkte sich daher lange Jahre auf die Unterstützung dieser beiden Staaten. Insbesondere Saudi-Arabien profitierte enorm von den amerikanischen Anstrengungen, diesen Staat zu stabilisieren. Erst als sich Ende der 1970er Jahre die politische Lage in der Golfregion dramatisch verschlechterte, von einem Krisenjahr 1979 zu sprechen, ist, angesichts der damaligen Ereignisse, sinnvoll, schenkten die USA dieser Region mehr Aufmerksamkeit: Auf der anderen Seite des Roten Meeres wurde aus Äthiopien ein marxis- tischer Staat, der beinahe sofort einen Krieg gegen den Sudan begann. Die Unruhen, die den Iran das ganze Jahr 1978 erschüttert hatten, führten in den ersten Monaten des Jahres 1979 zum Sturz des Schah-Regimes und zu der blutig verlaufenden islamischen Revolution, an deren Ende Aya- tollah Khomenei, aus seinem Pariser Exil heimgekehrt, die Regierung übernahm. Im Laufe der Revolution im Iran besetzten Studenten die amerikanische Botschaft und nahmen die dort aus- harrenden Amerikaner als Geiseln. Im November des gleichen Jahres stürmte eine radikal-isla-

975 Zitiert nach Handzik: Politische Bedingungen..., S. 21, siehe auch S. 10, 12 976 Vgl. Schubert; Kraus: Whirlwind War…, S. 7 – 12; Marolda; Schneller: Shield and Sword…, S. 7

Seite 232 “The Picture Survives” mische Gruppe die große Moschee in Mekka. Zu all dem kam dann noch in den Weihnachtstagen die sowjetische Invasion in Afghanistan hinzu. Innerhalb eines Jahres hatte sich die sicherheits- politische Lage in dieser Region dermaßen verschlechtert, daß die amerikanische Regierung ihre gesamte Nah-Ost-Politik überdenken mußte.977 Präsident Carter kündigte diesen Politikwechsel in seiner Rede zu Lage der Nation am 25. Januar 1980 an, indem er den Persischen Golf zur vita- len Interessenssphäre der USA erklärte:

“[...] The region which is now threatened by Soviet troops in Afghanistan is of great strategic importance: It contains more than two-thirds of the world's exportable oil. The Soviet effort to dominate Afghanistan has brought Soviet military forces to within 300 miles of the Indian Ocean and close to the Straits of Hormuz, a waterway through which most of the world's oil must flow. The Soviet Union is now attempting to consolidate a strategic position, therefore, that poses a grave threat to the free movement of Middle East oil. […] Let our position be absolutely clear: An attempt by any outside force to gain control of the Persian Gulf region will be regarded as an assault on the vital interests of the United States of America, and such an assault will be repelled by any means necessary, including military force. [...]”978 Diese als „Carter Doktrin“ bekannt gewordene Politik führte zu einem Ausbau der militärischen Bündnisse vor Ort. Bereits im Oktober 1979 wurde eine “Rapid Deployment Task Force” aufge- stellt, die ab März 1980 auch unter diesem Namen firmierte. Diese Schnelle Eingreiftruppe sollte zum Nucleus des späteren amerikanischen “US Central Command” (CENTCOM) werden.979 Dieser schnellen Eingreiftruppe unterstanden aber, anders als bei solchen Krisenreaktionskräften, keine Truppen. Sie stellte als eine Art regionales Hauptquartier nur das Planungspersonal und grundlegende Kenntnis der Geographie für die Planung größerer Operationen. Ein sichtbareres Zeichen der Carter-Doktrin war eine gemeinsame Übung der ägyptischen Armee mit einem Ba- taillon der 101st Airborne Division in der ägyptischen Wüste, an der auch jene “Rapid Deploy- ment Task Force” teilnahm.980

Ebenfalls im Kontext der iranischen Revolution muß der 1. Golfkrieg981 gesehen werden. Der westliche Nachbarstaat des Iran, der Irak, wurde, obwohl mehrheitlich von schiitischer Religi- onszugehörigkeit, von der sunnitischen Minderheit unter der Baath-Partei und Saddam Hussein regiert. Gleichzeitig versuchte der überwiegend schiitische Nachbar Iran, seine Revolution auf den Irak auszudehnen. Um dieser Revolution im eigenen Land zuvorzukommen, entschloß sich Saddam Hussein, obwohl selbst nie Soldat, als Oberbefehlshaber zu einem Präventivschlag ge- gen den Iran.982 Ein Präventivschlag gegen den Iran würde, so seine Kalkulation, bei den dort herrschenden nachrevolutionären Wirren ein leichtes und vergleichsweise gefahrloses Unterfan- gen sein. Ferner nahm Saddam Hussein die strittige Grenzfrage im Süden, entlang des Shat-el- Arab, als Kriegsgrund.983 Verstärkt wurde diese Gemengelage durch die kaum verdeckten iraki- 977 Vgl. Schubert; Kraus: Whirlwind War…, S. 12 – 14 978 Zitiert nach http://www.jimmycarterlibrary.gov/documents/speeches/su80jec.phtml (Letzter Zugriff 15. 07. 2008), siehe auch Marolda; Schneller: Shield and Sword…, S. 13 979 Vgl. Powell: Mein Weg…, S. 472 – 473; Schubert; Kraus: Whirlwind War…, S. 16 – 17 980 Vgl Marolda; Schneller: Shield and Sword…, S. 16 – 17; Schubert; Kraus: Whirlwind War…, S. 15 981 An dieser Stelle scheint eine Definition der Golfkriege sinnvoll: 1. Golfkrieg, 1980 – 1988, Krieg zwischen dem Irak und dem Iran; 2. Golfkrieg, 1991, Krieg der Vereinten Nationen gegen den Irak; 3. Golfkrieg, 2003, Krieg der USA zur „Befreiung“ des Irak. 982 Vgl. Fürtig, Henner: Der irakisch-iranische Krieg 1980 – 1988; in: Greiner, Bernd; Müller, Christian Th.; Wal- ter, Dierk [Hrsg.]: Heiße Kriege im Kalten Krieg; Hamburg 2006, S. 376 – 407, hier S. 376, im folgenden zitiert als Fürtig: Irakisch-iranischer Krieg…, 983 Zu den weiteren Hintergründen und Ursachen des irakisch-iranischen Krieges siehe Fürtig: Der irakisch-irani- sche Krieg…,; insbesondere zu irakischen Innenpolitik siehe Farouk-Slagett, Marion; Slugett, Peter: Iraq since 1958. From Revolution to Dictatorship; London, New York 2003, S. 187 – 190, 200 – 206, im folgenden zitiert als Farouk-Slugett: Iraq since 1958…,; Schubert; Kraus: Whirlwind War…, S. 15 – 16

Seite 233 “The Picture Survives” schen Großmachtambitionen. So erklärte Sadam Hussein beispielsweise im Januar des Jahres 1980: “We want our country to achieve its proper weight based on our estimates that Iraq is as great as China, as great as the Soviet Union, and as great as the United States.”984

Am 22. September 1980 begann die irakische Offensive gegen den Iran. Die irakische Luftwaffe griff zum einen Ziele in der Nähe der gemeinsamen Grenze, aber auch zivile Ziele in Täbris und der Hauptstadt Teheran an. Gleichzeitig traten neun irakische Heeresdivisionen zum Angriff an. Im Gegensatz zu Husseins Planungen verliefen die Bodenoperationen viel langsamer, mühevol- ler und zäher. Der iranische Widerstand war stärker als gedacht und angenommen. Von einer Ver- unsicherung durch die innenpolitische Situation des Iran konnte bei den Verteidigern keine Rede sein.985 Konnten auf dem flachen Land zuerst noch Geländegewinne erzielt werden, gelang die Einnahme der am nächsten zur Grenze gelegenen Stadt, Khorramsshar, nach harten und schwe- ren Straßenkämpfen erst am 24. Oktober. Allein die Eroberung Khorramsshars kostete 7000 ira- kischen Soldaten das Leben.986 Die Geländegewinne beliefen sich am 19. Dezember 1980 auf 14000 km2, damit war gleichzeitig der Höhepunkt des irakischen Vormarsches erreicht.987 Zu Be- ginn des Jahres 1981 war der Krieg faktisch zum Stillstand gekommen. Diese Pattsitation sollte sich erst auflösen, als der Iran zum Jahresbeginn 1982 in der Lage war, zum Gegenschlag auszu- holen. Dies wurde dadurch ermöglicht, daß sich das Chaos der Revolution soweit gelegt hatte, daß die klerikalen Kräfte im Iran die Oberhand gewinnen und in die Offensive gehen konnten. Das Heft des Handelns lag damit nicht mehr bei der irakischen, sondern bei der iranischen Ar- meeführung. Dieser gelang es, in mehreren Operationen zwischen Februar und März 1982, die irakischen Aggressoren hinter die Ausgangslinie ihrer Angriffsoperation zurückzudrängen.988

Beide Kriegsparteien unterschätzten jeweils die einigende Kraft eines Angriffes auf das gegneri- sche Land. In einem solchen Fall, dies zeigt schon der bekannte Präzedenzfall der französischen Revolution, stellt sich die gesamte Bevölkerung – egal ob sie mit der Politik und den Lebensbe- dingungen in ihrem Heimatland zufrieden ist oder nicht – hinter die amtierende Regierung. Schließlich wird nicht nur die Regierung, sondern auch das Heimatland, der russische Begriff „rodina“ beschreibt dies besonders gut, Ziel eines Angriffes von außen: „selbst „Konterrevolu- tionäre“ [und andere Staatsfeinde] waren in der Regel Patrioten.“989 In dem Moment, in dem die „rodina“ angegriffen wird, sind die innenpolitischen Konflikte und Brüche in der Gesell- schaft nicht mehr wichtig. Gleichzeitig zeigt dies auch, welchen Stellenwert dieser so schwer zu definierende Begriff der „Nationalen Identität“ in einem Gemeinwesen hat. Daran ist aber auch in Ansätzen schon die Macht der Presse, diese Nationale Identität zu fördern und zu definieren, erkennbar. Ohne eine entsprechende flammende Propaganda ging die Vaterlandsliebe der meis- ten dann doch nicht so weit, ihre Existenz, sowohl materiell als auch physisch, für das Vaterland zu opfern.

Saddam Hussein unterschätzte dieses Moment bei seinen Planungen vollkommen: Sein auf die vermeintliche Schwäche und schnelle Geländegewinne setzender Plan scheiterte an diesem Wi- derstand. Als nun aber seinerseits Khomeini und seine Getreuen zum Angriff übergingen – in ih- ren Augen bot sich damit die einmalige Chance, die iranische islamische Revolution militärisch

984 Zitiert nach Murray, Williamson; Scales, Robert H.: The Iraq War. A Military History; Cambridge / Mass., Lon- don 2003, S. 27 – 28, im folgenden zitiert als Murray; Scales: Iraq War…, 985 Vgl. Fürtig: Der irakisch-iranische Krieg…, S. 67 986 Zahlen entnommen aus Keegan: Iraq War…, S. 62 987 Vgl. Keegan: Iraq War…, S. 61 – 62, Fürtig: Irakisch-iranischer Krieg…, S. 377 988 Vgl. Fürtig: Irakisch-iranischer Krieg…, S. 378 989 Fürtig: Irakisch-iranischer Krieg…, S. 378

Seite 234 “The Picture Survives” zu exportieren – unterschätzten sie ebenfalls die Macht der Nation bzw. der Nationalen Identität. Die Glaubensbrüder der schiitischen Mehrheit im Irak sahen sich, mit dem iranischen Gegenan- griff konfrontiert, in erster Linie als Iraker, die sich jetzt, in der Stunde des größten Not, hinter ihrer Führung scharte. Der gemeinsame Glaube mit den Aggressoren spielte hierbei nur eine un- tergeordnete Rolle. Die iranischen Geländegewinne bei dieser Gegenoffensive waren dabei nur minimal, aber unter hohem Blutzoll erkauft.990

Der Krieg wandelte sich nun in den Jahren zwischen 1982 und 1987 von einem Bewegungskrieg zu einem reinen Stellungs- und Abnutzungskrieg. Die jeweils erzielten Geländegewinne waren kaum messbar, aber unter hohen Verlusten erreicht worden. Gerade auf der iranischen Seite stie- gen die Verlustzahlen rasant und scheinbar unaufhörlich. Der Umstand aber, daß der Iran über ungleich größere Ressourcen an „Menschenmaterial“ verfügte und es verstand, seine Bevölke- rung in die Kriegsanstrengungen besser einzubinden und ihre Leidensfähigkeit zu erhöhen, löste in Bagdad die Sorge aus, man hätte diesen Faktoren auf Dauer nichts entgegenzusetzen. Daher entschlossen sich die Generäle in Bagdad zu den Mitteln der unkonventionellen Kriegsführung zu greifen: Dem sogenannten „Krieg der Tanker“ und dem sogenannten „Krieg der Städte“.991

Der „Krieg der Tanker“ richtete sich gegen den iranischen Erdöltransport und war damit nichts anderes als ein klassischer Handels- bzw. Seekrieg, allerdings ohne die umfangreichen Regelun- gen des Prisenrechts.992 Dieser Kriegsführung wohnte aber von Anbeginn an, wie später zu zei- gen sein wird, die Gefahr einer Internationalisierung des Konfliktes inne. Irakische Schläge ge- gen den iranischen Erdölhandel wurden erstmals im Herbst 1983 geführt, als irakische Kampf- flugzeuge das iranische Erdölterminal in Kharq angriffen. Später richteten sich diese Angriffe vermehrt gegen iranische Schiffe. Gerade diese Angriffe schadetem dem Iran doppelt: Zum einen gingen mit jedem angegriffenen Tanker die iranischen Devisengewinne aus dem Erdölhandel zu- rück, zum anderen aber stiegen die Versicherungsprämien für iranische Erdöltanker in astronomi- sche Höhen. Ingsamt griffen die Iraker 334 Tankschiffe bis zum Jahr 1987 an. Die iranischen Vergeltungsmaßnahmen trafen aber kaum irakische Schiffe, da der Irak über keine nennenswerte Handelsflotte verfügte, so daß der Iran stattdessen die Schiffe der irakischen Verbündeten an- griff. Diese Schiffe gehörten aber Reedereien in den Mitgliedsstaaten des Golf-Kooperationstra- tes. Da aber auf diesen Schiffen der größte Teil des im Westen benötigten Öls transportiert wur- de, wuchs die Bereitschaft dieser Staaten, ihre Schiffe durch eigene Kriegsschiffe bewachen zu lassen. So wurden beispielsweise alle unter kuwaitischer Flagge laufende Tanker 1987 umge- flaggt: Sie liefen nun unter amerikanischer Flagge. Dies hatte zur Folge, daß von diesem Zeit- punkt an Angriffe auf kuwaitische Tanker automatisch auch Angriffe auf amerikanische Handels- schiffe waren und dementsprechend geahndet wurden. Nach den ersten Zwischenfällen dieser Art entsandten die Vereinigten Staaten Kriegsschiffe, die die Aufgabe hatten, den Geleitschutz für die Tanker bis zum Verlassen der Straße von Hormus sicherzustellen. Die iranischen Angriffe auf kuwaitische Tankschiffe sind ferner als Vergeltung für die kuwaitische Unterstützung des Irak zu werten.993

990 Vgl. Fürtig: Irakisch-iranischer Krieg…, S. 378 991 Vgl. Fürtig: Irakisch-iranischer Krieg…, S. 378 – 379 992 Zur Seekriegsführung gemäß Prisenrecht siehe Oberkommando der Kriegsmarine [Hrsg.]: Marine Dienstvor- schrift Nr. 435/1, Seekriegsrechtliches Sammelheft, Heft 1, Prisenordnung mit Kommandantenanweisungen, Berlin 1940, ferner Scheuner, Ulrich: Prisenrecht; in: Schlochauer, Hans-Jürgen; Strupp, Karl [Hrsg.]: Wörter- buch des Völkerrechts, Bd. 2; Berlin 1961, S. 794 – 802 und Scheuner, Ulrich: Seekriegsrecht; in: Schlochauer, Hans-Jürgen; Strupp, Karl [Hrsg.]: Wörterbuch des Völkerrechts, Bd. 2; Berlin 1962, S. 229 – 237 993 Vgl. Fürtig: Irakisch-iranischer Krieg…, S. 379; Keegan: Iraq War…, S. 67; Marolda; Schneller: Shield and Sword…, S. 32 – 40; siehe auch http://www.globalsecurity.org/military/ops/earnest_will.htm (Letzer Zugriff 15.07.2008)

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Der „Krieg der Städte“ richtete sich zum einen gegen kriegswichtige iranische Industrieanlagen und zum anderen direkt gegen die iranische Zivilbevölkerung in den Städten. Ziel dieser Taktik sollte es sein, ein Waffenstillstandsabkommen mit Teheran herbeizubomben. Von irakischer Seite feuerte man mit Mittelstreckenraketen, vom – im 2. Golfkrieg zu einiger Berühmtheit gelangten – Typ „Scud“ und mit Granaten auf iranische Städte.994 Diese „Scud“, ursprünglich eine sowjeti- sche Konstruktion der späten 50er Jahre, die im Prinzip auf der deutschen V-2 basierte, war schon nach damaligen Maßstäben ein vollkommen veraltetes und ineffizientes Waffensystem. Die Iraker hatten jedoch die Scud verbessert, indem sie aus einer einstufigen Rakete eine zwei- stufige machten, der Einfachkeit halber hatte man einfach zwei Scuds mit den Enden aneinander- geschweißt, was die Reichweite steigerte, nicht aber unbedingt der Verbesserung der Treffsicher- heit diente995: „Wenn eine Scud nicht mehr als drei Kilometer vom Ziel entfernt einschlug, wurde das als Treffer verbucht.“996 Eine Zielgenauigkeit von drei Kilometern klingt nicht gerade beein- druckend, da die Scud aber gegen Städte eingesetzt wurde, relativierte sich diese vermeintliche Ziel(un)genauigkeit. In diesem Fall wurde auch die geringe Zielgenauigkeit zur Kriegswaffe. Er- zeugte sie doch aus der Unberechenbarkeit eines Einschlages heraus ein Gefühl der Unsicherheit, das noch durch zwei weitere Faktoren verstärkt wurde: Zum einen wurde die Scud, auch da sie billig war, in größeren Mengen abgeschossen. Zum anderen war sie in der Lage, auch mit biolo- gischen oder chemischen Kampfstoffen versehene Sprengköpfe zu tragen.997 Eine solche Waffe, in dieser Art und Weise eingesetzt, erzeugt in der Zivilbevölkerung Angst. Eine Angst, die sich in der irakischen Kalkulation irgendwann gegen die iranische Regierung richten mußte und diese zu Zugeständnissen in Form eines Waffenstillstandsabkommens bewegen mußte. Auch hier hätte ein Blick in die Geschichtsbücher den Verantwortlichen zeigen können, daß diese Art des strate- gischen Luftkrieges nicht erfolgreich sein könnte. Dies hatten die Bombardements des Zweiten Weltkrieges gezeigt: die Zivilbevölkerung in Deutschland und England wandte sich weitestge- hend nicht gegen ihre Regierung.998

Neben dem Kontext der iranischen Revolution muß der 1. Golfkrieg auch im Kontext des Kalten Krieges und des alten Leitspruches, nach dem der „Feind meines Freundes mein Freund ist“, ge- sehen werden. Bis zum Sturz des Schahs gehörte der Iran zur Einflußsphäre des Westens und der USA. Folglich gehörte der Irak, spätestens seit der Unterzeichnung eines Freundschaftsvertrages von 1972, zum Einflußbereich der UdSSR. In der Folge des Erdölbooms von 1973 lockerten sich aber die engen Beziehungen zur UdSSR schrittweise. Die Freiheiten, die sich Saddam gegenüber dem großen Bruders UdSSR herausnahm, mögen zwar einigen Unbill in Moskau provoziert ha- ben, blieben aber ohne weitreichende Konsequenzen. Erst der irakische Angriff auf den Iran, den Saddam befahl, ohne Moskau im vorab zu informieren, führte zu einer nachhaltigen Verschlech- terung der Beziehungen. Moskau bestrafte den unbotmäßigen Verbündeten in Bagdad mit einem Waffenembargo und brandmarkte ihn mehrmals als Aggressor. Gleichzeitig begann Moskau nun intensiver in Kontakt mit den Mullahs in Teheran zu treten.999 Moskau steckte aber in einer ex- trem heiklen politischen Zwickmühle: Das neue Regime in Teheran reagierte insgesamt auf die sowjetischen Avancen sehr abweisend und trug seine anti-kommunistische Einstellung offen zur Schau. Streng genommen war das Verhalten der Mullahs gegenüber Moskau extrem feindselig, 994 Vgl. Fürtig: Der irakisch-iranische Krieg…, S. 83 995 Vgl. Keegan: Iraq War…,, S. 79; Powell: Mein Weg…, S. 530 996 Powell: Mein Weg…, S. 530 997 Vgl. Fürtig: Irakisch-iranischer Krieg…, S. 379 998 Siehe hierzu ausführlich Boog, Horst: Der Anglo-Amerikanische strategische Luftkrieg über Europa und die Deutsche Luftverteidigung; in: Boog, Horst; Rahn, Werner; Stumpf, Reinhard; Wegner, Bernd [Hrsg.]: Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg Bd. 6. Der globale Krieg. Die Ausweitung zum Weltkrieg und der Wechsel der Alternative 1941 - 1943; Stuttgart 1990, S. 429 – 565, im folgenden zitiert als Boog: Luftkrieg..., 999 Vgl. Fürtig: Irakisch-iranischer Krieg…, S. 380 – 382

Seite 236 “The Picture Survives” unterstützte man doch die Mudjaheddin im Kampf gegen die sowjetischen Invasoren in Afgha- nistan und versuchte, die Muslime in den angrenzenden Sowjetrepubliken zum Aufstand gegen Moskau anzustacheln. Gleichzeitig konnte Moskau aber unter keinen Umständen vollständig mit Saddam brechen, da ihn dies nur direkt in die Arme der Vereinigten Staaten und damit in die Arme des großen Gegners getrieben und das Gleichgewicht zwischen beiden Ländern verändert hätte. Auf keinen Fall wollte man den Fehler, den man in Ägypten mit Sadat gemacht hatte, wie- derholen. Da man aber wegen des politisch notwendigen Embargos keine Waffen mehr direkt an Saddam liefen konnte, ging man den eleganten Weg über die Mitgliedsstaaten im Warschauer Pakt. Ihnen wurde gestattet, Waffen an den Irak zu verkaufen oder an sie adressierte sowjetische Waffenlieferungen an Saddam umzuleiten.1000 Zu Beginn des Krieges stand Saddam Hussein noch auf der amerikanischen Liste der Staatsoberhäupter, die im Verdacht standen, den interna- tionalen Terrorismus zu unterstützen. Da aber – hier kommt das oben genannte Motto deutlich zum Tragen – die meisten Feinde des Irak auch die Feinde der USA waren, schien es für die Ver- einigten Staaten von Vorteil zu sein, den Irak zu unterstützen.1001 Ferner hatten die Vereinigten Staaten letzten Endes auch keine andere Wahl als die Unterstützung des Irak: Die Wunden, die die Ereignisse in Teheran geschlagen hatten, waren noch zu frisch. Hinzu kam noch, daß den USA mit dem Aufstieg Ayatollah Khomeinis ein neuer Erzfeind erwachsen war, dessen Wortge- walt “even outclassed Osama bin Laden in his vituperative attacks on the west.”1002

Der Krieg endete am 18. Juli 1988 mit einer Mitteilung Teherans an die Vereinten Nationen, daß man bereit wäre, die Resolution Nr. 598 des Sicherheitsrates und ihre Bedingungen zu akzeptie- ren. Ursächlich hierfür war die Tatsache, daß der „Krieg der Städte“ am Ende in seiner Strategie der Ermüdung doch erfolgreich war. Die dauerhaften irakischen Angriffe auf die Städte hatten ihre Spuren hinterlassen. Hinzu kam, daß die iranischen Verluste irgendwann so groß waren, daß sie längerfristig die Existenz des iranischen Volkes gefährdet hätten: Von 9 Millionen Männern im wehrfähigen Alter war eine Million gefallen. Gleichzeitig hatte Saddam Hussein eine erneute Offensive gestartet, der das ausgeblutete, erschöpfte und demoralisierte Land nichts mehr entge- genzusetzen hatte.1003

Letzten Endes entpuppte sich aber der irakische Versuch, über die Angriffe auf die iranischen Erdölterminals im Persischen Golf und auf die Tankschiffe, den Gegner auf diese Weise zur Ka- pitulation zu bringen, als Bumerang. Die Hoffnung, mit dieser Taktik den Iran wenigstens wirt- schaftlich in die Knie zu zwingen, erfüllte sich nicht: Die iranischen Exporte sanken zwar, aber nicht in dem Maße wie für eine entscheidende wirtschaftliche Schwächung notwendig gewesen wäre. Die irakischen Kriegskosten konnten aber über das wenige Öl, das exportiert werden konn- te, kaum gedeckt werden. Bald schon lagen die monatlichen Kriegskosten bei einer Milliarde US-Dollar. Fest stand ebenfalls ziemlich bald, daß der Irak sich diesen Krieg nicht mehr länger würde leisten können, wenn keine Unterstützung von außen käme. In dieser Situation waren die anderen Anrainerstaaten des Golfes nur zu gerne bereit, Saddam finanziell unter die Arme zu greifen: “The small Gulf States, terrified that Iran might infect their populations with anti-mon- archist and fundamentalist feeling, increased their donations to Iraq's war chest, eventually to the tune of $25 billion.”1004 In Verbindung mit diversen anderen finanziellen Zuwendungen der Golf-Staaten, allen voran von Kuwait und Saudi-Arabien, hatte Saddam bei Kriegsende ungefähr

1000 Vgl. Fürtig: Irakisch-iranischer Krieg…, S. 382 1001 Vgl. Keegan: Iraq War…, S. 66 – 67 1002 Murray; Scales: Iraq War…, S. 29 1003 Vgl. Keegan: Iraq War…, S. 68 – 69 1004 Keegan: Iraq War…, S. 66

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100 Milliarden Dollar Schulden angehäuft. Hinzu kamen noch geschätzte Wiederaufbaukosten von 230 Milliarden Dollar. Im Gegensatz dazu lag das jährliche Staatseinkommen durch das ira- kische Öl bei 13 Milliarden Dollar. De facto war der Irak also bei Kriegsende bankrott.1005

Saddam hatte zwar den Krieg gewonnen, die Schlacht aber verloren. Dies hatte zur Folge, daß sein Sieg immer mehr den Beigeschmack eines Phyrrus-Sieges bekam. Er konnte also nur weiter an der Macht blieben, wenn seine Gläubiger, allen voran der Emir von Kuwait als Hauptgläubi- ger, bereit waren, auf das irakische Flehen nach mehr Zeit zur Rückzahlung seiner Schulden ein- zugehen. Hussein hatte sich damit aber auf Gedeih und Verderb dem Wohlwollen seiner Gläubi- ger ausgeliefert. Ob Saddam Hussein sich dieser Tatsache so recht bewußt war, darf bezweifelt werden. Sein Verhalten gegenüber seinen Gläubigern spricht jedenfalls nicht dafür. Aus seiner Sicht hatte ja er, anstelle seiner Gläubiger, im Kampf mit dem Iran verhindert, daß jene antimon- archistischen und fundamentalistischen Strömungen auf diese Länder übergriffen. Dankbarkeit für sein Opfer konnte Saddam billigerweise nicht erwarten, dafür hoffte er aber auf Verständnis für seine Zahlungsschwierigkeiten. Seine Gläubiger hatten mit solchen Worten wie „Dankbar- keit“ oder „Verständnis“ nicht viel im Sinn – sie wollten lediglich ihr Geld zurück.1006

In dieser Situation verfiel Saddam auf die Idee, nicht nur den Erlaß seiner Schulden, sondern noch zusätzliche 30 Milliarden Dollar für den Wiederaufbau seines Landes zu fordern. Damit setzte er aber eine Spirale aus zunächst singulären Ereignissen in Gang, die dazu führten, daß sich das politische Klima am Persischen Golf immer mehr verschlechterte. Saddams Gläubiger, die zunehmend Zweifel an seinem Willen und auch an seinen Möglichkeiten, ihre Forderungen zu begleichen, hegten, begannen nun damit – entgegen den Absprachen innerhalb der OPEC1007 – ihre Erdölfördermengen zu erhöhen. Dadurch kam es aber zu einem massiven Verfall des Ölprei- ses auf dem Weltmarkt. Dies hatte wiederum zur Folge, daß die irakischen Ölverkäufe auf dem internationalen Markt immer weniger Erlös brachten. Der Emir von Kuwait, aus einer vermeint- lichen Position der Stärke heraus agierend, machte aber deutlich, daß er nicht gewillt sei, die Öl- förderung zu reduzieren, neue Kredite zu gewähren und daß er auf einer Rückzahlung der iraki- schen Schulden bestehe.1008

Verschärft wurde dieser Konflikt durch einen schon latent vorhandenen Konflikt mit Kuwait, der seinen Ursprung in der Geschichte der Golfregion hat. Zur Zeit der seit dem 16. Jahrhundert re- gierenden Ottomanen war Kuwait ein Teil der Provinz Basra. Später, unter britischer Herrschaft, wurde Kuwait de facto unabhängig von der ottomanischen Herrschaft. Nach dem Ende des briti- schen Mandates begannen in der politischen Elite des Iraks die Begehrlichkeiten in Sachen Ku- wait zu wachsen. Ursache hierfür war der Ölreichtum Kuwaits, der zudem noch in Ölfeldern ent- lang der gemeinsamen Grenze zu finden war. Ferner verfügte das kuwaitische Staatsgebiet über eine wesentlich längere Küstenlinie mit mehr Häfen als der Irak.1009 Diese beiden Faktoren führ- ten zusammengenommen zu einer explosiven Gemengelage, bei der der geringste Funke genüg- te, um dieses Pulverfaß im Nahen Osten zur Explosion zu bringen.

Im Juli 1990 erhöhte Saddam Hussein den Druck auf das „Pulverfaß“ erneut. Er schickte seinen Außenminister Tarek Aziz vor, der die Problemlage und die irakische Sicht der Dinge der Arabi- schen Liga vortragen sollte. Nach irakischer Auffassung hätten Kuwait und die Vereinigten Ara-

1005 Vgl. Fürtig: Der irakisch-iranische Krieg…, S. 89 – 91; Keegan: Iraq War…, S. 68 – 69, 71 1006 Vgl. Keegan: Iraq War…, S. 70 – 71 1007 OPEC = Organisation of Petroleum Exporting Countries 1008 Vgl. Keegan: Iraq War…, S. 71; Young; Jesser: Media and the Military..., S. 161 – 162 1009 Vgl. Murray; Scales: Iraq War…, S. 17 – 21; Keegan: Iraq War…, S. 71 – 73

Seite 238 “The Picture Survives” bischen Emirate durch ihre Überproduktion an Öl zu den hohen Verlusten im Ölgeschäft beige- tragen und damit die kritische Finanzsituation des Irak mit heraufbeschworen. Der Irak hätte schließlich den irakisch-iranischen Krieg auch deshalb ausgefochten, um das gesamte arabische Lager vor dem Regime in Teheran zu schützen:

“[...] How can these amounts be regarded as Iraqi debts to its Arab brothers when Iraq made sacrifices that are many times more than these debts in terms of Iraqi resources during the grinding war and offered rivers of blood of its youth in defence of the (Arab) nation's soil, dignity honour and wealth? [...]”1010 Nach diesen eher diplomatischen Schritten bezog Sadam in einer Fernsehansprache am 17. Juli sehr klar Position: “Raising our voices against the evil of overproduction is not the final resort if the evil continues. There should be some effective act to restore things to their correct positions.”1011 Das Datum dieser Ansprache war auch nicht zufällig gewählt, es war der 22. Jah- restag der sogenannten Baath-Revolution, mit der Saddam an die Macht gekommen war. Diese Fernsehansprache war auch nur der öffentlich sichtbare Teil einer Kampagne, um die irakische Position unmißverständlich darzulegen. Im Klartext hieß dies nichts anderes, als daß der Irak keinen Krieg zur Klärung der strittigen Fragen wolle, im Notfall aber bereit sei, diesen Schritt zu gehen. Der nicht öffentliche Teil dieser Kampagne war eine Botschaft an die kuwaitische Regie- rung, in der Saddam Hussein die Stabilisierung des Ölpreises, den Verzicht auf die Rückzahlung der Kriegskredite, die Schaffung eines arabischen Marschall-Plans zum Wiederaufbau des Irak forderte. Falls der Emir von Kuwait sich weigere, müsse Saddam sich effektivere Schritte vorbe- halten. Diese Botschaft war auch in einem Brief an den amerikanischen Präsidenten George Bush1012 enthalten, den Saddam Hussein am 25. Juli der amerikanischen Botschafterin in Bagdad, April Glaspie, übergab. Gleichzeitig begann aber der Aufmarsch mehrerer irakischer Divisionen an der irakisch-kuwaitischen Grenze.1013

Am 2. August 1990 überschritten drei Divisionen der Republikanischen Garden, der kampfer- probten irakischen Elite-Truppen, die iranisch-kuwaitische Grenze und besetzten in kürzester Zeit das ganze Land. Die 16.000 Mann der kuwaitischen Nationalgarde wurden ohne große Ge- legenheit zu Gegenwehr im wahrsten Sinne des Wortes beiseite gefegt. Saddam hatte damit seine Drohungen wahr gemacht und Kuwait kurzerhand als 19. Provinz annektiert. Die Angst der rest- lichen Welt bestand nicht so sehr darin, daß Saddam Hussein seine Forderungen untermauern und konsolidieren, sondern sie noch massiv ausweiten könnte: Immerhin standen die vordersten Einheiten der Republikanischen Garde an der kuwaitisch-saudi-arabischen Grenze. Neben Saudi- Arabien lagen damit die restlichen Emirate am Persischen Golf, Bahrein, Katar und die Vereinig- ten Arabischen Emirate, in der Richtung eines möglichen weiteren irakischen Vorstoßes. Damit wurde auch beinahe die Hälfte der weltweit bekannten Erdölvorkommen von Saddam bedroht. Der irakische Einmarsch in Kuwait hatte eine Flüchtlingswelle zur Folge: 300.000 Kuwaitis suchten in Saudi-Arabien Schutz vor den irakischen Besatzern.1014

Diese irakische Aktion hatte eine lange Reihe von Reaktionen in aller Welt zur Folge. Noch am Tag der Invasion in Kuwait trat in New York der Weltsicherheitsrat zusammen und verurteilte

1010 Zitiert nach Keegan: Iraq War…, S. 73 1011 Zitiert nach Keegan: Iraq War…, S. 73 1012 Um den 41. Präsidenten der Vereinigten Staaten, George Herbert Walker Bush, von seinem Sohn, George Wal- ker Bush, dem 43. Präsidenten klar unterscheiden zu können wird im Text entweder von George H. W. Bush oder Bush senior gesprochen, wenn der 41. Präsident gemeint ist. 1013 Vgl. Young; Jesser: Media and the Military..., S. 162 – 163; Keegan: Iraq War…, S. 73 – 75 1014 Vgl. Keegan: Iraq War…, S. 76

Seite 239 “The Picture Survives” das irakische Vorgehen in einer Resolution scharf.1015 Dieser ersten Resolution des Weltsicher- heitsrates folgten bis zum 29. November 1990 elf weitere Resolutionen des UNSC. In der letz- ten, der Resolution 678, wurden seitens des Weltsicherheitsrates “all necessary means” freigege- ben, sollte sich der Irak nicht bis zum 15. Januar 1991 zurückgezogen und den status quo ante wiederhergestellt haben.1016 In diesem Zeitraum liefen, neben den diplomatischen Bemühungen der Vereinten Nationen, noch diverse andere Bemühungen, mit Saddam Hussein zu einer Eini- gung zu kommen.

Die Vereinigten Staaten waren zunächst noch unschlüssig, wie sie auf diese veränderte Lage rea- gieren sollten. Man hatte zwar in den Wochen vorher den irakischen Aufmarsch mit einer gewis- sen Sorge – eine Streitmacht, die an die Grenzen eines benachbarten Staates verlegt wird, ver- heißt nur selten etwas Gutes – betrachtet, aber noch keine offizielle Marschlinie gefunden, hieß es doch aus der arabischen Welt immer wieder, daß Araber keinen Kriege gegeneinander führen würden. Die offizielle Position der Vereinigten Staaten war noch immer die, „keine Meinung zu innerarabischen Konflikten wie ihrem Grenzstreit mit Kuwait [zu haben]“1017, wie die amerikani- sche Botschafterin im Irak, fünf Tage vor der irakischen Invasion gegenüber Saddam Hussein be- merkte. Am folgenden Tag, dem dritten August 1990, vor einer Sitzung des Nationalen Sicher- heitsrates, antwortete Präsident Bush senior auf die Frage von Journalisten, ob er denn beabsich- tige, Truppen zu entsenden, daß er keine derartige Maßnahme in Betracht ziehe. Danach begab sich Bush zu einem Treffen mit Margaret Thatcher nach Aspen. Nach seiner Rückkehr aus Aspen schien Bush deutlich entschlossener, es nicht bei der offiziellen Linie zu belassen. Offenbar hatte Margaret Thatcher Bush davon überzeugt, daß Verhandlungen eine Verzögerung der Krise, aber keine Lösung bedeuten würden, und daher Vorbereitungen zu einer militärischen Lösung des Konfliktes notwendig seien – schon allein um eine Drohkulisse gegenüber Saddam zu errich- ten.1018

Die Einrichtung einer Drohkulisse gegenüber Saddam Hussein bedeutete zugleich, der saudi-ara- bischen Regierung gegenüber ein Versprechen zur Hilfeleistung bei der Verteidigung ihres Lan- des zu geben. Aus diesem Versprechen heraus entwickelte sich im Verlauf der nächsten Tage die offizielle Politik der Vereinigten Staaten. Noch war die Marschlinie die, daß man nicht über eine Invasion diskutiere und Präsident Bush auch keine derartige Maßnahme in Betracht ziehen wür- de. Das Wochenende verbrachte Bush in Camp David. Am Samstag erfolgte ein Briefing über die Maßnahmen zu Verteidigung Saudi- Arabiens. Den Vortrag hielt der kommandierende Gene- ral des CENTCOM, General Norman Schwarzkopf. Bei seiner Rückkehr aus Camp David ver- kündete Bush senior, daß die „Aggression gegen Kuwait nicht von Dauer“1019 sein werde. Wie Collin Powell, damals Vorsitzender der JCS, zu Recht anmerkt, ist es ein weiter Weg von der Po- sition, daß man keine Invasion anstrebe und auch keine derartigen Maßnahmen in Betracht zie- hen würde, bis zu dem Statement, daß die Besetzung Kuwaits nicht von Dauer sein würde. Die- ses Statement des 41. Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika war zugleich aber auch ein sichtbares Zeichen dafür, daß´der Präsident einen Entschluß gefaßt hatte. Dieser Entschluß ging aber, in letzter Konsequenz, über die reine Verteidigung Saudi-Arabiens, “to deter and counter any Iraqi aggression against Saudi-Arabia”1020, hinaus. Saudi-Arabien würde zwar im

1015 Resolution 660 vom 2. August 1990 1016 Resolution 678 vom 29. November 1990 1017 Zitiert nach Powell: Mein Weg…, S. 473, ähnlich Keegan: Iraq War…, S. 74 1018 Vgl. Young; Jesser: Media and the Military..., S. 164; Keegan: Iraq War…, S. 76 – 77; Powell: Mein Weg…, S. 472 – 476 1019 Zitiert nach Powell: Mein Weg…, S. 479 1020 Schubert; Kraus: Whirlwind War…, S. 50

Seite 240 “The Picture Survives” ersten Schritt gegen die in Kuwait stehenden Iraker verteidigt werden, gleichzeitig sollte die Streitmacht, die in Saudi-Arabien zusammengezogen wurde, auch zur Befreiung Kuwaits die- nen.1021

Die Streitmacht, die da in der Wüste Saudi-Arabiens zusammengezogen wurde, bestand zuerst aus Einheiten der Vereinigten Staaten: der 82nd Airborne Division in Ft. Bragg, North Carolina, das Hauptquartier der 3rd Army in Atlanta, Georgia und die 1st Tactical Air Wing von der Langley AFB im Bundesstaat Virginia. Diese Einheiten waren schon kurz nach dem irakischen Einmarsch in Alarmbereitschaft versetzt worden und wurden nun, am 6. August, in Marsch gesetzt. Am Morgen des 7. August begann die Luftbrücke an den Persischen Golf. Bei dieser enormen Logis- tik, die nötig war, um die Truppen mitsamt ihrer Ausrüstung an den Einsatzort zu transportieren, standen die Planer vor einem erheblichen Problem. Munition, Panzer und anderes schweres Ge- rät über eine Luftbrücke zu tranportieren ist zum einen unheimlich zeitaufwendig und zum ande- ren ineffektiv. Dieses Problem hatte man innerhalb der amerikanischen Militärführung schon zu einem früheren Zeitpunkt erkannt und gelöst. Die Ausrüstung der Marines wurde einfach auf Schiffen in Guam und Diego Garcia gelagert. Diese “Maritime Prespositioned Squadrons”, so der Fachausdruck, beförderten das schwere Material einer Brigade der Marines an den Ein- satzort, während die Besatzungen nur eingeflogen werden mußten.1022

Die Truppen der Vereinigten Staaten waren zwar die ersten, die an den Persischen Golf verlegt wurden, in dem Maße aber, wie von der Administration Bush aus eine Allianz gegen Saddam Hussein geschmiedet wurde, trafen aber auch Kontingente anderer Staaten ein. So erklärten sich 16 Staaten bereit, Marineeinheiten zu entsenden, 11 Staaten entsandten Kampfflugzeuge und 18 Staaten stellten Bodentruppen zur Verfügung. Dazu gehörten Ägypten, das zwei volle Panzerdi- visionen stellte, Syrien und Pakistan. Die Operationen zur Verlegung dieser Streitmacht an den Persischen Golf und ihr Aufmarsch in der Wüste Saudi-Arabiens liefen unter dem Namen “Desert Shield”.1023 Geht man von den ursprünglichen Zielen, mit diesem Militäraufmarsch Sad- dam Hussein von weiteren Vorstößen in Richtung Saudi-Arabien und den anderen Emiraten am Golf abzuhalten, aus, so konnte dieser Name nicht passender gewählt sein. Drückte er doch – bei der Benennung militärischer Operationen passiert das selten – genau den Sinn und Zweck dieses Aufmarsches aus.

John Keegans Argument, daß die an “Desert Shield” teilnehmenden arabischen Staaten und die Größe ihres Engagements entscheidend für den Erfolg der gesamten Operation waren, ist zuzu- stimmen. Kann doch der psychologische und daraus resultierend auch der propagandistische Faktor, daß hier drei arabische und muslimische Länder gegen Saddam Hussein antraten nicht hoch genug eingeschätzt werden. Dieses Engagement ermöglichte es, der irakischen Propaganda von der irakischen Anführerschaft, mit Saddam Hussein an der Spitze aller Muslime oder – wahlweise – aller Araber, mit einem sichtbaren und wirkungsmächtigen Zeichen zu kontern. Die irakische Propaganda von der Führerschaft Saddam Husseins über alle Araber wurde in dem Mo- ment endgültig ad absurdum geführt, als sich dann noch am 13. September 400 islamische Ge- lehrte und Staatsmänner in Mekka trafen und Kuwait ermächtigten, einen heiligen Krieg gegen Saddam Hussein auszurufen. Saddams Propaganda war zumindest in diesem Punkt gründlich ge- scheitert.1024

1021 Vgl. Powell: Mein Weg…, S. 479 – 480 1022 Vgl. Marolda; Schneller: Shield and Sword…, S. 17 – 18; Powell: Mein Weg…, S. 480 – 482 1023 Vgl. Powell: Mein Weg…, S. 486 – 487 1024 Vgl. Keegan: Iraq War…, S. 77

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Der Krieg gegen den Irak sollte zu einem der seltsamsten Kriege in der jüngeren Militärge- schichte werden. Wer erwartet hatte, die gigantische Streitmacht, die in der saudischen Wüste zu- sammengezogen worden war, würde, gleich nachdem der Befehl zum Angriff gegeben wurde, mit ihren Panzern losrollen, sah sich getäuscht. Die Bodentruppen hatten, von ihren Routineauf- gaben abgesehen, in den ersten Tagen dieses Krieges kaum etwas zu tun. Die Offensive zur Be- freiung Kuwaits zerfiel in zwei Teile: Nach 34 Tagen Luftkrieg folgte eine kurze, massierte Bo- denoffensive mit der Dauer von 100 Stunden.

Am 16. Januar 1991, nur wenige Stunden nach Ablauf des in der Resolution 678 des Weltsicher- heitsrates gestellten Ultimatums, griffen um 23.30 Greenwich-Zeit die Streitkräfte der Allianz an. Im Gegensatz zu den allgegenwärtigen Bildern von Flugabwehrfeuer über Bagdad war der erste Angriff weit weniger gewaltig. 9 Hubschrauber vom Typ „AH-64 Apache“ und ein Helikopter vom Typ „UH-60 Blackhawk“ griffen zwei Radarstationen des irakischen Frühwarnsystems an und zerstörten sie komplett. Durch diesen Angriff wurde eine Lücke in die irakische Luftabwehr geschlagen, durch die dann die Bomber in Richtung Bagdad vordringen konnten. Eine gute Stun- de später sendete CNN dann die Bilder, die im öffentlichen Gedächtnis immer für diesen Krieg stehen werden. Ziel dieser ersten Angriffswelle war die Zerstörung sowohl der militärischen als auch der zivilen irakischen Kommunikationsinfrastruktur, der irakischen B- und C-Waffenfabri- ken und großer Teile der Verkehrsinfrastruktur. Diese Schläge wurden hauptsächlich von „Tarn- kappenbombern“ des Typs F-117A “Nighthawk”1025 und Marschflugkörpern ausgeführt.1026 Nach dieser ersten Phase kamen dann direkte Angriffe gegen die in Kuwait stehenden irakischen Trup- pen mit dem Ziel, die Versorgungsrouten massiv zu stören. Hierfür wurden, analog zum Viet- nam-Krieg, die Bombenteppiche von B-52 Bombern eingesetzt, die auch die Hauptlast der in diesem Krieg eingesetzten Bomben, die aber allesamt keine Präzisionsbomben waren, abwarfen. Der Erfolg dieses Flächenbombardements war daran zu erkennen, daß die täglich an der iraki- schen Front zur Verfügung stehende Tonnage an Versorgungsgütern von 20.000 auf 2000 ab- sank.1027

Charakteristisch für diesen Krieg war die erreichte Präzision bei der Bombardierung der Ziele. Dies war der erste Krieg bei dem flächendeckend, zumindest bei der Bombardierung vom Zielen in sensiblem Umfeld, Präzisionwaffen – sogenannte “Smart Bombs” – eingesetzt wurden.1028 Auf einmal schienen die Bunkeranlagen, die Saddam in den letzten Jahren von jugoslawischen und auch deutschen Firmen für teures Geld hatte bauen lassen, nicht mehr sicher genug. Die Bilder, in denen Abluftschächte von Präzisionsbomben getroffen wurden, wurden auf den Pressebrie- fings immer wieder gezeigt. Dieses dort eingesetzte High-Tech-Waffenarsenal hat seinen Ur-

1025 Der erste Einsatz von Stealth Bombern des Typs F-117A “Nighthawk” erfolgte während der amerikanischen In- vasion in Panama. Am 31. Oktober 2006 gab die USAF bekannt, die F-117A aus Kostengründen ausmustern zu wollen, da zum einen mit der B-2 “Spirit” und den neuen Kampfflugzeugen F-22 “Raptor” und F-35 “Joint Strike Fighter” modernere Nachfolger bereitstehen und zum anderen die Wartungskosten der extrem anfälligen radarabsorbierenden Farbe auf die Dauer zu teuer waren. Die letzte Maschine wurde am 21. April 2008 auf der Tonopah Test Range / Nevada, dem Ort, an dem die F-117 1981 ihren ersten Flug hatte, außer Dienst gestellt. Vgl. http://www.holloman.af.mil/news/story.asp?id=123089950; http://www.globalsecurity.org/military/sys- tems/aircraft/f-117.htm; http://www.defenselink.mil/news/newsarticle.aspx?id=1969 (Letzter Zugriff 15. 07. 2008) 1026 Vgl. Powell: Mein Weg…, S. 524 – 527 1027 Vgl. Schubert; Kraus: Whirlwind War…, S. 153; Keegan: Iraq War…, S. 78 – 79; Powell: Mein Weg…, S. 528 – 529 1028 Vgl. Keegan: Iraq War…, S. 79

Seite 242 “The Picture Survives” sprung in den letzten Jahres des Krieges in Vietnam, als die USAF die ersten Versuche anstellte, Bomben nicht nur möglichst präzise, also möglichste nahe am Zielpunkt abzuwerfen, sondern auch den Zielpunkt selbst möglichst präzise zu treffen.1029

Was trotz aller High-Tech-Waffen und Einsatz von Spezialeinheiten kaum gelang, war die Elimi- nierung der mobilen Abschußrampen für die irakischen Scud-Raketen, die Saddam Hussein in ei- nem vergeblichen Versuch der Ausweitung des Konfliktes massiert auf Israel abfeuern ließ. Da- durch, daß die Abschußrampen auf hochmobile und geländegängige Fahrzeuge montiert waren, genügte schon eine kleine Stelle, an der der Untergrund stabil genug war, die Kräfte, die bei den Vorbereitungen zum Abschuß und beim Abschuß selbst entstehen, aufzunehmen, um diese Rake- ten abzufeuern. Die gesamte Zeitspanne von der Ankunft an einem solchen Platz bis zum Ab- schuß betrug in der Regel eine knappe Stunde. Dadurch war es kaum möglich, die Abschußram- pen rechtzeitig ausfindig zu machen und zu zerstören.1030

Nach 34 Tagen Luftkrieg begann am 24. Februar 1991 die alliierte Bodenoffensive. Die iraki- schen Truppen hatten seit der Invasion Zeit gehabt, ihre Stellungen auszubauen – auf den ersten Blick scheint hier ein Vorteil auf der Seite des Irak existiert zu haben. Saddam und seine Generä- le hatten als Lehre aus dem irakisch-iranischen Krieg die Auffassung gezogen, daß das, was im angelsächsischen Sprachgebrauch als “air power”, also als Luftüberlegenheit bezeichnet wird, von eher zweitrangiger Natur sei. Wichtiger sei es, seine Stellungen so stark zu befestigen, daß der Gegner so schwere Verluste erleiden würde, daß eine Offensive automatisch in Stocken gera- ten würde. Was sie in ihrem strategischen und taktischen Kalkül aber nicht berücksichtigt hatten, war der Umstand, das die sich in der saudi-arabischen Wüste versammelnden Truppen der Alli- anz unter amerikanischen Oberbefehl nicht mit der Armee des Iran zu vergleichen waren. Hier kommt einmal wieder jenes Moment, daß neue Kriege nach den Erfahrungen und Lehren, die man aus dem letzten gezogen hatte, geplant werden, zum Tragen. Die irakischen Planungsoffi- ziere um Saddam Hussein hatten nicht damit gerechnet, daß die Truppen der Allianz ihnen nicht den Gefallen tun und analog zu den Soldaten der iranischen Armee frontal gegen ihre Stellungen anrennen würden. In diesem Fall wäre der irakische Operationsplan, dem Gegner möglichst viele Opfer abzuverlangen, so daß die Offensiven im irakischen Gegenfeuer stecken bleiben und schließlich zusammenbrechen würden, aufgegangen. Was Saddam Husseins Planer ebenfalls übersehen hatten, war der Umstand, daß eingegrabene Truppen und Panzer erstens unbeweglich und zweitens aus der Luft leicht zu entdecken und kaum zu tarnen sind. Dadurch, daß die USA den Irak während des iranisch-irakischen Krieges mit Aufklärungsinformationen – in der Haupt- sache Satellitenbildern von iranischen Stellungen – versorgt hatten, hätte man eigentlich wissen müssen, wozu der Gegner in der Lage war. Jedenfalls gingen die Einheiten der Allianz, als die Bodenoffensive begann, nicht direkt gegen die irakischen Stellungen vor, sondern umgingen sie einfach.1031

Die irakischen Truppen in Kuwait waren in einem schmalen Streifen, der sich nördlich entlang der kuwaitisch-saudischen Grenze vom Persischen Golf bis zu einem trockenen Wadi erstreckte, disloziert. In diesem Gebiet standen in einer ersten Reihe ungefähr 30 Divisionen der regulären irakischen Armee. In einer zweiten Linie dahinter standen 6 Divisionen der Republikanischen

1029 Vgl. http://www.globalsecurity.org/military/systems/munitions/intro-smart.htm (Letzter Zugriff 15. 07. 2008) 1030 Vgl. Keegan: Iraq War…, S. 79 – 80 1031 Vgl. Schubert; Kraus: Whirlwind War…, S. 15 – 16; Keegan: Iraq War…, S. 80

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Garden, der Elite-Truppe Saddam Husseins, die konkret zwei Aufgaben hatte: Zum einen die Motivation und den Kampfeswillen der vor ihnen stehenden regulären 30 Divisionen zu erhöhen und zum anderen als schnelle Eingreiftruppe zu fungieren.1032

Im Gegensatz dazu waren die alliierten Truppen in einem wesentlich breiteren Ablaufraum auf- gestellt. Sie waren südlich der saudisch-kuwaitischen Grenze in einem Streifen, der sich vom Persischen Golf bis weit in die Wüste, über jenes Wadi hinaus, erstreckte, disloziert. Zwischen dem Golf und jenem Wadi standen die Hauptkräfte der schweren amerikanischen Kräfte, in der Hauptsache Einheiten der Panzertruppen und der Marines, die das VII. Korps bildeten, während die mobileren Kräfte, in der Hauptsache die Kräfte des amerikanischen “XVIII Airborne Corps”1033 und andere mechanisierter Divisionen, sowie der französischen und britischen Pan- zerdivisionen, die allesamt dem Kommando des XVIII. Korps unterstellt waren, westlich dieses Wadis in der Wüste standen. Dieser Dislozierung der eigenen Kräfte entsprechend sah der Ope- rationsplan der alliierten Truppen vor, die gegnerischen Hauptkräfte dort zu binden, wo sie stan- den, während die in der Wüste stehenden Kräfte die Aufgabe hatten, von West nach Ost vorzu- stoßen und dabei in die linke Flanke der irakischen Kräfte vorzurücken und diese von hinten her einzukesseln. Nimmt man den strategischen Ansatz eines Cannaes der Gegenwart, wie er etwa im Schlieffenplan und in von Mansteins Operationsplan gegen Frankreich zu finden ist, als

Abbildung 54: Der alliierte Operationsplan für “Desert Storm”.

Quelle: US-Army Combat Studies Institute

1032 Vgl. Keegan: Iraq War…, S. 80 – 81; Schubert; Kraus: Whirlwind War…, S. 101 – 106 1033 Diese Kräfte, zusammengefaßt im “XVIII Airborne Corps”, bestanden aus der 82nd Airborne Disvision, der 101st Airborne Divison (Air Assault), der 24th Infantry Division (Mechanized) und des 3rd Armored Cavalry Regi- ment, bilden die teilweise in der Luft verlegbare Speerspitze (insbesondere die Kräfte der 82nd und 101st Divisi- on) amerikanischer Militäreinsätze. Vgl. http://www.globalsecurity.org/military/agency/army/xviii-corps.htm

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Grundlage, dann lag der Drehpunkt von “Desert Storm” auf der rechten Seite am Persischen Golf. Das “XVIII. Airborne Corps” bildete damit den linken, beweglichen Flügel. Der Operati- onsplan für “Desert Storm”, den Norman Schwarzkopf und seine Stabsoffiziere erarbeitet hat- ten, nahm also gewisse Anleihen, insbesondere den Gedanken der Umfassung mit dem linken Flügel, bei Cannae.1034

Auch wenn, gemäß Clausewitz kein Schlachtplan den ersten Kontakt mit dem Feind überlebt, stellte dieser Operationsplan eine Ausnahme dar. Er funktionierte nahezu perfekt, ein Umstand, der auch der soliden Feindaufklärung durch Aufklärungssatelliten und Aufklärungsflugzeuge zu verdanken ist. Am ersten Tag rückten die Kräfte der 1st und 2nd Marine-Division zusammen mit den arabischen Kräften vorwärts, geradewegs direkt durch die Hindernisse auf die irakischen Li- nien zu. Hierbei wurde ein Großteil der irakischen Panzer durch das alliierte Feuer außer Gefecht gesetzt. Unterdessen rückten die in der Wüste stehenden alliierten Kräfte in Richtung Nord vor, vollzogen dabei aber gleichzeitig eine Wende in Richtung Osten, so daß sie sich nunmehr in nordöstlicher Richtung bewegten. Dabei stießen sie auf wenig Widerstand des Gegners, so konn- te beispielsweise die 24th Infantry Division, als Teil des “XVIII Airborne Corps”, an jenem ers- ten Tag über 90 km weit vorstoßen. Am zweiten Tag rückten die Kräfte auf der linken Flanke weiter vorwärts. Am dritten Tag rückten die schweren amerikanischen und arabischen Einheiten weiter tief in die irakische Hauptverteidigungslinie vor, während die Einheiten des XVIII. Korps weiter einen Bogen schlugen, der sie weit in den Rücken der Iraker bringen sollte. Der vierte Tag begann damit, daß die Einheiten der Marines und arabischer Streitkräfte beinahe das komplette Staatsgebiet Kuwaits, die irakischen Soldaten in wilder, ungeordnetet Flucht vor sich hertrei- bend, überrannten, während der linke Flügel den irakischen Truppen, den Euphrat erreichend, den Fluchtweg abschnitten.1035

Die Bodenoffensive schritt so schnell voran, daß sie bereits nach 100 Stunden die kuwaitisch-ira- kische Grenze und damit das Kriegsziel, die Iraker aus Kuwait zu vertreiben, erreicht hatte. Da- her ordnete der amerikanische Präsident George H. W. Bush am 27. Februar einen Waffenstill- stand an, falls der Irak die Kampfhandlungen und das weitere Abfeuern von Scud-Raketen ein- stellen würde. Bedingungen, denen der Irak gerne nachkam, nach dem zuvor ein irakisches An- gebot, die Kampfhandlungen einzustellen und die Bedingungen der Resolution 678 zu akzeptie- ren, von den 5 ständigen Mitgliedern des Weltsicherheitsrates abgelehnt worden war. Die Mit- glieder des UNSC wiesen darauf hin, daß der Irak nicht nur die Resolution 678, sondern alle seit dem 2. August 1990 beschlossenen Resolutionen akzeptieren müsse.1036

1034 Vgl. Schubert; Kraus: Whirlwind War…, S. 129 – 159; Keegan: Iraq War…, S. 81; Frieser: Blitzkrieg- Legende..., 1035 Vgl. Powell: Mein Weg…, S. 534, 538 – 539; Keegan: Iraq War…, S. 81; Schubert; Kraus: Whirlwind War…, S. 173 – 205; Hersh, Seymour M.: Overwhelming Force. What happend in the final days of the Gulf War?; in: The New Yorker, 22. Mai 2000, S. 49 – 82 1036 Vgl. Keegan: Iraq War…, S. 83

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6.2.2.2 Der Kampf um die Öffentliche Meinung

Parallel zu den diplomatischen Bemühungen um eine Beilegung der Krise und den Aufbau einer Streitmacht zur Befreiung Kuwaits begann der Kampf um die öffentliche Meinung. Dabei kris- tallisierten sich sehr schnell zwei Stoßkeile heraus, die beide das gleiche Ziel, die Meinung der Weltöffentlichkeit, hatten. Die USA starteten eine gigantische Medienkampagne, um die Befrei- ung Kuwaits notwendig erscheinen zu lassen und moralisch zu rechtfertigen. Der Irak unter Sad- dam Hussein versuchte seinerseits, die Deutungshoheit der Ereignisse für sich zu reklamieren.

Schon kurz nach dem irakischen Einmarsch in Kuwait begann die Medienoffensive beider Sei- ten. In den Vereinigten Staaten ließ George H. W. Bush, nachdem er die Entscheidung zum Ein- greifen getroffen hatte, relativ bald keinen Zweifel daran aufkommen, für welche Gefahr er Sad- dam Hussein hielt: Hier liegt der Ursprung jener unsäglichen Gleichsetzung Saddam Husseins mit Adolf Hitler. Ein Vergleich, der auch innerhalb der amerikanischen Regierung nicht unum- stritten war, da er doch mehr implizierte, nämlich den Regimewechsel im Irak, als die beschränk- ten Kriegsziele es zuließen. In der Tat sollte der Regierung von Bush senior in den Jahren nach jenem Golfkrieg immer wieder vorgeworfen werden, die Gunst der Stunde nicht genutzt zu ha- ben, um mit den alliierten Truppen nach Bagdad vorzurücken und dort Saddam Hussein ein für alle Male zu stürzen. Die Gleichsetzung Saddam Husseins mit Adolf Hitler läßt sich – aus der Perspektive des Historikers – nicht halten. Hitler war ein Ideologe, der bereit war, für seine Ideen zu sterben und dabei auch keine Probleme hatte, sein eigenes Volk mit in den Untergang zu zie- hen, während Saddam Hussein ein Opportunist war, der versuchte, alles das zu vermeiden, was sein Regime gefährden konnte. Im Klartext bedeutet dies: Man kann Saddam Hussein alles Mög- liche unterstellen – ein politischer Selbstmörder, wie Hitler, war er definitiv nicht.1037

Wie sehr der sich am Horizont abzeichnende Krieg gegen Saddam Hussein schon während des Aufmarsches der alliierten Kampfverbände am Persischen Golf ein Krieg um die öffentliche Meinung war, zeigt sich auch daran, daß Saddam Hussein die Gleichstellung mit Hitler, die Prä- sident Bush senior gerne und oft verwendete, mit der Ausrufung der „Mutter aller Schlachten gegen die USA“1038 zu kontern versuchte. Auch wenn der Vergleich Saddam Husseins mit Adolf Hitler im Prinzip unsäglich – und wie bei den meisten historischen Vergleichen üblich – auch nicht wirklich historisch belastbar war, tat Saddam Hussein doch einiges, um diesem Vergleich zu entsprechen. Das bekannteste Beispiel für dieses Verhalten, war, neben dem Einsatz von Gift- gas gegen aufständische Kurden am 16. und 17. März 1988, als Kampfstoffe kamen Sarin, Senf- gas und VX1039 zum Einsatz, die Geiselnahme von ca. 7000 westlichen Staatsbürgern, denen der Irak im August 1990 die Ausreise verweigert hatte. Die Geisel sollten als „menschliche Schutz- schilde“ irakische Industrieeinrichtungen vor möglichen amerikanischen Luftangriffen schüt- zen.1040 Die zahlreichen Versuche, die Geiseln auf dem Verhandlungsweg frei zu bekommen,

1037 Vgl. O.A.: „Mehr Stalin als Hitler“. Interview mit dem Historiker und Saddam-Hussein-Biographen Efraim Karsh über Obsessionen und Ängste des Diktators; 46 / 1997, S. 164 – 165 1038 Vgl. http://news.bbc.co.uk/onthisday/hi/dates/stories/january/17/newsid_2530000/2530375.stm (Letzter Zugriff 15. 07. 2008) 1039 Sarin und VX gehören zur Sorte der Nervenkampfstoffe. Das aus dem ersten Weltkrieg bekannte Senfgas (auch als Lost oder Lewisit bekannt) zur Sorte der Hautkampfstoffe. Diese Kampfstoffe wurden von Saddam Hussein nicht nur gegen die Kurden im nördlichen Irak, sondern auch beim Krieg gegen den Iran mehrfach eingesetzt. Vgl. http://www.labor-spiez.ch/de/dok/fa/pdf/sarin_d.pdf; http://www.labor-spiez.ch/de/dok/fa/pdf/fs-vx_d.pdf; http://www.labor-spiez.ch/de/dok/fa/pdf/FS-Senfgas_d.pdf (Letzter Zugriff 15. 07. 2008) 1040 Vgl. O.A.: „Er hat ja noch so viele“. Saddam Husseins Spiel mit den Geiseln; in: Der Spiegel 46 / 1990, S. 22 – 23

Seite 246 “The Picture Survives” müssen Saddam zumindest geschmeichelt haben. Schließlich wurde er in dieser Zeit von zahlrei- chen mehr oder minder wichtigen Politikern und Menschenrechtsaktivisten regelrecht hofiert.1041 Auch wenn diese Besuche oftmals von einem kleinen Erfolg gekrönt waren, hatten diese Erfolge unter mehreren Aspekten einen faden Beigeschmack: Mit jedem Besucher, der um die Freilas- sung der Geiseln bat, so daß der Begriff Bittsteller vielleicht angemessener wäre, ergab sich für Sadam Hussein die Möglichkeit, sich als Menschenfreund zu gerieren, der – als guter Vater – um das Wohl der Kinder besorgt ist. Bei jedem dieser Bittgänge war auch immer ein Team des iraki- schen Fernsehens dabei, damit die Bilder dieses vermeintlich menschenfreundlichen Aktes um die Welt gehen konnten. Insofern kann diese Geiselnahme durchaus als Versuch interpretiert wer- den, durch die danach erfolgte medienwirksame Freilassung international an Reputation zu ge- winnen.

Ein wichtiger Bestandteil der Medienoffensive war der Versuch beider Seiten, die Weltöffentlich- keit davon zu überzeugen, daß die jeweils andere Seite mit ihren Argumenten für die Gründe der Eskalation dieses Konflikts im Unrecht war. Auf amerikanischer Seite waren die “Citizens for a Free Kuwait”, eine Art pro-kuwaitischer Lobby in Washington und an anderen Schaltstellen der Macht, für die Aufgabe zuständig, der Bevölkerung zu erklären, warum sie ihre Söhne und Ehe- männer zur Befreiung dieses kleinen, aber unermeßlich reichen Staates, der „less a country than a family-owned oil company with a flag and a seat at the United Nations”1042 war, schicken soll- ten. Kritisch daran war, daß diese Lobby mehr oder minder direkt – in welchem Maße wird wohl nie endgültig zu klären sein – von der kuwaitischen Herrscherfamilie finanziert wurde. Hinzu kommt noch, daß die “Citizens for a Free Kuwait”, gewissermaßen als prominenter Akteur in dieser Arena, eine der weltweit größten PR-Agenturen, die Firma Hill & Knowlton, engagiert hatten.1043 Über ihr Selbstverständnis, die Arbeit in dem Bereich “Public Affairs” betreffend, gibt Hill & Knowlton auf ihrer Homepage folgendes Statement ab:

„[...] Im Bereich “Government Relations” unterstützen wir unsere Kunden mit Aktionen und Kommunikation zu bestimmten Gesetzesvorhaben und Vorschriften. Wir versuchen, Verständigung und Verständnis für die jeweiligen Positionen bei den relevanten Entscheidern und Gruppierungen herzustellen. Transparenz und die Einhaltung der existierenden berufsethischen Vorschriften sind hierbei für uns Grundlage unseres Erfolges. [...]“1044 Wie wenig Wert die PR-Strategen im Zweifelsfall auf „Transparenz und die Einhaltung der exis- tierenden berufsethischen Vorschriften“ legen und wie subtil und brachial zugleich sie dabei zu Werke gehen, illustriert die mittlerweile vielfach zitierte, kritisierte und dabei aber auch immer wieder perpetuierte Geschichte von dem jungen kuwaitischen Mädchen, das als Hilfskranken- schwester angeblich mit ansehen mußte, wie irakische Soldaten kuwaitische Säuglinge aus ihren Inkubatoren auf der Neugeborenen-Intensivstation eines Krankenhauses in Kuwait-City rissen.

Dieses Mädchen – von dem bis heute nur der Vorname, Nayirah, angeblich aus Gründen des Quellenschutzes, bekannt ist – sagte am 10. Oktober 1990 vor dem “House Human Rights

1041 Vgl. O.A.: „Da muß noch was drauf“. Groß ist die Erleichterung, daß Willy Brandt mit 175 Geiseln aus Bagdad zurückkehrte. Doch die großen Erwartungen, die er selber in seine Friedensmission gesetzt hatte, erfüllten sich nicht. Saddam Hussein trieb auch mit ihm sein böses Spiel. In Bonn löste der Teilerfolg Brandts Bedauern und Schadenfreude zugleich aus; in: Der Spiegel 46 / 1990, S. 18 – 25 1042 Friedman, Thomas L.: Power Grab. Iraq Makes Its Bid to Run the Show in the Middle East; in: The New York Times, 5. August 1990 1043 Vgl. MacArthur: Second Front…, S. 56 – 61; Beham: Kriegstrommeln..., S. 109; folgt man der Darstellung auf der Internetseite http://www.sourcewatch.org/index.php?title=Citizens_for_a_Free_Kuwait (Letzter Zugriff 15. 07. 2008), dann wurden die “Citizens for a Free Kuwait” erst von der PR-Agentur Hill & Knowlton gegründet. 1044 http://www.hillandknowlton.de/cms/index.php?id=13 (Letzter Zugriff 15. 07. 2008), Hervorhebung im Original

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Caucus” aus und schilderte mit tränenerstickter Stimme, wie es als freiwillige Helferin im Al- Aden-Hospital gearbeitet habe: “While I was there, I saw the Iraqi soldiers come into the hospit- al with guns, and go into the room where ... babies were in incubators. They took the babies out of the incubators, took the incubators, and left the babies on the cold floor to die.”1045 Was diese Geschichte, abgesehen davon, daß sie später nicht einmal von den kuwaitischen Behörden verifi- ziert werden konnte1046, so schillernd und so herausragend macht, ist die Tatsache, daß das Mäd- chen in diesem Moment absolut glaubwürdig erschien. Keiner der anwesenden hohen Herren aus dem Washingtoner Politestablishment kam auf die Idee zu fragen, wieso eine 15-jährige über- haupt als freiwillige Krankenschwester gearbeitet hatte. Ebenfalls stellte – wie John MacArthur zu Recht anmerkt – niemand die naheliegende Frage, warum sie denn keinen der sterbenden Säuglinge vom Boden aufgehoben oder Hilfe geholt habe. Dies was das Resultat einer perfekt durchgeplanten Inszenierung, inklusive intensivem Coaching der Hauptperson. Wie sich erst nach dem Krieg zeigte, hörte jene Nayirah in Wirklichkeit auf den Nachnamen „al Sabah“ – und war die Tochter des kuwaitischen Botschafters in Washington.1047

Was dieser Inszenierung noch zusätzliche Brisanz verlieh, war der Umstand, daß es sich bei dem “House Human Rights Caucus” keineswegs – wie der Name vermuten ließe – um ein Organ des “House of Representatives” oder des amerikanischen Kongresses handelte, sondern um eine pri- vate Veranstaltung mehrerer Abgeordneter und Senatoren, die fraktionsübergreifend dort tätig waren. In ihrem Erscheinungsbild, dies impliziert schon die Verwendung des Wortes “House”, sollte aber eine bewußte Ähnlichkeit zu den Organen des Kongresses hergestellt werden. Dies zeigt sich auch daran, daß zwei Abgeordnete dieser Veranstaltung vorsaßen: gemäß den Spielre- geln des Kongresses ein Republikaner und ein Demokrat. Die Büros dieses “House Human Rights Caucus” lagen, praktischerweise, im gleichen Gebäude, in dem auch die Washingtoner Dependance von Hill & Knowlton residierte. Dadurch, daß nur eine scheinbare Integration in das amerikanische politische System gegeben war, konnte in dieser Veranstaltung wesentlich freier, ohne Rücksicht auf die politischen Implikationen, die ein Hearing vor einem Ausschuß des Kon- gresses gehabt hätte, agiert werden: “Lying under oath in front of a congressional committee is a crime; lying from under the cover of anonymity to a caucus is merely public relations.”1048

Was die PR-Strategen von Hill & Knowlton mit diesem Auftritt bezweckten, ist nicht so sehr die Verbreitung dieser Geschichte. Sie wollten mit dem Auftritt Nayirahs mit dazu beitragen, Sad- dam Hussein – in diesem Fall zusammen mit seiner Soldateska – weiter zu dämonisieren. Hierzu eignet sich die Geschichte von den toten Säuglingen hervorragend: Die Botschaft, die sich beim Rezipienten, in diesem Fall der amerikanische Bevölkerung und der Weltöffentlichkeit, festset- zen sollte, ließe sich zusammengefaßt so formulieren: Wer einen wehrlosen Staat überfällt, der schreckt auch nicht davor zurück, unschuldige Kinder – das Leben eines Babys löst hierbei be- sondere Empörung aus – zu töten und muß daher bestraft werden. Wenn er aber bestraft werden muß, dann ist gerade bei solchen Gräueltaten ein Militäreinsatz unvermeidbar, um diesem schandbaren Treiben ein endgültiges Ende zu setzen. Insofern passte der Auftritt Nayirahs mit- samt ihrem Schauermärchen hervorragend zu der Gleichsetzung Saddam Husseins mit Hitler, mit der George H. W. Bush so gerne argumentierte.

1045 Zitiert nach http://www.sourcewatch.org/index.php?title=Citizens_for_a_Free_Kuwait (Letzter Zugriff 15. 07. 2008) 1046 Vgl. http://www.sourcewatch.org/index.php?title=Citizens_for_a_Free_Kuwait (Letzter Zugriff 15. 07. 2008) 1047 Vgl. MacArthur: Second Front…, S. 59; 1048 MacArthur: Second Front…, S. 59

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6.2.2.3 Der Krieg gegen Saddam Hussein – Operation “Iraqi Freedom”

Im Gegensatz zum Golfkrieg von 1991 geriet der Aufmarsch der amerikanischen und britischen Truppen in der zweiten Hälfte des Jahres 2002 nicht zum Medienereignis. Dies hängt vor allem damit zusammen, daß sich der Aufmarsch der Truppen zwar sichtbar für die Öffentlichkeit ab- spielte, sich aber nicht, wie 1991, über einen langen Zeitraum erstreckte. Waren die ersten ameri- kanischen Einheiten bereits Mitte August 1991 in Saudi-Arabien eingetroffen, so begann die Ver- legung von amerikanischen Einheiten im Jahre 2002 wesentlich später.

Zu Beginn der Kampfhandlungen stand neben einer gewaltigen Land- und Luftstreitmacht auch eine gewaltige maritime Kraft in den Gewässern um den Irak. Mit 48 Schiffen, die in der Lage waren, Marschflugkörper zu tragen, stand außerdem ein gutes Drittel aller verfügbaren derarti- gen Abschußeinrichtungen für den Angriff bereit. Seit Anfang Februar 2003 war der Nordteil Kuwaits, fast zwei Drittel des Landes, zum Militärischen Sperrgebiet erklärt worden. Für den sich immer mehr beschleunigenden Aufbau von Truppen in Kuwait war das auch dringend nötig – irgendwo mußte die Invasionsstreitmacht untergebracht werden. Da im Vorfeld viele Staaten, die 1991 den Krieg gegen Saddam Hussein unterstützt hatten, deutlich gemacht hatten, daß sie diesen erneuten Waffengang nicht unterstützen würden, war Kuwait beinahe als einziges Statio- nierungsgebiet geblieben. Außerdem ermöglichte es dieses Arrangement den ankommenden Truppen, sich an das Wüstenklima zu gewöhnen, ihre Ausrüstung auf den neuesten Stand zu bringen und diese zu warten.1049

Der Kriegsplan von 2003 unterschied sich massiv von dem Operationsplan “Desert Storm” 1991. Wer ein ähnlich langes Bombardement, gefolgt von einem kurzen Bodenkrieg, erwartet hatte, sah sich getäuscht. Standen Norman Schwarzkopf 1991 ca. 750.000 Mann an Koalitionstruppen zur Verfügung, so standen seinem Nachfolger, General Tommy Franks, nur 150.000 Soldaten zur Verfügung. Eine Neuauflage des Schlachtplans, gewissermaßen “Desert Storm II”, war mit dieser Zahl an Truppen nicht möglich – auch wenn sich unter anderem führende Generäle der Air Force für diese Variante stark machten. Ferner machte auch die Beschaffenheit des Schlachtfeldes eine Ope- ration derartigen Ausmaßes unmöglich: Standen sich 1991 die alliierten und die irakischen Truppen an der saudi-arabisch – kuwaitischen bzw. an der saudi-ara- bischen – irakischen Grenze gegenüber, so war 2003 die Streitmacht entlang der schmalen Grenze zwi- schen Kuwait und dem Irak stationiert. Eine wochen- lange Luftschlacht hätte Saddam zudem die Möglich- Abbildung 55: Titelblatt des Nachrichtenmagazins “Newsweek” keit gegeben zu versuchen, die Stimmung im Mittle- vom 21. März 2003 ren Osten und in der Dritten Welt für sich zu gewin- Quelle: http://www.digitaljournalist.org/issue0304/nw01.html nen. Daher mußte die Bodenoffensive möglichst zeit- (Letzter Zugriff 15. 07. 2008)

1049 Vgl. Keegan: Iraq War…, S. 135 – 136; Cordesman, Anthony H.: The Iraq War. Strategy, Tactics and Military Lessons; Westport / Conn. 2003, S. 60 – 61 , im folgenden zitiert als Cordesman: Iraq War…,

Seite 249 “The Picture Survives” nah zum Beginn des Bombardements beginnen. Dieses Bombardement sollte derart heftig aus- fallen daß der Gegner in “shock and awe”, also in „Schock und Ehrfurcht“ erstarrt, beinahe ge- lähmt wird. Bedingt durch den vergleichsweise schmalen Bereitstellungsraum in Kuwait und den Wegfall der Nordflanke durch die türkische Weigerung, amerikanische Truppen in der Türkei aufmarschieren zu lassen, blieb den Planern nur eine Variante für die Invasion: ein schneller Vor- stoß entlang von Euphrat und Tigris nach Bagdad. Die beiden amerikanischen Großverbände, die zur Eroberung der Irak aufgeboten waren, die 3rd Infantry Division (3rd ID) und die 1st Marine Expeditionary Force (1st MEF), sollten daher von Süden aus nach Bagdad vorstoßen. Die 1st MEF sollte allerdings den schweren Teil des britischen Kontingents bilden und sich nach der Er- oberung der Hafenstadt Umm Qasr und der Stadt Basra von den britischen Truppen trennen und weiter in Richtung Bagdad, parallel zur 3rd ID, vorrücken. Britische und amerikanische Spezial- einheiten sollten die Verteidigungsstellung auf der Halbinsel Al Faw erobern und dann das Ru- maila-Ölfeld sichern, um zu verhindern, daß es vom Gegner in Brand gesteckt wird.1050

Abbildung 56: The second night of war in Iraq brings heavy bombing in Baghdad and the start of the United States' "Shock and Awe" campaign.

Photo: Olivier Coret / In Visu / Corbis Quelle: http://www.digitaljournalist.org/issue0304/cs23.html (Letzter Zugriff 15. 07. 2008) Der Krieg hatte – genaugenommen – bereits weit vor dem 20. März 2003 begonnen: Im Herbst 2002 begannen amerikanische und britische Kampfflugzeuge, die die nach dem Krieg von 1991 eingerichteten “no-fly-zones” im Süden überwachen sollten, damit, gezielt die irakische Luftab- wehr in diesem Bereich anzugreifen und somit zu schwächen, wenn nicht sogar ganz zu unter- drücken. Die ersten Schläge gegen ausgewählte militärische Ziele und eine Siedlungsanlage, in der sich – gemäß den Ergebnissen der Feindaufklärung – Saddam Hussein mit seinen Söhnen be- finden sollte, begannen in den frühen Morgenstunden des 20. März 2003. An diesen ersten An- griffen waren neben Cruise Missiles vom Typ Tomahawk, die von Kriegsschiffen im Persischen Golf abgeschossen wurden, auch Kampfflugzeuge der Typen F-117F “Nighthawk” und F-15E

1050 Vgl. Fontenot, Gregory; Degen, Edmund J.; Tohn, David: On Point. The United States Army in Operation Iraqi Freedom; Annapolis/ Md. 2005, S. 44 – 47, im folgenden zitiert als Fontenot; Degen; Tohn: On Point…, Kee- gan: Iraq War…, S. 117, 137 – 145

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“Strike Eagle” beteiligt. Parallel hierzu begannen die 1st MEF und die 3rd ID mit dem Vormarsch über die kuwaitisch-irakische Grenze hinweg in den Irak hinein. Dabei trafen die Panzerspitzen beider Verbände auf keinen großen Widerstand. Ein organisierter Widerstand im Sinne von koor- dinierten Gegenangriffen erschien bei dem Zustand der irakischen Armee ohnehin sehr unwahr- scheinlich zu sein.1051

Abbildung 57: U.S. Army 3rd Infantry Division Sgt. Steven Brussel leans into the wind as a sandstorm at dusk turns the desert red near Karbala, Iraq Tuesday, March 25, 2003. The sandstorm grounded many bombing flights over Iraq and slowed U.S.-led military progress in the area near Karbala.

Photo: John Moore / AP Quelle http://digitaljournalist.org/issue0304/ap02.html (Letzter Zugriff 15. 07. 2008)

Der Widerstand der irakischen Verteidiger beschränkte sich deshalb um so mehr auf Taktiken der asymmetrischen Kriegsführung. Diese Angriffe auf die vergleichsweise gering gesicherten Nach- schubkonvois erwiesen sich aber als außerordentlich erfolgreich. In diesem Fall zeigte sich der große Schwachpunkt des amerikanischen Operationsplans. Dadurch, daß sich der amerikanische Vormarsch entlang der beiden Flüsse Euphrat und Tigris, an deren Ufern auch die beiden Haupt- verkehrsadern vom Süden in den Norden führten, entlangzog und somit die Flanken der beiden vorrückenden Divisionen verwundbar waren, waren sie an diesem Punkt angreifbar, da eine ef- fektive Flankensicherung bei dieser Art von Vorwärtsbewegung kaum möglich war. Um diesen Schwachpunkt, den wohl auch die Planer im CENTCOM gesehen haben müssen, auszugleichen, sollte der Vorstoß dieser beiden Großverbände dementsprechend schnell vorwärtsgehen. Dabei sollte möglicher Widerstand beiseite gefegt wurden. Die Truppen sollten sich nur dann zum Kampf stellen, wenn es absolut unvermeidbar war. Ansonsten sollte die Bekämpfung des Geg- ners aus der Bewegung heraus, ohne anzuhalten, erfolgen. Da der gesamte Logistik-Tross dieses schnelle Tempo der Bewegung nicht mitgehen konnte, wurden in regelmäßigen Abständen Halte der gesamten Divisionen angeordnet, um diese wieder mit Treibstoffen, Lebensmitteln und Mu- nition versorgen zu können. So standen die ersten Einheiten der 3rd ID bereits vier Tage nach Be-

1051 Zum Zustand der irakischen Armee siehe ausführlich Keegan: Iraq War…, S. 128 – 130; Cordesman: Iraq War…, S. 58, 60, 61

Seite 251 “The Picture Survives” ginn der Operationen gegen den Irak vor Najaf, etwa 250 Kilometer südlich von Bagdad. Die ersten Einheiten der 1st MEF befanden sich zu diesem Zeitpunkt 150 Kilometer vor Bagdad bei Kut.1052

Das erste größere Zusammentreffen zwischen amerikanischen Truppen und irakischen Verteidi- gern ereignete sich am 23. März beim Versuch der 1st MEF, die Brücken in und um die Stadt Na- siriyah für die Überquerung des Euphrat zu nutzen. Von amerikanischer Seite aus wurde diese Operation weniger gründlich vorbereitet als dies normalerweise der Fall war, da man in dieser Stadt höchstens mit geringem Widerstand rechnete. Schließlich hatten sich die Bewohner im An- schluß an den Krieg von 1991 gegen Saddam Hussein erhoben und seitdem unter ständigen Re- pressionen zu leiden gehabt. Die irakische Seite hatte Nasiriyah als Symbol für die Verteidigung des Irak ausgesucht. Die Stadt sollte allerdings nicht von Einheiten der regulären Armee oder von Einheiten der Republikanischen Garden, sondern von Einheiten der Fedayeen verteidigt werden. Die Fedayeen, gegründet circa in der Mitte der 1990 Jahre von Saddams Sohn Udai, sollten mit den Mitteln der Guerilla nun diese Stadt gegen die vorrückenden amerikanischen Ein- heiten verteidigen. Gleichzeitig bewegten sich in der Umgebung von Nasiriyah noch große Teile der 3rd ID. Aus dieser undurchsichtigen Gemengelage heraus kam es zu dem wohl folgenträch- tigsten Zwischenfall des gesamten Krieges: Ein Versorgungszug der 3rd Infantry Division verfuhr sich bei Dunkelheit und schlechter Sicht in Nasiriyah. Dadurch, daß nur ein Teil der Fahrzeuge über Funkgeräte verfügte, wurde die Kommunikation untereinander nochmals erschwert. Noch- mals verschärft wurde die Situation dadurch, daß lediglich ein Fahrzeug über eine entsprechende Bewaffnung verfügte. Alle anderen Soldaten waren auf ihre persönlichen Waffen angewiesen. Angesichts der Tatsache, daß es sich hierbei um Fahrzeuge aus dem Bestand der US-Army han- delte, erscheint der Mangel an Kommunikationsausrüstung und Bewaffnung geradezu unglaub- lich.1053

Bei dem Versuch, wieder auf die richtige Straße zu kommen, geriet der Konvoi in einen Hinter- halt und wurde von Fedayeen angegriffen. Bei diesem Angriff gerieten 6 Soldaten in Gefangen- schaft, während 9 GI's fielen. Als sich die Nachricht vom Angriff auf diese Versorgungseinheit verbreitete, wurde eine Einheit der Marines, begleitet von einem Zug Panzer, entsandt, um die Überlebenden zu retten. Diese Einheiten gerieten schon bald in heftige Straßengefechte, die ihr Vorankommen erheblich behinderten. Dennoch konnten fünf Überlebende gerettet werden. Beim Rückzug, der aufgrund der knappen Zeitvorgaben aus dem Oberkommando zudem noch in großer Hast erfolgte, gerieten die Einheiten an einer Brücke unter Beschuß. Dabei wurde ein am- phibisches Landungsfahrzeug, ein sogenannter “Amtrack” (LAAV = Light Amphibious Assault Vehicle), von einer Granate getroffen und geriet in Brand. Da dieses LAAV aber in der Mitte ei- ner Kolonne fuhr, war die Einheit mit einem Mal in ihrem Zusammenhalt zerrissen. Diese Brücke entpuppte sich ebenfalls als Hinterhalt, da nun von allen Seiten Fedayeen heranstürmten und mit Panzerfäusten und Sturmgewehren das Feuer eröffneten. Dieses Gefecht zog sich von den Mittagsstunden bis zum Abend hin. Erst als weitere Truppenteile mit Panzerunterstützung in die Kämpfe eingriffen, konnte das Blatt gewendet werden.1054 Der Schlußfolgerung, die die Auto- ren des Buches “On Point. The United States Army in Operation Iraqi Freedom” ziehen, ist un- eingeschränkt zuzustimmen: “The 507th's [so die Bezeichnung, dieser Einheit, die unter Feuer ge-

1052 Vgl. Cordesman: Iraq War…, S. 62 – 64, Keegan: Iraq War…, S. 145. Bei Cordesman: Iraq War…, S. 62 findet sich die Angabe, daß Najaf 60 Kilometer von Bagdad entfernt liegt. Bei einem Abgleich mit einer Karte des Irak erweist sich diese Angabe als nicht haltbar, da die Luftlinie von Najaf nach Bagdad ca. 250 Kilometer beträgt. 1053 Vgl. Renz, Michael; Fraund, Philipp: Irakischer Widerstand; in: 3sat, „auslandsjournal extra“, Sendedatum 28. 03. 2003, 21.00 Uhr; Fontenot; Degen; Tohn: On Point…, S. 156 1054 Vgl. Fontenot; Degen; Tohn: On Point…, S. 89, 154 – 168; Keegan: Iraq War…, S. 149 – 151

Seite 252 “The Picture Survives” riet] story tells much about the fog, friction, bravery, and carnage of combat [...].”1055 Obwohl die Schlacht von Nasiriyah im Gesamtgeschehen des Krieges lediglich eine Episode darstellt, bildete sie dennoch den Auftakt zu einer Reihe von Kampfhandlungen entlang der Straßen von Nasiriyah nach Najaf. In diesem Gebiet schien sich der irakische Widerstand zu konzentrieren. Dadurch, daß das Gelände an dieser Stelle kein Abweichen von der festgelegten Route erlaubte, erhielten diese Straßen bald den Spitznamen “Ambush-Alley”. An jenem 23. März wurden ferner versucht, die Medina Division der Republikanischen Garden nahe Kerbela mit Kampfhubschrau- bern anzugreifen. Ziel war es, die gepanzerten Truppenteile und die Artillerie der Division auszu- schalten, bevor diese in die Lage versetzt worden wäre, den amerikanischen Vormarsch ernsthaft zu behindern. Der Angriff mit Kampfhubschraubern vom Typ AH-64D “Apache” endete beinahe in einem Fiasko. Von 32 eingesetzten Hubschraubern kehrten 31 mit teilweise schweren Beschä- digungen zurück. Ein Helikopter wurde sogar von der Flak der Medina-Division abgeschos- sen.1056

Gleichzeitig wurde der Vormarsch der beiden Divisionen durch eine Reihe von schweren Sand- stürmen, die zwischen dem 25. und dem 28. März 2003 durch das Operationsgebiet fegten, mas- siv verlangsamt. Diese Sandstürme hatte aber auch eine positive Seite: Der Gegner war durch diese extremen Bedingungen ebenso in seinen Operationen behindert wie die amerikanischen Kräfte. Am 26. März wurde der Sandsturm so stark, daß die 3rd ID, die zudem am Ende ihrer Ressourcen angelangt war, zum Halten gezwungen wurde. Die 1st MEF konnte, da sie besser an diese widrigen Bedingungen gewöhnt war und auch über eine bessere Versogungslage verfügte, ihren Vormarsch fortsetzen. Da aber der Operationsplan einen gemeinsamen und parallelen Vor- marsch auf Bagdad vorsah, um den um Bagdad stationierten Divisionen der Republikanischen Garden genügend und konzentrierte Feuerkraft entgegenzusetzen und ihnen keine Gelegenheit zu geben, die amerikanischen Einheiten getrennt anzugreifen, mußte die 1st MEF ebenfalls am 27. März eine Pause einlegen.1057

Nachdem beide Großverbände, unterstützt von den beiden amerikanischen Luftlandedivisio- nen1058, ihren Vormarsch wieder aufgenommen hatten und die Stadt Kerbala eingenommen und gesichert hatten, lag der Weg nach Bagdad vor den Truppen. Die nun zu erreichenden Ziele wa- ren der sogenannte „Karbala Gap“, der internationale Flughafen von Bagdad und die Mautstellen nach Bagdad. Bagdad sollte aus zwei Richtungen gleichzeitig angegriffen werden: aus dem Sü- den durch die 1st MEF und aus Südwesten durch die 3rd ID. Der Vorstoß der 3rd Infantry Division sollte das irakische Oberkommando vom Vorstoß der 1st Marines entlang des Tigris ablenken. Dadurch, daß die 3. Infanterie Divison bei Kerbala stand, gab es zwei Möglichkeiten, für einen Angriff auf Bagdad anzutreten: Zum einen durch den „Karbala Gap“ hindurch direkt nach Bag- dad stoßend und zum anderen, Kerbela umgehend, Bagdad von Westen her erreichend anzugrei- fen. Die Planer hatten sich für den Weg durch den „Karbala Gap“ entschieden, wollten aber er- reichen, daß sich die irakischen Verteidiger zwischen diesen zwei möglichen Angriffsrouten auf- teilen würden. Die Vorhut der 3rd ID erreichte den Internationalen Flughafen von Bagdad in der Nacht vom 1. auf den 2. April 2003. Dort trafen sie auf heftigen, aber unkoordinierten Wider- stand von Kämpfern der Fedayeen. Diese stürzten sich in mehreren Wellen dem amerikanischen Abwehrfeuer entgegen und hörten erst damit auf, als bereits über 400 von ihnen gefallen waren. Am Morgen des 4. April griffen die Fedayeen, diesmal besser organisiert und mit der Unterstüt- zung von Panzern, erneut an. Auch diesmal gelang es, den Widerstand der Fedayeen zu brechen.

1055 Fontenot; Degen; Tohn: On Point…, S. 89 1056 Vgl. Fontenot; Degen; Tohn: On Point…, S. 169, 179 – 191 1057 Vgl. Keegan: Iraq War…, S. 154 – 157; Fontenot; Degen; Tohn: On Point…, S. 150 1058 Es handelt sich hier um die 82nd Airborne Div. und die 101st Airborne (Air Assault) Div.

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Entscheidend hierfür war der Einsatz der amerikanischen Abrams-Panzer, die allein 16 irakische Panzer vom Typ T-72 ausschalteten. Endgültig unter Kontrolle war der Flughafen von Bagdad am frühen Morgen des 5. April 2003.1059

Gleichzeitig setzte die 1st MEF ihren Weg von Süden nach Bagdad, entlang des Tigris, fort und erreichte den südlichen Stadtrand von Bagdad ohne auf großen Widerstand zu stoßen. Auf hefti- ge Gegenwehr stießen sie erst, als sie bereits das Stadtzentrum von Bagdad erreicht hatten. Die Sicherung der Millionenstadt Bagdad, an der neben der 1st MEF auch die 3rd ID beteiligt war, zog sich vom 5. – 9. April hin. Eine Kapitalation der irakischen Führung fand nicht statt, die staatli- che Ordnung war – parallel zum amerikanischen Vorrücken in Bagdad – immer mehr zusammen- gebrochen, da es die Verantwortlichen vorgezogen hatten, ihre Posten zu verlassen und unterzut- auchen.

6.2.2.4 Berichterstattung

Als am Abend des 6. August 1991 der Marschbefehl für die ersten Einheiten zur Verlegung an den Golf eintraf, wurden parallel dazu auch die Mitglieder des Pressepools des Pentagon alar- miert. Obwohl die Kritik der Redaktionen an diesem System nach der wenig glücklich verlaufe- nen Premiere des Poolsystems in Panama durchaus anhielt, hatten sich doch die meisten Verant- wortlichen in den Redaktionen damit arrangiert. Angesichts der Alternative, gar nicht mehr be- richten zu können, eine nachvollziehbare Entscheidung. Der Umstand aber, daß der Pressepool seine Marschbefehle gleichzeitig mit den Truppen erhielt, aber erst am 12. August die Gelegen- heit hatte, nach Saudi-Arabien zu fliegen, wo er am 13. August ankam, trug nicht dazu bei, die Kritiker verstummen zu lassen. Umso verwunderlicher scheint es, daß das Pentagon am 26. Au- gust bekannt gab, den Pool vorerst zu deaktivieren, da in Saudi-Arabien keinerlei Einschränkun- gen mehr in der Berichterstattung bestünden.1060

Saudi-Arabien war zu jener Zeit nicht gerade dafür bekannt, sich zu den Prinzipien einer freien Presse zu bekennen.1061 Als an jenem 2. August die irakischen Panzer durch Kuwait-City rollten, war in Saudi-Arabien kein einziger auswärtiger Journalist stationiert. Nachrichtenagenturen mußten sich auf das verlasssen, was ihre Stringer an zensiertem Material beschaffen konnten. Zusammenfassend ist der Einschätzung John MacArthurs zuzustimmen: “Saudi-Arabi could be accurately described as one of the most hostile nations in the World to the notion of press free- dom.”1062

Der zu dieser Zeit amtierende Vorsitzende der Joint Chiefs of Staff, General Colin Powell, be- schreibt in seinen Erinnerungen „Mein Weg“ seine Erfahrungen im Umgang mit den saudi-arabi- schen Stellen:

1059 Vgl. Keegan: Iraq War…, S. 163, 187 – 188, 191 – 192; Fontenot; Degen; Tohn: On Point…, S. 295 – 310 1060 Vgl. AP: Confrontation in the Gulf. Military Drops Gulf Press Pool; in: The New York Times, 27. August 1990; Saudi-Arabien steht an Platz 148 der aktuellen „Rangliste der Pressefreiheit“ der Nichtregierungsorganisation Reporter ohne Grenzen, vgl. http://www.reporter-ohne-grenzen.de/rangliste-2007.html (Letzter Zugriff 15. 07. 2008), das saudische Königshaus hat sogar die zweifelhafte Ehre zu den “Predators of Press Freedom” gezählt zu werden, vgl. http://www.rsf.org/article.php3?id_article=17545 (Letzter Zugriff 15. 07. 2008) 1061 An diesem Umstand hat sich bis heute nicht allzuviel geändert. Vgl. http://www.reporter-ohne- grenzen.de/rangliste-2007.html (Letzter Zugriff 15. 07. 2008); http://www.rsf.org/article.php3?id_article=17545 (Letzter Zugriff 15. 07. 2008) 1062 MacArthur: Second Front…, S. 4

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“[...] Early in the buildup the Saudis made a simple announcement. They were not going to allow any reporters into their country. That we knew, could not stand. You do not send nearly a half million Americans, plus thousands of other nationals, halfway around the world to prepare for a major war and then impose a news blackout. [...]”1063 Angesichts des gestörten saudi-arabischen Verhältnisses zu demokratischen Werten im allgemei- nen und zur Pressefreiheit im besonderen ist dieser Wunsch zwar nachvollziehbar, letztendlich aber, aus den von Powell geschilderten Gründen, nicht durchsetzbar. Dies scheint wohl auch dem Oberkommandieren vor Ort, Norman Schwarzkopf, klar gewesen zu sein, der die Fehler der Ver- gangenheit im Umgang mit der Presse nicht wiederholen wollte und sich vornahm, niemals das amerikanische Volk anzulügen.1064 Die Haltbarkeit solcher hehren Vorsätze und Prinzipien darf indes angezweifelt werden, da die Erfordernisse der Tagespolitik oftmals der Umsetzung solcher Ideale im Wege stehen. So erging es auch Schwarzkopf, der analog zum Herzog von Wellington die Überzeugung äußerte, daß „our own newspaper and TV reports had become Iraq's best source of military intelligence.“1065

Wieso kam es aber, angesichts dieser Umstände, zur Entscheidung des Pentagon, den "Depart- ment of Defense National Media Pool” vorerst zu deaktivieren und dessen Mitglieder nach Hau- se zu schicken? Am Morgen des 10. August1066 wurden die Vertreter der vier großen Fernsehnetz- werke (CBS, NBC, ABC, CNN) der USA bei dem Botschafter Saudi-Arabiens in den Vereinigten Staaten, Prinz Bandar Bin Sultan Bin Abdul Aziz, vorstellig. Sie wollten Prinz Bandar, der zu- dem noch der Neffe des saudischen Königs Fahd und Sohn des saudischen Verteidigungsminis- ters war, um mehr Visa für ihre Mitarbeiter anflehen, wie sich einer der Teilnehmer an diesem Bittgang erinnert, damit diese aus Saudi-Arabien über den beginnenden Truppenaufmarsch be- richten konnten.1067

Aus Sicht der Medien ist der Wunsch nach mehr Journalisten, die vor Ort über den Truppenauf- marsch am Golf berichten sollten, verständlich, warum aber die vorhandenen Kräfte in jenem "Department of Defense National Media Pool” für diese Aufgabe nicht ausreichen sollten, diese (naheliegende) Frage wird aber in der gesamten Literatur nicht beantwortet. Der "Department of Defense National Media Pool” bestand aus sieben Mitarbeitern der Fernsehsender, fünf Mitarbei- tern der Nachrichtenagenturen, zwei Journalisten der Zeitungen, ebenfalls zwei Journalisten der Nachrichtenmagazine und einem Mitarbeiter der Radio-Stationen. Die Aufgabe eines Pools ist es ja gerade, für alle anderen Presseorgane das Material zu liefern. Damit hatte die amerikanische Regierung genaugenommen ihren Teil der, dem “Department of Defense National Media Pool” zugrundeliegenden Vereinbarungen, erfüllt. Für diese Journalisten waren auch keine weiteren saudischen Visa notwendig. Wenn die großen Fernsehsender mehr Personal vor Ort haben woll- ten, dann war das nicht mehr Aufgabe der amerikanischen Regierung oder des Pentagons, son- dern der saudischen Regierung. Insofern sind die Klagen über zu wenig Visa zu diesem Zeit- punkt, nach Prüfung der Faktenlage, nicht ganz nachvollziehbar. Zum Problem wurde die Ent- sendung des Pools erst in dem Moment, als die zuständigen Stellen im Pentagon mit Anfragen von Reportern, die unbedingt Teil des Pools sein wollten, überschwemmt wurden.1068

1063 Zititert nach Young; Jesser: Media and the Military..., S. 177 1064 Vgl. Young; Jesser: Media and the Military..., S. 177 1065 Zititert nach Young; Jesser: Media and the Military..., S. 177 1066 Dieses Datum wurde aus den ungenauen Angaben, die bei MacArthur: Second Front…, S. 3 zu finden sind, re- konstruiert. Es handelt sich hierbei allerdings um das wahrscheinlichste Datum, das aber auch von Elter: Die an- dere Front…, S. 270 so genannt wird. 1067 Vgl. MacArthur: Second Front…, S. 3 – 4 1068 Vgl. MacArthur: Second Front…, S. 6; Klein: Es begann im Kaukasus…, S. 48; MacArthur: Second Front…, S. 4 – 5; Elter: Die andere Front…, 270 – 272; Young; Jesser: Media and the Military..., S. 174

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Das System des Pools kam damit und auch mit dem Umstand, daß im Anschluß an die Truppen- aufmärsche keine direkte militärische Aktion erfolgte, an seine natürlichen Grenzen: Wenn nur die in Washington stationierten „Edelfedern“, die sowohl Teil des Pools als auch Teil des Wa- shingtoner Establishments waren, geschickt wurden, um eine militärische Intervention der USA journalistisch zu begleiten, dann war die Größe des Pools und auch die Art und Weise der Be- richterstattung kontrollierbar. Wenn aber der direkten Intervention eine langwierige Phase des Truppenaufbaus voranging, in der nicht viel Berichtenswertes passierte, dann geriet das ganze System in eine Schieflage, wie schon die frustrierten Reaktionen der Poolmitglieder der Opera- tionen “Earenst Will” und “Praying Mantis” gezeigt hatten. In dem Moment, wo nicht nur jene „Edelfedern“, sondern Reporter aus allen Teilen der USA Teil des Pools sein wollten, und es ab- sehbar war, daß die Operation länger als ein paar Tage, bestensfalls ein paar Wochen dauern wür- de, stieß das System des “Department of Defense National Media Pool” an seine systemimma- nenten Grenzen. Von daher machte die Ende August 1990 getroffene Entscheidung, den “Depart- ment of Defense National Media Pool” vorerst zu deaktivieren und damit die Berichterstattung freizugeben, angesichts von 800 Journalisten, die sich mittlerweile im Dunstkreis der Truppen tummelten, durchaus Sinn. Vor allem auch deshalb, da die zuvor praktizierte Methode, einfach neue Pools zu gründen, das System als solches ad absurdum führte und doch niemals alle anwe- senden Journalisten berücksichtigen konnte. Im Hintergrund dieser Entscheidung dürfte auch die Feststellung bzw. Hoffnung der zuständigen PR-Stellen im Pentagon eine Rolle gespielt haben, daß die Reporter der Heimatzeitungen der GI's Lobeshymnen auf den Heldenmut und die Tapfer- keit jener GI's publizieren würden. Um diesen Effekt, der sich im übrigen bei allen Kriegen be- obachten und auch bei den großen Nachrichtenagenturen beobachten läßt, auszunutzen und wei- ter zu fördern, wurde diesen Korrespondenten angeboten, sie kostenlos nach Saudi-Arabien zu befördern und ihnen die Möglichkeit gegeben, mit Soldaten speziell aus dem Verbreitungsgebiet ihrer Zeitung zu sprechen.1069

Die Aufgabenverteilung innerhalb der amerikanischen Regierung und innerhalb der Allianz scheint in diesem Fall, im Gegensatz zur Auffassung Elters, nicht so ganz klar gewesen zu sein: Das Pentagon scheint für die Beschaffung der Visa für die Mitglieder der Pools zuständig gewe- sen zu sein. Schließlich reisten die Journalisten im Gefolge der GI's und waren, als Mitglieder des “National Media Pool”, außerdem Teil des Pentagons. Wieso das Pentagon oder die amerika- nische Regierung für die, über diese Anzahl Journalisten herausgehenden, Visa-Wünsche der Presse zuständig gewesen sein soll, wird nicht klar. Saudi-Arabien war zu diesem Zeitpunkt kein von den USA besetztes Land, das von einer Militärverwaltung der USA regiert wurde. In diesem Fall wäre das Pentagon für die Vergabe von Visa und Drehgenehmigungen zuständig gewesen. Da aber Saudi-Arabien ein selbstständiger, souveräner Staat war, konnte weder das Pentagon noch die US-Regierung dem saudischen Königshaus, aller guten und freundschaftlichen Bezie- hungen zum Trotz, vorschreiben, an wen und wann es Journalisten-Visa ausstellt. Der Verdacht – dies sei Elters und MacArthurs Argumentation zugestanden – daß hier die restriktive Pressepoli- tik der saudischen Regierung als bequeme Ausrede genutzt wurde, so wenig Journalisten wie möglich ins Land zu lassen, ist aber auch nicht ganz von der Hand zu weisen, auch wenn es hier- für keine exakten Belege gibt.1070

Zu dieser Zeit, als die Bosse der großen TV-Netzwerke versuchten, mehr Journalisten nach Sau- di-Arabien zu verlegen, war der oberste Presseoffizier in Schwarzkopfs Stab damit beschäftigt,

1069 Vgl. Young; Jesser: Media and the Military..., S. 175; Deparle. Jason: After the War. Long Series of Military De- cisions Led to Gulf War News Censorship; 5. Mai 1991 1070 Vgl. MacArthur: Second Front…, S. 6; Klein: Es begann im Kaukasus…, S. 48; MacArthur: Second Front…, S. 4 – 5; Elter: Die andere Front…, 270 – 272; Young; Jesser: Media and the Military..., S. 174

Seite 256 “The Picture Survives” eine zukünftige Politik der Presse gegenüber zu formulieren. Ron Wildermuth, ein Captain der US-Navy, verfaßte ein, als geheim eingestuftes, Memo, das als “Annex F” oder “Annex Foxtrot” zu einiger Bekanntheit kommen sollte. Es sollte den Umgang mit der Presse regeln, stellte ge- wissermaßen also “a blueprint for the operations [Desert Shield] public information policy”1071 dar. Ziel dieses Dokuments sollte es sein, die Fernsehbilder, die mit zu der demütigenden Nieder- lage in Vietnam geführt hatten, zu verhindern, und mit ihm alle Berichtsformen der Medien zu kontrollieren: “The gulf war marked this century's first major combat conflict where the policy was to confine reporters to escorted pools that sharply curtailed when and how they could talk to troops.”1072 Wildermuths Leitsatz in diesem Zusammenhang: “News media representatives will be escorted at all times. Repeat, at all times.”1073 Damit war zumindest einmal – aus Wilder- muths Sicht – das größte Problem und gleichzeitig das größte Risiko des Vietnamkrieges ge- bannt: der unkontrollierte Zutritt der Presse zu den Kampfzonen sowie deren unkontrollierbare Berichte. Fast die gesamte amerikanische Generalität hatte in der einen oder anderen Funktion bereits zu Zeiten des Vietnamkrieges gedient, die meisten sogar direkt in Vietnam. In Vietnam hatten die meisten von ihnen gelernt, daß ein gesundes Mißtrauen gegenüber Reportern von Vor- teil sein konnte. Diese Ressentiments wurden in den Jahren nach dem amerikanischen Rückzug aus Vietnam weiter verstärkt, als gerade im Militär die amerikanische Version der Dolchstoßle- gende, nach der „die Medien“ mit ihrer negativen und kritischen Berichterstattung die alleinige Schuld daran trügen, daß der Krieg in Vietnam an der Heimatfront und nicht im Felde verloren wurde, immer mehr Anhänger fand. In dem Maße, wie nun seitens der politischen Führung keine konkreten Vorgaben zu einer offiziellen Pressepolitik gemacht wurden, kam es dann zu einer Ausformulierung einer Pressepolitik, die in ihrem Kern dies zu vermeiden suchte, was die betei- ligten Feldkommandeure als Ursache der Niederlage in Vietnam ausgemacht hatten: die freie, kaum kontrollierte und noch weniger zensierte Berichterstattung der Presse.1074

Daher wurde den Reporten, die im saudi-arabischen Dharan saßen und nicht Mitglied in einem solchen Pool waren, quasi verboten, sich selbständig im Lande zu bewegen. Sie hatten gegen- über ihren Kollegen, die in einem solchen Pool waren, den Nachteil, daß sie nur auf die wenigen und meistens alles andere als informativen Presse-Briefings in ihren Berichten zurückgreifen konnten:

“[...] Those not assigned to pools would have access to several military briefings held in Riyadh, one by CENTCOM and two others by British and Saudi commands. In addition, unaired background briefings were provided to the media. Otherwise, travel within the theatre of operations by media reps was prohibited. [...]”1075 Offenbar wurde als Order an die Truppen ausgegeben, daß Journalisten, die nicht in Begleitung eines Pools oder eines Presseoffiziers waren, prinzipiell als feindlich angesehen werden sollten. Colonel David H. Hackworth, hochdekorierter Veteran des Korea- und Vietnamkrieges und nach seiner ehrenhaften Entlassung aus dem Militärdienst Kriegskorrespondent1076, berichtete auch über die Ereignisse am Golf und war kein Mitglied in einem der unzähligen Pools. Hackworth

1071 Deparle. Jason: After the War. Long Series of Military Decisions Led to Gulf War News Censorship; 5. Mai 1991 1072 Deparle. Jason: After the War. Long Series of Military Decisions Led to Gulf War News Censorship; 5. Mai 1991 1073 Zitiert nach Deparle. Jason: After the War. Long Series of Military Decisions Led to Gulf War News Censor- ship; 5. Mai 1991 1074 Vgl. Deparle. Jason: After the War. Long Series of Military Decisions Led to Gulf War News Censorship; 5. Mai 1991; siehe auch Young; Jesser: Media and the Military..., S. 173 – 175; Powell: Mein Weg…, S. 510 - 511; Klein: Größter Erfolg und schwerstes Trauma... S. 193, 211 - 212 1075 Zitiert nach Young; Jesser: Media and the Military..., S. 175

Seite 257 “The Picture Survives” erinnert sich daran, daß “more guns pointed at [him] in two months by the military who were into controlling the press than [he] had in all [his] years of actual combat, all of them Americ- an”.1077

Das Poolsystem wurde offiziell wieder Anfang Januar in Kraft gesetzt. Parallel dazu wurden Richtlinien für die Presse erlassen, die im Prinzip den „freiwilligen Einschränkungen“ entspra- chen, die die Presse gemäß den Empfehlungen des Sidle-Berichts hinnehmen sollte. Daraus ent- stand eine Liste von 12 Themenbereichen, über die absolut nicht berichtet werden durfte. Hierzu gehörten unter anderem alle für die Sicherheit der Operationen notwendigen Details inklusive Anzahl der Truppen und Details von Waffensystemen, Details zukünftig geplanter Operationen, Details der aktuell geltenden ROE's1078. Hinzu kam noch das Verbot, über “Special Forces”, SAR (Search and Rescue)-Systeme und mögliche Verluste zu berichten. Eine Woche später wurden diese Richtlinien durch zusätzliche Ergänzungen verschärft. Konkret wurde hierin beschrieben, wie Informationen gesammelt und recherchiert werden sollten. Unter anderem wurde in diesen neuen Richtlinien festgelegt, daß in Zukunft alle Interviews nur in Anwesenheit einer militäri- schen Eskorte erfolgen dürften. Ferner mußten alle Berichte, Videokassetten und Fotografien ei- ner Sicherheitsüberprüfung unterzogen werden, bevor sie versandt bzw. gesendet werden durf- ten. Die wichtigste Maßnahme in diesem Paket war jedoch das Verbot für alle Journalisten, die nicht in einem Pool organisiert waren, vorgeschobene Bereiche zu besuchen. Begründet wurden diese Richtlinien mit dem, beinahe klassischen, militärischen Standard- und Totschlagsargument, mit der „Operationssicherheit“ auf der einen Seite und mit der „Sicherheit der Medien“ auf der anderen Seite.1079

Ein großes Problem an dieser Pool-Lösung war auch, daß die daran teilnehmenden Journalisten nicht unbedingt die qualitativen Repräsentanten ihrer Profession waren. Obwohl man annehmen sollte, daß ein Reporter, der bereit ist, in einen möglichen Kriegseinsatz zu gehen, Grundkennt- nisse der Materie haben sollte, war doch der Kenntnisstand mancher Kollegen erschreckend. Hackworth beschreibt einige seiner Kollegen – sehr drastisch – als nicht fähig, “a tank from a turd”1080 unterscheiden zu können. Da das Poolsystem prinzipiell nicht in der Lage war, die teil- nahmewilligen Journalisten nach Kriterien der Qualität, Informiertheit oder Eignung – allesamt Kriterien, die ohnehin kaum zu definieren, zu operationalisieren und zu messen sind – auszuwäh- len, wurden eben auch solche Journalisten Mitglieder des Pools, die diesen Kriterien in keinster Weise entsprachen und somit kaum geeignet waren. Allein das überlieferte Beispiel einer Journa- listin, die für eine Frauenzeitschrift arbeitete, illustriert dieses Problem von sowohl qualitativer als auch inhaltlicher Seite: Diese Reporterin verbrachte ihre Zeit am Golf damit, über die sexuel- len Aktivitäten des weiblichen Teils der amerikanischen Armee und über die von den medizini- schen Einheiten verwandten Drogen und Medikamente zu schreiben.1081 Daß diese Art der Be- richterstattung auf wenig Gegenliebe bei den Militärs und politischen Zirkeln in Washington fiel,

1076 Colonel David H. Hackworth wurde während seiner Karriere, die das Ende des Zweiten Weltkrieges bis zum Ende des Vietnamkrieges abdeckte, 2 x mit dem “Distinguished Service Cross”, 10 x mit dem “Silver Star”, 4 x mit der “Legion of Merit”, 1x mit dem “Distinguished Flying Cross”, 8 x mit dem “Bronze Star”, 8 x mit dem “Purple Heart”, 33 x mit der “Air Medal” und dem “Combat Infantry Badge” ausgezeichnet. Danach arbeitete er als Journalist und berichtet über den Golfkrieg und die Kriege in Somalia und dem ehemaligen Jugoslawien. Vgl. http://www.hackworth.com (Letzter Zugriff 15. 07. 2008); http://en.wikipedia.org/wiki/David_Hackworth (Letzter Zugriff 15. 07. 2008) 1077 Zitiert nach Young; Jesser: Media and the Military..., S. 175 – 176 1078 ROE = Rules of Engagement 1079 Vgl. Young; Jesser: Media and the Military..., S. 176 1080 Zitiert nach Young; Jesser: Media and the Military..., S. 176 1081 Vgl. Young; Jesser: Media and the Military..., S. 176 – 177

Seite 258 “The Picture Survives” versteht sich beinahe von selbst. Gleichzeitig – und dies zeigt das Dilemma, in dem die Journa- listen am Golf steckten – war die Berichterstattung über wirklich harte Fakten, nämlich den Krieg bzw. die Kriegsvorbereitung, durch jene Einschränkungen in der Berichterstattung kaum mehr möglich, so daß letztendlich nur noch solche, eher dem „Boulevard“ oder der “Yellow Press” zuzuordnende, Themen übrig blieben.

Welchen Belastungen das Pool-System unterworfen war, zeigt eine Episode des Krieges, näm- lich die Schlacht um die saudi-arabische Grenzstadt Khafji, Ende Januar 1991. Gut zwei Wochen nach Beginn der alliierten Offensive gegen den Irak, zwischen dem 29. und dem 31. Januar, führ- ten irakische Verbände eine Reihe von Angriffsoperationen aus ihren Stellungen in Kuwait über die Grenze nach Saudi-Arabien durch. Diese konnten zwar schnell von den alliierten Truppen zurückgeschlagen werden, die Grenzstadt Khafji war aber dennoch für annähernd 36 Stunden unter irakischer Kontrolle.1082 Erst dann konnte sie von Truppen aus Saudi-Arabien und Qatar be- freit werden. Unter strategischen Gesichtspunkten ist General Schwarzkopf zuzustimmen, wenn er diese Episode als “about as significant as a mosquito on an elephant”1083 bezeichnet. Diese Vorstöße waren für den weiteren Verlauf des Krieges im Grunde genommen irrelevant. Für die Berichterstattung über den Golfkrieg ist die Schlacht von Khafji jedoch alles andere als irrele- vant, lassen sich an ihr beinahe alle Probleme, die sich aus der Berichterstattung über den Golf- krieg ergaben, wie unter einer Lupe betrachten: zu kleine, zu spät eingesetzte Pools, sich einan- der teilweise widersprechende Pressebriefings und Journalisten, die sich außerhalb des Pool-Sys- tems bewegten. Gleichzeitig handelt es sich bei der Schlacht von Khafji um den einzigen Erfolg der irakischen Propaganda während des Krieges: Die „arabische Straße“, die Menschen und nicht etwa die Regierungen in den arabischen Ländern, feierten diese Aktion als Sieg der wahren arabischen Kräfte über den arroganten Westen. So gingen etwa 60.000 Menschen in Algerien auf einer, von einer Pro-Irakisch-Islamischen Front1084 organisierten Demonstration, auf die Straße und skandierten “Victory to Islam and the Muslims”1085. In Jordanien, einem der wenigen Länder, die sich offen auf die Seite Saddam Husseins geschlagen hatten, protestierten etwa 3.000 Men- schen für Saddam. Auch in Ägypten, das sich mit 45.000 Soldaten an den alliierten Operationen beteiligte, gingen die Menschen auf die Straße. Die ägyptische Regierung verfügte die Schlie- ßung der Universitäten, um Ausschreitungen zu verhindern. Unter diesem Gesichtspunkt muß auch der Umstand gesehen werden, daß die Rückeroberung Khafjis – offiziell – von arabischen Mitgliedern der Alliierten durchgeführt wurde. Ließ sich doch damit auf relativ einfache Art und Weise das islamistische Argument dieser, von einer westlichen Koalition geführte, Krieg, sei in Wahrheit ein Kreuzzug gegen den Islam, entkräften.1086

Der bis dahin vorherrschende Luftkrieg stellte sämtliche Reporter, die damals über den Golfkrieg berichteten, egal ob Mitglied in einem Pool oder nicht, vor besondere Probleme. Es liegt in der Natur der Sache, daß über einen Luftkrieg an sich schon wenig berichtet werden kann. Konnten ihre Kollegen im Zweiten Weltkrieg und in Vietnam wenigstens noch in einem Bomber bei ei- nem Einsatz mitfliegen, so war dies den Reporten des Jahres 1991 nicht mehr erlaubt. Daher mußten sich die Medien öfters als in Vietnam und im Zweiten Weltkrieg auf das von den militäri- 1082 Vgl. Mould, David H.: Press Pools and Military-Media Relations in the Gulf-War. A Case Study of the Battle of Khafji, January 1991; in: Historical Journal of Film, Radio and Television 16 / 2 / 1996; S. 133 – 159, hier S. 138, im folgenden zitiert als Mould: Press Pools..., 1083 Zitiert nach Mould: Press Pools..., S. 133 1084 Es handelt sich hier vermutlich um die, zu diesem Zeitpunkt noch nicht verbotene Islamische Heilsfront (Front islamique du salut = FIS). Das erfolgreiche Abschneiden der FIS bei den Parlamentswahlen 1991 führte zur Machtübernahme des algerischen Militärs und schließlich zum Bürgerkrieg. 1085 Mould: Press Pools..., S. 140 1086 Vgl. Mould: Press Pools..., S. 136 – 141

Seite 259 “The Picture Survives” schen Pressestellen angebotene Material, also Fakten und Schaubildern zu den Einsätzen sowie Videos davon, verlassen. Dadurch, daß das Militär diese Videos, es handelte sich zumeist um Aufnahmen der Bordkameras von Kampfflugzeugen, die zeigten, wie ein Zielobjekt auf einmal explodiert, verbreitete, waren die Presseoffiziere nicht nur in der Lage zu kontrollieren, welche Information verbreitet wurde, sondern auch – und dies kommt in der militärischen Informations- politik einem Quantensprung gleich – wie diese Information interpretiert wurde. Vor allem da- durch, daß es beinahe unmöglich war, die auf den Briefings vermittelten Informationen nachzu- prüfen, schließlich konnten diese Aufnahmen auch von irgendwelchen, bereits archivierten Vi- deobändern stammen, war es dem Militär gelungen, im Kampf um die Deutungshoheit der Ereig- nisse einen entscheidenden Vorsprung zu erzielen. Ferner ließen sich die meisten Reporter auch nur zu gerne von dem angebotenen Material überwältigen und blenden, schließlich hatte man diese Art Material noch nie in dieser Form zu sehen bekommen, und stellten die kritische Nach- frage bzw. Recherche komplett ein. Unter diesem Aspekt bot die Schlacht von Khafji aus journa- listischer Sicht die Möglichkeit, nun endlich aus eigenem Augenschein berichten zu können. Die Reporter brachten nun die Presseoffiziere bei den Briefings mehrmals mit Fragen, wieso es denn möglich sein könne, daß der angeblich geschwächte und – nach zweiwöchigem Bombardement – demoralisierte Feind immer noch die Kraft zu einer solchen Offensive haben könne, in Verlegen- heit. Fragen dieser Art waren durchaus berechtigt, schließlich reklamierten die Alliierten die Luftüberlegenheit für sich und demonstrierten dies allabendlich mit den schon beschriebenen Vi- deos der Zielkameras.1087

Die Operationen zur Rückeroberung Khafjis führten bei den Medien wie auch bei den Militärs teilweise zu erheblichen Irritationen. So kam etwa die erste Meldung von der Eroberung dieser Stadt von der französischen Nachrichtenagentur AFP (Agence France Presse), die ein irakisches Bulletin zitierte. Diesem Bulletin zufolge sei eine massive Bodenoffensive gegen Khafji gestartet worden. Daraufhin wurde in Riad eiligst eine Pressekonferenz einberufen, auf der der Sprecher des CENTCOM zugab, daß es an der Grenze zwischen Kuwait und Saudi-Arabien zu einigen Zwischenfällen gekommen sei, der Feindkontakt aber in den frühen Morgenstunden abgebrochen sei Die Gefechte um Khafji wurden mit keiner Silbe erwähnt. Dieser Version wurde aber bald drauf von „Pool-Reportern“ widersprochen. Zwar gab es noch keine Fernsehberichte, doch Arti- kel von Vertretern der Printmedien, die von den militärischen Stellen in Dharan freigegeben wur- den, zeigten, daß die Feindkontakte zumindest im Fall von Khafji noch lange nicht vorüber wa- ren. Einheiten aus Saudi-Arabien und Katar würden, mit Artillerieunterstützung der Marines, be- reits einen Gegenangriff unternehmen. Obwohl dieser Bericht zum Zeitpunkt jenes Briefings schon mehrere Stunden alt war, zeigt er etwas sehr deutlich: Die Lage, die der Pressesprecher des CENTCOM geschildert hatte, war demzufolge längst nicht so harmlos und unkritisch wie sugge- riert.1088

Bis heute ist nicht abschließend geklärt, in welchem Umfang die Kontingente aus Saudi-Arabien und Katar bei der Rückeroberung Khafjis tatsächlich federführend waren. Offiziell waren die, in diesem Operationsbereich ebenfalls dislozierten, Einheiten der Marines nur für die Feuerunter- stützung zuständig. In Khafji selbst waren mehrere Aufklärungstrupps der Marines stationiert, die anfliegende Scud-Raketen melden sollten. Beim irakischen Vormarsch auf Khafji wurde zwei dieser Teams der Rückweg abgeschnitten, so daß sie sich entschieden, in verdeckten und getarn- ten Stellungen in der Stadt auszuharren. Dieser Umstand sollte sich für die Rückeroberung jener Stadt als ideal erweisen, waren diese beiden Teams doch in der Lage, präzise Zielpunkte für die

1087 Vgl. Mould: Press Pools..., S. 134 – 136 1088 Vgl. Mould: Press Pools..., S. 139 – 140

Seite 260 “The Picture Survives” alliierte Feuerleitung festzulegen. Daß Einheiten der Marines an der Rückeroberung Khafjis be- teiligt waren, ist das einzige, was sich mit Sicherheit sagen läßt, zeigen doch Aufnahmen von Pool-Reportern Soldaten der Marines beim Abfeuern ihrer Geschütze in Richtung Khafji. Es darf aber, angesichts des ebenfalls aus Khafji stammenden Materials, das Marines in Kampfhandlun- gen in der Stadt verwickelt zeigt, bezweifelt werden, daß sich die Marines auf die reine Unter- stützung durch Artillerie beschränkten.1089

Bemerkenswert, zugleich aber auch symptomatisch für die Berichterstattung über den Golfkrieg insgesamt, ist der Umstand, daß die beste und umfassendste Berichterstattung nicht von den im Pool zusammengefaßten Reportern kam, sondern von Reportern, die keinem Pool angehörten und sich daher vergleichsweise frei bewegen konnten. Reportern, die Mitglieder des Pools wa- ren, der der 1st Marine Division zugeordnet war, durften erst 18 Stunden, nachdem die Kämpfe um Khafji begonnen hatten, aus der Stadt berichten. Die besten Bilder der Kämpfe um diese Stadt kamen von zwei französischen TV-Teams und einem Team der britischen Fernsehnachrich- tenagentur Visnews1090. Deren Material war aber nicht im amerikanischen Fernsehen zu sehen. Fernsehzuschauer in Frankreich hingegen sahen Bilder der Zerstörung aus Khafji, die einen Ein- druck von der Intensität der Kämpfe vermittelten.1091

Das Pool-System hatte während der Operationen „Desert Shield / Desert Storm“ nicht den Belas- tungen durch den Ansturm der Journalisten standgehalten und war teilweise nahe daran zusam- menzubrechen. Die zeitweise bis zu 2500 Reporter, die in Dharan darauf warteten, in diesen Pools mitreisen zu dürfen, stellten das System vor eine schier unlösbare logistische Herausforde- rung. Diese Zahl zeigt, auf welch großes Interesse die Berichterstattung über den Golfkrieg stieß. Vor diesem Hintergrund wirken die 27 Journalisten, die die Landung in der Normandie begleite- ten, nicht gerade eindrucksvoll.1092 Ferner waren die Journalisten, die das Glück hatten, in einem Pool arbeiten zu können, derart produktiv, daß nur ein Bruchteil dessen, was überhaupt produ- ziert wurde, übermittelt werden konnte. So schossen die Fotografen in den Pools ca. 6.000 Bil- der, von denen aber nur 20 in die Staaten zu den Heimatredaktionen übermittelt wurden. Die TV- Teams produzierten teilweise 8 Stunden oder mehr Material, von denen aber schließlich nur vier Stunden übertragen werden konnten.1093

Hinzu kam noch, daß jeder einzelne Kommandeur im Feld die Entsendung eines Pool-Reporters verhindern konnte. Der damalige Kommandeur des U.S. Joint Information Bureau, Col. William L. Mulvey, beklagte sich bitter über diese Eigenmächtigkeiten: „If Gen. Tilelli of the 1st Cav. did not want a pool reporter, then his word was supreme. He didn't get a pool reporter. He was a two-star General, and I know how to salute.“1094 Ursache für diese Verweigerungshaltung seitens der Feldkommandeure war zweierlei: Zum einen hatte es die militärische Führung bei Einfüh- rung des Pool-System offenbar versäumt, die Aufnahme von Pool-Reportern zur Pflicht zu ma-

1089 Vgl. Mould: Press Pools..., S. 139 – 140,144 – 145 1090 VISNEWS wurde 1957 gegründet und 1992 von der britischen Nachrichtenagentur Reuters übernommen. 1993 erfolgte die Umbenennung in Reuters Television. Vgl. http://newsfilm.bufvc.ac.uk/staticpages/index.php? page=providers (Letzter Zugriff 15. 07. 2008) 1091 Vgl. Mould: Press Pools..., S. 148 – 149 1092 Vgl. Wright, Richard K.; Harkey, William H.: Assessment of the DoD Embedded Media Program; Institute for Defense Analysis IDA Paper P-3931 vom September 2004; in: http://www.militaryreporters.org/pdfs/embed %20study.pdf (Letzer Zugriff 15. 07. 2008), S. I-2 1093 Vgl. Aukofer, Frank; Lawrence, William P.: America's Team; The Odd Couple - A Report on the Relationship between the Media and the Military; Nashville / TN 1995, S. 11, im folgenden zitiert als Aukofer; Lawrence: America's Team…, 1094 Zitiert nach Aukofer; Lawrence: America's Team…, S. 11

Seite 261 “The Picture Survives” chen. Zum zweiten wirkten hier noch die negativen Erfahrungen der Feldkommandeure, die bei- nahe alle schon während des Vietnam-Krieges in Diensten der amerikanischen Streitkräfte stan- den, mit der Presse nach. So erklärte der Nachfolger General Schwarzkopf im CENTCOM im Interview mit den Autoren des Buches “ America's Team; The Odd Couple - A Report on the Re- lationship between the Media and the Military”: “I must admit, that all of us were still coming out of the Vietnam period, had been through the press relationships of that period, and we all had this enormous pride in our own outfits.”1095 Die Presse befand sich damit in einem Glaub- würdigkeitsdilemma, dem sie auch nicht entgehen konnte, da ihr seitens des Militärs pauschal unterstellt wurde, massiv dazu beigetragen zu haben, den Vietnam-Krieg zu Hause unpopulär zu machen.

Das Ausharren der CNN-Crew um Peter Arnett1096 in Bagdad war – auch wenn das Pentagon dies wohl leugnen würde – ein propagandistischer Glücksfall. So konnte das Pentagon durch die von Arnett in alle Welt übertragenen Bilder von den ersten Angriffen auf Bagdad zeigen, zu welch High-Tech-Krieg die amerikanischen Streitkräfte fähig waren. Die mehr oder minder hilflos in den Nachthimmel über Bagdad feuernde irakische Flak illustrierte dies nur zu gut – Flak-Grana- ten gegen Tarnkappenbomber und Cruise Missiles, das war die unterschwellige Botschaft dieser Bilder. Eine Botschaft, die perfekt in das Bild einer überlegenen High-Tech-Streitmacht, die ge- gen einen unterlegenen Feind antrat, passte. Die ersten Berichte aus Bagdad waren aber noch keine Bildberichte. Peter Arnett und seine Kollegen waren auf den Fernsehschirmen nur zu hö- ren:

„[...] BERNAHRD SHAW: Let's describe to our viewers what we are seeing. The skies over Baghdad have been illuminated. We're seeing bright flashes going off all over the sky. Peter? PETER ARNETT: Well, there's antiaircraft gunfire going into the sky. We hear the sound of planes. They're coming over our hotel, however, we have not yet heard the sounds of bombs landing, but there's tremendous lightening in the sky, lightening-like effects. Bernie. BERNAHRD SHAW: I have a sense, Peter, that people are shooting toward the sky, and they are not aware or cannot see what they are shooting at. This is extraordinary. The lights are still on. All the streetlights in downtown Baghdad are still on. We're getting starbursts in the night sky. PETER ARNETT: Now the sirens are sounding for the first time. We're trying to get the lights out in our hotel room, yet the streetlights are on, and the firing is continuing, and the sirens are continuing. Here with us (sic) is John Holliman. JOHN HOLLIMAN: Good evening Gentleman. Or rather, good morning. I cannot see any aircraft in the sky here. A lot of tracer bullets going up in the sky but so far no planes. That was a large air burst that we saw. It was just filling the sky. PETER ARNETT: And I think, John, the burst took out the telecommunications. You may hear the bombs now. If you're still with us, you can hear the bombs now. They're hitting the center of the city. [...]“1097 Auch wenn der Crew von CNN im allgemeinen zugeschrieben wird, Fernsehgeschichte geschrie- ben zu haben, soll dies an dieser Stelle präzisiert werden. Peter Arnett und seine Kollegen mach- ten etwas, das vielleicht zum ersten Mal im Fernsehen geschah: Live-Berichterstattung aus der 1095 Zitiert nach Aukofer; Lawrence: America's Team…, S. 12 1096 Neben Peter Arnett harrten Bernhard Shaw, John Holliman, der Producer Robert Wiener und Techniker Nic Ro- bertson ind Badgad aus, vgl. Arnett: Einsatz des Lebens…, S. 439, 440 – 443, siehe ferner Barnett, Brooke: The Iraq Wars and the War on Terror; in: Copeland, Douglas A. [Hrsg.]: The Greenwood Library of American War Reporting, Vol. 8; Westport / Conn., London 2005, S. 18 – 19, im folgenden zitiert als Barnett: American War Reporting Vol. 8…, 1097 Zitiert nach Barnett: American War Reporting Vol. 8…, S. 19

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Hauptstadt des Feindes. Dadurch, daß sie aber in der ersten Zeit keine Bilder übertragen konnten, war ihre Berichterstattung zu diesem Zeitpunkt im Endeffekt nichts anderes als Radio im Fernse- hen. CNN übertrug in seinem Programm nach Beginn der Angriffe auch die Pressekonferenz des damaligen Verteidigungsministers Cheney, der, gefragt ob denn bei der Bombardierung von Bag- dad auch zivile Opfer zu beklagen seien, auf die Berichte von CNN verwies:

„[...] Die bisher beste Berichterstattung über die Vorgänge in Bagdad kommt von CNN. Und nach dem, was man aus den Kommentaren der CNN Reporter aus ihrem Hotel in Bagdad schließen kann, war die Operation erfolgreich. Wir haben unsere Ziele mit höchster Präzision getroffen. Zumindest nach den Berichten von CNN. [...]“1098 CNN hatte sich zwar die beinahe exklusive Anwesenheit der drei Journalisten im Al-Rashid Ho- tel in Bagdad teuer erkauft – Gerüchte unter Journalisten sprechen von mehreren mit Dollarbün- deln gut gefüllten Aktenkoffern, die im Vorfeld den Besitzer wechselten. Diese Investition sollte sich aber für CNN mehrfach wieder auszahlen: Durch seine Berichterstattung, die Bilder, die Ar- nett und seine Kollegen von jenen ersten Angriffen übermittelten, liefen beinahe weltweit, unter Erwähnung der Herkunft der Bilder, in den Abendnachrichten. CNN wurde dadurch schlagartig einer weltweiten Öffentlichkeit bekannt. Ein Effekt, der selbst mit der teuersten und aufwändigs- ten Werbekampagne nur schwerlich in so kurzer Zeit zu erreichen gewesen wäre. Kurz nach dem Ablauf des Ultimatums wandte sich am späten Abend des 16. Januar 1991 die Reporter-Legende Walter Cronkite über den Fernsehsender CNN an die in Bagdad ausharrenden Mitglieder von CNN. Er setzte das Ausharren der CNN-Crew in Bagdad mit der Berichterstattung aus den Hauptstädten des Zweiten Weltkriegs durch Edward R. Murrow und Ernie Pyle gleich, schränkte aber gleichzeitig ein, daß die damalige Situation nicht mit der heutigen vergleichbar sei: „Ich glaube nicht [...] daß die Situation in Berlin oder Tokio so gefährlich war, wie sie es heute in Bagdad ist. Soll man unter Lebensgefahr an einem Ort ausharren, der ohne Frage in einer wich- tigen Kriegszone liegt?“1099 Ex post betrachtet läßt sich mit einiger Berechtigung feststellen, daß CNN mit dieser Berichterstattung zu einer Marke geworden ist. Eine Marke, die innerhalb des Mediums Fernsehen zum Leitmedium geworden ist: Jedesmal, wenn CNN, mit dem Insert “Breaking News”, von einem Ereignis berichtet, dann werden alle anderen Sender aufmerksam und beobachten die weitere Entwicklung auf CNN, bevor entschieden wird, ob darüber berichtet werden soll. Zu welchen Situationen diese Hörigkeit auf CNN mitunter führen kann, beschreibt der deutsche Journalist Udo Ulfkotte:

„[...] Als ich für die Frankfurter Allgemeine Zeitung im Sommer 1997 aus Kongo- Kinshasa und Kongo-Brazzaville berichtete, hätte den Wiesbadener Fotografen Marcus Kaufhold und mich die Berichterstattung des amerikanischen Fernsehsenders CNN beinahe das Leben gekostet. Weil eine Reporterin von CNN angeblich – so suggerierte es der Sender – noch aus dem umkämpften Brazzaville berichtete, entschlossen sich Fotograf und Autor ebenfalls, von Kinshasa aus mit einer gecharterten Cessna nach Brazzaville zu fliegen. Eine Stunde, nachdem CNN zuletzt vom Flughafen Brazzaville berichtet hatte, setzte die kleine Maschine unter Beschuß auf dem Flughafen von Brazzaville auf. Zu sehen waren nur kongolesische Kämpfer und französische Fremdenlegionäre, die sich selbst zu retten suchten. CNN war nirgendwo vor Ort und die Fremdenlegionäre berichteten, daß die Mitarbeiter des amerikanischen Fernsehsenders schon vor zwei Tagen abgereist waren. Als ich mit dem Fotografen Marcus Kaufhold am Abend wieder nach Kinshasa zurückflog und im Hotel CNN einschaltete, berichtete der Sender immer noch „live“ über die Kämpfe am Flughafen in Brazzaville. Das änderte sich auch am kommenden Tag nicht. [...]“1100

1098 Zitiert nach Arnett: Einsatz des Lebens…, S. 448 1099 Zitiert nach Arnett: Einsatz des Lebens…, S. 439 1100 Ulfkotte, Udo: Verschlußsache BND; München 1998, S. 117, im folgenden zitiert als Ulfkotte: Verschlußsache...,

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Trotzdem muß gerade bei Arnetts Berichterstattung aus Bagdad die Frage gestellt werden, inwie- weit sich Arnett nicht auch mit den Anliegen der irakischen Regierung gemein gemacht hatte. Gerade seine Berichte über die angebliche Milchpulverfabrik am Stadtrand Bagdads und den an- geblichen Zivilschutzbunker, die beide von den Alliierten bombardiert wurden, zeigen, wie schmal der Grat ist auf dem der Journalist bei seiner Berichterstattung über solche Geschehnisse, in einer Situation wie dieser, wandert. Diese Gratwanderung, zwischen notwendiger journalisti- scher Arbeit und Instrumentalisierung durch die gegnerische Propaganda wird immer dann ex- trem heikel und schwierig, wenn der Reporter vor Ort durch eigenen Augenschein nicht mehr si- cher erkennen kann, um welche Kategorie von Ziel es sich handelt. Dies gilt umso mehr für An- lagen, die eine Doppelfunktion erfüllen können: So können jener Bunker und auch jene Milch- pulverfabrik durchaus zivile und militärische Funktionen gehabt haben. Dieses Prinzip des „Dual-Use“ stammt eigentlich aus dem Bereich der Exportkontrolle des COCOM1101 und kenn- zeichnet Güter, die sowohl militärisch als auch zivil genutzt werden können. Dieses Prinzip läßt sich auch bei etlichen industriellen Einrichtungen und Gebäuden anwenden. So besteht die Mög- lichkeit, daß jener Bunker in Bagdad sowohl eine zivil genutzte als auch eine militärisch genutz- te Einrichtung war. Ebenfalls kann nicht ausgeschlossen werden, daß jene Milchpulverfabrik nicht auch noch etwas anderes als Milchpulver produzierte. Hier gelangt der Augenschein, als Teil einer gründlichen Recherche – sofern diese unter solchen Bedingungen überhaupt möglich ist – an die Grenze dessen, was der Journalist in einer derartigen Lage leisten kann. Der Augen- schein wird hier nur noch zu einem schalen Abbild dessen, was er früher einmal leisten konnte. Wenn aber der journalistische Augenschein als Erkenntnisquelle versagt, dann aber wird das ge- samte System der Berichterstattung vor Ort in Frage gestellt. Das wirklich Problematische daran ist, daß der Zuschauer daheim am Fernsehgerät nun noch weniger als früher einschätzen kann, ob das, was der Reporter vor Ort berichtet, auch wirklich den Tatsachen entspricht.

In der „Neuauflage“ des Golfkrieges von 2003 setzten die USA zur Berichterstattung auf des System der sogenannten “Embedded Journalists”. Dieses neue System stellt eine direkte Reakti- on auf die nach dem Krieg von 1991 laut gewordene Kritik am Pool-System dar.1102 Ausgehend von der Vorgabe der Verteidigungsministers und des Vorsitzenden der Vereinten Stabschefs “[to] tell the story – good or bad – before others seed the media with disinformation and distortion as they most certainly will continue to do. Our people in the field need to tell the story”1103 wurde versucht, die negativen Erfahrungen mit dem Pool-System in ein neues System zur Berichterstat- tung von der Schlacht umzusetzen. Sowohl das Militär als auch die Medien begannen mit inten- siven Verhandlungen über die Frage, wie eine zukünftige Zusammenarbeit in Sachen Berichter- stattung aussehen könne. Diese Verhandlungen endeten im April 1992 mit der Verabschiedung einer Vereinbarung, die den Namen “Statement of Principles – News Coverage of Combat” trug und folgende Punkte enthielt:

“[...] 1. Open and independent reporting shall be the principal means of coverage of U.S. Military operations. 2. Media pools (limited number of news media who represent a larger number of news media organizations for news gatherings and sharing of material during a specified activity) are not to serve as the standard means of covering U.S. military operations. However, they sometimes 1101 Coordinating Committee for East West Trade Policy 1102 Vgl. Wright, Richard K.; Harkey, William H.: Assessment of the DoD Embedded Media Program; Institute for Defense Analysis IDA Paper P-3931 vom September 2004; in: http://www.militaryreporters.org/pdfs/embed %20study.pdf (Letzer Zugriff 15. 07. 2008), S. IV-2 1103 Wright, Richard K.; Harkey, William H.: Assessment of the DoD Embedded Media Program; Institute for De- fense Analysis IDA Paper P-3931 vom September 2004; in: http://www.militaryreporters.org/pdfs/embed%20- study.pdf (Letzer Zugriff 15. 07. 2008), S. S-3

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may provide the only means of early access to a military operation. In this case, media pools should be as large as possible and disbanded at the earliest opportunity (in 24 to 36 hours, when possible). The arrival of early-access media pools shall not cancel the principle of independent coverage for journalists already in the area. 3. Even under conditions of open coverage, pools may be applicable for specific events, such as those at extremely remote locations or where space is limited. 4. Journalists in a combat zone shall be credentialed by the U.S. military and shall be required to abide by a clear set of military security ground rules that protect U.S. Armed Forces and their operations. Violation of the ground rules may result in suspension of credentials and expulsion from the combat zone of the journalist involved. News organizations shall make their best efforts to assign experienced journalists to combat operations and to make them familiar with U.S. Military operations. 5. Journalists shall be provided access to all major military units. Special operations restrictions may limit access in some cases. 6. Military PA officers should act as liasons but should not interfere with the reporting process. 7. Under conditions of open coverage, field commanders should be instructed to permit journalists to ride on military vehicles and aircraft when possible. The military shall be responsible for the transportation of pools. 8. Consistent with its capabilities, the military shall supply PA officers with facilities to enable timely, secure, compatible transmission of pool material and shall make those facilities available, when possible, for filing independent coverage. If Government facilities are unavailable, journalists, as always, shall file by any other means available. The military shall not ban communications systems operated by news organizations, but electromagnetic operational security in battlefield situations may require limited restrictions on the use of such systems. 9. Those principles in paragraph 8., above, shall apply as well to the operations of the standing DoD National Media Pool system. [...]”1104 Im Wesentlichen hielt diese Vereinbarung zwischen den Medien und dem Militär lediglich das fest, was eigentlich mit der Einrichtung der Pools hätte gelten sollen – dies allerdings zum ersten Mal in schriftlicher Form. Gleichzeitig wurde mit diesen “Principles” versucht, festzuschreiben, welche Restriktionen die Medien gegebenenfalls erdulden mußten und welchen Pflichten das Militär demgegenüber nachzukommen habe. Obwohl die meisten Punkte dieser Vereinbarung bereits in den Empfehlungen des Sidle-Berichts auftauchten, wurden diese Punkte zum ersten Mal nicht nur innerhalb des Verteidigungsministeriums diskutiert, sondern auch mit Vertretern der Medien. In den Punkten dieser Vereinbarungen ist zwar nirgends davon die Rede, Journalis- ten zu “embedden”, dennoch fand in den militärischen Operationen nach Erscheinen dieses Do- kuments eine Vorform dieses Prinzips statt. So wurden im Vorfeld der IFOR1105-Mission in Bos- nien im Jahre 1995 Reporter bereits in Deutschland den Einheiten zugewiesen, die nach Bosnien verlegt werden sollten. So reisten die Reporter zusammen mit den jeweiligen Einheiten von den Standorten in Deutschland nach Bosnien, um dort für zwei bis sechs Wochen mit den Einheiten zu leben und sie bei ihrer Arbeit zu beobachten – also aktiv am Leben der Soldaten teilzuhaben. Die Berichte der Journalisten wurden im übrigen nicht zensiert. Ziel sollte es sein, den Journalis- ten einen Einblick in das Leben der Soldaten zu gewähren und sie gleichzeitig mit den Einheiten und Soldaten bekannt zu machen. Die Planer im Pentagon erhofften sich durch diese Maßnahme eine positivere Berichterstattung über die Arbeit der Soldaten und den Einsatz in Bosnien. Gleichzeitig hofften sie darauf, daß die Ressentiments des Militärs gegenüber den Medien auf

1104 Wright, Richard K.; Harkey, William H.: Assessment of the DoD Embedded Media Program; Institute for De- fense Analysis IDA Paper P-3931 vom September 2004; in: http://www.militaryreporters.org/pdfs/embed%20- study.pdf (Letzer Zugriff 15. 07. 2008), S. IV-3 1105 IFOR = IMPLEMENTATION FORCE, gemeint ist hier die Implementierung des Friedensabkommens von Dayton

Seite 265 “The Picture Survives” diese Weise abgebaut werden würden.1106 Gerade das Ziel, eine positive Berichterstattung über das Leben und die Arbeit der Soldaten in Bosnien zu erreichen, zeigt in diesem Fall ganz eindeu- tig die Fokussierung auf den PR-Effekt einer solchen Berichterstattung. Durch diese Art von Be- richterstattung hofften die Planer im Pentagon vermutlich, die amerikanische Öffentlichkeit, die dem Bosnien-Einsatz eher skeptisch gegenüberstand, von dessen Notwendigkeit zu überzeugen.

Im Mai 1997 wurde seitens des Militärs eine neue Doktrin für den Umgang mit den Medien während militärischer Operationen erlassen. Darin wurde ausdrücklich festgehalten, daß akkurat und pünktlich veröffentlichte Informationen für die Glaubwürdigkeit der Militärs von entschei- dender Bedeutung seien. Die “Statement of Principles – News Coverage of Combat” wurden durch die Veröffentlichung der “Doctrine for Public Affairs in Joint Operations” noch einmal in ihrer Bedeutung unterstrichen. Auch hier kam der Begriff der “embedded media” nicht vor, je- doch wurden in dieser Doktrin Hilfestellungen im Bezug auf die Unterstützung der Medien, die Sicherheit von Operationen im Gegensatz zum Zugang zu Informationen für die Medien und nicht zuletzt Richtlinien für die Diskussion mit Medienvertretern angeboten.1107

Über den Krieg gegen Afghanistan im Rahmen von “Enduring Freedom” konnte jedoch kaum berichtet werden, da hier vor allem Spezialeinheiten im Einsatz waren und die Berichterstattung über deren Arbeit und Aufgabenspektrum schon aufgrund ihrer vorwiegend im Geheimen statt- findenden Einsätze paramilitärischen Charakters schwierig war. Desweiteren traf hier exakt Punkt 5 des “Statement of Principles – News Coverage of Combat” zu, so daß über die wirkliche Kriegsführung kaum journalistische Quellen überliefert sind.1108

Am 28. September 2001, knapp zwei Wochen nach dem 11. September, traf sich die Assistant Secretary of Defense (Public Affairs), die Pressesprecherin des Pentagon, Victoria Clarke, mit den Washingtoner Bürochefs der im “DoD National Media Pool” zusammengefaßten Journalis- ten. An diesem Treffen nahmen ferner der stellvertretende Pressesprecher des Pentagon, Richard McGraw, und Col. Lane Van de Steeg, der Koordinator des “DoD National Media Pool”, teil. Nach einer allgemeinen Begrüßung begann Victoria Clarke ihren Vortrag mit der Feststellung, daß sich alle Teilnehmer, nach den Ereignissen jenes 11. Septembers, in einer neuen Weltord- nung befänden und das Pentagon nun versuchen würde, die Spielregeln für diese neue Weltord- nung festzulegen. Dazu würde auch die Frage gehören, wie man denn zukünftig mit der Presse zusammenarbeiten und gleichzeitig die Nationale Sicherheit sowie das Leben der Frauen und Männer in Uniform schützen könne. Vieles in den Beziehungen zwischen Medien und Militär würde bleiben wie bisher, die Verantwortlichen müssten aber zusammen mit den Vertretern der Medien nach neuen Wegen der Zusammenarbeit suchen. Danach bekräftigte Clarke noch einmal, wie wichtig die Arbeit der für das Pentagon sei: “We think providing as much news and informa- tion in as timely a fashion as possible is critically important.”1109 Die Frage, wie dies in Zukunft erreicht werden könne, sei einer der Gründe für dieses Treffen. Danach übergab sie das Wort an Col. Van de Steeg, der erläuterte, daß der “DoD National Media Pool” probehalber aktiviert wür-

1106 Vgl. Wright, Richard K.; Harkey, William H.: Assessment of the DoD Embedded Media Program; Institute for Defense Analysis IDA Paper P-3931 vom September 2004; in: http://www.militaryreporters.org/pdfs/embed %20study.pdf (Letzer Zugriff 15. 07. 2008), S. I-4 1107 Joint Pub 3-61, Doctrine for Public Affairs in Joint Operations, 14. Mai 1997 1108 Vgl. Wright, Richard K.; Harkey, William H.: Assessment of the DoD Embedded Media Program; Institute for Defense Analysis IDA Paper P-3931 vom September 2004; in: http://www.militaryreporters.org/pdfs/embed %20study.pdf (Letzer Zugriff 15. 07. 2008), S. I-4 1109 United States Department of Defense, Office of the Assistant Secretary of Defense (Public Affairs), News Tran- script: ASD PA Meeting with Media Pool Bureau Chiefs, 30. September 2001; in: http://www.defenselink.mil/transcripts/transcript.aspx?transcriptid=1945 (Letzter Zugriff 15. 07. 2008)

Seite 266 “The Picture Survives” de, da das gesamte Personal, das bisher mit der Betreuung des Pools und allen damit zusammen- hängen Aufgaben befaßt war, mittlerweile in andere Verwendungen gewechselt habe. Nach einer längeren Diskussion um verschiedene Aspekte der notwendigen Geheimhaltung von Operationen wandte sich Victoria Clarke wieder an die versammelten Medienvertreter. Sie führte aus, daß jene Pools in jeder Hinsicht nicht optimal seien, daher suche man nach einer Alternative, die dar- in bestehen könne, die Journalisten in die Operationen einzubetten, sie also zum Teil der Opera- tionen werden zu lassen. Die Medienvertreter stimmten in der sich anschließenden Diskussion für die Option und sagten, daß sie ihre Reporter gerne bei jeder Teilstreitkraft im Einsatz sähen und das Verteidigungsministerium die hierfür notwendigen Mechanismen ausarbeiten sollte. Fer- ner kam die Frage nach Zensurmaßnahmen und anderen Sicherheitsüberprüfungen auf, wobei den Vertretern der Medien zugesagt wurde, daß derartige Maßnahmen nicht geplant seien, solan- ge sich die Reporter im Feld an gewisse Standards hielten.1110 Diesem Treffen folgten noch eine Reihe weiterer Treffen, auf denen dieses neue System bzw. der Zugang der Medien zu den Kriegsschauplätzen weiter diskutiert wurde.1111 Kurz nach Beginn der konkreten Planungen für einen neuerlichen Krieg gegen den Irak begannen die leitenden Presseoffiziere der JCS, den For- derungen Sidles folgend, mit der Planung für einen Einsatz der Medien und der Abstimmung der Operationspläne auf die Bedürfnisse der Medien. Gleichzeitig diskutierte die zivile Leitung des Pentagon, bestehend aus Verteidigungsminister Donald Rumsfeld und seiner Pressesprecherin Victoria Clarke, mit den PR-Stäben der Joint Chiefs immer wieder über die Auswirkungen, die eine negative Berichterstattung durch die Medien und die gegnerische Propaganda über OEF (Operation Enduring Freedom) auf die öffentliche Meinung haben würde. Eine unbefangene Be- richterstattung direkt vom Schlachtfeld würde, so das Ergebnis dieser Unterredungen, die Deu- tungshoheit über die Ereignisse sichern und die gegnerischen Versuche der Desinformation ef- fektiv kontern.1112

Anfang Oktober 2002 traf sich eine Gruppe von PR-Experten der verschiedenen Kommandos und Teilstreitkräfte, des Pentagons und der Vereinigten Stabschefs. Sie hatten die Aufgabe, die Arbeit der Medien und die Regeln zu ihrer Berichterstattung der letzten Kriege zu untersuchen und zu analysieren. Desweiteren sollten sie ihre Erkenntnisse mit dem Kriegsplan für OEF in Einklang bringen. Sie kamen zu dem Ergebnis, daß die Aktivierung des “DoD National Media Pool” nicht den Anforderungen einer schnell verlaufenden Operation, wie sie im Kriegsplan vor- gesehen war, genügen würde und daher abzulehnen sei. Ebenfalls sei eine große Zahl von unila- teral arbeitenden Journalisten auf dem Schlachtfeld keine gute Lösung. Als einzig praktikable Lösung kam für die Mitglieder dieser Gruppe nur ein Plan zur „Einbettung“ von Reportern in die kämpfende Truppe in Frage. Gleichzeitig erarbeitete diese Gruppe ein Paket an Maßnahmen, die sich grob als Unterstützungsmission für die Medien beschreiben lassen: Durch ein Trainingspro- gramm sollten Journalisten auf ihre Einsätze vorbereitet werden, ferner sollte ihnen Schutzaus- rüstung gegen ABC-Kampstoffe gestellt werden. Es sollte seitens des Militärs ein System entwi- ckelt werden, das den Journalisten einen schnellen und unkomplizierten Zugang zu den Videos

1110 Vgl. United States Department of Defense, Office of the Assistant Secretary of Defense (Public Affairs), News Transcript: ASD PA Meeting with Media Pool Bureau Chiefs, 30. September 2001; in: http://www.defenselink.- mil/transcripts/transcript.aspx?transcriptid=1945 (Letzter Zugriff 15. 07. 2008); 1111 Aus der Vielzahl der Treffen zwischen September 2001 und Oktober 2002 seien lediglich diese genannt: United States Department of Defense, Office of the Assistant Secretary of Defense (Public Affairs), News Transcript: ASD PA Clarke Meeting with Media Pool Bureau Chiefs, 25. Oktober 2001; in: http://www.defenselink.mil/uti- lity/printitem.aspx?print=http://www.defenselink.mil/transcripts/transcript.aspx?transcriptid=2181 (Letzter Zu- griff 15. 07. 2008) 1112 Vgl. Wright, Richard K.; Harkey, William H.: Assessment of the DoD Embedded Media Program; Institute for Defense Analysis IDA Paper P-3931 vom September 2004; in: http://www.militaryreporters.org/pdfs/embed %20study.pdf (Letzer Zugriff 15. 07. 2008), S. IV-5 – IV-6

Seite 267 “The Picture Survives” der Zielkameras und Aufklärungsdrohnen bot, desweiteren sollten die genauen Modalitäten der „Einbettung“ ausgearbeitet werden. Dieser Vorschlag passierte auch alle anderen relevanten Gre- mien und wurde schließlich auch von Donald Rumsfeld akzeptiert. Dieser, nun von Rumsfeld ge- billigte, Entwurf hatte folgende Ziele: „1. Dominate the news coverage of the war, 2. Counter third-party disinformation, 3. Assist in garnering U.S. public and international support.“1113

Diese Ziele wurden in einer auf den 14. November 2002 datierten und am 21. Februar 2003 nochmals versandten Botschaft Rumsfelds an alle Kommandeure festgelegt. Rumsfeld legte in diesem Schreiben dar, wie in zukünftigen Operationen die öffentliche Wahrnehmung des Militärs und aller anderen für die Nationale Sicherheit relevanten Organisation verbessert werden könne. Ferner unterstrich er die Notwendigkeit für diese Organisationen den Zugang für nationale und internationale Medien sicherzustellen sowie Transportkapazitäten für die Medien bereitzustellen. Desweiteren seien tägliche „Briefings“ abzuhalten und sicherzustellen, daß freigegebene nach- richtendienstliche Erkenntnisse so schnell wie möglich an die Medien weitergegeben würden.1114

Gleichzeitig wurde mit der Erstellung so- genannter PAG (Public Affairs Guideli- nes) begonnen, in denen die grundlegen- den Regeln für den beiderseitigen Um- gang miteinander und die möglichen Ein- schränkungen für die Presse dargelegt wurden.1115 Die Politik des Verteidi- gungsministeriums war “that media will have long-term, minimally restrictive ac- cess to U.S. air, ground and naval forces through embedding”.1116 Die Autoren die- ser Richtlinie sind sich offenbar der Be- deutung einer umfassenden und mög- lichst objektiven Berichterstattung be- wußt, merken sie doch an, daß diese nicht nur Auswirkungen auf die eigene Abbildung 58: Obwohl die eingebetteten Journalisten eigentlich keine eigenen Fahr- zeuge mitführen durften, geschah dies dennoch. Auf diesem Bild ist die SNG von Bevölkerung, sondern auch auf die Be- CNN "Betsy" zu sehen. Im Prinzip handelt es sich bei “Betsy” um nichts anderes als völkerung in den alliierten Staaten habe. ein HMMWV (High Mobility Multipurpose Wheeled Vehicle) der US-Streitkräfte mit dem Satelliten-Uplink von CNN auf dem Dach. Sie billigen diesen Berichten in jenen Ländern sogar einen Einfluß auf den Photo: CNN Fortbestand der Koalition gegen den Ter- ror zu. Ferner hätte eine solche Berichterstattung natürlich auch Auswirkungen auf die Länder, in denen die Vereinigten Staaten militärische Operationen durchführten, so könnte sie die Kosten wie auch die Dauer eines amerikanischen Engagements bestimmen. Um dieses Ziel zu erreichen, würde das Pentagon nun damit beginnen, Journalisten zu „embedden“. An dieser Stelle wird

1113 Zitiert nach Wright, Richard K.; Harkey, William H.: Assessment of the DoD Embedded Media Program; Insti- tute for Defense Analysis IDA Paper P-3931 vom September 2004; in: http://www.militaryreporters.org/pdfs/embed%20study.pdf (Letzer Zugriff 15. 07. 2008), S. IV-7 1114 Vgl. Wright, Richard K.; Harkey, William H.: Assessment of the DoD Embedded Media Program; Institute for Defense Analysis IDA Paper P-3931 vom September 2004; in: http://www.militaryreporters.org/pdfs/embed %20study.pdf (Letzer Zugriff 15. 07. 2008), S. IV-7 1115 Die komplette PAG vom 10. Februar 2003 finden sich um Angang unter Kap. 10.4.1 1116 Public Affairs Guidance (PAG) On Embedding Media During Possible Future Operations /Deployments In The U.S. Central Command’s Area Of Responsibility, 28. Februar 2003, in: http://www.defenselink.mil/news/Fe- b2003/d20030228pag.pdf (Letzter Zugriff 15.07.2008), Abs. 2.A.

Seite 268 “The Picture Survives” auch zum ersten Mal in der Diskussion um eine neue Pressepolitik wirklich erklärt, war unter diesem Begriff des „Embedding“ zu verstehen ist: “These embedded media will live, work and travel as part of the units with which they are embedded to facilitate maximum, in-depth cover- age of U.S. Forces in combat and related operations.”1117 Die wohl wichtigste Neuerung gegen- über den vergangenen Richtlinien war der Umstand, daß die Medien, wann immer möglich, Zu- gang zu Kampfmissionen, deren Vor- und Nachbereitung gehabt hätten. Die Einheit, in die ein Journalist eingebettet werden würde, müsse diesem Quartier, Nahrung und Zugang zu medizini- scher Versorgung stellen. Desweiteren müsse der Journalist die Möglichkeit haben, auf das mili- tärische Transportsystem zugreifen zu können. Der auf diese Weise eingebettete Pressevertreter dürfe aber kein eigenes Fahrzeug benutzen, während er in eine Einheit eingebettet sei. Sollte die Übertragungstechnik der Presse ausfallen, dürfte der Journalist auch das militärische Kommuni- kationsnetz nutzen, um seine Berichte absetzen zu können.1118 Aufschlußreich ist Punkt 3.G. die- ser Richtlinien. Der Kommandeur der Einheit, der der Journalist zugeteilt ist, muß dafür Sorge tragen, daß der Journalist die Möglichkeit hat, das aktuelle Kampfgeschehen zu beobachten. Die persönliche Sicherheit des Korrespondenten sei kein Grund, ihm den Zugang zum Schlachtfeld zu verweigern. Wenn aber die persönliche Sicherheit des Reporters kein Grund für die Verweige- rung des Zugangs zum Schlachtfeld ist, dann trifft den Kommandeur auch keine Schuld am eventuellen Tod des Journalisten.

Abbildung 59: Der Photograph der LA Times, Rick Loomis, war 2003 „embedded“ in dem 1st Batallion, 4th Marines.

Photo: Petty Officer 3rd Class Jeremiah Rogers / US Navy Quelle: http://www.digitaljournalist.org/issue0305/dis_loomis.html (Letzter Zugriff 15. 07. 2008)

1117 Public Affairs Guidance (PAG) On Embedding Media During Possible Future Operations /Deployments In The U.S. Central Command’s Area Of Responsibility, 28. Februar 2003, in: http://www.defenselink.mil/news/Fe- b2003/d20030228pag.pdf (Letzter Zugriff 15.07.2008), Abs. 2.A. - 2.C.4. 1118 Public Affairs Guidance (PAG) On Embedding Media During Possible Future Operations /Deployments In The U.S. Central Command’s Area Of Responsibility, 28. Februar 2003, in: http://www.defenselink.mil/news/Fe- b2003/d20030228pag.pdf (Letzter Zugriff 15.07.2008), Abs. 2.A. - 2.C.4.

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Verglichen mit der Pressepolitik in anderen Kriegen stellen die PAG's einen wirklichen Paradig- menwechsel dar, ist doch hier zum ersten Mal die Rede davon, daß die Medien kaum Restriktio- nen in der Berichterstattung fürchten müssen. So halten diese Regeln eindeutig fest, daß “Media products will not be subject to security review or censorship”1119. Manches sei zwar im Interesse der Operationssicherheit nicht gestattet, so beispielsweise die Nennung der genauen Anzahl der Truppen unterhalb der Corps-Ebene oder Informationen, die zukünftige Operationen beträfen. Hierbei handelt es sich aber allgemein um Informationen, die generell der Geheimhaltung unter- liegen und auch schon in den Kriegen zuvor klassifiziert waren. Weitaus interessanter ist die Lis- te der Dinge, über die prinzipiell berichtet werden durfte. Dazu zählten unter anderem Informa- tionen über gegnerische Ziele, die bereits angegriffen wurden, der Truppenteil der eingesetzten Kräfte, der Codename der jeweiligen Operation und der Name und die Heimatstadt der jeweili- gen Einheiten. Selbst über die ungefähre Zahl an eigenen Verlusten durfte berichtet werden. Hierbei galt allerdings die Einschränkung, daß diese nicht anhand der Bilder zu identifizieren sein durften. Außerdem mußten zwischen Aufnahme der Bilder und dem Bericht mindestens 72 Stunden liegen. Diese beiden Einschränkungen sind weniger einer Zensur als der letzten Würde des Opfers und auch der Angehörigen geschuldet. Im Gegensatz zum Krieg in Vietnam wurde den Journalisten ausdrücklich verboten, eine Waffe zu tragen. Diese Einschränkung erscheint für beide Seiten sinnvoll: Der Journalist läuft nicht Gefahr, für einen Kombattanten im Sinne des Kriegsvölkerrechts gehalten zu werden. Für das Militär hat dies den Vorteil, daß die Gefahr, durch Schüsse aus der Waffe des Journalisten verwundet zu werden, deutlich minimiert wird.1120

Ferner wurden die verschiedenen, für den Krieg vorgesehen, Einheiten aufgefordert, abzuschät- zen, wie viele Journalisten bei ihnen eingebettet werden konnten. Aufgrund dieser Schätzungen ergab sich ein Kontigent von 671 Plätzen bei den Bodentruppen und 83 bei der Airforce. Hierbei ist allerdings zu beachten, daß diese Schätzungen einen – selbst für grobe Schätzungen – extrem hohen Grad an Ungenauigkeiten aufweisen. Dies hat seine Ursache in dem Umstand, daß jede einzelne Einheit unterschiedliche Methoden zu Ermittlung ihrer Kapazitäten anwandte. Letzend- lich trafen diese Schätzungen nicht zu. Insgesamt waren beim CPIC (Coalition Public Informati- on Center) in Kuwait 2870 Journalisten registriert, von denen 558 in Truppenteile eingebettet waren. Von diesen 558 Journalisten waren 539 auf die Bodentruppen und 19 auf die Air Force verteilt.1121 Das Embedding war zwar freiwillig. Es stand dem eingebetteten Journalisten auch frei, die ihm zugeteilte Einheit jedezeit wieder zu verlassen. Allerdings gleicht das System des Embedding an dieser Stelle einer Einbahnstraße: Hatte sich der Journalist entschieden, diese Ein- heit zu verlassen, hatte er keine Möglichkeit der Rückkehr mehr.

“[...] Once in Iraq, these “trained” reporters became cogs in the military machine. Soldiers were armed with plastic cards printed with a list of answers to be parroted out if the media questioned them. “We are a values-based, people-focused team that strives to uphold the dignity and respect of all” was one answer that must haue confused the relatives of those people held in Abu Ghraib! Pentagon officials had already spelled out what “embedding for life” meant: “living, eating, moving in combat with the unit that you're attached to. If you decide to make the decision that you're no longer interested in the unit that you're with or

1119 Public Affairs Guidance (PAG) On Embedding Media During Possible Future Operations /Deployments In The U.S. Central Command’s Area Of Responsibility, 28. Februar 2003, in: http://www.defenselink.mil/news/Fe- b2003/d20030228pag.pdf (Letzter Zugriff 15.07.2008), Abs. 6.A. 1120 Public Affairs Guidance (PAG) On Embedding Media During Possible Future Operations /Deployments In The U.S. Central Command’s Area Of Responsibility, 28. Februar 2003, in: http://www.defenselink.mil/news/Fe- b2003/d20030228pag.pdf (Letzter Zugriff 15.07.2008), Abs. 4 Ground Rules 1121 Vgl. Wright, Richard K.; Harkey, William H.: Assessment of the DoD Embedded Media Program; Institute for Defense Analysis IDA Paper P-3931 vom September 2004; in: http://www.militaryreporters.org/pdfs/embed %20study.pdf (Letzer Zugriff 15. 07. 2008), S. V-21

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you've covered them sufficiently, of course you can say, 'I want to try to retrograde back and leave the unit that I'm with.' But once you do that, there are no guarantees that you'll get another opportunity with that unit or necessarily even with another unit.... That's what I am talking about when I say a newsman 'embeds for life:” A photojournalist assigned to a unit that had seen little action noticed a firefight nearby. He asked the officer in charge if he could wander over to take pictures. He was told, “When you leave us you can never come back.” The photographer decided to stay. [...]”1122 In den Abendstunden des 23. März 2003 sendete der Nachrichtensender CNN schockierende Bil- der: Der Zuschauer sah mit Tüchern abgedeckte Leichen amerikanischer Soldaten und etliche zerstörte amerikanische Fahrzeuge. Es handelte sich hierbei um die letzten Überreste der 507th Maintenance-Kompanie, deren Schicksal in Kapitel 6.2.2.3. geschildert wurde. Der Reporter des amerikanischen Musik- und Kulturmagazins “Rolling Stone”, Evan Wright, der in die Aufklä- rungseinheit der 1st Marine Expeditionary Force eingebettet war, beschreibt in einem Artikel sei- nen Eindruck von den Kämpfen um Nasiriyah:

“[...] Just after sunrise our seventy-vehicle convoay rolls over the bridge on the Euphrates and enters An Nasiriyah. It's one of those spawling Third World mud-brick-and-cinder-block cities that probably looks pretty badly rubbled even on a good day. This morning, smoke curls from collapsed structures. Most builings facing the road are pockmarked and cratered. Cobras [Angriffshubschrauber des Typs AH-1 „Cobra“] fly overhead spilling machine-gun fire. Dogs roam the ruins ... A few vehicles come under machine-gun and RPG [Rocket Propellered Grenade] fire. The (Marines) return fire and redecorate a building with about a dozen grenades fired from Mark 19 [Maschinen Granatwerfer]. In an hour we clear the outer limits of the city and start to head north. Dead bodies are scattered along the edge of the road . Most are men, enemy fighters, still with wepons in their hands ... There are shot-up cars with bodies hanging over the edges. We pass a bus smashed and burned, with charred remains sitting upright in some windows. There's a man with no head in the road and a dead little girl, too, about three or four, lying on her back. She's wearing a dress and has no legs. [...]”1123 Evans Bericht zeigt zwei Dinge sehr deutlich. Zum einen beschreibt er die Auswirkungen des Krieges auf die Häuser, und damit auf die Zivilbevölkerung Nasiriyahs sehr eindringlich. Aber auch seine Beschreibung der Toten schildert die Folgen eines Krieges in aller Deutlichkeit. Zum anderen ist an diesem Artikel aber auch sehr klar zu erkennen, wie sehr sich Evans mit den Sol- daten der Marines identifiziert. Ist der erste Teil des Artikels noch eine vergleichsweise neutrale Schilderung dessen, was der Autor sieht, ändert sich dies im zweiten Teil des Artikels erheblich. Dort wechselt der Autor die Perspektive. Vom neutralen Beobachter, der lediglich das Gesehene beschreibt, wechselt er an dieser Stelle zum Teilnehmer an den Kampfhandlungen. Dies mag zwar auch ein Stilmittel zur Steigerung der Dramatik seines Berichts sein, dennoch zeigt dieses Beispiel aber, wie sehr die eingebetteten Journalisten Gefahr liefen, der Gruppendynamik und Kameradschaft einer Militäreinheit zu erliegen und jegliche kritische Distanz zu verlieren.

Als der Konvoi der 507th in den Hinterhalt geriet und schließlich überrannt wurde, geriet eine junge amerikanische Soldatin, die Gefreite Jessica Lynch1124, in irakische Gefangenschaft.1125 Ge- mäß dem klassischen Leitsatz der amerikanischen Streitkräfte, daß in solchen Situationen alles unternommen wird, um die Gefangenen zu befreien, formelhaft zusammengefaßt in den Worten

1122 Abdul-Ahad, Ghath; Alford, Kael; Anderson, Thorne; Leistener, Rita; Griffiths, Philip Jones; Robertson, Philip: Unembedded. Four Independent Photojournalists on the War in Iraq; White River Junction / VER 2005; im fol- genden zitiert als Abdul-Ahad et al.: Unembedded…,. Dieses Buch verfügt über keinerlei Paginierung! 1123 Zitiert nach Keegan: Iraq War…, S. 151 1124 Der Dienstgrad “Private” der amerikanischen Streitkräfte entspricht im Deutschen dem Dienstgrad eines Gefrei- ten. 1125 Vgl. Keegan: Iraq War…, S. 150; Fontenot; Degen; Tohn: On Point…, S. 158 – 159

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“Leave no man behind”, wurde Lynch am Abend des 1. April aus dem Krankenhaus, wo sie wegen ihrer Verletzungen behan- delt wurde, befreit. An dieser Befreiungs- aktion, eine der Operationen, die während des Krieges ein breites Medienecho fan- den, waren federführend Spezialeinheiten, zusammengesetzt aus Navy SEALs (Sea- air-land Kommandos) und Army Rangers, unterstützt von den Marines beteiligt.1126 Wenn an dieser Stelle von breitem Me- dienecho die Rede ist, ist das genauge- Abbildung 60: 030402-D-0000X-004 Operation Iraqi Freedom (April 2, 2003) - nommen massiv untertrieben. Lynch wur- U.S. Army Pfc. Jessica D. Lynch, 19, of Palestine, W.Va., is shown being carried aboard a coalition aircraft following her rescue from her Iraqi captors. Lynch had de von den Medien, als wäre ihre Ge- been listed as Duty Status Whereabouts Unknown following an ambush of her schichte bzw. ihr Schicksal nicht schon convoy by enemy forces on March 23, 2003. Lynch had been held at Saddam dramatisch genug, zu einer Art Überheldin Hospital in the town of Nasiriyah, Iraq – a facilty used by the Iraqi regime as a mi- litary post. Lynch is assigned to the 507th Ordnance Maintenance Company, Fort erklärt, die sprichwörtlich bis zur letzten Bliss, Texas. U.S. Army Rangers, Air Force combat controllers, Navy SEALs (Sea Patrone gekämpft habe und dann noch von Air Land) and Marines participated in the rescue effort. DoD photo. (Released) den Irakern mißhandelt worden sei. Daß Quelle: http://www.news.navy.mil/view_single.asp?id=6216 (Letzter Zugriff 15. sie sich lediglich, in soldatischer Pflichter- 07. 2008) füllung, verteidigt hatte und dabei verwun- det wurde, war offenbar genauso irrelevant wie der Umstand, daß sie von den Irakern gemäß den Regeln der Genfer Konvention behandelt und daher medizinisch versorgt wurde.1127

Die irakische Propaganda versuchte auch während des 3. Golfkrieges an die Erfolge aus dem 2. Golfkrieg und der Zwischenkriegszeit anzuknüpfen. So war es beispielsweise gelungen, in den Jahren zwischen 1991 und 2003 immer mehr ausländische Hilfsorganisationen und Medien da- von zu überzeugen, daß die Hilfslieferungen, die die UN im Rahmen des „Öl für Lebensmittel Programms“ keineswegs ausreichen und weite Teile der Bevölkerung hungern würden – daß große Teile der Hilfe allerdings in zahlreichen dunklen Kanälen versickerten, wurde geflissent- lich übersehen. Obwohl die Ausgangsbedingungen für eine effektive Gegenpropaganda günstiger waren als 1990 / 1991, da weite Teile der Weltöffentlichkeit massiv gegen diesen neuerlichen Waffengang opponiert hatten, gelang es der irakischen Propaganda nur in begrenztem Umfang an diese Erfolge anzuknüpfen. Wieso die irakische Propaganda nicht an diese Erfolge anknüpfen konnte, hat mehrere Ursachen, von denen sich aber nur die wenigsten mit belastbaren Fakten un- termauern lassen. Sichtbarstes Symbol und gleichzeitig höchster Vertreter der irakischen Propa- ganda war der Leiter des Informationsministeriums, Muhammed Saeed al-Sahaf. Al-Sahaf, wur- de von vielen Korrespondenten, in Anlehnung an den als “Chemical Ali” bekannt gewordenen Ali Hasan al-Madschid at-Tikriti1128, als “Comical Ali” bezeichnet.

Dieser zunächst etwas befremdlich klingende Spitzname wird bei der Betrachtung der Arbeit al- Sahafs während der amerikanischen Invasion von 2003 verständlich: Während im Hintergrund schon Gefechtslärm zu hören war, sprach er immer noch davon, daß die amerikanischen Tuppen angesichts der irakischen Überlegenheit noch vor den Toren Bagdads massenhaft Selbstmord be- gehen würden. Angesichts der tatsächlichen Lage, der Lärm der Gefechte war ja schon zu hören,

1126 Vgl. Fontenot; Degen; Tohn: On Point…, S. 160; Keegan: Iraq War…, S. 153 1127 Vgl. Keegan: Iraq War…, S. 153 1128 Ali Hasan al-Madschid at-Tikriti verdankte seinen zweifelhaften Ruhm und seinen Spitznahmen “Chemical Ali” dem Befehl zum Einsatz von C-Waffen gegen die kurdische Bevölkerung im Irak.

Seite 272 “The Picture Survives” wurden diese Aussagen schon in dem Moment, als sie getätigt wurden, relativiert und nicht nur sie, sondern auch die Person al-Sahafs einer gewissen Lächerlichkeit preisgegeben. Auch die an- deren Versuche der irakischen Propaganda die Stimmung zugunsten des Irak zu beeinflussen, zeigen, wie hilflos die irakische Propaganda agierte. So machte während des Krieges eine kurze Videosequenz des irakischen Fernsehens Furore. In dieser Sequenz war ein gelandeter amerika- nischer Kampfhubschrauber des Typs AH-64D “Apache” zu sehen, der von einigen bewaffneten irakischen Bauern umstanden wurde. Einer dieser Bauern wurde von einem Reporter des iraki- schen Fernsehens interviewt. Er habe, so der Begleittext zu diesem Video, diesen Helikopter mit seiner Flinte abgeschossen. Angesichts der, im Bild sichtbaren, sehr altertümlichen Flinte mutet diese Behauptung schon reichlich seltsam an: Ein Kampfhubschrauber ist in aller Regel durch Beschuß aus automatischen Waffen gut geschützt. So ist die Wahrscheinlichkeit, daß dieser Heli- kopter tatsächlich von jenem Bauern mit seiner alten Flinte abgeschossen wurde, als sehr gering einzustufen. Bei der Betrachtung der anschließenden Jubelszenen fällt auf, daß zum einen der Reporter beim Jubel aktiv mitmacht – wenn er ihn nicht sogar erst richtig anheizt.

Abbildung 61: Linkes Bild: Ein irakischer Reporter befragt einen irakischen Bauern, der angeblich den im Hintergund zu sehenden Helikopter mit seiner Flinte abgeschossen haben soll. Rechtes Bild: Der gleiche Reporter heizt offenbar die umstehende Menge zu Lobeshymnen auf Saddan Hussein an.

Standbilder entnommen aus: ZDF-spezial, 24. 03. 2003 Desweiteren fällt auf, daß auf diesem Videomaterial nirgendwo ein abgeschossener amerikani- scher Pilot präsentiert wird. Zuerst scheint dies eher nebensächlich zu sein, erweist sich jedoch bei näherer Betrachtung als Indiz für die eher hilflos agierende irakische Propaganda – hatte die irakische Propaganda doch sehr gerne gefangengenommene Piloten im Krieg von 1991 im Fern- sehen zur Schau gestellt. Gerade wenn der Hubschrauber von einem Bauern mit einer ziemlich alten Flinte und keinem modernen FLAK-Geschütz abgeschossen wurde, müßten doch irgendwo Spuren eines Piloten zu sehen sein. Der Helikopter erscheint auf diesen Bildern äußerlich unver- sehrt, auch sind die beiden Luken zum Cockpit geschlossen. Dies zeigt aber deutlich, daß die Pi- loten – wenn es sich den tatsächlich um einen Abschuß gehandelt haben sollte – noch genügend Zeit gehabt hatten, ihren Hubschrauber sicher zu landen, die Triebwerke abzuschalten, auszustei- gen und die Cockpit-Luken wieder zu schließen. Im Falle eine Abschusses erscheint dieses Vor- gehen zumindest nicht im Bereich des Möglichen zu liegen, da es sich hierbei um eine Situation handelt, in der jede Sekunde zählt, will der Pilot vermeiden, direkt am Wrack seiner Maschine gefangen genommen zu werden. Daher kann es sich bei dem auf diesen Bildern sichtbaren Heli- kopter nur um eine Maschine handeln, die wegen eines technischen Defektes notlanden mußte. Dies würde auch eine Erklärung für das Fehlen von sichtbaren Beschädigungen liefern. Gleich- zeitig läßt sich damit erklären, warum kein amerikanischer Pilot der Weltöffentlichkeit präsen-

Seite 273 “The Picture Survives” tiert wurde. Daher ist davon auszugehen, daß die irakische Propaganda diesen liegengebliebenen Helikopter für ihre Zwecke versuchte zu instrumentalisieren. Ein Versuch, der bei näherer Be- trachtung der Bilder sehr leicht zu durchschauen ist.

Das Ende des Krieges gegen den Irak wird durch zwei Ereignisse medienwirksam markiert: Zum einen mit dem Sturz der Statue Saddam Husseins von ihrem Sockel auf dem dem Platz vor dem Hotel Palestine. Zum anderen durch die Rede des amerikanischen Präsidenten George W. Bush auf dem Flugzeugträger USS “Abraham Lincoln” am 1. Mai 2003.

Abbildung 62: A U.S. soldier watches as a statue of Iraq's President Saddam Hussein falls in central Baghdad April 9, 2003. U.S. troops pul- led down a 20-foot (six metre) high statue of President Saddam Hussein in central Baghdad on Wednesday and Iraqis danced on it in cont- empt for the man who ruled them with an iron grip for 24 years. In scenes reminiscent of the fall of the Berlin Wall in 1989, Iraqis earlier took a sledgehammer to the marble plinth under the statue of Saddam. Youths had placed a noose around the statue's neck and attached the rope to a U.S. armoured recovery vehicle.

Photo: Goran Tomasevic / REUTERS Quelle: http://www.digitaljournalist.org/issue0304/reutersf21.html (Letzter Zugriff 15. 07. 2008) Am 9. April 2003 versammelten sich etliche Iraker auf dem Platz vor dem Hotel Palestine, in dem beinahe alle westlichen Reporter residierten. Der Platz wurde von einer, auf einem Betonso- ckel stehenden, überlebensgroßen Statue Saddam Husseins beherrscht. Die Menschenmenge ver- suchte nun, diese Statue von ihrem Sockel zu stoßen. Sie wurde dabei von immer mehr heran- rückenden Marineinfanteristen beobachtet. Die Versuche, den Diktator symbolisch zu stürzen, blieben jedoch so lange erfolglos, bis ein amerikanischer Bergepanzer ankam und dem Denkmal mithilfe seines Kranes ein schnelles Ende setzte. Daß dies erst mithilfe der amerikanischen GI's gelang, ist beinahe schon Symbol genug für die Gesamtsituation:

„[...] Auch direkt am Tigris, am Hotel Palestine ist der Widerstand zusammengebrochen. Gestern hat an dieser Stelle noch der irakische Informationsminister Sahaf von einer feindfreien Hauptstadt und vom Sieg phantasiert. Heute stauen sich auf dem Platz amerikanische Panzer. Im Zentrum des Geschehens: das überdimensionale Abbild des

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Diktators von Bagdad. Erst vor einem Jahr zu seinem Geburtstag errichtet, entlädt sich an ihm jetzt der geballte Zorn seines Volkes. Vor kurzem haben sie ihm noch gehuldigt, jetzt wollen sie ihn vom Sockel stoßen. Und wieder schaffen sie es nicht, sich alleine von ihrem Tyrannen zu befreien. Wieder brauchen sie die Hilfe der Amerikaner. Ein Bild symbolisch für das Ende des Regimes, ein Bild symbolisch für die Macht Amerikas. Ein amerikanischer Panzer setzt dem Standbild schließlich ein Ende. Um 17:14 Uhr unserer Zeit stürzt der Koloss vom Sockel. [...]“1129 Daß sich diese Gruppe Iraker ausgerechnet diesen Platz vor dem Hotel, in dem die meisten Jour- nalisten während des Krieges untergebracht sind, versammelten, mag Zufall sein. Jedoch scheint dies weniger Zufall als gezielte Inszenierung zu sein, erlaubt doch die Lage dieses Ortes, den Sturz der Statue direkt vom Balkon des Hotelzimmers live zu übertragen. Vor den Hotelzimmern der Journalisten spielten sich gewissermaßen die Szenen ab, auf die die Vereinigten Staaten so lange warten mußten: Die irakische Bevölkerung versucht symbolisch den Diktator von Bagdad zu stürzen. Wenn die Medien schon keine Bilder von Irakern liefern konnten, die das Einrücken der amerikanischen und britischen Truppen bejubelten, dann sollten wenigstens diese Bilder zei- gen, wie sehr die Bevölkerung des Irak gegen Saddam Hussein eingestellt war. Ein weiteres In- diz stützt die These, daß es sich bei der Menschenmenge und den Versuchen, das Standbild des Diktators von seinem Sockel zu stürzen, um eine perfekte Inszenierung handelte. Die beiden GI's, die schließlich dem Standbild die irakische Flagge überstülpten und ihn dann mithilfe des Krans ihres Panzers zu Fall brachten, sagten in einem Interview mit dem Fernsehsender NBC folgendes aus:

„Ihnen sah gestern die ganze Welt zu: Zwei amerikanische Marines beim Bildersturm in Bagdad. Amerikas neue Helden: „Es war ein sehr bewegender Moment. Mein Kommandeur drückte mir eine Flagge in die Hand, er rief: „Schwing Deinen Hintern da hoch und bind sie ihm um!“ Ich bin dann da rauf und der Rest ist Geschichte.“ Doch nach wenigen Sekunden entfernen Sie die patriotische Augenbinde wieder: „Wir haben die Fahne runtergeholt, weil dies nicht unser Land ist. Wir sind nicht hier, um den Irak zu erobern, sondern um den Irakern ihr Land zurückzugeben!““1130

Abbildung 63: Linkes Bild: Die beiden GI's, die am Fall der Saddam Statue beteiligt waren, im Interview mit dem amerika- nischen Fernsehsender NBC. Rechtes Bild: Einer der beiden GI's entfernt die amerikanische Flagge von Kopf Saddam Huss- eins.

Standbilder entnommen aus Renz, Michael; Schnurbus, Winfried: Amis in Bagdad in: ZDF-spezial 10. 04. 2003

1129 Zitiert nach Renz, Michael; Schnurbus, Winfried: Tagesreportage; in: ZDF-spezial 09. 04. 2003 1130 Zitiert nach Renz, Michael; Schnurbus, Winfried: Amis in Bagdad; in: ZDF-spezial 10. 04. 2003

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Am 1. Mai 2003 landete der amerikanische Präsident George W. Bush auf dem Flugdeck des Flugzeugträgers USS „Abraham Lincoln“. In seiner Rede auf dem Flugdeck des Trägers, an des- sen Brücke ein großes Plakat mit der Aufschrift “Mission accomplished” prangte, verkündete er, daß die Phase der “Major Combat Operations” nun beendet sei.1131 Rein vom militärischen Standpunkt aus betrachtet, hatte Bush mit dieser Aussage recht, war doch die gegnerische Haupt- stadt unter Kontrolle und das Ziel, Saddam Hussein zu stürzen, erreicht. Womit die PR-Strategen – und folgt man den Argumenten des amerikanischen Journalisten Thomas E. Ricks in seinem Buch “Fiasco. The American Military Adventure in Iraq”, auch die Planer im Pentagon nicht ge- rechnet hatten – war der Umstand, daß der Krieg gegen den Irak mit der Einnahme Bagdads noch lange nicht beeendet war.1132

Abbildung 64: President George W. Bush addressing the nation aboard the nuclear aircraft carrier USS Abraham Lincoln May 1, 2003.

Photo: Getty Images

Quelle: http://caffertyfile.blogs.cnn.com/category/president-george-bush/page/2/ (Letzter Zugriff 15. 07. 2008)

1131 Vgl. President Bush Announces Major Combat Operations in Iraq Have Ended. Remarks by the President from the USS Abraham Lincoln. At Sea Off the Coast of San Diego, California, vom 1. Mai 2003; in: http://ww- w.whitehouse.gov/news/releases/2003/05/20030501-15.html (Letzter Zugriff 15. 07. 2008) 1132 Ricks, Thomas E.: Fiasco. The American Military Adventure in Iraq; New York 2006, im folgenden Ricks: Fias- co…,

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6.2.3 Zwischenfazit

Der 11. September stellte die Medien vor Herausforderungen, denen die meisten nicht gewach- sen waren. Das Versagen der Medien vor dem Hintergrund jenes Tages ist aber unter einem Ge- sichtspunkt entschuldbar: Selbst hochprofessionelle Journalisten, denen der Ruf vorauseilt, ziem- lich hartgesotten und nicht so leicht aus der Fassung zu bringen zu sein, wie sie im allgemeinen in Nachrichtenredaktionen zu finden sind, waren von diesen, bis dahin unvorstellbaren Ereignis- sen, überrascht und schockiert worden. Im Gegensatz zu den „normalen“ Sondersendungen, die ja in aller Regel immer mit einem gewissen zeitlichen Abstand zum Ereignis laufen, mußte hier auf ein Ereignis reagiert werden, während es noch im Gange war. Eine geordnete Berichterstat- tung, mit Einschätzungen und Hintergrundberichten, ist in einem solchen Fall nicht möglich. Was aber nicht entschuldbar ist, ist der Umstand, daß auch in den Tagen danach die Analyse des Ereignisse zu kurz und sich vor allem die amerikanischen Medien sehr schnell dem damals vor- herrschenden patriotischen Hochgefühl kritiklos auslieferten. Es mag in Kriegszeiten bis zu ei- nem gewissen Punkt normal sein, sich patriotischer als zu friedvolleren Zeiten zu geben, aber es sollte nicht Aufgabe der Presse sein, den Funktionsumfang als vierte Macht im Staate nur in der Hinsicht auszuschöpfen, daß sie zum (inoffiziellen) Sprachrohr der Politik wird. Dieses Gebaren stellt aber einen Rückfall in Zeiten da, in denen einer totalen Kriegsanstrengung auch eine totale Berichterstattung folgte.

Der globale Krieg gegen den Terror ist 7 Jahre nach jenem 11. September 2001 und 5 Jahre nach dem Beginn der Krieges gegen den Irak im Jahre 2003 ins Stocken geraten. Mühsamer und ver- lustreicher als gedacht, fällt die Bilanz des Krieges gegen den Terror sehr nüchtern aus: Der Staatsfeind Nr. 1, der Drahtzieher hinter den Attentätern des 11. September, Osama bin Laden, ist noch immer nicht gefaßt. Die von ihm aufgebaute Organisation, Al Kaida, ist nach einer Pha- se der Schwächung nun wieder erstarkt und handlungsfähiger denn je. Auch die Taliban, mit dem Fall Kabuls an die Nordallianz und ihre Verbündeten im November 2001 fast komplett aufgerie- ben und zur bedeutungslosen Kraft verkommen, sind wieder erstarkt und kontrollieren de facto weite Teile Afghanistans, während der Wiederaufbau dieses so geschundenen Landes nicht so recht voranschreiten will. Die Gefahr, daß Afghanistan wieder zu einem “failed state” wird, steigt in dem Maße, wie sich die NATO-Länder mit der Stellung weiterer Truppenkontigente schwertun. Dabei ist Afghanistan noch weit davon entfernt, ein funktionierender demokratischer Staat zu werden – ein Ziel, dessen Umsetzung bei genauerer Kenntnis der Geschichte Afghanist- ans, zumindest fragwürdig, wenn nicht sogar unerreichbar zu sein scheint. Dennoch wird am Ziel, Afghanistan zu einem demokratischen (Muster-)Staat zu machen festgehalten. Gleichzeitig müssen aber amerikanische Soldaten, die in Afghanistan gefallen sind, als Inspiration und Vor- bild für die Werte der amerikanischen Streitkräfte, bzw. für die amerikanischen Werte im allge- meinen, herhalten:

“[...] A few moments ago, I placed a wreath upon the tomb of three brave Americans who gave their lives in service to our nation. The names of these honored are known only to the Creator who delivered them home from the anguish of war – but their valor is known to us all. It's the same valor that endured the stinging cold of Valley Forge. It is the same valor that planted the proud colors of a great nation on a mountaintop on Iwo Jima. It is the same valor that charged fearlessly through the assault of enemy fire from the mountains of Afghanistan to the deserts of

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Iraq. It is the valor that has defined the armed forces of the United States of America throughout our history. [...]”1133 Der 3. Golfkrieg präsentiert sich in der Rückschau, gute 5 Jahre nach dem pompös verkündeten Ende der Kampfhandlungen, mehr denn je als privater Krieg des amerikanischen Präsidenten George W. Bush. Seine Einbindung in den globalen Krieg gegen den Terror erfolgte auf Basis von Behauptungen, die sich schon kurz nach ihrer Veröffentlichung immer wieder als unhaltbar erwiesen.1134 Der Lage im Irak beginnt sich erst jetzt langsam, aber stetig zu entspannen und zu verbessern. Die veränderte Strategie bei der Bekämpfung der Aufständischen sowie die vorüber- gehende Verstärkung der amerikanischen Truppenkontingente im Irak zeigt erste Erfolge.1135 Im gleichen Maße wie sich die Situation im Irak verbessert, verschlechtert sich aber, wie oben er- wähnt, die Lage in Afghanistan. Erstmals kamen im Juni in Afghanistan mehr amerikanische Soldaten ums Leben als im Irak. Es scheint so, als hätte sich die amerikanische Regierung um George W. Bush bei ihrem privaten Krieg gegen den Irak mehr von ihrem eigenen Wunschden- ken als von den Realitäten leiten lassen. Afghanistan jedenfalls, genoß – obwohl vom Konflikt- potential brisanter als der Irak – nie die Aufmerksamkeit, die es eigentlich verdient hätte. Dies führt dazu, daß der Krieg in Afghanistan, wie alle anderen historischen Vorbilder auch, wohl nicht gewonnen werden kann. Der Eindruck, daß Afghanistan für die US-Regierung von Anfang an nur ein Krieg zweiter klasse war, den man irgendwie – mehr schlecht als recht – führen muß- te, mag täuschen, dennoch erlauben die Fakten derzeit keinen anderen Rückschluß: Sind im Irak, bei wesentlich verbesserter Sicherheitslage, ca. 130.000 GI's stationiert, so stehen nur ca. 30.000 amerikanische Soldaten in Afghanistan.

Im Gegensatz dazu war der Golfkrieg von 1991 ein politischer, wie auch ein militärischer Erfolg. Die Formierung einer Allianz, die auch mehrere arabische Staaten, mit nennenswertem militäri- schen Engagement umfaßte, kann zu den herausragenden Leistungen der Präsidentschaft George H. W. Bushs gezählt werden. Auf welcher Grundlage diese Allianz zustande kam, ist hierbei zwar beachtenswert, schmälert aber die Leistung nicht. Selbst wenn die Öffentlichkeit gezielt falsch informiert wurde, ist doch die Monstrosität dieses Unterfangens zumindest beachtenswert. Die Berichterstattung über den Golfkrieg wird – zusammen mit dem Kosovo-Krieg von 1999 – als „Sündenfall“ der Medien wahrgenommen. Die Medien, so die Lesart der Kritiker, hätten die alliierte Propaganda ohne kritisches Hinterfragen verbreitet und seien so zum Erfüllungsgehilfen bei der Verbreitung der großen Lüge geworden.

In weiten Teilen mag diese Kritik ihre Berechtigung haben: Mit ein wenig kritischer Recherche hätten viele der offensichtlichen Ungereimtheiten in der Darstellung der vorgeblich irakischen Gräueltaten aufgedeckt werden können. Daß dies nicht geschah, offenbart zweierlei: Zum einen, daß die Medien nur zu gerne bereit waren, dieser perfekten Show zu glauben und dabei die of- fensichtlichen Widersprüche zu ignorieren. Über die Gründe hierfür kann nur spekuliert werden.

1133 President Bush Attends Arlington National Cemetery Memorial Day Commemoration, vom 26. Mai 2008 http:// www.whitehouse.gov/news/releases/2008/05/print/20080526.html (Letzter Zugriff 15. 07. 2008) 1134 Vgl. Goetz, John; Rosenbach Marcel: „Alles oberflächlicher Bullshit“. Lawrence Wilkerson wird heute noch übel, wenn er an Colin Powells Rede vor dem Sicherheitsrat denkt: Die Informationen über rollende Biowaffen- labore kamen von einer Quelle des BND – die unzuverlässig war. Die Geheimdienste hätten versagt, sagt Po- wells einstiger Stabschef im SPIEGEL-Interview; in: Der Spiegel, 21. März 2008, http://www.spiegel.de/politik/ ausland/0,1518,542519,00.html (Letzter Zugriff 15. 07. 2008) 1135 Siehe hierzu ausführlich die Fallstudie von Herrera, Ricardo A.: Brave Rifles at Tall 'Afar, September 2005; in: Robertson, William G. [Hrsg.]: In Contact! Case Studies from the Long War, Vol. I; Ft. Leavenworth 2007, S. 125 – 152, im folgenden zitiert als Herrera: Brave Rifles…, siehe hierzu auch Gentile, Gian P: Our COIN doc- trine removes the enemy from the essence of war; in: http://www.armedforcesjournal.com/2008/01/3207722 (Letzter Zugriff 15. 07. 2008)

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Einer der vielleicht wahrscheinlicheren Spekulationen liegt die Annahme zugrunde, daß, wie oben erwähnt, in Kriegszeiten die journalistische Kritikfähigkeit gerne durch eine patriotische Kritiklosigkeit ersetzt wird. Zum anderen zeigt diese Kritiklosigkeit im Umgang mit den vorgeb- lich irakischen Gräueltaten aber auch, daß die meisten Journalisten, von den wenigen „Edelfe- dern“ einmal abgesehen, in ihrem Beruf eigentlich nur noch zu „Durchlauferhitzern“ für vorge- fertigte Meinungen, Nachrichten und Beiträgen geworden sind. Die gerade für diesen Beruf so wichtige Neugier wurde bei vielen – bedingt durch die immer gravierender werdenden „Effizi- enzsteigerungs- und Aufwandminderungsbemühungen“, so der Jargon der einschlägigen Bera- tungsunternehmen, der Mutterhäuser der Heimatredaktionen – durch reinen Verlautbarungsjour- nalismus ersetzt.1136

Die Kritik an der Berichterstattung über “Desert Storm” hingegen ist jedoch unangebracht. Der Journalismus als solches kann nicht für die Arbeitsbedingungen, wenn sie, wie im Fall von “Desert Shield / Desert Storm”, von anderen vorgegeben werden, haftbar gemacht werden. Die meisten Kritiker der Berichterstattung des Golfkrieges, vor allem aus den Reihen des Journalis- mus selber, übersehen bei ihrer Kritik sehr gerne die Tatsache, daß sie, nach dem PR-Debakel von Grenada, die Einrichtung des “Department of Defense National Media Pool” begrüßt hatten. Vor die Wahl gestellt, in zukünftigen Kriegen willkürlichen Restriktionen ausgesetzt zu sein oder berechenbare und verbindlich festgelegte Restriktionen erdulden zu müssen, entschieden sich die Chefs der großen Verlagshäuser und Sendeanstalten für die letzte dieser beiden Möglichkeiten: “Military officials said the pool system was intended to provide access while avoiding the night- mare of hundreds of journalists trying to reach the front lines at once. “Having reporters run- ning around would overwhelm the battlefield””1137.

Die Kritiker, die die Leistung und die Leistungsfähigkeit des Pool-Systems, auf der Basis der Er- fahrungen im Golfkrieg, bewerten, tun den Zielen des Pool-Systems Unrecht. Für solche langan- haltenden, mit massiven Truppenverlegungen und Truppenbewegungen, einhergehenden Opera- tionen war das nicht ausgelegt und auch nicht gedacht gewesen. Dieses System konnte seine Vor- teile nur dann ausspielen, wenn die Dauer des Konfliktes, wie auch die Zahl der involvierten Truppen, begrenzt und überschaubar blieb. Beides war bei “Desert Shield / Desert Storm” nicht gegeben. Daher brach das System auch in dem Moment, in dem die für die Koordination der Anfragen der Presse zuständigen militärischen Stellen mit Anfragen bzw. Bitten um Aufnahme in den Pool überschwemmt wurden, zusammen. Dies führte dazu, daß mehrere Pools eingerichtet wurden, die aber letztlich nur einen Bruchteil der im saudi-arabischen Dharan (fest-)sitzenden ca. 2500 Journalisten aufnehmen konnten. Daher ist es nicht weiter verwunderlich, daß ein Teil der Journalisten begann, auf eigene Faust loszuziehen. In diesem Zusammenhang entstanden auch die ersten Berichte von der Schlacht um Khafji. Militärisch mag diese Schlacht ein einziges Selbstmordkommando gewesen sein, propagandistisch war sie – vor allem in der arabischen Welt – ein voller Erfolg.1138

Die Schlacht von Khafji offenbarte aber eine große Schwäche im alliierten Operationsplan. Das System aus abendlichen Pressebriefings, auf denen der Sprecher des CENTCOM die Operatio- nen des Tages schilderte und ihre Erfolge zusammenfaßte, konnte mit sich so rasant entwickeln- den Ereignissen nicht Schritt halten: “[...] The battle of Kahfji severely tested the coalition's

1136 Zu den Problemen, die sich aus dem Einsatz der einschlägigen Unternehmensberatungen ergeben, siehe ausführ- lich Leif, Thomas: Beraten und verkauft. McKinsey & Co. – der große Bluff der Unternehmensberater; Mün- chen 20053, im folgenden zitiert als Leif: Beraten und verkauft..., 1137 Mould: Press Pools..., S. 137 1138 Vgl. Mould: Press Pools..., S. 136

Seite 279 “The Picture Survives” elaborate media management of press pools and military briefings. Under the pressure of fast- moving events on the ground, the system proved unequal to the task of providing quick, accurate information [...]”1139

Als Resultat der anhaltenden Kritik am Pool-System begannen sich die Verantwortlichen für Öf- fentlichkeitsarbeit im Pentagon Gedanken darüber zu machen, wie man das Ziel, einer weitestge- hend freien Berichterstattung der Presse über die Aktivitäten amerikanischer Soldaten im Ein- satz, bei gleichzeitiger Sicherstellung der notwenigen Geheimhaltung operationeller Details, er- reicht werden könne. Das Resultat war nach einer längeren Periode des Ausprobierens verschie- dener Möglichkeiten die Einführung des Systems der “Embedded Journalists”. Sie sollten den Spagat zwischen weitestgehend freier, akkurater und zeitnaher Berichterstattung bei gleichzeiti- ger Wahrung der notwendigen Operationssicherheit, der sich bei allen vorherigen Bemühungen, der Presse Zugang zum Gesehen zu ermöglichen, als der gravierendste Schwachpunkt erwiesen hatte, schaffen.

Auch wenn das System der “Embedded Journalists”, nimmt man die vom Pentagon definierten Ziele als Maßstab, erfolgreich war, verbesserte sich die Berichterstattung nicht nennenswert. Zwar waren die Journalisten zum ersten Mal seit den Tagen des Vietnamkrieges wieder hautnah am Krieg dran, konnten detaillierter berichten, als über alle anderen Kriege seit Vietnam zuvor, dennoch blieb die Berichterstattung über den Irak-Krieg des Jahres 2003 merkwürdig oberfläch- lich. Dies hängt vor allem mit zwei grundlegenden Problemen des Embedding zusammen: Zum einen garantiert die Möglichkeit, als Journalist eine Einheit während eines Kriegseinsatzes zu be- gleiten, noch lange keine qualitativ hochwertige Berichterstattung. Zum anderen, und dies ist der wichtigere dieser beiden Punkte, muß es als sehr unwahrscheinlich betrachtet werden, daß ein auf Zug- oder Kompanieebene eingebetteter Reporter in der Lage ist, mehr zu berichten als das, was sich in einem Umkreis von ca. 10 bis 15 Kilometern ereignet. Dieses eingeschränkte Ge- sichtsfeld schließt aus, daß der Reporter in der Lage ist, das große Ganze des Krieges zu berich- ten.

Wenn dem aber so ist, stellt sich die Frage, was – aus journalistischer Sicht – die Notwendigkeit des Embeddings ausmacht. Hier sind vor allem zwei Hauptgründe zu nennen, die die Einbettung von Journalisten in die kämpfende Truppe interessant machen: Zum einen ist das Embedding in der heutigen Zeit, in der der Zugang zum Schlachtfeld nur noch auf diese Weise möglich ist, die einzige Chance, überhaupt noch aktuelles Material von Kampfhandlungen zu bekommen. Zum anderen ist das Embedding heute oftmals die einzige Möglichkeit, in Gebiete zu kommen und dann aus ihnen zu berichten, die zu gefährlich für einen Reporter ohne entsprechendes schweres Gerät im Hintergrund sind.

Auch die „Embbedded Journalists“ waren nicht in der Lage, die von den Militärs so herbeige- sehnten Bilder von jubelnden, befreiten Irakern und glücklich lächelnden Kindern, die die GI's um Schokolade anbetteln, zu liefern. Viele Militärs hatten offenbar gehofft, die Bilder, die von dem amerikanischen Vorrücken in deutsche Städte gegen Ende des Zweiten Weltkrieges künde- ten, würden sich im Irak wiederholen. Solche Bilder hätten dem gesamten Irak-Krieg zumindest eine von der Öffentlichkeit akzeptierte Legitimation gegeben. Sie hätten nicht nur der amerikani- schen Öffentlichkeit signalisieren können, daß die irakische Bevölkerung froh über den Sturz Saddam Husseins ist. Somit hätten sie auch etwas von den eigentlichen Gründen für die Invasi- on, der Suche nach Massenvernichtungswaffen, ablenken können. Es dominierten aber in den

1139 Mould: Press Pools..., S. 133

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Medien zuerst Bilder des raubenden und plündernden Mobs, die zeigten, daß die amerikanischen Truppen mit der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung im Irak vollkommen überfordert waren. Später folgten dann die Bilder von immer brutaleren Anschlägen, die in Verbindung mit immer höheren Zahlen von Toten und Verwundeten, dafür sorgen, daß der Krieg immer unpopu- lärer wurde. Die letzten Reste von Glaubwürdigkeit verlor der Krieg dann mit den abstoßenden und menschenverachtenden Bildern aus dem irakischen Gefängnis Abu Ghraib.

Abbildung 65: After distributing school supplies and toy donated by Marine families back home, Chaplain's Assistant LCpl Andrew S. Champion walks Iraqi children back to their families.

Entnommen aus Benhoff, David A.: Among the people. U.S. Marines in Iraq; Quantico 2008, S. 5

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7 Mediale (Kriegs-) Berichterstattung – Anspruch und Wirklichkeit

In den Medien ist ein Trend zur „Eventisierung“ zu beobachten. Nicht mehr die vom lateinischen „eventus“ herzuleitende Kernbedeutung „Ergebnis, Ausgang“ ist heute für den Gebrauch der Be- zeichnung „Event“ maßgebend, sondern der englische Begriff für Ereignis “event”. Sportliche- wie auch gesellschaftliche Ereignisse werden zum „Event“ hochstilisiert. Letztlich bedeutet dies, daß ein „Event“ im Regelfall nichts anderes ist als ein Ereignis, das erst durch die Etikettie- rung als „Event“ zu einem solchen wird.

Wenn aber ein beliebiges Ereignis als „Event“ etikettiert werden kann, dann ist die Zuschreibung des exklusiven Charakters, durch diejenigen, die es organisieren und zum „Event“ werden las- sen, nicht anderes als der Versuch, durch diese Stilisierung den Kampf um die mediale Deutungs- hoheit für sich zu entscheiden. Im täglichen Kampf um die Zuschauergunst mag dieses Mittel durchaus seine Berechtigung haben. Genügte es früher, einen Beitrag zum einem hochaktuellem Thema in den Fernsehnachrichten zu bringen, so muss es heute die Sondersendung sein, die zwar auch nicht mehr Informationsgehalt in sich birgt, aber doch ganz anders wirkt. Die Standard- Sondersendung im Anschluss an die Hauptnachrichtensendung dehnt das Thema auf 15 Minuten aus und enthält doch im Wesentlichen genau die gleichen spärlichen Informationen, die auch der Nachrichtensendung unmittelbar zuvor zu entnehmen waren. Ferner ist außerordentlich proble- matisch an diesem Trend zur „Eventisierung“ der Umstand, daß die Aufmerksamkeitsspanne, die die Medien einem Event zugestehen, immer kürzer wird. So erklärte der Chefredakteur von CNN kurz nach den Anschlägen vom 11. September, dass ein Ereignis nach zwei Wochen nur noch historischen Wert habe.1140

Die Flut der Nachrichtenbilder, die auf allen Kanälen auf den Zuschauer hereinbricht ist in erster Linie nur überwältigend. Da aber sowohl das Bild als auch der Text voneinander losgelöst exis- tieren können, das Bild aber den größeren Eindruck hinterläßt, entsteht aus dieser Flut von Nach- richtenbildern ein wahrer Bilderteppich von erheblicher suggestiver Kraft. Verstärkt wird die Wirkung dieser Bilderteppiche durch die andauernde Wiederholung bestimmter Sequenzen wie etwa der Tsunamiwelle oder der Flugzeuge, die in die Twin-Towers rasen. Die große Gefahr bei dieser Bilderflut ist, dass der begleitende Text über dem Bild verloren geht und sich versendet.1141 Das einzelne Bild wird durch die Vielzahl an Bildern auch entwertet, wozu die modernen Mög- lichkeiten der Montage, des Filmschnitts, ebenfalls beitragen. Die Klage des Dokumentarfilmers Hans-Dieter Grabe verdeutlicht anschaulich diesen Umstand:

„[...] Dieses verfluchte Schielen auf die Sensation“, sagt Grabe und hebt ein bisschen seine Stimme, „diese verfluchte Entwertung der Bilder, losgelöst von ihrer Geschichte.“ Entwertung heißt: weinende Menschen, ohne dass man weiß, was überhaupt passiert ist. Flugzeuge, die immer wieder aus verschiedenen Perspektiven in die Twin Towers fliegen. Grauenhafte Bilder

1140 Zitiert nach Jeissmann: 15 Tage..., 1141 Fabio Crivellari formulierte diesen Gedanken in seinem Vortrag auf dem Historikertag 2006, vgl. Fraund, Phil- ipp: Tagungsbericht Sektion „Popularisierung der Geschichte im Fernsehen – Folgen für die Geschichtswissen- schaft“ Historikertag 2006 http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/tagungsberichte/id=1201 (Letzer Zugriff 15. 07. 2008)

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aus dem Zweiten Weltkrieg, als bloßer Bilderteppich für den darüber gelegten Autorentext. „Eine Entwertung des Schreckens. Stattdessen: ein rein optisches Erlebnis. [...]“1142 Wenn Bilder aber losgelöst vom Text existieren, dann ergeben sich für die Geschichtswissen- schaft neue Aufgaben: Aufgaben, für die das traditionelle Handwerkszeug und die Methoden der historisch-kritischen Textanalyse und auch die klassischen „Arbeitszeiten“ der Historiker nicht mehr ausreichend sind. Die Folge ist, daß die Spanne vom Beginn der Arbeit an einem Projekt bis zu seiner wahrnehmbaren Beendigung, im Falle der Geschichtwissenschaft die Publikation, langwierig ist. Dies gilt für wissenschaftliche Qualifikationsarbeiten wie für wissenschaftliche Studien zu einem aktuellen Thema gleichermaßen. Die Geschichtswissenschaft, insbesondere die Zeitgeschichte, hinkt notgedrungen in ihrer Analyse hinter den aktuellen Ereignissen in immer größerem Abstand her und verliert dadurch in immer größerem Ausmaß ihre Fähigkeit, wesent- lich zur Deutung solcher Ereignisse beizutragen. Hinzu kommt, daß Bilder bisher für die meisten Historiker Mittel sind, die man zur Illustration seiner Schriften verwenden kann, die aber nicht der weiteren Beachtung und Betrachtung als Quelle wert sind.

7.1 Das Ereignis in der Erinnerung

Wie soll aber Geschichte in Zukunft erinnert werden, wenn das Fernsehen mit den ewig gleichen Archiv- und Zeitzeugenschnipseln arbeitet? Es hat den Anschein, als würde die Erinnerung an Ereignisse nicht mehr über das Ereignis als solches vermittelt werden, sondern über die Wieder- kehr bestimmter Augenblicke des Ereignisses. So stehen etwa die Jubiläumsfeierlichkeiten zur Landung in der Normandie als Zeichen für den Zweiten Weltkrieg insgesamt und paradoxerwei- se als Zeichen für das Ende dieses Krieges. In der Festlegung medialer Gedenktage werden aber längst nicht alle erinnernswerte Tage als solche auch erkannt. Erinnernswert sind nur solche Er- eignisse, mit denen der vermeintliche deutsche Durchschnittszuschauer auch etwas anfangen kann – im Wesentlichen also Ereignisse aus dem Zweiten Weltkrieg und aus der Frühphase der beiden deutschen Staaten. Gedenktage, die außerhalb dieses germanozentrischen Weltbildes lie- gen, haben wenig bis gar keine Chancen, in der deutschen Medienlandschaft rezipiert zu werden.

Eine spezielle Art von öffentlicher Erinnerung drückt sich in der Produktion von historischen oder zeitgeschichtlichen Dokumentationen und Spielfilmen aus. Produktionen, in denen be- stimmte Aspekte des erinnernswerten Ereignisses überbetont und andere ignoriert werden, sind für diese Form des öffentlichen Erinnerns charakteristisch. Die Entkomplizierung des histori- schen Stoffes ist zwar den dramaturgischen Notwendigkeiten eines Drehbuches geschuldet, birgt aber das Potential einer damnatio memoriae in sich, da so längerfristig nur die überbetonten fak- tizitierten Erinnerungen an jenes Ereignis übrigbleiben werden. Je länger ein Ereignis zurück- liegt, desto eher wird es Teil des kulturellen Gedächtnisses. Problematisch daran ist, daß aus dem Ereignis eine, immer mehr von den immer gleichen, mittlerweile ins Endlose reproduzierten Bil- dern geprägte, kollektive Erinnerung geworden ist, die nichts mehr mit dem originären Ereignis zu tun hat:

“[...] Nearly everyone of the war generation remembers distinct photographs that seemed to capture moments of courage and sacrifice. Over time, those images blend together, but what

1142 Niemann, Sonja: Wahrhaftiger Schnipselverweigerer; Hans-Dieter Grabe hat über 60 Dokumentarfilme gedreht und sich nie von der Sensation der Bilder überrumpeln lassen. Nun geht er in Pension. Zum Abschied zeigt das Zweite ausgewählte Filme; in: Der Spiegel 20. März 2003, S. 18, im folgenden zitiert als Niemann: Wahrhafti- ger Schnipselverweigerer...,

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we “see” today as Pearl Harbor was not seen then – a strange case to understand for a television generation used to immediate scenes of events such as the 11 September 2001 attak on the World Trade Center. Sometimes, it took a while – day, months, years – for photographs to appear, though they now are linked close to the event itself. [...]”1143 Das wirkliche Ereignis, die Geschichte, wird bei diesem Vorgang „randomisiert“: Das Gedächt- nis – auch das kulturelle – arbeitet „(re-)konstruktiv“1144. Dies hat zur Folge, daß Teile des Ereig- nisses (über)betont werden, während andere Aspekte des gleichen Ereignisses der Vergessenheit anheim fallen. Daraus folgt dann eine kollektive Erinnerung an ein Ereignis, das vielleicht nie – so wie es erinnert wird – abgelaufen ist. Verschärft wird diese Situation noch durch den Um- stand, daß die „internen“ Zeitzeugen aus der Generation der Großeltern aussterben und Jugendli- che, die jetzt heranwachsen, nicht mehr an deren Erlebnissen teilhaben können. Diese Jugendli- chen lernen nur noch die Sichtweise der „externen“ Zeitzeugen, wie sie etwa in den Fernsehdo- kumentationen auftauchen, kennen und halten deren Darstellung für authentisch.

Wenn aber ein Großteil der Rezipienten diese „randomisierte“ Darstellung von Geschichte für authentisch hält, dann hat dies auch unmittelbar Auswirkung auf die Geschichtswissenschaft. Sie steht vor dem Problem, den eingängigen bewegten, immer wieder wiederholten Bildern nur die nüchternen Fakten in aufklärerischer Absicht – ohne alle Emotionalisierung – gegenüberstellen zu können. Tut sie dies aber, gerät sie in einen Konflikt mit der „Macht der Bilder“, den sie auf Dauer nur verlieren kann.

Wenn das wichtigste Kriterium für die Auswahl eines Zeitzeugen bzw. eines Themas nur noch die Atmosphäre in Verbindung mit Emotionalität und Authentizität ist, dann läuft das Medium Gefahr, ein Geschichtsbild zu entwerfen, das mehr durch „Events“, die für bestimmte Epochen und Ereignisse stehen, geprägt ist als durch eine wenigstens halbwegs den historischen Fakten entsprechende Darstellung, von Entwicklung und Prozeß gar nicht zu reden. Der bekannteste Vertreter dieser Darstellungsweise ist der Leiter der ZDF Redaktion Zeitgeschichte, Guido Knopp. Als Beispiel für das knoppsche Œuvre soll die von Guido Knopp verantwortete Sende- reihe „History – Mythen, Rätsel und Legenden“ dienen. Knopp und seine Redakteure wollen mit dieser Sendereihe die „Geschichten hinter der Geschichte“1145 erzählen. In der Sendung vom 4. November 2007 wurden die Ereignisse, die zum Fall der Berliner Mauer am 9. November 1989 führten, rekonstruiert – wie üblich mit der Hilfe von Zeitzeugen. In seiner Abmoderation erzählt Guido Knopp ein Erlebniss, seine (private) Geschichte, vom Fall der Mauer: Er begleitete den damaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker am 10. November auf einem Spaziergang durch Berlin. Auf dem damals noch zum Grenzgebiet gehörenden Potsdamer Platz näherte sich der Gruppe ein Offizier der DDR-Grenztruppen, machte vor dem Bundespräsidenten folgende Meldung: „Herr Bundespräsident, ich melde: keine besonderen Vorkommnisse.“1146 Dieser me- dienwirksamen Aussage läßt sich gegenüberstellen, wie Richard von Weizsäcker diese Begeben- heit in seiner Autobiographie „Vier Zeiten“ darstellt:

„[...] In der Stadt ging ich auf den Potsdamer Platz. Noch war es eine weite leere Fläche, von beiden Seiten durch Kontrollen bewacht. Ohne Begleitung überquerte ich vom Westen her eine Strecke von zweihundert Metern über den Platz in Richtung auf die andere Seite, wo die

1143 Hamm; Shaw; Daniel: American War Reporting, Vol. 6..., S. 16 1144 Wende, Waltraud 'Wara': Medienbilder und Geschichte - Zur Medialisierung des Holocaust; in: Wende, Wal- traud 'Wara' [Hrsg.]: Geschichte im Film. Mediale Inszenierungen des Holocaust und kulturelles Gedächtnis; Stuttgart, Weimar 2002, S. 8 – 30, hier S. 10, im folgenden zitiert als Wende: Medienbilder…, 1145 „“History” berichtet über spannende Ereignisse der Weltgeschichte und verbindet aktuelle Entwicklungen mit Hintergrundinformationen.“ Pressetext der ZDF-Pressestelle vom 25. Oktober 2000 1146 ZDF Sendung „History“ vom 4. November 2007, Sendezeit 23.30 Uhr.

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Baracke der Volkspolizei stand. Was würde nun passieren? Ein Wachkommando sah mich kommen und musterte mich mit dem Fernglas. Dann löste sich der Kommandoführer, ein Oberstleutnant, von seinem Trupp, ging auf mich zu, machte eine korrekte Ehrenbezeigung und sagte in ruhigem Ton: „Herr Bundespräsident, ich melde: keine besonderen Vorkommnisse.“ [...]“1147 Angesichts dieser Angaben ist es ziemlich unwahrscheinlich, daß Guido Knopp Zeuge dieser Be- gegnung war. Aus einer Entfernung von zweihundert Metern ist es nur sehr schwer möglich, eine solche Szene zu belauschen. Von daher kann vermutet werden, daß Guido Knopp diese Begeben- heit aus Richard von Weizsäckers Memoiren kennt und seine Person hinzugedichtet hat.

An und für sich ist der Versuch von Guido Knopp, sich selbst in die Geschichte – in die Ge- schichte des 9. Novembers zum einen und in die Lebensgeschichte Richard von Weizsäckers zum anderen – hineinzuschreiben, nicht weiter dramatisch. Bedenkt man aber die Tatsache, daß nun eine vollständige Kopie dieser Sendung im Archiv des ZDF liegt und so der knoppsche Ver- such der Umschreibung von Geschichte dort konserviert ist, wird die Tragweite dieser Art von Geschichtsschreibung deutlich: Durch die dem Medium Fernsehen immanente Tendenz zur Mehrfachverwertung von bereits im Archiv des Senders vorhandenem Material besteht die große Gefahr, daß jener Versuch Guido Knopps, sich zum Bestandteil der Geschichte des 9. November 1989 zu machen, auf lange Sicht Erfolg haben wird. Bedingt durch die immer höhere Geschwin- digkeit, mit der heute Beiträge für das Fernsehen produziert werden müssen, bleibt dem Redak- teur oftmals kaum noch die Zeit, Verfälschungen zu erkennen und deren immer weiter fortschrei- tende Perpetuierung im weiteren Produktionsprozess zu verhindern.

Verstärkt wird dieses Problem der dauerhaften Wiederverwertbarkeit von archiviertem TV-Mate- rial dadurch, daß gerade die – in zeitgeschichtlichen Dokumentationen so beliebten – Reenact- ments nicht als solche gekennzeichnet werden. Bei der Produktion von Beiträgen für aktuelle Redaktionen ist es in aller Regel ein Gebot der journalistischen Sorgfaltspflicht, Archivmaterial als solches kenntlich zu machen, um damit dem Zuschauer zu zeigen, daß es sich hierbei kein aktuelles Material handelt. Dieses Gebot wird meistens auch eingehalten. Bei zeitgeschichtlichen Dokumentationen aber fällt es selbst Fachleuten schwer, zwischen Archivmaterial und Neudrehs bzw. Reenactments zu unterscheiden, eine klar erkennbare Trennung von Archivmaterial und Neudrehs gibt es nicht. Auch die anstelle von Neudrehs oder Reenactments gerne eingesetzen, im Computer generierten Räume, sogenannte COMPUTER GENERATED IMAGES (CGI), sind fragwür- dig. Spiegeln sie doch dem Zuschauer mit ihrer technischen Perfektion die Illusion vor, direkt dabei zu sein. Martin Ordolff, langjähriger ZDF-Redakteur und Verfasser eines Buches über Fernsehjournalismus, beschreibt den Sinn und Verwendungszweck dieser CGI's wie folgt:

„[...] Die ZDF-Redaktion Zeitgeschichte erarbeitete eine sechsteilige Reihe mit dem Titel „Der verdammte Krieg“. Der Löwenanteil einer solchen Reihe besteht naturgemäß aus Archivmaterial und Interviews mit Zeitzeugen. Eine Folge beschäftigte sich mit den Vorgängen in Hitlers Führerbunker in Berlin. Doch verwertbare Fotos und Filmszenen, die einen Eindruck davon vermitteln könnten, wie die Räumlichkeiten beschaffen waren, gibt es nicht. Unsere Autoren behoben das Manko, indem sie die neue Technik nutzten: In der betreffenden Folge sah der Zuschauer Kamerafahrten durch virtuell erzeugte Räume und bekam eine Vorstellung davon, wie es im Bunker aussah. Das nicht Darstellbare, weil nicht Vorhandene zeigen zu können, war ein Informationsgewinn. Der Computer hat dazu beigetragen, einen Sachverhalt für den Zuschauer plastisch werden zu lassen und ihn so anschaulich zu vermitteln. [...]“1148

1147 Weizsäcker, Richard von: Vier Zeiten. Erinnerungen; Berlin 1997, hier S. 364; im folgenden zitiert als Weizsä- cker: Vier Zeiten...,

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Da historische Dokumentationen auch von Geschichtslehrern gerne für den Unterricht verwendet werden, den Schülern aber oftmals das notwendige kritisch-methodische Handwerkszeug fehlt, um mit diesen Dokumentationen umgehen zu können, fällt es dem akademischen Fach Ge- schichte oft schwer, mit seinen exakten, aber komplizierten Schlußfolgerungen im öffentlichen Diskurs dem Einwand „Das kam aber so im Fernsehen“ entgegenzutreten. In Anbetrachtder ge- genwärtigen Aufbereitung und Vermarktung historischer Epochen in den Medien, insbesondere der Themenfelder „Mittelalter“ und „Nationalsozialismus“ kann man zu dem Schluß kommen, daß Geschichte und die „Geschichten hinter der Geschichte“ – so der Pressetext zur ZDF-Sen- dung „History“ – immer populärer werden, während gleichzeitig die Geschichtswissenschaft im- mer weniger gefragt ist. Überspitzt formuliert: Geschichte wird immer populärer, während die wissenschaftliche Beschäftigung mit Geschichte immer unpopulärer und unbedeutender wird.

Der Trend zu weiterer „Boulevardisierung“ der Medien zeigt sich auch bei der Darstellung von Kriegen: Einzelschicksale stehen exemplarisch für die Erfahrung ganzer Generationen. Das ei- gentliche (historische) Geschehen – seine Ursachen, sein Verlauf und seine (Nach-)Wirkungen – rückt dadurch in den Hintergrund und wird immer unwichtiger, bis es zur historischen Nebensa- che wird. Paradoxerweise kommt aber diese beinahe ent-historisierte Darstellung gut beim Publi- kum an.

7.2 Krieg als Ereignis

Über den letzen großen Krieg, den amerikanischen Feldzug zur Befreiung des Irak im Jahre 2003, ist auf beinahe allen Kanälen intensiv berichtet worden. Durch die Rekrutierung von Ex- perten – meistens ehemalige Generäle und Admiräle – hoffte man, den Krieg anschaulich in die Wohnzimmer bringen zu können. Auch die Produktion ungezählter detaillierter Landkarten des Irak diente diesem Zweck. Wenn man so will, war dieser Krieg der bisherige Höhepunkt der „Eventisierung“ der Kriegsberichterstattung. Doch auch diese scheinbare intensive Berichterstat- tung konnte nicht verhindern, dass der Zuschauer über den Ablauf des Krieges immer weniger erfuhr.1149

In dem Maße aber, in dem die Berichterstattung über so etwas Grausames und Gewaltiges wie ein Krieg immer mehr zum Event wird, werden die Hintergründe der bewaffneten Auseinander- setzung zur unwichtigen Nebensache. Der Konsument erfährt also auch über die Ursachen weni- ger und kann sich – als interessierter Laie – nur schwer eine eigene Meinung bilden. Damit wird er für Propaganda aller Seiten anfällig und kann schließlich nicht mehr zwischen realen und fik- tionalen Kriegsgründen unterscheiden.

Nimmt man den jüngsten Krieg gegen den Irak als Beispiel, so wechselte die amerikanische Re- gierung das Begründungsmuster für diesen Krieg ganz nach Belieben und dem jeweiligen Sach- zwang. Stand zuerst der Schutz der Welt vor einem „wildgewordenen“ Diktator mit ABC-Waffen im Vordergrund, so wurde später der Öffentlichkeit eine angebliche Verbindung zur Terrororgani- sation Al-Kaida als Begründung präsentiert. Das große, ganze Bild eines Krieges ist so nicht zu

1148 Zitiert nach Ordolff, Martin: Grafische Visualisierung; in: Ordolff, Martin [Hrsg.]: Fernsehjournalismus (= Praktischer Journalismus Bd. 62); Konstanz 2005, S. 117 – 123, hier S. 119, im folgenden zitiert als Ordolff: Grafische Visualisierung..., 1149 Vgl.: Behr, M.: „Mehr Show als Wort“. Hans-Dieter Grabe über die Bilder vom Irak-Krieg; in: Frankfurter Rundschau 25. 02. 2004, S. 13, im folgenden zitiert als Behr: "Mehr Show als Wort"...,

Seite 286 “The Picture Survives” erhalten. Wenn aber das große, umfassende Bild fehlt, kommt es durch die eher fragmentarischen Informationen zu einem Bild von Krieg, das nur in Ansätzen dem tatsächlichen Geschehen ent- spricht. Da aber – bis die Akten zugänglich sind und dann die tatsächlichen Ereignisse rekonstru- iert werden können – die Medien das Bild des Krieges „zeichnen“, entsteht ein verzerrtes Bild, mit dem sich dann die Geschichtswissenschaft befassen muß. Dadurch, dass sich der Großteil der Historiker am liebsten auf Textquellen stützt, kommt es auch auf seiten dieser Disziplin zu einer die tatsächlichen Ereignisse verzerrenden Darstellung. Die Folgen für die Wissenschaft sind da- bei noch gar nicht absehbar – von Fragen der Analyse und Deutung über Ereignisse ganz zu schweigen.

7.2.1 Journalismus im Krieg

Über den letzen großen Krieg, den amerikanischen Feldzug zur Befreiung des Irak im Jahre 2003, ist auf beinahe allen Kanälen intensiv berichtet worden. Durch die Rekrutierung von Ex- perten – meistens ehemalige Generäle und Admiräle – hoffte man, den Krieg anschaulich in die Wohnzimmer bringen zu können. Auch die Produktion ungezählter detaillierter Landkarten des Irak diente diesem Zweck. Wenn man so will, war dieser Krieg der bisherige Höhepunkt der „Eventisierung“ der Kriegsberichterstattung. Doch auch diese scheinbare intensive Berichterstat- tung konnte nicht verhindern, dass der Zuschauer über den Ablauf des Krieges immer weniger erfuhr.1150

In dem Maße aber, in dem die Berichterstattung über so etwas Grausames und Gewaltiges wie ein Krieg immer mehr zum Event wird, werden die Hintergründe der bewaffneten Auseinander- setzung zur unwichtigen Nebensache. Der Konsument erfährt also auch über die Ursachen weni- ger und kann sich – als mündiger Bürger – nur schwer eine eigene Meinung bilden. Damit wird er für Propaganda aller Seiten anfällig und kann schließlich nicht mehr zwischen realen und fik- tionalen Kriegsgründen unterscheiden.

Nimmt man den jüngsten Krieg gegen den Irak als Beispiel, so wechselte die amerikanische Re- gierung das Begründungsmuster für diesen Krieg ganz nach Belieben und dem jeweiligen Sach- zwang. Stand zuerst der Schutz der Welt vor einem „wildgewordenen“ Diktator mit ABC-Waffen im Vordergrund, so wurde später der Öffentlichkeit eine angebliche Verbindung zur Terrororgani- sation Al-Kaida als Begründung präsentiert. Das große, ganze Bild eines Krieges ist so nicht zu erhalten. Wenn aber das große, umfassende Bild fehlt, kommt es durch die eher fragmentarischen Informationen zu einem Bild von Krieg, das nur in Ansätzen dem tatsächlichen Geschehen ent- spricht. Da aber – bis die Akten zugänglich sind und dann die tatsächlichen Ereignisse rekonstru- iert werden können – die Medien das Bild des Krieges „zeichnen“, entsteht ein verzerrtes Bild, mit dem sich dann die Geschichtswissenschaft befassen muß. Dadurch, dass sich der Großteil der Historiker am liebsten auf Textquellen stützt, kommt es auch auf seiten dieser Disziplin zu einer die tatsächlichen Ereignisse verzerrenden Darstellung. Die Folgen für die Wissenschaft sind da- bei noch gar nicht absehbar – von Fragen der Deutungshoheit über Ereignisse ganz zu schwei- gen.

Für den Journalismus hat sich auf den ersten Blick, so scheint es zumindest, kaum etwas geän- dert. Journalisten berichten nach wie vor aus Kriegs- und Krisengebieten. Sie tun dies in den

1150 Vgl.: Behr, M.: „Mehr Show als Wort“. Hans-Dieter Grabe über die Bilder vom Irak-Krieg; in: Frankfurter Rundschau 25. 02. 2004, S. 13, im folgenden zitiert als Behr: "Mehr Show als Wort"...,

Seite 287 “The Picture Survives” meisten Fällen extrem professionell und sind heute nicht mehr als zu früheren Zeiten der Gefahr ausgesetzt manipuliert zu werden. Doch dieser Schein ist extrem trügerisch. Der Journalismus ist heute Gefährdungen und Herausforderungen ausgesetzt, die drohen, die klassischen Aufgaben des Journalisten, zu recherchieren, sortieren und einzuordnen, überflüssig werden zu lassen. Wenn diese Aufgaben überflüssig werden, dann droht der Journalist nur noch zum reinen Liefe- ranten von „Content“, um den neudeutschen In-Begriff zu verwenden, für die Zeitungen, ihre cross-medialen Verbreitungs- und Vermarktungszweige und für das Internet zu werden. Dann aber ist er in seiner Funktion als Journalist eigentlich überflüssig geworden.

Bedingt durch die zahlreichen technischen Veränderungen der letzten Jahre steht das Berufsbild des Journalisten vor einem Wandel. War der Fernsehjournalist beispielsweise immer auf ein Team, bestehend aus Kameramann und Kamera- bzw. Tonassistent, dem sogenannten EB (Elek- tronische Berichterstattung)-Team, angewiesen, wollte er über etwas berichten, so ist diese eher- ne Regel in den letzten Jahren nicht mehr ganz so ehern wie noch vor drei oder vier Jahren. An die Stelle des TV-Teams ist oftmals der VJ, der Videojournalist, getreten, der – dank kleiner, kompakter und leistungsfähiger Kameras – in der Lage ist, seine Berichte selbst zu recherchie- ren, das Bildmaterial hierzu selbst zu drehen und später noch selbst auf dem Laptop zu schnei- den. Journalistisch gesehen bietet die Möglichkeit, einen Beitrag als VJ zu produzieren die Chan- ce, Personen in Situationen zu begleiten, in denen ein großes Team nur im Weg stehen würde. Auch dadurch, daß derjenige, der mit der Kamera begleitet wird, sich viel eher an eine Person, die ihn begleitet, gewöhnt als an ein ganzes Team, das mitsamt seinem umfangreichen Equip- ment in machen Situationen viel zu auffällig und zu hinderlich ist, ergeben sich vollkommen neue Möglichkeiten für Berichte bzw. Zugänge zu Geschichten.1151

Aber auch in Kriegs- und Konfliktsituationen kann der Einsatz als VJ lohnend sein, da hier eben- falls in machen Situationen große Teams eher hinderlich sind. Ferner fällt es den meisten Leuten, die im Kriegsgebiet begleitet werden, schwer, sich mit einer ganzen Personengruppe anzufreun- den statt nur mit einem einzelnen. Gleichzeitig fällt ein großes Team im Einsatz durch seine sper- rige Ausrüstung eher auf als jemand, der nur mit einer Kamera, die dazu noch klein und kompakt ist, im Einsatz ist. Mit dieser Kamera sind auch unbemerkte Aufnahmen eher möglich, als dies mit einer großen Schulterkamera der Fall ist. Hinzu kommt, daß das Gesichtsfeld des Kamera- mannes beim Einsatz einer Schulterkamera immer zur Hälfte durch den Sucher, durch den er bli- cken muß, verdeckt ist. Sabine Streich merkt in ihrem Buch über den Videojournalismus zu Recht an, daß der Kameramann quasi immer auf dem rechten Auge blind ist: „Der Blick durch den Sucher versperrt das Gesichtsfeld derart, daß man auf der rechten Seite blind wird. Das be- deutet, daß bildwichtige Geschehen und Gefahren auf der rechten Seite nicht erfaßt werden kön- nen.“1152 Hinzu kommt noch der Umstand, daß das auf diese Weise verengte Gesichtsfeld die Kommunikation mit den Personen vor der Kamera erschwert.

In der internen Konkurrenz um Geld und Sendeplätze kann „Ausland“ dann punkten, wenn sich dort ein Krieg mit westlicher Beteiligung abspielt. Auch das ist eine Form von „Geistiger Provin- zialisierung“, schließlich lassen sich die Konflikte, in denen sich westliche Länder militärisch engagieren, an einer Hand abzählen. Die Kriege oder Konflikte, die sich unter Ausschluß der Öffentlichkeit abspielen, sind hingegen kaum mehr zu zählen. Diese „vergessenen Kriege“ sind aber genauso grausam wie die Kriege, über die ausführlich berichtet wird. Die Frage aber, was berichtet wird, stellt sich in Zeiten zunehmender Informationslenkung immr mehr. In allen Krie-

1151 Vgl. http://www3.ndr.de/ndrtv_pages_std/0,3147,OID2952008,00.html (Letzter Zugriff 15. 07. 2008) 1152 Streich: Videojournalismus…, S. 15

Seite 288 “The Picture Survives” gen der jüngeren Zeit scheint sich eine Tendenz immer stärker herauszukristallisieren: Die Presse wird immer mehr zum Zaungast, dessen Arbeit je nach Belieben erschwert werden kann. Gerade in Kriegen, in denen eine Seite de facto im Besitz der Informationshoheit ist, ist dieses Phäno- men zu beobachten. Wer den Zugang zum Kriegsschauplatz kontrolliert, kontrolliert – so könnte eine Ergänzung zu den Regeln Humphries lauten – auch den Fluß der Informationen und damit direkt die Berichterstattung.

In diesem Zusammenhang ist auch das System der “Embedded Journalists” zu sehen. Als Reakti- on auf die massive Kritik am Pool-System des Golfkrieges von 1991 geschaffen, zeigte sich während des Irak-Krieges 2003 schon bald die andere Seite des “Embedding”: Das, was der Journalist vom Krieg sieht, erweist sich im Endeffekt als nichts anderes als die Mikroperspektive des Krieges, die so gut wie keine Rückschlüsse auf die tatsächliche strategische und taktische Lage zuläßt. Insofern entspricht das Gesehene, dem, was der Fahrer eines Schützenpanzers durch seine Sehschlitze von der Welt sieht. Dies hat zur Folge, daß der Journalist zwar den Krieg sieht, dies aber ein dermaßen kleiner Ausschnitt des Gesamtgeschehens ist, daß er daraus so gut wie keine Informationen herausdestillieren kann.

Trotzdem scheint es, wenn es um den Zugang zu bestimmten Teilen von Kriegsgebieten geht, keine Alternative zum „Embedding“ zu geben. In dem Maße, im dem ein Gebiet – wie aktuell in Afghanistan oder im Irak von Aufständischen kontrolliert wird, ist eine Berichterstattung meis- tens nur noch mit „eingebetteten“ Journalisten möglich. Ein Journalist ohne schwer bewaffnete militärische Eskorte ist in diesen Gebieten seines Lebens nicht mehr sicher, dies gilt ebenso für seine meist einheimischen Mitarbeiter, die zudem noch als Kollaborateure gebrandmarkt werden. In diesen Situationen ist das “Embedding”, trotz der vorher erwähnten Bedenken, die dagegen vorzubringen wären, tatsächlich die einzige Möglichkeit, überhaupt noch zu berichten.

Wesentlich kritischer zu sehen ist eine in Kriegs- und Krisengebieten gerne genutze Möglichkeit der Berichterstattung: das Herumreisen im Troß eines Ministers auf Informationsbesuch. Prinzi- piell sind solche Reisen eine gerne genutze Möglichkeit für Journalisten, den Repräsentanten der staatlichen Macht nahezukommen. Diese Repräsentanten bedienen sich gerne der Eitelkeit des einzelnen Journalisten. Hierbei gilt, daß derjenige Journalist, der öfters zu solchen Reisen einge- laden wird und sogar in der Maschine des Ministers mitreisen darf und nicht in der Pressema- schine – gewissermaßen in der politischen Holzklasse – sitzt, umso wichtiger für diesen Politiker ist. Erfahrene Journalisten wissen um diesen Umstand und können auch dementsprechend mit den so gewonnenen Informationen umgehen.

Gefährlich wird es selbst für erfahrene und gestandene Journalisten, wenn der Politiker, den sie begleiten, im Zielgebiet angekommen ist. Es ist sehr wahrscheinlich, daß dem hohen Besucher und mit ihm den Journalisten Projekte präsentiert werden, die nicht vorher auf Hochglanz ge- bracht worden sind. Die meisten lassen sich, beispielsweise von den Festungsanlagen in Dien Bien Phu oder den Wehrdörfern in Südvietnam, von dem Augenschein dermaßen blenden, daß sie darüber die Realitäten vollkommen ignorieren. Diese Art der Selbsthypnose durch Augen- schein läßt sich aber immer noch steigern. Wenn zum Beispiel der hohe Gast etwa die deutschen ISAF-Truppen1153 in Kundus besucht. Vorher ist nämlich das halbe dort stationierte Kontingent der Bundeswehr damit beschäftigt, das Feldlager in einen (re)präsentablen Zustand zu versetzen.

1153 ISAF = International Security Assistance Force

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Das, was dort inszeniert wird, erinnert an jene zum geflügelten Wort gewordenen Dörfer des Grafen Potemkin. Nicht umsonst haben diese Besuche bei den Soldaten die Bezeichnung “Mon- key Show”:

„[...] Der organisatorische Aufwand, der für diese Besucher getrieben wurde, war enorm. Zum Teil wurden Wege nur angelegt, damit die VIPs trockenen Fußes von A nach B kamen. Schon Wochen vorher ging der Stress los. Soldaten wurden zur Sicherung von Touren durch die Stadt abgestellt, man mußte schicke Präsentationen erstellen [...] Im Camp sprach man ganz offen von einer „Moneky-Show“, die da veranstaltet wurde. Dazu gehörte auch die Außendarstellung gegenüber der Presse, die zum Großteil aus „Show-Elementen“ bestand. Die Zugführer stöhnten schon auf, wenn sie hörten, dass Politiker, Presse oder hohe Militärs im Anmarsch seien, weil sie den ganzen Zirkus vorbereiten und mit veranstalten mussten. Es hieß dann schon mal: Ihr macht eine Befehlsausgabe für eine Patrouille, wenn wir – natürlich rein zufällig – durch das Camp gehen. Oft standen die Kameraden sehr lange untätig herum, bis diese Delegation endlich vorbeikam. Die Befehlsausgaben bei diesen Anlässen waren natürlich grundsätzlich „voll durchgestylt“, ähnelten einer Choreografie. Da wurden Flipcharts aufgestellt mit den allerneusten Erkenntnissen und einer Menge Fotos bis hin zu Satellitenaufnahmen. Die Soldaten standen herausgeputzt in Reihe vor dem Gruppen- oder Zugführer und lauschten andächtig (wenn sie nicht gerade damit kämpften, ihr Grinsen zu unterdrücken). [...]“1154 Natürlich mußte dies alles nach normalen „Lagerleben“ aussehen. Für die im Patrouillendienst eingesetzen Soldaten bedeutete dies aber stundenlang, im wahrsten Sinne des Wortes, Gewehr bei Fuß zu stehen, bis die hohen Gäste ganz zufällig an ihnen vorbeikamen, diese inszenierte Be- fehlsausgabe mitbekamen, sahen, wie die Soldaten auf ihre Fahrzeuge aufsaßen und durch das Lagertor davon fuhren. Was dann natürlich nicht mehr gezeigt wurde, war, wie diese „Show-Ein- heiten“ durch das rückwärtige Lagertor wieder hereinfuhren. Was den Gästen und auch der Pres- se natürlich ebenfalls nur zu gerne gezeigt wurde, waren die vielfältigen Wiederaufbauprojekte, die die Bundeswehr in der Umgebung ihrer Lager durchführte. Von der Wichtigkeit dieser Ein- sätze und dieses Engagements in einem dermaßen zerrütteten und geschundenen Land wie Af- ghanistan einmal abgesehen, ist die Botschaft der so zustande gekommenen Bilder klar: Die Bundeswehr befindet sich in Afghanistan nicht um zu kämpfen, sondern als Helfer beim Wieder- aufbau des Landes. Die Soldaten stellen lediglich eine Art „bewaffnetes THW“ dar. Wenn es sich die Bundeswehr aber leisten kann, als bewaffnete Wiederaufbauhelfer aufzutreten, dann, so die unterschwellige Botschaft der Bilder, ist die Präsenz der Bundeswehr in Afghanistan wichtig und sehr weit von einem Kampfeinsatz entfernt. Diese Botschaft ist natürlich auf die Heimat ge- münzt, da der Einsatz der Bundeswehr in der Gesellschaft nicht unumstritten ist und extrem kri- tisch begleitet wird.1155

Angesichts der Verbreitung dieser Bilder stellt sich die Frage, inwieweit die Medien hier der ein- gangs erwähnten Funktion als 4. Gewalt bzw. ihrer Wächterfunktion innerhalb der Gesellschaft nachkommen.

1154 Wohlgethan: Endstation Kabul…, S. 49 – 50 1155 Vgl. Afghanistan: Koalition spricht offen von Kampfeinsatz. Linke: „Kehren Sie um“; 24. Januar 2008 http://www.heu- te.de/ZDFheute/inhalt/18/0,3672,7151154,00.html (Letzter Zugriff 15. 07. 2008)

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8 Ausblick – Vom Überleben der Bilder

“[...] The Universal Soldier endures trough time – the unchanging agent of pillage, destruction, and death. He carries a torch, but not as a beacon to mankind, for he deals in fire and blood. He thrives in popular imagination, perpetuated by the fear of war itself. Song and art give him breath as the eternal, faceless killer. Even historians consecrate the universal soldier when they assert that only weapons and tactics have changed, not the men who have wielded them. [...]” John A. Lynn1156

In den letzten Jahren hat sich die Kriegsberichterstattung immer weiter professionalisiert. Lern- ten die Reporter, die über Vietnam berichteten, im allgemeinen die wichtigsten Überlebensregeln „on the job“, ist dies heute nicht mehr üblich. Bevor heute ein Reporter in einem Krisen- oder Kriegsgebiet tätig werden darf, muß er sich einem sogenannten „Krisentraining“ unterziehen. Dieses Training wird in der Regel von Streitkräften oder privaten Firmen1157 angeboten und durchgeführt. Die angehenden Kriegsreporter lernen, wie sie im Einsatz überleben und dabei noch berichten können. Ausbildungsinhalte sind unter anderem:

„[...] Demonstration der Wirkung von Waffen und Munition; Üben von Schutzmaßnahmen, beispielsweise Erkennen und Nutzen der vorhandenen Deckung; Erkennen und Vermeiden von Gefahren durch Minen und Sprengladungen; Verhalten bei Gefangennahme und Verhör; Verhalten bei Checkpoints; Erste-Hilfe-Maßnahmen; Zusammenarbeit zwischen Bundeswehr und Journalisten im Einsatzland; Übungen mit Karte und Kompass [...]“1158 Ohne dieses Training dürfen heute keine Journalisten, auch keine freien Journalisten, in Kriegs- gebiete fahren. Insofern sind die Bemühungen des Rory Peck Trusts1159, die Ausbildungssituation von Journalisten, die in Kriegsregionen arbeiten, zu verbessern, von Erfolg gekrönt. Damit war auch der Tod des britischen Kameramannes Rory Peck, der, für die ARD drehend, am 3. Oktober 1993 in den Gefechten am Moskauer Fernsehzentrum Ostankino von einer Kugel getroffen, verstarb, nicht ganz umsonst. An den oben zitierten Ausbildungsinhalten fällt der Punkt: „Zu- sammenarbeit zwischen Journalisten und Bundeswehr“ zunächst nicht weiter auf. Dabei spricht der Verfasser, das Bundesministerium der Verteidigung, einen höchst interessanten Punkt an. Was unverfänglich klingt, birgt aber in Wirklichkeit Stoff für Konflikte. Zum einen ist hierbei die Frage zu stellen, wer die Zusammenarbeit sucht. Zum anderen stellt sich die Frage, welche Seite von dieser Zusammenarbeit profitiert. Rory Peck hätte sich vermutlich gegen eine derart formu- lierte Zusammenarbeit gewehrt.

1156 Lynn, John A.: Battle. A History of Combat and Culture; Boulder / Colorado 2004, S. XIV, im folgenden zitiert als Lynn: Battle..., 1157 Die Mitarbeiter dieser Firmen rekrutieren sich in den meisten Fällen aus ehemaligen Soldaten 1158 http://www.bmvg.de/portal/a/bmvg/kcxml/04_Sj9SPykssy0xPLMnMz0vM0Y_QjzKLd4k38bAASYGZ - bub6kTCxoJRUfV-P_NxUfW_9AP2C3IhyR0dFRQB2Lq4O/delta/base64xml/L2dJQSEvUUt3QS80SVV- FLzZfRF80SDg!?yw_contentURL=%2FC1256F1200608B1B%2FW267AKHC766INFODE%2Fcontent.jsp (Letzter Zugriff 15. 07. 2008) 1159 Vgl. http://www.rorypecktrust.org/ (Letzter Zugriff 15. 07. 2008)

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Ein weiteres Problem, mit dem sich der Journalismus heute konfrontiert sieht, ist der immer grö- ßer werdende Zeitdruck, unter dem der einzelne Journalist steht. Hier hat sich der technische Fortschritt nicht zum Vorteil des Journalisten ausgewirkt. Konnte sich ein Korrespondent noch vor wenigen Jahren zwei oder drei Wochen auf Drehreise begeben, so ist dies heute kaum noch möglich. Der Korrespondent von heute muß – Segen oder Fluch moderner Kommunikationstech- nologie – immer erreichbar sein. Berichtet er aus einem Kriegsgebiet, dann kann er kaum noch selbst Stücke machen und Hintergründe recherchieren. Er wird in einer Situation, in der die Re- daktionen seines Heimatsenders unkoordniert Interviews mit ihm haben wollen, zu einer Art „Schalt-o-Mat“, der nur noch von einer Schaltung zu nächsten hetzt.1160 Ein gründliches Arbeiten ist unter solchen Bedingungen nicht mehr möglich. Daß der Informationsgehalt solcher Schalten für den Zuschauer oftmals angezweifelt werden darf, illustriert aber deutlich das Grundproblem: Durch die immer stärkere Belastung von Journalisten sowohl in den Redaktionen als auch im Auslandseinsatz kommt es aufgrund der immer dichteren Zeit- und Terminpläne zum zwanghaf- ten Abschreiben der Agenturmeldungen. Für eine Gegenrecherche bleibt oftmals keine Zeit mehr. Gerade im Auslandseinsatz kommt es aber auf eine solide Kenntnis von Land und Leuten an, eine Kenntnis, die den meisten „Parachute-Journalists“, also den Journalisten, die nur für die Berichterstattung über eine Katastrophe oder einen Krieg, eingeflogen werden, in den meisten Fällen fehlt. Überhaupt scheint die Beschäftigung mit dem „Ausland“ in den meisten Redaktio- nen, selbst den einschlägigen Fachredaktionen, nur noch Geschäft, aber keine Profession zu sein. In Zeiten, in denen in Redaktionen der Generalist gefragt ist, hat die solide Kenntnis eines Lan- des oder einer Region kaum noch eine Chance – Expertenwissen dieser Art ist im heutigen Me- dienbetrieb nicht mehr gefragt und wird lieber als externe Dienstleistung in Form von „Experten“ eingekauft. Die in immer mehr Redaktionen anzufindenden “Newsdesks”, an denen mehrere Redakteure die anfallenden Meldungen zu Nachrichten umarbeiten, trägt, da hier nur noch Generalisten, aber keine Spezialisten mehr sitzen, zu dieser Erosion von Kompetenz in der Auslandsberichterstattung bei. So kommt die langjährige Korrespondentin der ARD in Moskau und Paris, Sonia Mikich, zu der Schlußfolgerung, daß das „Ausland“ heute trivialisiert wird:

„[...] „Ausland“ muß knallen – dramatisch oder bunt. Viele Berichte wollen nicht relevant sein, sondern menscheln. Human-interest-Geschichten, die im Ausland spielen: das Drama der Familie Wallert [im Jahre 2000], der Absturz der Concorde [im Jahre 2000], Tunnelunglück in den Alpen [im Jahre 2000]. Human interest, am liebsten mit Bezug zu Deutschland: die deutschen Opfer. Der Deutschen Reiseziel. Die Kölner Krankenschwester, die in Afghanistan hilft. Ganze Erdteile kommen in ihrer Lebenswirklichkeit in der Berichterstattung nicht oder selten vor. Asien, Südamerika, Australien. Es sei denn, wir haben ein Flüchtlingsdrama (Australien), einen Bankrott (Argentinien), ein königliches Baby (Japan) als Aufhänger. [...]“1161 Ebenso wie es weder den “Universal Soldier” noch den “Universal Reporter” gibt, gibt es auch keinen universellen Krieg. Auch wenn Historiker dies immer wieder unterstellten, wenn sie an- nahmen, daß, wie John Lynn schreibt, sich nur die Waffen und Taktiken, nicht aber die Menschen verändert hätten, die diese Waffen benutzen. Das Trugbild vom „Universial Soldier“ zeigt aber auch, wie stark die Geschichtswissenschaft bestimmten Stereotypen verhaftet ist. Mit der Annah- 1160 Dies ist einer der Gründe, warum der langjährige ZDF-Korrespondent für die Länder Iran, Irak und Afghanistan, Ulrich Tilgner, zu Beginn des Jahres 2008 öffentlich ankündigte, seinen auslaufenden Vertrag mit dem ZDF nicht verlängern zu wollen. Vgl. Leyendecker, Hans; Keil, Christopher: Wundgerieben. ZDF-Nahost-Korre- spondent Ulrich Tilgner zweifelt an den journalistischen Methoden des Mainzer Senders. Mit Schröder habe der eingebettete Journalismus in Deutschland begonnen; in: http://www.sueddeutsche.de/kultur/artikel/605/155201/ (Letzter Zugriff 15. 07. 2008) 1161 Mikich, Sonia: Geistige Provinzialisierung. Eine Zustandsbeschreibung; in: Cippitelli, Claudia; Schwanebeck, Axel [Hrsg.]: Nur Krisen, Kriege, Katastrophen? Auslandsberichterstattung im deutschen Fersehen; München 2003, S. 117 – 127, hier S. 119; im folgenden zitiert als Mikich: Geistige Provinzialisierung…,

Seite 292 “The Picture Survives” me der Existenz eines „Universal Soldier“ oder „Universal Reporter“, deren übergreifende Typi- sierungsmerkmale an Hand von Einzeluntersuchungen bestätigt werden sollen, wird aber auch die Illusion eines universellen Krieges aufgebaut, den es so nie gegeben hat. Jeder Krieg hat sei- ne individuelle Vorgeschichte. Auch die Art und Weise, wie in einem Krieg gekämpft wird, un- terscheidet sich von Krieg zu Krieg. Jedoch sind gewisse Grundtendenzen festzustellen, die, ge- wissermaßen als Konstante, zur Veränderung des Krieges immer wieder beigetragen haben. Die wichtigste dieser Konstanten ist die immer weiter zunehmende Technisierung des Krieges. Hier- bei muß allerdings berücksichtigt werden, daß diese Technisierung des Krieges im Zeitalter des Globalen Krieges gegen den Terror nicht mehr die gleiche Wichtigkeit besitzt wie früher. Gegen einen nur mit leichten Waffen ausgerüsteten, aber hochmobilen Feind sind Marschflugkörper, Bombenteppiche und Panzer weitgehend wirkungslos. Hier wird das wichtig, was als “Network Centric Warfare” und „Transformation von Streitkräften“ bekannt geworden ist. Beide Begriffe kennzeichnen die Umwandlung von Armeen klassischer Ausprägung in hochtechnisierte, hoch- mobile und leicht zu verlegende Verbände.

Die meisten der hier behandelten Kriege und Konflikte fanden – mit Ausnahme des Zweiten Weltkrieges – weit von den Grenzen der USA und Großbritanniens entfernt statt. Daher können solche Kriege, die die Entsendung bewaffneter Kräfte an den Ort des Geschehens erfordern, als “Expeditionary Conflicts”1162 bezeichnet werden. Gleichzeitig hat sich die Kriegsführung an sich, seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges, vollkommen verändert. Das Zeitalter des „Totalen Krie- ges“ wurde vom Zeitalter des „begrenzten Krieges“ abgelöst, das wiederum von der derzeitigen Periode der „asymmetrischen Kriege“ gefolgt wird.

Die Frage, ob sich durch die Veränderung der Erscheinungsformen des Krieges auch die Bericht- erstattung verändert hat, ist nicht eindeutig zu beantworten. Auf der einen Seite wird immer mehr über Kriege und deren Folgen berichtet, der Zuschauer erfährt aber immer weniger über das Kriegsgeschehen. Auf der anderen Seite hat sich die Form der Kriegsberichterstattung in ihren Grundzügen kaum gewandelt. Die Veränderungen in der Berichterstattung haben sich vielmehr auf technischem Gebiet ergeben: Als Tendenz läßt sich hier konstatieren, daß die Möglichkeiten, über einen Krieg zu berichten, gewachsen sind. Dabei hat sich auch das Tempo der Berichterstat- tung verändert. Lag während des Krieges in Vietnam die Zeit, die von der Aufnahme der Bilder bis zur Ausstrahlung verging, bei ungefähr einer Woche, so ist heute beinahe der live-Bericht aus den entferntesten Winkeln der Erde zur Normalität geworden. Auch bei der photographischen Berichterstattung hat sich in den Jahren zwischen Vietnam und heute einiges geändert. Die Zeit, die vom Zeitpunkt der Aufnahme bis zur Entwicklung verging, lag in Vietnam noch bei knapp ei- nem Tag. Heute kann der Photograph, mit Laptop, genügend Strom für Handy und Laptop, und Mobilfunkverbindung vorausgesetzt, binnen weniger Minuten sein Bild vom Ort des Geschehens in die Heimatredaktion senden. Der Qualität der journalistischen Arbeit hat diese Beschleuni- gung in der Nachrichtenübermittlung jedoch nur bedingt gut getan. Dadurch, daß heute eher die Schnelligkeit in der Berichterstattung als die tiefgründige Recherche gefragt ist, besteht die Ge- fahr, daß dadurch Fakten übersehen werden, die für das Verständnis eines Krieges von enormer Wichtigkeit sein können. Wenn der Soldat in der öffentlichen Wahrnehmung immer wieder als “Universal Soldier”, als “unchanging agent of pillage, destruction and death”1163, gesehen wird, sollte es dann nicht auch Aufgabe der Medien sein, dieses Bild entweder zu relativieren oder die- ses zu untermauern? Dieses Bild kann aber nur in den seltensten Fällen relativiert werden, da die Sendeplätze für Berichte dieser Art in der Kriegsberichterstattung extrem knapp bemessen sind.

1162 Vgl. Young; Jesser: Media and the Military..., S. 158 1163 Lynn: Battle..., S. XIV

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Viel eher wird das Bild des “unchanging agent of pillage, destruction and death”1164 perpetuiert – jedesmal dann, wenn in den Medienberichten von Kriegsverbrechen die Rede ist. Insofern – hier ist John Lynn nicht zuzustimmen, der das Vorwort zu seinem Buch “Battle. A History of Combat and Culture” mit “Requiem for the Universal Soldier” überschrieb – erweist sich das Bild des universellen Soldaten als wirkungsmächtig und somit extrem überlebensfähig.

Wenn aber die intensive Recherche ein Opfer der schnellen Berichterstattung wird, dann stellt sich die Frage, inwieweit ein Reporter vor Ort überhaupt noch über das Wissen und die Zeit ver- fügt, die für eine, über eine reine Situationsbeschreibung hinausgehende Berichterstattung nötig sind. Betrachtet man Journalisten als „Historiker des Augenblicks“1165, die, dem Philosophen Ernst Bloch zufolge, im „Dunkel des gelebten Augenblicks“1166 zu agieren gezwungen sind, dann sind die Folgen, die sich daraus ergeben, weitreichend. Ein Journalist ist daher gezwungen, in das Ungewisse hinein zu schreiben, gleichzeitig soll seine Analyse aber tagespolitischen Bestand haben. Seine Schlußfolgerungen aber, die gegebenenfalls in großer Eile und Zeitnot entstanden sind, bilden den Grundstock an Material, über das sich die Öffentlichkeit ihr „Bild vom Kriege“ macht. Wenn sich aber in den Medien dieses Bild widerspiegelt, besteht auch die Möglichkeit, daß diese Berichte irgendwann von Historikern als Quellen herangezogen werden. Wenn aber dieses Quellenmaterial unter den oben geschilderten Umständen entstanden ist, dann könnte hier ein Bild der Ereignisse tradiert werden, das mit dem tatsächlich Geschehenen nicht mehr viel Ähnlichkeit hat.

Angesichts der aktuellen Halbwertszeiten gespeicherter Informationen stehen Journalismus und Geschichtswissenschaft ferner vor einem weiteren Problem: Bilder konnten bisher immer tradiert werden, da die Informationen, die letzlich das Bild ergeben, auf einem relativ stabilen Trägerme- dium, dem Film, als Negativ gespeichert waren. So lange dieses Negativ existiert, sind die Bild- information und der Zugang zu ihr jederzeit sichergestellt. Bei allen Verfahren, in denen die Bildinformation auf einem magnetischen Speichermedium, sei es ein Band, eine Festplatte oder eine Speicherkarte, gespeichert wird, besteht eine sehr große Gefahr des Verlusts dieser Daten. Ein Filmstreifen kann beinahe jederzeit und unter allen Bedingungen, nötigenfalls sogar mit dem menschlichen Auge als alleinigem Hilfsmittel, betrachtet werden. Sobald aber die Magnetschicht dieser Speichermedien nicht mehr intakt ist, oder aber das Medium nicht mehr ausgelesen wer- den kann, ist die Bildinformation beinahe unwiederbringlich verloren. Eine alternative, wenn auch nur noch selten praktizierte Form der Speicherung von historischen Informationen in Bil- dern soll an dieser Stelle zumindest angesprochen werden: die Schlachtenmalerei. Hierbei sind Maler in aller Regel Teil der kämpfenden Truppe und halten ihre Eindrücke in einem gemalten Bild fest.1167 Bei dieser Form der Speicherung von Bildinformationen, letztendlich also von Ein- drücken und Beobachtungen, ist allerdings zu berücksichtigen, daß diese Art und Weise der Dar- stellung von Krieg die subjektivste und für Propaganda anfälligste Form der Tradierung von Krieg ist.

1164 Lynn: Battle..., S. XIV 1165 Kittsteiner, H. D.: Im Dunkel des historischen Augenblicks. Joachim Fests Essays zu Politik und Geschichte nach dem Scheitern der Utopien; in: Neue Zürcher Zeitung, 8. Oktober 2007, S. SB 15 1166 Zitiert nach Kittsteiner, H. D.: Im Dunkel des historischen Augenblicks. Joachim Fests Essays zu Politik und Geschichte nach dem Scheitern der Utopien; in: Neue Zürcher Zeitung, 8. Oktober 2007, S. SB 15 1167 Siehe hierzu ausführlich Schmidt, Wolfgang: "Maler an der Front". Die Kriegsmaler der Wehrmacht und ihre Bilder von Kampf und Tod; in: Ionescu, Mihail E. [Hrsg.]: War, Military and Media from Gutenberg to Today (= Acta XIX. International Congress of Military History); Bucharest 2004, S. 249 – 255, im folgenden zitiert als Schmidt: "Maler an die Front"...,

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Auch wenn Kriegsberichterstattung vor dem Hintergrund einer immer größer werdenden Zahl von Kriegen und Konflikten nach wie vor notwendig ist, gehört die Kriegsberichterstattung doch zu den riskantesten journalistischen Berufen, die sich ergreifen lassen. Auffällig bei der Untersu- chung der verschiedenen in dieser Arbeit behandelten Kriege ist, daß der Beruf des Kriegsbe- richterstatters, obwohl das Berufsbild des Journalisten an sich längst keine Männerdomäne mehr ist, immer noch von Männern dominiert wird. Die wenigen Frauen, die als Kriegsberichterstatte- rinnen arbeiten, erfahren besondere Aufmerksamkeit und haben – paradoxerweise – den Status als Star der Branche inne. Auffallend ist, daß die Kriegsreporterinnen der frühen Jahre, die also während des Zweiten Weltkrieges und des Krieges in Vietnam tätig waren, in der Regel Fotogra- finnen waren und über den Krieg mit der Kamera fotografisch berichteten, während ihre heuti- gen Kolleginnen meistens als Reporterinnen für das Fernsehen tätig sind.

Zwangsläufig werden in Kriegszeiten Auslandskorrespondenten zu Kriegsberichterstattern. Ih- nen wird viel abverlangt: Objektive, neutrale Berichterstattung, Mitgefühl mit den Opfern, Be- rücksichtigung der Mentalität der Zuschauer, Einschätzung der Folgen des Krieges, die meist erst dann zu überschauen sind, wenn die Waffen schweigen. Wie risikoreich dieser Beruf ist, zeigen die Jahr für Jahr länger werdenden Listen von Journalisten, Photographen und Kameraleuten, die bei der Ausübung ihres Berufes ums Leben gekommen sind; wie einsam dieser Beruf machen kann, zeigt das Gedicht des britischen Journalisten :

“We spoke, we chose to speak of war and strife - A task a fine ambition sought - And some might say, who shared our work, our life: That praise was dearly bought. Most died by mischance. Some seemed honour-bound To take the lonely, peerless track Conceiving danger as a testing-ground To which they must go back. Drivers, interpreters, these were our friends. These we loved. These we were trusted by. The shocked hand wipes the blood across the lens. The lens looks to the sky. Till the dry tongue fell silent and they crossed Beyond the realm of time and fear. Death waved them through the checkpoint. They were lost.

James Fenton sprich an, was Kriegsberichterstattung beeinhaltet, verbalisiert und darstellt: Leben und Tod, grausame Wahrheiten und blutiges Geschehen, berührende Schicksale und gezeichnete Opfer, personifiziert in Bildern: The picture survives!

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9 Literatur und Quellenverzeichnis

9.1 Quellen

9.1.1 Edierte Quellen

• Akten zur Deutschen Auswärtigen Politik (ADAP), Serie D, Bd. VIII; • Nr. 31, Befehl des Führers, 8. September 1939

• International Military Tribunal (IMT), Bd. XXXVI • Dokument 405-EC, Bericht über die Zehnte Sitzung des Arbeitsausschusses des Reichsverteidigungsrates, 26. Juni 1935

• Foreign Relations of the United States (FRUS) • 1941, Vol. I; • S. 590, Ansprache des amerikanischen Präsidenten Franklin D. Roosevelt vor dem Kongress, die Kriegserklärung an Japan betreffend, 8. Dezember 1941

• 1945, Vol. II; • S. 101 – 109, Second Meeting of the Foreign Ministers, Thursday, July 19, 1945 • S. 116 – 137, Third Plenary Meeting, Thursday, July 19, 1945 • S. 1104 – 1154 , Conference Documents concerning Poland

• 1945, Vol. VI / B, • S. 1150 – 1151, Der Botschafter in der Sowjetunion (Harriman) an Außenminister Acheson, 27. Dezember 1945

• 1946, Vol. VI; • S. 696 – 709, The Chargé in the Soviet Union to the Secretary of State (“Long Telegram”)

• 1946, Vol. VIII; • S. 15, The Secretary of State to the Assistant Chief of the Division of Southeast Asian Affairs (Landon), Then at Saigon, January 28, 1946 • S. 15 – 20, Memorandum of Conversation, by Mr. Richard L. Sharp of the Division of Southeast Asian Affairs, January 30, 1946 • S. 23, The Secretary of State to the Ambassador in France (Caffrey), February 4, 1946 • S. 52 – 54, Memorandum by the Chief of the Division of Southeast Asian Affairs (Moffat) to the Director of the Office of Far Eastern Affairs (Vincent), August 9, 1946 • S. 61, The Acting Secretaty of State to the Consul at Saigon (Reed), October 9, 1946

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• S. 67 – 69, The Acting Secretary of State to the Consul at Saigon (Reed), December 5, 1946

• House of Commons Official Report, Parliamentary Debates (Hansard) Vol. 21, No. 92, Saturday 3. April 1982, Col. 633 – 668

• Hubatsch, Walther: Hitlers Weisungen für die Kriegsführung 1939 - 1945. Dokumente aus dem Oberkommando der Wehrmacht; Koblenz 19832 • Weisung 32, vom 11. 6. 1941, S. 129 - 134 • Weisung 32 b, vom 14. 07. 1941, S. 136 - 139

• Oberkommando der Kriegsmarine [Hrsg.]: Marine Dienstvorschrift Nr. 435/1, Seekriegsrechtliches Sammelheft, Heft 1, Prisenordnung mit Kommandantenanweisungen, Berlin 1940

• Roosevelt, Franklin D.: Development of United States Foreign Policy. Addresses and Messages; New York 1970

• Rede des amerikanischen Präsidenten Harry S. Truman vor dem Kongress, 12. März 1947, „Truman Doktrin“; in: Public Papers of the Presidents. Harry S. Truman 1947; Washington 1963, S. 176

• Schramm, Percy-Ernst; Jacobsen, Hans-Adolf: Kriegstagebuch des Oberkommandos der Wehrmacht – Wehrmachtsführungsstab –, Band 1, 1. August 1940 - 31. Dezember 1941; Frankfurt 19651168 • Eintragung vom 13. Juli 1941, S. 433

9.1.2 Gedruckte Quellen

• Altwegg, Jürg: Zweite Front. Zehn tote Soldaten: „Paris Match“ trifft ihre Mörder; in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 05. 09. 2008

• AP GmbH [Hrsg.]: AP Redaktionskomitee 2001; Frankfurt 2002

• Bates, Milton J.; et al. [Hrsg.]: Reporting Vietnam, American Journalism 1959 - 1975; New York 2000 • Arnett, Peter: Hill 875; S. 267 – 269 • Browne, Malcolm W.: “He was sitting in the center of a Column of Flame”, Suicide in Saigon: June 1963; S. 29 – 35 • Halberstam, David: “They can win a war if someone shows them how”, Profile of John Paul Vann: 1962 – 1964; S. 56 – 64 • Karnow, Stanley: The Fall of the House of Ngo Dinh, Overthrow of Diem: November 1963; S. 36 – 45 • O.A.: „Death at Intermission Time“, Time Magazine vom 20. Juli 1959, S. 1 – 2

• Bullion, Constanze von: Das Schema K. Nazi-Zeit, Kubakrise, 17. Juni: Der Fernsehhistoriker Guido Knopp macht unverändert Quote. Doch seine Mitarbeiter sehen sich in der Sackgasse; in: Tagesspiegel, 28. Mai 2003, S. 39

• Cole, Ronald H.: Operation Just Cause. The Planning and Execution of Joint Operations in 1168 Im Textg abgekürzt als KTB OKW

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Panama February 1988 – January 1990; Washington, D.C. 1995

• Cole, Ronald H.: Operation Urgent Fury. The Planning and Execution of Joint Operations in Grenada 12 October - 2 November 1983; Washington, D.C. 1997

• Doering, Martina: In den Schluchten des Krieges. Die Grenze zwischen Afghanistan und Pakistan verläuft durch eine unwegsame Bergregion. Sie ist schwer zu kontollieren. Das hilft den Taliban sehr; in: Berliner Zeitung, 3. April 2007

• Entwurf der Resolution der Generalversammlung der Vereinten Nationen, eingebracht von Bolivien, Chile, Cuba und Venezuela, die Frage der Falklandinseln / Malvinas betreffend vom 22. Juni 2001; Drucksache der Generalversammlung der Vereinten Nationen A/AC.109/2001/L.8

• O. A.: „Die letzten Stunden der Dschungelfestung. Das Ende von Dien Bien Phu / Der Weg in die Gefangenschaft“, basierend auf dem Material der Nachrichtenagentur AP; in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 10. 05. 1954, S. 3

• O. A.: „Dien Bien Phu gefallen. Nur das Außenwerk Isabelle kämpft noch“, basierend auf dem Material der Nachrichtenagenturen UP und AP vom 7. Mai 1954; in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 08. 05. 1954, S. 1

• Frere, Alex: Falklands War Reporters Cry Foul; in: United Press International, 29. Juli 1982

• Gabriel, Peter H.: Pilot Study of Press-Military Relationships in the Aftermath of Grenada; Alexandra / VA 1985

• Gordon, Michael R.: Pentagon to Aid the Press in Coverage of Combat; in: The New York Times; 21. März 1990

• Grimberg, Steffen; Denk, David: Der Tag geht, Kleber kommt; Heute vor 30 Jahren gingen „Tagesthemen“ und „heute-journal“ zum ersten Mal auf Sendung. Die Nachrichtenmagazine erklären die Welt – wem man lieber zuguckt, ist Geschmackssache, in: die tageszeitung, 2. Januar 2008, S. 17

• Hanley, Charles J.: Conflicting Reports Confuse Picture of Falklands War; in: The Associated Press, 5. May 1982

• Hauck, Stefan: „Ich bin Geschichtenerzähler – kein Geschichtslehrer!“; in: Bild am Sonntag, 18. 11. 2001, S. 38

• Ho Chi Minh: Declaration of Independece of the Democratic Republic of Viet-Nam. September 2, 1945; in: Fall, Bernhard B. [Hrsg.]: Ho Chi Minh. On Revolution – Selected Writings, 1920 – 1966; New York 1967, S. 143 – 1451169

• House of Commons Official Report, Parliamentary Debates (Hansard) Vol. 21, No. 92, Saturday 3. April 1982, Col. 633 – 668

• Jessen, Jens: Was macht Hitler so unwiderstehlich? Die Nazizeit wird zum Stoff für die Unterhaltungsindustrie und zum politischen Spielmaterial. Folge eines kollektiven Versämnisses; in: DIE ZEIT Nr. 40 / 2004, 23. 09. 2004

• Joint Pub 3-61, Doctrine for Public Affairs in Joint Operations, 14. Mai 1997

1169 Ebenfalls abgedruckt in Gettleman et al.: Vietnam and America..., S. 26 - 28

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• Joint Pub 3-61, Doctrine for Public Affairs in Joint Operations, 09. Mai 2005

• Keil, Christopher: Schnupper, schnupper; Harald Schmidt (ARD) moderiert mal das "heute- journal" (ZDF); in: Süddeutsche Zeitung, 19. April 2007, S. 16

• Kittsteiner, H. D.: Im Dunkel des historischen Augenblicks. Joachim Fests Essays zu Politik und Geschichte nach dem Scheitern der Utopien; in: Neue Zürcher Zeitung, 8. Oktober 2007, S. SB 15

• Klassen, Ralf: Staub vor der Linse; in: Süddeutsche Zeitung, 08. 01. 2002, S. 35

• Kramp, Leif; Weichert, Stefan: Journalismus in der Berliner Republik – Wer prägt die politische Agenda in der Bundeshauptstadt; Wiesbaden 2008

• Lauterbach, Jörn: Der mediale Umgang mit dem Terror. Fernsehsender werfen Programm komplett um - Rekordauflagen bei Zeitungen; in: Die Welt, 13.September 2001, S. 35

• Leyendecker, Hans: Änderung der Änderung; Die Sprunghaftigkeit der ARD-Hierarchen macht ratlos; in: Süddeutsche Zeitung, 5. April 2007, S. 17

• Mine, Douglas Grant: Argentine Soldier tells of Hunger Among Falklands Troops; in: The Associated Press, 10. Juli 1882

• The New York Times • 2008 • The Associated Press: McClellan says he believed in Bush as war started; 30. Mai 2008 • Stolberg, Sheryl Gay: Ex-Aide Turns Critic; Chorus Strikes Back; 29. Mai 2008 • Stelter, Brian: Was Press a War 'enabler'? 2 Offer a Nod from Inside; 30. Mai 2008 • Bush Linkens Iraq to World War II; 29. May 2008 • Barstow, David: Behind TV Analysts, Pentagon's Hidden Hand; 20. 04. 2008 • 2003 • Marquis, Christopher: A Nation at War: The Pentagon Spokeswomen. News Media Access brings Chorus of Criticism and Queries; 3. April 2003, S. 12

• 2001 • Barringer, Felicity; Fabrikant, Geraldine: A DAY OF TERROR: THE MEDIA. As an Attack Unfolds, A Struggle to Provide Vivid Images to Homes; in: The New York Times, 12. September 2001

• 1991 • Deparle. Jason: After the War. Long Series of Military Decisions Led to Gulf War News Censorship; 5. Mai 1991 • Browne, Malcom W.: War in the Gulf: The Press. Conflicting Censorship Upsets Many Journalists; 21. Januar • Gordon; Michael R.: Confrontation in the Gulf. Pentagon Seeks Tight Limits On Reporters in a Gulf War; 4. Januar 1991

• 1990 • The Associated Press: Confrontation in the Gulf. Military Drops Gulf Press

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Pool; 27. August 1990 • Friedman, Thomas L.: Power Grab. Iraq Makes Its Bid to Run the Show in the Middle East; in: The New York Times, 5. August 1990 • Gordon; Michael R.: Confrontation in the Gulf. The Press Corps in the Desert: Lots of Sweat but Little News; 28. August 1990

• 1989 • Lohr, Steve: Moscow's Millions of Deadly Seeds. Afghan Mines; in: The New York Times, 2. März 1989

• 1982 • O. A.: Argentina Seizes Falkland Islands; British Ships Move; in: The New York Times, 3. April 1982, S. 1 • O. A.: Islands' Communications Cut; in: The New York Times, 3. April 1982, S. 6 • O. A.: Falklands Conflict May Test the New Royal Navy; in: The New York Times, 3. April 1982, S. 6

• 1944 • O. A.: Army Bars Article Judging M'Arthur. Refuses to Pass for Harper's a Criticism Written by Briton Who Was Long in Australia; in: The New York Times, 04. Mai 1944

• O. A.: Charter of the United Nations vom 26. Juni 1945

• O. A.: Meldung der Nachrichtenagentur United Press vom 8. Mai 1954, zitiert nach „Das Ende des Widerstandes in der Dschungelfestung“; in: Neue Zürcher Zeitung vom 10. Mai 1954, Morgenausgabe, S. 2

• O. A.: Telephonischer Bericht des NZZ-Korrespondenten in Paris „Die Niederlage von Dien Bien Phu“ vom 9. Mai 1954; in: Neuen Zürcher Zeitung vom 10. Mai 1954, Morgenausgabe, S. 1 – 2

• O. A.: „Die letzten Stunden der Dschungelfestung. Das Ende von Dien Bien Phu / Der Weg in die Gefangenschaft“, basierend auf dem Material der Nachrichtenagentur AP; in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 10. 05. 1954, S. 3

• O. A.: „Dien Bien Phu gefallen. Nur das Außenwerk Isabelle kämpft noch“, basierend auf dem Material der Nachrichtenagenturen UP und AP vom 7. Mai 1954; in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 08. 05. 1954, S. 1

• OKW [Hrsg.]: Die Wehrmacht. Der Freiheitskampf des großdeutschen Volkes; Berlin 1940, S. 312

• Protokoll der Konferenz von Potsdam; entnommen aus Department of State [Hrsg.]: Germany 1947 – 1949. The Story in Documents; Washington 1950, S. 47 – 57

• Rede Winston Churchills am Westminster College in Fulton / Missouri „The sinews of peace”, 5. März 1946; in: Gilbert, Martin: Winston S. Churchill, Vol. VIII, Never dispair 1945 – 1965; London 1988, S. 197 – 203

• Resolution 2065 (XX) der Generalversammlung der Vereinten Nationen die Frage der Falklandinseln / Malvinas betreffend vom 16. Dezember 1965

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• Resolution 502 des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen vom 3. April 1982

• Ruhrmann, Georg; Göbbel, Roland: Veränderung der Nachrichtenfaktoren und Auswirkungen auf die journalistische Praxis in Deutschland. Abschlussbericht für netzwerk recherche e.V.; Wiesbaden 2007

• Staatsvertrag für Rundfunk und Telemedien (Rundfunkstaatsvertrag) vom 31. August 1991, in der Fassung des Neunten Staatsvertrages zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge (Neunter Rundfunkänderungsstaatsvertrag) in Kraft seit 1. März 2007

• Gettleman, Marvin E. et al. [Hrsg.]: Vietnam and America. A Documented History; New York 19952: • Schreiben des State Departments an Botschafter Henry Cabot Lodge in Saigon vom 24. August 1963; S. 225 – 226 • Schreiben des amerikanischen Botschafters in Saigon Henry Cabot Logde an Außenminister Dean Rusk vom 29. August 1963; S. 227 • Joint Resolution of Congress H.J. RES 1445: “Tonking Gulf Resolution”. To Promote the Maintenance of International Peace and Security in Southeast Asia vom 7. August 1964; S. 252 • Rede des amerikanischen Präsidenten Lyndon B. Johnson an die amerikanische Nation über „Peace in Vietnam and Southeast Asia“ vom 31. März 1968; S. 401 – 409 • Rede des amerikanischen Präsidenten Richard Milhouse Nixon über die „Vietnamisierung“ des Krieges in Vietnam vom 3. November 1969; S. 436 – 445

9 • Scholl-Latour, Peter: Der Tod im Reisfeld. 30 Jahre Krieg in Indochina; Stuttgart 1980

• Siepmann, Julia: Eine Journalistin, so bunt und ehrlich wie ihr Kiez; Dunja Hayali – das neue Gesicht des ZDF; in: Welt am Sonntag, 17. Juni 2007, S. B 3

• Special Committee on the Situation with regard to the Implementation of the Declaration on the Granting of Independence to Colonial Countries and Peoples: Falkland Islands (Malvinas). Working Paper prepared by the Secretariat; Drucksache der Generalversammlung der Vereinten Nationen A/AC.109/2006/17, 11. April 2006

1170 • Der Spiegel • 1997 • O.A.: „Mehr Stalin als Hitler“. Interview mit dem Historiker und Saddam- Hussein-Biographen Efraim Karsh über Obsessionen und Ängste des Diktators; 46 / 1997, S. 164 – 165

• 1992 • Schwarzkopf, Norman: „Wir brauchen Killer-Instinkt“. US-General Norman Schwarzkopf über den Golfkrieg (III): Die 100 Stunden der Bodenoffensive; 41 / 1992, S. 180 – 193 • Schwarzkopf, Norman: „Wir brauchen Killer-Instinkt“. US-General Norman Schwarzkopf über den Golfkrieg (II): Die Luftoffensive gegen den Irak; 40 / 1992, S. 172 – 181 • Schwarzkopf, Norman: „Wir brauchen Killer-Instinkt“. US-General Norman

1170 Ungezeichnete Artikel sind nach Auskunft der Zeitschrift „Der Spiegel“ vom 23. Juni 2008 (vgl. Anhang) bis zum Herbst 1998 eher die Regel denn die Ausnahme.

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Schwarzkopf über den Golfkrieg (I): Der Aufmarsch in der Wüste; 39 / 1992, S. 193 – 200

• 1991 • Augustein, Rudolf: Kein Hitler; 19 / 1991, S. 160 • O.A.: „Vietnam mit gutem Ende“. Saddam Hussein vernichtend geschlagen, George Bush als Held des Wüstenkriegs - die USA haben bewiesen, daß sie die einzige Supermacht sind, die als Weltgendarm überall intervenieren kann. Gelingt es Präsident Bush, aus dem militärischen Triumph einen historischen Frieden für die Nahost-Region zu machen?; 10 / 1991, S. 158 - 164

• 1990 • O.A.: „Er hat ja noch so viele“. Saddam Husseins Spiel mit den Geiseln; 46 / 1990, S. 22 – 23 • O.A.: „Da muß noch was drauf“. Groß ist die Erleichterung, daß Willy Brandt mit 175 Geiseln aus Bagdad zurückkehrte. Doch die großen Erwartungen, die er selber in seine Friedensmission gesetzt hatte, erfüllten sich nicht. Saddam Hussein trieb auch mit ihm sein böses Spiel. In Bonn löste der Teilerfolg Brandts Bedauern und Schadenfreude zugleich aus; 46 / 1990, S. 18 – 25 • Augstein, Rudolf: Sterben für Kuweit?; 46 / 1990, S. 21 • O.A.: Keine Möwe entgeht dem Radar. Die Materialschlacht der Amerikaner am Golf; 33 / 190, S. 121 • O.A.: „Auge in Auge mit dem Feind“. Die Vormacht des Westens gegen die stärkste Militärmacht der Araber: Mit notfalls 250 000 Mann will US- Präsident Bush dem irakischen Aggressor Saddam Hussein seine Beute Kuweit wieder entreißen. Doch der Aufmarsch am Golf birgt schwere Risiken: Der skrupellose Diktator könnte auch gegen die Amerikaner Giftgas einsetzen, 33 / 1990, S. 118 – 126 • O.A.: „Gefährlichster Mann der Welt“. Schon zum zweitenmal binnen zehn Jahren überzog Saddam Hussein, Iraks blutrünstiger Tyrann, einen Nachbarn mit Krieg. In brutalem Handstreich überrannte seine Millionen-Armee das kleine superreiche Emirat Kuweit und machte damit den waffenstarrenden Kriegstreiber zum zweitgrößten Ölherrn der arabischen Welt; 32 / 1990, S. 112 – 121 • O.A.: „Die Kehle durchschneiden“. Iraks Diktator Saddam Hussein, dem Größenwahn verfallen, spielte wieder mit Krieg: Er drohte das benachbarte Kuweit anzugreifen, falls sich die dortigen Ölscheichs nicht seinem Willen beugten. Im Nahen Osten löste Saddam Hussein Panik aus. Er verfügt über C- Waffen, die er schon im Golfkrieg skrupellos einsetzte; 31 / 1990, S. 102 – 103

• 1982 • O. A.: Kalter Stahl. Die Massenblätter ließen sich vom Falkland-Krieg zu hysterischem Patriotismus anspornen. Wer nicht mitmacht ist ein Verräter; in: Der Spiegel 20 / 17. Mai 1982, S. 134 – 135 • Tieschky, Claudia; Keil, Christopher: „Am Ende steht für mich Erkenntnisgewinn“; Gespräch mit der neuen „Tagesthemen“-Moderatorin Caren Miosga über Respekt, Nadelstreifen und Tom Buhrow; in: Süddeutsche Zeitung, 7. Juli 2007, S. 23

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9.1.3 Ungedruckte Quellen

• American Journalism Review • January / February 2002 • Ricchiardi, Susan: A Killing Field for Journalists. The war in Afghanistan – a land of gun-toting gangs and no central government or police force – is one of the most dangerous reporting assignments in modern times; Januar / Februar 2002 http://www.ajr.org/Article.asp?id=2398 (Letzter Zugriff 15. 07. 2008)

• December 2001 • Baker, Peter: Northern Exposure. A Washington Post correspondent traveling with the Northern Alliance finds covering the early days of the war against the Taliban to be part Hemingway, part Evelyn Waugh satire; December 2001 http://www.ajr.org/Article.asp?id=2352 (Letzter Zugriff 15. 07. 2008) • Kirtley, Jane: News or Propaganda? Broadcasters who agreed to edit the bin Laden tapes should also be skeptical of U.S. government information; Dezember 2001 http://www.ajr.org/Article.asp?id=2364 (Letzter Zugriff 15. 07. 2008) • Wenner, Kathryn S.: Getting the Picture.Television photojournalists shot dramatic footage at the bombed-out Pentagon. They were capturing history. They know they will pay an emotional price; Oktober 2001 http://www.ajr.org/Article.asp?id=2195 (Letzter Zugriff 15. 07. 2008)

• November 2001 • Kirtley, Jane: Waving the Flag. The press must maintain its watchdog role in wartime; November 2001 http://www.ajr.org/article_printable.asp?id=2383 (Letzter Zugriff 15. 07. 2008) • Ricchiardi, Sherry: ASSIGNMENT: Afghanistan. Journalists reporting from the front lines in one of the world’s harshest landscapes encounter no shortage of obstacles and dangers; November 2001 http://www.ajr.org/article_printable.asp?id=2374 (Letzter Zugriff 15. 07. 2008) • Robertson, Lori: Anchoring the Nation. The network anchors are far more than journalists during times of national crisis. As they reassure the public, they play the roles, consciously or not, of minister, counselor, leader—which can make it tricky when they have to once again raise tough questions about government policy; November 2001 http://www.ajr.org/article_printable.asp? id=2385 (Letzter Zugriff 15. 07. 2008) • Wassermann, Elizabeth: The Videophone War. The new technology enabled television photographers to provide viewers with a closer look at the early days of the fighting in Afghanistan. That look, however, wasn’t crystal clear; November 2001 http://www.ajr.org/article_printable.asp?id=2780 (Letzter Zugriff 15. 07. 2008) • October 2001 • Robertson, Lori: “We have a breaking story...”. The trauma of September 11 began unfolding for many Americans on the network morning shows; October 2001 http://www.ajr.org/article_printable.asp? id=49 (Letzter Zugriff 15. 07. 2008)

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• Bock, Caroline: „God Bless America“ - Musik in Zeiten des Terrors; in: dpa – Basisdienst, 25. 09. 2001, 14:45 Uhr (dpa 0332)

• Bouhs, Daniel: „Nur noch selten prime-time-fähig“; in: Frankfurter Rundschau, 14. April 2008, http://www.fr-online.de/in_und_ausland/kultur_und_medien/medien/? sid=ffb60c6382a38607ad43d9699a71132d&em_cnt=1318319 (Letzter Zugriff 15. 07. 2008)

• Bouhs, Daniel: Wer weiß, wie die Wirklichkeit wirklich ist. Eine zunehmende Zahl von Korrespondenten von ARD und ZDF kritisiert die Redaktionen in den Zentralen; in: Frankfurter Rundschau ,07. April 2008, http://www.fr- online.de/in_und_ausland/kultur_und_medien/medien/?em_cnt=1314800 (Letzter Zugriff 15. 07. 2008)

• Buzbee, Sally: Starke Militärpräsenz der USA am Persischen Golf. Flugzeugträger, Cruise Missiles und 25.000 Soldaten – Zusätzliche Kräfte in der Türkei – Moskau unbekannte Größe; in: The Associated Press 16. September 2001

• Buzbee, Sally: If Bush decides to attack Iraq, the strike could be sudden; in: The Associated Press, 10. Juli 2002

• Cold War International History Project, CWIHP (www.cwihp.org) 1171 • DECREE of the Secretariat of the CC CPSU - An Appeal to the Leaders of the PDPA1172 Groups “Parcham” and “Khalq”, 08 January 1974 • The Delivery of Special Equipment to the DRA, CC CPSU Politburo meeting, 21 April 1978 • Political Letter from USSR Ambassador to Afghanistan A. Puzahnov to Soviet Foreign Ministry, “About the Domestic Political Situation in the DRA” (notes), 31 May 1978 • CWIHP [Hrsg.]: Documents on the Soviet Invasion of Afghanistan (e-Dossier (4)) • Tagungsprotokoll der außerordentlichen Sitzung des ZK-KpdSU vom 17. 03. 1979, S. 31 – 35 • Tagungsprotokoll der außerordentlichen Sitzung des ZK-KpdSU vom 18. 03. 1979, S. 35 – 37 • Tagungsprotokoll der ordentlichen Sitzung des ZK-KpdSU vom 19. 03. 1979, S. 37 – 40 • Entscheidung des ZK-KPdSU vom 18. 03. 1979 betreffs Afghanistan, S. 40 • Gesprächsnotiz einer Unterredung zwischen dem sowjetischen Botschafter in Afghanistan, A. M. Puzahnov, und Hafizullah Amin vom 21. Juli 1979, S. 48 • Gesprächsnotiz einer Unterredung des Kommandeurs der sowjetischen Militärberatergruppe in Afghanistan, Generalleutnant Gerolov, mit Hafizullah Amin vom 11. August 1979, S. 48 – 49 • Bericht des stellvertretenden sowjetischen Verteidigungministers General des Heeres Ivan Pavlovskii während seines Besuchs in Afghanistan, 25. August 1979, S. 49 • Entscheidung des Politbüros des ZK der KPdSU (Auszüge) vom 13. September 1979, S. 49 • Entscheidung des Politbüros der ZK der KPdSU mit Berichten von Gromyko,

1171 CC CPSU = Central Comittee Communist Party Soviet Union = ZK der KPdSU 1172 PDPA = Peoples Democratic Party Afghanistan

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• O.A.: Vier Tote und ein gläsernes Grab. Fast 40 Jahre nach ihrem Tod finden vier Fotoreporter des Vietnam-Krieges eine letzte symbolische Ruhestätte – in einem spektakulären Museum, mit dem die US-Medienbranche sich und dem Journalismus ein Denkmal setzen will; in: http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/0,1518,544906,00.html (Letzer Zugriff 15. 07. 2008)

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• Gerhard Paul, Die Geschichte hinter dem Foto. Authentizität, Ikonisierung und Überschreibung eines Bildes aus dem Vietnamkrieg; in: Zeithistorische Forschungen / Studies in Contemporary History, Online-Ausgabe, 2 (2005), H. 2, http://www.zeithistorische- forschungen.de/16126041-Paul-2-2005 (Letzter Zugriff 15. 07. 2008)

• Pew Research Center for the People & the Press • American Psyche Reeling From Terror Attacks, 19. September 2001 http://people- press.org/reports/print.php3?ReportID=3 (Letzter Zugriff 15. 07. 2008) • Bush Engages and Persuades Public on Iraq. Congressional Horse Race: Continued Deadlock, 19. September 2002 http://people- press.org/reports/print.php3? ReportID=161 (Letzter Zugriff 15. 07. 2008) • Support for Potential Military Action Slips to 55%. Party Images Unchanged With a Week to Go, 30. Oktober 2002 http://people- press.org/reports/print.php3? ReportID=163 (Letzter Zugriff 15. 07. 2008) • TV Combat Fatigue on the Rise. But 'Embeds' Viewed Favorably, 28. März 2003 http://people-press.org/reports/print.php3?ReportID=178 (Letzter Zugriff 15. 07. 2008)

• Pressemitteilungen des White House: • Jahr 2008 • President Bush Attends Arlington National Cemetery Memorial Day Commemoration, vom 26. Mai 2008

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• Jahr 2003 • President Bush Announces Major Combat Operations in Iraq Have Ended. Remarks by the President from the USS Abraham Lincoln. At Sea Off the Coast of San Diego, California, vom 1. Mai 2003; in: http://www.whitehouse.gov/news/releases/2003/05/20030501-15.html (Letzter Zugriff 15. 07. 2008) • President Salutes Sailors at Naval Station Mayport in Jacksonville. Remarks by the President at Naval Station Mayport, Jacksonville, Florida vom 13. Februar 2003; in: http://www.whitehouse.gov/news/releases/2003/02/print/20030213-3.ht ml (Letzter Zugriff 15. 07. 2008)

• Jahr 2002 • President's Remarks at the United Nations General Assembly vom 12. September 2002; in: http://www.whitehouse.gov/news/releases/2002/09/print/ 20020912-1.ht ml (Letzter Zugriff 15. 07. 2008) • A Decade of Deception and Defiance. Saddam Hussein's Defiance of the United Nations. September 12, 2002 http://www.whitehouse.gov/news/releases/2002/09/iraqdecade.pdf (Letzter Zugriff 15. 07. 2008)

• Jahr 2001 • Statement by the President in His Address to the Nation vom 11. September 2001; in: http://www.whitehouse.gov/news/releases/2001/09/print/20010911- 16.h tml (Letzter Zugriff 15. 07. 2008) • Remarks by the President After Two Planes Crash Into World Trade Center, vom 11. September 2001; in: http://www.whitehouse.gov/news/ releases/2001/09/print/20010911.html (Letzter Zugriff 15. 07. 2008) • Remarks by the President Upon Arrival at Barksdale Air Force Base vom 11. September 2001; in: http://www.whitehouse.gov/news/releases/2001/09/print/ 20010911-1.ht ml (Letzter Zugriff 15. 07. 2008)

• Public Affairs Guidance (PAG) On Embedding Media During Possible Future Operations /Deployments In The U.S. Central Command’s Area Of Responsibility, 28. Februar 2003, in: http://www.defenselink.mil/news/Feb2003/d20030228pag.pdf (Letzter Zugriff 15.07.2008)

• Pyle, Richard: After 63 Years, Death Photo of Famed WWII Reporter Ernie Pyle Surfaces; in: http://www.digitaljournalist.org/issue0802/after-63-years-death- photo-of-famed-wwii- reporter-ernie-pyle-surfaces.html (Letzter Zugriff 15. 07. 2008)

• Shear, Michael D.: Ex-Aide Writes That Bush Misled U.S. On Iraq, in: Washingtonpost 28. Mai 2008 http://www.washingtonpost.com/wp- dyn/content/article/2008/05/27/AR2008052703679_pf.html (Letzter Zugriff 15. 07. 2008)

• Sietz, Henning: Der Krieg, der nicht zu gewinnen war. Die Intervention der Sowjets in Afghanistan 1979 führte ins totale Desaster; in: Die Zeit 40 / 2001 http://www.zeit.de/ zeitlaeufte/sietz_afghanistan (Letzter Zugriff 15. 07. 2008)

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• Starke, Anna: Die neue Quoten-Frau. So nett, so seriös: Die "Tagesschau"-Sprecher haben eine neue Kollegin. Mit Judith Rakers um 20 Uhr versucht die ARD zum Urmodell nachrichtlich-femininer Ernsthaftigkeit zurückzukehren; in: http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/0,1518,542299,00.html (Letzter Zugriff 15. 07. 2008)

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• Wans, Simone: Star wider Willen. ZDF-Mitarbeiterin Julie von Kessel war am 11. September die erste deutsche Fernsehreporterin am Unglücksort; in: Berliner Zeitung, 11. September 2002 http:// www.berlinonline.de/berliner- zeitung/archiv/.bin/dump.fcgi/2002/0911/medien/0014/index.html (Letzter Zugriff 15. 07. 2008)

• Zweites Deutsches Fernsehen, Redaktion „heute.de“ • Bundeswehr prüft Kampfeinsatz in Nordafghanistan. NATO sucht Ersatz für norwegische Einsatztruppe; 16. Januar 2008 http://www.heute.de/ZDFheute/inhalt/12/0,3672,7148972,00.html (Letzter Zugriff 15. 07. 2008) • Berlin schickt Kampftruppe nach Afghanistan. Jung lehnt Einsatz im Süden weiter ab; 6. Februar 2008 http://www.heute.de/ZDFheute/inhalt/14/0,3672,7156526,00.html (Letzter Zugriff 15. 07. 2008) • Bis Oktober keine weiteren Truppen nach Afghanistan. Verteidigungsminister: Keine Ausweitung des Mandats in den gefährlichen Süden; 9. Februar 2008 http://www.heute.de/ ZDFheute/inhalt/25/0,3672,7157593,00.html (Letzter Zugriff 15. 07. 2008) • Afghanistan: Koalition spricht offen von Kampfeinsatz. Linke: „Kehren Sie um“; 24. Januar 2008 http://www.heute.de/ZDFheute/inhalt/18/0,3672,7151154,00.html (Letzter Zugriff 15. 07. 2008)

9.1.4 Bildquellen

• Alabiso, Vincent; Smith Tunney, Kelly; Zoeller, Chuck: Flash! The Associated Press Covers the World; New York 1998

• The Yorck Project: Das große dpa-Bildarchiv; 2005

• http://de.wikipedia.org/wiki/Bild:Falkland_Islands_map.svg (Letzter Zugriff 15. 07. 2008)

• Oehrlein, Josef: Der verdrängte Kampf um die Malvinen. Vor 25 Jahren zettelte der

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argentinische Diktator Galtieri den Falkland-Krieg gegen Großbritannien an; in: Frankfurter Allgemeine Zeitung 77 / 31. März 2007; S. 6

• http://digitaljournalist.org/issue0110/main02.htm (Letzter Zugriff 15. 07. 2008)

• Pyle, Richard: After 63 Years, Death Photo of Famed WWII Reporter Ernie Pyle Surfaces; in: http://www.digitaljournalist.org/issue0802/after-63-years-death-photo-of- famed-wwii- reporter-ernie-pyle-surfaces.html (Letzter Zugriff 15. 07. 2008)

• Fulton, Marianne: Memory of a Flag; in: http://dirckhalstead.org/issue0110/fulton2.htm (Letzter Zugriff 15. 07. 2008)

• Vietnam Reporter. Spätes Grab, Teures Grab; in: http://www.spiegel.de/fotostrecke/0,5538,30286,00.html (Letzter Zugriff 15. 07. 2008)

• Boenisch, Peter; Jacobi, Claus: '46 – '96. Das waren Zeiten. 50 Jahre Springer – 50 Jahre Zeitzeuge; Hamburg 1996, S. 40 – 41

• Benhoff, David A.: Among the people. U.S. Marines in Iraq; Quantico / VA 2008, S. 5

9.1.5 Film- und Videoquellen

• Dwan, Allen: Sands of Iwo Jima, 1949

• Eastwood, Clint: Flags of our Fathers, 2006

• Eastwood, Clint: Letters from Iwo Jima, 2006

• Kubrick, Stanley: Full Metal Jacket, 1987

• Morris, Errol: The Fog of War: Eleven Lessons from the Life of Robert S. McNamara, 2003

• Naudest, Gédéon; Naudet, Jules: 9/11, 2002

• Navy-NCIS, 2. Staffel, Folge „Der Held von Iwo Jima“; CBS DVD

• Tilgner, Ulrich: Krieg der Kulturen? Eine Reise von Jerusalem nach Kabul; SF DRS 2004

• U.S. Government Office of War Information: To the Shores of Iwo Jima, 1945

• Zweites Deutsches Fernsehen • Amberg, Paul; Bachem Robert; Ruete, Claudia: • ZDF Spezial: Krieg oder Frieden?, 27.01.2003, 19:21-19:37

• ZDF Spezial: Krieg oder Frieden?, Teil 1 29.01.2003, 00:16-00:59 • ZDF Spezial: Krieg oder Frieden?, Teil 2 29.01.2003, 01:47-02:59 • ZDF Spezial: Krieg oder Frieden?, 29.01.2003, 04:09-04:30

• ZDF Spezial: Krieg oder Frieden?, 29.01.2003, 12:15-12:58 • ZDF Spezial: Krieg am Golf, 26.03.2003, 19:27-19:42 • ZDF Spezial: Zwischen allen Fronten, 27.03.2003, 00:31-01:01 • ZDF Spezial: Krieg am Golf 27.03.2003, 19:25-19:38

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• ZDF Spezial: Der Diktator von Bagdad, 27.03.2003, 21:26-21:42 • ZDF Spezial: Krieg am Golf 28.03.2003, 19:24-19:38 • ZDF Spezial: Im Reich der tausend Prinzen, 29.03.2003, 06:00-06:30 • ZDF Spezial: Was will Bush im Irak?, 29.03.2003, 06:31-06:59 • ZDF Spezial: Zwischen allen Fronten, 29.03.2003, 06:59-07:29 • ZDF Spezial: Kampf dem Terror - Kampf dem Islam?, 30.03.2003, 06:02- 06:46 • ZDF Spezial: Kampf dem Terror - Kampf dem Islam?, 30.03.2003, 06:46- 07:28 • ZDF Spezial: "Warum dieser Krieg?", 30.03.2003, 17:59-18:57 • ZDF Spezial: Krieg am Golf, 31.03.2003, 19:27-19:40 • ZDF Spezial: Krieg am Golf, 01.04.2003, 19:27-19:40 • ZDF Spezial: Krieg am Golf, 02.04.2003, 19:26-19:38 • ZDF Spezial: Bomben und Basketball, 03.04.2003, 00:17-00:32 • ZDF Spezial: Krieg am Golf, 03.04.2003, 19:26-19:40 • ZDF Spezial: Krieg am Golf, 04.04.2003, 19:26-19:39 • ZDF Spezial: Krieg am Golf, 05.04.2003, 19:24-19:36 • ZDF Spezial: Tagebuch eines Krieges, 06.04.2003, 18:29-18:58 • ZDF Spezial: Saddam Hussein - Gott von eigenen Gnaden, 06.04.2003, 23:36-00:18 • ZDF Spezial: Krieg am Golf, 07.04.2003, 19:28-19:40 • ZDF Spezial: Krieg am Golf, 08.04.2003, 19:24-19:38 • ZDF Spezial: Krieg am Golf, 09.04.2003, 16:02-16:58 • ZDF Spezial: Krieg am Golf, 09.04.2003, 19:30-20:00 • ZDF Spezial: Krieg am Golf, 09.04.2003, 20:00-20:13 • ZDF Spezial: Weltmacht in Aktion, 09.04.2003, 22:27-22:56 • ZDF Spezial: Krieg am Golf, 10.04.2003, 19:31-20:13 • ZDF Spezial: Krieg am Golf, 11.04.2003, 19:22-19:34 • ZDF Spezial: Tagebuch eines Krieges, 13.04.2003, 18:30-18:58 • ZDF Spezial: Im Bombenhagel von Bagdad, 13.04.2003, 22:05-22:34 • ZDF Spezial: Irak im Chaos, 29.08.2003, 19:20-19:33

• Bachem, Robert; Baltes, Ina; Renz, Michael; Ruete, Claudia: 5 Jahre Irak-Krieg, auslandsjournal spezial, Sendedatum 19. 03. 2008

• Grabe, Hans-Dieter: Nur leichte Kämpfe im Raum Da Nang; ZDF 1970

• Renz, Michael; Fraund, Philipp: Irak wehrt sich; in: ZDF „heute-journal“, Sendedatum 31. 03. 2003, 21.45 Uhr

• Renz, Michael; Fraund, Philipp: Irakischer Widerstand ; in: 3sat, „auslandsjournal extra“, Sendedatum 28. 03. 2003, 21.00 Uhr

• Renz, Michael; Schnurbus, Winfried: Kämpfe in Bagdad; in: ZDF-spezial 08.04.2003

• Renz, Michael; Schnurbus, Winfried: Tagesreportage Bagdad in: ZDF-spezial 09.04.2003

• Renz, Michael; Schnurbus, Winfried: Amis in Bagdad in: ZDF-spezial 10.04.2003

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• Ruete, Claudia: Die Kuwait-Falle; ZDF-spezial, Sendedatum 08. 01. 1991

• Tilgner, Ulrich: Iran am Scheideweg. Die islamische Republik zwischen Tradition und Fortschritt, ZDF 2005

9.2 Literatur

Abdul-Ahad, Ghath; Alford, Kael; Anderson, Thorne; Leistener, Rita; Griffiths, Philip Jones; Robertson, Philip: Unembedded. Four Independent Photojournalists on the War in Iraq; White River Junction / VER 2005 Adams, Bianca J.: TRUST: Guarding the Freedom of Trieste in front of the "Iron Curtain"; in: Ehlert, Hans; Heinemann, Winfried [Hrsg.]: Nationalstaat; Nationalismus und Militär (= Tagungsband XXXii: Internationaler Kongress für Militärgeschichte); Potsdam 2007, S. 477 - 489 Adams, Valerie: The Media and the Falklands Campaign; London 1986 Alabiso, Vincent; Smith Tunney, Kelly; Zoeller, Chuck: Flash! The Associated Press Covers the World; New York 1998 Arnett, Peter: Unter Einsatz des Lebens. Der CNN-Reporter live von den Kriegsschauplätzen unserer Welt; München 1996 Aukofer, Frank; Lawrence, William P.: America's Team; The Odd Couple - A Report on the Relationship between the Media and the Military; Nashville / TN 1995 Aust, Stefan; Schnibben, Cordt: Irak: Geschichte eines modernen Krieges; München 2003 Baberowski, Jörg: England und Russland. Afghanistan als Objekt der Fremdherrschaft im 19. Jahrhundert; in: Chiari, Bernhard [Hrsg.]: Wegweiser zur Geschichte. Afghanistan; Paderborn, München, Wien, Zürich 2006, S. 22 - 31 Barnett, Brooke: The Iraq Wars and the War on Terror; in: Copeland, Douglas A. [Hrsg.]: The Greenwood Library of American War Reporting, Vol. 8; Westport / Conn., London 2005 Barral, Pierre Emmanuel: La Guerre de Vietnam au Cinema; in: Ionescu, Mihail E. [Hrsg.]: War, Military and Media from Gutenberg to Today (= Acta XIX. International Congress of Military History); Bucharest 2004, S. 109 - 120 Bechtol, Bruce E.: Paradigmenwandel des Kalten Krieges. Der Koreakrieg, 1950 - 1953; in: Greiner, Bernd; Müller, Christian Th.; Walter, Dierk [Hrsg.]: Heiße Kriege im Kalten Krieg; Hamburg 2006, S. 141 - 166 Beck, Ludwig: Die Lehre vom totalen Kriege; in: Dill, Günter [Hrsg.]: Clausewitz in Perspektive. Materialien zu Carl von Clausewitz: Vom Kriege; Frankfurt / Main 1980, S. 520 - 541 Becker, Jörg: Medien im Krieg; in: Österreichische Militärische Zeitschrift 5 / 2001; S. 575 - 580 Beham, Mira: Kriegstrommeln. Medien, Krieg und Politik; München 19962 Behr, M.: „Mehr Show als Wort“. Hans-Dieter Grabe über die Bilder vom Irak-Krieg; in:

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Perret, Geoffrey: Old Soldiers never die. The Life of Douglas MacArthur; London 1996 Picciuolo, José Luis: Means of Communications and the Development of the Military Factor in Independece War of Argentina. General José de San Martin and the Liberation of Chile and Peru; in: Ionescu, Mihail E. [Hrsg.]: War, Military and Media from Gutenberg to Today (= Acta XIX. International Congress of Military History); Bucharest 2004, S. 425 - 428 Polmar, Norman: The Naval Institute Guide to the Ships and Aircraft of the U.S.-Fleet; Annapolis / Md 199716 Porch, Douglas: The French Foreign Legion. A Complete History; London 1993 Potter, Elmar B.: Das Blatt wendet sich; in: Potter, Elmar B.; Nimitz, Chester W. [Hrsg.]: Seemacht. Eine Seekriegsgeschichte von der Antike bis zur Gegenwart; Herrsching 1982, S. 776 - 793 Powell, Colin; Persico, Joseph E.: Mein Weg; München, Zürich 1996 Rados, Antonia: Live aus Bagdad. Das Tagebuch einer Kriegs-Reporterin; München 2003 Rahn, Werner: Der Seekrieg im Atlantik und im Nordmeer; in: Boog, Horst; Rahn, Werner; Stumpf, Reinhard; Wegner, Bernd [Hrsg.]: Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg Bd. 6. Der globale Krieg. Die Ausweitung zum Weltkrieg und der Wechsel der Alternative 1941 - 1943; Stuttgart 1990, S. 275 - 425 Rahn, Werner: Der Krieg im Pazifik; in: Boog, Horst; Rahn, Werner; Stumpf, Reinhard; Wegner, Bernd [Hrsg.]: Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg Bd. 6. Der globale Krieg. Die Ausweitung zum Weltkrieg und der Wechsel der Alternative 1941 - 1943; Stuttgart 1990, S. 173 - 271 Rashid, Ahmed: Tribe and State in Afghanistan after 1992; in: Noelle-Karimi, Christine; Schetter, Conrad; Schlagintweit, Reinhard [Hrsg.]: Afghanistan - A Country without a State (= Schriftenreihe der Mediothek für Afghanistan, Bd. 2); Frankfurt / London 2002, S. 175 - 178 Rautenberg, Hans-Jürgen; Wiggershaus, Norbert: Die "Himmerroder Denkschrift" vom Oktober 1950. Politische und militärische Überlegungen für einen Beitrag der Bundesrepublik Deutschland zur westeuropäischen Verteidigung; in: Militärgeschichtliche Mitteilungen 1 / 1977; S. 135 - 206 Read, Donald: The Power of News. The History of Reuters 1849 - 1989; London, New York 1992 Renner, Karl Nikolaus: Bilder vom Krieg. Die Emotionslenkung in Hans-Dieter Grabes Antikriegsfilm "nur leichte Kämpfe im Raum Da Nang"; in: Knieper, Thomas; Müller, Marion G. [Hrsg.]: War Visions. Bildkommunikation und Krieg; Köln 2005, S. 105 - 119 Ricks, Thomas E.: Fiasco. The American Military Adventure in Iraq; New York 2006 Rid, Thomas: War and Media Operations. The US Military und the Press from Vietnam to Iraq; London, New York 2007 Rohde, Horst: Hitlers erster "Blitzkrieg" und seine Auswirkungen auf Nordosteuropa; in: Maier, Klaus A.; Rohde, Horst; Stegemann, Bernd; Umbreit, Hans [Hrsg.]: Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg Bd. 2. Die Errichtung der Hegemonie auf dem Europäischem Kontinent;

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Stuttgart 1979, S. 79 - 156 Rohwer, Jürgen: Der Korea-Krieg 1950 - 1953; in: Potter, Elmar B.; Nimitz, Chester W. [Hrsg.]: Seemacht. Eine Seekriegsgeschichte von der Antike bis zur Gegenwart; Herrsching 1982, S. 918 - 953 Rohwer, Jürgen: Die See-Luftschlacht bei Midway 1942; in: Jacobsen, Hans-Adolf [Hrsg.]: Entscheidungsschlachten des Zweiten Weltkrieges; Frankfurt 1960, S. 189 - 227 Roth, Günter: Das Verhältnis von Politik uns Kriegsführung. Ein Streifzug durch die Militär- und Kriegsgeschichte; in: Militärgeschichtliches Forschungsamt [Hrsg.]: Ideen und Strategien 1940. Ausgewählte Operationen und deren militärgeschichtliche Aufarbeitung (= Operatives Denken und Handeln in deutschen Streitkräften, Bd. 3); Herford, Bonn 1990, S. 11 - 66 Ruane, Kevin: War and Revalution in Vietnam, 1930-75; London, New York 1998 Ruloff, Dieter: Wie Kriege beginnen. Ursachen und Formen; 20043 Sager, Dirk: Afghanische Alpträume; in: Zweites Deutsches Fernsehen [Hrsg.]: ZDF-Jahrbuch 2001; Mainz 2002, S. 76 - 78 Sautter, Udo: Geschichte der Vereinigten Staaten von Amerika; Stuttgart 19986 Schawinski, Roger: Die TV-Falle. Vom Sendungsbewußtsein zum Fernsehgeschäft; Zürich 20072 Schetter, Conrad: Kleine Geschichte Afghanistans; München 20072 Schildt, Axel: Das Jahrhundert des Massenmedien. Ansichten zu einer künftigen Geschichte der Öffentlichkeit; in: Geschichte und Gesellschaft 2 / 2001; S. 176 - 206 Schlagintweit, Reinhard: Zwischen Tradition und Fortschritt. Afghanistan als Staat im 20. Jahrhundert; in: Chiari, Bernhard [Hrsg.]: Wegweiser zur Geschichte. Afghanistan; Paderborn, München, Wien, Zürich 2006, S. 32 - 39 Schmelter-Mühle, Ulrike: Krieg im Südatlantik. Die Politik der USA im Falklandkonflikt von 1982; Frankfurt / Main, Berlin, Bern 1996 Schmidt, Georg: Reporter der Hölle. Die Propagandakompanien im 2. Weltkrieg; Erlebnis und Dokumentation; Stuttgart 1977 Schmidt, Paul: Statist auf Diplomatischer Bühne 1923 - 45; Bonn 1949 Schmidt, Wolfgang: "Maler an der Front". Die Kriegsmaler der Wehrmacht und ihre Bilder von Kampf und Tod; in: Ionescu, Mihail E. [Hrsg.]: War, Military and Media from Gutenberg to Today (= Acta XIX. International Congress of Military History); Bucharest 2004, S. 249 - 255 Scholl-Latour, Peter: Der Tod im Reisfeld. 30 Jahre Krieg in Indochina; Stuttgart 19809 Schreiber, Gerhard: Politik und Kriegführung 1941; in: Schreiber, Gerhard; Stegemann, Bernd et al. [Hrsg.]: Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg, Bd. 3. Der Mittelmeerraum und Südosteuropa, Von der “non belligeranza” Italiens bis zum Kriegseintritt der Vereinigten Staaten; Stuttgart 1984, S. 516 - 587 Schubert, Frank N.; Kraus, Theresa L. [Hrsg.]: The Whirlwind War. The United States Army in Operations "Desert Shield" and "Desert Storm"; Washington, D.C. 1995

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Schulz, Andreas: Der Aufstieg der "Vierten Gewalt". Medien, Politik und Öffentlichkeit im Zeitalter der Massenkommunikation; in: Historische Zeitschrift 1 / 2000; S. 65 - 97 Schwabe, Klaus: Der amerikanische Isolationismus im 20. Jahrhundert. Legende und Wirklichkeit; Wiesbaden 1975 Segbers, Michael: Die Ware Nachricht. Wie Nachrichtenagenturen ticken; Konstanz 2007 Seibert, Stefan: Der Moderator als Augenzeuge; in: Zweites Deutsches Fernsehen [Hrsg.]: ZDF- Jahrbuch 2001; Mainz 2002, S. 71 - 72 Shaughnessy, C. A.: The Vietnam Conflict. "America's Best Documented War"?; in: The History Teacher 24 / 2 / 1991; S. 135 - 147 Showalter, Dennis E.: Das Gesicht des modernen Krieges. Sedan, 1. und 2. September 1870; in: Förster, Stig; Pöhlmann, Markus; Walter, Dierk [Hrsg.]: Schlachten der Weltgeschichte. Von Salamis bis Sinai; München 20033, S. 230 - 247 Shultz, Richard H.: The Secret War Against Hanoi. Kennedy's and Johnson's Use Of Spies, Saboteurs and Covert Warriors in North Vietnam; New York 1999 Simpson, Howard R.: Dien Bien Phu. The Epic Battle America Forgot; Washington 2005 Smith, Richard H.: OSS: The secret history of Americas's first central intelligence Agency; Berkeley 1972 Spector, Ronald H.: In the Ruins of Empire. The Japanese Surrender and the Battle for Postwar Asia; New York 2007 Spector, Ronald H.: After Tet. The Bloodiest Year in Vietnam; New York 1993 Spector, Ronald H.: Advice and support. The early Years, 1941 - 1960; Washington 1983 Speidel, Hans: Aus unserer Zeit. Erinnerungen; Berlin 1977 Stegemann, Bernd: Die erste Phase der Seekriegsführung bis zum Frühjahr 1940; in: Maier, Klaus A.; Rohde, Horst; Stegemann, Bernd; Umbreit, Hans [Hrsg.]: Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg Bd. 2. Die Errichtung der Hegemonie auf dem Europäischen Kontinent; Stuttgart 1979, S. 159 - 185 Steininger, Rudolf: Der vergessene Krieg. Korea 1950 - 1953; München 2006 Strachwitz, Karl Ernst Graf: Das Bild vom Helden. Achmad Schah Massud; in: Chiari, Bernhard [Hrsg.]: Wegweiser zur Geschichte. Afghanistan; Paderborn, München, Wien, Zürich 2006, S. 118 - 125 Streich, Sabine: Videojournalismus. Ein Trainingshandbuch; Konstanz 2008 Stumpf, Reinhard: Der Krieg im Mittelmeerraum 1942/43: Die Operationen in Nordafrika und im Mittleren Mittelmeer; in: Boog, Horst; Rahn, Werner; Stumpf, Reinhard; Wegner, Bernd [Hrsg.]: Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg Bd. 6. Der globale Krieg. Die Ausweitung zum Weltkrieg und der Wechsel der Alternative 1941 - 1943; Stuttgart 1990, S. 569 - 757 Tag, Myung-Sig: Die US-Politik gegenüber Korea 1942 - 1953. Unter besonderer

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Berücksichtigung der Teilung Koreas, des Koreakrieges und der Rolle der Uno; Diss., Köln 1995 Thatcher, Margaret: Downing Street No. 10. Die Erinnerungen; Düsseldorf, Wien, New York 1993 Thayer, Charles W.: Bären im Kaviar. Was man als Diplomat in Rußland erleben kann; München 1973 Thrall, Trevor A.: War in the Media Age; Cresskill / New Jersey 2000 Thun-Hohenstein, Romedio Graf von: "Magistral". Die größte Angriffsoperation sowjetischer Truppen in Afghanistan; in: Chiari, Bernhard [Hrsg.]: Wegweiser zur Geschichte. Afghanistan; Paderborn, München, Wien, Zürich 2006, S. 62- 65 Tilgner, Ulrich: Berichte aus dem Irak; in: Zweites Deutsches Fernsehen [Hrsg.]: ZDF- Jahrbuch 2003; Mainz 2004, S. 67 - 69 Tilgner, Ulrich: Der inszenierte Krieg; Reinbeck bei Hamburg 2003 Troller, Georg Stefan: Ihr Unvergeßlichen. 22 starke Begegnungen; Düsseldorf 20062 Tuchman, Barbara: Die Torheit der Regierenden. Von Troja bis Vietnam; Frankfurt / Main 1993 Tucker, Spencer C.: Vietnam; London 1999 Ulfkotte, Udo: Verschlußsache BND; München 1998 Umbreit, Hans: Der Kampf um die Vormachtstellung in Westeuropa; in: Maier, Klaus A.; Rohde, Horst; Stegemann, Bernd; Umbreit, Hans [Hrsg.]: Das Deutsche Reich und derZweite Weltkrieg 2. Die Errichtung der Hegemonie auf dem europäischen Kontinent; Stuttgart 1979, S. 238 - 327 Utz, Curtis A.: Assault from the Sea. The Amphibious Landing at Inchon; Washington 1994 Vail Motter, Thomas H.: United States Army in World War II, Vol 8. The Middle East Theater. The Persian Corridor and Aid to Russia; Washington 1952 van Creveld, Martin: The Changing Face of War. Combat from the Marne to Iraq; New York 2008 Vegetius, Flavius Renatus: Epitoma rei militaris; Aarau, Frankfurt / Main 1986 Wainstock, Dennis D.: Truman, MacArthur and the Korean War; Westport / Conn., London 1999 Walter, Dierk: Im Niemendsland. Cold Harbor, 31. Mai bis 3. Juni 1864; in: Förster, Stig; Pöhlmann, Markus; Walter, Dierk [Hrsg.]: Schlachten der Weltgeschichte. Von Salamis bis Sinai; München 20033, S. 201 - 215 Warken, Bettina: Nachrichtenauswahl in Krisenzeiten; in: Zweites Deutsches Fernsehen [Hrsg.]: ZDF-Jahrbuch 2001; 2002, S. 73 - 75 Wefing, Heinrich: Erlaß 13 233. Aktenhoheit: George W. Bush verschließt das Weiße Haus; in: Frankfurter Allgemeine Zeitung / 28. Mai 2002; S. 45 Weggel, Oskar: Indochina. Vietnam, Kambodscha, Laos; München 1987 Wehler, Hans-Ulrich: "Absoluter" und "Totaler" Krieg. Von Clausewitz zu Ludendorff; in: Dill,

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Günter [Hrsg.]: Clausewitz in Perspektive. Materialien zu Carl von Clausewitz: Vom Kriege; Frankfurt, Berlin, Wien 1980, S. 474 - 510 Weigel- Klinck: Die Verarbeitung des Vietnam-Traumas im US-amerikanischen Spielfilm seit 1968; Alfeld / Leine 1996 Weinberg, Gerhard L.: A World at Arms. A Global History of World War II; Cambridge 20052 Weintraub, Stanley: MacArthur's War. Korea and the Undoing of an American Hero; New York, London 2000 Weizsäcker, Richard von: Vier Zeiten. Erinnerungen; Berlin 1997 Wende, Waltraud 'Wara': Medienbilder und Geschichte - Zur Medialisierung des Holocaust; in: Wende, Waltraud 'Wara' [Hrsg.]: Geschichte im Film. Mediale Inszenierungen des Holocaust und kulturelles Gedächtnis; Stuttgart, Weimar 2002, S. 8 - 30 Wendt, Lloyd: Chicago Tribune. The rise of a great American Newspaper; Chicago, New York, San Francisco 1979 Westad, Odd Arne: Prelude to Invasion. The Soviet Union and the Afghan Communists, 1978 - 1979; in: International History Review 16 / 1 / 1994; S. 49 - 69 Wette, Wolfram: Ideologien, Propaganda und Innenpolitik als Voraussetzungen der Kriegspolitik des Dritten Reiches; in: Deist, Wilhelm; Messerschmidt, Manfred; Volkmann, Hans-Erich; Wette, Wolfram [Hrsg.]: Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg Bd. 1. Ursachen und Voraussetzungen der deutschen Kriegspolitik ; Stuttgart 1979, S. 25 - 173 Wiedmann, Catherine: Die amerikanische Außenpolitik des Jahres 1941 zwischen Isolationismus und Interventionismus. Der Einfluß der Isolationisten; Konstanz 1996 Wiggershaus, Norbert: Von Potsdam zum Pleven-Plan. Deutschland in der internationalen Konfrontation 1945 - 1950; in: Foerster, Roland G.; Greiner, Christian; Meyer, Georg; Rautenberg, Hans-Jürgen; Wiggershaus, Norbert [Hrsg.]: Anfänge westdeutscher Sicherheitspolitik 1945 - 1956, Bd. 1. Von der Kapitulation bis zum Pleven-Plan; München, Wien 1982, S. 1 - 118 Wohlgethan, Achim: Endstation Kabul. Als deutscher Soldat in Afghanistan - ein Insiderbericht; Berlin 20086 Woodward, Bob: Bush at War; New York, London, Toronto 2003 Young, Peter; Jesser, Peter: The Media and the Military. From the Crimae to Desert Strike; Basingstoke 1997

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10 Anhang

10.1 Verzeichnis der Abkürzungen

AA Auswärtiges Amt AAR After Action Report ABC American Broadcasting Company ABC-Waffen Atomare-, Biologische- und Chemische Waffen ADAP Akten zur Deutschen Auswärtigen Politik AFB Air Force Base AFP Agence France Presse ANPA American Newspaper Publishers Association ANSE American Society of Newspaper Editors AOR Area of Responsability AP Associated Press APC Armoured Personal Carrier APTN Associated Press Television News ARA Armada Republica Argentina ARD Arbeitsgemeinschaft der Öffentlich-Rechtlichen Rundfunkanstalten Deutsch- lands ARVN Army of the Republic of Vietnam ASD Assistant Secretary of Defense ASD(PA) Asssistant Secretary of Defense (Public Affairs) ASW Anti Submarine Warfare BA-MA Bundesarchiv – Militärarchiv, Freiburg / Brsg. BANG Bataillon Afghanistan National Gard BETA Betacam SP BND Bundesnachrichtendienst Brig. Gen. Brigadier General = Brigadegeneral (*) BStU Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehe- maligen DDR C-SPAN Cable-Satellite Public Affairs Network CAP Combat Air Patrol

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CAS Close Air Support CBS Columbia Broadcasting System CC CPSU Central Comittee Communist Party Soviet Union = ZK der KPdSU CCD Charge Coupled Device CDU Christlich Demokratische Union Deutschlands CENTCOM Central Command CGI Computer Generated Images CIA Central Intelligence Agency CIHM Commission Internationale d'Histoire Militaire CIMIC Civil Military Cooperation CINC Commander in Chief CINCUNC Commander in Chief, United Nations Command CJCS Chairman of the Joint Chiefs of Staff CMH U.S. Army Center for Military History CNN Cable News Network CNO Chief of Naval Operations COCOM Coordinating Committee for East West Trade Policy Col. Colonel COMKFOR Commander, Kosovo Force COMUSMACV Commander U.S. Military Advisory Group Vietnam CSAR Combat Search and Rescue DBLE Demi-Brigade de la Légion Etrangère DDR Deutsche Demokratische Republik DIA Defense Intelligence Agency DIGI-BETA Digital Betacam DNB Deutsches Nachrichtenbüro DoD Department of Defense DPA Deutsche Presseagentur DV Digital Video DVC Digital Video Cassette DVCPRO Digital Video Cassette Professional DVPA Demokratische Volkspartei Afghanistans DW Deutsche Wochenschau EB Elektronische Berichterstattung EB Elektronische Berichterstattung

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EBU European Broadcasting Union EFP Electronic Field Production ELINT Electronic Intelligence ENG Electronic News Gathering EOD Explosive Ordonance Disposal ESM Electronic Warfare Support Measures Exif Exchangeable Image File Format FAZ Frankfurter Allgemeine Zeitung FIS Front Islamique du salut FlaK Flugabwehrkanone FRUS Foreign Relations of the United States Ft. Fort FTP File Transfer Protocol GBU Guided Bomb Unit Gen. General (****) GMT Greenwhich Mean Time GOP Grand Old Party, andere Bezeichnung für die Republikanische Partei der USA GWOT Global War on Terror HMMWV High Mobility Multipurpose Wheeled Vehicle, im Volksmund auch „Hummer“ genannt HMS Her Majesties Ship HR Hauptredaktion ICHM International Comission on Military History ID Infantry Division IDF Israeli Defense Forces IFOR Implementation Force IPTV Internet Protocol Television ISAF International Security and Assistance Force ISI Inter Services Intelligence = Pakistanischer Geheimdienst JCS Joint Chiefs of Staff KIA Kabul International Airport KMAG Korean Military Advisory Group KMNB Kabul Multinational Brigade KPdSU Kommunistische Partei der Sowjetunion

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KSK Kommando Spezialkräfte Lt. Lieutenant Lt. Col. Lieutenant Colonel Lt. Gen. Lieutenant General = Generalleutnant (**) MAAG Military Assistance Advisory Group MAC Mobility Air Command MAC Media Advisory Committee MACV Military Assistance Command Vietnam MAD Mutually Assured Destruction MAG Military Assistance Group Maj. Major Maj. Gen. Major General = Generalmajor (***) MAZ Magnetische Aufzeichung MDR Mitteldeutscher Rundfunk MEF Marine Expeditionary Force MGFA Militärgeschichtliches Forschungsamt der Bundeswehr, Potsdam MoD Ministry of Defence NAB National Association of Broadcasters NATO North Atlantic Treaty Organisation NBC National Broadcasting Coorperation NBC Nuclear, Biological and Chemical, siehe ABC-Waffen NCA National Command Authority NDR Norddeutscher Rundfundk NFFE Naval Forces, Far East NIE National Intelligence Estimate NKPA North Korean Peoples Army NLE Non Linear Editing NORAD North American Aerospace Defense Command NPIC National Photographic Intelligence Center NSAM National Security Action Memorandum NSARCHIVE National Security Archive NSDAP Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei NVA North Vietnamese Army NYT New York Times NZZ Neue Zürcher Zeitung

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OAS Organization of American States OASD(PA) Office of the Assistant Secretary of Defense for Public Affairs OEF Operation Enduring Freedom OIF Operation Iraqi Freedom OKH Oberkommando des Heeres OKW Oberkommando der Wehrmacht OPEC Organisation of Petraoleum Exporting Countries OSS Office of Strategic Services PA Public Affairs PAG Public Affairs Guidance PAO Public Affairs Office PDF Panama Defense Force PDPA Peoples Democratic Party Afghanistan PK Propagandakompanie PR Public Relations PRC Peoples Republic of China PRK Peoples Republic of Korea PRT Provincial Reconstruction Team PRV Peoples Republic of Vietnam QRF Quick Reaktion Force Ret. Retiered RMVP Reichministerium für Volksaufklärung und Propaganda ROC Republic of China ROE Rules of Engagement ROK Republic of Korea ROKA Republic of Korea Army RTL eigentl. Radio Television Luxemburg RTNDA Radio Television News Directors Association RVN Republic of Vietnam SAC Strategic Air Command SACEUR Supreme Allied Commander Europe SAR Search and Rescue SCAP Supreme Commander Allied Power SEAD Suppression of enemy air defense SEAL Sea Air Land, Sondereinheit der US Navy

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SECDEF Secretary of Defense SECSTATE Secretary of State SFOR Stabilization Force SHAEF Supreme Headquarters Allied Expeditionary Force SHAPE Supreme Headquarters Allied Powers Europe SIGINT Signals Intelligence SNG Satellite News Gathering SNIE Special National Intelligence Estimate SOUTHCOM Southern Command SPD Sozialdemokratische Partei Deutschlands SWR Südwestrundfunk SZ Süddeutsche Zeitung TASS Telegrafnoe Agentstwo Sowjetskowo Sojusa TF Task Force TLAM Tomahawk Land Attack Missile TLAM-C Tomahawk Land Attack Missile - Conventional TO Transocean UAR United Arab Republic UdSSR Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken UN United Nations UNMOVIC United Nations Monitoring, Verification and Inspection Commission UNSC United Nations Security Council UNTCOK United Nations Temporary Commission On Korea USA United States Army USAF United States Air Force USCG United States Coast Guard USCMH United States Commission on Military History USIA United States Information Agency USMC United States Marine Corps USN United States Navy USS United States Ship VAE Vereinigte Arabische Emirate VAZ Voraufzeichnung VJ Video Journalist VN Vereinte Nationen

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WDR Westdeutscher Rundfunk WFSt Wehrmachtsführungsstab WMD Weapons of Mass Destruction WP Washington Post ZDF Zweites Deutsches Fernsehen ZK Zentralkomitee

10.2 Verzeichnis der Abbildungen

Abbildung 1: Der neue Anchor des ZDF "heute-journals" in der Dekoration des Nachrichtenstudios. Das Bild datiert auf den Februar 2003...... 7 Abbildung 2: Das Logo des ZDF im Wandel der Zeiten...... 7 Abbildung 3: “Gen. Douglas MacArthur wades ashore during initial landings at Leyte, P.I.” October 1944. 111-SC-407101...... 41 Abbildung 4: Iwo Jima, Volcano Islands, Feb. 23, 1945 – U.S. Marines raise the flag atop Mount Suribachi on the Pacific island of Iwo Jima in World War II...... 42 Abbildung 5: Die erste auf dem Mount Suribachi gehisse Flagge wird eingeholt, während die größere, zweite Flagge, die schließlich auf dem Bild Joe Rosenthals zu sehen sein sollte,, im Hintergrund gehisst wird...... 44 Abbildung 6: Landungsschiff mit der Aufschrift "Press", es scheint sich hierbei um das Landungsschiff zu handeln, daß 1945 bei der Landung auf Iwo Jima der Presse zur Verfügung gestellt wurde...... 46 Abbildung 7: 040709-N-0295M-003 Washington, D.C., (July 9, 2004) – Two U.S. Marines lower the American flag flown over the U.S. Marine Corps War Memorial, located in Washington, D.C. Flags flown over the memorial are made available to retiring military personal, and many military ceremonies and formal presentations. Felix DeWeldon sculpted the memorial after the famous flag-raising scene at the Battle of Iwo Jima during World War II. The memorial is dedicated to all Marines who have given their lives in the defense of the United States since 1775. U.S. Navy photo by Photographer’s Mate 2nd Class Daniel J. McLain (RELEASED...... 48 Abbildung 8: Fireman raise a flag where WTC once stood...... 51 Abbildung 9: This photo provided by Richard Strasser, made by U.S. Army photographer Alexander Roberts, shows famed World War II war correspondent Ernie Pyle shortly after he was killed by a Japanese machine gun bullet on the island of Ie Shima on April 18, 1945. Pyle, 44, had just arrived in the Pacific after four years of writing his popular column from European battlefronts. The Army photographer who crawled forward under fire to make this picture later said it was withheld by military officials. An AP survey of history museums and archives found only a few copies in existence, and no trace of the original negative. As far as it could be determined, the photo had perhaps never before been published. But on Feb. 7, AP learned that it was in fact published at least once before, in the Burlington, N.C. Daily Times-News on Dec. 14, 1979. This is the only example of it to date...... 52

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Abbildung 10: Photo #: USA C-4626 (Color) Surrender of Japan, Tokyo Bay, 2 September 1945Japanese Foreign Ministry representatives Katsuo Okazaki and Toshikazu Kase, and Lieutenant General Richard K. Sutherland, U.S. Army, correcting an error on the Japanese copy of the Instrument of Surrender, at the conclusion of the surrender ceremonies, 2 September 1945.Photographed looking forward from USS Missouri's superstructure. Note the relaxed stance of most of those around the surrender table. The larger ship in the right distance is USS Ancon (AGC-4)...... 55 Abbildung 11: Das einzige Bild des ersten Treffens zwischen dem japanischen Kaiser Hirohito (r.) und General Douglas MacArthur im September 1945...... 57 Abbildung 12: Washington, April 22, 1954 – U.S. Sen. Joseph McCarthy holds both hands over microphones as he speaks to his chief counsel, Roy Cohn, during a hearing of the Senate Investigations Subcommittee. The subcommittee was investigating McCarthy's dispute with top Army officials...... 76 Abbildung 13: With the first waves safely ashore on Wolmi Do, General MacArthur and several of his key officers share a light moment on the brigde of Mount McKinley...... 92 Abbildung 14: “Inchon”, prismacolour, by combat artist Herbert C. Hahn. Ein Beispiel für die Bildberichterstattung durch „Schlachtenmaler“. Diese Art der Kriegsberichterstattung wird in den Vereinigten Staaten von Amerika auch heute noch gepflegt...... 93 Abbildung 15: North Korea 1950, December, - 40 F. Years later a 22-cent stamp / bargain / censored / maybe "no casualty" wars were born. Look under the trooper's feet. For about a quarter America was reminded of a war in Korea...... 97 Abbildung 16: Das Bild auf der linken Seite diente als Vorlage für die Briefmarke, die an den Korea-Krieg erinnern sollte. Interesstant ist, welche Teile des Bildes in der Beriefmarke nicht zu sehen sind...... 97 Abbildung 17: Saigon, Vietnam, Feb. 1, 1968 – South Vietnamese national Police Chief Nguyen Ngoc Loan summarily executes a suspected member of the Viet Cong caputred in Saigon during the communist Tet Offensive...... 99 Abbildung 18: Trang Bang, Vietnam, June 8, 1972 – Phan Thi Kim Phuc, center, her burning clothes torn off, flees with other children after U.S. planes mistakenly dropped napalm on South Vietnamese troops and civilians...... 99 Abbildung 19: Indochina und Vietnam (hell hervorgehoben) mit den Kampfzonen und dem Verlauf des Ho-Chi-Minh Pfades...... 102 Abbildung 20: Satellitenbild des Hochtals von Dien Bien Phu. Im oberen Drittel des Bildes ist in der Mitte der Landestreifen zu erkennen. Deutlich sichtbar sind die Berge ringsum, auf denen 1953 / 1954 die Viet Minh ihre Geschützstellungen eingerichtet hatten...... 118 Abbildung 21: Landezonen der Fallschirmjäger in Dien Bien Phu. Wie zu sehen ist, landeten die wenigsten Einheiten in der Nähe der ihnen zugewiesenen Landungszonen...... 120 Abbildung 22: Stellungen der französischen Verteidiger (Blau) und vietnamischen Angreifer (rot) in der Schlacht von Dien Bien Phu...... 122 Abbildung 23: Letzte militärische Ehrung für einen Gefallenen der französischen Streitkräfte vor Dien Bien Phu im Frühjahr 1954...... 125 Abbildung 24: Ein buddhistischer Mönch hat sich auf dem Marktplatz von Saigon selbst angezündet, um gegen die Kirchenpolitik der südvietnamesischen Regierung zu protestieren..131

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Abbildung 25: Anzahl amerikanischer Soldaten in Vietnam 1960 – 1971...... 136 Abbildung 26: Huynh Thanh My [eigentl. Huyng Cong La], Mekong Delta, Vietnam 1965.....138 Abbildung 27: Das Bild, daß Hyung Cong „Nick“ Ut den Pulitzer-Preis einbringen sollte. Es gemahnt aber auch an seinen verstorbenen Bruder Huynh Thanh My...... 138 Abbildung 28: Chu Lai, Vietnam, 1965 – U.S. Marine Corps chaplain John Monamara of Boston administers the last rites to war correspondent Dickey Chapelle...... 139 Abbildung 29: Die Schuhe und die Toten. Im roten Staub einer Anhöhe bei Dak To in Südvietnam stehen die Stiefel von 98 Soldaten der 173. Luftlandebrigade der USA. Die Männer waren bei der Verteidigung der Höhe 875 gegen nordvietnamesische Einheiten ums Leben gekommen. Als der Bataillons-Kommandeur die Namen der Toten verliest, salutieren die Überlebenden...... 140 Abbildung 30: Saigon, Vietnam, Feb. 1, 1968 – South Vietnamese national Police Chief Nguyen Ngoc Loan summarily executes a suspected member of the Viet Cong caputred in Saigon during the communist Tet Offensive...... 144 Abbildung 31: Television crewman film the fighting at Huê...... 146 Abbildung 32: Amerikanische Verluste für die Monate Februar bis Mai 1968, wie sie von Situation Room des White House zusammengestellt wurden...... 147 Abbildung 33: Baigon, April 27th, 1975 – Col. Ba holds press conference at North Vietnamese compound at Ton San Nhut...... 150 Abbildung 34: Politische Karte der Falkland-Inseln...... 154 Abbildung 35: Falkland-Konflikt 1982: Argentinische Truppen auf den Falkland-Inseln während einer Übung. 149 Jahre lang, seitdem die Briten die Falkland-Inseln im Südatlantik 1833 in Besitz genommen hatten, stritten London und Buenos Aires um die Inseln. Am 2. April 1982, wenige Tage nach der argentinischen Invasion, setzte Großbritannien seine Flotte in Bewegung, die 74 Tage nach Ausbruch der Feindseligkeiten die argentinischen Militärs zur Kapitulation zwang. Diplomatische Bemühungen um eine friedliche Lösung waren ohne Erfolg geblieben.165 Abbildung 36: Die Versenkung des Kreuzers „General Belgrano“ durch ein britisches U-Boot am 2. Mai 1982 versetzte derargentinischen Marine einen schweren Schlag...... 167 Abbildung 37: Blick auf das britische Landungsschiff Sir Galahad vor den Falkland-Inseln im Jahr 1982. Es ging während des britisch-argentinischen Kriegs nach einem Bombenangriff der argentinischen Luftwaffe in Flammen auf...... 168 Abbildung 38: Die Titelseite des britischen Boulevardblattes "The Sun" vom 4. Mai 1942. Am oberen Rand der Seite findet sich der Hinweis darauf, daß der Luxusliner QE 2 ebenfalls in den Krieg zog...... 172 Abbildung 39: Mit Versandtaschen wie dieser wurden Videocassetten oder Filmrollen vor der breiten Verfügbarkeit von Satellitenüberspielungen versandt. Wie an den Aufklebern deutlich zu erkennen ist, wurden diese Taschen, als Luftfracht deklariert, dem Piloten mitgegeben...... 174 Abbildung 40: Die einzigen Bilder vom Einschlag des ersten Flugzeuges in den Nordturm des World Trade Centers. Gedreht von den französischen Dokumentarfilmern Jules und Gedeon Naudet...... 191 Abbildung 41: The World Trade Center south Tower (L) bursts into flames after being struck by hijacked United Airlines Flight 175 as the north tower burns following an earlier attack by a

Seite 334 “The Picture Survives” hijacked airliner in New York City in this September 11, 2001...... 192 Abbildung 42: Seite des Sendeablaufs der Sondersendung (ZDF-spezial) „Gefangen in der Tiefe. U-Boot-Drama im Nordmeer“ vom 20. 08. 2000. Nach diesem Muster finden alle kurzen Sondersendungen sowohl von ARD als auch ZDF statt. In der ersten Spalte findet sich die Position innerhalb des Ablaufplans, in der zweiten Spalte die Art und Quelle des Beitrages (MOD = Moderation, BETA = Bandformat Betacam SP, SGS = Schaltgespräch / Studiogespräch)...... 195 Abbildung 43: Linkes Bild: Der damalige Studioleiter des ZDF in New York , Udo van Kampen, vor dem Fesnter des Studios. Im Hintergrund die Rauchfahne von "Ground Zero" deutlich zu erkennen. Rechtes Bild: Der Studioleiter des ZDF-Studios New York, Udo van Kampen, im Gespräch mit seiner Mitarbeiterin Julie von Kessel am 11. September 2001. Von Kessel konnte sich nach dem Einsturz der Doppeltürme des World Trade Centers zurück zum Studio durchschlagen und von ihren Erlebnissen aus erster Hand berichten...... 197 Abbildung 44: Das aus den Trümmern des World Trade Centers geborgene Equipment des Photographen Bill Biggart. Er selbst kam in den Trümmern ums Leben...... 198 Abbildung 45: Der letzte Filmstreifen aus der Kamera Bill Biggarts. Deutlich ist die Lichteinwirkung zu erkennen...... 198 Abbildung 46: Ausgewählte Titelseiten amerikanischer Tageszeitungen vom 11. und 12. September 2001. Teil I...... 200 Abbildung 47: Ausgewählte Titelseiten amerikanischer Tageszeitungen vom 11. und 12. September 2001. Teil II...... 201 Abbildung 48: Ausgewählte Titelseiten deutscher Tageszeitungen vom 12. September 2001....202 Abbildung 49: Schlagzeilen ausgewählter Tageszeitungen vom 27. bis zum 31. Dezember 1979 ...... 215 Abbildung 50: Afghanistan unter sowjetischer Besatzung, 1979 – 1989...... 216 Abbildung 51: Sowjetische Schützenmine PFM-1...... 219 Abbildung 52: 15. Februar 1989 – Die letzten sowjetischen Panzer verlassen Afghanistan...... 220 Abbildung 53: 15. Februar 1989 – Der letzte sowjetische Soldat, General Boris Gromov, verläßt Afghanistan. Begleitet wird er von seinen Sohn (?). Begrüßt wird Gromov von seiner Frau.....221 Abbildung 54: Der alliierte Operationsplan für “Desert Storm”...... 244 Abbildung 55: Titelblatt des Nachrichtenmagazins “Newsweek” vom 21. März 2003...... 249 Abbildung 56: The second night of war in Iraq brings heavy bombing in Baghdad and the start of the United States' "Shock and Awe" campaign...... 250 Abbildung 57: U.S. Army 3rd Infantry Division Sgt. Steven Brussel leans into the wind as a sandstorm at dusk turns the desert red near Karbala, Iraq Tuesday, March 25, 2003. The sandstorm grounded many bombing flights over Iraq and slowed U.S.-led military progress in the area near Karbala...... 251 Abbildung 58: Obwohl die eingebetteten Journalisten eigentlich keine eigenen Fahrzeuge mitführen durften, geschah dies dennoch. Auf diesem Bild ist die SNG von CNN "Betsy" zu sehen. Im Prinzip handelt es sich bei “Betsy” um nichts anderes als ein HMMWV (High Mobility Multipurpose Wheeled Vehicle) der US-Streitkräfte mit dem Satelliten-Uplink von CNN auf dem Dach...... 268

Seite 335 “The Picture Survives”

Abbildung 59: Der Photograph der LA Times, Rick Loomis, war 2003 „embedded“ in dem 1st Batallion, 4th Marines...... 269 Abbildung 60: 030402-D-0000X-004 Operation Iraqi Freedom (April 2, 2003) - U.S. Army Pfc. Jessica D. Lynch, 19, of Palestine, W.Va., is shown being carried aboard a coalition aircraft following her rescue from her Iraqi captors. Lynch had been listed as Duty Status Whereabouts Unknown following an ambush of her convoy by enemy forces on March 23, 2003. Lynch had been held at Saddam Hospital in the town of Nasiriyah, Iraq – a facilty used by the Iraqi regime as a military post. Lynch is assigned to the 507th Ordnance Maintenance Company, Fort Bliss, Texas. U.S. Army Rangers, Air Force combat controllers, Navy SEALs (Sea Air Land) and Marines participated in the rescue effort. DoD photo. (Released) ...... 272 Abbildung 61: Linkes Bild: Ein irakischer Reporter befragt einen irakischen Bauern, der angeblich den im Hintergund zu sehenden Helikopter mit seiner Flinte abgeschossen haben soll. Rechtes Bild: Der gleiche Reporter heizt offenbar die umstehende Menge zu Lobeshymnen auf Saddan Hussein an...... 273 Abbildung 62: A U.S. soldier watches as a statue of Iraq's President Saddam Hussein falls in central Baghdad April 9, 2003. U.S. troops pulled down a 20-foot (six metre) high statue of President Saddam Hussein in central Baghdad on Wednesday and Iraqis danced on it in contempt for the man who ruled them with an iron grip for 24 years. In scenes reminiscent of the fall of the Berlin Wall in 1989, Iraqis earlier took a sledgehammer to the marble plinth under the statue of Saddam. Youths had placed a noose around the statue's neck and attached the rope to a U.S. armoured recovery vehicle...... 274 Abbildung 63: Linkes Bild: Die beiden GI's, die am Fall der Saddam Statue beteiligt waren, im Interview mit dem amerikanischen Fernsehsender NBC. Rechtes Bild: Einer der beiden GI's entfernt die amerikanische Flagge von Kopf Saddam Husseins...... 275 Abbildung 64: President George W. Bush addressing the nation aboard the nuclear aircraft carrier USS Abraham Lincoln May 1, 2003...... 276 Abbildung 65: After distributing school supplies and toy donated by Marine families back home, Chaplain's Assistant LCpl Andrew S. Champion walks Iraqi children back to their families.....281

1.7

Seite 336 “The Picture Survives”

10.3 Ausgewählte Dokumente

10.4 Code of Practice des Rory Peck Trusts vom November 20001173

The Code of Practice

( 1 )

• The preservation of human life and safety is paramount. Staff and freelancers should be made aware that unwarranted risks in pursuit of a story are unacceptable and must be strongly discouraged. As- signments to war zones or hostile environments must be voluntary and should only involve experi- enced newsgatherers and those under their direct supervision.

• All staff and freelancers asked to work in hostile environments must have access to appropriate safety training and retraining. Employers are encouraged to make this mandatory.

• Employers must provide efficient safety equipment to all staff and freelancers assigned to hazardous locations, including personal issue kevlar vest/jackets, protective headgear and properly protected vehicles if necessary.

• All staff and freelances should be afforded personal insurance while working in hostile areas includ- ing cover against death and personal injury.

• Employers to provide and encourage the use of voluntary and confidential counselling for staff and freelances returning from hostile areas or after the coverage of distressing events. (This is likely to require some training of managers in the recognition of the symptoms of post traumatic stress dis- order.)

• Media companies and their representatives are neutral observers. No member of the media should carry a firearm in the course of their work.

( 2 )

• We will work together to establish a databank of safety information, including the exchange of up to date safety assessments of hostile and dangerous areas. • We will work with other broadcasters and other organizations to safeguard journalists in the field

1173 Quelle: http://www.rorypecktrust.org/ (Letzter Zugriff 15. 07. 2008)

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10.5 Public Affairs Guidance (PAG) On Embedding Media During Possible Fu- ture Operations /Deployments In The U.S. Central Command’s Area Of Re- sponsibility, 28. Februar 20031174

101900Z FEB 03 FM SECDEF WASHINGTON DC//OASD-PA// TO SECDEF WASHINGTON DC//CHAIRS// AIG 8777 HQ USEUCOM VAIHINGEN GE//PA// USCINCEUR VAIHINGEN GE//ECPA// JOINT STAFF WASHINGTON DC//PA// SECSTATE WASHINGTON DC//PA// CJCS WASHINGTON DC//PA// NSC WASHINGTON DC WHITE HOUSE SITUATION ROOM INFO SECDEF WASHINGTON DC//OASD-PA/DPO//

UNCLAS

SUBJECT: PUBLIC AFFAIRS GUIDANCE (PAG) ON EMBEDDING MEDIA DURING POSSIBLE FUTURE OPERATIONS/DEPLOYMENTS IN THE U.S. CENTRAL COMMANDS (CENTCOM) AREA OF RESPONSIBILITY (AOR).

REFERENCES: REF. A. SECDEF MSG, DTG 172200Z JAN 03, SUBJ: PUBLIC AFFAIRS GUIDANCE (PAG) FOR MOVEMENT OF FORCES INTO THE CENTCOM AOR FOR POSSIBLE FUTURE OPERATIONS.

1. PURPOSE. THIS MESSAGE PROVIDES GUIDANCE, POLICIES AND PROCEDURES ON EMBEDDING NEWS MEDIA DURING POSSIBLE FUTURE OPERATIONS/DEPLOYMENTS IN THE CENTCOM AOR. IT CAN BE ADAPTED FOR USE IN OTHER UNIFIED COMMAND AORS AS NECESSARY.

2. POLICY.

2.A. THE DEPARTMENT OF DEFENSE (DOD) POLICY ON MEDIA COVERAGE OF FUTURE MILITARY OPERATIONS IS THAT MEDIA WILL HAVE LONG-TERM, MINIMALLY RESTRICTIVE ACCESS TO U.S. AIR, GROUND AND NAVAL FORCES THROUGH EMBEDDING. MEDIA COVERAGE OF ANY FUTURE OPERATION WILL, TO A LARGE EXTENT, SHAPE PUBLIC PERCEPTION OF THE NATIONAL SECURITY ENVIRONMENT NOW AND IN THE YEARS AHEAD. THIS HOLDS TRUE FOR THE U.S. PUBLIC; THE PUBLIC IN ALLIED COUNTRIES WHOSE OPINION CAN AFFECT THE DURABILITY OF OUR COALITION; AND PUBLICS IN COUNTRIES WHERE WE CONDUCT OPERATIONS, WHOSE PERCEPTIONS OF US CAN AFFECT THE COST AND DURATION OF OUR INVOLVEMENT. OUR ULTIMATE STRATEGIC SUCCESS IN BRINGING PEACE AND SECURITY TO THIS REGION WILL COME IN OUR LONG-TERM COMMIT-

1174 Quelle: http://www.defenselink.mil/news/Feb2003/d20030228pag.pdf (Letzter Zugriff 15.07.2008)

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MENT TO SUPPORTING OUR DEMOCRATIC IDEALS. WE NEED TO TELL THE FACTUAL STORY - GOOD OR BAD - BEFORE OTHERS SEED THE MEDIA WITH DISINFORMATION AND DISTORTIONS, AS THEY MOST CERTAINLY WILL CON- TINUE TO DO. OUR PEOPLE IN THE FIELD NEED TO TELL OUR STORY – ONLY COMMANDERS CAN ENSURE THE MEDIA GET TO THE STORY ALONGSIDE THE TROOPS. WE MUST ORGANIZE FOR AND FACILITATE ACCESS OF NATIONAL AND INTERNATIONAL MEDIA TO OUR FORCES, INCLUDING THOSE FORCES ENGAGED IN GROUND OPERATIONS, WITH THE GOAL OF DOING SO RIGHT FROM THE START. TO ACCOMPLISH THIS, WE WILL EMBED MEDIA WITH OUR UNITS. THESE EMBEDDED MEDIA WILL LIVE, WORK AND TRAVEL AS PART OF THE UNITS WITH WHICH THEY ARE EMBEDDED TO FACILITATE MAXIMUM, IN-DEPTH COVERAGE OF U.S. FORCES IN COMBAT AND RELATED OPERATIONS. COMMANDERS AND PUBLIC AFFAIRS OFFICERS MUST WORK TOGETHER TO BALANCE THE NEED FOR MEDIA ACCESS WITH THE NEED FOR OPERATIONAL SECURITY.

2.B. MEDIA WILL BE EMBEDDED WITH UNIT PERSONNEL AT AIR AND GROUND FORCES BASES AND AFLOAT TO ENSURE A FULL UNDERSTANDING OF ALL OPERATIONS. MEDIA WILL BE GIVEN ACCESS TO OPERATIONAL COMBAT MISSIONS, INCLUDING MISSION PREPARATION AND DEBRIEFING, WHENEVER POSSIBLE.

2.C. A MEDIA EMBED IS DEFINED AS A MEDIA REPRESENTATIVE REMAINING WITH A UNIT ON AN EXTENDED BASIS - PERHAPS A PERIOD OF WEEKS OR EVEN MONTHS. COMMANDERS WILL PROVIDE BILLETING, RATIONS AND MEDICAL ATTENTION, IF NEEDED, TO THE EMBEDDED MEDIA COMMENSURATE WITH THAT PROVIDED TO MEMBERS OF THE UNIT, AS WELL AS ACCESS TO MILITARY TRANSPORTATION AND ASSISTANCE WITH COMMU- NICATIONS FILING/TRANSMITTING MEDIA PRODUCTS, IF REQUIRED.

2.C.1. EMBEDDED MEDIA ARE NOT AUTHORIZED USE OF THEIR OWN VEHICLES WHILE TRAVELING IN AN EMBEDDED STATUS.

2.C.2. TO THE EXTENT POSSIBLE, SPACE ON MILITARY TRANSPORTATION WILL BE MADE AVAILABLE FOR MEDIA EQUIPMENT NECESSARY TO COVER A PARTICULAR OPERATION. THE MEDIA IS RESPONSIBLE FOR LOADING AND CARRYING THEIR OWN EQUIPMENT AT ALL TIMES. USE OF PRIORITY IN- TER-THEATER AIRLIFT FOR EMBEDDED MEDIA TO COVER STORIES, AS WELL AS TO FILE STORIES, IS HIGHLY ENCOURAGED. SEATS ABOARD VEHICLES, AIRCRAFT AND NAVAL SHIPS WILL BE MADE AVAILABLE TO ALLOW MAXIMUM COVERAGE OF U.S. TROOPS IN THE FIELD.

2.C.3. UNITS SHOULD PLAN LIFT AND LOGISTICAL SUPPORT TO ASSIST IN MOVING MEDIA PRODUCTS TO AND FROM THE BATTLEFIELD SO AS TO TELL OUR STORY IN A TIMELY MANNER. IN THE EVENT OF COMMERCIAL COMMUNICATIONS DIFFICULTIES, MEDIA ARE AUTHORIZED TO FILE STO- RIES VIA EXPEDITIOUS MILITARY SIGNAL/COMMUNICATIONS CAPABILITIES.

Seite 339 “The Picture Survives”

2.C.4. NO COMMUNICATIONS EQUIPMENT FOR USE BY MEDIA IN THE CONDUCT OF THEIR DUTIES WILL BE SPECIFICALLY PROHIBITED. HOWEVER, UNIT COMMANDERS MAY IMPOSE TEMPORARY RESTRICTIONS ON ELECTRONIC TRANSMISSIONS FOR OPERATIONAL SECURITY REASONS. MEDIA WILL SEEK APPROVAL TO USE ELECTRONIC DEVICES IN A COMBAT/HOSTILE ENVIRONMENT, UNLESS OTHERWISE DIRECTED BY THE UNIT COMMANDER OR HIS/HER DESIGNATED REPRESENTATIVE. THE USE OF COMMUNICATIONS EQUIPMENT WILL BE DISCUSSED IN FULL WHEN THE ME- DIA ARRIVE AT THEIR ASSIGNED UNIT.

3. PROCEDURES.

3.A. THE OFFICE OF THE ASSISTANT SECRETARY OF DEFENSE FOR PUBLIC AFFAIRS (OASD(PA) IS THE CENTRAL AGENCY FOR MANAGING AND VETTING MEDIA EMBEDS TO INCLUDE ALLOCATING EMBED SLOTS TO MEDIA ORGANIZATIONS. EMBED AUTHORITY MAY BE DELEGATED TO SUBORDINATE ELEMENTS AFTER THE COMMENCEMENT OF HOSTILITIES AND AT THE DIS- CRETION OF OASD(PA). EMBED OPPORTUNITIES WILL BE ASSIGNED TO ME- DIA ORGANIZATIONS, NOT TO INDIVIDUAL REPORTERS. THE DECISION AS TO WHICH MEDIA REPRESENTATIVE WILL FILL ASSIGNED EMBED SLOTS WILL BE MADE BY THE DESIGNATED POC FOR EACH NEWS ORGANIZATION.

3.A.1. IAW REF. A, COMMANDERS OF UNITS IN RECEIPT OF A DEPLOY- MENT ORDER MAY EMBED REGIONAL/LOCAL MEDIA DURING PREPARATIONS FOR DEPLOYMENT, DEPLOYMENT AND ARRIVAL IN THEATER UPON RECEIPT OF THEATER CLEARANCE FROM CENTCOM AND APPROVAL OF THE COMPONENT COMMAND. COMMANDERS WILL INFORM THESE MEDIA, PRIOR TO THE DE- PLOYING EMBED, THAT OASD(PA) IS THE APPROVAL AUTHORITY FOR ALL COMBAT EMBEDS AND THAT THEIR PARTICULAR EMBED MAY END AFTER THE UNIT'S ARRIVAL IN THEATER. THE MEDIA ORGANIZATION MAY APPLY TO OASD(PA) FOR CONTINUED EMBEDDING, BUT THERE IS NO GUARANTEE AND THE MEDIA ORGANIZATION WILL HAVE TO MAKE ARRANGEMENTS FOR AND PAY FOR THE JOURNALISTS' RETURN TRIP.

3.B. WITHOUT MAKING COMMITMENTS TO MEDIA ORGANIZATIONS, DEPLOY- ING UNITS WILL IDENTIFY LOCAL MEDIA FOR POTENTIAL EMBEDS AND NO- MINATE THEM THROUGH PA CHANNELS TO OASD(PA) (POC: MAJ TIM BLAIR, DSN 227-1253; COMM. 703-697-1253; EMAIL [email protected]). INFORMATION REQUIRED TO BE FORWARDED INCLUDES MEDIA ORGANIZATION, TYPE OF MEDIA AND CONTACT INFORMA- TION INCLUDING BUREAU CHIEF/MANAGING EDITOR/NEWS DIRECTOR'S NAME; OFFICE, HOME AND CELL PHONE NUMBERS; PAGER NUMBERS AND EMAIL ADDRESSES. SUBMISSIONS FOR EMBEDS WITH SPECIFIC UNITS SHOULD INCLUDE AN UNIT'S RECOMMENDATION AS TO WHETHER THE RE- QUEST SHOULD BE HONORED.

3.C. UNIT COMMANDERS SHOULD ALSO EXPRESS, THROUGH THEIR CHAIN OF COMMAND AND PA CHANNELS TO OASD(PA), THEIR DESIRE AND CAPABI- LITY TO SUPPORT ADDITIONAL MEDIA EMBEDS BEYOND THOSE ASSIGNED.

Seite 340 “The Picture Survives”

3.D. FREELANCE MEDIA WILL BE AUTHORIZED TO EMBED IF THEY ARE SELECTED BY A NEWS ORGANIZATION AS THEIR EMBED REPRESENTATIVE.

3.E. UNITS WILL BE AUTHORIZED DIRECT COORDINATION WITH MEDIA AFTER ASSIGNMENT AND APPROVAL BY OASD(PA).

3.E.1.UNITS ARE RESPONSIBLE FOR ENSURING THAT ALL EMBEDDED MEDIA AND THEIR NEWS ORGANIZATIONS HAVE SIGNED THE "RELEASE, INDEMNI- FICATION, AND HOLD HARMLESS AGREEMENT AND AGREEMENT NOT TO SUE", FOUND AT HTTP://WWW.DEFENSELINK.MIL/NEWS/FEB2003/D20030210EMBED.PDF. UNITS MUST MAINTAIN A COPY OF THIS AGREEMENT FOR ALL MEDIA EM- BEDDED WITH THEIR UNIT.

3.F. EMBEDDED MEDIA OPERATE AS PART OF THEIR ASSIGNED UNIT. AN ESCORT MAY BE ASSIGNED AT THE DISCRETION OF THE UNIT COMMANDER. THE ABSENCE OF A PA ESCORT IS NOT A REASON TO PRECLUDE MEDIA AC- CESS TO OPERATIONS.

3.G. COMMANDERS WILL ENSURE THE MEDIA ARE PROVIDED WITH EVERY OPPORTUNITY TO OBSERVE ACTUAL COMBAT OPERATIONS. THE PERSONAL SAFETY OF CORRESPONDENTS IS NOT A REASON TO EXCLUDE THEM FROM COMBAT AREAS.

3.H. IF, IN THE OPINION OF THE UNIT COMMANDER, A MEDIA REPRESEN- TATIVE IS UNABLE TO WITHSTAND THE RIGOROUS CONDITIONS REQUIRED TO OPERATE WITH THE FORWARD DEPLOYED FORCES, THE COMMANDER OR HIS/HER REPRESENTATIVE MAY LIMIT THE REPRESENTATIVES PARTICIPA- TION WITH OPERATIONAL FORCES TO ENSURE UNIT SAFETY AND INFORM OASD(PA) THROUGH PA CHANNELS AS SOON AS POSSIBLE. GENDER WILL NOT BE AN EXCLUDING FACTOR UNDER ANY CIRCUMSTANCE.

3.I. IF FOR ANY REASON A MEDIA REPRESENTATIVE CANNOT PARTICIPATE IN AN OPERATION, THEY WILL BE TRANSPORTED TO THE NEXT HIGHER HEADQUARTERS FOR THE DURATION OF THE OPERATION.

3.J. COMMANDERS WILL OBTAIN THEATER CLEARANCE FROM CENTCOM/PA FOR MEDIA EMBARKING ON MILITARY CONVEYANCE FOR PURPOSES OF EM- BEDDING.

3.K. UNITS HOSTING EMBEDDED MEDIA WILL ISSUE INVITATIONAL TRAVEL ORDERS, AND NUCLEAR, BIOLOGICAL AND CHEMICAL (NBC) GEAR. SEE PARA. 5. FOR DETAILS ON WHICH ITEMS ARE ISSUED AND WHICH ITEMS THE MEDIA ARE RESPONSIBLE TO PROVIDE FOR THEMSELVES.

3.L. MEDIA ARE RESPONSIBLE FOR OBTAINING THEIR OWN PASSPORTS AND VISAS.

Seite 341 “The Picture Survives”

3.M. MEDIA WILL AGREE TO ABIDE BY THE CENTCOM/OASD(PA) GROUND RULES STATED IN PARA. 4 OF THIS MESSAGE IN EXCHANGE FOR COMMAND/ UNIT-PROVIDED SUPPORT AND ACCESS TO SERVICE MEMBERS, INFORMATION AND OTHER PREVIOUSLY-STATED PRIVILEGES. ANY VIOLATION OF THE GROUND RULES COULD RESULT IN TERMINATION OF THAT MEDIA'S EMBED OPPORTUNITY.

3.N. DISPUTES/DIFFICULTIES. ISSUES, QUESTIONS, DIFFICULTIES OR DISPUTES ASSOCIATED WITH GROUND RULES OR OTHER ASPECTS OF EMBEDDING MEDIA THAT CANNOT BE RESOLVED AT THE UNIT LEVEL, OR THROUGH THE CHAIN OF COMMAND, WILL BE FORWARDED THROUGH PA CHAN- NELS FOR RESOLUTION. COMMANDERS WHO WISH TO TERMINATE AN EMBED FOR CAUSE MUST NOTIFY CENTCOM/PA PRIOR TO TERMINATION. IF A DIS- PUTE CANNOT BE RESOLVED AT A LOWER LEVEL, OASD(PA) WILL BE THE FINAL RESOLUTION AUTHORITY. IN ALL CASES, THIS SHOULD BE DONE AS EXPEDITIOUSLY AS POSSIBLE TO PRESERVE THE NEWS VALUE OF THE SI- TUATION.

3.O. MEDIA WILL PAY THEIR OWN BILLETING EXPENSES IF BILLETED IN A COMMERCIAL FACILITY.

3.P. MEDIA WILL DEPLOY WITH THE NECESSARY EQUIPMENT TO COLLECT AND TRANSMIT THEIR STORIES.

3.Q. THE STANDARD FOR RELEASE OF INFORMATION SHOULD BE TO ASK "WHY NOT RELEASE" VICE "WHY RELEASE." DECISIONS SHOULD BE MADE ASAP, PREFERABLY IN MINUTES, NOT HOURS.

3.R. THERE IS NO GENERAL REVIEW PROCESS FOR MEDIA PRODUCTS. SEE PARA 6.A. FOR FURTHER DETAIL CONCERNING SECURITY AT THE SOURCE.

3.S. MEDIA WILL ONLY BE GRANTED ACCESS TO DETAINEES OR EPWS WITHIN THE PROVISIONS OF THE GENEVA CONVENTIONS OF 1949. SEE PARA. 4.G.17. FOR THE GROUND RULE.

3.T. HAVING EMBEDDED MEDIA DOES NOT PRECLUDE CONTACT WITH OTHER MEDIA. EMBEDDED MEDIA, AS A RESULT OF TIME INVESTED WITH THE UNIT AND GROUND RULES AGREEMENT, MAY HAVE A DIFFERENT LEVEL OF ACCESS.

3.U. CENTCOM/PA WILL ACCOUNT FOR EMBEDDED MEDIA DURING THE TIME THE MEDIA IS EMBEDDED IN THEATER. CENTCOM/PA WILL REPORT CHANGES IN EMBED STATUS TO OASD(PA) AS THEY OCCUR.

3.V. IF A MEDIA REPRESENTATIVE IS KILLED OR INJURED IN THE COUR- SE OF MILITARY OPERATIONS, THE UNIT WILL IMMEDIATELY NOTIFY OASD(PA), THROUGH PA CHANNELS. OASD(PA) WILL CONTACT THE RESPECTIVE MEDIA ORGANIZATION(S), WHICH WILL MAKE NEXT OF KIN

Seite 342 “The Picture Survives”

NOTIFICATION IN ACCORDANCE WITH THE INDIVIDUAL'S WISHES.

3.W. MEDIA MAY TERMINATE THEIR EMBED OPPORTUNITY AT ANY TIME. UNIT COMMANDERS WILL PROVIDE, AS THE TACTICAL SITUATION PERMITS AND BASED ON THE AVAILABILITY OF TRANSPORTATION, MOVEMENT BACK TO THE NEAREST LOCATION WITH COMMERCIAL TRANSPORTATION.

3.W.1. DEPARTING MEDIA WILL BE DEBRIEFED ON OPERATIONAL SECURITY CONSIDERATIONS AS APPLICABLE TO ONGOING AND FUTURE OPERATIONS WHICH THEY MAY NOW HAVE INFORMATION CONCERNING.

4. GROUND RULES. FOR THE SAFETY AND SECURITY OF U.S. FORCES AND EMBEDDED MEDIA, MEDIA WILL ADHERE TO ESTABLISHED GROUND RULES. GROUND RULES WILL BE AGREED TO IN ADVANCE AND SIGNED BY MEDIA PRIOR TO EMBEDDING. VIOLATION OF THE GROUND RULES MAY RE- SULT IN THE IMMEDIATE TERMINATION OF THE EMBED AND REMOVAL FROM THE AOR. THESE GROUND RULES RECOGNIZE THE RIGHT OF THE MEDIA TO COVER MILITARY OPERATIONS AND ARE IN NO WAY INTENDED TO PREVENT RELEASE OF DEROGATORY, EMBARRASSING, NEGATIVE OR UNCOMPLIMENTARY INFORMATION. ANY MODIFICATION TO THE STANDARD GROUND RULES WILL BE FORWARDED THROUGH THE PA CHANNELS TO CENTCOM/PA FOR APPROVAL. STANDARD GROUND RULES ARE:

4.A. ALL INTERVIEWS WITH SERVICE MEMBERS WILL BE ON THE RECORD. SECURITY AT THE SOURCE IS THE POLICY. INTERVIEWS WITH PILOTS AND AIRCREW MEMBERS ARE AUTHORIZED UPON COMPLETION OF MISSIONS; HO- WEVER, RELEASE OF INFORMATION MUST CONFORM TO THESE MEDIA GROUND RULES.

4.B. PRINT OR BROADCAST STORIES WILL BE DATELINED ACCORDING TO LOCAL GROUND RULES. LOCAL GROUND RULES WILL BE COORDINATED THROUGH COMMAND CHANNELS WITH CENTCOM.

4.C. MEDIA EMBEDDED WITH U.S. FORCES ARE NOT PERMITTED TO CARRY PERSONAL FIREARMS.

4.D. LIGHT DISCIPLINE RESTRICTIONS WILL BE FOLLOWED. VISIBLE LIGHT SOURCES, INCLUDING FLASH OR TELEVISION LIGHTS, FLASH CAMERAS WILL NOT BE USED WHEN OPERATING WITH FORCES AT NIGHT UNLESS SPECIFICALLY APPROVED IN ADVANCE BY THE ON-SCENE COMMANDER.

4.E. EMBARGOES MAY BE IMPOSED TO PROTECT OPERATIONAL SECURITY. EMBARGOES WILL ONLY BE USED FOR OPERATIONAL SECURITY AND WILL BE LIFTED AS SOON AS THE OPERATIONAL SECURITY ISSUE HAS PASSED.

4.F. THE FOLLOWING CATEGORIES OF INFORMATION ARE RELEASABLE.

4.F.1. APPROXIMATE FRIENDLY FORCE STRENGTH FIGURES.

Seite 343 “The Picture Survives”

4.F.2. APPROXIMATE FRIENDLY CASUALTY FIGURES BY SERVICE. EMBED- DED MEDIA MAY, WITHIN OPSEC LIMITS, CONFIRM UNIT CASUALTIES THEY HAVE WITNESSED.

4.F.3. CONFIRMED FIGURES OF ENEMY PERSONNEL DETAINED OR CAPTURED.

4.F.4. SIZE OF FRIENDLY FORCE PARTICIPATING IN AN ACTION OR OPERATION CAN BE DISCLOSED USING APPROXIMATE TERMS. SPECIFIC FORCE OR UNIT IDENTIFICATION MAY BE RELEASED WHEN IT NO LONGER- WARRANTS SECURITY PROTECTION.

4.F.5. INFORMATION AND LOCATION OF MILITARY TARGETS AND OBJECTIVES PREVIOUSLY UNDER ATTACK.

4.F.6. GENERIC DESCRIPTION OF ORIGIN OF AIR OPERATIONS, SUCH AS "LAND-BASED."

4.F.7. DATE, TIME OR LOCATION OF PREVIOUS CONVENTIONAL MILITARY MISSIONS AND ACTIONS, AS WELL AS MISSION RESULTS ARE RELEASABLE ONLY IF DESCRIBED IN GENERAL TERMS.

4.F.8. TYPES OF ORDNANCE EXPENDED IN GENERAL TERMS.

4.F.9. NUMBER OF AERIAL COMBAT OR RECONNAISSANCE MISSIONS OR SORTIES FLOWN IN CENTCOM'S AREA OF OPERATION.

4.F.10. TYPE OF FORCES INVOLVED (E.G., AIR DEFENSE, INFANTRY, ARMOR, MARINES).

4.F.11. ALLIED PARTICIPATION BY TYPE OF OPERATION (SHIPS, AIRCRAFT, GROUND UNITS, ETC.) AFTER APPROVAL OF THE ALLIED UNIT- COMMANDER.

4.F.12. OPERATION CODE NAMES.

4.F.13. NAMES AND HOMETOWNS OF U.S. MILITARY UNITS.

4.F.14. SERVICE MEMBERS' NAMES AND HOME TOWNS WITH THE INDIVIDUALS' CONSENT.

4.G. THE FOLLOWING CATEGORIES OF INFORMATION ARE NOT RELEASABLE SINCE THEIR PUBLICATION OR BROADCAST COULD JEOPARDIZE OPERATIONS AND ENDANGER LIVES.

4.G.1. SPECIFIC NUMBER OF TROOPS IN UNITS BELOW CORPS/MEF LEVEL.

Seite 344 “The Picture Survives”

4.G.2. SPECIFIC NUMBER OF AIRCRAFT IN UNITS AT OR BELOW THE AIR- EXPEDITIONARY WING LEVEL.

4.G.3. SPECIFIC NUMBERS REGARDING OTHER EQUIPMENT OR CRITICAL SUPPLIES (E.G. ARTILLERY, TANKS, LANDING CRAFT, RADARS, TRUCKS, WATER, ETC.).

4.G.4. SPECIFIC NUMBERS OF SHIPS IN UNITS BELOW THE CARRIER BATTLE GROUP LEVEL.

4.G.5. NAMES OF MILITARY INSTALLATIONS OR SPECIFIC GEOGRAPHIC LOCATIONS OF MILITARY UNITS IN THE CENTCOM AREA OF RESPONSIBILI- TY, UNLESS SPECIFICALLY RELEASED BY THE DEPARTMENT OF DEFENSE OR AUTHORIZED BY THE CENTCOM COMMANDER. NEWS AND IMAGERY PRODUCTS THAT IDENTIFY OR INCLUDE IDENTIFIABLE FEATURES OF THESE LOCATI- ONS ARE NOT AUTHORIZED FOR RELEASE.

4.G.6. INFORMATION REGARDING FUTURE OPERATIONS.

4.G.7. INFORMATION REGARDING FORCE PROTECTION MEASURES AT MILI- TARY INSTALLATIONS OR ENCAMPMENTS (EXCEPT THOSE WHICH ARE VISIBLE OR READILY APPARENT).

4.G.8. PHOTOGRAPHY SHOWING LEVEL OF SECURITY AT MILITARY INSTALLATIONS OR ENCAMPMENTS.

4.G.9. RULES OF ENGAGEMENT.

4.G.10. INFORMATION ON INTELLIGENCE COLLECTION ACTIVITIES COMPROMISING TACTICS, TECHNIQUES OR PROCEDURES.

4.G.11. EXTRA PRECAUTIONS IN REPORTING WILL BE REQUIRED AT THE COMMENCEMENT OF HOSTILITIES TO MAXIMIZE OPERATIONAL SURPRISE. LIVE BROADCASTS FROM AIRFIELDS, ON THE GROUND OR AFLOAT, BY EM- BEDDED MEDIA ARE PROHIBITED UNTIL THE SAFE RETURN OF THE INITIAL STRIKE PACKAGE OR UNTIL AUTHORIZED BY THE UNIT COMMANDER.

4.G.12. DURING AN OPERATION, SPECIFIC INFORMATION ON FRIENDLY FORCE TROOP MOVEMENTS, TACTICAL DEPLOYMENTS, AND DISPOSITIONS THAT WOULD JEOPARDIZE OPERATIONAL SECURITY OR LIVES. INFORMATION ON ON-GOING ENGAGEMENTS WILL NOT BE RELEASED UNLESS AUTHORIZED FOR RELEASE BY ON-SCENE COMMANDER.

4.G.13. INFORMATION ON SPECIAL OPERATIONS UNITS, UNIQUE OPERATI- ONS METHODOLOGY OR TACTICS, FOR EXAMPLE, AIR OPERATIONS, ANGLES OF ATTACK, AND SPEEDS; NAVAL TACTICAL OR EVASIVE MANEUVERS, ETC. GENERAL TERMS SUCH AS "LOW" OR "FAST" MAY BE USED.

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4.G.14. INFORMATION ON EFFECTIVENESS OF ENEMY ELECTRONIC WARFARE.

4.G.15. INFORMATION IDENTIFYING POSTPONED OR CANCELED OPERATIONS.

4.G.16. INFORMATION ON MISSING OR DOWNED AIRCRAFT OR MISSING VESSELS WHILE SEARCH AND RESCUE AND RECOVERY OPERATIONS ARE BEING PLANNED OR UNDERWAY.

4.G.17. INFORMATION ON EFFECTIVENESS OF ENEMY CAMOUFLAGE, COVER, DECEPTION, TARGETING, DIRECT AND INDIRECT FIRE, INTELLI- GENCE COLLECTION, OR SECURITY MEASURES.

4.G.18. NO PHOTOGRAPHS OR OTHER VISUAL MEDIA SHOWING AN ENEMY PRISONER OF WAR OR DETAINEE'S RECOGNIZABLE FACE, NAMETAG OR OTHER IDENTIFYING FEATURE OR ITEM MAY BE TAKEN.

4.G.19. STILL OR VIDEO IMAGERY OF CUSTODY OPERATIONS OR INTERVIEWS WITH PERSONS UNDER CUSTODY.

4.H. THE FOLLOWING PROCEDURES AND POLICIES APPLY TO COVERAGE OF WOUNDED, INJURED, AND ILL PERSONNEL:

4.H.1. MEDIA REPRESENTATIVES WILL BE REMINDED OF THE SENSITIVITY OF USING NAMES OF INDIVIDUAL CASUALTIES OR PHOTOGRAPHS THEY MAY HAVE TAKEN WHICH CLEARLY IDENTIFY CASUALTIES UNTIL AFTER NOTIFI- CATION OF THE NOK AND RELEASE BY OASD(PA).

4.H.2. BATTLEFIELD CASUALTIES MAY BE COVERED BY EMBEDDED MEDIA AS LONG AS THE SERVICE MEMBER'S IDENTITY IS PROTECTED FROM DISCLOSURE FOR 72 HOURS OR UPON VERIFICATION OF NOK NOTIFICATION, WHICHEVER IS FIRST.

4.H.3. MEDIA VISITS TO MEDICAL FACILITIES WILL BE IN ACCORDANCE WITH APPLICABLE REGULATIONS , STANDARD OPERATING PROCEDURES, OPERATIONS ORDERS AND INSTRUCTIONS BY ATTENDING PHYSICIANS. IF APPROVED, SERVICE OR MEDICAL FACILITY PERSONNEL MUST ESCORT ME- DIA AT ALL TIMES.

4.H.4. PATIENT WELFARE, PATIENT PRIVACY, AND NEXT OF KIN/FAMILY CONSIDERATIONS ARE THE GOVERNING CONCERNS ABOUT NEWS MEDIA CO- VERAGE OF WOUNDED, INJURED, AND ILL PERSONNEL IN MEDICAL TREAT- MENT FACILITIES OR OTHER CASUALTY COLLECTION AND TREATMENT LOCA- TIONS.

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4.H.5. MEDIA VISITS ARE AUTHORIZED TO MEDICAL CARE FACILITIES, BUT MUST BE APPROVED BY THE MEDICAL FACILITY COMMANDER AND AT- TENDING PHYSICIAN AND MUST NOT INTERFERE WITH MEDICAL TREATMENT. REQUESTS TO VISIT MEDICAL CARE FACILITIES OUTSIDE THE CONTINENTAL UNITED STATES WILL BE COORDINATED BY THE UNIFIED COMMAND PA.

4.H.6. REPORTERS MAY VISIT THOSE AREAS DESIGNATED BY THE FACILI- TY COMMANDER, BUT WILL NOT BE ALLOWED IN OPERATING ROOMS DURING OPERATING PROCEDURES.

4.H.7. PERMISSION TO INTERVIEW OR PHOTOGRAPH A PATIENT WILL BE GRANTED ONLY WITH THE CONSENT OF THE ATTENDING PHYSICIAN OR FA- CILITY COMMANDER AND WITH THE PATIENT'S INFORMED CONSENT, WIT- NESSED BY THE ESCORT.

4.H.8. "INFORMED CONSENT" MEANS THE PATIENT UNDERSTANDS HIS OR HER PICTURE AND COMMENTS ARE BEING COLLECTED FOR NEWS MEDIA PUR- POSES AND THEY MAY APPEAR NATIONWIDE IN NEWS MEDIA REPORTS. 4.H.9. THE ATTENDING PHYSICIAN OR ESCORT SHOULD ADVISE THE SER- VICE MEMBER IF NOK HAVE BEEN NOTIFIED.

5. IMMUNIZATIONS AND PERSONAL PROTECTIVE GEAR.

5.A. MEDIA ORGANIZATIONS SHOULD ENSURE THAT MEDIA ARE PROPERLY IMMUNIZED BEFORE EMBEDDING WITH UNITS. THE CENTERS FOR DISEASE CONTROL (CDC)-RECOMMENDED IMMUNIZATIONS FOR DEPLOYMENT TO THE MIDDLE EAST INCLUDE HEPATITIS A; HEPATITIS B; RABIES; TETANUS- DIPHTHERIA; AND TYPHOID. THE CDC RECOMMENDS MENINGOCOCCAL IMMU- NIZATIONS FOR VISITORS TO MECCA. IF TRAVELING TO CERTAIN AREAS IN THE CENTCOM AOR, THE CDC RECOMMENDS TAKING PRESCRIPTION ANTI- MALARIAL DRUGS. ANTHRAX AND SMALLPOX VACCINES WILL BE PROVIDED TO THE MEDIA AT NO EXPENSE TO THE GOVERNMENT (THE MEDIA OUTLET WILL BEAR THE EXPENSE). FOR MORE HEALTH INFORMATION FOR TRAVE- LERS TO THE MIDDLE EAST, GO TO THE CDC WEB SITE AT HTTP://WW- W.CDC.GOV/TRAVEL/MIDEAST.HTM.

5.B. BECAUSE THE USE OF PERSONAL PROTECTIVE GEAR, SUCH AS HELMETS OR FLAK VESTS, IS BOTH A PERSONAL AND PROFESSIONAL CHOICE, MEDIA WILL BE RESPONSIBLE FOR PROCURING/USING SUCH EQUIPMENT. PERSONAL PROTECTIVE GEAR, AS WELL AS CLOTHING, WILL BE SUBDUED IN COLOR AND APPEARANCE.

5.C. EMBEDDED MEDIA ARE AUTHORIZED AND REQUIRED TO BE PROVIDED WITH, ON A TEMPORARY LOAN BASIS, NUCLEAR, BIOLOGICAL, CHEMICAL (NBC) PROTECTIVE EQUIPMENT BY THE UNIT WITH WHICH THEY ARE EM- BEDDED. UNIT PERSONNEL WILL PROVIDE BASIC INSTRUCTION IN THE PROPER WEAR, USE, AND MAINTENANCE OF THE EQUIPMENT. UPON TERMI- NATION OF THE EMBED, INITIATED BY EITHER PARTY, THE NBC EQUIP-

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MENT SHALL BE RETURNED TO THE EMBEDDING UNIT. IF SUFFICIENT NBC PROTECTIVE EQUIPMENT IS NOT AVAILABLE FOR EMBEDDED MEDIA, COM- MANDERS MAY PURCHASE ADDITIONAL EQUIPMENT, WITH FUNDS NORMALLY AVAILABLE FOR THAT PURPOSE, AND LOAN IT TO EMBEDDED MEDIA IN AC- CORDANCE WITH THIS PARAGRAPH.

6. SECURITY

6.A. MEDIA PRODUCTS WILL NOT BE SUBJECT TO SECURITY REVIEW OR CENSORSHIP EXCEPT AS INDICATED IN PARA. 6.A.1. SECURITY AT THE SOURCE WILL BE THE RULE. U.S. MILITARY PERSONNEL SHALL PROTECT CLASSIFIED INFORMATION FROM UNAUTHORIZED OR INADVERTENT DISCLOS- URE. MEDIA PROVIDED ACCESS TO SENSITIVE INFORMATION, INFORMATION WHICH IS NOT CLASSIFIED BUT WHICH MAY BE OF OPERATIONAL VALUE TO AN ADVERSARY OR WHEN COMBINED WITH OTHER UNCLASSIFIED INFORMATION MAY REVEAL CLASSIFIED INFORMATION, WILL BE INFORMED IN ADVANCE BY THE UNIT COMMANDER OR HIS/HER DESIGNATED REPRESENTATIVE OF THE RESTRICTIONS ON THE USE OR DISCLOSURE OF SUCH INFORMATION. WHEN IN DOUBT, MEDIA WILL CONSULT WITH THE UNIT COMMANDER OR HIS/HER DESIGNATED REPRESENTATIVE.

6.A.1. THE NATURE OF THE EMBEDDING PROCESS MAY INVOLVE OBSERVATION OF SENSITIVE INFORMATION, INCLUDING TROOP MOVEMENTS, BATTLE PREPARATIONS, MATERIEL CAPABILITIES AND VULNERABILITIES AND OTHER INFORMATION AS LISTED IN PARA. 4.G. WHEN A COMMANDER OR HIS/HER DESIGNATED REPRESENTATIVE HAS REASON TO BELIEVE THAT A MEDIA MEMBER WILL HAVE ACCESS TO THIS TYPE OF SENSITIVE INFOR- MATION, PRIOR TO ALLOWING SUCH ACCESS, HE/SHE WILL TAKE PRUDENT PRECAUTIONS TO ENSURE THE SECURITY OF THAT INFORMATION. THE PRI- MARY SAFEGUARD WILL BE TO BRIEF MEDIA IN ADVANCE ABOUT WHAT IN- FORMATION IS SENSITIVE AND WHAT THE PARAMETERS ARE FOR COVERING THIS TYPE OF INFORMATION. IF MEDIA ARE INADVERTENTLY EXPOSED TO SENSITIVE INFORMATION THEY SHOULD BE BRIEFED AFTER EXPOSURE ON WHAT INFORMATION THEY SHOULD AVOID COVERING. IN INSTANCES WHERE A UNIT COMMANDER OR THE DESIGNATED REPRESENTATIVE DETERMINES THAT COVERAGE OF A STORY WILL INVOLVE EXPOSURE TO SENSITIVE IN- FORMATION BEYOND THE SCOPE OF WHAT MAY BE PROTECTED BY PREBRIE- FING OR DEBRIEFING, BUT COVERAGE OF WHICH IS IN THE BEST INTE- RESTS OF THE DOD, THE COMMANDER MAY OFFER ACCESS IF THE REPORTER AGREES TO A SECURITY REVIEW OF THEIR COVERAGE. AGREEMENT TO SE- CURITY REVIEW IN EXCHANGE FOR THIS TYPE OF ACCESS MUST BE STRICTLY VOLUNTARY AND IF THE REPORTER DOES NOT AGREE, THEN AC- CESS MAY NOT BE GRANTED. IF A SECURITY REVIEW IS AGREED TO, IT WILL NOT INVOLVE ANY EDITORIAL CHANGES; IT WILL BE CONDUCTED SO- LELY TO ENSURE THAT NO SENSITIVE OR CLASSIFIED INFORMATION IS INCLUDED IN THE PRODUCT. IF SUCH INFORMATION IS FOUND, THE MEDIA WILL BE ASKED TO REMOVE THAT INFORMATION FROM THE PRODUCT AND/OR EMBARGO THE PRODUCT UNTIL SUCH INFORMATION IS NO LONGER CLASSI-

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FIED OR SENSITIVE. REVIEWS ARE TO BE DONE AS SOON AS PRACTICAL SO AS NOT TO INTERRUPT COMBAT OPERATIONS NOR DELAY REPORTING. IF THERE ARE DISPUTES RESULTING FROM THE SECURITY REVIEW PROCESS THEY MAY BE APPEALED THROUGH THE CHAIN OF COMMAND, OR THROUGH PA CHANNELS TO OASD/PA. THIS PARAGRAPH DOES NOT AUTHORIZE COMMAN- DERS TO ALLOW MEDIA ACCESS TO CLASSIFIED INFORMATION.

6.A.2. MEDIA PRODUCTS WILL NOT BE CONFISCATED OR OTHERWISE IMPOUNDED. IF IT IS BELIEVED THAT CLASSIFIED INFORMATION HAS BEEN COMPROMISED AND THE MEDIA REPRESENTATIVE REFUSES TO REMOVE THAT INFORMATION NOTIFY THE CPIC AND/OR OASD/PA AS SOON AS POS- SIBLE SO THE ISSUE MAY BE ADDRESSED WITH THE MEDIA ORGANIZATION'S MANAGEMENT.

7. MISCELLANEOUS/COORDINATING INSTRUCTIONS:

7.A. OASD(PA) IS THE INITIAL EMBED AUTHORITY. EMBEDDING PROCEDURES AND ASSIGNMENT AUTHORITY MAY BE TRANSFERRED TO CENTCOM PA AT A LATER DATE. THIS AUTHORITY MAY BE FURTHER DELEGATED AT CENTCOM'S DISCRETION.

7.B. THIS GUIDANCE AUTHORIZES BLANKET APPROVAL FOR NON-LOCAL AND LOCAL MEDIA TRAVEL ABOARD DOD AIRLIFT FOR ALL EMBEDDED MEDIA ON A NO-COST, SPACE AVAILABLE BASIS. NO ADDITIONAL COSTS SHALL BE INCURRED BY THE GOVERNMENT TO PROVIDE ASSISTANCE IAW DODI 5410.15, PARA 3.4.

7.C. USE OF LIPSTICK AND HELMET-MOUNTED CAMERAS ON COMBAT SORTIES IS APPROVED AND ENCOURAGED TO THE GREATEST EXTENT POSSIBLE.

8. OASD(PA) POC FOR EMBEDDING MEDIA IS MAJ TIM BLAIR, DSN 227- 1253, CMCL 703-697-1253, EMAIL [email protected].

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