CSU-LG – 8. WP Landesgruppensitzung: 10. 4. 1978

10. April 1978: Sitzung der Landesgruppe

ACSP, LG 1978: 6. Überschrift: »Protokoll über die 138. Sitzung der CSU-Landesgruppe am 10.4.1978«. Zeit: 20.00–22.00 Uhr. Vorsitz: Zimmermann.

Anwesend: Althammer, Becher, Biehle, Bötsch, Dollinger, Engelsberger, Geisenhofer, Gerlach, Gierenstein, Glos, Haberl, Handlos, Höffkes, Höpfinger, Graf Huyn, Jaeger, Kiechle, Klein, Kraus, Kreile, Kunz, Lemmrich, Probst, Regenspurger, Riedl, Röhner, Rose, Schedl, Schleicher, Schmidhuber, Schneider, Spilker, Spranger, Graf von Stauffenberg, Stücklen, Voss, Waigel, Warnke, Wittmann, Ziegler, Zimmermann.

Sitzungsverlauf: A. Bericht des Landesgruppenvorsitzenden Zimmermann über die Frage der Neutronenwaffe, den bevorstehenden Besuch des sowjetischen Staats- und Parteichefs Breschnew, den EG-Gipfel in Kopenhagen und die China-Reise einer Delegation von Bundestagsabgeordneten von CDU/CSU. B. Erläuterungen des Parlamentarischen Geschäftsführers Röhner zum Plenum der Woche. C. Allgemeine Aussprache. D. Verschiedenes.

[A.] TOP 1: Bericht des Landesgruppenvorsitzenden Dr. Zimmermann gratuliert den Kollegen Dr. Warnke zum 46., Dr. Wittmann zum 45., Spranger zum 39. und Höffkes zum 51. Geburtstag. Zur Entscheidung des US-Präsidenten Carter1 zur Neutronenwaffe berichtet Dr. Zimmermann, daß Carter zur Zeit Führungsschwäche zeige. Carter habe noch nie eine solch schlechte Presse gehabt. An diesem Zustand sei aber nicht Carter allein schuldig, sondern insbesondere die Bundesregierung durch ihr einjähriges Zögern. Der Bundeskanzler2, der Außenminister3 und der Verteidigungsminister4 haben sich der öffentlichen Diskussion entzogen. Intern haben sie zwar diskret ihr Einverständnis zur Neutronenwaffe in Washington hinterlegt, ansonsten behandelte man die Entscheidung als geheime Kommandosache. Auch hier sei wieder die fatale Einheitsfront zwischen Bahr5 und Brandt6 einerseits und Breschnew7 andererseits festzustellen. Dies sei wohl das Schlimmste an dieser ganzen Entwicklung. Eindeutiger Befürworter der Neutronenwaffe in der Bundesrepublik sei allein die CDU/CSU sowie Teile der FDP gewesen. Die Bundesregierung habe durch ihr Verhalten den Grund geliefert, den Bau der Neutronenwaffe aufzuschieben. Welche Auswirkungen diese Entscheidung auf die Sicherheit Europas habe, könne anhand eines Interviews des amerikanischen

1 Jimmy Carter (Demokratische Partei). 2 (SPD). 3 Hans-Dietrich Genscher, Bundesvorsitzender der FDP. 4 (SPD). 5 , Bundesgeschäftsführer der SPD, MdB. 6 , Parteivorsitzender der SPD, MdB. 7 Leonid Breschnew, Staats- und Parteichef der Sowjetunion.

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Verteidigungsexperten Sam Nunn8 nachgewiesen werden: »Wir haben keine Verwendung für diese Waffen im Pazifik oder anderswo, außer in Westdeutschland. Wenn wir die Waffe nicht in Deutschland für die NATO bereithalten können, haben wir überhaupt keinen Grund, sie herzustellen.« Dies zeige ganz deutlich, wie notwendig die Neutronenwaffe für die Verteidigung Europas sei. Eine Reaktion der Bundesregierung auf dieses Interview erfolgte nicht. In diesem Zusammenhang sei auch auf das Gespräch mit Deng9 hingewiesen: »Die Amerikaner müssen wieder lernen, daß jede Weichheit gegenüber den Sowjets diese noch angriffswütiger macht.« Es müsse nun die Aufgabe der CDU/CSU sein, eine Diskussion im über die Neutronenwaffe herbeizuführen und eine eindeutige Resolution zu verabschieden. Diese Resolution werde die geheime Position der Bundesregierung aufgreifen und öffentlich sichtbar machen. Dann werden wir sehen, welche Unterstützung diese Position im Bundestag, vor allem in der SPD-Fraktion, findet. Das Argument, daß zuerst über die Lagerung dieser Waffe in Europa diskutiert werden müsse, könne nicht zutreffen, denn bereits 1958 sei darüber mit den Amerikanern ein Vertrag abgeschlossen worden. Auch die heutige Berichterstattung des Bundeskanzlers und Außenministers im Auswärtigen und im Verteidigungsausschuß habe keine neuen Aspekte ergeben. Die Neutronenwaffe könne man durch die jetzt getroffene Entscheidung wohl kaum mehr bei den Verhandlungen mit den Sowjets verwenden, denn die Sowjets werden nicht über etwas verhandeln, das für sie nicht existiere. Der bevorstehende Breschnew-Besuch sei das Ergebnis erfolgreichen Drucks der Sowjets gegen Carter in der Sache Neutronenwaffe. Es sei damit ein gefährliches Signal der Verschiebung der politischen Gewichte in Europa gesetzt. Für die Bundesregierung kann es keinen ungünstigeren Termin für diesen Besuch geben. Brandt und Bahr zeigen immer deutlicher, daß ihre Ostpolitik keine Ergänzung zur Westpolitik sei, sondern Ersatz für die Westpolitik. Das Standbein Europas soll vom Westen nach dem Osten verlagert werden. Das wäre eine Finnlandisierung der Bundesrepublik Deutschland. Auf eine atmosphärische Klimaverbesserung in der Sowjetunion für Breschnew sei hinzuweisen. Letzte Woche wurde Breschnew vom Obersten Sowjet mit Hurrarufen begrüßt, sicherlich nicht wegen seiner Rückkehr von einer Sibirienreise, sondern wegen seines außenpolitischen Erfolges. Bahr und Brandt seien wohl inzwischen würdig, die erste Stufe des Leninordens erreicht zu haben. Der EG-Gipfel in Kopenhagen habe in der Presse bisher sehr wenig Beachtung gefunden. Lediglich die »Frankfurter Rundschau« von heute habe ganz bemerkenswerte Aussagen gemacht. Die EG setze sich hier gegen Carters Finanz- und Nuklearpolitik zur Wehr und lehne ein Diktat Washingtons ab. Der Termin für die Europawahlen in der Zeit vom 7. bis 10. Juni 1979 ist für uns ein sehr günstiger Zeitpunkt. Der Termin sei deshalb so günstig, weil er nach der Serie der fünf Landtagswahlen liege und nach der Bundespräsidentenwahl. Zum Zeitpunkt der Europawahl müsse sich die CDU/CSU über ihren Kurs für 1980 im klaren sein. Bei dieser Gelegenheit macht Dr. Zimmermann auch auf eine Emnid-Umfrage aufmerksam, die feststellt, daß bei getrenntem Marschieren von CDU/CSU ein

Sympathieblock von 56 Prozent vorhanden sei.

8 US-Senator (Demokratische Partei). 9 Deng Xiaoping, Stellvertretender Ministerpräsident der Volksrepublik China, Mitglied im Politbüro der Kommunistischen Partei, 1979–1997 faktischer Führer der Volksrepublik China.

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Zum Thema Bundespräsidentenwahl, das von Brandt in die Diskussion geworfen worden sei, habe Kohl10 richtig reagiert. Heute sei über diese Wahl noch nicht zu sprechen. Die Präsidentenwahl sei kein Handelsobjekt für Koalitionsentscheidungen. Heute treffe man keine Wahlaussage und lasse sich dazu auch nicht zwingen. Der Bundesrat hat bei den Antiterrorgesetzen Einspruch eingelegt, mit Niedersachsen, aber gegen die Stimmen des Saarlandes. Jetzt gehe es in dieser Woche um Zurückweisung dieses Einspruchs im Bundestag. Selbstverständlich werde die Koalition die erforderliche Mehrheit von 249 Stimmen erhalten, nachdem die Gewissensträger inzwischen ihre Meinung geändert haben. Doch dieser Abstimmungserfolg werde für Schmidt ein Pyrrhussieg sein, denn die Linken in seiner Partei werden sich dieses Ja bei nächster Gelegenheit teuer erkaufen. Die Fahndungspannen bei der Schleyer-Entführung11 verlangen Aufklärung und politische Konsequenzen. Der angeforderte Untersuchungsbericht werde wohl erst im Mai vorliegen, dann werde eine Diskussion im Bundestag folgen. Zur Chinareise macht Dr. Zimmermann einige Bemerkungen. Die Delegation bestand aus Schmidhuber, Dr. Häfele12, Dr. Abelein13 und Dr. Zimmermann. Daneben begleiteten Schäfer14 und Härdtl15 von der CSU-Landesgruppe die Delegation. Darüber hinaus war eine ganze Reihe von Journalisten aus Deutschland mitgereist; die in Peking akkreditierten Journalisten gehörten ebenfalls zur ständigen Begleitung. Das herausragendste Ereignis der Chinafahrt sei das Gespräch mit dem stellvertretenden Ministerpräsidenten Deng und mit dem stellvertretenden Generalstabschef Wu16 und die Reise in die Provinz Szechuan gewesen. Beides deute eindeutig darauf hin, daß die Delegation wie eine offizielle Regierungsdelegation behandelt worden sei. Die politischen Akzente können wie folgt zusammengefaßt werden: »China im Aufbruch« – Nach den Auseinandersetzungen mit der Viererbande sei inzwischen Ruhe eingekehrt. Die Entscheidungen des fünften Volkskongresses werden zur Zeit in der Bevölkerung umgesetzt. Dies sei überall spürbar. Hierbei sei vor allem nicht Gleichmacherei das Ziel, sondern eine bewußte leistungsorientierte Gesellschaft. Leistung zähle wieder etwas in China. »Öffnung nach dem Westen« – In allen Gesprächen sei deutlich geworden, daß die Chinesen eine Öffnung nach dem Westen hin suchen. Sie brauchen es, da sie ein Entwicklungsland seien. Sie brauchen das Know-how, sie brauchen die technische Entwicklung, die beispielsweise in der Bundesrepublik Deutschland vorhanden ist. Dies bedeute aber nicht, daß die Chinesen von irgendeiner Macht jemals wieder abhängig werden wollen. Im übrigen sei diese Öffnung gekennzeichnet auch durch den abgrundtiefen Haß gegenüber der UdSSR. Dies zeige sich daran, daß die Annahme einer Grußbotschaft der UdSSR zum fünften Volkskongreß verweigert worden sei. Man begründete diese Haltung damit, daß man seit neun Jahren bezüglich der

10 , Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Bundesvorsitzender der CDU. 11 Der Vorsitzende des Bundesverbandes der Deutschen Industrie und der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, Hanns Martin Schleyer, wurde am 5. September 1977 in Köln von einem RAF-Kommando entführt und am 18. Oktober ermordet. 12 Hansjörg Häfele, MdB (CDU). 13 , MdB (CDU). 14 Norbert Schäfer, Pressesprecher der CSU-Landesgruppe. 15 Wighard Härdtl, Persönlicher Referent des CSU-Landesgruppenvorsitzenden Zimmermann. 16 Wu Hsiutschüan.

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Grenzkonflikte im Norden mit der UdSSR verhandle. Obwohl Kossygin17 in aller Öffentlichkeit mit Mao Tse-tung18 ausgehandelt habe, daß dieser Grenzkonflikt in Kürze beigelegt werden könne. Darüber hinaus deuten die Chinesen die großen Getreidekäufe der UdSSR als strategische Käufe. Die Russen legen Vorratslager an. »Verstärkung der Verteidigungskraft« – Hierauf wird ein besonderes Augenmerk gelegt, aber die Verstärkung habe nicht höchste Priorität. Neben dem Aufbau einer konkurrenzfähigen Industrie sei eben auch die Verbesserung der Verteidigungskraft ein wichtiger Punkt. Die Ausrüstung der Armee, soweit wir sie gesehen haben, sei noch sehr rückständig. Andererseits seien die Chinesen vom dritten Weltkrieg überzeugt. Sie begründen diese Haltung damit, daß die Sowjets irgendwann einmal ihre Waffen werden ausprobieren wollen. Sie haben aber keine Angst davor. Sie sagen, sie können in ihrem weiten Land zurückweichen, sie können Millionen von Chinesen im Krieg einsetzen und können das materielle Übergewicht der Sowjets dadurch teilweise ausgleichen. »Chance für die Bundesrepublik Deutschland« – Die Bundesrepublik Deutschland habe in China einen großen Exportmarkt, der zu erschließen sei. Die Chinesen seien sehr an deutschen Anlagegütern interessiert. Sie seien inzwischen auch soweit, daß sie entsprechend internationaler Gepflogenheit Zahlungsziele, Kredite u. a. in Anspruch nehmen. Abhängigkeiten wollen sie aber keine schaffen. Diese Chance biete sich natürlich auch für alle anderen westlichen Länder und Japan und deshalb müsse der zur Zeit vorhandene Vertrauensvorschuß gegenüber der Bundesrepublik Deutschland genutzt werden, um hier ins Geschäft zu kommen. Abschließend berichtet Dr. Zimmermann davon, daß von chinesischer Seite eine Fortsetzung des Dialogs gewünscht werde. Dr. Zimmermann und Dr. Strauß haben inzwischen eine Blankoeinladung für eine nächste Reise. In einem Jahr werde man darüber noch einmal reden.

[B.] TOP 2: Plenum der Woche Zum Plenum der Woche führt Röhner aus, daß am Donnerstag um 9.00 Uhr eine Regierungserklärung zum EG-Gipfeltreffen in Kopenhagen geplant sei. Damit werde sich die Behandlung der KSZE-Anfrage auf den Nachmittag verschieben. Die Abstimmung zu den Antiterrorgesetzen sei für Spätnachmittag vorgesehen. Zur Regierungserklärung werden Strauß und Kohl sprechen, zur KSZE voraussichtlich Mertes19, Dr. Jaeger, Dr. Czaja20, Klein, Dr. Hupka21 und eventuell von Wrangel22. Am Donnerstag sei sehr wahrscheinlich mit zwei namentlichen Abstimmungen zu rechnen. Einmal werde es eine Resolution bezüglich der Regierungserklärung des Bundeskanzlers geben und zum zweiten werde über die Antiterrorgesetze abgestimmt. Deshalb sei am Donnerstag eine totale Präsenz im Bundestag erforderlich. Das Pairing wurde vonseiten der SPD aufgehoben. Von den weiteren für diese Woche geplanten Tagesordnungspunkten werden die Punkte »Ausgleich von Steuerfällen bei den

17 Alexei Kossygin, Ministerpräsident der Sowjetunion. 18 Vorsitzender der Kommunistischen Partei Chinas. 19 , MdB (CDU). 20 , MdB (CDU). 21 , MdB (CDU). 22 Olaf Baron von Wrangel, MdB (CDU).

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Gemeinden« und »Bericht der Bundesregierung über die von ihr in den

Rechnungsjahren 1973/74/75 gemäß § 96 BVfG getroffenen Maßnahmen« verschoben. Von den weiter anstehenden Punkten sei vielleicht noch »die erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Wohnungsbaumodernisierungsgesetzes« zu erwähnen. Dazu werde Dr. Schneider sprechen.

[C.] TOP 3: Allgemeine Aussprache Dr. Jaeger berichtet, daß er soeben erfahren habe, daß die KSZE-Debatte verschoben werden solle. Wahrscheinlich sei für die Debatte der 14./15. Juni vorgesehen. Er halte diese Entscheidung des Arbeitskreises V für richtig, da durch die Regierungserklärung die Debatte sicherlich in dieser Woche untergehen würde. Dr. Zimmermann antwortet, daß er nichts dagegen habe. Handlos fragt nach den Motiven, warum China an einen dritten Weltkrieg glaube. Dr. Zimmermann erwidert, daß die Chinesen davon ausgehen, daß eine Offensive der UdSSR zwangsläufige Logik der permanenten Aufrüstung sei. Hier müsse eine Öffnung des Ventils geschaffen werden, es sei denn, daß sich in Europa Verhältnisse realisieren lassen – Finnlandisierung –, die einen dritten Weltkrieg nicht notwendig machen. So wie zur Zeit die Situation sei, gehen die Chinesen davon aus, daß der dritte Weltkrieg zwar hinauszuzögern sei, aber nicht zu verhindern. Bei der gesamten Konstellation komme vor allem Europa und der USA eine entscheidende Bedeutung zu. Graf Huyn stellt die Frage nach Taiwan. Dr. Zimmermann: Es sei über Taiwan mit keinem Wort gesprochen worden. Taiwan spiele in den Überlegungen der Chinesen nur eine untergeordnete Rolle. Geisenhofer erkundigt sich nach der NATO. Dr. Zimmermann erwidert, daß die Chinesen großen Wert legen auf eine funktionierende NATO und insbesondere auch auf eine rasche Einigung Europas. Der Direktwahl im nächsten Jahr sehen die Chinesen mit großem Interesse entgegen. Dr. Becher erkundigt sich nach dem Verhältnis »China/Südafrika«, dem Verhältnis der Chinesen zu den unterdrückten Völkern und drittens nach der Achse »Bayern- Peking«. Dr. Zimmermann weist darauf hin, daß zu den Punkten 1 und 2 eine deutliche Zurückhaltung zu spüren gewesen sei. Das Engagement Chinas in Afrika sei nicht sehr erfolgreich gewesen. Hierüber wollen sie nur ungern reden. Die Achse »Bayern- Peking« sei eine Erfindung des »Spiegels«. Dr. Riedl erkundigt sich nach dem Verhältnis China/Albanien. Dr. Zimmermann antwortet, daß dieses Verhältnis von der Delegation nicht angesprochen worden sei. Im übrigen wisse man über die Verhältnisse in Albanien bestens Bescheid. Klein fragt danach, warum Strauß so hoch im Kurs stehe und weiter, ob seitens der Chinesen über eine Einschätzung der Bundesregierung Auskunft erteilt worden sei? Dr. Zimmermann erwidert, daß über die Stellung der Bundesregierung lediglich im Vier-Augen-Gespräch mit Deng gesprochen worden sei. Grundsätzlich verbiete es die Höflichkeit der Chinesen, die Regierung des Gastes anzugreifen.

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Dr. Becher geht auf den Husák23-Besuch ein und insbesondere auf den Leitartikel in der »Frankfurter Allgemeinen«. Er stellt die Frage, ob durch ein Treffen Strauß/Husák Husák nicht international aufgewertet werde. Dr. Zimmermann entgegnet, mit Dr. Strauß darüber zu sprechen. Graf Stauffenberg geht nochmals auf das Problem der Neutronenwaffe ein. Er macht darauf aufmerksam, daß es nun Aufgabe der CDU/CSU sei, durch richtige Darstellung die entscheidenden Personen nicht aus ihrer Verantwortung zu entlassen. Dr. Zimmermann erwidert, das sei Aufgabe der Debatte in dieser Woche im Plenum. Er wiederholt seine Kritik an der Entscheidung Carters und betont, daß dies durch Bundeskanzler Schmidt mitzuverantworten sei. Schmidhuber erinnert an ein Carter-Interview, wonach er nach einem eventuellen Einmarsch der Russen in Jugoslawien nach Titos24 Tod nichts unternehmen werde. Unter diesem Aspekt sei die Entscheidung von Carter noch problematischer, vor allem aber auch das Verhalten von Bahr, Brandt und Schmidt. Einer Finnlandisierung Europas sei damit Vorschub geleistet worden. Dr. Zimmermann antwortet, daß dies am Donnerstag in der Debatte eine wichtige Rolle spielen werde. Klein betont, daß der Angriff auf Carter notwendig gewesen sei. Schmidt versuche nun, durch die belastete Atmosphäre zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den USA sich aus der Affäre zu ziehen, indem er sage, daß dieses Freundschaftsbündnis unantastbar sei. Es werde schwer sein, den Bundeskanzler zu stellen.

[D.] TOP 4: Verschiedenes Glos berichtet über die Sitzung der Arbeitskommission Familie, die ein familienpolitisches Konzept erstellen solle, um vorbereitende Arbeiten für die Sitzung der Strategiekommission zu leisten. Bei diesen Beratungen gebe es einen wesentlichen Streitpunkt zwischen CDU und CSU, das sogenannte Erziehungsgeld. Die CDU halte an der Einführung des Erziehungsgeldes fest. Es liege nun an der Strategiekommission, hier endgültig zu entscheiden. Die anderen Punkte des Schlußberichtes seien alle mehr oder weniger unstrittig. Lemmrich weist auf die gemeinsame Sitzung mit Vertretern der Landtage hin, wo ausführlich auch dieses familienpolitische Konzept diskutiert worden sei. Im Landtag habe man große Resonanz gefunden. Die Lage der Familie und vor allem die Geburtenentwicklung mache ein solches Konzept unbedingt notwendig. Nur mit kurzfristigen Maßnahmen können hier die Probleme nicht mehr gelöst werden. Deshalb müsse dieses familienpolitische Konzept in einem umfassenden Zusammenhang behandelt werden. Ziegler betont, daß viele Aspekte sicherlich bedeutsam seien, man aber nicht um die Feststellung herumkomme, daß es zwar eine gute Sache sei, aber nicht finanzierbar. Schleicher geht insbesondere auf drei Probleme ein. Einmal stellt sie die materielle Frage in den Vordergrund, zweitens stellt sie die Frage nach den Kosten und drittens sieht sie eine große Gefahr darin, daß durch das Erziehungsgeld eine weitere

23 Gustáv Husák, Staatspräsident der Tschechoslowakei, Generalsekretär der Kommunistischen Partei. 24 Josip Broz Tito, Staatspräsident Jugoslawiens, Präsident des Präsidiums des Bundes der Kommunisten Jugoslawiens.

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Maßnahme geschaffen werde, die nicht familiengerecht sei, d. h. die Funktion der Familie schwäche. Kiechle macht darauf aufmerksam, daß die Kontroverse zwischen CDU/CSU uns großen Schaden zufügen werde. Er erwähnt, daß er zwar grundsätzlich für ein neues Konzept sei, aber es müsse finanzierbar sein. Dabei macht er folgenden Vorschlag: Man solle das Kindergeld für das erste Kind abschaffen, dann hätte man finanzielle Möglichkeiten für das Erziehungsgeld. Höpfinger stellt die Familienpolitik in den Vordergrund seiner Ausführungen. Im Durchschnitt der Welt kommen auf 1000 Einwohner rund 35 Geburten, in der Bundesrepublik nur rund 7,5. Die Bevölkerung gehe weiter zurück. Welche Auswirkungen dies auf die Rentenversicherung habe, brauche nicht weiter ausgeführt zu werden. Kritisch äußert er sich zum Erziehungsgeld dahingehend, daß damit ein gewisser Schutz der Ehe wegfalle, andererseits man einer Täuschung erliege, wenn man glaube, dieses sei ein arbeitsmarktpolitisches Instrument. Er halte das Erziehungsgeld nur dann für gerechtfertigt, wenn dieses Erziehungsgeld ohne Einkommensgrenzen an alle bezahlt werde. Dr. Warnke macht auf den Zustand in der DDR im Jahre 1975 aufmerksam. Er fragt nach Maßnahmen, die dort ergriffen worden seien. Dr. Schneider macht darauf aufmerksam, daß die Bundesrepublik Deutschland in Europa die niedrigste Eigentumsquote bei Einfamilien- und Eigentumswohnungen habe. Hier sei noch ein enormer Aufholbedarf vorhanden. Er weist insbesondere auf das Haushaltstrukturgesetz hin, welches für die jungen Familien das Ansparen wesentlich erschwert habe. Er plädiere erstens für eine Änderung des Haushaltstrukturgesetzes, zweitens für Zinssubventionen in den ersten Jahren und drittens für eine Bürgschaft für junge Familien. Dr. Zimmermann stimmt den Ausführungen von Dr. Warnke zu. Dr. Kunz stellt fest, daß über die finanzielle Situation der jungen Familie Einigkeit bestehe. Die finanzielle Besserstellung müsse gewollt werden. Aufgrund einer OECD- Studie schneide die Bundesrepublik Deutschland innerhalb der OECD-Länder relativ schlecht ab. Vor allem müsse man den Zusammenhang zwischen Rentenleistungen und Beitragsleistungen sehen. Der Generationenvertrag könne nur dann erfüllt werden, wenn genügend Kinder vorhanden seien. Gerlach macht auf den Zwiespalt in der Partei aufmerksam. Er bemängelt, daß hier die Arbeitskommission schon entschieden habe und erst jetzt die Sache in der Landesgruppe diskutiert werde. Weiterhin sagt er, daß man immer dann vom Sparen spreche, wenn es um familienpolitische Maßnahmen gehe, und drittens, daß sich einige Organisationen der Partei, CSA, KAB, Frauenvereinigung eindeutig für das Erziehungsgeld ausgesprochen haben. Es müsse hier doch die Chance geben, mit der CDU ein Agreement zu finden. Er stellt den Antrag, daß die Verhandlungen nochmals eröffnet und weitergeführt werden. Glos berichtet über die Aufgabe der Arbeitskommission. Sie solle ein Papier erstellen, um der Strategiekommission Hilfestellung bei ihren Verhandlungen zu geben. Er habe sich insbesondere in der Arbeitsgruppe um die finanziellen Auswirkungen der Beschlüsse gekümmert. Seine Leitlinie sei es gewesen, den Sozialplafond insgesamt nicht zu erhöhen. In den meisten Punkten sei man zu einem Kompromiß gekommen. Lediglich das Erziehungsgeld sei strittig. Es sei nun Aufgabe der Strategiekommission, hier ein akzeptables Paket zu schnüren. Zum Erziehungsgeld führt Glos insbesondere

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folgende Punkte auf: die finanzielle Belastung sei sehr hoch, was soll nach Auslaufen der Zahlungen geschehen, wie soll man es mit der Einkommensgrenze halten. Dr. Zimmermann bestätigt die Ausführungen von Glos. Da die Diskussion erst beginne, sei noch keine Einigung zu erwarten gewesen. Die Landesgruppe werde sicher noch oft über dieses Problem sprechen. Dies sei erst der erste Durchgang. Röhner gibt eine Empfehlung des Vorstandes bekannt. Zur Zeit liegt eine Reihe von Sammelanschriften an alle Bundestagsabgeordneten vor. Man sei übereingekommen, diese gemeinsam zu beantworten. Man möge diese Briefe jeweils sammeln und auf der nächstfolgenden Landesgruppensitzung besprechen. Dr. Bötsch macht auf die Änderung des Arbeitsgerichtsgesetzes aufmerksam. Hier existiere einerseits ein Auftrag des Parteitages, andererseits liege eine Initiative der Länder Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Rheinland-Pfalz vor. Die Absicht sei, ein Rechtspflegeministerium zu errichten. Dies sei zwar nicht zwingend, da es sich um eine Empfehlung handelt. Es werde aber die Tür geöffnet für eine weitere Zentralisierung. Viel besser sei es, diese Gerichtsbarkeit dort zu belassen, wo die größte Sachkunde vorhanden ist und dies sei beim jeweiligen Arbeits- und Sozialministerium. Dr. Jaeger weist auf den komplizierten Sachverhalt hin. Deshalb könne man heute darüber nicht entscheiden. Ziegler stellt ebenfalls das jahrzehntelange Tauziehen um eine Regelung in den Raum, begrüßt aber die Haltung von Dr. Bötsch, hier nicht nachzugeben. Dr. Bötsch ergänzt, die Entscheidung müsse nicht in den nächsten Tagen gefällt werden, es seien lediglich zwei Anträge im Raum. Der Arbeitskreis I werde sich diese Woche noch mit der Änderung des Arbeitsgerichtsgesetzes beschäftigen. Dr. Zimmermann schließt die Sitzung um 22.00 Uhr.

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