Inhaltsverzeichnis Plenarprotokoll 17/229

Deutscher

Stenografischer Bericht

229. Sitzung

Berlin, Freitag, den 15. März 2013

Inhalt:

Absetzung des Zusatztagesordnungspunk- rung systemrelevanter Finanzinstitute und tes 14 ...... 28613 A des internationalen Schattenbanksystems (Drucksache 17/12686) ...... 28613 D

Tagesordnungspunkt 28: in Verbindung mit a) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Abschirmung von Risiken und Zusatztagesordnungspunkt 12: zur Planung der Sanierung und Ab- wicklung von Kreditinstituten und Fi- Antrag der Fraktionen SPD und BÜND- nanzgruppen NIS 90/DIE GRÜNEN: Ein neuer Anlauf (Drucksache 17/12601) ...... 28613 B zur Bändigung der Finanzmärkte: Erpres- sungspotenzial verringern – Geschäfts- b) Erste Beratung des von der Bundesregie- und Investmentbanking trennen rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- (Drucksache 17/12687) ...... zes zur Umsetzung der Richtlinie 2011/ 28613 D 89/EU des Europäischen Parlaments Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister  und des Rates vom 16. November 2011 BMF ...... 28614 A zur Änderung der Richtlinien 98/78/EG, 2002/87/EG, 2006/48/EG und 2009/138/ Joachim Poß (SPD) ...... 28615 D EG hinsichtlich der zusätzlichen Beauf- sichtigung der Finanzunternehmen ei- Björn Sänger (FDP) ...... 28617 C nes Finanzkonglomerats (Drucksache 17/12602) ...... 28613 B (DIE LINKE) ...... 28618 D c) Erste Beratung des von der Bundesregie- Dr. (BÜNDNIS 90/ rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- DIE GRÜNEN) ...... 28621 A zes zur Anpassung des Investmentsteu- ergesetzes und anderer Gesetze an das Klaus-Peter Flosbach (CDU/CSU) ...... 28622 B AIFM-Umsetzungsgesetz (AIFM-Steuer- Manfred Zöllmer (SPD) ...... 28624 A Anpassungsgesetz – AIFM-StAnpG) (Drucksache 17/12603) ...... 28613 C Dr. (FDP) ...... 28625 B Dr. Thomas Gambke (BÜNDNIS 90/ in Verbindung mit DIE GRÜNEN) ...... 28626 C Dr. h. c. (CDU/CSU) . . . . . 28627 D Zusatztagesordnungspunkt 11: Dr. (SPD) ...... 28629 A Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und FDP: Finanzstabilität sichern – Regulie- (CDU/CSU) ...... 28630 B II Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. März 2013

Tagesordnungspunkt 29: Uhl, Beate Walter-Rosenheimer, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion a) Antrag der Abgeordneten Sylvia Kotting- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Keine Uhl, Hans-Josef Fell, Bärbel Höhn, weite- Bürgschaft für den Bau des Atom- rer Abgeordneter und der Fraktion kraftwerks Angra 3 BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Zwei Jahre Fukushima – Ohne ehrlichen (Drucksachen 17/9578, 17/9579, 17/12653) 28632 C Atomausstieg keine erfolgreiche Ener- f) Beschlussempfehlung und Bericht des giewende Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und (Drucksache 17/12509) ...... 28632 A Reaktorsicherheit zu dem Antrag der Ab- b) Antrag der Fraktion der SPD: Lehren aus geordneten Sylvia Kotting-Uhl, Bärbel der Atomkatastrophe in Fukushima zie- Höhn, , weiterer Abgeord- hen neter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE (Drucksache 17/12688) ...... 28632 A GRÜNEN: Bilaterale Verhandlungen aufnehmen zur unverzüglichen Stillle- c) Beschlussempfehlung und Bericht des gung besonders gefährlicher grenzna- Ausschusses für Wirtschaft und Technolo- her Atomkraftwerke in Frankreich gie (Drucksachen 17/11206, 17/12675) . . . . . 28632 D – zu dem Antrag der Abgeordneten René Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/ Röspel, Rolf Hempelmann, Marco DIE GRÜNEN) ...... 28633 A Bülow, weiterer Abgeordneter und der (CDU/CSU) ...... 28634 C Fraktion der SPD: Den Euratom-Ver- trag an die Herausforderungen der Marco Bülow (SPD) ...... 28636 B Zukunft anpassen (FDP) ...... 28638 A – zu dem Antrag der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl, Hans-Josef Fell, Dorothée Menzner (DIE LINKE) ...... 28639 B Ekin Deligöz, weiterer Abgeordneter , Bundesminister  und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE BMU ...... 28636 B GRÜNEN: Euratom-Vertrag än- dern – Atomausstieg europaweit vo- Dr. (SPD) ...... 28642 B ranbringen – Atomprivileg beenden (FDP) ...... 28643 D (Drucksachen 17/8927, 17/7670, 17/11713) 28632 A Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE) ...... 28644 D d) Beschlussempfehlung und Bericht des Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ Ausschusses für die Angelegenheiten der DIE GRÜNEN) ...... 28645 D Europäischen Union zu dem Antrag der Abgeordneten , Dr. Christian Ruck (CDU/CSU) ...... 28646 D Wolfgang Gehrcke, Jan van Aken, weite- Rolf Hempelmann (SPD) ...... 28648 B rer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Eine Europäische Gemein- Dr. Martin Lindner (Berlin) (FDP) ...... 28649 D schaft für die Förderung Erneuerbarer Energien gründen – EURATOM auflö- Ingrid Arndt-Brauer (SPD) ...... 28650 D sen Thomas Bareiß (CDU/CSU) ...... 28651 D (Drucksachen 17/6151, 17/11723) ...... 28632 B e) Beschlussempfehlung und Bericht des Namentliche Abstimmung ...... 28653 B Ausschusses für Wirtschaft und Technolo- gie Ergebnis ...... 28655 D – zu dem Antrag der Abgeordneten Rolf Hempelmann, , (Peine), weiterer Abgeordneter Tagesordnungspunkt 30: und der Fraktion der SPD: Keine Her- mesbürgschaft für den Bau des a) Unterrichtung durch die Bundesregierung: Atomkraftwerks Angra 3 Bericht der Bundesregierung zum Stand der Bemühungen um Rüstungs- – zu dem Antrag der Abgeordneten Jan kontrolle, Abrüstung und Nichtverbrei- van Aken, Dr. Gesine Lötzsch, Ulla tung sowie über die Entwicklung der Lötzer, weiterer Abgeordneter und der Streitkräftepotenziale (Jahresabrüs- Fraktion DIE LINKE sowie der Abge- tungsbericht 2012) ordneten Ute Koczy, Sylvia Kotting- (Drucksache 17/12570) ...... 28653 C Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. März 2013 III b) Beschlussempfehlung und Bericht des (CDU/CSU) ...... 28666 D Auswärtigen Ausschusses (DIE LINKE) ...... 28668 D – zu dem Antrag der Abgeordneten Uta Dr. Erik Schweickert (FDP) ...... 28670 A Zapf, Fritz Rudolf Körper, , weiterer Abgeordneter und der Nicole Maisch (BÜNDNIS 90/ Fraktion der SPD: Keine Modernisie- DIE GRÜNEN) ...... 28671 D rung der US-Nuklearwaffen in Eu- (CDU/CSU) ...... 28673 B ropa und Deutschland – Abrüs- tungschancen nicht ungenutzt Gabriele Groneberg (SPD) ...... 28674 C verstreichen lassen Carola Stauche (CDU/CSU) ...... 28675 D – zu dem Antrag der Abgeordneten Inge Höger, Wolfgang Gehrcke, Jan van Aken, weiterer Abgeordneter und der Tagesordnungspunkt 32: Fraktion DIE LINKE: Abzug statt Erste Beratung des von der Bundesregierung Modernisierung der US-Atomwaf- eingebrachten Entwurfs eines Vierten Geset- fen in Deutschland zes zur Änderung des Straßenverkehrsge- (Drucksachen 17/11323, 17/11225, 17/12251) 28653 C setzes und anderer Gesetze (Drucksache 17/12636) ...... 28677 A in Verbindung mit Dr. , Bundesminister  BMVBS ...... 28677 A Kirsten Lühmann (SPD) ...... 28678 A Zusatztagesordnungspunkt 13: Petra Müller (Aachen) (FDP) ...... 28680 A Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- wärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Ab- (DIE LINKE) ...... 28681 A geordneten Agnes Brugger, Dr. (BÜNDNIS 90/ (Köln), (), weiterer DIE GRÜNEN) ...... 28681 D Abgeordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Konsequent voran- (CDU/CSU) ...... 28682 C gehen für eine atomwaffenfreie Welt (Drucksachen 17/9983, 17/12733) ...... 28653 D Tagesordnungspunkt 33: Dr. , Bundesminister  AA ...... 28654 A a) Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zu dem Antrag der Ab- (SPD) ...... 28658 A geordneten Paul Schäfer (Köln), Christine (CDU/CSU) ...... 28659 D Buchholz, Inge Höger, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion DIE LINKE: An- Inge Höger (DIE LINKE) ...... 28661 A griffskrieg verfassungs- und völker- rechtskonform unter Strafe stellen Agnes Brugger (BÜNDNIS 90/ (Drucksachen 17/11698, 17/12736, 17/12711) DIE GRÜNEN) ...... 28662 B 28684 A b) Zweite und dritte Beratung des von den Erich G. Fritz (CDU/CSU) ...... 28663 B Abgeordneten Paul Schäfer (Köln), Wolfgang Gehrcke, Jan van Aken, weite- ren Abgeordneten und der Fraktion DIE Tagesordnungspunkt 31: LINKE eingebrachten Entwurfs eines a) Antrag der Abgeordneten Elvira ... Gesetzes zur Änderung des Grundge- Drobinski-Weiß, , Petra Crone, setzes (Artikel 35 und 87 a) weiterer Abgeordneter und der Fraktion (Drucksachen 17/11591, 17/12711) . . . . . 28684 A der SPD: Lage der Verbraucherinnen Jörg van Essen (FDP) ...... 28684 B und Verbraucher verbessern (Drucksache 17/12689) ...... 28665 A Dr. Dieter Wiefelspütz (SPD) ...... 28685 A b) Antrag der Abgeordneten Nicole Maisch, Dr. (CDU/CSU) ...... 28686 A Renate Künast, Bärbel Höhn, weiterer Ab- Paul Schäfer (Köln) (DIE LINKE) ...... 28686 D geordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Für eine Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ moderne und nachhaltige Verbraucher- DIE GRÜNEN) ...... 28688 A politik (CDU/CSU) ...... 28689 A (Drucksache 17/12694) ...... 28665 B Elvira Drobinski-Weiß (SPD) ...... 28665 C Nächste Sitzung ...... 28690 D IV Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. März 2013

Anlage 1 sonders gefährlicher grenznaher Atomkraft- werke in Frankreich (Tagesordnungspunkt 29 f) Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 28691 A Dr. (CDU/CSU) ...... 28692 D (Konstanz) (CDU/CSU) . . . . 28693 A Anlage 2 Bernhard Kaster (CDU/CSU) ...... 28693 C Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Anette Hübinger und Nadine Schön (St. Wen- del) (beide CDU/CSU) zur namentlichen Ab- Anlage 4 stimmung über die Beschlussempfehlung zu dem Antrag: Bilaterale Verhandlungen auf- Erklärung des Abgeordneten Dr. Michael nehmen zur unverzüglichen Stilllegung be- Fuchs (CDU/CSU) zur namentlichen Abstim- sonders gefährlicher grenznaher Atomkraft- mung über die Beschlussempfehlung zu dem werke in Frankreich (Tagesordnungspunkt 29 f) 28692 B Antrag: Bilaterale Verhandlungen aufnehmen zur unverzüglichen Stilllegung besonders ge- fährlicher grenznaher Atomkraftwerke in Anlage 3 Frankreich (Tagesordnungspunkt 29 f) . . . . . 28693 D Erklärungen nach § 31 GO zur namentlichen Abstimmung über die Beschlussempfehlung Anlage 5 zu dem Antrag: Bilaterale Verhandlungen auf- nehmen zur unverzüglichen Stilllegung be- Amtliche Mitteilungen ...... 28694 A Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. März 2013 28613

(A) (C)

229. Sitzung

Berlin, Freitag, den 15. März 2013

Beginn: 9.01 Uhr

Präsident Dr. : hinsichtlich der zusätzlichen Beaufsichtigung Nehmen Sie bitte Platz. Die Sitzung ist eröffnet. der Finanzunternehmen eines Finanzkonglo- merats Ich begrüße Sie alle herzlich zur 229. Sitzung des Bundestages. Ich hoffe, dass sich im Laufe des Vormit- – Drucksache 17/12602 – tags die Regierungsbank noch teilweise füllt, und be- Überweisungsvorschlag: grüße einzelne Mitglieder der Bundesregierung stellver- Finanzausschuss (f) tretend für dieselbe. Rechtsausschuss c) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein- Vor Eintritt in die Tagesordnung darf ich darauf auf- gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Anpas- merksam machen, dass die für heute verlangte Aktuelle sung des Investmentsteuergesetzes und ande- Stunde zur Haltung der Bundesregierung zur Durchset- rer Gesetze an das AIFM-Umsetzungsgesetz zung des Leistungsprinzips bei exorbitanten Managerge- (B) (AIFM-Steuer-Anpassungsgesetz – AIFM- (D) hältern nicht stattfindet. StAnpG) (Beifall des Abg. [CDU/CSU] – Drucksache 17/12603 – – Zurufe: Oh!) Überweisungsvorschlag: Finanzausschuss – Der Antrag auf diese Aktuelle Stunde ist zurückgezo- gen. Damit ist das Thema ja nicht erledigt. Die ent- ZP 11 Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/ täuschten Zwischenrufe werden also bei anderer Gele- CSU und FDP genheit sicher zur Geltung kommen können. Finanzstabilität sichern – Regulierung system- Ich rufe nun die Tagesordnungspunkte 28 a bis 28 c relevanter Finanzinstitute und des internatio- sowie die Zusatzpunkte 11 und 12 auf: nalen Schattenbanksystems – Drucksache 17/12686 – 28 a) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein- gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ab- ZP 12 Beratung des Antrags der Fraktionen SPD und schirmung von Risiken und zur Planung der Sa- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN nierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Finanzgruppen Ein neuer Anlauf zur Bändigung der Finanz- märkte: Erpressungspotenzial verringern – – Drucksache 17/12601 – Geschäfts- und Investmentbanking trennen Überweisungsvorschlag: – Drucksache 17/12687 – Finanzausschuss (f) Rechtsausschuss  Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Finanzausschuss (f) Haushaltsausschuss Rechtsausschuss  Ausschuss für Wirtschaft und Technologie b) Erste Beratung des von der Bundesregierung einge- Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union  Haushaltsausschuss brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2011/89/EU des Europäischen Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für Parlaments und des Rates vom 16. November die Aussprache 90 Minuten vorgesehen. – Einen Wider- 2011 zur Änderung der Richtlinien 98/78/EG, spruch dazu höre ich nicht. Also können wir offenkundig 2002/87/EG, 2006/48/EG und 2009/138/EG so verfahren. 28614 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. März 2013

Präsident Dr. Norbert Lammert (A) Ich eröffne die Aussprache und erteile dem Finanz- sind dafür, dass wir diese Steuer auf globaler Ebene ein- (C) minister das Wort, der im Unterschied zu anderen bereits führen. Aber wir wissen natürlich, dass es beachtliche gleich zu Beginn dieser Sitzung im Saal war. – Bitte Gegenargumente gibt, sobald man sie nicht global ein- schön. führen kann. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) In diesem Zusammenhang ist allerdings ein weiteres Argument zu bedenken: Wenn der Langsamste das Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister der Finan- Tempo bestimmt, dann geschieht gar nichts. Das Fest- zen: halten an der Forderung nach globaler Regulierung ist Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wie sollte häufig der Grund dafür, dass insgesamt nichts geschieht. ich hier auch reden, wenn ich nicht da wäre! Insofern müssen wir gelegentlich national Vorreiter in der Regulierung sein. Das sind wir in dieser Legislatur- (Heiterkeit) periode mehrfach gewesen. Wir mussten uns immer kri- tisch fragen lassen, ob unsere Politik richtig ist. Wir Mit dem Entwurf eines Gesetzes zur Abschirmung haben immer gesagt: Wir handeln im Vorgriff auf euro- von Risiken und zur Planung der Sanierung und Ab- päische Regelungen. So haben wir zunächst einmal na- wicklung von Kreditinstituten und Finanzgruppen gehen tional die ungedeckten Leerverkäufe verboten. Dafür wir einen weiteren Schritt auf dem Weg, Konsequenzen sind wir kritisiert worden. Zwei Jahre später gab es eine aus der Finanz- und Bankenkrise des Jahres 2008 zu zie- entsprechende europäische Regelung. Wären wir in hen und unser Finanz- und Bankensystem insgesamt kri- Deutschland nicht vorangegangen, wäre es nicht zu die- senfester, stabiler zu machen. ser Regelung gekommen. Weil die Vielzahl der einzelnen Regelungsschritte auf (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) globaler, auf europäischer und auf nationaler Ebene manchmal fast schon verwirrend sein kann, ist es immer So haben wir mit dem Restrukturierungsgesetz Re- wieder wichtig, dass man sich die Zusammenhänge klar- geln eingeführt, die ermöglichen, dass Banken, die in macht bzw. sich darüber vergewissert. Schwierigkeiten sind, geordnet abgewickelt werden. Zu- gleich haben wir angefangen, einen Fonds aufzubauen, Funktionierende Finanzmärkte – das ist der Aus- der sicherstellen soll, dass die Banken selbst die Kosten gangspunkt all dessen, was wir 2008 diskutiert haben – solcher Aktionen tragen. Das geht nicht über Nacht. Das sind für eine hoch arbeitsteilige, global aufgestellte Wirt- notwendige Kapital kann nur allmählich erarbeitet wer- schaft unverzichtbar. Eine Krise in den Finanzmärkten den. Auch in diesem Bereich haben wir national ange- bedeutet eine Krise für die Wirtschaft insgesamt. Funk- fangen, im Vorgriff auf die europäische Regelung. (B) tionierende Finanzmärkte sind von daher wie eine funk- (D) tionierende Energieversorgung Teil der öffentlichen Im Augenblick sind wir dabei, mit nationalen Regeln Daseinsvorsorge. Deswegen müssen die Finanzmärkte den übertriebenen Hochfrequenzhandel wegen seiner ge- stabil gehalten werden, und es muss dafür gesorgt wer- fährlichen Auswirkungen auf die Finanzmärkte zu regu- den, dass Fehlentwicklungen in einzelnen Bereichen lieren. Auch das tun wir im Vorgriff auf europäische Re- nicht das ganze System in Gefahr bringen. gelungen, nicht um sie zu ersetzen, sondern um sie zu beschleunigen, um sie weiter voranzubringen. Im Übrigen müssen die Chancen und die Risiken ab- gewogen werden. Chance und Risiko müssen immer in Genau dieser Philosophie folgt der vorliegende Ge- einem angemessenen Verhältnis stehen; andernfalls gibt setzentwurf, mit dem wir den Banken Abwicklungs- und es Fehlanreize. Sanierungspläne für den Fall, dass etwas schiefgeht, vor- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und schreiben. So wollen wir eine geordnete Abwicklung der FDP) schwächerer einzelner Teile ermöglichen, ohne dass die Gefahr der Ansteckung für das gesamte Institut entsteht Die Banken und die Finanzinstitute brauchen also genü- und so der gesamte Finanzmarkt in Gefahr gerät. Die gend Kapital, damit sie krisenfest sind. Wir brauchen in Abschirmung von Risiken aus den unterschiedlichen Ge- Europa funktionierende Aufsichtsinstitutionen auf natio- schäftsfeldern ist der schwierigste und komplizierteste naler Ebene. Wenn es irgendwo in einem Teil Fehlent- Teil dieser gesetzlichen Regelung. Wir versuchen, Wege wicklungen gibt – das gibt es immer in der Wirtschaft –, zu finden, wie wir Eigenhandel, Investmentbanking und dann muss sichergestellt sein, dass sich daraus keine Ri- die normalen Bankgeschäfte so voneinander abgrenzen siken, keine nachteiligen Entwicklungen für das System können, dass Risiken in einem Bereich keine Anste- als Ganzes ergeben können. Das ist die sogenannte An- ckungsgefahren für andere Bereiche bedeuten können. steckungsgefahr. Dazu muss man im Übrigen sagen: Das Universal- Weil sich das alles auf globaler und auf europäischer bankensystem in Deutschland hat sich über Jahrzehnte Ebene abspielt, müssen zum Erhalt der Wettbewerbsfä- bewährt, und es ist nicht die Ursache der Bankenkrise higkeit, die für alle Finanzinstitute und Banken eine gewesen. Die global tätigen Unternehmen brauchen große Rolle spielt, natürlich globale oder wenigstens eu- Dienstleistungen von Banken aus einer Hand. Das Uni- ropäische Regelungen getroffen werden, die zusammen versalbankensystem hat sich insgesamt bewährt. Man mit nationalen Regelungen ein sich verzahnendes Sys- muss allerdings die Entwicklung auf den Finanzmärkten tem ergeben. Das ist etwa ein ganz wichtiger Gegen- in den zurückliegenden Jahrzehnten berücksichtigen: Es stand der Debatte um die Finanztransaktionsteuer. Alle gab eine enorme Innovationsfähigkeit hin zu immer Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. März 2013 28615

Bundesminister Dr. Wolfgang Schäuble (A) komplexeren Produkten. Die Vielfalt der modernen oder angesichts seiner Größenordnung doch eher dem (C) Finanzprodukte und die Vielfalt der modernen Finanz- Eigenhandel der Bank dient. Damit können wir Erfah- marktteilnehmer hat außerdem dazu geführt, dass die rungen sammeln, wie die Empfehlungen des Liikanen- Finanztransaktionen um ein Vielfaches stärker gestiegen Reports tatsächlich in der Praxis zu handhaben sind. sind als das reale Bruttoinlandsprodukt, sei es in Europa, sei es weltweit. Zugleich ist der Anteil der Finanztrans- Das ist der Kern des Problems. Darüber muss man aktionen, der mit der realen Ökonomie unmittelbar zu nicht so furchtbar viele Grundsatzstreitigkeiten führen. tun hat, am Gesamtmarkt der Finanztransaktionen im- Ich glaube, es ist vernünftig, dass wir bei der Regulie- mer geringer geworden. Daraus hat sich die Debatte er- rung von Banken nicht das Kind mit dem Bade ausschüt- geben, ob wir bessere Abschichtungen der Risiken im ten, sondern immer daran denken, dass die Funktion und gesamten Bankensystem vornehmen können. Diese De- Leistungsfähigkeit unserer Banken in einem starken batte wird überall in der Welt geführt. Maße vom Erfolg auf den Weltmärkten abhängt. Es muss also auch im Auge behalten werden, dass die Wirt- In den Vereinigten Staaten wurde die „Volcker Rule“ schaft nicht beeinträchtigt wird. eingeführt. Das wird auch für Europa gefordert; das (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) muss im Einzelfall aber genau abgegrenzt werden. Es ist nämlich schwierig, weil man einem Devisengeschäft ei- Dann sehen wir schließlich vor, die Strafbarkeit von ner Bank nicht unmittelbar ansieht, ob es für einen Kun- Managern und Verantwortlichen der Finanzinstitute bei den gemacht wird oder ob es gemacht wird, um zukünf- Fehlverhalten im Risikomanagement entsprechend zu tig einen entsprechenden Kundenbedarf erfüllen zu verschärfen, weil die geltenden strafrechtlichen Vor- können, oder ob es auf eigene Rechnung gemacht wird. schriften nicht ausreichen. Das sind die drei Elemente Das können die Ökonomen zwar abstrakt voneinander dieses Gesetzentwurfs. abgrenzen. Dies aber in einem Gesetz zu formulieren, ist schwierig. Ich will darauf hinweisen, dass wir mit diesen Maß- nahmen unsere Bemühungen fortsetzen, Schritt für In Großbritannien geht man mit dem Vickers-Report ei- Schritt einen Ordnungsrahmen für die Finanzmärkte zu nen etwas anderen Weg. In Europa hat man die Liikanen- schaffen. Wir haben in dieser Legislaturperiode viel er- Kommission beauftragt, die die Fragen intensiv disku- reicht. Ich möchte mich auf diesem Weg bei allen Frak- tiert hat. Daraus wollen wir eine europäische Regelung tionen des Hauses für die Zusammenarbeit herzlich be- ableiten. Gemeinsam mit der französischen Regierung danken. Wir werden diesen Weg konsequent fortsetzen. haben wir uns entschieden, unseren nationalen Gesetz- gebern vorzuschlagen, den relativ unstreitigen Teil der Es leiten uns dabei die folgenden Prinzipien: erstens, das Finanzsystem krisenfester zu machen, zweitens, die (B) Empfehlungen des Liikanen-Reports im Vorgriff in na- (D) tionale Gesetzgebung umzusetzen. Wir wollen damit Verursacher immer an den Kosten der Krise zu beteili- keine europäische Regelung ersetzen, sondern das Zu- gen, drittens, der Haftung wieder Geltung zu verschaf- standekommen einer europäischen Regelung befördern. fen, viertens, die Transparenz auf den Finanzmärkten zu Im Übrigen wollen wir damit dazu beitragen, dass bei ei- erhöhen, und fünftens, die Aufsicht auf deutscher wie ner europäischen Regelung ein wenig aus den nationalen auf europäischer Ebene funktionsfähiger zu machen. Erfahrungen Frankreichs und Deutschlands geschöpft So schaffen wir Schritt für Schritt einen neuen Ord- werden kann. Deswegen gehen wir diesen Weg. nungsrahmen für die Finanzmärkte. Das Trennbanken- Der Liikanen-Report besagt ja letztendlich, dass man gesetz ist dabei ein wichtiger Schritt. Ich bitte Sie um zü- gige Beratung und um Zustimmung zum Gesetzentwurf. nicht wirklich abgrenzen kann, was Eigenhandel und was Kundenhandel ist. Das ist ja das eigentliche Pro- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) blem. Deswegen sagen wir: Ab einer bestimmten Grö- ßenordnung, also wenn die Bank Handelsaktivitäten von Präsident Dr. Norbert Lammert: über 100 Milliarden Euro hat oder wenn dieser Teil der Geschäfte mehr als 20 Prozent des Volumens der Ge- Der Kollege Joachim Poß erhält nun das Wort für die schäfte der Bank beträgt, sollen diese Geschäftsbereiche SPD-Fraktion. voneinander getrennt werden in eigene rechtlich abge- (Beifall bei der SPD) schichtete Institute mit entsprechenden Haftungsbegren- zungen. Joachim Poß (SPD): Daraus ergibt sich das Problem, dass die Banken, Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! wenn sie diese Größenordnung erreicht haben, die Pro- 2008 hat die Lehman-Pleite die Finanzmärkte weltweit dukte für ihre Kunden nicht mehr vorrätig halten kön- erschüttert. 2010 hat sich mit aller Macht der schädliche nen. Sie können in dem Geschäftsfeld, in dem Kunden- Einfluss von Banken und Finanzspekulanten in der Krise geschäfte getätigt werden, ja nicht auf Auftrag tätig in Griechenland, Irland, Spanien gezeigt. Vor allem im werden, sondern sie müssen die Leistung vorrätig halten. Herbst 2011 wurde an vielen Orten im Rahmen der Das ist das sogenannte Market Making. Deswegen sagen Occupy-Bewegung gegen die Bankenmacht demons- wir: Den eindeutigen Eigenhandel spalten wir ab. Das triert. Und dann, Herr Bundesfinanzminister, dauert es Market Making übertragen wir in die Zuständigkeit der noch bis in den Februar 2013, bis Sie endlich reagieren Bankenaufsicht, damit sie im Einzelfall prüfen kann, ob und endlich einen Gesetzentwurf zur Einschränkung der das Market Making in erster Linie dem Kundengeschäft Bankenmacht vorlegen. So schön ist Ihre Bilanz an die- 28616 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. März 2013

Joachim Poß (A) ser Stelle nicht, wie Sie es vorhin versucht haben, darzu- Ich frage mich: Warum sollen eher mittelgroße Banken (C) stellen. mit den Einlagen der Kunden weiterhin hochriskante Geschäfte machen dürfen? Warum soll das nur den ganz (Beifall bei der SPD) Großen verboten werden? Dafür gibt es keinen Grund, Sie malen sich das schöner, als es ist. Das gilt im Übri- Herr Bundesfinanzminister. gen auch für Ihre Konsolidierungspolitik wie für Ihre (Beifall bei der SPD) Steuerpolitik. Ihre Bilanz ist alles andere als überzeu- gend. Das gilt auch für den Bereich „Einschränkung der Ein weiterer Punkt, warum Ihr Gesetz nicht ausreicht: Bankenmacht“. Die Abschirmung des Einlagen- und Kreditgeschäfts vom Eigenhandel und anderen riskanten Geschäften (Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Gut, wird von Ihnen nicht mit der nötigen Konsequenz durch- dass die Leute das anders sehen!) geführt. Der Gesetzentwurf enthält zu viele Ausnahmen Dass Sie jetzt einen entsprechenden Gesetzentwurf und lässt den betroffenen Instituten, so zum Beispiel vorlegen, hat nur einen Grund: Sie wollen noch schnell auch der Deutschen Bank, immer noch zu viel Spielraum das Thema Banken besetzen, für spekulative und riskante Geschäfte. (Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU) Wenn Ihr Gesetzentwurf in der vorliegenden Form verabschiedet wird – Sie haben ja angedeutet, dass Sie damit es Ihnen im anstehenden Wahlkampf nicht auf die für Verbesserungsvorschläge, die im Rahmen der weite- Füße fällt. ren Beratung eingebracht werden, offen sind –, (Beifall bei der SPD) (Ingrid Arndt-Brauer [SPD]: Das wäre das erste Mal!) Wären Sie, Herr Schäuble, tatsächlich an einer Lösung interessiert, die Bankenmacht und deren Erpressungs- werden wir es nicht schaffen, die Einlagen der Kunden potenzial wirksam einzuschränken, was dringend not- und Sparer vor Verlusten aus spekulativen und riskanten wendig wäre, hätten Sie schon viel eher agiert. Ihre Geschäften zu schützen. Es ist aber unser Ziel, diese Ein- Regierungszeit als Finanzminister dauert jetzt schon lagen zu schützen. dreieinhalb Jahre an. Dieses jahrelange Zögern können Sie nicht damit rechtfertigen, dass Sie auf die Empfeh- (Beifall bei der SPD) lungen von Experten gewartet haben. Es gab schon vor Mit Ihrem Gesetz bleibt das Risiko hoch, dass große dem Liikanen-Bericht Überlegungen der OECD, Dis- Banken in der Krise weiter dem Steuerzahler auf der Ta- kussionen über die „Volcker Rule“ in den USA, auch der sche liegen können. Auch das wollen wir verhindern. (B) Vickers-Report ist in diesem Zusammenhang zu nennen. Das ist unser Ziel. (D) (Klaus-Peter Flosbach [CDU/CSU]: Diskus- (Beifall bei der SPD) sionen!) Sie bleiben auch hinter der derzeit auf EU-Ebene ver- Ganz offensichtlich handelt es sich bei dem heute zu handelten Richtlinie zur Sanierung und Abwicklung von beratenden Gesetzentwurf bereits um einen Teil Ihres Kreditinstituten zurück. So fordert die EU-Kommission Bundestagswahlkampfes. zum Beispiel die Absetzung der Geschäftsleitung bei ge- scheiterten Banken. Sie dagegen, Herr Schäuble, halten (Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU) das nicht für notwendig und sehen hierzu zahlreiche Große Fortschritte im Kampf um die Begrenzung der Ausnahmen vor. Bankenmacht sind mit Ihrem Gesetz auf jeden Fall nicht Ihr Gesetz mag die betroffenen großen Banken ein zu erzielen. Dafür fehlt es dem Gesetz an Reichweite wenig ärgern, aber es wird nicht wirklich etwas ändern. und an Biss. Ein echtes Trennbankenregime wird so jedenfalls nicht (Manfred Zöllmer [SPD]: So ist das!) etabliert. Dass zum Beispiel Herr Fitschen von der Deutschen Während der gesamten, jetzt fast abgelaufenen Legis- Bank diesen Gesetzentwurf ablehnt, ist sein Job, dafür laturperiode, in der Sie die Verantwortung im Finanz- wird er bezahlt. ministerium tragen, Herr Schäuble, sind die Banken von Ihnen unterm Strich doch eher geschont worden. Denken (Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Das Sie nur an die kümmerliche Bankenabgabe, die Sie ein- ist ein gutes Zeichen!) geführt haben und die die Banken fast aus der Portokasse zahlen können. Aber das ist noch lange kein Beleg dafür, dass das Ge- setz tatsächlich ausreicht und das angestrebte Ziel er- (Manfred Zöllmer [SPD]: Genau!) reicht. Einen Abwicklungsfonds, der den Steuerzahler aus der Ein Grundübel dieses Gesetzes ist es, dass es in sei- Staatshaftung für die Risiken der Banken befreit, können nem zentralen Teil aufgrund falsch gesetzter Schwellen- Sie so auf jeden Fall nicht füllen. werte und Größengrenzen im Ergebnis vermutlich nur wenige große Banken trifft. In einem Namensartikel in der Börsen-Zeitung vom 27. Februar 2013 bezeichnen Sie richtigerweise nicht (Manfred Zöllmer [SPD]: So ist es!) das heute zu beratende Gesetz als „zentrales Projekt der Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. März 2013 28617

Joachim Poß (A) Bankenregulierung“, sondern die Umsetzung von Ba- Björn Sänger (FDP): (C) sel III. Bei dieser Umsetzung haben Sie aber jetzt wieder Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her- zeitlich Leine gelassen, damit die Briten die Möglichkeit ren! Herr Kollege Poß, die Argumentation, die Sie hier haben, die bereits getroffene Vereinbarung über die Be- abgeliefert haben, war vorhersehbar. grenzung von Bankerboni aufzuweichen. Das war ein klarer Fehler. Es ist nicht zu erwarten, dass man hinsicht- (Iris Gleicke [SPD]: Bin gespannt, was Sie lich der Zustimmung der City of London auf diesem jetzt gleich bringen!) Feld wirklich vorankommt. Das ist leider so. Sie zieht sich wie ein roter Faden – welche Farbe sollte der Faden bei Ihnen auch sonst haben? – (Beifall bei der SPD – Klaus-Peter Flosbach [CDU/CSU]: Sie können ja mal nach London (Ingrid Arndt-Brauer [SPD]: Schöner Witz!) fahren! Fahren Sie doch einmal dahin!) durch sämtliche Diskussionen. Sie lautet, es habe zu – Ich kenne die Argumente, die dort ausgetauscht wer- lange gedauert. Dazu sage ich: Ja, nach der Regulierung den. Das habe ich Ihnen nicht vorgeworfen. Ich habe nur der Ratingagenturen, eine Feststellung getroffen. (Manfred Zöllmer [SPD]: Wann habt ihr denn (Klaus-Peter Flosbach [CDU/CSU]: Ja, klar!) die Ratingagenturen reguliert? Das ist ja ganz neu!) Bei genauerem Hinsehen ist und bleibt Ihre Bilanz hinsichtlich der Banken- und Finanzmarktregulierung nach dem Verbot der Leerverkäufe, nach der Regulie- mager. Das sieht man auch an der entsprechenden Auf- rung des Hochfrequenzhandels, nach der Regulierung stellung Ihres Ministeriums „Informationen aus dem der Fondsbranche, nach der Regulierung des grauen Ka- Bundesfinanzministerium – Neuer Ordnungsrahmen für pitalmarktes, nach der Regulierung der Vergütungssys- die Finanzmärkte“. Man kann sehr gut erkennen, dass teme und Boni in Instituten, nach der Regulierung des das allermeiste die Umsetzung von EU-Rechtssetzung in Derivatehandels, nach der Regulierung der Kreditver- deutsches Recht ist. Wenn Sie selbst initiativ geworden briefung – ich könnte noch zig weitere Vorhaben anfüh- sind, haben Sie wie beim Restrukturierungsgesetz bei ren – hat es in der Tat etwas gedauert, bis wir nun heute Steinbrück abgeschrieben, dieses wichtige Regulierungsvorhaben auf dem Tisch haben. (Lachen des Abg. Klaus-Peter Flosbach Lieber Herr Kollege Poß, Sie sind nicht so häufig im [CDU/CSU]) Finanzausschuss; aber jedes Mal, wenn wir derartige Verfahren im Ausschuss diskutieren, sind es Ihre Kolle- (B) oder Sie springen wie bei dem heute zu lesenden Gesetz- (D) entwurf oder dem Entwurf eines Hochfrequenzhandels- gen, die sagen, dass das alles irgendwie viel zu schnell gesetzes viel zu kurz. Sie versuchen lediglich, durch gehe, man sich doch etwas mehr Zeit nehmen müsse. Ich viele Worte das alles zu einem großen Feldzug gegen finde, da sollten Sie sich schon entscheiden und auf eine Banken und Finanzmärkte aufzubauschen; aber die Fak- Argumentationslinie festlegen. ten, Herr Schäuble, sprechen eine andere Sprache. Ihre (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten Regulierungsvorschläge sind oftmals nicht mehr als der CDU/CSU) heiße Luft. Es liegt jetzt ein sehr wichtiges Regulierungsvorha- (Beifall bei der SPD) ben vor. Das ist nach Umsetzung des Banken-Restruktu- rierungsgesetzes ein weiterer logischer Schritt in unse- Warum kämpfen Sie denn nicht in Brüssel für ein euro- rem Regulierungssystem. Dabei geht es um die Frage: paweit einheitliches Bankenrestrukturierungs- und -ab- Wie schirmt man Risiken ab? Das ist meines Erachtens wicklungsregime, das zeitgleich mit der europäischen eigentlich der entscheidende Regulierungsschritt; denn Bankenaufsicht kommt und nicht erst am Sankt-Nim- es geht darum, Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft merleins-Tag? Warum hat Ihr großes Haus mit den vie- in der Finanzbranche wieder einzuführen. Dazu gehört, len Beamten und Experten noch keinen Aktionsplan ge- dass man eben auch scheitern kann. Versuch und Irrtum gen das Schattenbankenproblem erarbeitet? Beklagen gehören zur sozialen Marktwirtschaft. Sie nicht die Probleme, sondern fangen Sie an, wirklich zu arbeiten! Verstecken Sie sich nicht hinter EU-Kom- Mit dem Banken-Restrukturierungsgesetz haben wir mission oder Financial Stability Board! Ihre Politik, ein Insolvenzrecht für Banken geschaffen, das derzeit Herr Schäuble, ist keine Erfolgsstory, sondern ein Regu- leider europaweit noch einmalig ist. Mit dem heute vor- lierungsversäumniskatalog. liegenden Gesetz gehen wir den nächsten Schritt, indem wir den Banken vorschreiben, Sanierungspläne zu erar- (Beifall bei der SPD) beiten und klar zu sagen, welcher Bereich überlebensfä- hig ist und wo die Risiken sind. Das muss den einzelnen Präsident Dr. Norbert Lammert: Geschäftsbereichen zugeordnet werden, um im Ernstfall, Für die FDP-Fraktion erhält der Kollege Björn Sänger wenn ein Unternehmen in der Krise ist bzw. wenn das das Wort. Scheitern droht, eine geordnete Abwicklung so zu er- möglichen, dass zum einen der Einsatz öffentlicher Mit- (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten tel vermieden – für uns ist ganz besonders wichtig, dass der CDU/CSU) zuerst die Eigentümer und die Gläubiger zahlen, danach 28618 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. März 2013

Björn Sänger (A) erst der Staat – und zum anderen ein Weiterführen des ist, sie nach Asien sowie in die Schwellenländer Latein- (C) unbelasteten Teils ermöglicht wird. Zugleich soll ver- amerikas und nach Afrika zu begleiten. mieden werden, dass dadurch Ansteckungspotenzial (Beifall bei der FDP) oder Risiken für den Finanzmarkt entstehen. Dazu muss eine Bank eine gewisse Größenordnung Im Übrigen haben wir im Banken-Restrukturierungs- haben. Dadurch wird eine Bank eben auch komplex; gesetz – das hätten Sie gesehen, lieber Kollege Poß, groß und einfach funktioniert also nicht. Um diese Risi- wenn Sie einmal hineingeschaut hätten – die Absetzung ken abschirmen zu können, haben wir diesen Gesetzent- der Geschäftsleitung durch die BaFin entsprechend gere- wurf vorgelegt. Hohe Risiken werden wir auslagern, in- gelt. Die BaFin kann das anordnen, wenn es notwendig dem wir die Vorschläge aus dem Liikanen-Report wird. Insofern hilft auch hier ein Blick ins Gesetz bei der aufgreifen. Rechtsfindung. Ich will noch auf einen anderen Bereich eingehen, der (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten in diesem Gesetzesvorhaben enthalten ist. Auch das ist der CDU/ CSU – Zuruf des Abg. Dr. h. c. Hans nicht uninteressant. Es geht um die Regelung der Michelbach [CDU/CSU]) Finanzkonglomerate, also Unternehmen, die in verschie- Zur Frage, ob die Einlagen gefährdet sind: Wir in densten Bereichen der Finanzbranche tätig sind und die Deutschland haben ein Einlagensicherungssystem. Die Versicherungen, Fonds und eben auch Bankdienstleis- Einlagen der Kleinsparer sind entsprechend abgesichert tungen anbieten. Momentan sind sie in ihrer Gänze noch und durch das Banken-Restrukturierungsgesetz auch ge- nicht reguliert. Auch hier greifen wir gewissermaßen schützt. Wir haben nämlich die entsprechenden Voraus- eine europäische Regelung auf, die entscheidend von der setzungen geschaffen, dass die Teile, die sozusagen Bundesregierung mit geprägt wurde, und setzen sie um. „über die Wupper gehen“, ausgelagert werden können. Des Weiteren – das ist der nächste Schritt, der sich Darüber hinaus entstehen ab einem gewissen Punkt hier schon am Horizont abzeichnet – kümmern wir uns – das geben wir ja zu – möglicherweise Risiken, die wir darum, dass die Schattenbanken einer Regulierung zuge- noch einmal gesondert abschirmen wollen. Das machen führt werden. Auf dem G-20-Gipfel in St. Petersburg ist wir mit einem Gesetzentwurf, der sich sehr stark an den mit entsprechenden Ergebnissen zu rechnen. Hierbei un- Kabinettsbeschluss anlehnt – zum Teil ist er damit iden- terstützen wir die Bundesregierung – sie ist Vorreiter im tisch –, den die französische Regierung am 19. Dezem- Bereich der Regulierung der Finanzmärkte – mit Nach- ber 2012 verabschiedet hat. Ich habe nicht unbedingt den druck. Sie sollten über Ihren Schatten springen und das Eindruck, als ob in Frankreich turbokapitalistische Ban- ebenfalls tun. (B) kenhörige regieren. Mein Eindruck ist da eher ein ande- Herzlichen Dank. (D) rer. Ich glaube, es handelt sich dabei um Ihre Freunde, die in dem Fall aber ein sehr gutes Gesetz zur Welt ge- (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten bracht haben. der CDU/CSU – [Heidelberg] [SPD]: Nichts mit Schattenbanken!) Zusammen mit den Franzosen sagen wir nun: Wir schreiten voran und setzen gewissermaßen die unproble- matischen Teile aus dem sogenannten Liikanen-Report Präsident Dr. Norbert Lammert: um, um damit Erfahrungen zu sammeln und um dann Das Wort erhält nun die Kollegin Sahra Wagenknecht auch auf europäischer Ebene handeln zu können. Wir ge- für die Fraktion Die Linke. hen dabei davon aus, dass der Eigenhandel von Banken (Beifall bei der LINKEN) ab einer bestimmten Größenordnung möglicherweise Ri- siken birgt, die wir – zusätzlich zu den Regelungen, die Sahra Wagenknecht (DIE LINKE): wir ohnehin hier im Gesetz haben – entsprechend ab- schirmen und auslagern wollen. Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Es ist kein Wunder, dass sich die gesamte deutsche Alle Finanzmärkte, Produkte und Akteure sollen re- Kreditwirtschaft – im Übrigen auch die Sparkassen – guliert oder beaufsichtigt werden. eindeutig für das Universalprinzip aussprechen. Es ist Das hat die G 20 im Jahr eins der großen Finanzkrise im auch logisch, Bankdienstleistungen aus einer Hand an- Herbst 2008 angekündigt. Fast fünf Jahre ist das her. Ich bieten zu wollen. Überlegen Sie einmal, wie sich die muss schon sagen: Angesichts der Ausmaße und der Märkte global entwickeln werden. Glauben Sie denn Dramatik der Katastrophe und angesichts der Billionen- ernsthaft, dass wir angesichts der demografischen Ent- kosten, die auf die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler wicklung in Europa hier noch mit einem nennenswerten abgewälzt wurden, finde ich die seither an den Tag Wachstum zu rechnen haben? gelegte politische Untätigkeit der Verantwortlichen schlicht und ergreifend skandalös. (Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Es geht um Spekulationsdienstleistungen!) (Beifall bei der LINKEN) Das Wachstum findet auf anderen Märkten statt. Unsere Fünf Jahre – und nichts hat sich daran geändert, dass Mittelständler, die auf Export setzen werden, wenn sie im Finanzsektor obskure Papiere kreiert und aberwitzige feststellen, dass sie im Heimatmarkt nicht weiterkom- Geschäftsmodelle verfolgt werden, während die Kredit- men, brauchen eben einen Dienstleister, der in der Lage vergabe an reale Unternehmen immer dürftiger wird. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. März 2013 28619

Sahra Wagenknecht (A) Nichts hat sich daran geändert, dass mit diesen obskuren tet wurden, nicht mitgerechnet. Angesichts solcher Zu- (C) Papieren Monat für Monat mehr Geld verdient wird, als stände behaupten Sie, wir seien auf einem guten Weg. beispielsweise ein Arzt, der jede Woche Menschenleben rettet, oder ein Ingenieur, der Hightechmaschinen kon- Vielleicht hätten Sie von der Bundesregierung, statt struiert, im ganzen Leben verdienen kann. Auch die vor- sich im Laufe dieser Legislaturperiode etwa hundertmal liegenden Gesetzentwürfe werden an dieser skandalösen mit Investmentbankern zu treffen, sich lieber einmal mit Situation nicht das Geringste verändern. den Geschäftsführern kleiner und mittlerer Unternehmen austauschen sollen, Derivate, also das, was Warren Buffett finanzielle Mas- senvernichtungswaffen nannte, sind heute im Nominal- (Beifall bei der LINKEN) wert von 640 Billionen Dollar auf dem Markt. Das ist die Ihnen vielleicht plastisch geschildert hätten, wie oft etwa zehnmal mehr als das, was die gesamte Weltwirt- sie schon mit dem Anliegen, einen langfristigen Investi- schaft an Gütern und Leistungen produziert. 53 Billionen tionskredit zu bekommen, bei ihrer Bank abgeblitzt sind Euro sind inzwischen im Schattenbankensystem angelegt, und was das am Ende für die Arbeitsplätze und für die also in dem unregulierten Dickicht von Hedgefonds, von Innovationsfähigkeit der Wirtschaft bedeutet. Oder Sie Private-Equity-Haien und sonstigen Finanzspekulanten, hätten sich vielleicht mit Familien treffen können, die in die gar keiner Aufsicht unterliegen. der Dispofalle festhängen und von den Banken jeden Monat mit Überziehungszinsen von 12 oder 14 Prozent Auch für die Banker hat sich doch im Ernst nicht abgezockt werden – von denselben Bankern, die dieses wirklich etwas verändert. Das Regulierungspaket Ba- Geld praktisch gratis von der Europäischen Zentralbank sel III wurde von der Lobby kleingeschossen, und es ist bekommen. völlig offen, ob es überhaupt jemals in Kraft treten wird. Die strengeren Liquiditätsvorgaben wurden aufgeweicht. Die Wahrheit ist leider: Kein Finanzmarkt, kein Pro- Die höheren Eigenkapitalanforderungen sind ein Witz, dukt und kein Akteur ist heute wesentlich wirksamer re- solange die Banken einfach nur ihre Modelle, wie sie die guliert und beaufsichtigt als im Jahre 2008. Das ist ein Risiken berechnen, ändern müssen. Schwupp ist dadurch Armutszeugnis für die Politik und ein erschreckender die Eigenkapitalquote höher, ohne dass ein einziger Ausweis ihrer Abhängigkeit und Steuerbarkeit durch die müder Euro zusätzliches Eigenkapital aufgenommen Lobby der Banker und Finanzjongleure. wurde. (Beifall bei der LINKEN) (Klaus-Peter Flosbach [CDU/CSU]: Ganz dummes Zeug ist das!) Herr Schäuble, Sie haben selbst öffentlich gewarnt, dass die Demokratie eine nochmalige Finanzmarktkrise (B) – Sie haben offenbar keine Ahnung. in diesem Ausmaß nicht überleben würde. Ich frage Sie: (D) Wie können Sie es dann verantworten, alles weiterlaufen (Beifall bei der LINKEN) zu lassen? Der Finanzmarkt ist heute doch genauso wie Die Deutsche Bank hat im letzten Jahr ihre risikoge- vor fünf Jahren ein Markt ohne Haftung und Verantwor- wichteten Aktiva um 12 Prozent reduziert. Wie hat sie tung, ein Markt, auf dem die normalen Gesetze, denen das gemacht? Etwa dadurch, dass sie weniger Derivate sich alle anderen unterwerfen müssen, schlicht und er- aufgelegt oder weniger in Lebensmitteln spekuliert hat? greifend nicht gelten. Die Banken, die jahrelang den Li- Davon kann keine Rede sein. Im Gegenteil: Hier dreht bor manipuliert und sich damit Milliardengewinne er- sie wieder ein ganz großes Rad. Sie hat das gemacht, in- gaunert haben, sollen nach dem Wunsch der EU- dem sie, wie sie es selber nett formuliert, Model Im- Kommission jetzt straffrei ausgehen, genauso wie auch provements nutzt. Ich kann Ihnen erklären, was das ist. die ganz großen Finanzmüllproduzenten für das, was sie Das funktioniert in etwa so wie mit dem Armuts- und angerichtet haben, nie zur Verantwortung gezogen wur- Reichtumsbericht. Wer glaubt, dass Armut dadurch ver- den. schwindet, dass man sie im Regierungsbericht nicht Für die Situation, in der wir sind, tragen Sie alle eine mehr erwähnt, der glaubt wahrscheinlich auch, dass Ri- Mitverantwortung. Hätte beispielsweise Rot-Grün da- siko dadurch verschwindet, dass man einfach die Be- mals die Hedgefonds in Deutschland nicht zugelassen, rechnungsmethode verändert. Ich halte diese Logik für völlig absurd. (Manfred Zöllmer [SPD]: Das ist doch Blöd- sinn! Das ist Schwachsinn!) (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Dr. Gerhard Schick [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- dann müssten wir uns gar nicht erst den Kopf darüber NEN]) zerbrechen, wie diese verrückten Finanzvehikel wieder reguliert werden können. Das eigentliche Problem ist doch: Eine Bank, die weiß, dass die Regierung sie niemals fallen lassen kann, (Manfred Zöllmer [SPD]: Wo war denn da- hat es doch gar nicht nötig, Eigenkapital zu bilden. Die mals Lafontaine? Sie haben überhaupt keine kann es sich, wie die Deutsche Bank, leisten, mitten in Ahnung!) der Euro-Krise Boni in Höhe von 3,2 Milliarden Euro an – Das tut Ihnen weh, aber es ist leider die Wahrheit. ihre Investmentbanker auszuschütten. Insgesamt haben die Banker im letzten Jahr übrigens 300 Milliarden Euro (Beifall bei der LINKEN – Lothar Binding an Boni verteilt, die ganzen Dividenden, die ausgeschüt- [Heidelberg] [SPD]: Es gibt 18 Hedgefonds in 28620 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. März 2013

Sahra Wagenknecht (A) Deutschland mit weniger als 2 Milliarden! Das Auch die Euro-Rettung war von Beginn an nichts an- (C) war eine prima Regulierung damals!) deres als eine einzige große Bankenrettung: Etwa 50 Milliarden Euro sind aus dem Rettungsschirm direkt Hätte die Große Koalition die Idiotie der Kreditver- an die griechischen Banken geflossen, 5 Milliarden Euro briefungen nicht ausdrücklich gefördert, dann wäre ver- davon – das hat die Bundesregierung selber bestätigt – mutlich weniger von diesem Müll in den Bilanzen der an die Eurobank des griechischen Milliardärs Latsis, der Landesbanken hängen geblieben. Hätte ein Herr in einer Villa am Genfer See sein Leben genießt. Wollen Steinbrück nicht das Gesetz zur Bankenrettung ausge- Sie wirklich behaupten, dass der Euro kaputtgegangen rechnet von den Lobbykanzleien der Banker selber wäre, wenn der griechische Milliardär Latsis einen Teil schreiben lassen, dann hätten sich die Probleme natür- seines Vermögens verloren hätte? lich auch weniger generös für die Finanzinstitute und weniger ruinös für den Steuerzahler lösen lassen. Sie reden von einem Bail-in der Gläubiger und von Haftung; aber Sie tun alles, dass diese Haftung und die- (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN – ser Bail-in nicht kommen. Wo war der Aufschrei der Manfred Zöllmer [SPD]: Das ist doch Blöd- Bundesregierung, als die Europäische Zentralbank Ir- sinn, was Sie da behaupten!) land unter Druck gesetzt hat, seine Banken und deren Gläubiger komplett freizukaufen, obwohl das kleine Oder will heute noch jemand behaupten, dass es alter- Land sich dadurch eine Verschuldung aufgehalst hat, für nativlos war, der Commerzbank mindestens 2 Milliarden die noch Generationen bluten werden? Wo ist der Auf- Euro zu schenken? 2 Milliarden Euro, davon könnten schrei der Bundesregierung angesichts des aktuellen Sie den Heizkostenzuschuss für arme Familien zehn Richtlinienentwurfs der EU-Kommission, nach dem eine Jahre weiter zahlen. Gläubigerhaftung bis 2018 ausgeschlossen werden soll? (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN – Und hören Sie doch auf, uns zu erzählen, diese elende Ralph Brinkhaus [CDU/CSU]: Bullshit- Bankenretterei auf unser aller Kosten wäre im Interesse Bingo!) des Kleinsparers! Das ist nun wirklich eine der dümms- ten Lügen. Oder wollen Sie behaupten, dass es alternativlos war, 200 Milliarden Euro in der Hypo Real Estate zu versen- (Beifall bei der LINKEN) ken, Selbstverständlich könnten wir es in Europa machen, (Joachim Poß [SPD]: Das ist Demagogie!) wie es die Isländer vorgemacht haben: Einlagen bis zu einer gewissen Höhe werden geschützt – sagen wir bis nur damit der charmante Herr Ackermann seine Forde- 500 000 Euro; damit es wirklich niemanden trifft, der für sein Geld hart gearbeitet hat –, alles andere allerdings (B) rungen an die Hypo Real Estate nicht abschreiben muss? (D) Dass Lobbykanzleien wie Freshfields für ihre erfolgrei- – zunächst die Aktien, dann die Bankschuldverschrei- che Interessenvertretung für die Banker dann auch noch bungen und schließlich die Einlagen, die über diese 100 Millionen Euro vom Staat bekommen haben, setzt Grenze hinausgehen – geht, wenn eine Bank pleite ist, in dem Ganzen allerdings die Krone auf. die Insolvenzmasse ein. Wo ist denn da das Problem? Jeder Handwerksbetrieb, der für ein Unternehmen gear- Insoweit muss ich schon sagen: Wenn man sich an- beitet hat, das pleitegeht, muss seine Forderungen ab- sieht, wie erfolgreich die Finanzmafia in Deutschland schreiben; da springt auch nicht der Staat bzw. der Steu- den Steuerzahler über den Tisch gezogen hat und wie en- erzahler rettend ein. Für so eine Regelung bräuchte man gagiert Herr Steinbrück als damaliger Finanzminister da- keine dicken Gesetze und keine endlosen EU-Richtli- bei behilflich war, dann sind die später geflossenen Ho- nien. Man hätte es in Irland und Griechenland so machen norare natürlich durchaus nachvollziehbar. Es ist nur können, und man könnte es jetzt in Spanien und Zypern schade, dass Korruption nach dem Motto „Gezahlt wird so machen – und natürlich auch hier in Deutschland. später“ in Deutschland nicht strafbar ist. (Beifall bei der LINKEN) (Beifall bei der LINKEN – Ralph Brinkhaus [CDU/CSU]: Oh! Das ist natürlich ein starkes Wäre dieser Weg in Europa beschritten worden, dann wären die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler heute um Stück!) 4,5 Billionen Euro reicher. Im Gegenzug gäbe es ver- Ich muss sagen: Natürlich finde ich es sympathisch, mutlich einige Milliardäre weniger, und das Vermögen dass die SPD die Banken jetzt regulieren will; denn das der europäischen Oberschicht wäre vielleicht auf das Ni- sagen und fordern wir ja schon lange. Aber ich muss Sie veau der 90er-Jahre zurückgestutzt. Dann könnten wir in fragen: Wenn Sie ernsthaft den Banken ans Leder wol- Deutschland mehr Lehrer und mehr Krankenschwestern len, wie konnten Sie dann ausgerechnet den Banken- beschäftigen, und in Griechenland und Spanien wären mann Peer Steinbrück zu Ihrem Kanzlerkandidaten ma- wahrscheinlich nicht 60 Prozent aller jungen Menschen chen? Das nimmt Ihnen doch der Dümmste nicht ab, ohne Arbeit und ohne Perspektive. Wäre das eine so schlechte Alternative? (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Ich glaube, der Nobelpreisträger Stiglitz hat völlig zumal die große Koalition der Bankenretter leider bis recht: Das Problem ist die Verbindung von Wirtschaft heute reibungslos weiterläuft. und Politik. – Wer Demokratie will, muss die Finanz- mafia entmachten, statt sich von ihr einkaufen zu lassen. (Zuruf des Abg. Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]) (Beifall bei der LINKEN) Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. März 2013 28621

Sahra Wagenknecht (A) Wir brauchen in Deutschland keine große Koalition der Die Opposition, SPD und Grüne, fordern, diese Vor- (C) Bankenretter. Was wir brauchen, ist eine Politik, die end- schläge aufzugreifen und gesetzgeberisch umzusetzen; lich den Mut aufbringt, den Zockern das Handwerk zu denn Leute haben sich das fachkundig angeguckt und ei- legen. Dafür werden wir als Linke weiterhin streiten. nen guten Vorschlag gemacht. (Anhaltender Beifall bei der LINKEN) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) Präsident Dr. Norbert Lammert: Aber was macht die Bundesregierung? Sie legt jetzt Ich erteile das Wort dem Kollegen Gerhard Schick, einen Gesetzentwurf vor, der inhaltlich hinter diesen Bündnis 90/Die Grünen. Vorschlägen bleibt, und tut so, als sei sie der Motor für eine bessere Regulierung in Europa. Das ist doch ab- Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- surd! NEN): (Beifall des Abg. Joachim Poß [SPD]) Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach dem Standardvortrag von Sahra Wagenknecht Sie bremsen einen bestehenden Politikprozess in Europa wäre es einmal sinnvoll, über die Anträge und Gesetz- und wollen sich als Motor verkaufen. Das ist nicht nur entwürfe, die vorliegen, zu sprechen. Wahlkampf, das ist richtig schlechter Wahlkampf, weil (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS- Sie die Dinge völlig verdrehen. SES 90/DIE GRÜNEN, der CDU/CSU, der (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN SPD und der FDP) und bei der SPD) Man kann den Eindruck gewinnen, dass in diesem In der Stellungnahme für den Finanzausschuss sagt Haus eigentlich eine ganz große Einigkeit herrscht; denn Professor Krahnen, Mitglied der Kommission, die die die Begrifflichkeiten haben sich irgendwie angenähert: europäischen Vorschläge vorgelegt hat – ich zitiere –: Auf beiden Seiten des Hauses ist von einem Trennban- kensystem die Rede, auf beiden Seiten des Hauses ist Nach unserem Ermessen läuft der Gesetzesentwurf von Sanierungsplänen für Banken die Rede, und es ist in seiner derzeitigen Ausgestaltung jedoch Gefahr, allgemein von einer Bankenunion die Rede. Die Unter- zwar symbolträchtig zu sein, aber in der Zielerrei- schiede sind trotzdem sehr relevant, was ich im Folgen- chung hinsichtlich Stabilität des Finanzmarktes und den deutlich machen will; denn es kommt darauf an, was Schutz von Einlegern und Steuerzahlern hinter den hinter den gerade in Wahlkampfzeiten üblichen Über- Erwartungen zurückzubleiben. (B) schriften steckt. Schauen wir uns die Punkte also im Ein- Das zeigt genau: Es gibt konkrete Vorschläge für Trenn- (D) zelnen an: banken, die wir als Opposition unterstützen, und es gibt Erster Punkt: Trennbankensystem. Unsere Fraktion hier einen Wahlkampfgesetzentwurf, der in seiner Sub- hat im Oktober 2011 einen Antrag vorgelegt und darin stanz den Schutz von Steuerzahlern nicht erreicht. vorgeschlagen, dass man sich in Deutschland einmal da- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN mit beschäftigt, wie wir mit dem Problem der system- und bei der SPD) relevanten Großbanken umgehen können, ohne dass es Schäden für unsere Volkswirtschaft gibt. Wir haben vor- Zweiter Punkt: Sanierungspläne/Abwicklungspläne. geschlagen, dass man bis September 2012 zusammen Wir fordern das seit langem, und das ist auch richtig. mit Fachleuten eine Analyse dazu durchführt, um auf Entscheidend ist aber doch: Findet das wirklich so statt, dieser Grundlage ein gutes Gesetz für Deutschland ma- dass Banken im Ernstfall abgewickelt werden können? chen zu können. Wer ist dafür eigentlich verantwortlich? Die Koalition sagt: Die Banken sollen einmal etwas aufschreiben, aber Sie haben das damals abgelehnt. In kurzer Frist legen letztlich bleibt die Bankenaufsicht verantwortlich. – Ja, Sie jetzt schnell einen Gesetzentwurf vor, für den Sie Moment! Wir lassen doch die Banken nicht aus der Ver- sich noch nicht einmal die Struktur in Deutschland ange- antwortung, für ihre eigenen Probleme geradezustehen. schaut haben; sie ist dort nicht eingegangen. Sie haben Deswegen steht in unserem Antrag, dass die Verantwor- einen Gesetzentwurf vorgelegt, ohne sich vorher die Be- tung für die Sanierungspläne und dafür, dass eine Bank rechnungen anzuschauen. Sie haben jetzt über die BaFin ohne Steuerzahlergeld abgewickelt werden kann, bei den Berechnungen in Auftrag gegeben und werden diesen Banken liegen soll. Und das ist auch richtig so. Gesetzentwurf noch ziemlich deutlich ändern müssen, weil Sie im Wahlkampf erst einmal schnell etwas vorle- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gen wollten, ohne sich die Fakten vorher richtig anzu- und bei der SPD) schauen. Meine Prognose ist, dass wir darauf noch ein- Dritter Punkt: Bankenunion. In Ihrem Antrag schrei- mal zurückkommen werden. ben Sie jetzt auch etwas von Restrukturierungsfonds, Das Entscheidende ist aber: Es gibt inzwischen längst aber Sie wollen nationale Restrukturierungsfonds. einen Politikprozess auf europäischer Ebene. Es gibt den (Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Liikanen-Vorschlag. Eine Expertenkommission auf Stimmt doch nicht!) europäischer Ebene hat genau das gemacht, was wir Grüne für Deutschland vorgeschlagen hatten, und hat – Lesen Sie doch Ihren eigenen Antrag! Da steht doch entsprechende Vorschläge vorgelegt. Was passiert jetzt? etwas von nationalen Restrukturierungsfonds. 28622 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. März 2013

Dr. Gerhard Schick (A) (Joachim Poß [SPD]: Er weiß doch gar nicht, Warum sagt er eigentlich nichts zu dem Antrag? Warum (C) was er gleich vorträgt!) poltert er ausschließlich herum? Es kommt zu dem Dilemma, dass eine europäische Ich habe dann auch an den Montag gedacht, als Sie Aufsicht, die gerade auf den Weg gebracht wird, vor der ein Papier mit dem Titel „Deutschland besser und ge- Entscheidung steht, was gemacht werden soll, wenn ein rechter regieren“ vorgelegt haben. großes, grenzüberschreitendes Institut in Schieflage ge- rät. Sollen sich Mitgliedstaaten, die nationale Restruktu- (Manfred Zöllmer [SPD]: Genau!) rierungsfonds haben, darüber streiten, was gemacht Darin stehen auf 4 von insgesamt 102 Seiten ein paar wird, was über Monate zu Problemen führt und dazu, Bemerkungen zu den Finanzmärkten. Dieses Papier ent- dass im Ernstfall wieder der Steuerzahler einspringen hält ein paar Allgemeinplätze, aber keine konkreten For- muss? Nein! Wir sagen, es soll einen von den Banken derungen. Das zeigt doch im Grunde nur, dass Sie sauer finanzierten europäischen Abwicklungsfonds geben, da- sind. In jeder Debatte zeigt sich, dass Sie sich darüber är- mit der Steuerzahler in der Euro-Zone nie wieder in die gern, dass wir in dieser Koalition so viel geregelt haben. Verlegenheit kommt, mit seinem Geld in Anspruch ge- Wo bleibt Ihr Anspruch, es noch besser zu machen, als nommen werden zu müssen. Das ist der entscheidende wir es gemacht haben? Unterschied: Sie lassen es nach wie vor zu, dass der Steuerzahler das Risiko hat, wir wollen den Steuerzahler (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) schonen und die Banken mit ihrem Fonds zahlen lassen. Ich weiß, dass die SPD es besser machen will. Aber Sie (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN beweisen hier jedes Mal aufs Neue, dass Sie es wohl und bei der SPD) doch nicht besser können. Wir diskutieren gerade über das Thema Zypern. Hier (Zuruf des Abg. Joachim Poß [SPD]) muss man eine Sache einmal sehr ernst nehmen: Wo wä- ren wir denn heute, wenn wir den Vorschlag von Kom- Keine Bundesregierung zuvor hat so viel im Finanz- mission und Parlament, der schon seit über zwei Jahren markt geregelt wie diese Bundesregierung, und zwar auf dem Tisch liegt, bereits umgesetzt hätten? Dann nicht nur auf nationaler Ebene, sondern auch auf euro- müsste man jetzt nicht langwierige Verhandlungen päischer Ebene. Wir sind der Antreiber auf der G-20- durchführen, in deren Verlauf das Geld aus dem zyprioti- Ebene, und in vielen Bereichen innerhalb Europas sind schen Bankensektor abfließt, sondern dann könnte eine wir der Vorreiter und Initiator für neue Gesetze. europäische Bankenabwicklungsinstitution, der von uns (Joachim Poß [SPD]: Das sieht man in Athen vorgeschlagene europäische Bankenabwicklungsfonds, aber anders!) (B) die betroffenen Banken zügig sanieren und die Gläubi- (D) ger zur Kasse bitten. Wir würden damit den Steuerzah- Daher haben wir hier eine stabile Wirtschaft. Wir ha- ler, auch den deutschen Steuerzahler, mit einem Hilfs- ben die geringste Arbeitslosigkeit und die höchste Er- paket für Zypern nicht so belasten müssen, wie das jetzt werbsquote. Gerade im Finanzmarkt sind wir deutlich der Fall ist. stabiler aufgestellt als viele andere Länder. Wenn man mit den Amerikanern oder Engländern spricht, dann be- Man sieht, wie gefährlich es ist, bei den Fragen be- stätigen uns diese, dass wir ein klar umrissenes System züglich der Bankenregulierung so zögerlich unterwegs haben. Wir haben auf vielen Ebenen reguliert, aber wir zu sein und immer wieder auszubremsen, wie es diese haben die Wirtschaft nicht kaputtgemacht. Koalition tut. Wir werden im Gesetzgebungsprozess da- rauf drängen, dass die Verantwortung hier klar wird. Es Wir haben auch die Finanzwirtschaft nicht kaputtge- soll, wie auf europäischer Ebene vorgeschlagen, ein macht. Denn wir haben ein bankenbasiertes Wirtschafts- richtiges Trennbankensystem und Sanierungspläne, bei system. Die Unternehmen brauchen Kredite. Sie brau- denen die Verantwortung bei den Banken verbleibt, ge- chen Banken, die sie bei ihrem internationalen Geschäft ben. Darüber hinaus wollen wir den Steuerzahler mit ei- begleiten. Schließlich gehen 40 Prozent unserer wirt- nem europäischen Bankenabwicklungsfonds, in den die schaftlichen Leistung ins Ausland. Dafür brauchen wir Banken einzahlen, schonen. ein funktionierendes Bankensystem, aber keine roten Danke schön. Ampeln, wie sie von Ihrer Seite gefordert werden. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) und bei der SPD) Wir sprechen heute, liebe Kolleginnen und Kollegen, über ein Gesetz zur Planung der Sanierung und Abwick- Präsident Dr. Norbert Lammert: lung von Banken. Wir betrachten dieses Gesetz nicht Klaus-Peter Flosbach ist der nächste Redner für die isoliert. Vielmehr ist es einer der wichtigen Bausteine im CDU/CSU-Fraktion. Ordnungsrahmen für die gesamte Finanzwirtschaft. Wir werden voraussichtlich in der nächsten Woche den Eini- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) gungsprozess auf der europäischen Ebene über Basel III erleben. Basel III regelt die Eigenkapital- und Liquidi- Klaus-Peter Flosbach (CDU/CSU): tätsanforderungen an Banken; das ist einer der wichtigs- Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als ten Bereiche, von denen viele nach dem Ausbruch der Herr Poß seine Rede hier gehalten hat, habe ich gedacht: Krise bereits angegangen worden sind. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. März 2013 28623

Klaus-Peter Flosbach (A) Wir haben in Europa gemeinsam den außerbörslichen lige finnische Finanzminister Liikanen hat diese Kom- (C) Derivatehandel geregelt. Wir haben uns mit den Rating- mission geleitet – gestellt hat: Ist es nicht sinnvoller, prä- agenturen befasst. Wir haben gerade in dieser Woche ventiv einen Teil des Bankengeschäftes auszulagern oder eine Anhörung zur Regulierung von Hedgefonds, Pri- abzutrennen? Die Antwort findet sich im Liikanen-Be- vate-Equity-Unternehmen, Investmentfonds und von of- richt. Es ist doch richtig, dass wir, wenn sich Europa auf fenen Immobilienfonds und geschlossenen Fonds durch- der Grundlage dieses Berichtes auf eine Position einigt, geführt. diese Position übernehmen und nicht zusätzlich noch eine eigene aufbauen. Wir haben auf nationaler Ebene in mehreren Gesetzen den Anlegerschutz gestärkt, und wir haben ein europäi- (Manfred Zöllmer [SPD]: Das haben Sie doch sches Aufsichtssystem geschaffen. Wir werden bei der gemacht!) Europäischen Zentralbank die Europäische Bankenauf- sicht ansiedeln, um systemrelevante Banken kontrollie- Was wir im Vorgriff auf europäisches Handeln gemacht ren zu lassen. Zusätzlich gibt es eine Aufsicht über Ver- haben, haben wir immer mit dem Ziel gemacht, dass wir sicherungen und Wertpapiere. in Europa eine gemeinsame Lösung finden. Genau diese haben wir übernommen. Wir sind – das hat auch der Bundesfinanzminister vorhin deutlich gemacht – in vielen Bereichen Vorreiter. (Manfred Zöllmer [SPD]: Nein! Haben Sie Wir waren die Ersten, die die Leerverkäufe verboten ha- nicht!) ben, und waren damit Initiator für Europa. Wir haben hier vor 14 Tagen den Hochgeschwindigkeitshandel be- In dem Liikanen-Bericht wird deutlich, dass die handelt und Regulierungen in diesem Bereich auf den Krise, die ihren Ursprung in den Jahren 2007 bis 2009 Weg gebracht. Das gibt es sonst nirgendwo auf der Welt. hat und die noch heute partiell vorhanden ist, nicht durch Nur in Deutschland gibt es eine Regulierung des Hoch- das Universalbankensystem entstanden ist. Im dritten geschwindigkeitshandels. Abschnitt des Berichtes wird darauf hingewiesen, dass die Krise völlig unterschiedliche Ursachen hatte. Bei der Wir haben das Restrukturierungsgesetz geschaffen. WestLB – sie ist der SPD bestens bekannt; man kann Das heißt: Wir in Deutschland sind in der Lage – dafür nachlesen, was dort alles passiert ist – waren es bei- gibt es die rechtlichen Voraussetzungen –, Banken abzu- spielsweise die strukturierten Papiere. Bei der Hypo wickeln. Auch dies ist wieder die Blaupause für Überle- Real Estate war es das Finanzierungsmodell. Es waren gungen auf europäischer Ebene. Meckern Sie also nicht teilweise eben nicht Universalbanken, sondern Invest- herum, sondern machen Sie lieber mit, und unterstützen mentbanken, die die Krise ausgelöst haben. Deswegen Sie die Bundesregierung in diesen Fragen! (B) haben wir gesagt: Wir übernehmen im Vorgriff auf (D) Europa den Vorschlag, einen gewissen Bereich von den (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Banken zu trennen, um damit auch das Risiko zu beseiti- Das Restrukturierungsgesetz behandelt die rechtli- gen. chen Grundlagen einer Abwicklung und Sanierung. Wir wollen aber nicht zwingend abwickeln und sanieren, Der heute vorliegende Gesetzentwurf ist ein weiterer sondern wir wollen Vorsorge treffen, präventiv arbeiten. Baustein im globalen Ordnungsrahmen für die Finanz- Dafür ist dieses Gesetz da. Wir wollen, dass die Banken systeme. Wir müssen darauf achten, die Steuerzahler von vornherein darlegen müssen: Was passiert, wenn sie nicht zu belasten, und darauf, dass vor allen Dingen die in eine Schieflage geraten? Wie können sie sich selbst großen systemrelevanten Banken kontrolliert werden. sanieren? Wie können sie abgewickelt werden? Nicht die kleinen Banken, nicht die Sparkassen, nicht die Volksbanken vor Ort sind das Problem. Das Problem Gemeinsam mit der Bundesbank und der Bundesan- sind die großen systemrelevanten Banken. Dieses Pro- stalt für Finanzdienstleistungsaufsicht müssen die Ban- blem wird mit diesem Gesetz angegangen. ken darlegen, wie sie im Krisenfall abgewickelt werden können. Das ist die beste Prävention; denn dann wird für Wir sorgen dafür, dass die Aufsicht für die großen jeden klar: Hier gibt es ein systemisches Risiko. Es geht Banken bei der Europäischen Zentralbank angesiedelt immer um die systemischen Risiken. Wir wollen näm- ist. Wir fordern eine hohe Eigenkapitalquote. Diese For- lich nicht, dass der Steuerzahler für die Risiken, die Ban- derung muss von den großen Banken erfüllt werden. Wir ken eingehen, haften muss. Wir wollen, dass die Banken haben jetzt das Restrukturierungsgesetz, und wir sehen haften, dass sie gegebenenfalls auch pleitegehen und die Trennung der Geschäftsbanken von gewissen Berei- dass der Steuerzahler nicht für die Kosten herangezogen chen vor. wird. Das ist die Linie dieser Bundesregierung. Dazu müssen die Banken jetzt ein sogenanntes Bankentesta- Wir wissen zwar nicht, was in Zukunft passieren ment vorlegen. wird. Wir wissen nicht – das kann uns auch die Finanz- aufsicht nicht sagen –, ob es einmal eine neue Krise auf (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und anderen Feldern geben wird. Aber unser Ziel ist es, Sta- der FDP) bilität sowie Sicherheit für jeden Rentner und für jeden Steuerzahler zu schaffen. Das ist die Linie dieser Bun- Es gibt noch einen zweiten Bereich, der wichtig ist desregierung. und über den wir heute diskutieren. Es geht um die Frage, die auch die Liikanen-Kommission – der ehema- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) 28624 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. März 2013

(A) Präsident Dr. Norbert Lammert: (Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Das (C) Nächster Redner ist der Kollege Manfred Zöllmer für ist richtig!) die SPD-Fraktion. Wir wollen niemanden daran hindern, klüger zu werden; (Beifall bei der SPD) aber die große Frage ist: Sind Sie eigentlich klug genug geworden? Manfred Zöllmer (SPD): (Klaus-Peter Flosbach [CDU/CSU]: Was Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen bedeutet das? Erklären Sie das!) und Kollegen! Was ist ein Placebo? Ein Placebo ist ein – Ja, das werden wir jetzt erörtern. Scheinmedikament ohne Wirkstoff. Es scheint nur so, als ob es wirken würde. Lieber Herr Flosbach, man kann Richtig ist, die Banken zu verpflichten, Sanierungs- auch Placeboreden halten. Das haben Sie eben gemacht, pläne – Stichwort: Living Wills – für den Krisenfall auf- zustellen. (Beifall des Abg. Joachim Poß [SPD]) (Klaus-Peter Flosbach [CDU/CSU]: Erklären indem Sie so getan haben, als ob Sie das, was auf euro- Sie mal Lehman Brothers!) päischer Ebene diskutiert wurde, übernommen hätten. Selbst wenn wir davon ausgehen müssen, dass jede Das war also eine Placeborede. Krise anders sein wird – auch anders, als man vorher ge- Ich werde zunächst einmal den vorliegenden Gesetz- dacht hat –, sind solche Notfallpläne sinnvoll. entwurf der Bundesregierung etwas näher beleuchten Was machen Sie beim Stichwort Trennbankensystem? und die Frage ventilieren, ob es sich hierbei nicht um ein Ziel eines Trennbankensystems muss es sein, in Zukunft politisches Placebo handelt, also um einen Gesetzent- zu verhindern, dass hochspekulative Geschäfte mit den wurf, der nur den Anschein erweckt, dass er regulieren Einlagen der Sparerinnen und Sparer finanziert werden würde. können. Der Infektionskanal zwischen Kasino auf der ei- nen Seite und Kreditbank auf der anderen Seite muss Liebe Kolleginnen und Kollegen, mehr als fünf Jahre nach der Lehman-Pleite ist die Gefahr einer Wiederho- verschlossen werden. Im Falle einer Zahlungsunfähig- lung der Krise noch nicht gebannt. Nach wie vor gibt es keit muss der Kasinoteil geschlossen und abgewickelt werd Banken, die „too big to fail“ sind. Nach wie vor machen en können. Banken hochriskante Geschäfte. Nach wie vor ist die Ei- (Beifall bei der SPD) genkapitalbasis der Banken in Europa zu gering. Nach wie vor gibt es unvorstellbar hohe Bonizahlungen. Nach Sie wollen nun in Ihrem Gesetzentwurf die BaFin (B) (D) wie vor müsste der Steuerzahler Banken retten. Nach über die Abwicklungsfähigkeit entscheiden lassen. Sie wie vor können systemrelevante Banken Staaten erpres- soll den Nachweis erbringen. Dies ist falsch. Der Nach- sen. Nach wie vor haben wir einen völlig unregulierten weis der Abwicklungsfähigkeit muss eine Bringschuld Schattenbankensektor, dessen Risiken niemand kennt. der Banken sein. Jede Bank muss gegenüber der Auf- sicht den Nachweis erbringen können, dass sie auch ab- Das ist die Realität. Deshalb wirken der Antrag von gewickelt werden kann. Diesen Punkt sollten Sie drin- CDU/CSU und FDP zur Finanzstabilität und das, was gend ändern. Sie eben gesagt haben, wie Realitätsverweigerung. Of- (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Dr. Thomas fensichtlich gilt das Motto: Wenn uns schon keiner lobt, Gambke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) dann müssen wir es selber tun. Dann wollen Sie systemrelevante Geldhäuser ver- Ich will noch einen Punkt zu Ihrem Antrag erwähnen. pflichten, den spekulativen Handel in rechtlich selbst- Sie formulieren darin: Wir wollen eine europäische Auf- ständige Einheiten auszulagern. Aber Sie legen die sicht – das wollen wir auch –, und dann wollen wir eine Hürde für diese Trennung sehr hoch. Das Ergebnis wird nationale Abwicklung. Ich sage Ihnen: Das wird nicht sein, dass höchstens zwei bis drei Banken unter dieses funktionieren. Das ist eindeutig falsch. Wenn ich eine Gesetz fallen werden. Die Landesbanken haben jetzt europäische Aufsicht habe, dann brauche ich auch ein schon begonnen, sich mit Bilanztricks aus dieser gefähr- europäisches Abwicklungsregime. Alles andere macht lichen Zone zu befreien. Das heißt, es wirkt nicht. Dies keinen Sinn. Sie sollten Ihre Position in dieser Frage wird ein Trennbankensystem ultralight. wirklich noch einmal überdenken. Der nächste Punkt ist die Frage, welche Geschäfte (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Dr. Thomas von der Trennbankenvorschrift eigentlich erfasst sind. Gambke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Sie wollen Eigenhandel in Zukunft nicht mehr erlauben, aber ein Blick in den Gesetzentwurf zeigt: Die Liste der Jetzt zu den Trennbanken. Ich erinnere mich noch gut, erlaubten Geschäfte ist nach wie vor lang, ellenlang, zu wie wir kritisiert worden sind, als wir diese Forderung lang. Es ergeben sich vielfältige Möglichkeiten für die aufgestellt haben, zum Beispiel durch den stellvertre- Kreditinstitute, auch in Zukunft toxische Handelsge- tenden Fraktionsvorsitzenden der CDU/CSU, Herrn schäfte ohne Trennung durchführen zu können. Das Meister, der der Zeitung Euro am Sonntag sagte, die heißt, es fehlt der Wirkstoff. Pleite der Investmentbank Lehman Brothers habe klar gezeigt, dass eine Aufspaltung nicht zur Problemlösung Ich will noch einmal das Market Making erwähnen, beiträgt. das schon angesprochen worden ist. Es ist klar, dass eine Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. März 2013 28625

Manfred Zöllmer (A) Trennung zwischen Eigenhandel und Verkauf auf Rech- Herr Minister Schäuble, Sie haben zu Recht gesagt, (C) nung des Kunden hier kaum vorzunehmen ist. Aber Sie dass es um eine Abwägung geht: Geht man im nationa- erlauben dieses Market Making. Damit unterminieren len Alleingang voran, oder bringt man das Ganze Sie den Trennbankenansatz. Dies ist nicht in Ordnung. international im Gleichklang auf den Weg? Der interna- Sie gewinnen damit nichts. Um im Bild zu bleiben: Dies tionale Weg hat den Vorteil, dass er zur Wettbewerbs- ist weiße Salbe ohne Wirkung. Die Liikanen-Kommis- gleichheit im Bankensektor führt. Das ist zu bevorzugen. sion hat festgestellt, dass eine Trennung in der Praxis kaum möglich ist. Das heißt, es bleibt ein Gesetzespla- (Beifall bei Abgeordneten der FDP) cebo. Sie tun wieder einmal s o, als ob Sie handeln wür- Man kann aber nicht immer warten. Es darf nicht sein den, als ob Sie Vorreiter wären. – das ist auch eine Frage der Glaubwürdigkeit der Politik –, (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Dr. Thomas dass am Ende der Langsamste zum Maßstab wird. Es Gambke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) gibt in der Tat viele, die eine Regulierung verhindern wollen und sagen: Wir warten so lange, bis es internatio- Wir sind nicht die Einzigen, die das kritisieren. Ich nal abgestimmt ist. Vorher machen wir gar nichts. – Die- darf stellvertretend für die Medien die Süddeutsche Zei- sen Weg lehnen wir ausdrücklich ab. tung zitieren. Unter der Überschrift „Zerschlagung light“ heißt es: (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Jetzt präsentiert auch die Bundesregierung einen Gesetzentwurf, der nach Aufspaltung der Banken Herr Minister Schäuble, Sie haben ebenfalls zu Recht zumindest klingt. darauf hingewiesen, dass sich – das wollen die Sozialde- mokraten nicht wahrhaben –, das universale Bankensys- Ja, es klingt so; es ist aber nicht so. tem in Deutschland bewährt hat. Das ist die Wahrheit. Schauen Sie sich doch einfach einmal den gemeinsa- Die Krise ging nicht von einer Universalbank aus. Sie men Antrag von Bündnis 90/Die Grünen und SPD an. kam vielmehr aus den USA und ging von einer Invest- Dort steht, wie man das richtig macht, wie man ein mentbank aus. In Deutschland waren die problemati- Trennbankensystem vernünftig aufbaut. schen Banken, die zur Schieflage geführt haben, auch Trennbanken wie die Landesbanken und nicht Univer- (Joachim Poß [SPD]: Genau! Lesen Sie doch salbanken. mal, Herr Brüderle!) (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Unter anderem fordern wir dort ein Eigenhandelsverbot (B) auch für Market-Making-Aktivitäten. Wir brauchen ver- Deswegen kann die Lösung nicht darin bestehen, dass (D) nünftige Schwellenwerte für die Aufteilung. Wir müssen wir die Banken, die die Krise nicht verursacht haben, ab- verhindern, dass es eine Finanzierung der Finanzhan- schaffen, während wir die Banken, von denen die Krise delsinstitute durch Einlagenbanken gibt, indem wir ausgegangen ist, flächendeckend in Europa einführen. Kreditobergrenzen festlegen. Wir müssen zukünftig Ver- Was ist das denn für ein Unsinn, den sich Sozialdemo- stöße gegen das Verbot des Eigenhandels mit strafrecht- kraten da haben einfallen lassen? lichen Konsequenzen versehen. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Der Kollege Poß hat sich hier an das Mikrofon ge- Nur so wird aus einem Placebo ein richtiges Medika- stellt und gesagt: Wir müssen die großen Banken in ment, und für Risiken und Nebenwirkungen sind dann Deutschland zerschlagen. nicht mehr die Steuerzahler verantwortlich, sondern die Bankmanager. Das ist der richtige Weg. (Joachim Poß [SPD]: Das habe ich nicht gesagt! Das habe ich nicht so formuliert!) (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Es gibt zwei Gruppen, die eine bestimmte Reaktion auf diese Äußerung zeigen müssen. Zum einen zucken Präsident Dr. Norbert Lammert: die deutsche Wirtschaft und die Industrie zusammen und Nächster Redner ist der Kollege Volker Wissing für sagen: Was ist denn jetzt los? Verstehen die denn nichts die FDP-Fraktion. mehr von Wirtschaftspolitik und insbesondere von Standortpolitik? (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) (Zuruf von der FDP: Haben sie noch nie!) Zum anderen schreit eine Gruppe Hurra und sagt: Dr. Volker Wissing (FDP): Das, was Herr Poß vorschlägt, ist ein guter Weg. – Diese Vielen Dank, Herr Präsident. – Liebe Kolleginnen Gruppe besteht aus amerikanischen Investmentbanken, und Kollegen! Mit dem Gesetz, dessen Entwurf Ihnen die nur darauf warten, dass wir den dummen Weg, den heute vorliegt, gehen wir einen weiteren Schritt in Rich- die Sozialdemokraten vorschlagen, gehen, um das In- tung Stabilisierung der Finanzmärkte. Es rundet unsere vestmentbanking vom regulierten deutschen Markt nach Regulierungspolitik quasi ab, die wir in den letzten Jah- Amerika zu exportieren. Wie absurd ist das denn, was ren vorangetrieben haben. die SPD den Menschen hier vormacht? 28626 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. März 2013

Dr. Volker Wissing (A) (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Deutschland hat nach drei Jahren CDU-, CSU- und (C) Joachim Poß [SPD]: Ich bezichtige Sie der FDP-Regierungsverantwortung mit die reguliertesten Fi- Lüge! Der Satz ist nicht gefallen!) nanzmärkte weltweit. Liebe Kolleginnen und Kollegen, SPD und Grüne haben in diesem Hohen Hause keine Re- In der Opposition haben Sie über Jahre hinweg ver- gulierung mitgetragen. Das Bild ist klar. In Regierungs- sucht, die Rolle des Oberregulierers einzunehmen. In verantwortung haben SPD und Grüne den Finanzmarkt Wahrheit haben Sie aber überhaupt keinen Plan. Sie wis- dereguliert. In der Opposition haben SPD und Grüne je- sen nicht, was Sie wollen. Die SPD sagt heute, das gehe den Vorschlag zur Finanzmarktregulierung im Deut- alles zu langsam. Die Grünen sagen heute, das gehe alles schen Bundestag abgelehnt. zu schnell. Die SPD erhebt außerdem den Vorwurf, wir würden alles von der SPD abschreiben. Im gleichen (Manfred Zöllmer [SPD]: Das ist doch Atemzug sagen Sie aber, wir würden alles falsch ma- Unsinn!) chen. Es ist doch absurd, was Sie im Bereich der Finanz- Warum soll ausgerechnet Ihnen jemand glauben, dass marktpolitik abliefern. Sie im September mit der Finanzmarktregulierung be- Liebe Kolleginnen und Kollegen, in der Opposition ginnen wollen? Nein, das werden Ihnen die Menschen kann man ja etwas holzschnittartig vorgehen. Sicherlich nicht glauben. sei Ihnen das zugestanden. Man muss es in der Opposi- (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten tion nicht so genau nehmen. Deswegen wollen wir der CDU/CSU) einmal vergleichen, was die eine Seite des Hauses in Re- gierungsverantwortung im Bereich der Finanzmarkt- Wir wollen und wir werden unsere Politik für stabile regulierung getan hat und welche Bilanz die andere Seite und solide Finanzmärkte fortsetzen, liebe Kolleginnen des Hauses im Bereich der Finanzmarktregulierung vor- und Kollegen. zuweisen hat. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) (Joachim Poß [SPD]: Der Regulierer Wissing ist unterwegs!) Präsident Dr. Norbert Lammert: Das Wort erhält nun der Kollege Thomas Gambke, Wir scheuen den Vergleich mit Rot-Grün nicht. Unter Bündnis 90/Die Grünen. Rot-Grün gab es in Deutschland eine Ära der Deregulie- rung der Finanzmärkte. Dr. Thomas Gambke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- (Joachim Poß [SPD]: Und Sie haben Anträge NEN): (B) verfasst, in denen Sie noch mehr Deregulie- Vielen Dank, Herr Präsident. – Liebe Kolleginnen (D) rung gefordert haben!) und Kollegen! Meine Damen und Herren! Herr Wissing hat seine Platte aufgelegt, die wir schon ein Stück weit Die Ära der christlich-liberalen Koalition ist eine Ära kennen. Herr Wissing, damit lenken Sie aber nur ab. der Regulierung und der Ordnung der Märkte. Wir sind stolz auf unsere Regierungsbilanz. Herr Schick hat vorhin in seinen Ausführungen be- züglich der Situation der Trennbanken sehr klar be- (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) schrieben, dass Sie keinen Kompass haben. Wenn er sich vorhin dafür ausgesprochen hat, abzuwarten, was auf Die Grünen wollen sich immer noch schnell auf die europäischer Ebene beschlossen wird, hat er damit recht. Seite der Guten und der Richtigen schlagen. Sie sind je- Denn er traut Ihnen nicht zu, dass Sie einen klaren Kom- doch diejenigen, die die Deregulierung in Deutschland pass haben und vernünftige Regelungen schaffen. Des- in Regierungsverantwortung mitgetragen und mit voran- halb hat er sich dafür ausgesprochen, zunächst einmal getrieben haben. Heute wollen Sie sich davon verab- abzuwarten, was auf europäischer Ebene passiert. schieden und nichts mehr damit zu tun haben. Sie sagen, dass das damals so gewesen sei, aber heute seien Sie die Wir haben das Trennbankensystem bereits vorge- besseren Regulierer und im Übrigen sowieso die Guten. schlagen. Das ist doch nicht neu. Ich bin Mitglied der Enquete-Kommission „Wachstum, Wohlstand, Lebens- Bei der Schuldenbremse war das genauso. Ich kann qualität“. In der Sitzung am Montag haben wir einstim- mich noch daran erinnern, dass Herr Kretschmann in der mig Föderalismuskommission II aktiv gegen die Schulden- bremse argumentiert hat. Heute tun Sie so, als hätten die (Joachim Poß [SPD]: Mit der FDP?) Grünen die Schuldenbremse erfunden. – mit der FDP und mit der CDU/CSU – Grundregeln Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie haben das zum Finanzmarkt beschlossen. Darüber haben wir zwei Thema Finanzmarktregulierung erst entdeckt, als Sie Jahre lang diskutiert. Es ist nicht so, dass das neu war. keine Regierungsverantwortung mehr hatten. Wir haben (Klaus-Peter Flosbach [CDU/CSU]: Wir ha- damit angefangen, als wir die Regierungsverantwortung ben schon alles umgesetzt!) übernommen haben. Das ist der Unterschied zwischen einer glaubwürdigen Finanzmarktregulierung und dem Dabei standen drei Aspekte im Vordergrund, Herr Gefasel einer Opposition, die nur versagt hat. Flosbach; Herr King, der Gouverneur der Zentralbank von England, hat Ihnen das noch in der vergangenen (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Woche gesagt. Wir brauchen drei Dinge: Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. März 2013 28627

Dr. Thomas Gambke (A) Wir brauchen erstens eine Stärkung des Eigenkapi- – Ich weiß es sehr gut; denn ich habe Ihre Bemerkung zu (C) tals. Leverage Ratio war für Sie fast noch ein Fremd- diesem Thema gehört. Also bitte, verleugnen Sie doch wort. nicht die Intentionen, die Sie haben. Glauben Sie doch nicht, dass Sie mit der Art und Weise, in der Sie argu- Zweitens brauchen wir Trennbanken. Die Debatte um mentieren, die sicher schwierige Debatte, die wir in Eu- die Trennbanken läuft ein Stück weit falsch. Uns wird ropa zu diesem Thema haben, befördern. Sie hemmen unterstellt, dass es uns um die Zerschlagung der Univer- vielmehr diese Debatte, und Sie hemmen damit die Ein- salbanken gehe. führung der Finanzmarkttransaktionsteuer. (Joachim Poß [SPD]: Ja eben! Habe ich mit (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN keinem Satz gesagt!) und bei der SPD) Vielmehr geht es im Wesentlichen um Transparenz. Wir können nicht umhin, festzustellen: Dieser Koali- Drittens brauchen wir ein europäisches Restrukturie- tion fehlt der Kompass. rungsregime. (Ralph Brinkhaus [CDU/CSU]: Dieser Rede Das sind doch keine neuen Dinge. Jetzt tun Sie so, als fehlt der Kompass!) ob wir das erfunden hätten. Das ist seit zwei Jahren in Sie kommt zu spät. Sie kommt im Ernstfall mit kleinka- der Diskussion und muss jetzt umgesetzt werden. rierten Lösungen. Ich glaube, es ist an der Zeit, dass wir (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sie ablösen. und bei der SPD) Vielen Dank. Dann kommt immer der Satz: Wir dürfen nicht zu viel (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN regulieren. – Das hört man immer wieder. und bei der SPD) (Dr. Volker Wissing [FDP]: Sie haben gar nichts gemacht!) Präsident Dr. Norbert Lammert: Herr Flosbach, Herr Brinkhaus und Herr Zöllmer waren Hans Michelbach ist der nächste Redner für die CDU/ dabei, als Herr King auf meine Frage, ob wir ein Pro- CSU-Fraktion. blem mit Hongkong oder Singapur hätten, wenn wir zu (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- viel regulierten, geantwortet hat: Nein, die haben ein neten der FDP) Problem mit uns, weil wir zu wenig regulieren, zu spät regulieren und möglicherweise nicht genug regulieren. Dr. h. c. Hans Michelbach (CDU/CSU): (B) Das ist doch das Problem. (D) Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN internationale Finanzmarktkrise hat uns gezeigt, dass die und bei der SPD) Rahmensetzungen für die Finanzbranche unzureichend waren. Die Krise hat die Staaten und ihre Volkswirt- Ich halte die Debatte, die Sie hier führen, für eine schaften in jeder Hinsicht hart getroffen. Der Steuerzah- Scheindebatte. Ich kann mich in der Tat des Eindrucks ler musste zur Rettung von Instituten einspringen. Die nicht erwehren, dass das, was Sie hier veranstalten, ein Realwirtschaft kam in die Krise. bisschen Wahlkampf ist. Das ist dem Ernst der Sache nicht angemessen. Wir brauchen eine Stärkung des Ei- Das darf sich nicht wiederholen. Dafür arbeiten wir genkapitals, wir brauchen eine substanzielle Anhebung mit großem Engagement; denn wir sind überzeugt: Eine der Leverage Ratio, wir brauchen Transparenz, wir brau- neue Finanzmarktkrise würde unsere westlichen Demo- chen eine europäische Restrukturierung. Sie sollten das kratien nachhaltig beschädigen. Die soziale Marktwirt- tun. schaft kann nach unserer Auffassung nur mit einem glaubwürdigen Ordnungsrahmen zukunftsfest erhalten Noch etwas ist ganz lustig. Wir haben, wiederum in werden. der Enquete-Kommission, festgestellt, dass wir eine ganz merkwürdige Allianz zwischen dem Finanzminis- Dazu gehören für diese Koalition eine lückenlose Re- ter und der Opposition haben, und zwar bei der Finanz- gulierung des Finanzsystems, eine Risiko- und Haf- markttransaktionsteuer. tungsübernahme durch die Marktteilnehmer, höhere Ei- genkapitalanforderungen für Banken, strengere Kriterien (Joachim Poß [SPD]: Gegen die FDP! Gegen für alternative Investment- und Hedgefonds, eine ver- Herrn Wissing!) schärfte Aufsicht über den Finanzsektor und insbeson- Es sind doch Vertreter der FDP, Vertreter aus Ihren Rei- dere über das Schattenbankensystem. hen, die ständig dagegen schießen, sodass wir die Trans- Kurzum: Wir ziehen umfassende Lehren aus der Fi- aktionsteuer nicht zügig umsetzen können. Herr nanzkrise und haben, um die Stabilität der Finanzsys- Wissing, ich erinnere mich noch an die Diskussion im teme zu sichern und die Risiken spekulativer Geschäfte Finanzausschuss. zu verringern, über 30 Gesetzespakete – das war letzten (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Endes eine große Leistung – auf den Weg gebracht. Wir und bei der SPD – Dr. Volker Wissing [FDP]: entwickeln Handlungsmechanismen und Regeln, die Das stimmt überhaupt nicht, und Sie wissen frühzeitig wirken und Gefahren von der Realwirtschaft es!) abwenden. Dazu haben wir in dieser Legislaturperiode 28628 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. März 2013

Dr. h. c. Hans Michelbach (A) bereits eine Vielzahl von Gesetzen beraten und beschlos- teilweise noch ist. Etliche haben ihre Lektion bis heute (C) sen. Ich muss sagen: Es ist eigentlich unterirdisch, dass noch nicht gelernt. Weil das so ist, müssen wir die Bür- Sie nicht bereit sind, diese Leistung anzuerkennen oder ger, die Unternehmen und den Staat vor den Folgen ver- die Gesetzentwürfe in irgendeiner Form positiv mitzube- antwortungslosen Handelns in der Finanzbranche schüt- raten. Sie betreiben gewissermaßen eine Fundamental- zen. opposition, aber Sie bringen sich in der Sache nicht ein. Meine Damen und Herren, es ist deshalb wichtig, Wir haben die beste Bilanz. Diese gute Bilanz passt ohne Ideologie, ohne Schaum vor dem Mund Instru- Ihnen nicht. Sie haben bis heute diskutiert, und wir ha- mente zu schaffen, um systemrelevante Finanzunterneh- ben Schritt für Schritt gehandelt, meine Damen und Her- men auf globaler und nationaler Ebene in einem geord- ren. neten Verfahren ohne Zutun des Staates entweder zu sanieren oder abzuwickeln, wenn sie in Schieflage gera- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) ten, ohne Einspringen des Steuerzahlers und des Staats; Heute setzen wir einen weiteren Meilenstein, um die darauf kommt es an. Wir haben jetzt die richtigen Kon- Vorbildfunktion und Vorreiterrolle weiter wahrzu- sequenzen gezogen. Dieses Gesetz schafft die richtige nehmen. Weitere wichtige Vorhaben stehen auf der Ta- Grundlage; das ist die richtige Schrittfolge für die Zu- gesordnung: die Regulierung systemrelevanter Finanz- kunft. institute und des internationalen Systems der (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und Schattenbanken, die man nicht in eine neue Grauzone der FDP) ausweichen lassen darf – das ist die Aufgabe –, das Ge- setz zur Abschirmung von Risiken und zur Planung der Dazu gehören die Sanierungspläne, damit Finanzun- Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Fi- ternehmen eine Krise möglichst schnell und effektiv aus nanzgruppen, das Kapitalanlagegesetzbuch und die Um- eigener Kraft bewältigen, ebenso das Bankentestament, setzung von Basel III das eine geordnete Abwicklung von Finanzunternehmen ermöglicht, wenn deren Sanierung scheitert. Das sind (Manfred Zöllmer [SPD]: Das ist doch alles Dinge, die ein verantwortungsbewusstes Management noch nicht beschlossen! Fehlt doch alles eigentlich in der Schublade haben muss. Wir fordern noch!) dies nun per Gesetz ein und setzen hier nicht auf die mit den Regelungen zur erhöhten Unterlegung der Ban- Selbstvorsorge der Finanzbranche; denn wir wollen die ken mit Eigenkapital, mit hartem Kernkapital. Das sind Kunden noch besser schützen. die wesentlichen Schritte, die das Finanzsystem insge- Für viele hochriskante Spekulationsgeschäfte wurden samt sichern. Kundeneinlagen genutzt. Wir wollen unterscheiden zwi- (B) (D) Wir wollen Sicherheit für die Sparer und Stabilität für schen denen, die systemrelevant sind, und denen, die da- die Wirtschaft. Das ist unsere Ausgangslage. Deswegen mit letzten Endes überhaupt nichts am Hut haben. Es ist müssen wir deutlich machen: Wir sind für eine Regulie- wichtig, dass wir differenzieren. Sie können doch nicht rung des Finanzsystems mit Vernunft, meine Damen und alle gleichsetzen, indem Sie systemrelevante Großban- Herren. ken mit den Genossenschaftsbanken und den Sparkassen in einen Topf werfen. Da lassen wir uns nichts vorwer- (Dr. Thomas Gambke [BÜNDNIS 90/DIE fen, auch wenn Sie versuchen, hier eine Diskussion auf- GRÜNEN]: Sie haben keinen Kompass!) zumachen und uns anzugreifen. Sie hingegen wählen eine Form, zu der ich sage: Das, Meine Damen und Herren, ich glaube, es ist wichtig, was hier Rot-Rot-Grün betreibt, ist eigentlich ideologi- dass der Staat dauerhaft die richtigen Gesetze für den sche Bankenhetze. Fall schwerwiegender Managementfehler hat. Deshalb ist es konsequent, bei Großbanken die Risikogeschäfte (Dr. Thomas Gambke [BÜNDNIS 90/DIE vom normalen Kundengeschäft zu trennen. Unser Trenn- GRÜNEN]: Das ist doch Blödsinn!) bankengesetz ist ein weiteres zentrales Projekt der Fi- Das kann nicht der Weg sein. Wir müssen deutlich ma- nanzmarktregulierung. Es ist der richtige Weg. Denn es chen: Die Realwirtschaft muss dienende Banken haben; berücksichtigt zwar aus fachlichen Gründen nicht die das gehört dazu. Sonst können wir mit unserer starken Maximalforderungen, die Sie aufstellen, schafft aber ein Wirtschaft nicht Exportweltmeister sein, meine Damen Trennbankensystem mit einer Abgrenzung zwischen Ei- und Herren. genhandel und Dienstleistungen. Dabei ist letzten Endes die Abgrenzung, die Bemessung der Größenordnung der (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Bank, wichtig. Insofern ist das der richtige Weg. Die Radikalität von Rot-Rot-Grün gegenüber dem Markt Ich meine, wir haben geliefert. Wir werden weiter lie- ist Ideologie und dient diesem Land, den Arbeitsplätzen, fern. Wir sind die, die für die Sparer, für die Wirtschaft den Betrieben, nicht. Deswegen müssen wir deutlich ma- die richtigen Wege beschreiten. „Stabilität und Sicher- chen, dass unser Weg der richtige ist. heit“ ist der Weg in die Zukunft. Dabei lassen wir uns Natürlich ist die Lernbereitschaft der Branche oft von niemandem überbieten. Wir sind auf dem richtigen nicht sehr ausgeprägt. Die Selbstregulierungskräfte rei- Weg für die Realwirtschaft in unserem Land. chen eben nicht aus. Sie reichen vor allem deshalb nicht Vielen Dank. aus, weil das Verantwortungsbewusstsein in weiten Tei- len der Finanzbranche weltweit unterentwickelt war und (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. März 2013 28629

(A) Präsident Dr. Norbert Lammert: ausschuss gesagt hat. Sie wollen den Eigenhandel im (C) Das Wort erhält nun der Kollege Carsten Sieling für engeren Sinne verbieten. Sprechen Sie doch einmal mit die SPD-Fraktion. den Banken, die angeblich Eigenhandel im großen Stil machen. Diese Banken sagen Ihnen: Wir machen so et- (Beifall bei der SPD) was in Deutschland gar nicht mehr. Das könnt ihr ruhig machen. Das ist ein Geschäft, das hier sowieso nicht Dr. Carsten Sieling (SPD): mehr funktioniert. Das haben wir ausgelagert. – Sie stel- Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! len hier etwas übergroß dar, was in der Vergangenheit Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben ein Problem war, schlagen darauf und meinen, damit jetzt eine Reihe typischer „Lieferantenreden“ gehört; die hätten Sie das Problem gelöst. Nichts haben Sie gelöst! letzte Rede war ein gutes Beispiel dafür. Da wird gesagt: Wir haben geliefert; wir haben eine Reihe von Vorschlä- (Beifall bei der SPD – Dr. gen gemacht. Dann werden Überschriften der verschie- [CDU/CSU]: Sieling für die Eigenregulierung denen Gesetze, die Sie vorgelegt haben, verlesen. Wir der Banken!) erwarten Produktion. Bringen Sie endlich einmal Regeln Was Sie aber unterlassen, ist das, was man, auf Eng- auf den Weg, die wirklich wirksam sind. Bisher haben lisch gesagt, Market Making, also Marktmachen, nennt. Sie das nicht gemacht. Worum geht es bei diesem Marktmachen? Es gibt Pro- (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ duktangebote wie Aktienpakete, für die sich keine Nach- DIE GRÜNEN – Dr. Volker Wissing [FDP]: frager finden. Manche Häuser sagen: Okay, wir nehmen Sie stimmen ja sowieso dagegen! – Weitere diese Produkte, schaffen dafür einen Markt, auch wenn Zurufe von der FDP) sie keiner will, lassen sie über unsere Bücher laufen, hal- ten sie und versuchen, sie Stück für Stück zu verkaufen. – Es ist typisch, dass von ganz rechts außen in diesem Als Sicherheit dafür nehmen diese Häuser die Einlagen Saal Zwischenrufe kommen. Es ist immer dasselbe: der Sparer. Auch das ist eine Art von Eigenhandel. Wir Nachdem hier Vorschläge zur Finanzmarktregulierung sind der Auffassung: Auch das muss abgespalten wer- gemacht worden sind, tritt in letzter Sekunde der Vor- den. Ein solches Geschäft muss Risiko derer sein, die da- stopper auf den Plan, der sich gegen jegliche Finanz- ran verdienen; es muss ein Risiko der Banken darstellen. marktregulierung ausspricht. Dieser Vorstopper heißt Doch dafür sorgen Sie nicht. „Wissing“ mit Nachnamen. (Beifall bei der SPD) (Beifall des Abg. Joachim Poß [SPD]) Sie belassen die Gefahren bei den Sparern. Das ist un- Herr Wissing, Sie sind mit Ihrer FDP derjenige, der hier (B) sere wesentliche Kritik. Außerdem kritisieren wir das (D) am stärksten blockiert. Darum haben Sie es nicht ver- Fehlen eines ordentlichen Rettungsfonds. dient, weiter an der Regierung zu sein. Darüber hinaus will ich etwas zu den Schattenbanken (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ sagen. Hierzu liegen ja weitere Anträge vor; plötzlich DIE GRÜNEN) hat die Koalition auch die Schattenbanken entdeckt. Es Sie sind eine wirkliche Gefahr für das, was wir errei- ist nämlich so: Wenn Sie ein solches Gesetz auf den Weg chen müssen. bringen, werden die großen Häuser in Schattenbereiche abwandern, und es wird zu einer weiteren Aufblähung (Joachim Poß [SPD]: Eine Gefahr für die De- kommen. Schon Ende 2012 befanden sich bei Schatten- mokratie!) banken weltweit 53 Billionen Euro. Ich will dies an einigen Punkten deutlich machen. (Klaus-Peter Flosbach [CDU/CSU]: Wo sind Wir müssen erreichen, dass die Steuerzahler endlich die in der Welt?) wirklich entlastet und nicht weiter belastet werden. Das- Um diese Zahl zu verstehen, muss man wissen, dass es selbe gilt im Übrigen für die Sparer und für die Einlagen. vor zehn Jahren 20 Billionen Euro waren. Wenn Sie mit Zu Ihrem Vorschlag, ein Trennbankensystem aufzu- Ihren harmlosen Anträgen so weitermachen, dann wer- bauen, will ich erst einmal sagen: Wir Sozialdemokraten den wir in zehn Jahren wahrscheinlich einen Schatten- schlagen eine Trennung von Geschäfts- und Investment- bankensektor in Höhe von 250 Billionen Euro haben, banking vor, um das Universalbankensystem zu stärken. und die Gefahren bleiben bestehen. Deshalb sind Sie Unser Ziel ist ein starkes, stabiles Universalbankensys- auch an dieser Stelle ein zahnloser Tiger. Sie nehmen tem. sich immer einen Teil der Finanzmarktregulierung nach dem anderen vor, lösen aber nicht das Gesamtproblem. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Sie sorgen hier für keine wirksame Regulierung. Ich sage das ganz klar, damit an dieser Stelle wirklich Es gibt einen weiteren Bereich, den ich kurz anspre- kein Zweifel aufkommt. chen möchte, weil wir ihn beraten werden. In diesem Was machen Sie? Sie greifen Vorschläge der europäi- großen Paket liegt ein Entwurf zur Anpassung des In- schen Ebene auf. Fachleute nennen das Symbolik – das vestmentsteuergesetzes vor. Hierbei geht es um die Ein- ist hier schon zitiert worden – und behaupten, Sie blie- führung eines Kapitalanlagegesetzbuchs, das zurzeit dis- ben damit weit hinter den Erwartungen zurück. Ich ver- kutiert wird. In diesem Gesetzentwurf geht es auch um weise auf das, was Herr Professor Krahnen im Finanz- das Problem, dass Veräußerungsgewinne bei offenen Im- 28630 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. März 2013

Dr. Carsten Sieling (A) mobilienfonds steuerfrei gestellt sind. Diese Regelung Ich möchte Ihnen das anhand des Wahlprogramms der (C) darf nicht auf geschlossene Fonds ausgedehnt werden, SPD erläutern. Sie nennen es Regierungsprogramm. Das weil diese vom Kapitalanlagegesetzbuch mit erfasst wer- ist ein bisschen optimistisch. Ich nenne es Wahlpro- den. Ich sage ganz offen: Wir brauchen hier eine Lösung. gramm der SPD. Auf zweieinhalb Seiten von insgesamt Wir werden uns dieser sehr sachlich und sehr konzen- 100 Seiten beschäftigen Sie sich mit dem Kernthema Fi- triert zuwenden. Eines will ich Ihnen sagen: Ihr Gesetz nanzmärkte. darf nicht dazu führen, dass neue Lücken entstehen, indem nicht nur Pensionsverpflichtungen zusammen- (Manfred Zöllmer [SPD]: Lesen Sie doch ein- gefasst werden können, sondern zum Beispiel auch un- mal vor!) ternehmerische Aktivitäten von steuerpflichtigen Perso- Fangen wir an: Sie sagen, Sie möchten, dass kein Fi- nengesellschaften, die gewerblich aktiv sind, in solche nanzmarktakteur, kein Produkt, kein Vertriebsweg unre- Fonds überführt werden und damit steuerfrei bleiben. guliert bleibt. Das haben wir im Übrigen auch gesagt. Darauf haben die Bundesländer hingewiesen. Dies ist umgesetzt worden. Beispielsweise ist der graue (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Kapitalmarkt reguliert worden. Das AIFM-Gesetz, das DIE GRÜNEN) Finanzanlagenvermittlergesetz, Initiativen im Bereich der Schattenbanken gibt es schon. Wer hat sie gemacht? Wir werden diesen Hinweisen sehr kritisch nachge- Die Koalition. hen und hoffen, dass Sie diese Lücke schließen. Unsere Erfahrung ist: Ihre Finanzmarktregulierung führte bisher (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) hinsichtlich der Steuern zu nichts Ordentlichem, weil Sie Sie möchten, dass Europa im Bereich der Bankenre- keine Lücke schließen wollen. Bisher war es immer eine gulierung Vorreiter wird. Europa ist Vorreiter im Bereich Hydraulik für Steuervermeidung. Das wollen wir nicht. der Bankenregulierung. Wir werden nächste Woche als Es kann nicht sein, dass die Großen laufen gelassen wer- eine der ersten Basel III verabschieden. Wir haben Boni den und die Kleinen herangezogen werden. Wir Sozial- begrenzt und werden darüber hinaus einige Finanz- demokraten stehen dafür, das zu verhindern. marktprodukte verbieten bzw. haben sie verboten. Inner- Vielen Dank, meine Damen und Herren. halb Europas ist Deutschland Vorreiter; denn Deutsch- land hat im Bereich der Bankenrestrukturierung, im (Beifall bei der SPD – Dr. h. c. Hans Bereich der Leerverkäufe, in der Regulierung des Hoch- Michelbach [CDU/CSU]: Sie reden von den frequenzhandels Maßstäbe gesetzt, die in ganz Europa Kleinen und machen es für die Großen!) und wahrscheinlich in der ganzen Welt umgesetzt wer- den. (B) Präsident Dr. Norbert Lammert: (D) Zum Schluss dieses Tagesordnungspunktes erhält der Als Drittes – übrigens ist die Reihenfolge ganz inte- Kollege Ralph Brinkhaus das Wort für die CDU/CSU- ressant – fordern Sie die Begrenzung von Boni und Ver- Fraktion. gütung. Das gibt es schon. 2010 gab es das erste Gesetz zur Begrenzung der Vergütung in Deutschland, übrigens (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) mit speziellen deutschen Regelungen. Wer hat es ge- macht? Die Koalition. Ralph Brinkhaus (CDU/CSU): (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Aus- führungen der Opposition waren etwas bemüht. Wenn Sie fordern eine Finanztransaktionsteuer, mindestens ich sie zusammenfasse, dann kann ich sagen: Sie wollen, dreimal, das scheint Ihnen sehr wichtig zu sein. Wer hat genauso wie wir, Sanierungs- und Abwicklungspläne. eine gemeinsame Verständigung auf den Weg gebracht? Sie wollen sie nur etwas anders organisieren. Wer hat dafür gesorgt, dass dieses Thema in Europa ver- ( [SPD]: Nein, falsch! Wir nünftig behandelt wird? Wir waren es, diese Koalition. wollen sie, und Sie tun nur so, als ob Sie sie (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und wollten!) der FDP) Sie wollen, genauso wie wir, eine Trennung der Risiken Dann geht es weiter: Sie wollen, dass es vernünftige im Rahmen eines Trennbankensystems. Sie wollen es Eigenkapitalregeln unter besonderer Berücksichtigung aber ein wenig strenger als wir. Sie wollen, genauso wie der Besonderheiten der Volksbanken und Sparkassen wir, strafrechtliche Vorschriften für Bankmanager ein- gibt. Das wird nächste Woche verabschiedet. Wer hat hi- führen, wollen sie aber schärfer als wir formulieren. Sie neinverhandelt, dass die Sparkassen und Volksbanken wollen, genauso wie wir, das Schattenbankensystem re- dabei nicht untergehen? Diese Koalition. gulieren, behaupten aber, Sie könnten es ein bisschen schneller als wir. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Das ist nicht nur die Zusammenfassung dieser De- batte, sondern die Zusammenfassung von dreieinhalb Sie wollen, dass ein Trennbankensystem eingerichtet Jahren Oppositionspolitik in der Finanzmarktregulie- wird. Wer hat einen Vorschlag gemacht, dass eine Trenn- rung. Irgendwie wollen Sie immer das Gleiche wie wir, bankenregulierung hier in Deutschland stattfindet, bevor behaupten aber, Sie könnten es schärfer, weitgreifender in Europa überhaupt darüber nachgedacht wird, einen und schneller hinbekommen. Gesetzentwurf auf den Weg zu bringen? Diese Koalition. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. März 2013 28631

Ralph Brinkhaus (A) (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – (C) Wer hat es erfunden? Die Schweizer!) Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Wir!) Sie wollen die Schattenbanken regulieren. Wer hat sich wie keine andere Bundesregierung dafür eingesetzt, Sie fordern in Ihrem Wahlprogramm, dass die Hono- dass Schattenbanken weltweit reguliert werden? rarberatung reguliert wird. Wer hat ein Gesetz zur Regu- (Manfred Zöllmer [SPD]: Ihr habt gar nichts ge- lierung der Honorarberatung vorgelegt? Diese Koalition. macht bei den Schattenbanken! Gar nichts!) (Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Wir! Wer hat dazu Initiativanträge, Entschließungsanträge auf Wir!) den Weg gebracht? Ich kann Ihnen jetzt nicht vorwerfen, dass Sie nach (Manfred Zöllmer [SPD]: Da steht nichts der Identifikation der Probleme auf die gleichen Lösun- drin!) gen kommen wie wir. Das ist normal. Es ist auch das Ge- schäft der Opposition, zu sagen: Wir können das schär- Wer treibt diesen Prozess voran? Es ist diese Koalition. fer, weitreichender, schneller und besser. Das ist auch in (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ordnung. Das ist sogar Ihr Job. Ich würde es auch ma- chen, wenn ich Opposition wäre. Aber was ich Ihnen Sie fordern in Ihrem Wahlprogramm, dass bestimmte nicht durchgehen lassen kann, das ist die Tatsache, dass Produkte auf Finanzmärkten verboten werden. Das ha- Sie in Ihrem Wahlprogramm – mit dem Bewerbungs- ben wir gemacht. Als erstes Land der Welt haben wir für schreiben Ihres Kanzlerkandidaten vom letzten Herbst – ein Verbot von Leerverkäufen gesorgt. Wer hat es ge- und in Ihren Reden behaupten, Sie würden jetzt etwas macht? grundlegend Neues und Innovatives im Bereich der Fi- (Christian Freiherr von Stetten [CDU/CSU]: nanzmarktregulierung machen. Das ist nicht der Fall. Wir haben es gemacht!) Sie hätten sich mit interessanten Themen beschäfti- Diese Koalition. gen können. Wie sieht Ihr Bild vom Finanzplatz Deutschland im kommenden Jahrzehnt aus? Sie hätten Sie fordern, dass es mehr Verbraucherschutz im Be- sich damit beschäftigen können, wie Sie in einer anhal- reich Finanzmarkt gibt. Ich kann nur sagen: OGAW, Fi- tenden Niedrigzinsphase sicherstellen, dass Versicherun- nanzanlagenvermittlergesetz, Anlegerschutz- und Funk- gen und betriebliche Altersversorgung weiterlaufen. Was tionsverbesserungsgesetz, AIFM-Umsetzungsgesetz. sind denn Ihre konkreten Vorschläge zur Regulierung Wer hat es gemacht? Diese Koalition. (B) der Schattenbanken? Davon findet man in Ihren Papie- (D) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und ren nichts. der FDP – Christian Freiherr von Stetten [CDU/CSU]: Wir haben es gemacht! – Am Ende des Tages ist es – irgendwie kann ich Ihre Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Wir!) Verzweiflung auch verstehen – wie in der Geschichte vom Hasen und vom Igel: Überall da, wo der Steinbrück – So ist es, genau. regulieren will, da ist der Schäuble schon da. Sie fordern, dass der Hochfrequenzhandel reguliert Danke schön. wird. Wer hat als erstes Land dieser Welt den Hochfre- quenzhandel reguliert? Diese Koalition. (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) (Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Wir! – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Wenn es einen Preis für heiße Luft Präsident Dr. Norbert Lammert: gäbe, hätten Sie ihn gerade gewonnen!) Ich schließe die Aussprache. Sie gehen noch weiter. Sie fordern, dass Ratingagen- Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlage auf turen schärfer reguliert werden. Damit haben wir schon den Drucksachen 17/12601, 17/12602, 17/12603 und 2010 angefangen. Wer hat es gemacht? Diese Koalition. 17/12687 an die in der Tagesordnung aufgeführten Aus- (Zurufe von der CDU/CSU: Wir!) schüsse vorgeschlagen. Gibt es dazu andere Vorschläge? – Das ist nicht der Fall. Dann sind die Überweisungen so Sie fordern, dass es ein Restrukturierungsregime für beschlossen. Banken gibt. Wer hat als erstes Land etwas vorgelegt, das maßgeblich für Europa ist? Diese Koalition. Zusatzpunkt 11. Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und FDP auf (Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Wir!) Drucksache 17/12686 mit dem Titel „Finanzstabilität si- Sie fordern darüber hinaus, dass die Mittelstandskom- chern – Regulierung systemrelevanter Finanzinstitute ponente bei der Bankenregulierung berücksichtigt wird. und des internationalen Schattenbankensystems“. Wer Wer hat dafür gesorgt, dass diese Mittelstandskompo- stimmt für diesen Antrag? – Wer stimmt dagegen? – Wer nente Eingang in den europäischen Prozess findet? Diese enthält sich? – Der Antrag ist mit der Mehrheit der Ko- Koalition. alition angenommen. 28632 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. März 2013

Präsident Dr. Norbert Lammert (A) Ich rufe die Tagesordnungspunkte 29 a bis 29 f auf: Berichterstattung: (C) Abgeordnete Matthias Lietz a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Sylvia  Kotting-Uhl, Hans-Josef Fell, Bärbel Höhn, wei- Heinz Golombeck terer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- Alexander Ulrich NIS 90/DIE GRÜNEN Zwei Jahre Fukushima – Ohne ehrlichen e) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be- Atomausstieg keine erfolgreiche Energie- richts des Ausschusses für Wirtschaft und Tech- wende nologie (9. Ausschuss) – Drucksache 17/12509 – – zu dem Antrag der Abgeordneten Rolf Überweisungsvorschlag: Hempelmann, Garrelt Duin, Hubertus Heil Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (f) (Peine), weiterer Abgeordneter und der Frak- Auswärtiger Ausschuss  tion der SPD Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Keine Hermesbürgschaft für den Bau des b) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD Atomkraftwerks Angra 3 Lehren aus der Atomkatastrophe in Fuku- – zu dem Antrag der Abgeordneten Jan van shima ziehen Aken, Dr. Gesine Lötzsch, Ulla Lötzer, weite- – Drucksache 17/12688 – rer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE sowie der Abgeordneten Ute Koczy, Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (f) Sylvia Kotting-Uhl, Beate Walter- Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Rosenheimer, weiterer Abgeordneter und der Ausschuss für Bildung, Forschung und Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Technikfolgenabschätzung Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Keine Bürgschaft für den Bau des Atom- Entwicklung  kraftwerks Angra 3 Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union – Drucksachen 17/9578, 17/9579, 17/12653 – c) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be- richts des Ausschusses für Wirtschaft und Tech- Berichterstattung: nologie (9. Ausschuss) Abgeordneter Erich G. Fitz (B) – zu dem Antrag der Abgeordneten René f) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be- (D) Röspel, Rolf Hempelmann, Marco Bülow, richts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz weiterer Abgeordneter und der Fraktion der und Reaktorsicherheit (16. Ausschuss) zu dem SPD Antrag der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl, Bärbel Höhn, Markus Tressel, weiterer Abgeord- Den Euratom-Vertrag an die Herausforde- neter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- rungen der Zukunft anpassen NEN – zu dem Antrag der Abgeordneten Sylvia Bilaterale Verhandlungen aufnehmen zur un- Kotting-Uhl, Hans-Josef Fell, Ekin Deligöz, verzüglichen Stilllegung besonders gefährli- weiterer Abgeordneter und der Fraktion cher grenznaher Atomkraftwerke in Frank- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN reich Euratom-Vertrag ändern – Atomausstieg – Drucksachen 17/11206, 17/12675 – europaweit voranbringen – Atomprivileg Berichterstattung: beenden Abgeordnete Dr. Michael Paul – Drucksachen 17/8927, 17/7670, 17/11713 – Marco Bülow Angelika Brunkhorst Berichterstattung: Dorothée Menzner Abgeordneter Dr. Georg Nüßlein Sylvia Kotting-Uhl d) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be- Über die Beschlussempfehlung zu dem Antrag der richts des Ausschusses für die Angelegenheiten Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zu bilateralen Verhand- der Europäischen Union (21. Ausschuss) zu dem lungen mit Frankreich werden wir später namentlich ab- Antrag der Abgeordneten Alexander Ulrich, stimmen. Wolfgang Gehrcke, Jan van Aken, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion DIE LINKE Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache 90 Minuten vorgesehen. – Ich höre kei- Eine Europäische Gemeinschaft für die Förde- nen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. rung Erneuerbarer Energien gründen – EU- RATOM auflösen Die Kolleginnen und Kollegen, die die Debatte im Augenblick nicht hier im Plenarsaal, sondern von ihren – Drucksachen 17/6151, 17/11723 – Büros aus verfolgen, möchte ich schon einmal darauf Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. März 2013 28633

Präsident Dr. Norbert Lammert (A) aufmerksam machen, dass wir gegen 12.15 Uhr eine na- Der Altmaier Peter hat es sogar als eine historische Ent- (C) mentliche Abstimmung haben werden. scheidung bezeichnet, die Laufzeiten von maroden Alt- meilern zu verlängern. (Manfred Grund [CDU/CSU]: Wir sind be- reit!) (Manfred Grund [CDU/CSU]: Die hätten ab- geschaltet werden müssen, wenn sie marode – Das ist beruhigend zu hören, Herr Kollege Grund. sind! Das hätten Sie sofort fordern müssen! Marode müssen sofort abgeschaltet werden!) Ich eröffne die Aussprache. Das Wort erhält zunächst der Kollege Jürgen Trittin für die Fraktion Bündnis 90/ Unsere Hauptaufgabe in dieser Zeit bestand eigent- Die Grünen. lich darin, Ihren Unsinn abzuräumen. Das haben wir mit einigem Erfolg gemacht: Nach einem Jahrzehnt erzeu- (Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Wo ist gen wir heute 25 Prozent unseres Stroms durch die Nut- denn die Facebook-Claudia heute? Wo ist zung erneuerbarer Energien. Das gibt 400 000 Menschen ?) in diesem Land Arbeit. Nach einem Jahrzehnt schien es so zu sein, als wenn CDU und CSU ihre Hausaufgaben Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): gemacht hätten. Plötzlich waren auch Sie für das von Ih- Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben nen vorher bekämpfte Erneuerbare-Energien-Gesetz. Bei am vergangenen Montag der Reaktorkatastrophe von der Atomenergie haben Sie noch ein bisschen länger ge- Fukushima und der vorweggegangenen Flutwelle ge- braucht. Da bedurfte es der mehrfachen Kernschmelze dacht. Wir gedenken auch heute der fast 19 000 Opfer von Fukushima, bis bei Ihnen die Erkenntnis eintrat: dieser Flutwelle, und wir gedenken der Opfer der Atomka- Atomkraft ist nicht beherrschbar. tastrophe. Als Folge dieser Katastrophe mussten hundert- Haben Sie Ihre Hausaufgabe jetzt verstanden? Haben tausend Menschen ihre Heimat verlassen, weil Böden, Luft Sie verstanden, dass der Kern darin besteht, dass derje- und Wasser radioaktiv verseucht sind. 57 000 Japanerinnen nige, der die Energiewende wirklich will, nicht nur ent- und Japaner konnten bis heute nicht zurückkehren. Sie schlossen und konsequent aussteigen muss, sondern sind aus ihrer Heimat vertrieben. Diese Katastrophe hat auch in die Nutzung erneuerbarer Energien einsteigen uns gezeigt: Die Risiken der Atomtechnologie sind nicht muss? beherrschbar. Die Welt muss aus dieser Hochrisikotech- nologie aussteigen. (Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Was habt ihr eigentlich gemacht?) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (B) und bei der SPD) Nein, Sie haben es nicht verstanden. Sie steigen nicht (D) konsequent aus. Zu einem konsequenten Ausstieg würde Es ist bitter, dass die neue japanische Regierung ge- zum Beispiel eine Umorientierung der Forschungspolitik gen den Willen von mittlerweile zwei Dritteln der japa- gehören. Nach wie vor wird ein Drittel der Mittel in nischen Bevölkerung versucht, diese Technologie wieder Höhe von 2,7 Milliarden Euro für die Forschung im Be- zum Laufen zu bringen. Hier ist die besondere Verant- reich der Reaktortechnologie genutzt. wortung für Deutschland: Es ist unsere Verantwortung, zu beweisen, dass es möglich ist, dass eine Industriena- (Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Ja, die tion seine Stromversorgung ohne Atomenergie und ohne gibt es noch!) Rückgriff auf klimazerstörende Kohle realisieren kann. Nur ein kleiner Teil geht in die Endlagerforschung. Das ist die globale Verantwortung, vor der dieses Land steht. Das, lieber Herr Altmaier, ist die Hausaufgabe die- Sie müssten sich, wenn Sie konsequent aus solchen ser Regierung, die Sie zu erfüllen haben. Vorhaben aussteigen wollten, von solchen Wahnsinns- projekten wie dem namens ITER verabschieden. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) (Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Vogel- Strauß-Politik ist das! Nichts anderes!) Sie haben mit manchen Schülern gemein, dass Sie sich mit den Hausaufgaben schwertun. Vor allen Dingen müssten Sie, meine Damen und Her- ren, aufhören, anderswo den Bau von Atomkraftwerken (Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Jetzt zu subventionieren, indem Sie Exporthilfen dafür geben, kommt der Oberlehrer! Das ist die Rolle, die er dass in Erdbebengebieten Atomkraftwerke errichtet wer- am besten versteht!) den. Lange Zeit haben Sie gar nicht verstanden, was Ihre (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Hausaufgabe ist. Jahrelang glaubten Sie, Ihre Aufgabe und bei der SPD sowie der Abg. Dorothée bestünde darin, alles zu blockieren, was nach Energie- Menzner [DIE LINKE]) wende aussah. CDU, CSU und FDP waren gegen das Er- neuerbare-Energien-Gesetz. Sie waren gegen den Aus- Sie scheitern schon bei der ersten Herausforderung. stieg aus der Nutzung der Atomenergie. Bei der zweiten sind Sie mittlerweile zu der Position zu- rückgekehrt, die Sie vor zehn Jahren eingenommen hat- (Christoph Poland [CDU/CSU]: Alles kalter ten. Statt für einen zügigen Ausbau erneuerbarer Ener- Kaffee!) gien zu fairen Preisen zu sorgen, spielen Peter Altmaier 28634 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. März 2013

Jürgen Trittin (A) und Philipp Rösler lieber im Glashaus Fußball, und die stieg nicht mit der Merkel-Koalition. Das zu ändern, ist (C) Kanzlerin steht daneben und verdreht die Augen. jetzt unsere Hausaufgabe. Früher gab es noch – daran erinnere ich mich – einen (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Konflikt zwischen Umweltminister und Wirtschafts- und bei der SPD) minister. Heute sind sich beide einig: Der Ausbau der er- neuerbaren Energien in Deutschland muss ausgebremst Präsident Dr. Norbert Lammert: werden. Das ist der Konsens zwischen Rösler und Das Wort erhält der Kollege Christian Hirte für die Altmaier. Herr Altmaier beziffert die Kosten der Ener- CDU/CSU-Fraktion. giewende mit „Fantastilliarden“-Summen. (Beifall bei der CDU/CSU) Lieber Herr Altmaier, das Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft rechnet Ihnen vor, was alles Sie falsch gerechnet haben: die Effekte der Preissenkungen an der Christian Hirte (CDU/CSU): Strombörse, die Degression der Förderung und die Kos- Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten ten für Investitionen in Kohle- und Gastkraftwerke. Sie Damen und Herren! Herr Kollege Trittin hat gerade aus- nennen die Autoren per Twitter unseriös. Peinlich für Sie geführt, wie die Ereignisse in Fukushima vor zwei Jah- ist, dass sich die Autoren auf die Zahlen Ihres eigenen ren eine menschliche Katastrophe und Tragödie bislang Ministeriums berufen. Wollen Sie behaupten, dass das unbekannten Ausmaßes verursacht haben. Ich denke, Bundesumweltministerium unseriöse Zahlen liefert? Das dass sich die Flutwellen in Japan in unser aller Bewusst- wäre eine neue Erfahrung, die wir hier zu machen hätten. sein eingegraben haben – möglicherweise aber nicht bei allen Grünen. Anderenfalls hätte Claudia Roth auf ihrer (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Facebook-Seite sicherlich nicht den Eindruck erweckt, und bei der SPD) als wenn die vieltausendfachen Opfer in Japan Folge der Reaktorkatastrophe und nicht der Erdbebenkatastrophe Es ist dreist, meine Damen und Herren, anderen vor- gewesen seien. zuhalten, sie würden ihre Hausaufgaben nicht machen. Es ist Aufgabe des Umweltministers, für den Ausbau er- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – neuerbarer Energien zu fairen Preisen zu sorgen. Nicht Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Das ist be- Ihre Aufgabe, Herr Altmaier, ist es, die Agrarindustrie schämend! Das ist ein schäbiges innenpoliti- zu subventionieren und Banken von Stromkunden be- sches Ausnutzen einer Tragödie! Es ist noch zahlen zu lassen. Es ist Aufgabe des Umweltministers, nie so schäbig eine Tragödie ausgenutzt wor- für mehr Klimaschutz zu sorgen; aber es ist nicht Ihre den!) (B) Aufgabe, durch Billigzertifikate für CO2 Kohlekraft- (D) werke zu subventionieren. Weiter ist es die Aufgabe des Herr Trittin, Frau Roth und Sie bzw. Ihre Partei versu- Umweltministers, dafür zu sorgen, dass wir letztendlich chen, 100 Prozent erneuerbare Energien bei Strom, Mobilität (Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Billig In- und Wärme erreichen. Es ist aber nicht Aufgabe, son- nenpolitik zu machen! – Gegenruf des Abg. dern Verfehlen der Aufgabe eines Umweltministers, gar Marco Bülow [SPD]: So etwas würden Sie nie eine Ausbaubremse zu initiieren, die am Ende dazu füh- machen!) ren wird, dass südlich von Ostfriesland kein einziger Windpark mehr errichtet wird und Zehntausende Ar- dieses menschliche Drama, die Tragödie der Menschen beitsplätze in Deutschland in Gefahr geraten. Das sind in Japan, billig populistisch zu instrumentalisieren. Sie nicht Ihre Aufgaben, sehr geehrter Herr Altmaier. spielen Wutbürger und versuchen, das Thema in einem Wahlkampfjahr in die Debatte einzuführen. Das hilft uns (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN allen überhaupt nicht weiter. und bei der SPD) (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- Sie machen lieber das Gegenteil. Ausbauziele für er- neten der FDP) neuerbare Wärme sind aufgegeben worden. Die Gebäu- desanierung dümpelt dahin und wird zusammengespart. Wir in der Koalition haben unsere Hausaufgaben ge- Der Emissionshandel wurde auf der Grundlage Ihrer ge- macht, im Übrigen nicht nur nach Fukushima, sondern meinsamen Haltung in dieser Regierung konsequent rui- bereits vorher. Wir haben nach Fukushima den Ausstieg niert. aus der Atomkraft noch einmal forciert. Ich sage Ihnen: Sie können Energiewende nicht, weil (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Sie sie nicht wollen. Sie sind nicht in der Lage, die Kon- NEN]: „Noch einmal forciert“! Müssen Sie da sequenzen aus dem Reaktorunfall von Fukushima zu zie- nicht selber lachen? Noch einmal“! Das war hen. eine 180-Grad-Wende! – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was haben (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Sie denn davor gemacht? Sie sind ja ein Putzi- und bei der SPD) ger!) Ausstieg aus der Atomenergie geht nur mit konsequen- Wir haben nach Fukushima die Risikobewertung für die tem Einstieg in die Erneuerbaren, mit mehr Energieeffi- Kernkraft in unserem Energiemix noch einmal überdacht zienz und mehr Energiesparen. Offensichtlich geht Aus- und die notwendigen Konsequenzen gezogen. Es ist Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. März 2013 28635

Christian Hirte (A) doch klar, dass vor wie nach Fukushima in Deutschland nach der Energiewende gab es erneut einen Zuwachs des (C) feststand: Wir steigen aus der Kernkraft aus. Anteils der erneuerbaren Energien von 5 Prozentpunk- ten. Wir sind also von knapp 17 Prozent Anteil der er- (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- neuerbaren Energien in 2010 auf mittlerweile gut 22, 23, NEN]: Nein! Das stand schon vorher fest! Nur 24 Prozent gekommen. Wenn das kein Erfolg sein soll, Sie sind hinterhergedackelt!) dann weiß ich auch nicht. Das galt im Übrigen schon im Jahr 2010 (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- (Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE neten der FDP – Marco Bülow [SPD]: Warum GRÜNEN]: Das galt schon 2000!) wollen Sie ihn dann bremsen, den Erfolg?) mit der Verabschiedung unseres Energiekonzeptes; zu- Herr Trittin und meine Damen und Herren von der gegebenermaßen gab es unterschiedliche Auffassungen Opposition, statt sich über diesen Erfolg zu freuen und zur Dauer der Restlaufzeiten. Aber dem Grunde nach hat Umweltminister Altmaier und Wirtschaftsminister doch politischer Konsens darüber bestanden, dass wir in Rösler dabei zu unterstützen, den Weg professionell wei- Deutschland aus der Kernkraft aussteigen. terzugehen, (Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- (Zuruf von der SPD: Tun wir ja im Gegensatz NEN]: Was? – Marco Bülow [SPD]: Sie sind, zu Ihnen!) glaube ich, in der falschen Partei, Kollege!) nutzen Sie das tragische Ereignis mit vielen Toten in Fu- Als Erste überhaupt haben wir in Deutschland den kushima, um billig mit parteipolitischem Kalkül Wahl- Atomausstieg mit einem richtigen Konzept zum Ausbau kampf zu machen. der erneuerbaren Energien verbunden. Wir haben mit unserem Energiekonzept den Weg aufgezeigt, wie der (Zuruf von der SPD: Das machen nur Sie!) Atomausstieg bei gleichzeitigem Umstieg in eine ökolo- gische Energiegewinnung gelingen kann. Während Rot- Der Ausstieg aus der Kernkraft ist beschlossen, und er Grün im Jahr 2000 in der Tat den Atomausstieg be- wird auch ganz sicher kommen. Die Frage, die sich da- schlossen hat, sind wir einen Schritt weiter vorangegan- bei stellt, ist: Wie schaffen wir ihn konkret? Diese Frage gen. Es reicht eben nicht, Herr Trittin, immer nur auf stellt sich insbesondere auch deshalb, weil wir aus heuti- dem Atomausstieg zu beharren, sondern es ist auch ger Sicht noch nicht alle Details vorab planen können; wichtig und notwendig, diesen mit einem Konzept zum denn viele Entwicklungen – teilweise über die nächsten Umstieg zu begleiten. Genau das haben wir getan. Jahrzehnte – sind noch gar nicht klar abschätzbar. Ich glaube, ein ganz wichtiger Punkt ist – gerade auch, weil (B) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und viele Dinge noch nicht abschätzbar sind –, dass wir ins- (D) der FDP – Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE gesamt Vertrauen und Akzeptanz schaffen müssen. GRÜNEN]: Ich meine, Sie haben das blo- Diese Akzeptanz muss auf breiten Schultern basieren. ckiert! – Dr. Matthias Miersch [SPD]: Welches Da reichen die breiten Schultern unseres Umweltminis- Konzept?) ters allein nicht aus. Wir müssen sie auf viel breitere Ich glaube, dass die Erfolge der letzten Jahre uns be- Schultern stellen. Die Wirtschaft muss dahinterstehen, stätigen. aber auch unsere Bevölkerung muss sehen, dass wir uns auf einem Weg befinden, der langfristig erfolgreich sein (Marco Bülow [SPD]: Welche Erfolge?) kann. Während Sie hier versuchen, den Anschein zu erwecken, In dieser Woche hat zum Beispiel Die Welt berichtet, als seien wir auf diesem Weg nicht vorangekommen, zei- dass möglicherweise ein weiterer Anstieg der EEG-Um- gen die Tatsachen ein ganz anderes Bild. Mittlerweile lage auf gut 6 Cent bevorsteht. Jedem, der sich mit dem beträgt der Anteil der erneuerbaren Energien am Ener- Thema beschäftigt, ist klar, dass wir nicht so weiterma- giemix – Sie haben es gerade ausgeführt – etwa 25 Pro- chen können wie bisher, sondern dass wir dringend han- zent. Als Sie 2000 eine Verdoppelung des Anteils der er- deln müssen, und zwar sehr kurzfristig. neuerbaren Energien gefordert haben und dann im Jahr 2005 einen Anteil von 10 Prozent gefeiert haben, war (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und das für Sie ein Riesenerfolg. Heute sollen 25 Prozent der FDP) kein Erfolg sein. Das glauben Sie doch selber nicht. Deswegen bin ich Umweltminister Altmaier und auch (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Wi- Wirtschaftsminister Rösler ausgesprochen dankbar, dass derspruch bei der SPD und dem BÜND- sie Vorschläge unterbreitet und auch einen politischen NIS 90/DIE GRÜNEN – Jürgen Trittin Prozess angestoßen haben, wie wir den Anstieg der [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herrn Strompreise bremsen können. Über die einzelnen vorge- Altmaier sind 25 Prozent zu viel!) brachten Vorschläge können wir hier im Parlament si- cherlich noch diskutieren, sie beraten, überarbeiten und Während Sie weiterhin den Anschein erwecken wol- an der einen oder anderen Stelle vielleicht auch korrigie- len, als hätten wir mit diesem Eintritt in eine professio- ren. nelle Energiewende versucht, den Ausbau der erneuerba- ren Energien abzuwürgen, zeigt die Realität, dass das (Marco Bülow [SPD]: Na ja, sofern man das Gegenteil der Fall ist. Allein in den letzten beiden Jahren dann noch kann!) 28636 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. März 2013

Christian Hirte (A) Aber dem Grunde nach ist doch klar, dass wir etwas tun Drei Reaktorkerne sind geschmolzen. Immer noch, (C) müssen, um den Anstieg der Strompreise zu mindern. zwei Jahre später, ist ein Abklingbecken gefährdet; es wird nur notdürftig gestützt, und man weiß nicht, ob es (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – den Druck aushalten wird. 360 000 Kubikmeter Wasser [SPD]: Ja, Sie müssten langsam wurden durch die Kühlung bzw. das Spülen verseucht. mal was tun! Nach dreieinhalb Jahren an der Man weiß nicht, wo man das Wasser lassen soll; auch Regierung wäre das mal ganz gut!) heute ist das immer noch ein riesiges Problem. Jeden Ein Vorschlag lautet, bei der Industrie anzusetzen, Tag werden 400 000 Liter Wasser durch die Reaktoren weil der Börsenstrompreis in den letzten Jahren massiv gepumpt, und keiner weiß, wo man das Wasser in Zu- gesunken ist. Aber klar ist doch auch, dass nun nicht je- kunft lassen soll. Bis heute sind bereits 100 000 Kubik- der bei jedem Vorschlag sagen kann: Gerade an dieser meter radioaktiver Erde abgetragen und erst einmal ir- Stelle geht es aber nicht. – Wenn das der Maßstab wäre, gendwo zwischengelagert worden; auch da weiß man dann kämen wir überhaupt nicht weiter. Ich denke, dass nicht, wo man dieses Material am Ende lagern soll. Das der Vorschlag von Peter Altmaier und Philipp Rösler, da- waren nur ein paar Zahlen, die deutlich machen, dass das rüber nachzudenken, was wir bei Altanlagen tun können, Problem auch zwei Jahre nach der Katastrophe noch im- durchaus sinnvoll ist. mer riesengroß ist. Natürlich müssen wir den Vertrauensschutz hier im 77 Milliarden Euro mussten bereits aufgewendet wer- Parlament berücksichtigen. den bzw. werden aufgewendet, um die schlimmsten Aus- wirkungen der Katastrophe zu beseitigen. Es stehen (Ulrich Kelber [SPD]: Jetzt wechseln Sie aber noch 300 Milliarden Euro aus, die als Entschädigungs- gerade das Thema!) leistungen gezahlt werden müssen. Der Haushalt in Ja- Aber wir sollten auch darüber nachdenken – das viel- pan ist zwar relativ gut aufgestellt; aber man weiß nicht, leicht als Alternativvorschlag –, ob wir nicht durch einen wie man das bezahlen soll. So viel zum Thema der billi- kleinen zusätzlichen Steueraufschlag auf den Gewinn gen Atomkraft. der Anlagen diejenigen heranziehen sollten, die beson- ders stark von den Einspeisevergütungen profitieren, ob Alle Energieunternehmen in Japan sind im Minus und wir also quasi eine Art Strompreis-Soli erheben sollten. können nicht mehr wirtschaften. Auf diese Unternehmen Mit diesen Einnahmen könnte zum Beispiel die Strom- kann sich die Wirtschaft in Japan nicht mehr verlassen. steuer gesenkt werden. Viel schlimmer noch: 160 000 Menschen haben ihre Heimat verloren und wissen nicht, ob sie jemals zurück- Meine sehr geehrten Damen und Herren, um insge- kehren können. Sie sind entwurzelt und haben ihren Job samt Akzeptanz zu erreichen, brauchen wir also die (B) verloren. Manche Menschen lebten ja von dem Land, auf (D) Wirtschaft, die Bevölkerung, aber auch die Politik. Wir dem sie vorher gewohnt haben, und sie werden nur not- müssen gemeinsam eine Lösung finden, um eine ver- dürftig versorgt. All das sind die Konsequenzen nicht nünftige Strompreisentwicklung zu gewährleisten. Las- nur des Tsunamis und des Erdbebens, sondern vor allen sen Sie uns also konstruktiv zusammenarbeiten und da- Dingen auch der Reaktorkatastrophe. für Sorge tragen, dass wir auf Basis der Vorschläge der Regierung zu einem vernünftigen Ergebnis kommen, das Das Allerschlimmste – man muss mit solchen Zahlen am Ende der Wirtschaft, den Bürgern, aber auch uns, der allerdings immer vorsichtig sein –: Bei 133 000 Untersu- Politik, zugutekommt, und zwar dahin gehend, dass er- chungen kleiner Kinder wurde in über 55 000 Fällen, kennbar wird, dass es uns nicht nur um parteipolitisches also in über 40 Prozent der Fälle, eine Schilddrüsenver- Kalkül, sondern auch um die Interessen der Menschen in änderung festgestellt. Eine solche Veränderung muss unserem Land geht. nicht zwangsläufig zu Krebs führen; sie ist aber ein Zei- chen, dass es dazu kommen kann. Das ist eine erschre- Vielen Dank. ckend hohe Zahl. Wen das nicht alarmiert, wer da noch (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Bettina sagt: „Fukushima war nicht so schlimm: Da ist ein Erd- Hagedorn [SPD]: „Auch“? Wow!) beben passiert, da ist ein Tsunami passiert; aber das mit den Reaktoren war alles nicht so schlimm“, Präsident Dr. Norbert Lammert: (Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Wer sagt Das Wort erhält nun der Kollege Marco Bülow für die denn so etwas?) SPD-Fraktion. dem spreche ich jedes Gewissen ab. Marco Bülow (SPD): (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her- des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) ren! Wir gedenken heute der vielen Opfer der Erdbeben- Schon vor einem Jahr mussten wir leider solche Reden katastrophe und des Tsunamis in Japan, die vor zwei von einem Teil des Hauses hören, und wir werden wahr- Jahren die Welt erschütterten. Ich kann mich daran erin- scheinlich auch heute wieder so etwas hören. nern, dass wir vor zwei Jahren bangend vor dem Fernse- her gesessen und gesehen haben, dass das Erdbeben und Harrisburg, Tschernobyl und Fukushima haben be- der Tsunami alleine nicht ausreichten, sondern viele wiesen, dass der Mensch mit diesen Reaktoren nicht um- durch die Atomenergie verursachte Gefahren noch oben- gehen kann, dass das Risiko zu groß ist und vom Men- drauf kamen. schen nicht beherrscht werden kann. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. März 2013 28637

Marco Bülow (A) Diese Störfälle haben gezeigt: Wolken machen nicht den Atomausstieg beendet und waren wieder eingestie- (C) an Grenzen Halt. Das Problem ist also ein globales Pro- gen in diese Technologie; das ist vor Fukushima passiert. blem; daher müssen diese Themen international behan- delt werden. Deswegen finde ich es auch richtig, dass die (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Grünen den Antrag gestellt haben, zum Beispiel auch der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE über Reaktoren, die sich in unmittelbarer Nähe zur deut- GRÜNEN) schen Grenze befinden, zu sprechen. Wer sagt: „Die Es ist schön – das haben wir hier mehrfach betont –, Atompolitik in anderen Ländern geht uns nichts an“, der dass Sie nach Fukushima dazugelernt haben; muss sich die Frage stellen, ob er hier denn wirklich deutsche Interessen wahrnimmt, ob er die Interessen der (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Bürgerinnen und Bürger, die an der Grenze zu Frank- NEN]: Zu spät!) reich wohnen, wirklich vertritt, wenn er sagt: Wir mi- schen uns in die Atompolitik Frankreichs nicht ein. aber das reicht nicht aus, um eine Energiewende einzu- leiten. (Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Frank- reich ist ein souveränes Land!) (Christian Hirte [CDU/CSU]: Richtig! Es braucht mehr dazu!) Nein, es ist unsere Pflicht, darüber zu diskutieren – so wie wir das bei anderen Themen auch machen, natürlich In Deutschland steigen Sie aus der Atomenergie aus, eu- auf diplomatische Art und Weise –, ropäisch fördern Sie die Atomenergie jedoch weiter. Die Erneuerbaren bremsen Sie aus, und bei Energieeffizienz (Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Mit passiert gar nichts. Steinbrück’scher Diplomatie!) Auf den Homepages der beiden Ministerien kann man wir müssen uns Sorgen machen, wir müssen dieses sich anschauen, wie viel in Sachen Energieeffizienz pas- Thema international behandeln. siert ist: Die meisten Papiere stammen noch aus der Zeit, (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten wo Sie noch nicht an der Regierung waren. des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Die Minister sitzen jetzt einträglich nebeneinander. Die Bundesregierung macht das Gegenteil. Sie steigt Sonst hört man jeden Tag aus dem Wirtschaftsministe- zwar in Deutschland aus der Atomenergie aus; aber für rium etwas anderes als aus dem Umweltministerium. den Bau von Reaktoren in aller Welt – auch in Erdbeben- Der Wirtschaftsminister sagt etwas, der Umweltminister gebieten, auch in Gebieten, wo Tsunamis entstehen kön- etwas anderes. Das hat uns im Umweltausschuss dazu (B) nen – werden weiter Hermesbürgschaften übernommen. verleitet, beide Minister einzuladen. Es war natürlich (D) Nur, dass die Brasilianer – Gott sei Dank – gesagt haben, nicht möglich, sie auf einen Sitz zu kriegen. sie brauchen unser Geld nicht, hilft der Bundesregie- rung, dass sie da nicht mehr beteiligt ist. (Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/ Deutschland gibt weiterhin viel Geld für Euratom aus. DIE GRÜNEN]: Herr Altmaier hätte Herrn Euratom fördert nicht nur Atomsicherheit, Euratom för- Rösler auf den Schoß nehmen können!) dert die Atomenergie insgesamt weiter. Es gibt keine deutsche Initiative, die sagt: Wir müssen damit aufhören, Die Minister sind nacheinander zu uns gekommen. Herr wir müssen dafür sorgen, dass Euratom insgesamt an- Altmaier hat im Prinzip das Gegenteil gesagt von dem, ders aufgestellt wird, wir müssen Energieeffizienz för- was Herr Rösler im Ausschuss eine Stunde zuvor gesagt dern, Erneuerbare fördern. – Nein, die Bundesregierung hat. Das zeigt Ihre „Einigkeit“ in der Energiepolitik; die fördert international weiterhin in erster Linie die Atom- gibt es in dieser Bundesregierung nämlich nicht. Die Ei- energie. Deswegen fordern wir ein Verbot solcher Her- nigkeit besteht allenfalls darin, dass Sie uneinig sind. mesbürgschaften, (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN) der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Das Einzige, wo Sie einig sind, ist – Herr Trittin hat es schon gesagt –, die Erneuerbaren zu bremsen. Sie nen- und wir fordern eine Umgestaltung von Euratom. Sie nen es die Strompreisbremse. Ich glaube, es gibt im Um- können unseren Anträgen da gerne einmal folgen! welt- und im Wirtschaftsministerium Berater, die Ihnen gesagt haben: Es gibt beim Heizölpreis einen Anstieg; es Die Koalition spricht hier von der Energiewende. gibt beim Benzinpreis einen Anstieg. – Dort gibt es kein Herr Hirte hat die Geschichtsklitterung mittlerweile so EEG. Ein Kollege von der Union hat deswegen zu Recht weit betrieben, zu behaupten, dass die Energiewende ei- im Ausschuss gefragt – Herr Rösler war, glaube ich, da- gentlich schon vor Fukushima eingeleitet worden sei. bei –: Wo, bitte schön, bleibt denn dann die Heizölpreis- (Dr. Christian Ruck [CDU/CSU]: Ja! – bremse und die Benzinpreisbremse? – Dazu haben wir Thomas Bareiß [CDU/CSU]: Ja!) von Ihnen nichts gehört. Vielleicht können Sie ja heute etwas dazu sagen. Welche Energiewende denn? Das, was Sie vor Fuku- shima eingeleitet haben, war die Verlängerung der Lauf- (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- zeiten der Atomkraftwerke in Deutschland. Sie hatten NEN]: Dafür hat er eine App!) 28638 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. März 2013

Marco Bülow (A) Ich möchte enden mit einem Zitat von Herrn Töpfer Es gab dann den Umweltminister Gabriel, den heuti- (C) – ich hoffe, dass wir dabei nicht stehen bleiben –, der gen SPD-Vorsitzenden. Der Anteil der erneuerbaren einmal gesagt hat: Energien lag zu seiner Zeit bei 16 Prozent; der Zubau betrug 6,3 Prozentpunkte. Die Lobbyisten der Vergangenheit sind stärker als die Lobbyisten der Zukunft. Die Bilanz dieser Koalition sieht so aus: 25 Prozent Anteil am Strom, plus 8 Prozentpunkte. Wir sind besser, Im Energiebereich hat das jahrelang nicht gegolten: weil als Sie es je waren. wir die Erneuerbaren ausgebaut haben, weil wir einen Atomausstieg gewagt haben. Aber im Augenblick habe (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Zu- ich das Gefühl, Sie wollen keine Energiewende, Sie wol- rufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE len zurück zum Atom; einige Stimmen haben wir dazu GRÜNEN) schon gehört. Sie wollen die Erneuerbaren ausbremsen Das wird ganz besonders deutlich, wenn wir uns ein- und am Ende sagen: Sehen Sie, es klappt doch alles mal angucken, was Sie zum Beispiel in Bezug auf den nicht; wir müssen die Atomanlagen länger laufen lassen. – Solarstrom gemacht haben: Der Zubau unter Herrn Das ist Ihre Politik. Wir werden versuchen, das zu ver- Trittin betrug 2005 0,9 Gigawatt. Im letzten Minister- hindern. jahr von Herrn Gabriel betrug er 3,8 Gigawatt. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Diese Koalition hat die Gesamtinstallation von 2009 der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE in Höhe von 9,9 Gigawatt auf über 30 Gigawatt mehr als GRÜNEN) verdreifacht. Und da behaupten Sie, wir würden die Er- neuerbaren stoppen! Das Gegenteil ist der Fall. Nie war Vizepräsident Dr. : der Ausbau der erneuerbaren Energien so stark wie unter Als nächster Redner hat jetzt der Kollege Michael der christlich-liberalen Koalition. Kauch von der Fraktion der FDP das Wort. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Zu- (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten rufe von der SPD – [BÜND- der CDU/CSU) NIS 90/DIE GRÜNEN]: Brüderle!) Dass wir es trotz dieses dynamischen Ausbaus, der Michael Kauch (FDP): Verdreifachung der Solarkapazität, geschafft haben, die Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst Vergütungssätze um über 60 Prozent abzusenken, zeigt, möchte ich doch noch einmal festhalten, wie unerträg- dass man an dieser Stelle auch die Kosten im Griff be- (B) lich ich es finde, dass die Parteivorsitzende von Bünd- halten kann. (D) nis 90/Die Grünen, Claudia Roth, die es nicht einmal für Sie haben uns bei jeder Kürzung gesagt: Es wird nötig hält, hier heute in die Debatte zu kommen, sich nichts mehr installiert. – Das Gegenteil war der Fall. hinstellt und behauptet, es gebe 16 000 Tote wegen Fu- Nach jeder Kürzung ging der Ausbau weiter. Das zeigt kushima. Hier wird ganz bewusst die Unwahrheit gesagt, doch: Sie haben keine Ahnung vom Markt. Sie wollen um das Thema „nach oben zu ziehen“. Das finde ich aus- nur entsprechend hohe Vergütungssätze für diejenigen gesprochen unanständig, meine Damen und Herren von erhalten, die davon profitieren, für Ihre Klientel. Wir den Grünen. denken an die Bürgerinnen und Bürger und schaffen es (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) gleichzeitig, dass die Erneuerbaren nicht abgewürgt wer- den. Ich möchte auch festhalten, dass es die schwarz-gelbe Regierung ist, die schneller als Rot-Grün aus der Kern- (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten kraft aussteigt. der CDU/CSU) Meine Damen und Herren, die Ausbauzahlen zeigen (Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ auch, dass die erneuerbaren Energien erwachsen werden, DIE GRÜNEN) und wer erwachsen wird, dem muss man auch mehr ab- Wir haben diese Beschlüsse gefasst. verlangen können. Das bedeutet, dass die Produzentin- nen und Produzenten von Solarstrom und von Strom aus (Beifall bei Abgeordneten der FDP) anderen erneuerbaren Energien auch Verantwortung für Ich komme nun zu dem, was der Kollege Trittin ge- die Versorgungssicherheit übernehmen müssen. sagt hat. Er hat davon gesprochen, wie toll Sie die erneu- (Rolf Hempelmann [SPD]: Machen Sie doch erbaren Energien ausgebaut haben. konkrete Vorschläge!) Im letzten Jahr von Herrn Trittin als Umweltminister Deshalb ist es richtig, dass wir stärker in Richtung Di- lag der Anteil der erneuerbaren Energien bei 10 Prozent. rektvermarktung gehen. Sie müssen sich, wie jeder an- In der gesamten letzten Wahlperiode, in der Sie Umwelt- dere Produzent von Gütern in diesem Land auch, einen minister waren, haben Sie den Anteil der erneuerbaren Kunden für ihren Strom suchen. Energien um 2,3 Prozentpunkte gesteigert. (Beifall bei Abgeordneten der FDP und der (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: CDU/CSU – Rolf Hempelmann [SPD]: Kein Das ist doch weit unter Ihrem Niveau!) Vorschlag von euch ist auf dem Tisch!) Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. März 2013 28639

Michael Kauch (A) Wir müssen auch daran denken, dass die Förderung Der Ausstiegsbeschluss, der damals gefasst wurde, ist (C) der erneuerbaren Energien von jemandem bezahlt wer- nicht unumkehrbar. Das heißt, jede neue Parlaments- den muss. mehrheit kann ihn revidieren. Außerdem erleben wir, dass der Druck auf uns alle, diese Meinung zu ändern, (Bettina Hagedorn [SPD]: Atomstrom muss sehr groß ist. auch von jemandem bezahlt werden!) Und: Deutschland ist nach wie vor globaler Player im Deshalb ist es nicht irrelevant, dass wir über Kosten nuklearen Geschäft. Ich möchte das an einigen Beispie- sprechen. Viele Bürgerinnen und Bürger könnten es sich len deutlich machen: Die Urananreicherungsanlage in eben nicht leisten, wenn die Kosten ungebremst steigen Gronau produziert weit mehr, als die deutschen Anlagen würden. Deshalb ist es richtig, dass der Bundeswirt- brauchen. Weiter sind zu nennen: die Brennelementepro- schaftsminister und der Bundesumweltminister hier ent- duktion in Lingen, der Export von Atomkraftwerkstech- sprechende Vorschläge gemacht haben. nik und Investitionen in AKW in anderen Ländern; hier Wir denken die erneuerbaren Energien anders als Sie. möchte ich als Beispiele nur Brasilien, die Türkei und Saudi-Arabien anführen. Wir denken sie stärker als Energiesystem, und wir den- ken daran, dass das Ganze am Schluss auch jemand be- Des Weiteren ist Deutschland nach wie vor Teil des zahlen muss. Euratom-Vertrags. Wir nehmen aber keine Initiativen wahr, um diesen Vertrag aufzulösen oder aus dieser Staa- (Rolf Hempelmann [SPD]: Denken! Denken! tengemeinschaft, die sich zum Ziel gesetzt hat, Atom- Aber machen tun Sie nichts!) kraft zu fördern und auszubauen, auszusteigen. Das ist vernünftige, rationale Energiepolitik. (Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Wären Vielen Dank. Sie bei der Anhörung dabei gewesen, wüssten Sie, dass das nicht geht!) (Beifall bei der FDP – Rolf Hempelmann [SPD]: Dann legen Sie doch mal was auf den Ich sehe von dieser Bundesregierung keine Initiative Tisch!) dazu. Gerade neulich haben wir im Umweltausschuss ge- Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: hört, dass sich die Bundesregierung auf das Prinzip der Für die Fraktion die Linke spricht jetzt die Kollegin Nichteimischung beruft, wenn wir an die Gefahren erin- Dorothée Menzner. nern, die von maroden, alten Kraftwerken in anderen Ländern dicht hinter der deutschen Grenze ausgehen. (Beifall bei der LINKEN) (B) Ich habe am Montag deutsche Initiativen im Saarland (D) besucht, die sich mit Cattenom beschäftigen. Es schau- Dorothée Menzner (DIE LINKE): dert einen, wenn man ihre Berichte über Cattenom hört, Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! wenn sie berichten, dass die Anlage nur alle zehn Jahre Sehr geehrte Damen und Herren! Aus Fukushima zu ler- einer Grundrevision unterzogen wird, wenn sie von frei- nen, heißt nicht: AKW müssen sicherer werden. Nein, liegenden Armierungsstählen an der Betonkuppel be- sie gehören abgeschaltet, und zwar unverzüglich. richten, wenn sie berichten, dass bei der Revision zwei Arbeiter tödlich verletzt wurden, weil ein Gerüst nicht (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- richtig verankert war. Klar, das ist kein nuklearer Unfall, neten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE aber wenn solche Unfälle passieren, deutet dies zumin- GRÜNEN) dest auf Sicherheitsmängel hin. Dann möchte ich nicht Atomenergie ist ein globales Problem. Kein Land dieser wissen, wie es im nuklearen Teil der Anlage aussieht. Welt weiß, wohin mit seinem strahlenden Müll. Die Herr Altmaier, ich gehe davon aus, dass Sie als Saar- Atomkonzerne sind globale Konzerne, und die Strahlung länder dies und noch eine ganze Menge mehr berichten ist ebenfalls global. Sie macht an keiner Ländergrenze und uns erzählen könnten. Aber Wissen allein reicht halt. nicht aus. Handeln ist das Gebot der Stunde nach all den Die Folgen sind langfristig, wenn es zu einem Unfall Erfahrungen, die die Menschheit mit dieser Technik in kommt. Das wissen wir aus eigener leidvoller Erfahrung. den letzten Jahren und Jahrzehnten machen musste: in Für diejenigen von Ihnen, die es vielleicht nicht wissen: Sellafield, in Harrisburg, in Tschernobyl und in Fuku- shima. Bis heute, 27 Jahre nach Tschernobyl, müssen neun von zehn in Teilen des Bayerischen Waldes gejagten Wild- (Beifall bei der LINKEN) schweinen vernichtet werden, weil sie zu hoch mit Strahlen belastet sind. Und das nach 27 Jahren! Ich meine, es waren genug dramatische Unfälle, die rei- chen sollten, dass die Menschheit dazulernt. Deutschland ist nach wie vor ein Teil des Problems. Vor zwei Jahren haben wir hier alle unsere Trauer und Ja, es ist richtig: Vor zwei Jahren haben wir hier einen Solidarität mit den Japanerinnen und Japanern bekundet. Beschluss zum Ausstieg gefasst. Neun AKW sind da- Ich war seither viele Wochen und zu verschiedenen Ter- mals vom Netz gegangen. Aber der Ausstieg erfolgte minen in ganz Japan unterwegs. Es ist richtig: Japan nicht schnellstmöglich. Wir als Linke haben nachgewie- braucht unsere Solidarität, und zwar nach wie vor. sen, dass er deutlich zügiger und schneller möglich ge- wesen wäre. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) 28640 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. März 2013

Dorothée Menzner (A) Gerade gestern habe ich mit einer japanischen Dele- 30 oder 40 Jahren so heftig umstritten war wie die Frage (C) gation hier im Haus gesprochen. Sie haben mir berichtet, der friedlichen Nutzung der Kernenergie. dass der deutsche Atomausstieg damals zwar eine große Hoffnung verbreitet hat, dass sie aber das Gefühl haben: Ich weiß, wie schwer es vielen meiner Kollegen und Wir kommen nicht weiter. – Sie wünschen sich Unter- teilweise auch mir selber gefallen ist, nachdem wir über stützung und Solidarität beim Ausbau erneuerbarer 30 oder 40 Jahre mit dafür gesorgt haben, dass Kern- Energien in Japan. Wir alle wissen, dass dieses Land auf- energie in Deutschland sicher und ohne schwere Unfälle grund von Sonne, Wind und Gezeiten dafür noch viel und Zwischenfälle genutzt worden ist, zu sagen: Wir zie- besser geeignet ist als Deutschland. hen einen Schlussstrich, weil wir nach Fukushima über- zeugt sind, dass diese Energieart langfristig technisch Die Japaner waren ganz erstaunt, als sie hörten, dass nicht sicher beherrschbar ist, und weil wir einen Beitrag erneuerbare Energien bei uns inzwischen ein Arbeits- zum gesellschaftlichen Frieden leisten wollen. marktmotor sind. Es ist in Japan nämlich nicht bekannt, dass es in diesem Bereich fast 400 000 Arbeitsplätze Lieber Kollege Trittin, ich hätte mir an einem Tag wie gibt. Das ist ein Argument in einem Land, das von einer heute auch gewünscht, dass wir einmal nicht nur polari- Wirtschaftskrise geschüttelt wird. sieren und polemisieren, sondern anerkennen, welche die demokratischen Parteien übergreifende Kraft diesem (Beifall bei der LINKEN) Parlament innewohnt, dass es zu solchen richtunggeben- den Entscheidungen fähig ist. Japan braucht Unterstützung bei der gesundheitlichen Versorgung; IPPNW hat diese Woche dramatische Zah- (Rolf Hempelmann [SPD]: Elf Jahre früher len vorgelegt. Japan braucht weiter Unterstützung und wäre besser gewesen!) Solidarität bei der Bewältigung des Desasters. Selbst Tepco rechnet mit 40 Jahren, bis die Anlage zurückge- Deshalb wäre es vielleicht gut gewesen, wenn Sie an baut und stabil ist. Nicht zuletzt die fast 80 Prozent der diesem Tag einmal keine Wahlkampfrede, sondern eine Japanerinnen und Japaner, die sich jetzt gegen Atom- staatsmännische Rede gehalten hätten. kraft wenden, brauchen unsere Solidarität und die Unter- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – stützung der deutschen Anti-AKW-Bewegung. Ulrich Kelber [SPD]: Wir freuen uns über reu- (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. ige Sünder!) Marco Bülow [SPD]) Ich sage Ihnen voraus – ich bin in Gesprächen mit un- Der deutsche Miniausstieg hat in Japan Mut gemacht. seren Partnern in Europa, aber auch weltweit –, dass bei Ich finde, wir sollten die richtigen Konsequenzen ziehen der Frage, wann und in welchen Schritten auch andere (B) und unseren Ausstieg konsequent fortschreiben und was- Länder den Ausstieg aus der Kernenergie in Angriff neh- (D) serdicht machen. men und den Weg ins Zeitalter der erneuerbaren Ener- gien finden, viel davon abhängt, wie es uns in Deutsch- Ich danke Ihnen. land gelingt, nicht nur mit dem Ausstieg fertig zu werden, sondern auch unsere Energieversorgung schritt- (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. weise auf erneuerbare Energien umzustellen. Marco Bülow [SPD]) Lieber Kollege Trittin, da möchte ich Sie auf einen Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Irrtum hinweisen. Die Energiewende für erneuerbare Das Wort hat jetzt der Bundesumweltminister Peter Energien, die Sie wollen, die ich möchte, die wir alle Altmaier. wollen, (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) (Rolf Hempelmann [SPD]: Die Sie elf Jahre blockiert haben!) Peter Altmaier, Bundesminister für Umwelt, Natur- ist nicht dann ein Erfolg, wenn das letzte Kohlekraft- schutz und Reaktorsicherheit: werk und das letzte Atomkraftwerk geschlossen und Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und durch Windräder und Solardächer ersetzt sind, sondern Herren! Fukushima war mehr als ein tragischer techni- dann, wenn wir diese Energiewende so organisieren, scher Unfall. Fukushima war eine Zeitenwende. Ich per- dass Deutschland eine umweltverträgliche, CO2-neutrale sönlich bin überzeugt, dass wir eines Tages, im Abstand Energieversorgung hat und immer noch eine der wettbe- von 20, 30 oder 40 Jahren, feststellen werden, dass mit werbsfähigsten Volkswirtschaften dieser Welt ist; denn dem Tag des Unfalls von Fukushima die Kernenergie nur dann werden andere Länder diese Energiewende keine Zukunft mehr hatte und die Entwicklung – auch übernehmen und bei sich umsetzen. weltweit – zum ersten Mal nicht nur auf einen weiteren (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Ausbau, sondern in Richtung auf einen Ausstieg aus der Kernenergie eingeleitet wurde. Ich hätte mich gefreut, lieber Kollege Trittin, wenn all die Hausaufgaben, die dafür notwendig sind, gemacht Ganz sicher war es das Ende der Kernenergie in worden wären. Dann hätte ich jetzt viel mehr Zeit, um Deutschland. Wir haben in Deutschland die Konsequen- für die Energiewende zu werben. zen gezogen, und wir haben sie mit großer und mit ein- drucksvoller Mehrheit gezogen. Es gibt keine andere (Rolf Hempelmann [SPD]: Sie haben das elf Jahre Frage, die in der deutschen Innenpolitik in den letzten aktiv bekämpft! Elf Jahre lang!) Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. März 2013 28641

Bundesminister Peter Altmaier (A) Das tue ich sowieso. Aber wir wussten bereits im Jahr Tatsächlich sind die Börsenstrompreise weltweit im (C) 2000 – wenn Sie Ihren eigenen Anspruch ernst genom- Sinkflug. Tatsächlich steigen die Differenzkosten. Tat- men haben, wussten Sie das –, wie viele Leitungen wir sächlich muss der Stromkunde in diesem Jahr voraus- bei einem erfolgreichen Ausbau der Erneuerbaren im sichtlich 20 Milliarden Euro für Einspeisevergütungen Jahr 2013 brauchen würden. Wenn man weiß, dass es zahlen, und der Betrag steigt in den nächsten Jahren re- zehn Jahre dauert, um eine solche Leitung zu bauen, gelmäßig an. dann frage ich mich: Wo sind denn Ihre Leitungen heute, Leitungen, die wir dringend bräuchten, damit Strom (Ulrich Kelber [SPD]: Warum gehen Sie nicht nicht abgeregelt werden muss, sondern denen zugute- mal da dran?) kommt, die ihn brauchen? Deshalb ist die Frage der Bezahlbarkeit elektrischer (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- Energie nicht nur eine Frage, die viele Rentnerinnen und neten der FDP – Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/ Rentner und Familien mit niedrigen Einkommen betrifft; DIE GRÜNEN]: Wer hat das im Bundesrat (Rolf Hempelmann [SPD]: Wo ist Ihr verhindert? – Renate Künast [BÜNDNIS 90/ Konzept?) DIE GRÜNEN]: Wer hat es verhindert? – Ge- genruf von der SPD: Das war der Wirtschafts- es ist eine Frage, die unsere Volkswirtschaft insgesamt minister!) berührt, und deshalb muss sie gelöst werden. Lieber Kollege Trittin, es war doch klar, dass die ers- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – ten 25 Prozent erneuerbare Energien eine ganz andere Marco Bülow [SPD]: Das ist ja eine „staatstra- Herausforderung darstellen als die zweiten 25 Prozent. gende“ Rede! – Weiterer Zuruf von der SPD: Wenn man erneuerbare Energien zu Beginn mit hohen Handeln Sie doch mal!) Subventionen und Zuschüssen ermuntert, in den Markt einzutreten, Meine sehr verehrten Damen und Herren, lieber Kol- lege Kelber, ich habe nicht nur Vorschläge für die Strom- (Zuruf von den LINKEN: So wie Atomkraft!) preisbremse gemacht, dann stellt das für die Menschen insgesamt keine große (Ulrich Kelber [SPD]: Aber nicht für die Belastung dar. Wenn Sie aber 25 Prozent, 30 Prozent, Differenzkosten!) 40 Prozent oder 50 Prozent erneuerbare Energien haben und Geld für Einspeisevergütungen und das Bereithalten die darin bestehen, dass man irgendwo etwas einspart; von Reservekapazitäten in einer Größenordnung zahlen, ich habe auch Vorschläge gemacht, um die Bemessungs- (B) die deutlich über dem Börsenstrompreis liegt, der in an- grundlage zu verbreitern. Dazu gehört, dass wir die Aus- (D) deren Ländern bezahlt wird, dann ist das nicht neutral nahmen für energieintensive Unternehmen zum ersten für die Wettbewerbsfähigkeit eines Landes. Deshalb sind Mal seit 13 Jahren nicht weiter ausweiten, sondern ein- das keine Peanuts, sondern zentrale Fragen der Energie- schränken. wende. Sie haben das nicht geschafft. Wir werden Ihnen (Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ zeigen, wie das geht. DIE GRÜNEN – Jürgen Trittin [BÜND- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und NIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer hat es denn aus- der FDP) geweitet? – Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist unglaublich! – Rolf Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben Hempelmann [SPD]: Das Oberlandesgericht über Zahlen diskutiert. Ich habe als Umweltminister mit zwingt Sie doch dazu!) großem Interesse die Aussagen meiner Vorgänger gele- sen – Jürgen Trittin und –, welche Kos- Diese Vorschläge habe ich gemacht. Wir verhandeln in- ten die Energiewende für den Stromkunden verursacht. zwischen mit den Ländern darüber. Wenn Sie jetzt sagen, die Zahlen des Kollegen Altmaier (Ulrich Kelber [SPD]: Bundesgesetz! Sie sind würden von Instituten infrage gestellt und kritisiert, dann der Minister!) wissen Sie: Das sind zum Teil genau die Institute, deren Prognosen in den letzten zehn Jahren mit aller Regelmä- Ich warte bis zum heutigen Tag auf ein gemeinsames ßigkeit falsch waren. Das beeindruckt mich nun über- Konzept von SPD- und grün-regierten Ländern und Ih- haupt gar nicht. ren Bundestagsfraktionen dazu, an welcher Stelle ge- spart werden soll und wie Sie Ihre lautstarken Ankündi- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und gungen in die Praxis umsetzen wollen. der FDP) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und Es waren dieselben Experten, die uns noch vor einiger der FDP – Ulrich Kelber [SPD]: Abmahnen! Zeit gesagt haben: Der Preis für eine Kilowattstunde Klassenbucheintrag wegen Arbeitsverweige- wird nicht über 3,5 Cent steigen. Es waren dieselben Ex- rung! – Weiterer Zuruf des Abg. Burkhard perten, die gesagt haben: Die Börsenstrompreise werden Lischka [SPD]) weltweit steigen, und mit dem, was wir dann über die Differenzkosten erlösen, können wir den Neuausbau aus Tatsächlich geht es bei Ihnen zu wie bei Hempels unterm der Westentasche finanzieren. Sofa, und Sie sind sich in keiner dieser Fragen einig. 28642 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. März 2013

Bundesminister Peter Altmaier (A) (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- nen das nicht durchgehen lassen; denn, Herr Minister (C) NEN]: Aber nicht, wie es bei Ihnen unterm Altmaier, es ist erst zwei Jahre her, dass Sie an diesem Schreibtisch zugeht!) Pult standen und als Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU/CSU in einer Geschäftsordnungsdebatte die Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich biete Ih- Laufzeitverlängerung zugunsten der Atomkraftwerke nen eines an: Wenn wir gemeinsam überzeugt sind, dass gerechtfertigt haben. Sie haben damals das entspre- die Energiewende richtig ist, wenn wir es gemeinsam für chende Gesetz als das umweltfreundlichste Gesetz, das einen Erfolg halten, dass wahrscheinlich in diesem Jahr jemals in Deutschland beschlossen worden ist, bezeich- in Deutschland mehr erneuerbarer Strom produziert net. Das waren Sie vor zwei Jahren, Herr Minister wird, als es bislang der Fall war, wenn wir wollen, dass Altmaier. die Energiewende weitergeht, wenn wir wollen, dass der Standort Deutschland nach Abschluss der Energiewende (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ nicht schwächer, sondern stärker dasteht, wenn wir all DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der das wollen, dann haben wir auch ein gemeinsames Inte- LINKEN) resse daran, nicht nur die Frage der Preisentwicklung aus dem Wahlkampf herauszuhalten, Damit, Herr Kauch, hängt natürlich auch das zusam- men, was wir seit 2000, seit dem rot-grünen Atomaus- (Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ stiegsbeschluss, erlebt haben. Sie haben seit 2000 – nicht DIE GRÜNEN – Renate Künast [BÜND- Sie persönlich, weil Sie damals noch nicht Mitglied des NIS 90/DIE GRÜNEN]: Was machen Sie Deutschen Bundestags waren, wohl aber Schwarz-Gelb – denn? Sie machen die ganze Zeit Wahlkampf, alles blockiert, was die Energiewende in Deutschland statt zu arbeiten!) heute viel besser hätte aussehen lassen. Sie haben immer sondern auch dafür zu sorgen, dass die Entwicklung so weiter auf die Atomenergie und die Kohleenergie gesetzt organisiert wird, dass der Strom in Deutschland heute, und den Ausbau der Erneuerbaren verhindert, und zwar morgen und übermorgen bezahlbar ist. in jeder Abstimmung, die wir hier durchgeführt haben. (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Sie haben das doch versemmelt!) DIE GRÜNEN – Horst Meierhofer [FDP]: Wir haben mehr ausgebaut, als Sie es sich je er- Sie haben die Chance, dabei mitzumachen. Wir werden träumt hätten! Sie haben nichts ausgebaut! Das Sie aus dieser Verantwortung nicht entlassen. ist lächerlich!) Vielen Dank. Lieber Herr Meierhofer, es sind nicht Ihre Erfolge. (B) (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Der Ausbau der Erneuerbaren, den wir heute feiern kön- (D) Marco Bülow [SPD]: Das war eine „staatstra- nen – das machen wir ganz deutlich –, ist nicht auf Ihre gende“ Rede! Hört! Hört!) Politik zurückzuführen. Trotz Ihrer Politik bauen wir die Erneuerbaren aus, ich betone: trotz Ihrer Politik. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Für die SPD-Fraktion spricht jetzt der Kollege DIE GRÜNEN – Horst Meierhofer [FDP]: Sie Dr. Matthias Miersch. machen gar nichts!) (Beifall bei der SPD) Was Sie in den letzten dreieinhalb Jahren in einem zentralen Punkt, der alle Bürgerinnen und Bürger sowie Dr. Matthias Miersch (SPD): die Wirtschaft betrifft, geschaffen haben, ist Verunsiche- Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! rung. Diese Verunsicherung, Herr Minister Altmaier, Herr Minister Altmaier, so staatstragend war das eben können wir bis zum heutigen Tag spüren. Sprechen Sie nicht. mit Investoren aus dem Bereich der Erneuerbaren. Diese werden Ihnen sagen: Die Banken finanzieren nichts (Widerspruch bei der CDU/CSU und der FDP) mehr, weil wir nicht mehr wissen, was Regierungspolitik Eines kann ich Ihnen schon versprechen: Aus dem Wahl- ist, weil wir nicht wissen, wie verlässlich die Pläne sind. kampf werden wir dieses Thema ganz bestimmt nicht Im Zweifelsfall können wir die Pläne gar nicht erkennen, heraushalten; denn an keinem anderen Thema kann man weil zwischen Wirtschaftsministerium und Umwelt- so deutlich die Unzulänglichkeit der schwarz-gelben Re- ministerium keine Abstimmung erfolgt. – Das ist Ihre gierung dokumentieren. Politik. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) DIE GRÜNEN) Man merkt Ihnen an, wie Sie sofort anspringen und Herr Minister Altmaier, wenn wir schon bei der wie sehr Sie hier Ihre Energiepolitik rechtfertigen. Denn staatstragenden Rede sind, dann muss ich sagen, dass Sie haben ein großes Problem: Sie müssen Ihre Persön- Tage wie heute bzw. solche Wochen dazu dienen müss- lichkeitsspaltung, die Sie bei der Energiepolitik in dieser ten, den Menschen zu erklären, warum wir von der Legislaturperiode zwangsläufig durchlitten haben, in ir- Atomkraft weg wollen. Sie hätten zum Beispiel einmal gendeiner Form bewältigen. Das klappt natürlich nicht. auflisten können, welche volkswirtschaftlichen Kosten Ich bin mir sicher, dass die Bürgerinnen und Bürger Ih- damit verbunden wären, wenn wir diesen Weg nicht gin- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. März 2013 28643

Dr. Matthias Miersch (A) gen. Uns liegen die Berechnungen von Sir Nicholas Zweitens haben Sie kein Konzept. Das erkennt man (C) Stern vor, die aufzeigen, welche volkswirtschaftlichen am besten an dem von Ihnen eingerichteten Energie- und Kosten entstünden, wenn wir nicht umsteuern und in Eu- Klimafonds, mit dem Sie eigentlich Klimaschutzpro- ropa und weltweit weiter auf klimaschädliche Kohlepoli- jekte bzw. Energiewendeprojekte fördern wollen. Wir tik setzen. Anhand der volkswirtschaftlichen Folgelasten sagen Ihnen seit mindestens zwei Jahren, dass das nicht von Fukushima können wir genau sagen, was es für die funktioniert, weil Sie die Einnahmen, die Sie an die Allgemeinheit, für die Steuerzahler etc. bedeutet, wenn Wand gemalt haben, niemals erzielen werden. Erst woll- wir nicht umsteuern und solche Unfälle billigend in Kauf ten Sie die Einnahmen von den Atomkonzernen auf- nehmen. Was aber machen Sie? Sie sprechen nicht von grund der Laufzeitverlängerung. Jetzt wollen Sie diese diesen Folgen, sondern malen eine völlig unsubstan- Einnahmen durch den Emissionshandel erzielen. Beides ziierte Zahl von 1 Billion Euro Folgekosten an die klappt aber nicht. Wir haben in diesem Fonds, mit dem Wand. Das ist nicht staatsmännisch. Das ist eines Um- die Energiewende organisiert werden soll, augenblick- weltministers nicht würdig. Sie müssen für diese Ener- lich eine Lücke von über 1 Milliarde Euro in diesem Jahr giewende brennen und dürfen sie nicht verteufeln, lieber und von noch einmal mindestens 1 Milliarde Euro im Herr Kollege Altmaier. nächsten Jahr. Herr Minister Altmaier, wir haben Sie ge- fragt, wie Sie hier vorgehen wollen. Sie haben keine (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Antwort. DIE GRÜNEN sowie der Abg. Eva Bulling- Schröter [DIE LINKE] – Hans-Michael Das ist ein Symbol schwarz-gelber Energiepolitik: Sie Goldmann [FDP]: Sie muss aber auch bezahl- können das einfach nicht. – Hoffentlich geht es ab Sep- bar sein!) tember mit einer anderen, mit einer originalen Politik weiter. Deswegen streiten wir hier. Sie haben in der – Ja, Herr Goldmann. Sie bekommen eine Antwort da- Energiepolitik kläglich versagt. rauf. Wenn Sie sagen, dass das bezahlbar sein muss, dann begehen Sie gleich den nächsten Fehler. Sie verteu- Danke. feln die Energiewende wiederum, wenn Sie sagen, dass sie angeblich nicht bezahlbar sei. Meine lieben Kollegin- (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ nen und Kollegen, lieber Herr Kollege Goldmann, wer DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der meint, dass die alte Energiepolitik – Kohle und Atom – LINKEN) billig gewesen sei und erneuerbare Energien etwas kos- ten, der lügt. Das sage ich hier an dieser Stelle. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Für die FDP-Fraktion spricht jetzt die Kollegin (B) DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der Angelika Brunkhorst. (D) LINKEN) (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten Auf Seite 1 des Papiers, das der Kollege Herr der CDU/CSU) Altmaier vorgelegt hat, steht: All das, was ich hier vor- stelle, kann dazu führen, dass der Strompreis weiter an- Angelika Brunkhorst (FDP): steigt. – Warum schreiben Sie das? Sie schreiben das, Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich weil Sie an die Wurzel des Übels nicht herangehen. Die möchte das Hauptaugenmerk meiner Rede auf einen Erneuerbaren senken augenblicklich Großhandelspreise ganz anderen Teil der Debatte richten, nämlich auf den etc. Aufgrund der Systematik kommt diese Senkung bei in der Tagesordnung zuletzt genannten Antrag der Grü- den Verbraucherinnen und Verbrauchern aber nicht an. nen, über den heute immerhin namentlich abgestimmt An dieser Stelle hätten Sie ansetzen müssen, Herr Minis- werden soll. Davon war bisher noch gar nicht die Rede. ter, und dafür sind Sie zuständig. In diesem Antrag wird die unverzügliche Stilllegung der (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Kraftwerke in Cattenom und Fessenheim gefordert. Es DIE GRÜNEN sowie des Abg. Alexander gab eine ganze Reihe anderer Anträge dazu. Ich komme Süßmair [DIE LINKE]) nachher auch noch auf die Vergangenheit zu sprechen. Wir erleben aber genau das Gegenteil. Zunächst einmal ist festzustellen, dass die EU jedem Mitgliedstaat das Recht einräumt, die Struktur seiner Das konnten wir auch in der Sitzung des Umweltaus- Energieversorgung eigenverantwortlich und souverän zu schusses des Deutschen Bundestages in dieser Woche bestimmen. Deutschland hat, wie wir wissen, nach den feststellen. Wir haben Sie und Herrn Rösler eingeladen, Erkenntnissen der Katastrophe von Fukushima 2011 ent- um von Ihnen zu hören, welche Strategie Sie verfolgen. schieden, acht Kernkraftwerke sofort stillzulegen und Das Erste ist – und das zeigt eigentlich schon alles –, weitere neun Kernkraftwerke beschleunigt bis 2022 vom dass Sie nicht bereit gewesen sind, gemeinsam vor dem Netz zu nehmen. Wir wollen möglichst umgehend eine Umweltausschuss aufzutreten. Herr Trittin hat sicherlich bezahlbare, sichere und ökologische Energieversorgung auch seine Erfahrungen damit gemacht. Zwischen Um- forcieren, die weitgehend auf erneuerbaren Energien ba- weltministerium und Wirtschaftsministerium gibt es im- siert. Dazu stehen wir auch. Da kann sich Herr Miersch mer Reibung. Wenn diese Reibung aber genutzt wird, noch so aufregen. Es ist auch gar nicht gesund, sich so in kann sie Wärme erzeugen, und dann ist das positiv. Sie Rage zu reden, ganz nebenbei bemerkt. Wir sind auf ei- aber gehen absolut planlos vor. nem guten Weg. 28644 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. März 2013

Angelika Brunkhorst (A) (Beifall des Abg. Michael Kauch [FDP] – cherheit, Betriebserfahrungen, Ereignisse, Nachrüstun- (C) Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- gen und Verbesserungen, werden von einem weiteren NEN]: Das war engagiert! – Dr. Matthias europäischen Gremium getoppt. Es handelt sich um die Miersch [SPD]: Machen Sie sich keine Sor- ENSREG, eine hochrangige Gruppe von atomrechtli- gen!) chen Aufsichtsbehörden, die einen Aktionsplan aufge- stellt hat, der in nationale Aktionspläne umgesetzt In Frankreich gibt es eine ganz andere Entscheidung, wurde. Im April wird ein Workshop stattfinden, wo diese auch wenn es mit Herrn Hollande dort einen anderen Aktionspläne vorgestellt und ganz konkrete Handlungs- Staatspräsidenten gibt. Auch wenn er gesagt hat, er anweisungen erarbeitet werden. wolle den Anteil der Kernenergie auf 50 Prozent zurück- führen, muss man doch erkennen, dass Frankreich nach wie vor vorwiegend auf die friedliche Nutzung der Kern- Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: energie setzt. Deshalb nützt es gar nichts, wenn Sie in Ih- Frau Kollegin Brunkhorst. rem Antrag immer wieder von der Hochrisikotechnolo- gie sprechen. Das wird nicht dazu geeignet sein, die Angelika Brunkhorst (FDP): Souveränität Frankreichs infrage zu stellen. Ja, ich bin so weit. (Beifall bei Abgeordneten der FDP sowie des Abg. Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Der Kollege Nink möchte Ihnen eine Zwischenfrage Es gibt viele souveräne Staaten in Europa. Es gibt stellen. Erlauben Sie das zum Ende Ihrer Rede? welche, die gar nicht auf Kernkraft gesetzt haben, und es gibt andere, die es getan haben. Es gibt sicherlich auch Staaten, die erstaunt oder sogar anerkennend auf Angelika Brunkhorst (FDP): Deutschland schauen und sehen, wie wir das hier regeln. Der kann eine Kurzintervention machen. Ich möchte Sie räumen vielleicht ein, dass sie die Energiewende zum Ende kommen. nicht wie Deutschland auf den Weg gebracht haben; aber (Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ bei aller Anerkennung, die sie vielleicht für das deutsche DIE GRÜNEN) Modell haben, wollen sie deshalb nicht automatisch das deutsche Modell adaptieren. – Keine Sorge, so habe ich es nicht gemeint. Es gibt ganz klare Zuständigkeiten für die sicherheits- technischen Regelungen. Die Bundesregierung hat nun Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: (B) einmal nicht die Zuständigkeit, die sicherheitstechni- Dann kommen Sie bitte zum Schluss. (D) schen Kriterien der französischen Anlagen zu bewerten. Die Richtlinie 2009/71/EURATOM des Rates vom Angelika Brunkhorst (FDP): 25. Juni 2009 bestimmt, dass die sicherheitstechnische Das wird eine sehr gute Plattform sein. Bewertung der Anlagen von den jeweiligen Staaten auf der Basis der nationalen Regelwerke vorzunehmen ist. Ganz zum Schluss: Der Euratom-Vertrag wird von Die sicherheitstechnische Bewertung konkreter französi- der FDP als wichtiges Instrument betrachtet. Wir werden scher Kernkraftwerke wie Cattenom und Fessenheim ob- auch in Zukunft zum Euratom-Vertrag stehen. liegt der französischen Aufsichtsbehörde ASN. Sie wird Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. eigenverantwortlich ihre Entscheidungen treffen. Die Auflagen, die sie an den Weiterbetrieb stellt, wird sie si- (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten cherlich streng und verantwortlich erfüllen. der CDU/CSU) Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, Ihr Antrag tendiert an einer Stelle dazu, der Bundesregie- Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: rung zu unterstellen, sie bemühe sich nicht ausreichend, Für die Fraktion Die Linke hat jetzt die Kollegin Eva einen bilateralen Dialog mit Frankreich zu führen. Bulling-Schröter das Wort. (Marco Bülow [SPD]: Das stimmt ja auch!) (Beifall bei der LINKEN) Das müssen wir weit von uns weisen; denn das ist wirk- Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE): lich nicht so. Es ist vielmehr so, dass Deutschland und Frankreich auf bilateraler Ebene in einem ständigen Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Austausch stehen, und zwar in der Deutsch-Französi- Kollegen! Fukushima war eine Zäsur; die Bundesregie- schen Kommission, wo regelmäßig Informationen und rung musste die absurde Verlängerung der Laufzeiten Erfahrungen ausgetauscht werden. Die grenznahen Bun- von AKW zurücknehmen. Aber die Energiewende be- desländer wie das Saarland, Rheinland-Pfalz und Baden- gann natürlich weit früher, und zwar unter dem Druck Württemberg nehmen an diesen Sitzungen teil. Sie kön- der Anti-AKW-Bewegung. An dieser Stelle herzlichen nen dort die sicherheitstechnischen Bedenken und Anlie- Dank an die zahlreichen Bürgerinitiativen, Windmüller, gen der grenznahen Bevölkerung einbringen. Biobauern, Energiedörfer und Genossenschaften, an die Familien, die sich Solarpanel aufs Dach schraubten, an Die Inhalte der Sitzungen der Deutsch-Französischen die Tüftler und Unternehmen, die diese zuverlässige Kommission, die da sind: Strahlenschutz, nukleare Si- Technik entwickelt haben! Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. März 2013 28645

Eva Bulling-Schröter (A) (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Jürgen (C) Marco Bülow [SPD] – Dr. Martin Lindner Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) [Berlin] [FDP]: Investmentfonds!) Der niedrige CO2-Zertifikatspreis schafft kaum An- Diese Technik steht immer preiswerter zur Verfügung. reize für den Einsatz von Effizienztechnologien. So wer- Dafür hat auch das Erneuerbare-Energien-Gesetz ge- den zum Beispiel moderne Gaskraftwerke gegenüber sorgt, das Herr Rösler am liebsten abschaffen will. Kohlemeilern benachteiligt, Stichwort: Irsching 5. Das ist katastrophal; aber letztlich ist es nur eine Folge des Zwei Jahre nach Fukushima scheinen sich nun die aufgeblähten Caps. Das läuft eben etwas anders, Herr Gegner der Energiewende gesammelt und in Stellung Kauch – Herr Rösler ist nicht da –, als im Erstsemester gebracht zu haben. Volkswirtschaftslehre. (Hans-Michael Goldmann [FDP]: Was?) Es geht natürlich nicht nur um Verständnisfragen; es Sie sitzen nicht nur in den alten Strom- und Automobil- geht um Macht und Geld. Die Wahrheit ist: Sie wollen konzernen, sondern vor allem auch im Bundeswirt- die fossilen Kraftwerke im Spiel halten und bei den er- schaftsministerium. neuerbaren Energien bremsen und verhindern, wo es geht. (Lachen bei Abgeordneten der FDP) (Horst Meierhofer [FDP]: Das ist Pippi-Lang- Aber diese üble Allianz kennen wir ja; sie sah unter Rot- strumpf-mäßig!) Grün ähnlich aus. Jetzt wird von Ihrer Seite zum Sturm geblasen. Auf Sonst würden Sie jetzt nicht wieder alte, bereits geschei- der einen Seite verhindert Herr Rösler den Umbau des terte Geschichten aus dem Hut ziehen wie Quotensys- Stromsystems, indem er die Reformen beim Emissions- teme beim EEG. Sie würden sonst auch nicht Neuinves- handel blockiert. Auf der anderen Seite ziehen Sie die titionen in den Bereichen Wind und Sonne abwürgen, Debatte über die Verteilung der Kosten der Energie- indem Sie die Einspeisevergütungen nachträglich strei- wende so auf, dass die erneuerbaren Energien unter Be- chen. schuss geraten, die Zukunftsenergien also, und nicht die (Horst Meierhofer [FDP]: Wir machen doch soziale Schieflage oder die Profite, die vielerorts damit mehr, als es jemals gab, Eva!) verdient werden. Sie würden sonst die energieintensive Industrie und die (Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Die In- Betreiber von Anlagen – Stichwort: Mindestumlage für vestmentfonds in der Solarwirtschaft! – Hans- den Eigenverbrauch – nicht nur mit lächerlichen (B) Michael Goldmann [FDP]: Das ist ja abenteu- 700 Millionen Euro zur Kasse bitten; denn die Indus- (D) erlich!) trieprivilegien, für die die restlichen Stromkunden ble- Es ist schon irrwitzig, dass es die FDP ist, die das ein- chen, sind allein beim EEG achtmal so hoch. zige marktnahe Instrument zum Klimaschutz zerschie- (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- ßen will. Dabei ist klar: Im System befinden sich fast NEN]: So ist es!) 2 Milliarden CO2-Zertifikate zu viel; das entspricht 2 Milliarden Tonnen des Klimakillers CO . Darum sind Reden wir noch schnell über die Profite der Kon- 2 zerne. Für 2012 erwarten allein die beiden größten die CO2-Zertifikatspreise im Keller. Es stimmt eben nicht, Herr Kauch, dass dieser Überschussberg vor allem Stromkonzerne, Eon und RWE, einen irrwitzigen Ge- durch mehr Effizienz, den schnellen Ökostromausbau winn von insgesamt über 19 Milliarden Euro. Das sind oder die Krise verursacht wurde. Nach Ihrer Philosophie 3 Milliarden Euro mehr, als die gesamte Förderung der ist der bessere Klimaschutz für den Preisverfall verant- erneuerbaren Energien den Stromkunden kostet. 19 Mil- wortlich; weil das Cap, die fixe Emissionsobergrenze, liarden Euro Profit! Da reden wir nicht über Peanuts. eingehalten werde, gäbe es kein Problem. Genau so hat Diesen Profit machen dieselben, die andauernd herum- es Herr Minister Rösler am Mittwoch im Ausschuss ver- jammern, ihre Kraftwerke rechneten sich nicht mehr, sie kauft. Das Gegenteil ist richtig; denn das Cap wurde auf- brauchten zusätzliche Einnahmen, Stichwort „Kapazi- gebläht: Zwei Drittel der Überschüsse resultieren aus tätsmärkte“. Es ist immer die gleiche Geschichte: Die ei- CDM-Gutschriften aus dem Ausland. Die Hälfte dieser nen verdienen sich dumm und dämlich, und die anderen Gutschriften ist aber faul, weil sie aus Projekten resultie- bezahlen. Das ist Ihre Politik. ren, bei denen kein zusätzlicher Klimaschutz stattfand. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- Daraus folgt zumindest für jeden, der das System halb- neten der SPD und des Abg. Jürgen Trittin wegs begriffen hat: Wenn die überschüssigen CO2-Zerti- [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) fikate nicht dauerhaft stillgelegt werden, führt das nicht nur zu dauerhaft niedrigen Zertifikatspreisen, sondern vor allem auch zu einem zusätzlichen CO -Ausstoß. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: 2 Für Bündnis 90/Die Grünen spricht jetzt die Kollegin (Horst Meierhofer [FDP]: Der CO2-Ausstoß Sylvia Kotting-Uhl. ist zurückgegangen!) Das aber ist das genaue Gegenteil von Klimaschutz; das Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): ist das völlige Scheitern des Systems, ja, fast eine Straf- Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! tat an Mensch und Umwelt. Was mich in meinen Gesprächen mit Japanern in den 28646 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. März 2013

Sylvia Kotting-Uhl (A) letzten Tagen am meisten erschüttert hat, war, zu hören, (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (C) dass der oberste gesundheitliche Berater der japanischen und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der Regierung auf die Frage, ob die nach dem Unglück in LINKEN) Fukushima frei gewordene Strahlung für die Menschen Wenn die Begründung für den Atomausstieg, die wir in gefährlich sei, sagte, Menschen, die lächeln, habe die diesem Haus gehört haben, stimmt – das Risiko der Strahlung nichts an, nur wer sich gräme, dem könne die Atomkraft sei der Gesellschaft in dem bisherigen Maße Strahlung schaden. nicht mehr zuzumuten; deshalb hätten wir Atomkraft- (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- werke abschalten müssen, die Cattenom und Fessenheim NEN]: Unglaublich!) in nichts nachstehen –, dann gehört zu diesem Schutz- auftrag auch, dass die Regierung bilaterale Gespräche – Das ist in der Tat unglaublich. – Ich dachte, da leben mit Frankreich aufnimmt, um zu eruieren, ob sie ihre Be- wir doch in einem etwas anderen Land. Aber ich muss völkerung unter Wahrung der französischen Souveräni- sagen: Heute habe ich hier realitätsverweigernde Äuße- tät schützen kann. Nichts anderes fordern wir. Dass Sie rungen vernommen, die dem nicht unbedingt nachste- sich dem verweigern, das ist ein Skandal. Um das zu be- hen. legen, gibt es heute eine namentliche Abstimmung. Ich (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bin sehr gespannt, wie Sie sich bei dieser Abstimmung sowie bei Abgeordneten der SPD) verhalten werden, Herr Hirte und Herr Kauch sind stolz auf den Ausbau (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der erneuerbaren Energien, brüsten sich, dass unter die- bei der SPD und der LINKEN) ser Regierung der Ausbau der erneuerbaren Energien vo- und ob Sie den Menschen im Saarland, in Rheinland- rangeschritten ist. Pfalz und in Südbaden das Risiko weiter zumuten wol- (Horst Meierhofer [FDP]: Da wäre mal ein len. Lob fällig!) Nein, Minister Altmaier, Atomausstieg ist mehr als Wo wären wir denn, wenn wir Ihre Konzepte übernom- ein Abschaltplan für Atomkraftwerke. Dazu gehört ein men hätten? Wo wäre denn der Ausbau der erneuerbaren Ausstieg aus Kernfusion und Transmutation. Wer in Energien, wenn Sie damals, 2000, darüber zu entschei- Kernfusion und Transmutation einsteigen will, der steigt nicht aus der Atomkraft aus, der hat den Atomausstieg den gehabt hätten. Das ist doch völlig absurd, was Sie nicht begriffen. erzählen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LIN- (B) und bei der SPD sowie des Abg. (D) KEN – Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: [DIE LINKE]) Aber das ist doch nicht allein möglich!) Herr Hirte, Sie haben den Atomausstieg angeblich Dazu gehört eine Überarbeitung von Euratom. Dazu ge- noch einmal forciert. Waren wir denn 2010 alle im Deli- hört der Ausstieg aus ITER. Außerdem gehören dazu rium, und haben wir uns etwas zusammengeträumt? War schärfere Sicherheitsanforderungen, auf die wir bis es gar nicht so, dass Sie den Atomausstieg rückgängig heute vergeblich warten. Das alles sind Versäumnisse. gemacht und die Atomkraftlaufzeiten verlängert haben? Das ist kein Atomausstieg. Das passt zu den Reden, die (Christian Hirte [CDU/CSU]: Haben Sie mir wir hier gehört haben; aber das passt nicht zu dem, was nicht zugehört?) Sie 2011 in diesem Haus versprochen haben. Haben wir das geträumt, Herr Hirte, oder haben Sie (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, heute geträumt, als Sie diese Rede gehalten haben? bei der SPD und der LINKEN) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: LINKEN) Für die CDU/CSU-Fraktion spricht jetzt der Kollege Dr. Christian Ruck. So etwas Absurdes habe ich noch nicht gehört. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Frau Brunkhorst, genauso absurd ist die ständige Er- klärung: „Wir mischen uns nicht in die Energiepolitik anderer Länder ein“, oder: Wir sind doch nicht die Dr. Christian Ruck (CDU/CSU): Atomaufsicht von Frankreich. – Das ist doch keine Re- Herr Präsident! Meine verehrten Kolleginnen und aktion auf ein grenzüberschreitendes Risiko. Sie weigern Kollegen! Auch zwei Jahre nach dem Tsunami in Japan sich, ein grenzüberschreitendes Risiko anzuerkennen. gilt den Menschen in der Region unsere Anteilnahme Genauso negieren das die Bundesregierung und Frau und unser Mitgefühl, den Verletzten, den Angehörigen, den Toten und den Traumatisierten. Unser Dank gilt aber Merkel. auch unseren Mitbürgern, die in großartiger Weise mit (Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Sie negie- ihren Spenden zur Linderung der Not in Japan beigetra- ren die Souveränität anderer Länder!) gen haben. Eine Bundesregierung hat den Auftrag, ihre Bevölke- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- rung vor Risiken zu schützen. neten der SPD) Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. März 2013 28647

Dr. Christian Ruck (A) Aus dem Unglück in Japan können wir für diese Debatte anderswo fallen: In den Vereinigten Staaten zum Bei- (C) mitnehmen, dass wir uns in Fragen der Energie seriös spiel sind die Strompreise in letzter Zeit um 60 Prozent und mit dem nötigen Ernst beschäftigen, ohne Gegröle gefallen. Bei uns sind sie in den letzten Jahren für die und ohne sich gegenseitig zu unterstellen, man habe eine normale Industrie um 20 Prozent, für die Verbraucher versteckte Agenda. um 25 Prozent gestiegen. Das hat natürlich bedrohliche Folgen für unsere Wirtschaft. Über diese Folgen müssen Vor dem Hintergrund von Fukushima hat die Bundes- wir uns seriös auseinandersetzen, auch in einem Land regierung, hat die Koalition beschlossen, die zivile Nut- wie Nordrhein-Westfalen. Das kann unter die Haut ge- zung der Kernenergie in Deutschland zu beenden. 2022 hen, wenn wir nicht aufpassen. wird das letzte AKW vom Netz gegangen sein. Die älte- ren Kollegen der Opposition wissen, dass auch ich im Man muss feststellen: Was auch unter unserer Regie- Rahmen unseres Energiekonzepts für eine Verlängerung rung in den 90er-Jahren als Markteinführungsvehikel ge- der Laufzeiten der Kernkraftwerke war, um Geld und dacht war, nämlich das Stromeinspeisungsgesetz, hat Zeit zu gewinnen. Herr Bülow, ich muss bei Ihnen keine sich zu einer gigantischen Gelddruckmaschine entwi- Nachhilfe nehmen, um zu wissen, was damals die Moti- ckelt und ist längst von den Klimaschutzzielen abgekop- vation für unseren Beschluss war. Ich weiß besser als pelt. Es kommt zu einer grotesken Entkoppelung inner- Sie, was wir vorhatten. Dazu stehe ich nach wie vor. halb der eigenen Gesellschaft: zu einer Privatisierung gigantischer Gewinne und zu einer Sozialisierung gigan- (Iris Gleicke [SPD]: Aber außer Ihnen weiß tischer Kosten. das niemand!) (Ulrich Kelber [SPD]: Wo sind denn die Ge- Ich akzeptiere ohne Wenn und Aber die Entscheidung winne? Sagen Sie doch mal! Sie sind doch der Koalition, unserer Partei, des Deutschen Bundesta- Spezialist!) ges. Ich akzeptiere aber nicht, dass aus parteitaktischen Gründen immer wieder Unkenrufe von Rot-Grün kom- Das muss doch auch die Opposition, das müssen sogar men, wir nähmen den Ausstieg nicht ernst. Wir werden, Sie, Herr Kelber – französisch oder nicht –, kapiert ha- im Gegensatz zu Ihren damaligen Lippenbekenntnissen, ben. den Ausstieg vollziehen, und zwar ohne Wenn und Aber. Sie können die Auswüchse, die das annimmt, nicht wollen. Ein Beispiel: Wenn für ein einziges Windkraft- (Rolf Hempelmann [SPD]: Oh!) rad bis zu 80 000 Euro Pacht gezahlt wird, dann bedeutet Ich akzeptiere auch nicht, Herr Hempelmann, Ihre das den Ruin der normalen Landwirtschaft in Deutsch- Häme, land. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und (B) (Rolf Hempelmann [SPD]: Sehr staatsmän- (D) nisch!) der FDP) die immer wieder an den Tag gelegt wird, wenn es Das können wir nicht hinnehmen. Schwierigkeiten bei der Umsetzung der Energiewende (Ulrich Kelber [SPD]: Machen Sie einen Vor- gibt. schlag!) (Hans-Josef Fell [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Angesichts dessen, was die Länder an Zubau planen, NEN]: Häme? Das ist doch Tatsache!) muss doch auch Ihnen aufgefallen sein, dass die Planun- Ich akzeptiere auch, dass sich die politische Land- gen Ihrer Länder mit der vorausschauenden Planung der schaft geändert hat. Das ist für diese Diskussion sogar Abnahme in keiner Weise übereinstimmen. Die ernüch- von Vorteil; denn so können Sie sich mit Ihrer Mehrheit ternde Feststellung ist: Unser Ziel, mit unserer Energie- im Bundesrat nicht länger aus der Verantwortung stehlen wende Vorbild für die Welt zu sein, werden wir nicht er- und notwendige Maßnahmen wie die Gebäudesanierung reichen, wenn wir jetzt nicht eingreifen. oder die EEG-Reform blockieren, ohne dass es die Men- Es wird immer gesagt, wir müssten uns um die Atom- schen merken. Das nimmt Ihnen keiner mehr ab. energie anderer Länder kümmern. Erstens, Frau Kotting- Uhl, finden Gespräche über die beiden französischen (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Atomkraftwerke statt. Das kann auch Ihnen nicht ent- Es ist wahr, dass uns die Herausnahme der Kernkraft- gangen sein. werke aus unserer Energieproduktion vor massive Pro- (Christian Hirte [CDU/CSU]: Doch!) bleme stellt. Es ist aber auch wahr, dass wir Probleme mit unserem eigenen Erfolg haben, nämlich dem massi- Zweitens. Die beste Argumentation für einen Verzicht ven Aufwuchs der erneuerbaren Energien. Herr Miersch, anderer Länder auf Kernkraftwerke liefern wir, wenn es auch wenn Sie mit Ihrem Geschrei ins Mikrofon beißen: uns gelingt, eine Technologie wettbewerbsfähig, also Es ist wahr – das hat Herr Kauch sehr gut dargestellt –, auch bezahlbar zu machen, die bei uns und anderswo dass der Aufwuchs der erneuerbaren Energien vor allem Atomkraftwerke überflüssig macht. unter dieser Bundesregierung erfolgte. Das hat natürlich Die SPD liefert uns hier ein absurdes Spektakel mit Folgen. Die kann man auch ansprechen. Das hat übri- der Verdrehung von Ursache und Wirkung, von Feuer- gens auch ein gewisser Gabriel gestern getan; das ist wehr und Brandstifter; aber wenigstens ist sie aufge- doch Ihr Parteivorsitzender. Die Volatilität ist dadurch wacht. exorbitant gestiegen. Durch die absurde Ausgestaltung des EEG gehen die Energiepreise nach oben, obwohl sie (Lachen bei Abgeordneten der SPD) 28648 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. März 2013

Dr. Christian Ruck (A) Ich habe genau aufgepasst, was Herr Gabriel gestern ge- gebaut, den Systemumbau aber nicht vollzogen hätte. (C) sagt hat. Obwohl eine Woche vorher Peter Altmaier noch Ich sage Ihnen, was ich Ihnen schon gestern gesagt habe kritisiert wurde, weil er Kosten von 1 Billion Euro ins – man muss es Ihnen offenbar jeden Tag sagen –: So Spiel gebracht hat – die übrigens zu niedrig angesetzt geht das nicht. Andere sind weiter: Die Unternehmen ha- sind, weil einige Posten gar nicht eingerechnet sind –, ben längst eingesehen, dass sie nach der Wurst, die ihnen Ihre Kollegen von Schwarz-Gelb damals in Form von (Rolf Hempelmann [SPD]: In der Großen An- Laufzeitverlängerungen hingehalten haben, niemals hät- frage kanntet ihr noch keine Kosten!) ten greifen dürfen; denn dadurch wurde der System- hat Ihr Herr Gabriel gesagt: Die Volatilität ist zu hoch. – umbau zehn Jahre lang blockiert. Das ist erstaunlich. Er hat gesagt: Die Preise sind zu hoch. – Auch das ist erstaunlich. Dann hat er gesagt: Der (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN) CO2-Ausstoß ist zu hoch. – Herr Gabriel hat auch gesagt, dass das die Analyse des gesamten Hauses sei. Das ist Sie haben dafür gesorgt, dass die Atomkraftwerksbe- doch prima. Dann ist es doch nur noch ein kleiner Schritt treiber, die zugleich Netzbetreiber waren und an den ent- – Wahlkampf hin oder Wahlkampf her –, zu gemeinsa- sprechenden Schlüsselstellen des Systems saßen, diesen mem Handeln zu kommen. Systemumbau niemals begonnen, niemals unterstützt ha- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) ben. So viel auch zu Ihnen, Herr Dr. Ruck, wenn Sie jetzt einfordern, wir, die Opposition, sollten die Blo- Es ist wahr, dass die Energiewende eine Megaaufgabe ckade beenden. Lassen Sie uns doch wenigstens einmal ist. Es ist auch wahr, dass wir Berechenbarkeit und Plan- feststellen: Zehn Jahre lang haben Sie eine moderne barkeit brauchen. Genauso wahr ist, dass wir unsere An- Energiepolitik, einen Systemumbau hin zu einer stärke- strengungen erhöhen und die Vorgänge beschleunigen ren Nutzung der erneuerbaren Energien behindert und müssen, aber auch Fehlentwicklungen korrigieren und blockiert. Sie sollten das wenigstens einmal offen sagen. an anderer Stelle entschleunigen müssen. Wir halten an unseren ehrgeizigen Zielen fest; aber wir müssen den (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Ausbau der Erneuerbaren viel stärker mit dem Netzaus- des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) bau synchronisieren. Wir müssen den Emissionshandel In der heutigen Debatte geht es auch um einen Antrag neu strukturieren. Wir müssen zusehen, dass wir stärker zum Thema Euratom. Wir sagen: Wir müssen den Eura- als bisher Themen wie Innovation und Technologie in tom-Vertrag erneuern. Damit sind wir nicht allein. Es unsere eigene Politik einspeisen. gibt zum Beispiel einen EU-Kommissar namens Wir müssen eine Abstimmung unter den Ländern her- Oettinger, früher mal CDU-Ministerpräsident, der das (B) beiführen. Das sind nicht nur unsere Länder, sondern ganz genauso sieht. Im Übrigen haben auch Sie das (D) auch die der „Krafts“ und der „Kretschmanns“. Damit schon einmal so gesehen: Im Jahr 2007 hat die heutige bin ich wieder bei meiner These: Es hat keinen Sinn, mit Kanzlerin die Schlussakte des Vertrags von Lissabon un- dem Finger auf andere zu zeigen. Wir brauchen ein Zu- terzeichnet. Darin stand eindeutig: Wir brauchen eine sammenspiel von Bundestag, Bundesregierung und Bun- Überarbeitung des Euratom-Vertrags, insbesondere in desrat. Das sind wir den künftigen Generationen schul- Richtung mehr Sicherheit im Bereich der Erzeugung von dig. Keiner wird später fragen: Habt ihr damals Strom in Anlagen zur atomaren Energieerzeugung. Wahlkampf geführt oder nicht? Jetzt geht es darum, die (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Blockaden zu beenden. Das gilt auch für Rot-Grün im Bundesrat. Insofern glaube ich, dass diese Anträge sehr berechtigt sind und eigentlich auch Ihre Unterstützung verdienten. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Herrn Oettinger wurmt im Übrigen, dass es keine Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: europäische Kompetenz für die Überwachung und Kon- Für die SPD-Fraktion spricht jetzt der Kollege Rolf trolle der Sicherheit der 145 Atomkraftwerke in Europa Hempelmann. gibt. Er bedauert das. Allerdings hat ihm der EuGH, der Europäische Gerichtshof, grundsätzlich schon in einer (Beifall bei der SPD) Zeit grünes Licht gegeben, als er noch gar nicht Energie- kommissar war, als er noch für die Atomenergie stritt. Er Rolf Hempelmann (SPD): ist aber, glaube ich, ein wirklich Bekehrter. Deswegen Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! möchte er diese europäische Zuständigkeit, wie auch der Liebe Kollegen! Sehr geehrter Herr Minister Altmaier! – Europäische Gerichtshof sie sieht. Wo ist er? – Dort oben in den Reihen der Abgeordneten. Er hat immerhin Stresstest, Belastungsproben, für die Herr Abgeordneter, vielleicht darf ich Ihr Tête-à-Tête 145 AKW durchgesetzt. Die Ergebnisse sind teilweise unterbrechen. Wir führen eine gemeinsame Debatte in dramatisch, auch für französische Atomkraftwerke, zum diesem Haus, und Sie sind keine ganz unwichtige Figur Beispiel für Cattenom – deswegen sind die Fragen, die dabei. auf die grenzüberschreitende Sicherheit von Atomkraft- Sie haben sich heute hier wieder breitbeinig hinge- werken abstellen, völlig berechtigt –, aber auch für die stellt und erneut behauptet, dass Sie diejenigen seien, die 17 deutschen Atomkraftwerke. Probleme wurden festge- jetzt endlich mit dem Systemumbau beginnen, und Rot- stellt bei Notstromaggregaten, beim Erdbebenschutz, Grün zwar den Bereich der erneuerbaren Energien aus- beim Überflutungsschutz, aber auch bei der passiven Si- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. März 2013 28649

Rolf Hempelmann (A) cherheit, zum Beispiel vor Flugzeugabstürzen. Wohlge- diesem Markt werden. Dies darf schon gar nicht mit (C) merkt: Das wurde bei den deutschen Atomkraftwerken politischen Instrumenten wie Hermesbürgschaften unter- festgestellt. Der BUND in Deutschland bedauert, dass stützt werden. die Probleme auch heute noch nicht beseitigt sind. Es Meine Damen und Herren, Angra in Brasilien ist nur gibt Risiken durch Brände oder altersbedingte Ausfälle eines von Sicherheitssystemen. Es gibt eine mangelhafte Si- der Beispiele. Es gibt viele andere, die da drohen. Möglicherweise wird Angra kein deutsches bzw. Hermes- cherheitsarchitektur. Kein deutsches Atomkraftwerk ist projekt werden. Viele andere aber mit ähnlichen Proble- gegen den Ausfall der Stromversorgung gesichert. Ge- nau das war die Ursache für die Probleme in Fukushima, men – dabei handelt es sich um Erdrutschgebiete, Erdbe- bengebiete usw. – sind in der Warteschleife. für den Austritt von Radioaktivität in Japan und die Ex- plosion von zwei Reaktoren. Ich würde mir wünschen, dass es keine Abwartehal- Klar ist: Die Atomkraftwerksbetreiber in ganz Europa tung gibt, sondern ein klares Wort dieser Bundesregie- werden nicht freiwillig in die Sicherheit ihrer Anlagen rung und möglichst auch dieser Bundeskanzlerin, dass investieren. Es ist errechnet worden, dass es – dies ist solche Exporte in Zukunft von der Bundesregierung vermutlich lediglich ein erster Schritt – im Schnitt um nicht unterstützt werden. etwa 200 Millionen Euro pro Anlage geht. Deswegen (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem brauchen wir – das sagt EU-Kommissar Oettinger – eine BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) gemeinsame EU-Gesetzgebung für nukleare Sicherheit. Er will im April einen Gesetzesvorschlag unterbreiten. Wenn Sie wollen, dass die Menschen Ihnen abneh- Ich bin gespannt, wie sich die Bundesregierung dazu men, dass Sie es mit dem Atomausstieg ernst meinen stellen wird. – wir alle wollen das gerne glauben –, seien Sie in die- sem Sinne konsequent und folgen Sie den Vorschlägen, Übrigens sagte gestern ein Vertreter der Koalition: die wir heute gemacht haben. Wenn wir das machen, wird es teuer, das verteuert dann den Strompreis. Ich sehe einmal von der Tatsache ab, (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ dass er offenbar von der Merit-Order noch nichts gehört DIE GRÜNEN) und deshalb noch nicht gelernt hat, dass gerade Atom- kraftwerke die größten Gewinne abwerfen, weil sie im Vizepräsident : Vergleich zum konventionellen Kraftwerkspark die ge- Für die FDP-Fraktion spricht jetzt der Kollege ringsten Brennstoffkosten haben. Weiter sehe ich von Dr. Martin Lindner. der Tatsache ab, dass eine Verteuerung von Atomstrom nicht unbedingt eine Erhöhung des Endpreises bedeuten (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) (B) (D) würde. Abgesehen von diesen beiden Tatsachen zeigt das natürlich auch Ihre Prioritätensetzung bzw. an wel- Dr. Martin Lindner (Berlin) (FDP): cher Stelle für Sie die Sicherheit der Menschen hier im Herr Präsident! Verehrte Damen! Meine Herren! Man Lande steht. kann zum deutschen Ausstieg aus der Kerntechnologie stehen, wie man will. Man kann ihn für vernünftig halten (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem oder nicht. Richtig ist aber doch, dass wir ihn jetzt zu ei- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) ner gemeinsamen Erfolgsstory machen müssen. Das ist Es ist kein Zufall, dass Sie bei der Überarbeitung des es doch, was dieses Haus eint und für das wir gemein- Euratom-Vertrags so zurückhaltend sind, wenn man sam stehen. sieht, wie Sie mit dem Export von Atomtechnologien (Bettina Hagedorn [SPD]: Nein!) umgehen. Wir waren – das ist hier schon angesprochen worden – da schon einmal weiter. Es gab unter Rot-Grün – Sie schreien herum. Ich weiß, es ärgert Sie, dass da für Leitlinien, die deutlich gemacht haben: Wenn man in ei- Sie persönlich und für Ihre Partei ein Thema wegge- nem Land aus der Atomtechnologie aussteigt, darf es rutscht ist. Man hat das gerade auch bei dem schäbigen nicht sein, dass man Atomtechnologieexport mit Her- Versuch Ihrer Parteivorsitzenden Roth gemerkt, die vie- mesbürgschaften unterstützt. len Toten dieser Tragödie für billige Parteipolemik und Parteipolitik auszunutzen. Das ist ein wirklich ekelhafter (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem Versuch gewesen, aus dem Schicksal dieser Menschen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Kapital zu schlagen. So weit waren wir schon. Wenigstens dahin sollten Sie (Beifall bei der FDP) nach Ihrem Austrittsbeschluss – schon allein zur Steige- rung Ihrer Glaubwürdigkeit – gelangen. Wenn wir eine solche Entscheidung treffen, haben wir auf der anderen Seite auch zu respektieren und zu akzep- Wenn Sie im Übrigen wollen, dass die deutsche Ener- tieren, dass andere souveräne Länder andere energiepoli- giepolitik international als Modell begriffen werden soll tische Entscheidungen treffen und dass nicht automa- – einer von Ihnen hat das gerade so gesagt –, müssen Sie tisch das, was wir hier in Deutschland entscheiden, für selbstverständlich in Ihrer Politik konsistent sein. Das andere genauso vorbildhaft und nachahmenswert ist. heißt, man muss dafür werben, dass uns andere auf die- sem Weg folgen. Mindestens muss man dafür sorgen, Ihre Anträge zu Euratom und Angra 3 zeugen von ei- dass die Sicherheit der Atomkraftanlagen verbessert ner erheblichen Ignoranz. Die Welt richtet sich eben wird. Auf gar keinen Fall darf man selbst zum Akteur in nicht ausschließlich an Deutschland und Berlin aus. Zu- 28650 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. März 2013

Dr. Martin Lindner (Berlin) (A) erst zu Ihren Euratom-Anträgen. Wissen Sie, wir führen chere deutsche Technologie zum Einsatz kommt? Haben (C) in den Ausschüssen Anhörungen durch. Zweck dieser wir nicht ein deutsches Interesse daran, dass genau un- Anhörungen ist üblicherweise ein gewisser Erkenntnis- sere Hochqualitätsanlagen in diesen Ländern für ein gewinn. Stück mehr Sicherheit, für ein Stück mehr Zuverlässig- keit dieser Kernkraftwerksanlagen sorgen? Das ist doch (Rolf Hempelmann [SPD]: Deswegen machen in unserem deutschen Interesse. wir Anhörungen!) (Beifall bei Abgeordneten der FDP) Es gab, Herr Hempelmann, keinen Gutachter, der nicht bestätigt hat, dass es rechtlich gar nicht möglich ist, den Unser deutsches Interesse ist doch nicht, sich daneben- Euratom-Vertrag zu kündigen, ohne gleichzeitig die EU zustellen und so zu tun, als gäbe es diese ganzen Sachen zu verlassen. nicht mehr. (Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE Während der Debatte über den Atomausstieg war ich GRÜNEN]: Das stimmt nicht!) einmal bei einer Podiumsdiskussion und habe eine Karte Das war eindeutig das Ergebnis. Das kann man auch gezeigt. Auf dieser waren 140 europäische Kernkraft- nachvollziehen. Die EU hat von Ländern wie Österreich, werksanlagen außerhalb von Deutschland eingezeichnet. die nach Gründung der Euratom in die EU eingetreten Das können wir doch nicht ignorieren. Wir müssen dafür sind, sorgen, dass diese Anlagen unter bestmöglichen Kondi- tionen betrieben werden. (Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Verträge lesen!) (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Dann stimmen Sie unserem Antrag zu! verlangt, den Euratom-Vertrag zu unterschreiben, ob- Dann sind es schon einmal zwei weniger!) wohl sie selber gar nicht Betreiber von Kernkraftwerks- anlagen sind, weil im Euratom-Vertrag viele Dinge gere- Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: gelt werden, die weit über das reine Betreiben von Kernkraftanlagen hinausgehen. Herr Kollege Lindner, erlauben Sie eine Zwischen- frage der Kollegin Arndt-Brauer? (Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU) Dr. Martin Lindner (Berlin) (FDP): Damit bin ich beim zweiten Punkt. Es geht dabei Ja, bitte. nicht nur um eine Rechtsfrage, sondern es stellt sich na- türlich auch die Frage, ob es für ein Land wie Deutsch- (B) Ingrid Arndt-Brauer (SPD): (D) land vernünftig ist, aus einem Vertrag auszuscheiden, in Danke schön. – Herr Kollege Dr. Lindner, haben Sie dem Strahlenschutz, Reaktorsicherheit und Entsorgungs- mitbekommen, dass sich der Parlamentarische Beirat für fragen geregelt werden. Ist es nicht vielmehr unsere nachhaltige Entwicklung auch mit den Stimmen Ihrer Pflicht und Aufgabe, deutsche Technologie zur Verfü- Fraktion gegen Hermesbürgschaften für Atomkraft- gung zu stellen, mit am Drücker zu bleiben, mit über werke ausgesprochen hat, weil wir denken, dass ein Aus- diese Fragen zu entscheiden? Das, was Sie fordern, ist stiegsbeschluss für uns auch für Bürgschaften solcher In- doch völlig unvernünftig. Das wäre ein nationaler Al- vestitionen im Ausland verbindlich sein sollte? leingang. Das wäre unvernünftig und wird von uns abge- lehnt. Das ist doch selbstverständlich. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Dr. Martin Lindner (Berlin) (FDP): Das andere Thema ist Angra 3. Hier rutschen Ihnen Frau Kollegin, ich sagte gerade: Die erste Ebene ist regelmäßig die verschiedenen Ebenen durcheinander. die nationale Entscheidung über die Energieform. Die (Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- zweite Ebene ist die Frage der Technologieförderung, NEN]: Hauptsache, Sie passen auf!) des Technologietransfers. Die dritte Ebene, die davon se- parat zu betrachten ist, ist die Frage, ob wir Hermesbürg- Es gibt drei Ebenen. Die erste Ebene ist die Frage, wel- schaften für auswärtige Geschäfte zur Verfügung stellen che nationale Energiepolitik ein Land macht. Wir ma- oder nicht. Ausschließlich auf dieser Ebene ist aus mei- chen einen Ausstieg aus der Kerntechnologie und einen ner Sicht die Frage zu analysieren: Steht das Ausfall- Einstieg in mehr regenerative Energien. Das ist unser risiko mit dem volkswirtschaftlichen Gewinn, Arbeits- deutscher Weg. Wir versuchen, ihn zur Erfolgsstory zu plätze in Erlangen und anderswo, machen und ihn auch als Erfolgsmodell für andere Län- der darzustellen. Aber wir müssen doch respektieren, (Bettina Hagedorn [SPD]: Das war nicht die dass beispielsweise die Chinesen, die Inder und auch die Frage!) Brasilianer andere Wege in dieser Frage gehen. in einem angemessenen Verhältnis? Es gibt drei ver- Die zweite Ebene ist: Haben wir nicht ein deutsches schiedene Ebenen: die Technologiefrage selbst, Techno- Interesse daran, dass in den Ländern, die sich nicht für logieförderung, Hermes. Diese Dinge müssen Sie aus- einen Atomausstieg entschieden haben, die im Gegenteil einanderhalten, wenn Sie zu Ergebnissen kommen sogar noch weitere Kernkraftwerksanlagen bauen, si- wollen. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. März 2013 28651

Dr. Martin Lindner (Berlin) (A) (Marco Bülow [SPD]: Klare Frage, unklare drei Jahren solch einen Zubau geschafft. Kein einziges (C) Antwort! – Ingrid Arndt-Brauer [SPD]: Wir Industrieland hat so ambitionierte Ziele wie Deutsch- haben eine Verantwortung!) land. Wir haben gleichzeitig noch das EEG novelliert und reformiert und es bezahlbar gemacht. Wir haben im Dies müssen Sie separat betrachten. Das werden Sie Bereich der Photovoltaik eine Vergütungsreduktion um auch zukünftig machen müssen. Wir müssen die Dinge 70 Prozent geschafft – gegen Ihren Willen – auseinanderhalten. (Beifall des Abg. Michael Kauch [FDP]) (Beifall des Abg. Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]) und damit den Verbrauchern Kosten in Höhe von 2 Mil- Wir müssen – das ist im deutschen Interesse – dafür liarden Euro in den nächsten 20 Jahren erspart. Wir ha- sorgen, dass in den Ländern, in denen noch Kernkraft- ben den atmenden Deckel eingeführt und damit das EEG werke betrieben werden, optimale Bedingungen herr- intelligent gestaltet. Wir haben mehr Markt und Wettbe- schen, deutsche Technologie zum Einsatz kommt, deut- werb eingeführt. sche Arbeitsplätze davon profitieren und insgesamt die (Ulrich Kelber [SPD]: Und eine halbe Milliarde für Reaktorsicherheit gestärkt wird. Was Sie machen, ist das nichts verschwendet! Jährlich!) Gegenteil. Sie wollen einen deutschen Alleingang. Sie wollen anderen Ländern vorschreiben, was sie zu tun ha- Mit der Marktprämie und dem Eigenanteil haben wir et- ben. Das ist so eine Art Neokolonialismus des deutschen was geschaffen, was die erneuerbaren Energien auch zu- Gutmenschentums. Damit lassen wir Sie alleine. Wir kunftsfähig macht, lieber Herr Kelber. lehnen Ihre Anträge selbstverständlich ab. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) der FDP) Zweiter Punkt. Wir bauen das leistungsfähigste und Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: modernste Stromnetz der Welt. Als letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt hat jetzt der Kollege Thomas Bareiß von der CDU/CSU- (Rolf Hempelmann [SPD]: Wo denn?) Fraktion das Wort. Wir haben gestern mit dem Netzausbaugesetz den Start- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und schuss gegeben für den Bau von 2 800 Kilometern neuer der FDP) Leitungen und den Ausbau von 2 900 Kilometern beste- hender Leitungen. Damit verbinden wir den erzeugungs- starken Norden mit dem verbrauchsstarken Süden. Wir Thomas Bareiß (CDU/CSU): (B) machen Schluss mit Zuständigkeitsgewurstel bei der (D) Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Planung und Genehmigung von Netzen Herren! Zum Schluss der Debatte zeigt sich wieder ein- mal, dass Rot-Grün in der Energiepolitik nur zurück- (Lachen des Abg. Rolf Hempelmann [SPD]) schaut, an einem alten Thema, nämlich am Atomaus- und verkürzen mit dem NABEG die Dauer des Netzaus- stieg, krampfhaft festhält, baus von zehn auf vier Jahre. Wir setzen neue Technolo- (Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: gien ein – HGÜ, Hochtemperaturseile, Erdverkabelung – Ach, hören Sie doch auf!) und schaffen damit das modernste Netz. Wir machen das wieder gut, was Rot-Grün in den letzten Jahren versäumt keine, aber wirklich keine Konzepte hat, wie diese Ener- hat. Wir bauen die Netze. giewende organisiert werden muss, Drittens. Wir fördern Gebäudesanierung und Energie- (Rolf Hempelmann [SPD]: Haben Sie eins?) effizienz so stark wie nie zuvor. Allein für die CO2-Ge- und heute Vormittag keinen einzigen Lösungsvorschlag bäudesanierungsprogramme geben wir 1,8 Milliar- geliefert hat. Sie hängen immer noch am Atomausstieg den Euro aus – so viel Geld wie keine andere Regierung fest. Wir sind diejenigen, die den Einstieg in die Energie- vor uns. wende gestaltet und organisiert haben, meine sehr ver- ehrten Damen und Herren. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und Herr Kollege Bareiß, erlauben Sie eine Zwischen- der FDP) frage des Kollegen Kelber? Für uns ist die Energiewende das Wachstums- und Technologiethema für die nächsten vier Jahrzehnte. Des- Thomas Bareiß (CDU/CSU): halb – weil es uns so wichtig ist – möchte ich anhand Nein. von acht konkreten Punkten zeigen, was wir in den letz- ten drei Jahren gemacht haben, um den Einstieg in die Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Energiewende zu organisieren. Keine Zwischenfrage. Erster Punkt. In den letzten drei Jahren haben wir es geschafft, den Anteil erneuerbarer Energien an der Thomas Bareiß (CDU/CSU): Stromerzeugung von 15 Prozent auf 25 Prozent auszu- Darüber hinaus versuchen wir mit der Mietrechtsno- bauen. Kein einziges Land dieser Welt hat in den letzten velle, die Investoren zu schützen, aber auch die Mieter 28652 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. März 2013

Thomas Bareiß (A) zu entlasten. Wir haben es geschafft, den schlafenden (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU so- (C) Riesen Energieeffizienz im Gebäudebereich zu wecken. wie des Abg. Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]) Viertens. Wir haben die Energiewende zum Arbeits- platzmotor gemacht. Wir haben im Bereich der erneuer- Achtens. Trotz des massiven Ausbaus der erneuerba- baren Energien in den letzten drei Jahren 100 000 Ar- ren Energien sind wir Spitzenreiter in der Versorgungssi- beitsplätze geschaffen. cherheit und in der Netzstabilität. Im Jahr 2011 betrug die durchschnittliche Stromunterbrechung circa 15 Mi- (Marco Bülow [SPD]: Oh! Ihr habt die ge- nuten. Wir sind damit besser als die Jahre zuvor, und wir schaffen? Ihr habt gar nichts! Das hat die Wirt- sind besser als die USA, besser als Frankreich, besser als schaft ganz alleine gemacht!) Großbritannien. Im Bereich der Energieeffizienz haben wir 340 000 Ar- (Beifall bei Abgeordneten der FDP) beitsplätze, überwiegend im Handwerk, gesichert und neu geschaffen. Das ging nicht auf Kosten der Industrie. Wir wollen, dass das in Zukunft so bleibt. Deshalb haben Im Gegenteil: Wir haben den industriellen Mittelstand wir abschaltbare Lasten, deshalb haben wir Smart Meter, Stück für Stück entlastet. Sie haben nur die Großkon- Smart Grids vorangebracht. So bleiben wir auch weiter- zerne entlastet, wir haben auch den Mittelstand bei unse- hin Spitzenreiter bei der Versorgungssicherheit und stär- rer Politik berücksichtigt. Wir sorgen mit der Energie- ken unseren Standort Deutschland. wende für mehr Arbeitsplätze, gerade auch im Mittelstand. Meine sehr verehrten Damen und Herren, diese acht Punkte zeigen: Unser Weg ist der richtige, die Energie- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und wende kommt Stück für Stück voran. Wir lassen uns auf der FDP) diesem Weg nicht beirren. Fünftens. Wir stärken den Wettbewerb und den Ver- Herzlichen Dank. braucher. Heute hat der Verbraucher die Wahl zwischen mehr als 50 Stromanbietern, so vielen wie noch nie zu- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und vor. Das haben wir mit gezielten Maßnahmen für mehr der FDP) Wettbewerb ermöglicht. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: (Marco Bülow [SPD]: Mit welchen denn?) Ich schließe die Aussprache. So haben wir den Stromkunden den Wechsel erleichtert Wir kommen zu den Abstimmungen. und die Fristen für den Lieferantenwechsel auf drei Wo- (B) chen verkürzt. Wir haben eine Schlichtungsstelle einge- Ich möchte Ihnen mitteilen, dass zur Abstimmung (D) richtet, die allein im ersten Jahr 14 000 Beschwerden bislang fünf Erklärungen nach § 31 der Geschäftsord- von Verbrauchern entgegengenommen hat und in nung vorliegen, die wir zu Protokoll nehmen.1) 90 Prozent der Fälle eine Einigung erzielen konnte. Wir stärken den Verbraucher und verhindern Abzocke. Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf Drucksachen 17/12509 und 17/12688 an die in der Ta- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) gesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sechstens. Deutschland ist im Bereich der Energiefor- Sind Sie damit einverstanden? – Das ist der Fall. Dann schung so erfolgreich wie kein anderes Land der Welt. ist die Überweisung so beschlossen. Wir haben die Mittel für die Energieforschung auf über Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Aus- 3,5 Milliarden Euro aufgestockt; das ist Rekord. Wir för- schusses für Wirtschaft und Technologie zu dem Antrag dern damit die Zukunftstechnologien der Energiewende: der Fraktion der SPD mit dem Titel „Den Euratom-Ver- 200 Millionen Euro für Speicher, 150 Millionen Euro für trag an die Herausforderungen der Zukunft anpassen“. zukunftsfähige Netze, 400 Millionen Euro für die Elek- Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe a seiner Be- tromobilität. Wir machen die Energiewende zum Innova- schlussempfehlung auf Drucksache 17/11713, den An- tionsmotor für Deutschland. trag der Fraktion der SPD auf Drucksache 17/8927 abzu- (Beifall bei Abgeordneten der FDP) lehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Die Be- Siebtens. Wir bringen Speichertechnologien voran; schlussempfehlung ist angenommen mit den Stimmen denn Speicher sind der Partner für die erneuerbaren der Koalitionsfraktionen und der Linken gegen die Stim- Energien. Wir fördern Speicher schon heute, sowohl im men der SPD bei Enthaltung der Grünen. Alltag als auch in der Forschung. Wir versuchen, die Wirtschaftlichkeit voranzubringen. Wir haben die Spei- Unter Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung emp- cher von Netzentgelten und von der EEG-Umlage fiehlt der Ausschuss die Ablehnung des Antrags der befreit. Wir haben Investitionen in Pumpspeicher- Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 17/7670 kraftwerke erleichtert und die Mittel für die Speicherfor- mit dem Titel „Euratom-Vertrag ändern – Atomausstieg schung um 200 Millionen Euro erhöht. Wir sorgen für europaweit voranbringen – Atomprivileg beenden“. Wer power to gas, wir sorgen für Druckluftspeicher, wir sor- stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt gen für Batteriespeicher und für Pumpspeicherkraft- dagegen? – Wer enthält sich? – Die Beschlussempfeh- werke; auch damit bringen wir die Energiewende Stück für Stück voran. 1) Anlage 2 und 3 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. März 2013 28653

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms (A) lung ist angenommen mit den Stimmen der Koalitions- Haben alle Kolleginnen und Kollegen ihre Stimm- (C) fraktionen und der SPD gegen die Stimmen der Grünen karte eingeworfen? – Das ist offenkundig der Fall. Dann bei Enthaltung der Linken. schließe ich die Abstimmung und bitte, mit der Auszäh- lung zu beginnen. Das Ergebnis der Abstimmung wird Tagesordnungspunkt 29 d. Abstimmung über die Be- Ihnen später bekannt gegeben.1) schlussempfehlung des Ausschusses für die Angelegen- heiten der Europäischen Union zu dem Antrag der Frak- Wir setzen die Beratungen fort. Ich rufe auf die Ta- tion Die Linke mit dem Titel „Eine Europäische gesordnungspunkte 30 a und 30 b sowie Zusatzpunkt 13: Gemeinschaft für die Förderung Erneuerbarer Energien gründen – EURATOM auflösen“. 30 a) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesre- gierung Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfeh- lung auf Drucksache 17/11723, den Antrag der Fraktion Bericht der Bundesregierung zum Stand der Die Linke auf Drucksache 17/6151 abzulehnen. Wer Bemühungen um Rüstungskontrolle, Abrüs- stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Gegenstim- tung und Nichtverbreitung sowie über die Ent- men? – Enthaltungen? – Die Beschlussempfehlung ist wicklung der Streitkräftepotenziale (Jahresab- angenommen mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen rüstungsbericht 2012) und der SPD bei Gegenstimmen der Linken und Enthal- – Drucksache 17/12570 – tung der Grünen. Überweisungsvorschlag: Tagesordnungspunkt 29 e. Abstimmung über die Be- Auswärtiger Ausschuss (f) schlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft und Verteidigungsausschuss Technologie zu dem Antrag der Fraktion der SPD mit Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und dem Titel „Keine Hermesbürgschaft für den Bau des Entwicklung Atomkraftwerks Angra 3“. 30 b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be- Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe a seiner richts des Auswärtigen Ausschusses (3. Aus- Beschlu ssempfehlung auf Drucksache 17/12653, den schuss) Antrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 17/9578 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfeh- – zu dem Antrag der Abgeordneten Uta Zapf, lung? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Die Fritz Rudolf Körper, Rainer Arnold, weiterer Beschlussempfehlung ist mit Stimmen der Koalitions- Abgeordneter und der Fraktion der SPD fraktionen gegen die Stimmen der SPD und zweier Ab- geordneter der CDU/CSU-Fraktion bei Enthaltung von Keine Modernisierung der US-Nuklearwaf- (B) (D) Linken und Grünen angenommen. fen in Europa und Deutschland – Abrüs- tungschancen nicht ungenutzt verstreichen Unter Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung emp- lassen fiehlt der Ausschuss die Ablehnung des gemeinsamen Antrags der Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die – zu dem Antrag der Abgeordneten Inge Höger, Grünen auf Drucksache 17/9579 mit dem Titel „Keine Wolfgang Gehrcke, Jan van Aken, weiterer Bürgschaft für den Bau des Atomkraftwerks Angra 3“. Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Gegen- Abzug statt Modernisierung der US-Atom- stimmen? – Enthaltungen? – Die Beschlussempfehlung waffen in Deutschland ist mit Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Oppositionsfraktionen und zweier Abge- – Drucksachen 17/11323, 17/11225, 17/12251 – ordneter der CDU/CSU-Fraktion angenommen. Berichterstattung: Tagesordnungspunkt 29 f. Abstimmung über die Be- Abgeordnete Roderich Kiesewetter schlussempfehlung des Ausschusses für Umwelt, Natur- Uta Zapf schutz und Reaktorsicherheit zu dem Antrag der Frak- Dr. Rainer Stinner tion Bündnis 90/Die Grünen mit dem Titel „Bilaterale Wolfgang Gehrcke Verhandlungen aufnehmen zur unverzüglichen Stillle- Hans-Christian Ströbele gung besonders gefährlicher grenznaher Atomkraft- werke in Frankreich“. ZP 13 Beratung der Beschlussempfehlung und des Be- richts des Auswärtigen Ausschusses (3. Aus- Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfeh- schuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Agnes lung auf Drucksache 17/12675, den Antrag der Fraktion Brugger, Volker Beck (Köln), Marieluise Beck Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 17/11206 abzu- (Bremen), weiterer Abgeordneter und der Frak- lehnen. tion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Wir stimmen nun über die Beschlussempfehlung auf Konsequent vorangehen für eine atomwaffen- Verlangen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen nament- freie Welt lich ab. Haben die Schriftführerinnen und Schriftführer ihre – Drucksachen 17/9983, 17/12733 – Plätze eingenommen? – Gut. Dann eröffne ich die Ab- stimmung. – 1) Ergebnis Seite 28655 D 28654 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. März 2013

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms (A) Berichterstattung: Geduld, aber Abrüstungspolitik muss gerade dann mit (C) Abgeordnete Roderich Kiesewetter langem Atem betrieben werden, wenn die großen Er- Uta Zapf folge nicht gleich auf den ersten Blick greifbar sind. Dr. Rainer Stinner Jan van Aken (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten Marieluise Beck (Bremen) der CDU/CSU) Zum Jahresabrüstungsbericht 2012 der Bundesregie- Dennoch, liebe Kolleginnen und Kollegen, gilt: Auch rung liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion der wenn wir in den letzten Jahren in manchen Bereichen bei SPD vor. der Abrüstung gern weiter gegangen wären, können sich die Erfolge der letzten Jahre weltweit sehen lassen. Wir Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die haben einen sehr erfolgreichen Abschluss der Überprü- Aussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. Gibt es fung des NATO-Verteidigungs- und Abschreckungsdis- Widerspruch dagegen? – Das ist nicht der Fall. Dann ist positivs beim NATO-Gipfel in Chicago im letzten Jahr das so beschlossen. gehabt. Dort wurde das Profil der Allianz auch in Abrüs- Ich eröffne die Aussprache und bitte die Kolleginnen tungs- und Rüstungskontrollfragen gestärkt. Wenn man und Kollegen, die an der Aussprache nicht teilzunehmen die NATO-Strategien der letzten Jahrzehnte betrachtet, wünschen, den Saal zu verlassen, damit die anderen der kann man sagen: So viel Abrüstungsbekenntnis in der Debatte folgen können. – Als erstem Redner erteile ich NATO gab es noch nie. dem Bundesaußenminister Dr. Guido Westerwelle das (Beifall bei der FDP) Wort. Das ist ein klarer Erfolg und ein wichtiges Anliegen; (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) denn wir wissen alle, dass Verteidigung und Sicherheit engstens zusammengehören. Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister des Aus- Der Gipfel in Chicago ist noch kein Durchbruch ge- wärtigen: wesen, aber es ist ein Aufbruch. Umso wichtiger ist es, Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen und dass weitere Abrüstungsschritte ins Auge gefasst wer- Kollegen! Erlauben Sie mir bitte, dass ich mich jenseits den. Dazu gibt es ermutigende Zeichen, auch durch die des Protokolls an Frau Kollegin Zapf wende. Frau Kolle- Administration der Vereinigten Staaten von Amerika. gin, ich möchte mich aus Anlass der Rede, die Sie gleich Mit neuem Elan treibt Präsident Obama die Abrüstungs- halten werden, sehr herzlich für die exzellente Zusam- agenda voran. Dabei werden wir Präsident Obama natür- menarbeit insbesondere in der Abrüstungs- und Sicher- (B) lich unterstützen. Wir wollen dabei alle Beteiligten mit (D) heitspolitik und in der Außenpolitik insgesamt bedanken an Bord nehmen. und meinen Respekt für Ihr langjähriges Wirken in die- sem Hause zum Ausdruck bringen. Es wird möglicher- Jetzt gilt es aber, den Dialog mit Russland voranzu- weise die letzte Gelegenheit sein, dieses anlässlich einer bringen. Das Angebot der NATO, auch die substrategi- Rede von Ihnen zum Ausdruck zu bringen. Herzlichen schen, die sogenannten taktischen Nuklearwaffen in den Dank im Namen der Bundesregierung und vielleicht Abrüstungsprozess einzubeziehen, steht. Dass sich hie- auch im Namen der anderen Kolleginnen und Kollegen! rauf die NATO geeinigt hat, trotz mancher Meinungsun- terschiedlichkeit innerhalb der NATO-Mitgliedsländer, (Beifall) ist ein guter Erfolg auch der deutschen Abrüstungspoli- Meine sehr geehrten Damen und Herren, Abrüstung, tik. Rüstungskontrolle und Nichtverbreitung sind ein (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten Schwerpunkt deutscher Außen- und Sicherheitspolitik. der CDU/CSU) Schon in der Präambel des Grundgesetzes sind die bei- den Kernpfeiler unserer Außenpolitik benannt, nämlich Wir wollen die Abrüstungsschritte zwischen den USA in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu die- und Russland weiter unterstützen. Wir werden weiter auf nen. eine Reduzierung der in Europa stationierten Waffen hinarbeiten. Friedenspolitik, Abrüstung, Rüstungskontrolle und die Nichtverbreitung insbesondere von Massenvernich- (Christoph Schnurr [FDP]: Sehr gut!) tungswaffen, das ist ein klarer Zusammenhang, den wir Die Bundesregierung ist den Zielen, die sie sich zu emeinsam über die Parteigrenzen hinweg beto- hier alle g Beginn der Legislaturperiode gegeben hat, näher gekom- nen und sehen. Wir wollen das Ziel einer nuklearwaffen- men. Wir haben noch nicht alles erreicht – das war auch freien Welt erreichen. Wir wollen an dem Ziel einer nuk- nicht zu erwarten –, aber wir werden unbeirrt und mit wir uns learwaffenfreien Welt arbeiten. Deswegen setzen langem Atem an der Abrüstungspolitik einschließlich ein für Frieden, für Sicherheit, natürlich auch für Stabili- der nuklearen Abrüstung festhalten. tät durch weniger Waffen, die Verhinderung von Prolife- ration und höhere Transparenz. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Wir alle wissen aus den Erfahrungen der Geschichte, dass Abrüstungspolitik einen langen Atem braucht. Ab- Die Bundesregierung ist natürlich auch für Fort- rüstungspolitik braucht gelegentlich auch strategische schritte bei der konventionellen Rüstungskontrolle; denn Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. März 2013 28655

Bundesminister Dr. Guido Westerwelle (A) jeder sieht, dass das eine nicht durch Führbarkeit von Nichtangriffspaktes mit Seoul. Wir sind alle gemeinsam (C) konventionellen Kriegen erkauft werden darf. Das heißt, der Auffassung: Die Kriegsrhetorik des Regimes in auch die konventionelle Rüstungskontrolle in Europa Nordkorea muss beendet werden. bleibt ein zentrales und unverzichtbares Element einer kooperativen Sicherheitsarchitektur. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der Abg. Uta Zapf [SPD]) Ich will in diesem Zusammenhang ein Wort zur Rake- tenabwehr sagen. Die Haltung der Bundesregierung ist Ich begrüße deshalb ausdrücklich die konstruktive in dieser Frage glasklar: Wir wollen mehr Sicherheit und Rolle Chinas. Wir appellieren an China, diese konstruk- Stabilität in Europa. Wir sind der Überzeugung: Das ist tive Rolle auch in den sogenannten Sechsergesprächen nur mit Russland und nicht gegen Russland erreichbar. weiter wahrzunehmen. Dass China sich an den jüngsten Wir wollen, dass Russland eingebunden wird. Wir wol- Sanktionsverschärfungen in New York beteiligt hat, ist len, dass Russland bei einer kooperativen Lösung und ein wichtiges Signal auch an das Regime. beim Dialog, wenn es um die Raketenabwehr geht, kon- Meine Damen und Herren, natürlich geht es um un- sequent eingebunden wird. Dies ist ein wichtiges Ange- sere Nichtverbreitungs- und Abrüstungsinitiative; vor al- bot, das die Bundesregierung in der NATO durchgesetzt len Dingen geht es aber auch um die Postkonfliktbewäl- hat: Es geht hier nicht darum, sich gegen Russland auf- tigung. Wir bleiben dabei, bei der Vernichtung von zustellen. Es geht um ein Projekt, das gemeinsam mit Waffen einen wesentlichen Anteil zu leisten. Deutsch- Russland für mehr Sicherheit auf unserem Kontinent und land hat eine große Expertise bei der Vernichtung zum in unserer Weltregion sorgen soll. Beispiel von chemischen Waffen. Wir zeigen das in (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten Libyen und auch an anderen Orten. Wir sind bereit, diese der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE Expertise und dieses Wissen mit einzubringen. GRÜNEN und der Abg. Uta Zapf [SPD]) Wir haben noch wichtige Aufgaben vor uns: der Weil mir nur wenige Minuten Redezeit gegeben sind, Kampf gegen die Verbreitung auch von Kleinwaffen in fragilen Staaten oder beispielsweise auch unser deswe- ( [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: gen großes Bemühen für ein weltweit gültiges Waffen- Das geht uns auch so!) handelsabkommen. Bei den anstehenden Verhandlun- will ich zum Schluss noch auf zwei Dinge eingehen, gen wollen wir einen Erfolg. nämlich einmal auf Iran und Nordkorea, und dann folgt Wir wollen, dass Antipersonenminen und Streumuni- noch ein letzter Gedanke. Im Konflikt mit Iran verfolgt tion endlich von der Welt verschwinden. Wir setzen hier- (B) die Bundesregierung gemeinsam mit den Partnern im so- bei auf Transparenz, Dialog und Diplomatie in einer en- (D) genannten E3+3-Format ihren Doppelansatz von Ver- gen Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft. handlungsbereitschaft und Druckausübung. Wir können eine nukleare Bewaffnung des Irans nicht akzeptieren. Alles in allem ist der Abrüstungsbericht ein Erfolgs- Wir wollen das auf diplomatischem und politischem bericht, ein Bericht auch über gute Fortschritte in der Wege verhindern. Das ist die gemeinsame Auffassung. Abrüstungspolitik. Wir werden uns nicht auf ihm ausru- Alles andere, was uns unterstellt wird, ist Propaganda: hen, sondern im Interesse des Friedens in der Welt mit gegen uns, gegen den Westen, gegen die westlichen und großem Nachdruck, mit großer Energie, aber vor allen allgemeinen Sicherheitsinteressen. Dingen mit großer Ausdauer weiter auf Abrüstung, Rüs- tungskontrolle und Nichtverbreitung hinarbeiten. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vielen Dank. Iran hat auf unser Verhandlungsangebot in Almaty (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie mit positiven Worten reagiert; das würdige ich ausdrück- bei Abgeordneten der SPD) lich. Ich mache mir keine Illusionen, aber es ist erkenn- bar zumindest schon einmal ein Fortschritt, dass ein wei- Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: terer Prozess vereinbart werden konnte. Aber Gespräche Bevor ich der nächsten Rednerin das Wort erteile, nur um der Gespräche willen reichen nicht, sondern es gebe ich Ihnen das von den Schriftführerinnen und braucht substanzielle und greifbare Ergebnisse. Ein Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Spielen auf Zeit ist kein Weg, den wir akzeptieren kön- Abstimmung – es ging um die Beschlussempfehlung zu nen. einem Antrag betreffend die Verhandlungsaufnahme mit Dasselbe gilt auch im Hinblick auf Nordkorea. Die Frankreich bezüglich der Stilllegung von Atomkraftwer- Bundesregierung verurteilt in aller Schärfe den Nuklear- ken – bekannt: abgegebene Stimmen 505. Mit Ja haben test sowie die jüngsten Drohungen Nordkoreas mit ei- gestimmt 280, mit Nein haben gestimmt 225, Enthaltun- nem nuklearen Erstschlag und der Aufkündigung des gen keine. Die Beschlussempfehlung ist angenommen. 28656 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. März 2013

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms (A) Endgültiges Ergebnis Marlene Mortler Andrea Astrid Voßhoff (C) Abgegebene Stimmen: 505; Dr. Gerd Müller Dr. davon Jürgen Hardt Stefan Müller (Erlangen) Dr. ja: 280 Dr. (Hamburg) nein: 225 Dr. Georg Nüßlein Peter Weiß (Emmendingen) Mechthild Heil Franz Obermeier Sabine Weiss (Wesel I) Ja Eduard Oswald Ingo Wellenreuther Karl-Georg Wellmann CDU/CSU Dr. Michael Paul Peter Wichtel Rita Pawelski Annette Widmann-Mauz Ernst Hinsken Ulrich Petzold Klaus-Peter Willsch Peter Altmaier Dr. Elisabeth Winkelmeier- Thomas Bareiß Christian Hirte Sibylle Pfeiffer Becker Robert Hochbaum Dr. Günter Baumann Christoph Poland Wolfgang Zöller Ernst-Reinhard Beck Willi Zylajew (Reutlingen) Franz-Josef Holzenkamp Anette Hübinger (Börde) FDP Hubert Hüppe Dr. Dieter Jasper (Potsdam) (Münster) Dr. Florian Bernschneider Andreas Jung (Konstanz) Sebastian Blumenthal Dr. Maria Böhmer Bartholomäus Kalb Claudia Bögel Wolfgang Börnsen Hans-Werner Kammer Dr. Nicole Bracht-Bendt (Bönstrup) Bernhard Kaster Johannes Röring Klaus Breil Dr. Stefan Kaufmann Dr. Norbert Röttgen Rainer Brüderle Roderich Kiesewetter Dr. Christian Ruck Angelika Brunkhorst Klaus Brähmig Erwin Rüddel Dr. (Weiden) Dr. Wolfgang Schäuble Helga Daub Dr. Jürgen Klimke Dr. Bijan Djir-Sarai Dr. Karl Schiewerling Patrick Döring Mechthild Dyckmans (B) Ralph Brinkhaus Manfred Kolbe Georg Schirmbeck Hans-Werner Ehrenberg (D) Cajus Caesar Dr. Christian Schmidt (Fürth) Rainer Erdel Hartmut Koschyk Jörg van Essen Nadine Schön (St. Wendel) Ulrike Flach Thomas Dörflinger Dr. Kristina Schröder Marie-Luise Dött Dr. Günter Krings (Wiesbaden) Dr. Edmund Peter Geisen Dr. Rüdiger Kruse Bernhard Schulte-Drüggelte Hans-Michael Goldmann Ingrid Fischbach Heinz Golombeck Hartwig Fischer (Göttingen) Dr. Hermann Kues (Weil am Miriam Gruß Dirk Fischer (Hamburg) Günter Lach Rhein) Joachim Günther (Plauen) Axel E. Fischer (Karlsruhe- Dr. Karl A. Lamers Heinz-Peter Haustein Land) (Heidelberg) Manuel Höferlin Dr. Andreas G. Lämmel Birgit Homburger Klaus-Peter Flosbach Dr. Norbert Lammert Dr. Patrick Sensburg Heiner Kamp Bernd Siebert Michael Kauch Dr. Hans-Peter Friedrich Ulrich Lange Dr. Lutz Knopek (Hof) Dr. Max Lehmer Erich G. Fritz Dr. Heinrich L. Kolb Hans-Joachim Fuchtel Carola Stauche Gudrun Kopp Alexander Funk Matthias Lietz Dr. Dr. h. c. Jürgen Koppelin Ingo Gädechens Dr. Holger Krestel Dr. Thomas Gebhart Christian Freiherr von Stetten Patrick Kurth (Kyffhäuser) Dr. Jan-Marco Luczak Heinz Lanfermann Harald Leibrecht Sabine Leutheusser- Dr. Thomas de Maizière Schnarrenberger Peter Götz Hans-Georg von der Marwitz (Heilbronn) Lars Lindemann Dr. Wolfgang Götzer Michael Stübgen Dr. Martin Lindner (Berlin) Dr. Michael Meister Dr. Michael Link (Heilbronn) Hermann Gröhe Dr. Erwin Lotter Michael Grosse-Brömer Dr. h. c. Hans Michelbach Dr. Hans-Peter Uhl Horst Meierhofer Markus Grübel Dr. Gabriele Molitor Manfred Grund Philipp Mißfelder (Kleinsaara) Jan Mücke Monika Grütters Stefanie Vogelsang Petra Müller (Aachen) Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. März 2013 28657

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms (A) Burkhardt Müller-Sönksen Angelika Graf (Rosenheim) Rita Schwarzelühr-Sutter Johanna Voß (C) Dr. Dr. Carsten Sieling Sahra Wagenknecht (Lausitz) Gabriele Groneberg Wolfgang Gunkel Peer Steinbrück Jörn Wunderlich Hans-Joachim Hacker Dr. Frank-Walter Steinmeier Gisela Piltz Bettina Hagedorn Christoph Strässer BÜNDNIS 90/ Dr. Christiane Ratjen- Klaus Hagemann DIE GRÜNEN Damerau Michael Hartmann Dr. h. c. Jörg von Polheim (Wackernheim) Franz Thönnes Marieluise Beck (Bremen) Dr. Birgit Reinemund Volker Beck (Köln) Dr. Peter Röhlinger Rolf Hempelmann Rüdiger Veit Dr. Dr. Barbara Hendricks Dr. Marlies Volkmer Agnes Brugger Björn Sänger Andrea Wicklein Viola von Cramon-Taubadel Christoph Schnurr Gabriele Hiller-Ohm Dr. Dieter Wiefelspütz Ekin Deligöz (Essen) Waltraud Wolff Katja Dörner Frank Hofmann (Volkach) (Wolmirstedt) Dr. Erik Schweickert Dr. Eva Högl Uta Zapf Hans-Josef Fell Christel Humme Manfred Zöllmer Dr. Thomas Gambke Dr. Hermann Otto Solms Joachim Spatz Johannes Kahrs Dr. DIE LINKE Katrin Göring-Eckardt Ulrich Kelber Britta Haßelmann Torsten Staffeldt Jan van Aken Priska Hinz (Herborn) Hans-Ulrich Klose Dr. Anton Hofreiter Dr. Dr. Bärbel Kofler Bärbel Höhn Dr. (Leipzig) Ingrid Hönlinger Serkan Tören Fritz Rudolf Körper Johannes Vogel Angelika Krüger-Leißner (Lüdenscheid) Katja Keul Ute Kumpf Susanne Kieckbusch Dr. Guido Westerwelle Eva Bulling-Schröter Dr. Claudia Winterstein Memet Kilic Christian Lange (Backnang) Sven-Christian Kindler Dr. Volker Wissing Dr. Sevim Dağdelen Hartfrid Wolff (Rems-Murr) Dr. Maria Klein-Schmeink Steffen-Claudio Lemme Ute Koczy Heidrun Dittrich Sylvia Kotting-Uhl Gabriele Lösekrug-Möller Werner Dreibus Nein Oliver Krischer Kirsten Lühmann Klaus Ernst (B) Renate Künast (D) SPD Petra Merkel (Berlin) Diana Golze Markus Kurth Ingrid Arndt-Brauer Ullrich Meßmer Undine Kurth (Quedlinburg) Rainer Arnold Dr. Matthias Miersch Dr. Heinz-Joachim Barchmann Franz Müntefering Heike Hänsel Dr. Dr. Rolf Mützenich Inge Höger Nicole Maisch Dr. Barbara Höll Beate Müller-Gemmeke Sören Bartol Dr. Bärbel Bas Manfred Nink Sabine Bätzing-Lichtenthäler Aydan Özoğuz Dr. Hermann E. Ott Heinz Paula Caren Lay Brigitte Pothmer Klaus Brandner Johannes Pflug Tabea Rößner Dr. Wilhelm Priesmeier Claudia Roth (Augsburg) (Hildesheim) Ulla Lötzer Dr. Thomas Lutze Elisabeth Scharfenberg Marco Bülow Dorothée Menzner Dr. Gerhard Schick Petra Crone Stefan Rebmann Cornelia Möhring Ulrich Schneider Dr. Gerold Reichenbach Dorothea Steiner Elvira Drobinski-Weiß Dr. Carola Reimann Dr. Wolfgang Strengmann- Sönke Rix Kuhn Ingo Egloff René Röspel Jens Petermann Hans-Christian Ströbele Siegmund Ehrmann Dr. Richard Pitterle Dr. Harald Terpe Dr. h. c. Marlene Rupprecht Paul Schäfer (Köln) Markus Tressel Petra Ernstberger (Tuchenbach) Dr. Ilja Seifert Jürgen Trittin Elke Ferner Annette Sawade Raju Sharma Beate Walter-Rosenheimer Axel Schäfer (Bochum) Wolfgang Wieland Dr. (Aachen) Sabine Stüber Dr. Valerie Wilms (Spandau) Alexander Süßmair Josef Philip Winkler Sigmar Gabriel Dr. Frank Schwabe Frank Tempel fraktionsloser Dr. Martin Schwanholz Dr. Abgeordneter Iris Gleicke Alexander Ulrich Wolfgang Nešković 28658 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. März 2013

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms (A) Jetzt erteile ich das Wort der Kollegin Uta Zapf für genheit der USA. – Nein, liebe Freunde, das ist es nicht. (C) die SPD-Fraktion. Ich glaube, das ist eine Angelegenheit, die auch uns sehr berührt. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der LIN- KEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ- Uta Zapf (SPD): NEN) Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister Westerwelle, Sie haben, als Obama Herr Minister, ich danke Ihnen für Ihre freundlichen und wiedergewählt wurde, gesagt, nun müsse es neue Im- anerkennenden Worte. Das tut einem ganz gut, denke pulse geben und ein energischer weiterer Schritt ge- ich. Herzlichen Dank! macht werden. Dagegen ist nichts einzuwenden. Aber Ich danke aber auch meinerseits, zum einen für den ich sehe keine energischen Schritte, erst recht nicht in Bericht, der wie immer ein umfangreiches Kompendium der Frage der Modernisierung der Bomben, die auch in ist. Das kann man gar nicht alles auf einmal konsumie- Büchel liegen. Mutig wäre es in der Tat, wenn wir sagen ren. Das verlangt auch keiner von uns. Aber ich glaube, würden: Nein, wir modernisieren den Tornado nicht, der damit haben wir immer eine Quelle der Information. als Trägersystem notwendig ist. Dann kann man die mo- Deshalb auch dafür herzlichen Dank! dernisierte B61 auch nicht dranhängen. – Stattdessen ha- ben Sie in Chicago unterschrieben – mit Brief und Siegel –, Zum anderen danke ich ganz besonders für die gute dass wir die Trägersysteme adäquat in Betrieb halten, so- Zusammenarbeit im Unterausschuss. Ich glaube, wir ha- dass auch modernisierte B61 in Betrieb genommen wer- ben eine gute Zeit miteinander gehabt in all den Jahren, den können. Ich halte das für falsch und hoffe, dass wir die ich in diesem Unterausschuss sein durfte. Auch die darüber noch intensiv diskutieren werden. Zusammenarbeit mit dem Auswärtigen Amt war immer ausgesprochen positiv. Das muss ich ganz deutlich sa- (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ gen, auch wenn ich jetzt vielleicht gelegentlich etwas DIE GRÜNEN) Kritik anführe. Die NATO will durch Transparenzmaßnahmen bei (Beifall bei Abgeordneten der FDP) den taktischen Nuklearwaffen mit Russland Fortschritte bei der Abrüstung von substrategischen Nuklearwaffen Wir unterstützen die Position der Bundesregierung erreichen. Wie lange dauert das aber, wenn der Dialog nicht immer, aber doch immer wieder. Es ist auch nicht noch nicht einmal begonnen hat? Die in Europa statio- nur eine positive Bilanz, Herr Minister; in der Frage der nierten substrategischen Nuklearwaffen taugen nicht als Beurteilung des NATO-Gipfels bin ich ganz anderer (B) Verhandlungsgegenstand, wie immer behauptet wird. (D) Meinung. Russland fordert – ich denke, das ist eine Forderung, die Für mich und für die SPD war das Ergebnis des man ernst nehmen darf –, dass diese Waffen jeweils auf NATO-Gipfels eine große Enttäuschung. Aus unserer das eigene Territorium zurückgezogen werden, dass also Sicht ist die Rolle der Nuklearwaffen nicht wirklich mi- die in Europa stationierten taktischen Nuklearwaffen in nimiert worden; denn der bisherige Mix von konventio- die USA zurückgebracht werden und dass man erst dann nellen und nuklearen Waffen hat Bestand, solange es über weitere Schritte redet. Wir sollten noch einmal da- Nuklearwaffen gibt. Ich denke, das ist zu kurz gesprun- rüber nachdenken, ob das nicht eine gute Idee ist; denn gen. diese Waffen sind zu nichts nutze. Sie liegen da und kos- ten Geld. Das können wir uns in der Tat sparen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Der NATO-Abrüstungsausschuss ist ein Fortschritt. Das sehe ich auch so. Aber er ist gerade einmal etabliert, Auch der Herr Minister hat deutlich davon gespro- und was er macht und welche Ergebnisse er möglicher- chen, dass wir gemeinsame Sicherheit, kooperative weise bringt, wissen wir noch nicht. Sicherheit brauchen. Das ist in der Tat wahr. Das ist ins- besondere für die Aufrechterhaltung oder die Wiederher- (Christoph Schnurr [FDP]: Etabliert dank die- stellung der Rüstungskontrolle in Europa notwendig. ser Bundesregierung!) Deshalb frage ich nicht nur mich, sondern uns alle: Was – Vorher gab es auch schon Anläufe. Ich erinnere mich ist denn mit dem Medwedew-Vorschlag passiert? Was ist ganz gut. Da waren Sie noch nicht im Parlament. mit dem Korfu-Prozess passiert? Was ist mit den Be- schlüssen in Astana passiert? Der Korfu-Prozess, der Der Transparenzdialog mit Russland in Bezug auf die eine neue Sicherheitsarchitektur für Europa definieren taktischen Nuklearwaffen hat noch nicht begonnen. Er sollte – und zwar eine gemeinsame –, ruht. Mit ihm be- ist angekündigt, aber ich denke, es ist höchste Zeit, dass fassen sich momentan nur Wissenschaftler. Aber dieser er in Angriff genommen wird. Denn was wir wirklich Prozess sollte in die Politik überführt werden. Wir soll- anstreben, ist das, was diese Regierung versprochen hat, ten genau darüber mit Russland reden, weil wir sonst nämlich die taktischen Nuklearwaffen von deutschem einfach nicht vorankommen, auch in den Abrüstungs- Boden zu entfernen. Das zu erreichen, haben wir bisher prozessen nicht. keinerlei Aussicht. Stattdessen steht uns die Modernisie- rung der B61 ins Haus. Der Antwort auf unsere Große (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Anfrage entnehmen wir: Das ist eine nationale Angele- DIE GRÜNEN) Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. März 2013 28659

Uta Zapf (A) Wir brauchen – das bestätigen Wissenschaftler immer das dann nicht ein neues Wettrüsten aus? Dies ist nicht in (C) wieder – mehr Vertrauen zwischen Russland und den unserem Interesse. Deshalb werden wir uns bemühen westlichen Partnern, den USA und der NATO. Es gibt müssen, alles zu tun, um wieder Vertrauen und Transpa- ein tiefes Misstrauen auf beiden Seiten. Nukleare Abrüs- renz zu schaffen, aber auch um Strukturen abzubauen, tung wird ohne Erneuerung der konventionellen Rüs- die dem Interesse entgegenstehen, gemeinsame Sicher- tungskontrolle überhaupt nicht möglich sein. Der KSE- heit zu organisieren. Vertrag ist zurzeit mausetot. Das heißt, er muss dringend wiederbelebt werden. Durch das Scheitern des KSE-Ver- (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS- trags gibt es keine Inspektionen, keine Transparenz und SES 90/DIE GRÜNEN) keine Vertrauensbildung. Das, was die Bundesregierung Ich nenne noch ein paar Stichworte dazu. Das Wiener auf den Weg bringen will – das Ziel der verifizierten Dokument – so wurde es in Astana auf dem OSZE-Gip- Transparenz –, muss noch Formen annehmen, die greif- fel verabredet – sollte erweitert und verbessert werden. bar und umsetzbar sind. Es ist nicht viel passiert. Ich halte das aber für wichtig, Der A-KSE-Vertrag wurde von den NATO-Staaten weil das eine wichtige vertrauensbildende Maßnahme nicht ratifiziert. Ich habe das für einen Fehler gehalten. ist. Als Letztes möchte ich noch den Vertrag über den Die Nichteinhaltung der Istanbul-Verpflichtungen – das Offenen Himmel erwähnen. Dieser macht uns allen Sor- betrifft die Stationierung von Truppen der Russen in gen; denn er droht kaputtzugehen. Dieser Vertrag ist aber Georgien zum Beispiel und die Munitionsbestände, die eine der wichtigen Maßnahmen. Es mag sein, dass wir in Moldawien und Transnistrien lagerten – war ein den Streit zwischen der Türkei und Griechenland, der Grund dafür. Die Nichtratifizierung war aber ein Fehler, die Tagesordnung immerfort behindert, noch bereinigen weil das eigentlich nicht zusammenpasst. Wenn wir an können. Wir können aber nichts daran ändern, dass die der Rüstungskontrolle im konventionellen Bereich fest- Flugzeuge, die die Trägersysteme für die optischen Ein- halten wollen, dann müssen wir neue Ansätze finden. richtungen darstellen, das Ende ihrer Nutzungsdauer er- A-KSE wird nicht neu aufgelegt werden können, son- reichen. Deshalb muss eine Lösung gefunden werden. dern es wird einen neuen Anlauf geben müssen. Der Unterausschuss hat sich dafür ausgesprochen, ein Es hat mich sehr gefreut, dass wir im Unterausschuss neues System zu kaufen. Herr Minister, dabei sind wir ein Gespräch mit Herrn Schmidt von der HSFK hatten, uns alle einig gewesen; denn gerade durch diese gemein- der ein Spezialist für den KSE-Vertrag ist. Er sagte, die samen Inspektionen und durch den Informationsaus- Initiativen, die die Bundesregierung unternommen habe tausch ist großes Vertrauen geschaffen worden, das wir – diese waren nicht der Presse zugänglich und lagen nicht erodieren lassen dürfen. Dafür haben wir uns aus- gesprochen. Vielleicht gelingt es, auch noch einen An- (B) auch nicht offen auf dem Tisch –, seien positiv und daher (D) sehr zu loben. Insofern habe ich auch keine Schwierig- trag in der Richtung zu formulieren. keiten damit, an dieser Stelle die Bundesregierung zu lo- Herzlichen Dank. ben und zu ermutigen, in diese Richtung weiterzugehen. (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) bei Abgeordneten der LINKEN) – Da können ruhig alle klatschen. Es gibt aber eine Bedingung, deren Einhaltung ich für Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: dringend notwendig halte, weil die Fortschritte, die wir Für die CDU/CSU-Fraktion spricht jetzt der Kollege uns wünschen, nicht erreicht werden können, wenn wir Roderich Kiesewetter. nicht bei der Raketenabwehr neue Gedanken entwickeln. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Es gibt eine sicherheitspolitische Veränderung beim De- sign konventioneller Waffen in Europa und in den USA. „Prompt Global Strike“ und „Long-Range Strike“ sind Roderich Kiesewetter (CDU/CSU): Dinge, die die Russen total irritieren und die eine andere Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her- sicherheitspolitische Situation geschaffen haben. Ich ren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich denke, die Raketenabwehr ist ein wichtiger Punkt. Also bitte gleich zu Beginn als stellvertretender Vorsitzender müssen wir an diesen drei Stellen neue Ansätze finden. unseres Unterausschusses Ihnen, Frau Kollegin Zapf, Eine kooperative Lösung zwischen der NATO und Russ- ganz herzlich danken für Ihre Arbeit in den letzten vier land ist deshalb dringlich. Dringender Handlungsbedarf Jahren, in denen ich sie mitverfolgen konnte. Ich glaube, wird auch von der Wissenschaft gesehen. Das haben wir der heutige Bericht ist Anlass genug, einmal Ihre Arbeit in dieser Woche im Unterausschuss gehört. Ich glaube, zu würdigen. Ihnen, Frau Zapf, ist es gelungen, mit dem wir sollten in unserem eigenen Interesse dieses Thema Unterausschuss ein wirklich sehr gutes Instrument der nicht so aus dem Blick verlieren, wie dies vielleicht in gegenseitigen Information zu schaffen und die Arbeit den letzten Monaten und Jahren geschehen ist. trotz parteipolitischer Prägung sehr übergreifend zu or- ganisieren. Der Unterausschuss ist ein guter Informa- Die neuen östlichen NATO-Staaten haben historisch tionsausschuss geworden, der viele Anregungen gibt. bedingt tiefes Misstrauen gegen Russland und wünschen Herzlichen Dank dafür! Sicherheit durch Stationierung westlicher oder US-Trup- pen. Was passiert dann aber auf russischer Seite? Löst (Beifall) 28660 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. März 2013

Roderich Kiesewetter (A) Das Ganze wäre nicht machbar, wenn nicht auf der es ist eine ganz wichtige Aufgabe deutscher Sicherheits- (C) Seite der Exekutive das Auswärtige Amt uns so umfas- politik, hier weiterhin am Ball zu bleiben. Es ist ein Er- send informieren würde. Hier möchte ich insbesondere folg der deutschen Außenpolitik, dass die NATO nicht Herrn Botschafter Nikel und sein Team ansprechen. Herr nur auf ihrem Gipfel in Chicago, sondern auch beim Außenminister, vorzüglich! Strategischen Konzept Abrüstung und Rüstungskon- trolle zum Thema gemacht hat. Das ist, glaube ich, ganz (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) entscheidend. Es gibt nur wenig Anlässe im Deutschen Bundestag, (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) zu denen wir übergreifend über Sicherheitspolitik disku- tieren. Die Diskussion über Abrüstung, Rüstungskon- Ich komme zu einem weiteren Bereich, wo die Bun- trolle und Nichtverbreitung bietet einen Anlass dazu, desregierung sehr gut arbeitet. Es handelt sich um das weil sie Gelegenheit gibt, über übergreifende sicher- Einsammeln von Kleinwaffen in Nordafrika. Das betrifft heitspolitische Zielvorstellungen zu sprechen. Wir als die Konsequenzen der Proliferation und die Fragen der Parlamentarier sind aufgerufen, Dinge, die zusammen- Endverbleibskontrolle, was in der Vergangenheit schwierig gehören, zu verzahnen. zu lösen war. Das Einsammeln von Kleinwaffen bedeu- tet mehr regionale Sicherheit. Das geht natürlich nur ab- Zu einer guten sicherheitspolitischen Strategie gehört gestimmt mit den Partnern. nicht nur die Beantwortung der Frage, wie eine Gemein- same Außen- und Sicherheitspolitik oder der transatlan- Ein Letztes möchte ich in diesem Zusammenhang an- tische Pfeiler der NATO gestärkt werden können, son- sprechen: die internationale Kooperation der G 8, der dern auch, wie wir mit weniger Waffen und mit höherer acht großen Industriestaaten, speziell die Initiative „Glo- Transparenz mehr Vertrauen und vor allen Dingen mehr bale Partnerschaft gegen die Verbreitung von Massen- Sicherheit schaffen. vernichtungswaffen und -materialien“. Hier wurden seit 2002, also seit gut zehn Jahren, 20 Milliarden Euro inter- Wenn es uns gelingt, Abrüstungspolitik, Rüstungs- national eingesetzt. Deutschland ist mit 1,5 Milliarden kontrolle und Verifikation mit einer europäischen Si- Euro der zweitgrößte Geber. Wir fokussieren insbeson- cherheitsstrategie, aber auch mit einer nationalen Sicher- dere auf Russland und hier auf die Sicherung von Nu- heitsstrategie – das Auswärtige Amt erarbeitet gerade klearwaffen und Reaktoren in geschützten Gebäuden. eine – zu verzahnen, dann sind wir einen erheblichen Darüber hinaus geht es uns um die Vernichtung von Che- Schritt weiter. Deshalb möchte ich aus dem aktuellen miewaffen in Russland. Das ist uns 1,5 Milliarden Euro Abrüstungsbericht gerne einige Punkte ansprechen. wert. Dies ist sicherlich auch ein Punkt, der Verhandlun- Zunächst zur Abrüstung, Rüstungskontrolle und gen mit Russland beschleunigen müsste. Vielleicht kann (B) Nichtverbreitung mit Blick auf den Nichtverbreitungs- unsere deutsche Diplomatie etwas mehr mit dieser Karte (D) vertrag. Hier ist es uns gelungen, in Diskussionen dafür spielen. zu werben, eine von Massenvernichtungswaffen freie Meine sehr geehrten Damen und Herren, abschlie- Zone im Nahen und Mittleren Osten zu erreichen. Wir ßend möchte ich auf den Vertrag über den Offenen Him- alle wissen, wie verhärtet dort die Lage ist. Deswegen mel eingehen. Er schafft die Grundlage für ein vorbildli- müssen wir den dortigen Staaten ein Ziel, eine Vision ches Verifikationsinstrument. So wird es möglich, bieten. Die gegenwärtige Sicherheitspolitik muss irgend- Schulter an Schulter mit ehemaligen Gegnern aus Flug- wann einmal transformiert werden, damit die Waffen, zeugen heraus Verifikationen über bisher verschlossenen die dort im Verborgenen sind und über die wir diskutie- Gebieten vorzunehmen. Im Jahr 1997 ist das Flugzeug, ren, aus dieser Region verbannt werden. Es darf nicht das Deutschland hierfür zur Verfügung gestellt hatte, bei geschehen, dass sich die Lage zuspitzt und es zu einem einem schrecklichen Unglück vor der afrikanischen nuklearen Wettrüsten im Nahen und Mittleren Osten Küste abgestürzt. Seither nutzen wir Mietlösungen. Eine kommt. Kauflösung würde etwa 34 Millionen Euro kosten. Die Zur konventionelle Abrüstung. Frau Zapf hat zu Gelder dafür sind nicht vorhanden. Allerdings bin ich Recht die Weiterentwicklung des sogenannten KSE-Ver- dem Bundesverteidigungsministerium dankbar, dass es trags angesprochen. Es ist der Bundesrepublik gelungen, zurzeit mit unseren rüstungskontrollpolitischen Partnern gemeinsam mit den Niederlanden und Dänemark für Im- auslotet, wer bereit wäre, sich hier zu engagieren. Es pulse zu sorgen, sodass wir im Bereich der konventio- geht darum, die Kosten der Beschaffung von 34 Millio- nellen Abrüstung möglicherweise bald Fortschritte er- nen Euro und des jährlichen Betriebs von etwa 6 Millio- zielen. Herr Außenminister, ich möchte ausdrücklich nen Euro aufzuteilen. Ich denke, wenn es uns gelingt, Ihre Worte im Hinblick auf die Zusammenarbeit mit hier für mehr Partnerschaft zu sorgen, erhalten wir ein Russland unterstreichen. Es ist ganz entscheidend, dass Instrument, das eine Verifikation im täglichen Erleben wir in drei Bereichen mehr Kooperation erreichen: im leistet und zugleich eine vertrauensbildende Maßnahme Bereich der Raketenabwehr, im Bereich der substrategi- darstellt. schen Atomwaffen und im Bereich der konventionellen Die Dinge, die wir in den vergangenen 20 Jahren für Abrüstung. Europa entwickelt haben, brauchen wir, um unsere Hilfreich wäre sicherlich, wenn man eine übergrei- Nachbarschaftspolitik besser zu gestalten. Ich sprach fende Bedrohungsanalyse erreichen würde. Aber, Frau eingangs davon, dass Abrüstung, Rüstungskontrolle und Zapf, Medwedew ist nicht mehr Präsident; Putin be- Nichtverbreitung Themen sind, die in eine sicherheits- stimmt die Richtlinien der russischen Politik. Ich glaube, politische Strategie eingebunden sein müssen. Wir haben Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. März 2013 28661

Roderich Kiesewetter (A) im Hinblick auf die südliche Nachbarschaft in Afrika plante Raketenabwehrsystem sorgt weder für mehr Si- (C) alle Hände voll zu tun, dass den dortigen Staaten eine cherheit in Europa noch für nukleare Abrüstung. Rake- Grundstabilität vermittelt wird und sie freiwerdende tenabwehr wird Atomwaffen nicht ersetzen; es ist kein Mittel nicht dafür verwenden, in einen Rüstungswettlauf rein defensives System. Im Gegenteil: Es macht militäri- an der südlichen Küste des Mittelmeers einzutreten. Wir sche Offensiven wahrscheinlicher. Schwert und Schild sollten diesen Staaten helfen, dass sie unter Rückgriff gehören in der Militärstrategie traditionell zusammen. auf Erfahrungen mitteleuropäischer Staaten im Bereich Die Aufrüstungsspirale wird dadurch weiter angeheizt. der Abrüstung ein vertrauensbildendes Kontrollsystem, Die Linke sagt als einzige Partei Nein zu Atomwaffen eine Art Verifikationssystem, aufbauen, und zwar hin- und Nein zu dem Raketenabwehrsystem. sichtlich des Öffnens ihrer Waffentresore und hinsicht- lich verbindlicher Obergrenzen für bestimmte Rüstungs- (Beifall bei der LINKEN) gegenstände. Aus diesem Grund müssen wir auch den SPD-Antrag ab- Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn es uns lehnen, der sich unter anderem für die Raketenabwehr gelingt, innerhalb der EU stärker dafür zu werben, kön- ausspricht. Schade, denn ansonsten enthält dieser Antrag nen wir zumindest erreichen, dass das, was uns Mitteleu- viele sinnvolle Forderungen. Aber als Friedenspartei ropäer auszeichnet – vertrauensvolle Zusammenarbeit, (Widerspruch bei Abgeordneten der CDU/ Kooperation und Transparenz –, auch für unsere südli- CSU) chen Nachbarn ein Anreiz ist. wendet sich die Linke gegen jede Form der militärischen Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. Aufrüstung. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) (Beifall bei der LINKEN) Dann enthält der Bericht wieder einmal die übliche Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Kritik an den Staaten, die die Bundesregierung nicht als Das Wort hat jetzt die Kollegin Inge Höger von der ihre Verbündeten ansieht. Da ist immer wieder die Rede Fraktion Die Linke. von der Bedrohung durch den Iran und sein angeblich (Beifall bei der LINKEN) militärisches Atomprogramm. Dabei gibt es in allen IAEO-Berichten keine Beweise dafür, dass der Iran nach 2003 weiter an der Atombombe gebastelt hat. Spekula- Inge Höger (DIE LINKE): tionen, Halbwahrheiten und Lügen führen schnell zum Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Allein im Krieg. Hören Sie auf damit! Sorgen Sie zuerst dafür, letzten Jahr hat die deutsche Rüstungsindustrie das Volu- (B) dass die US-Atomwaffen aus Deutschland abgezogen (D) men ihrer Exporte in die Golfstaaten mehr als verdop- werden. pelt: von 570 Millionen Euro auf mehr als 1,4 Milliarden Euro. Vor diesem Hintergrund ist die Art und Weise, wie (Beifall bei der LINKEN) das Thema Abrüstung in dem Bericht der Bundesregie- Die Bundesregierung lobt sich dafür, dass sie den rung behandelt wird, ein Hohn. Druck auf Nordkorea erhöht hat. Dieses Thema wird Das sieht man zum Beispiel daran, wie über den zurzeit heftig diskutiert. Meine Damen und Herren, ha- NATO-Gipfel berichtet wird: Die Ergebnisse von ben Sie zur Kenntnis genommen, dass die USA ihre Mi- Chicago werden als Erfolg verkauft. Auf genau diesem litärpräsenz in der gesamten Region Ostasien und Pazi- NATO-Gipfel aber hat das Kriegsbündnis seine Atom- fik massiv ausbauen und gerade ein großes Manöver in waffen als „Kernkomponente“ bezeichnet. Südkorea durchführen? (Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/ (Christoph Poland [CDU/CSU]: Wegen Nord- DIE GRÜNEN]: „Kriegsbündnis“? Aha! Das korea!) stellt ja klar, worum es Ihnen hier geht!) Die Aufrüstung und das Säbelrasseln Nordkoreas leh- Von einer atomwaffenfreien Welt sind wir weiter ent- nen auch wir ab; fernt denn je. Die deutsche Regierung hat sogar zuge- (Zurufe von der CDU/CSU und der FDP: sagt, ihre Tornadoflotte für teures Geld zu modernisie- Aha!) ren, damit sie auch in Zukunft für den Abwurf von Atombomben bereitsteht. Die NATO hat damit bekräf- aber man muss beides im Zusammenhang mit der star- tigt, dass weiterhin mit der Hiroshima-Drohung Politik ken US-Präsenz in der Region sehen. Hier einseitig gemacht wird. Gegen diese Kriegspolitik haben in Pjöngjang mit Sanktionen zu belegen, ist kontraproduk- tiv. Chicago 20 000 Menschen demonstriert; und das war gut so. (Zuruf von der CDU/CSU: Sie verdrehen die Tatsachen! – Zuruf der Abg. Marieluise Beck (Beifall bei der LINKEN) [Bremen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Herr Westerwelle, Sie haben gesagt, eine atomwaf- Regionale Abrüstungsinitiativen werden auch hier nur fenfreie Welt sei weiterhin Ihr Ziel. Der vorliegende Jah- Aussicht auf Erfolg haben, wenn alle Beteiligten einbe- resabrüstungsbericht nennt das geplante Raketenabwehr- zogen werden. system „einen nachhaltigen Fortschritt in Richtung größerer Sicherheit“. Das Gegenteil ist der Fall. Das ge- (Beifall bei der LINKEN) 28662 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. März 2013

Inge Höger (A) Ein weiterer Misserfolg der weltweiten Abrüstungs- sehr schön formuliertes und umfangreiches Papier. Doch (C) politik im Jahre 2012 war die Absage der geplanten seitenweise schöne Worte können nicht darüber hinweg- Konferenz für einen atomwaffenfreien Nahen und Mitt- täuschen, dass es der schwarz-gelben Abrüstungspolitik leren Osten. Es wäre für eine friedliche Entwicklung in an Substanz fehlt; denn es fehlt ihr auch an Glaubwür- der Region und weltweit gut, wenn es in der Region digkeit, an Elan und an Konsequenz. Dafür möchte ich keine Atomwaffen mehr geben würde. Dann müsste aber drei Beispiele nennen. auch Israel seine Atombomben abschaffen. Die Bundes- regierung will sich weiter für die Einberufung dieser Erstens. Herr Minister Westerwelle, Sie bekennen Konferenz einsetzen. Allerdings schweigt sie darüber, sich hier mit großen Worten zum Willen der Bundesre- wie man das machen will. Hier stellt sich die Frage, wie gierung, für globale Abrüstung einzutreten. Die Frage ist man die inoffizielle Atommacht Israel natürlich – ich greife da das Stichwort „Verzahnung“ des Kollegen Kiesewetter auf –, was Sie jenseits dessen tun, (Bijan Djir-Sarai [FDP]: Woher wissen Sie das was im Bericht geschrieben steht. Da sehen wir: Die überhaupt?) Kanzlerin hält Waffenexporte nach dem Motto „Ertüch- zum Mitmachen bewegen kann. Bestimmt nicht durch tigung statt Einmischung“ offensichtlich für ein wesent- die Aufrüstung mit deutschen U-Booten! liches Instrument einer neuen deutschen Außenpolitik. Ausgewählte Staaten, ungeachtet der Menschenrechts- (Beifall bei der LINKEN) lage, sollen mit deutschen Waffen befähigt werden, re- gional für eine vermeintliche Stabilität zu sorgen. Wir Man kann den deutschen Jahresabrüstungsbericht halten diesen Kurs für falsch und für grundgefährlich. nicht losgelöst von den deutschen Rüstungsexporten be- trachten. Deutschland ist inzwischen der drittgrößte Rüs- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) tungsexporteur der Welt. Wie passt dies damit zusam- men, dass die Regierung sich rühmt, 2012 etwas gegen Oder nehmen wir Verteidigungsminister de Maizière, die Verbreitung von Kleinwaffen getan zu haben? Wie der in den Verteidigungspolitischen Richtlinien Deutsch- kann man einerseits das Kleinwaffen-Aktionsprogramm lands Festhalten an der nuklearen Abschreckung bekräf- stärken und andererseits Kleinwaffen an den Menschen- tigt hat. Herr Minister Westerwelle, was auch immer Sie rechtsmusterknaben Saudi-Arabien exportieren, zumal heute und an anderer Stelle in Sachen Abrüstung sagen, man dorthin nicht nur Kleinwaffen exportiert, sondern solche Aktionen und das Handeln der Bundesregierung auch Panzer und Drohnen? Mit dieser Politik muss end- entlarven das als Lippenbekenntnis. lich Schluss sein. Wir wollen keine Geschäfte mit dem Zweites Beispiel. Die nukleare Abrüstung haben Sie Tod. am Beginn der Legislaturperiode zu einem wichtigen (B) (Beifall bei der LINKEN) Ziel erklärt. Auch der Abzug der US-Atomwaffen aus (D) Deutschland wurde im schwarz-gelben Koalitionsver- Wenn ich den Jahresabrüstungsbericht einem Reali- trag in Aussicht gestellt. Und doch werden nun diese tätscheck unterziehe, bleibt von Abrüstung nicht viel üb- Atombomben im Rahmen des amerikanischen Life- rig – nur die Erkenntnis: Die Regierung will überall ab- Extension-Programmes modernisiert und damit nicht ab- rüsten, nur nicht im eigenen Land und nicht bei den gezogen, sondern für eine lange Zukunft ertüchtigt. Verbündeten. Das ist heuchlerisch. Abrüstung beginnt Auch die NATO ist weit davon entfernt, sich von den im eigenen Land. Wir Linken wollen eine echte Abrüs- Nuklearwaffen zu verabschieden. Nach der Wiederwahl tungspolitik. Barack Obamas als Präsident der Vereinigten Staaten im (Beifall bei der LINKEN) November und seiner Ankündigung, neue Verhandlun- gen mit Russland aufnehmen zu wollen, ließ der Außen- minister verlauten, er hoffe nun auf neue Impulse in der Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Abrüstung. In dieser Äußerung tritt die ganze Passivität Das Wort hat jetzt die Kollegin Agnes Brugger von Ihrer Politik zutage. Sie warten immer nur auf den ame- Bündnis 90/Die Grünen. rikanischen Taktgeber. Auch durch diese Passivität scheitern Sie. Agnes Brugger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Uta (Widerspruch bei Abgeordneten der FDP) Zapf, auch ich möchte mich bei dir ganz herzlich für die Drittens. Herr Minister Westerwelle, Sie haben auch tolle Zusammenarbeit bedanken. Ich finde, in deiner die Ächtung von Landminen und Streumunition ange- sechsten Legislaturperiode hast du gezeigt, wie man mit sprochen. Es ist gut, dass sich die Bundesregierung für viel langem Atem, mit viel Hartnäckigkeit, mit viel eine Universalisierung des entsprechenden Abkommens Herzblut und Leidenschaft für das wichtige Thema Ab- einsetzt. Aber es klafft auch in Deutschland eine erhebli- rüstung eintreten kann. Das hat mich persönlich sehr be- che Lücke. Es ist nämlich immer noch erlaubt, in Unter- eindruckt. nehmen zu investieren, die diese barbarischen Waffen (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN herstellen. Mit aller Kraft sträubt sich die schwarz-gelbe sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der Koalition gegen ein gesetzliches Investitionsverbot. Das SPD und der FDP) nenne ich inkonsequent. Ich danke auch für den Jahresabrüstungsbericht der (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN schwarz-gelben Bundesregierung. Er ist in der Tat ein sowie der Abg. Uta Zapf [SPD]) Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. März 2013 28663

Agnes Brugger (A) Ich habe oft den Eindruck, ein grundlegendes Pro- es zum Ende dieser Woche doch noch eine Debatte gibt, (C) blem Ihrer Abrüstungspolitik ist die Mutlosigkeit. Dafür die nicht vom Wahlkampf bestimmt wird. war die Lesung des Antrags der grünen Bundestagsfrak- tion, über den wir heute unter anderem abstimmen wer- (Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister: Ja, den, ein gutes Beispiel. In unserem Antrag „Konsequent das ist so!) vorangehen für eine atomwaffenfreie Welt“ machen wir Nun ist es zum Schluss doch nicht ganz gelungen. Das einmal mehr deutlich, dass Deutschland für ein starkes kann man Ihnen nachsehen. Aber ich muss sagen: Der und vor allem glaubwürdiges Engagement bei der nu- Auftakt der Debatte hat mich viel mehr begeistert als klearen Abrüstung bei sich selbst beginnen muss. Des- das, was Sie eben vorgetragen haben, liebe Kollegin. halb fordern wir Grüne zum Beispiel die Beendigung des Beitrages der Bundeswehr mit Trägersystemen und Pilo- Meine Damen und Herren, die Vorträge, die wir am ten zum Bereithalten der US-Nuklearwaffen in Deutsch- Anfang gehört haben, vor allen Dingen die Erläuterun- land. Wir wollen, dass ihr Abzug endlich Realität wird gen des Außenministers, zeigen, dass die Bundesregie- und sagen deshalb klar Nein zu einer Modernisierung rung den selbstgestellten Auftrag, eine aktive Abrüs- der Trägersysteme und dieser Atombomben. tungspolitik zu betreiben, tatsächlich ernst nimmt. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Keine Fraktion in diesem Haus ist eine Weltmacht, die andere Mächte bewegen könnte, dies oder jenes Es geht aber auch um das deutsche Engagement auf in- schneller zu machen, oder durchgreifende Erfolge in ternationaler Ebene, zum Beispiel für eine Konvention, kurzer Frist gewährleisten könnte. Die Agenda der Ab- die Nuklearwaffen für immer verbietet. In der Beratung rüstungspolitik lässt sich nicht mit der Agenda von unseres Antrags hier im Parlament haben wir dazu von Wahlterminen synchronisieren. Ihnen, meine Damen und Herren von der Koalition, in erster Linie zu hören bekommen: Das können wir nicht (Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister: So machen. Das geht nicht. Das wird nichts. ist es!) Ja, der Weg zur atomaren Abrüstung ist langwierig Abrüstungspolitik lässt sich auch nicht durch Maximal- und schwierig, aber offenbar haben Sie schon aufgege- forderungen beschleunigen, sondern sie ist einer der ben. Sie hocken sich an den Wegrand und warten nur da- Politikbereiche, in dem es am wesentlichsten darauf an- rauf, dass jemand voranschreitet und Sie mitzieht. Si- kommt, die Realitäten ganz genau zu beschreiben, die cher, bei der atomaren Abrüstung haben wir in den Interessen der Beteiligten genau zu kennen und neben vergangenen Wochen auch herbe Rückschläge erlebt. ihren Interessen auch noch ihre Reaktionen und ihre Die Konferenz zur massenvernichtungswaffenfreien Emotionen zu berücksichtigen. (B) (D) Zone im Nahen Osten kam nicht zustande, die Entwick- (Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister: So lungen im Iran und die schrillen Ankündigungen aus ist es!) Nordkorea bieten Anlass zu großer Sorge. Aber, meine Damen und Herren, Verzagen hilft nicht, Aufgeben gilt Ich möchte das am Beispiel Russlands gerne etwas nicht. Mit einer „Geht nicht“-Einstellung bewegt man vertiefen. Kollege Kiesewetter hat die drei Bereiche, in schließlich gar nichts. denen man mit Russland weiterkommen könnte und auch sollte, beschrieben. Warum ist das so schwer? Wa- Es gibt viel zu tun für eine friedliche Welt. Doch in rum haben wir so ein schwieriges Dialogverhältnis mit den vergangenen dreieinhalb Jahren hat diese Bundesre- Russland in diesem Bereich? gierung kaum mehr geschafft, als leere Versprechungen zu produzieren und diese dann auch noch durch eine aus- Zum einen gibt es alte Vorbehalte und tiefsitzendes ufernde Rüstungsexportpolitik zu konterkarieren. Es Misstrauen, das durch vergleichsweise kleine Falsch- wird höchste Zeit für den Wechsel, damit Deutschland reaktionen oder schräge Töne schnell wieder geweckt endlich wieder zum Vorreiter für die globale Abrüstung wird. Das muss man berücksichtigen. So etwas kann wird. man nicht in kurzer Frist beheben. Vielen Dank. Das Zweite ist, dass die Russen nicht nur auf diesem Feld sehr dazu neigen, dem Partner einen sehr weitrei- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN chenden und konstruktiven Vorschlag auf den Tisch zu sowie bei Abgeordneten der SPD) legen, dann aber zu warten, was der andere daraus macht. Man kommt aber nur voran, wenn man in beide Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Richtungen in kleinen Portionen mit Konkretisierungen Als letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt er- arbeitet. teile ich dem Kollegen Erich Fritz von der CDU/CSU- Drittens. Warum scheitert das auf russischer Seite im- Fraktion das Wort. mer wieder, was viele in Russland selbst bedauern? Das (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) hängt damit zusammen, dass all die Sicherheitsdebatten in Russland immer noch eine ganz entscheidenden Be- deutung in der innenpolitischen Diskussion haben, und Erich G. Fritz (CDU/CSU): dass die Frage der Akzeptanz der Führung ganz wesent- Vielen Dank, Herr Präsident. – Meine lieben Kolle- lich mit dem Signal: „Ich bin bereit, Sicherheit auch un- ginnen und Kollegen! Ich hatte mich schon gefreut, dass ter schwierigen Bedingungen und gegen einen angeblich 28664 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. März 2013

Erich G. Fritz (A) starken Feind zu gewährleisten“, zusammenhängt. Das Ich glaube also, dass wir sowohl in der großen politi- (C) ist schade. schen Linie wie auch in den konkreten Aktionen und im Umgang mit Partnern eine sehr gute Abrüstungspolitik Das heißt, wir müssen versuchen, vertrauensbildende betreiben. Der Bericht ist deshalb zu Recht von verschie- Maßnahmen – Frau Zapf hat es genau richtig beschrie- denen Seiten gelobt worden. Ich kann der Bundesregie- ben – zu ergreifen. Wir müssen positive Anreizimpulse rung nur sehr dafür danken, dass sie dieses Thema wei- setzen, terverfolgt, und zwar mit genau der Konsequenz und Beharrlichkeit, die das Thema verlangt. Alles andere, (Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister: So jede Form des Aktivismus ist bei diesem Thema unange- ist es!) bracht und ohnehin nutzlos. was allerdings nicht so leicht ist. Ich hätte gedacht, wenn (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) man als Europäer zum Beispiel hilft, die Abrüstung der Atom-U-Boote zu fördern oder die Chemiewaffen zu be- Ich schließe mich dem Dank an die Kollegin Zapf seitigen – wie es gerade schon vorgetragen worden ist –, sehr gerne an, obwohl ich sie lange Zeit bei diesem dann würde das als das entsprechende Zeichen aufge- Thema eher besichtigt als gestört habe. fasst, dass einem daran liegt, hier sehr kooperativ vorzu- gehen. (Uta Zapf [SPD]: Das stimmt!) Es ist also sehr schwierig. Ich bin froh, dass es auf der Wir sind gemeinsam 1990 in den Bundestag gekommen. Seite der NATO einen gemeinsamen formulierten Willen Das hat uns nun beide veranlasst, nicht mehr zu kandi- zur Abrüstung gibt. Wir können dazu beitragen, indem dieren. Da es aber noch ein paar Themen in der Pipeline wir das positiv begleiten und nicht kleine Münze ma- gibt, zu denen ich die Möglichkeit habe, zu sprechen, ist chen, indem wir eine Atmosphäre erzeugen, die uns dies sicherlich nicht meine letzte Rede. Ihnen jedenfalls hilft, Schritt für Schritt weiterzukommen. wünsche ich alles Gute. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie der Abg. Marieluise Beck [Bremen] [BÜND- bei Abgeordneten der SPD) NIS 90/DIE GRÜNEN]) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Meine Damen und Herren, der Außenminister hat ja Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf deutlich gemacht, dass auch in den USA ein Perspektiv- Drucksache 17/12570 an die in der Tagesordnung aufge- wechsel erwogen wird. Wir sollten auf europäischer führten Ausschüsse vorgeschlagen. – Damit sind Sie ein- Seite eine die Aspekte zusammenfassende Debatte über (B) verstanden. Dann ist das so beschlossen. (D) die Sicherheits- und Verteidigungspolitik der Europäi- schen Union und über eine gemeinsame Außenpolitik in- Wir kommen nun zu dem Entschließungsantrag der tensivieren. Warum sollten wir das tun? Warum hat das Fraktion der SPD zu dem Jahresabrüstungsbericht 2012 etwas mit Abrüstung zu tun? Ich glaube, dass der Um- der Bundesregierung. Interfraktionell ist vereinbart, über gang mit unseren zukünftigen Partnern südlich des Mit- den Entschließungsantrag auf Wunsch der einbringen- telmeers sowie die Möglichkeit der Einflussnahme auf den Fraktion, abweichend von der Geschäftsordnung, die sicherheitspolitische Situation im Nahen Osten nur sofort abzustimmen. Sind Sie damit einverstanden? – dann gegeben ist, wenn sich die Europäer selbst in die Das ist offensichtlich der Fall. Dann verfahren wir so. Lage versetzen, eine gemeinsame aktive Rolle zu über- nehmen. Wir kommen zur Abstimmung über den Entschlie- ßungsantrag auf Drucksache 17/12703. Wer stimmt da- (Roderich Kiesewetter [CDU/CSU]: Sehr für? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Damit ist richtig!) der Entschließungsantrag bei Zustimmung durch die ein- bringende Fraktion abgelehnt. CDU/CSU, FDP und Wir haben aber zu viele Stellen, an denen alte Reflexe Linke waren dagegen. Bündnis 90/Die Grünen haben das gemeinsame europäische Handeln konterkarieren. sich enthalten. Gerade wenn wir an die vergangenen Jahre denken, wird klar, dass die Reaktionen nicht immer ideal waren. Das Wir kommen zur Abstimmung über die Beschluss- gilt auch für den Beginn der Mali-Diskussion. Ich will empfehlung des Auswärtigen Ausschusses auf Druck- das jetzt nicht kritisieren, aber doch sagen, dass man sich sache 17/12251. da etwas anderes hätte vorstellen können. Zunächst zu der Beschlussempfehlung zum Antrag der Ich war mit dem Kollegen Kiesewetter vor nicht allzu Fraktion der SPD mit dem Titel „Keine Modernisierung langer Zeit in Libyen. Ich weiß, wie sehr man uns dort der US-Nuklearwaffen in Europa und Deutschland – Ab- vertraut und akzeptiert. Man schätzt unser Engagement rüstungschancen nicht ungenutzt verstreichen lassen“. im Bereich der Minenräumung und unseren Versuch, mit Unter Buchstabe a empfiehlt der Ausschuss in seiner Be- Argumenten bei der Entwaffnung der Milizen oder wie schlussempfehlung, den Antrag der Fraktion der SPD auch immer man diese Einheiten nennen will zu assistie- auf Drucksache 17/11323 abzulehnen. Wer stimmt für ren. Wenn man die Zustände sieht, unter denen das dort die Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – geschehen muss, weiß man, dass das alles andere als ein- Enthaltungen? – Die Beschlussempfehlung ist angenom- fach ist. men bei Zustimmung durch CDU/CSU und FDP. Dage- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. März 2013 28665

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (A) gen waren SPD und Bündnis 90/Die Grünen. Die Linke Hierzu ist verabredet, eine Dreiviertelstunde zu debat- (C) hat sich enthalten. tieren. – Dazu höre und sehe ich keinen Widerspruch. Das ist dann so beschlossen. Unter Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung emp- fiehlt der Ausschuss die Ablehnung des Antrags der Für die SPD-Fraktion erteile ich das Wort der Kolle- Fraktion Die Linke auf Drucksache 17/11225 mit dem gin Elvira Drobinski-Weiß. Titel „Abzug statt Modernisierung der US-Atomwaffen (Beifall der Abg. Gabriele Groneberg [SPD]) in Deutschland“. Wer stimmt für diese Beschlussemp- fehlung? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Die Beschlussempfehlung ist angenommen bei Zustimmung Elvira Drobinski-Weiß (SPD): durch die Koalitionsfraktionen und die SPD-Fraktion. Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kol- Die Linke war dagegen. Bündnis 90/Die Grünen haben legen! Verehrte Damen und Herren auf der Tribüne! Es sich enthalten. ist nun genau ein Jahr her, dass uns Ministerin Aigner er- klärt hat, ihr Auftrag sei – ich zitiere – „Kennedy 2.0“. Zusatzpunkt 13. Abstimmung über die Beschluss- Heute, am Weltverbrauchertag 2013, müssen wir leider empfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu dem An- feststellen: Auftrag nicht erfüllt, „Kennedy 2.0“ war eine trag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit dem Titel Mogelpackung. „Konsequent vorangehen für eine atomwaffenfreie Welt“. Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussemp- Beispiel Lebensmittel. Da hieß es – ich zitiere –: fehlung auf Drucksache 17/12733, den Antrag der Frak- Was draufsteht, muss auch drin sein. Die Menschen tion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 17/9983 wollen ehrliches Essen – und dafür kämpfe ich. abzulehnen. Wer stimmt für die Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Die Beschluss- Das sagte Ministerin Aigner in ihrer Rede vor einem empfehlung ist angenommen bei Zustimmung der CDU/ Jahr zum Weltverbrauchertag. Es war ein wenig erfolg- CSU und der FDP. Dagegen waren Linke und Bünd- reicher Kampf: Gammelfleisch, Dioxin in Eiern, Anti- nis 90/Die Grünen. Die SPD-Fraktion hat sich enthalten. biotika in Hähnchen, Ehec, falsch etikettierte Eier, Pfer- defleisch als Rindfleisch – all das hat mit ehrlichem Ich rufe die Tagesordnungspunkte 31 a und 31 b auf: Essen nichts zu tun. a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Elvira Leider wird sich das mit dieser Bundesregierung Drobinski-Weiß, Willi Brase, Petra Crone, weite- kaum ändern, denn dafür würde man mindestens dreier- rer Abgeordneter und der Fraktion der SPD lei benötigen: eine ehrliche Analyse der Schwachstellen in der Lebensmittelkette und ihrer Kontrollen; den ehrli- (B) Lage der Verbraucherinnen und Verbraucher (D) verbessern chen Willen, daran etwas zu ändern, und zwar auch dann, wenn man sich dabei mit der Wirtschaft anlegen – Drucksache 17/12689 – muss; und eine ehrliche Information der Verbraucherin- Überweisungsvorschlag: nen und Verbraucher, sodass auch in Täuschungsfällen Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und und bei Falschetikettierung Ross und Reiter genannt Verbraucherschutz (f) werden. Innenausschuss  Rechtsausschuss  (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Finanzausschuss  der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE Ausschuss für Wirtschaft und Technologie GRÜNEN) Ausschuss für Gesundheit  Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung  Kennedy forderte in seiner Rede zum Verbraucher- Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit  Ausschuss für Bildung, Forschung und schutz am 15. März 1961 für Verbraucher das Recht auf Technikfolgenabschätzung Informationen. Heute aber gibt es von Kennedy – ge- Ausschuss für Kultur und Medien schweige denn von „Kennedy 2.0“ – keine Spur. b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Nicole Letzte Woche wurde in Windeseile das Lebensmittel- Maisch, Renate Künast, Bärbel Höhn, weiterer und Futtermittelgesetzbuch geändert. Nichts hat sich da- Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ durch verbessert. Liebe Kolleginnen und Kollegen von DIE GRÜNEN den Koalitionsfraktionen, wir, die SPD, haben Sie davor gewarnt; denn die Hürden sind dafür zu hoch. Die Ände- Für eine moderne und nachhaltige Verbrau- rung des § 40 des Lebensmittel- und Futtermittelgesetz- cherpolitik buches wird nicht dazu führen, dass die Behörden über – Drucksache 17/12694 – Täuschungsfälle informieren. Überweisungsvorschlag: (Dr. Gerd Müller, Parl. Staatssekretär: Doch!) Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (f) Das meinen auch die Juristen und Kontrolleure, die sich Rechtsausschuss  seit gestern auf dem 26. Deutschen Lebensmittelrechts- Finanzausschuss  tag treffen. Sie fürchten sogar, dass die Verbraucher bei Ausschuss für Gesundheit  Betrügereien und Skandalen wegen juristischer Unsi- Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung  Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit  cherheiten künftig noch schlechter informiert werden. Ausschuss für Kultur und Medien Martin Müller, Deutschlands oberster Lebensmittelkon- 28666 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. März 2013

Elvira Drobinski-Weiß (A) trolleur, hält das Gesetz für handwerklich schlecht ge- Wir wollen mehr Markttransparenz. Deshalb fordern (C) macht, und Fachjuristen sehen Unsicherheiten in einem wir eine grundsätzliche Veröffentlichung aller amtlichen Ausmaß, das es noch nie gegeben hat. Kontrollergebnisse. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das zeigt: Wieder (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der LIN- einmal sind Verbraucherschutz und Verbraucherinforma- KEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ- tion an der Rücksicht auf die Interessen der Wirtschaft NEN) gescheitert. Das ist grundlegend für das Recht der Verbraucher auf (Beifall der Abg. Gabriele Groneberg [SPD]) Information. Nachbesserungen sind hier dringend nötig. Wir müssen weiterhin die Grundlagen für eine bes- sere und effizientere Lebensmittelüberwachung schaf- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten fen. Dabei muss auch an die Finanzierung gedacht wer- der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE den. Warum bürden wir die Kosten für die amtliche GRÜNEN) Überprüfung der Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben eigentlich dem Steuerzahler auf? Die Aufgaben und der Darauf hoffen übrigens auch schwarz-gelb regierte Län- Aufwand der Überwachung sind enorm gestiegen. Die der. Ausstattung hat damit nicht Schritt gehalten. Dieses Di- Liebe Kolleginnen und Kollegen, die jüngsten Le- lemma darf nicht verschämt verschwiegen werden. bensmittelskandale und das von der Bundesregierung in (Beifall bei der SPD) Auftrag gegebene Gutachten zur Lage der Verbrauche- rinnen und Verbraucher haben erneut deutlich gemacht: Hier muss offensiv nach Lösungen gesucht werden; Es herrscht ein Ungleichgewicht der Kräfte zwischen möglicherweise beinhalten diese auch eine Beteiligung den Anbietern und den Verbrauchern. „Marktintranspa- der Wirtschaft an den Kosten. renzen“ und „erhebliche Informationssuchkosten“ bei Wir wollen Verbraucherinnen und Verbraucher nicht den Konsumenten – so steht es im Gutachten – erschwe- mit komplizierten und wenig aussagekräftigen Informa- ren einen selbstbestimmten Konsum. Das Gutachten – tionen überschwemmen, sondern wir wollen gute, das wohlgemerkt das Gutachten der Bundesregierung – sieht heißt sinnvolle, für Verbraucher verständliche und hilf- Bedarf für einen stärkeren staatlichen Schutz solcher reiche Informationen. Dafür müssen wir aber Kriterien Verbraucher, die ohnehin benachteiligt sind. erarbeiten, und zwar unter Einbeziehung etwa der Ver- Im Verbraucherministerium aber bleiben solche Bot- braucherforschung. (B) schaften ungehört. Das liegt auch daran, dass dieses Wir wollen Marktwächter einrichten, die in den Be- (D) Ministerium nicht ohne Grund den Verbraucherschutz reichen Finanzmarkt, Energie, Gesundheit, Lebensmittel als Letztes im Namen trägt. Die Bezeichnung „Verbrau- und digitale Welt die Konsumenten auf Augenhöhe brin- cherministerin“ ist für Frau Aigner einfach falsch; gen und die Aufsichtsbehörden unterstützen. (Marlene Mortler [CDU/CSU]: Wann werden Sie konkret?) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Frau Kollegin. denn die Interessen der Wirtschaft haben für sie immer Vorrang. Wir halten eine Trennung der Ressorts für drin- gend erforderlich. Der Verbraucherschutz ist in einem so Elvira Drobinski-Weiß (SPD): wirtschaftsnahen Ministerium falsch aufgehoben. Wir haben noch viele Vorschläge, doch meine Rede- zeit reicht für die vollständige Aufzählung leider nicht (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten aus. Die Vorschläge liegen Ihnen allen aber auch vor. Sie der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE können uns dabei unterstützen, Verbraucherinnen und GRÜNEN) Verbraucher zu stärken und zu schützen. Wirtschaftsnähe ist auch das Stichwort für die Aufre- Vielen Dank. gung in den Medien in den letzten drei Tagen über das (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Bündnis für Verbraucherbildung. Zweifellos brauchen der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE Kinder und Jugendliche Verbraucherbildung, eine Anlei- GRÜNEN) tung zum kritischen Konsum und zum Hinterfragen von Werbestrategien. Dafür braucht man Geld. Aber auch mich besorgt die Einbindung von Unternehmensvertre- Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: tern, wenn diese tatsächlich Handlungsempfehlungen Die Kollegin Mechthild Heil hat jetzt das Wort für die mit entwickeln sollten. Als Kuratoriumsmitglied der CDU/CSU-Fraktion. Deutschen Stiftung Verbraucherschutz halte ich eine (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Sondersitzung zur Klärung für dringend geboten; diese haben wir bereits vereinbart. Mechthild Heil (CDU/CSU): Wir legen Ihnen heute Vorschläge vor, mit denen wir Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und die Lage der Verbraucherinnen und Verbraucher wirklich Kollegen! Schön, dass wir am Weltverbrauchertag über verbessern wollen. Ich nenne ein paar Beispiele: die Lage der Verbraucherinnen und Verbraucher auch in Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. März 2013 28667

Mechthild Heil (A) Deutschland sprechen. Denn es gibt viel Gutes zu be- (Dr. Edmund Peter Geisen [FDP]: Hört! Hört! – (C) richten. Ulrich Kelber [SPD]: Also wirklich! Ich kann mich doch nicht da vorne hinstellen und be- (Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE wusst die Unwahrheit sagen! Das geht doch GRÜNEN]: Ha!) nicht! – Weitere Zurufe von der SPD) Die Kollegen von der SPD und von den Grünen beru- Sie plustern sich hier immer auf und reden von Transpa- fen sich in ihren Anträgen auf das Prognos-Gutachten. renz. Aber im Ausschuss stimmen Sie dagegen und hal- Meine sehr verehrten Kollegen, Sie haben da eine ausge- ten in den Ländern alles unter Verschluss. Transparenz zeichnete Wahl getroffen. Dort wird nämlich festgestellt: gibt es bei Ihnen nicht. Ihre Politik ist verlogen. Das Vertrauen der Bürger in den Markt ist stark ausge- prägt. – Von Misstrauen, welches Sie immer heraufbe- (Ulrich Kelber [SPD]: Also, so was! Es wird ja schwören, ist da keine Rede. Also, die Verbraucherzu- immer besser!) friedenheit in Deutschland ist gut. Es ist an der Zeit, dass Sie sich selber einmal an Ihre rot- Frau Drobinski-Weiß, das ist ein Lob an die Wirt- grüne Nase fassen. schaft, aber auch eine Bestätigung der christlich-libera- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – len Verbraucherpolitik. Wir machen gute Politik für die Ulrich Kelber [SPD]: Die schlimmste Heuch- Verbraucher, weil wir uns kümmern, weil wir hinhören, lerin in der ganzen Debatte!) weil wir verstehen, wo den Verbraucher der Schuh drückt, und weil wir handeln, anstatt Panikmache zu be- – Ich weiß, die Wahrheit tut weh. treiben. (Ulrich Kelber [SPD]: Nein, Sie heucheln! Das (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) ist das Schlimme!) Die Ergebnisse der Studie motivieren uns, noch bes- Wenn Sie einmal im Ausschuss wären, würden Sie an- ser zu werden. Das Gutachten gibt erste Hinweise da- ders reden. rauf: Wohin entwickeln sich die Märkte? Wo müssen wir (Ulrich Kelber [SPD]: Ach was! Sie machen mit neuen Schwierigkeiten rechnen? Das nehmen wir einfach ein ungeeignetes Gesetz!) sehr ernst. Darum werden wir uns auch in Zukunft küm- mern und das in gute Verbraucherpolitik umsetzen. Aber Ihre Schlussfolgerungen aus dem Gutachten, liebe Kol- Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: leginnen und Kollegen von der SPD und von den Grünen Möchten Sie die Zwischenfrage von Frau Maisch zu- lassen? (B) – das kann ich Ihnen heute, am Weltverbrauchertag, (D) nicht ersparen –, sind leider genauso überholt wie abwe- gig. Lassen Sie mich einige Beispiele nennen. Mechthild Heil (CDU/CSU): Nein. Die Kollegin hat ja nachher Zeit, ihre eigenen Zunächst das Verbraucherinformationsgesetz; Sie ha- Ausführungen zu machen. ben eben davon gesprochen. Es ist so formuliert, dass die Länder Verstöße gegen Hygienevorschriften melden (Ulrich Kelber [SPD]: Ja, natürlich! Erst Un- müssen, wenn ein Bußgeld von mehr als 350 Euro zu er- wahrheiten behaupten und dann keine Zwi- warten ist. schenfragen erlauben! Typisch!) (Elvira Drobinski-Weiß [SPD]: Falls Gefahr Thema: Warteschleifen. Ihr Vorwurf, Verbraucher im Verzug ist! – Ulrich Kelber [SPD]: Aber würden mit Warteschleifen abgezockt, ist völlig überzo- nur, wenn keine weiteren Punkte dagegen gen. Eigentlich müssten Sie es besser wissen – auch Sie, sprechen – und, und, und! Das ist sehr ver- Herr Kelber, wenn Sie in den Ausschusssitzungen dabei schachtelt!) wären. Warteschleifen sind nach einer Übergangsfrist ab dem 1. Juni 2013 völlig kostenlos, auch die nachgelager- In den anderen Fällen können sie es melden. Aber was ten. tut Rot-Grün in den Bundesländern, in denen sie regie- ren? Nichts, gar nichts! (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) (Marlene Mortler [CDU/CSU]: Richtig! Über- all, wo sie in Verantwortung sind, versagen Thema: Produktinformationsblätter. Wir haben sie sie!) eingeführt. Anleger sehen jetzt auf einen Blick die we- sentlichen Chancen und Risiken von Bankprodukten. Baden-Württemberg, mit grün-roter Mehrheit regiert, Die deutschen Verbraucher brauchen keine Wärter oder meldet keine einzige Verfehlung. Auch von meinem Wächter. Sie brauchen erst recht keine Finanzmarkt- Bundesland, von Rheinland-Pfalz, rot-grün regiert, wird wächter bei den Verbraucherorganisationen, wie Sie sie keine einzige Verfehlung gemeldet. fordern. Wir haben mit der Bundesanstalt für Finanz- (Ulrich Kelber [SPD]: Ach! Das ist doch pein- dienstleistungsaufsicht, der BaFin, bereits eine gute Ein- lich, was Sie da sagen!) richtung. Dort wird ein Verbraucherbeirat eingerichtet, der hilft, die Aufsichtsaufgaben aus Verbrauchersicht zu Bayern hingegen ist Spitzenreiter beim Veröffentlichen begleiten. Zudem haben wir die Stiftung Warentest bzw. von Hygieneverstößen. Finanztest mit 2 Millionen Euro zusätzlich ausgestattet, 28668 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. März 2013

Mechthild Heil (A) (Elvira Drobinski-Weiß [SPD]: Aber vorher die Fahrt gehen soll. Sie trauen dem Verbraucher noch (C) gekürzt!) nicht einmal zu, zu wissen, wohin er überhaupt will. Was ist das für ein Verbraucherbild, und was ist das für ein damit sie Finanzdienstleistungen prüfen und bewerten Menschenbild, das dahinter steht! und ihre Informationsangebote ausbauen kann. Wir haben ein ganz anderes Bild vom Verbraucher. Auch die Schlichtungsstelle im Luftverkehr kommt. Für uns Christdemokraten und Christsoziale – sicherlich Bei einem weiteren Thema hängen Sie ebenfalls hin- spreche ich da auch für die FDP – gilt: Wir trauen den terher, nämlich beim Smiley. Die Gesetzeslage ist klar: Menschen etwas zu. Die Länder können in ihrem Zuständigkeitsbereich Mo- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) delle wie etwa ein Restaurantbarometer oder einen Gastro-Smiley einführen. Aber wir überfordern sie auch nicht. Wir wissen, dass nicht jeder in unserer komplexen und komplizierten (Karin Binder [DIE LINKE]: 16 verschiedene Konsumwelt immer und überall gleich mündig sein Modelle in Deutschland, das ist doch ein kann. Witz!) (Elvira Drobinski-Weiß [SPD]: Jetzt kommt Keiner hindert sie daran. die Relativierung!) (Marlene Mortler [CDU/CSU]: Genau! Keiner Aber jeder Mensch hat seinen Wert und hat seine Fähig- hindert sie!) keiten. Für uns ist der Verbraucher nicht in erster Linie Aber: Eine Nährwertkennzeichnung mit Ampelfarben Opfer – er ist es, der die Marktmacht hat, er ist es, der auf Fertiggerichten lehnen wir ab, die Entscheidungen treffen kann, (Karin Binder [DIE LINKE]: Genau! Denn (Gabriele Groneberg [SPD]: Bei den Energie- das wäre ja transparent!) preisen hat der Verbraucher die Marktmacht? Guten Morgen!) weil wir die komplexe Welt nicht so einfach auf drei Far- ben reduzieren wollen. Das würde dem Verbraucher und er ist es, der den Impuls für die Wirtschaft setzt. Die nicht helfen. Wirtschaft ist ohne den Verbraucher nichts. Wir schaffen die Verbindungen, damit der Verbraucher seine Markt- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und macht auch nutzen kann, und schützen ihn dort, wo er es der FDP – Elvira Drobinski-Weiß [SPD]: Ja, nötig hat. ja! Aber Ihre Angaben!) (B) (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) (D) Wir setzen eben nicht auf Verbote oder Simplifizie- rungen, sondern wir wollen positive Anreize setzen. Es wäre toll, wenn Sie uns auf diesem Weg begleiten würden. (Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, natürlich! Aber ganz schön Vielen Dank. viele!) (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Deshalb hat die Bundesregierung auch Projekte zur Ver- besserung des Ernährungsverhaltens und für mehr Be- Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: wegung ins Leben gerufen, die sich vor allem an Kinder Caren Lay hat jetzt das Wort für die Fraktion Die richten. Diese Projekte sind sehr beliebt und auch sehr Linke. erfolgreich. (Beifall bei der LINKEN) (Elvira Drobinski-Weiß [SPD]: Und flächen- deckend?) Caren Lay (DIE LINKE): Zwei Dinge fallen mir an den Forderungen in Ihren Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Anträgen auf: Manche Forderungen, die Sie stellen, sind Herren! Es wird höchste Zeit für eine gute, moderne und veraltet und schon längst umgesetzt. engagierte Politik für Verbraucherinnen und Verbrau- cher. Das gilt nicht nur heute, am Weltverbrauchertag, (Elvira Drobinski-Weiß [SPD]: Ach! Welche?) das sollte eigentlich jeden Tag gelten. Da frage ich mich natürlich: Warum führen Sie all diese (Beifall bei der LINKEN) Forderungen seitenweise auf? Sind Ihnen etwa zwi- schenzeitlich die Ideen ausgegangen? Insgesamt lassen Wenn wir uns heute drei Jahre schwarz-gelbe Ver- Ihre Forderungen erschreckende Rückschlüsse auf Ihr braucherpolitik ansehen, dann müssen wir sagen: Was Verbraucherbild zu. die Interessen der Verbraucherinnen und Verbraucher an- geht, waren das drei verschenkte Jahre (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) (Zurufe von der CDU/CSU und der FDP: Oh!) Der Verbraucher ist für Sie in erster Linie Opfer. In Ihren Augen treibt er ungeschützt und hilflos auf hoher unter der Ägide einer Ankündigungsministerin, die wir See, von den Wellen hin- und hergeworfen, ohne Über- heute vielleicht besser Untätigkeitsministerin nennen blick und ohne die Kraft, selbst zu entscheiden, wohin sollten; Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. März 2013 28669

Caren Lay (A) (Gabriele Groneberg [SPD]: Das ist wohl ergebnis, das den Behörden vorliegt, muss öffentlich zu- (C) wahr!) gänglich sein; das wäre einmal ein vernünftiger Ansatz gewesen. aber da sie nicht anwesend ist, wird sie diese Worte gar nicht hören. (Beifall bei der LINKEN) Frau Kollegin Heil, ich kann Ihre Jubelbilanz wirklich Oder nehmen wir die überhöhten Strompreise. Dieses nicht unterschreiben. Nehmen wir das Thema Warte- Thema ist ein klassisches Beispiel dafür, dass wir die schleifen: Diese Regelung gegen Abzocke bei Warte- Verantwortung nicht auf die Verbraucherinnen und Ver- schleifen kam viel zu spät, und sie ist halbherzig ge- braucher abwälzen können. Natürlich kann man den macht. Oder nehmen wir die Produktinformationsblätter, Stromanbieter wechseln; aber selbst die Stiftung Waren- mit denen Sie sich hier brüsten wollen. test sagt, dass bei den Vergleichsportalen im Internet so viele Fallstricke zu beachten sind, dass es für viele Men- (Mechthild Heil [CDU/CSU]: Wir brüsten uns schen ganz schwer abzusehen ist, was am Ende dabei he- nicht, wir handeln!) rauskommt. Deswegen brauchen wir hier auch andere Wegen der Produktinformationsblätter von Frau Minis- Maßnahmen, zum Beispiel eine staatliche Preisaufsicht. terin Aigner werden die Finanzhaie nun wirklich keine (Beifall bei der LINKEN) zitternden Knie bekommen. Wenn das das Einzige ist, womit diese Regierung die Finanzspekulanten an die Das ist genau der zentrale Unterschied zwischen un- Leine legen will, dann muss ich sagen: Das ist eine trau- serer und Ihrer Verbraucherpolitik. Sie verstecken sich rige Bilanz. einfach hinter dem Begriff „Eigenverantwortung“. Frau Heil, da Sie heute gesagt haben, Sie trauten den Men- (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- schen etwas zu, muss ich erwidern: Sie lassen die Men- neten der SPD) schen im Regen stehen und liefern die Verbraucherinnen Diese Regierung wird von einem Lebensmittelskan- und Verbraucher der Wirtschaft aus. Das ist meine Ana- dal nach dem anderen getrieben. Sie haben kein schlüssi- lyse der Situation. ges Konzept vorgelegt, wie solche Skandale in Zukunft (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. verhindert werden können. Ich muss sagen: Die Dr. Wilhelm Priesmeier [SPD]) schwarz-gelbe Verbraucherpolitik bietet überhaupt kei- nen Anlass, sich zu brüsten. Ich denke, Sie haben im Kern einfach Angst davor – darum geht es doch –, die Wirtschaft, also die Unter- (Dr. Erik Schweickert [FDP]: Doch, doch!) nehmen und Konzerne, in die Pflicht zu nehmen. Wir Meine Damen und Herren, der Handlungsbedarf im nicht! (B) (D) Verbraucherbereich ist aus meiner Sicht so groß, dass (Marlene Mortler [CDU/CSU]: Sie schüren wir bis zum Ende der Legislaturperiode eigentlich jede Ängste! Sie spielen mit den Ängsten!) Sitzung mit verbraucherpolitischen Forderungen füllen könnten. Ich will Ihnen einige Beispiele nennen, wo aus Sie fürchten um die Gewinne Ihrer Freunde bei den Kon- unserer Sicht dringend gehandelt werden muss. Nehmen zernen und machen eine entsprechende Verbraucherpoli- wir die Dispozinsen – hier verweigert sich Schwarz- tik. Wir hingegen denken an die Menschen, in deren In- Gelb seit vielen Jahren der Forderung nach einer Decke- teresse wir gute Verbraucherpolitik machen wollen. Das lung –, nehmen wir steigende Mieten, nehmen wir Ab- heißt, hier ab und zu auch einmal ein gutes Gesetz zu er- mahnungen im Internet, nehmen wir steigende Kosten lassen. bei Heizung und bei Strom: Hier hat diese Regierung (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- nichts anzubieten, um Verbraucherinnen und Verbrau- neten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – cher zu schützen. Dr. Erik Schweickert [FDP]: Ja, das tun wir Ich gehe noch einmal kurz auf die Lebensmittelskan- permanent! – Gegenruf des Abg. Dr. Wilhelm dale ein. Als der nunmehr fünfte Lebensmittelskandal in Priesmeier [SPD]: Spielautomaten und ande- dieser Legislaturperiode aktuell war, hat Frau Aigner res!) wieder einmal einen nationalen Aktionsplan angekün- – Herr Kollege Schweickert, die Einschätzung, dass digt – mit magerem Inhalt: Er ist voller Prüfaufträge. diese Regierung das permanent tut, kann ich nicht unter- Alle Prüfaufträge hätte man sich sparen können, wenn schreiben. man zu Beginn dieser Legislaturperiode einige der For- derungen von uns Linken aufgegriffen hätte, Ein letzter Punkt. Auch das sogenannte Anti-Ab- zocke-Gesetz hat ja wegen des permanenten Streits in (Beifall bei der LINKEN) der Koalition jahrelang in den Schubladen gelegen und zum Beispiel beim Verbraucherinformationsgesetz. schon Schimmel angesetzt. Herausgekommen ist zum Schluss eine völlig verwässerte Variante von dem, was (Dr. Erik Schweickert [FDP]: Und wer hat das wir brauchen. gemacht?) Wir brauchen endlich eine Regulierung von unseriö- Ich finde es, ehrlich gesagt, müßig, danach zu fragen, sem Inkasso. welches Land wie viel Verstöße gemeldet hat. Es liegt doch in der Verantwortung dieser Koalition und dieser (Dr. Erik Schweickert [FDP]: Das haben wir Regierung, Gesetze zu erlassen, die besagen: Jedes Prüf- doch!) 28670 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. März 2013

Caren Lay (A) Wir müssen verhindern, dass Jugendliche wirklich mas- Lesung die Einrichtung einer Schlichtungsstelle für den (C) senhaft abgemahnt werden, wenn sie mal ein Youtube- Flugverkehr. Video über Facebook posten. Auch die Verbraucherzen- tralen sagen: Der Gesetzentwurf der Bundesregierung in (Ulrich Kelber [SPD]: Wie viele Schlichtungs- dieser Sache macht es eher schlimmer als besser. stellen?) (Dr. Erik Schweickert [FDP]: Nein, nein!) Sie fordern mehr Geld für die Stiftung Warentest. Das ist längst erledigt. Wir haben das Stiftungskapital der Deswegen sage ich auch an dieser Stelle: So kann es Stiftung Warentest in unserer Regierungszeit um 50 Mil- nicht gehen. lionen Euro aufgestockt, und wir haben ihr in diesem (Beifall bei der LINKEN) Haushalt 2013 noch einmal 2 Millionen Euro extra für den speziellen Bereich der Finanzdienstleistungen zu- Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss. kommen lassen, um die Marktüberwachung zu intensi- Einige der Maßnahmen, die wir als Linke vorschlagen, vieren. werden der Wirtschaft sicherlich Schmerzen bereiten. Ich sage aber: Das muss der Politik im Zweifel egal sein, Sie fordern die Einrichtung eines Sachverständigenra- wenn sie Politik nicht nur für die Konzerne und für die tes für Verbraucherfragen. Das ist längst erledigt; denn Märkte, sondern auch für die Menschen betreiben will. wir haben die Stiftung Verbraucherschutz ins Leben ge- rufen und mit 10 Millionen Euro gefördert. Vielen Dank. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – (Beifall bei der LINKEN) Nicole Maisch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Das ist kein Sachverständigenrat!) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Für die FDP-Fraktion hat das Wort der Kollege Sie fordern Marktwächter für Energie. Auch das ha- Dr. Erik Schweickert. ben wir längst erledigt; denn wir haben eine Markttrans- parenzstelle eingerichtet, die den Markt überwacht und (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten dem Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher der CDU/CSU) dient. Daneben fordern Sie mehr Transparenz und bessere Dr. Erik Schweickert (FDP): Informationen bei Täuschungen im Lebensmittelbereich. Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben gehandelt und das LFGB entsprechend geän- Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Lage der Verbrau- dert. Nun liegt es an Ihren Vertreterinnen und Vertretern cherinnen und Verbraucher in Deutschland war noch nie (B) in den Ländern, diesen Änderungen im Bundesrat auch (D) so gut wie heute. zuzustimmen. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Da wir gerade bei den Ländern sind: Ich finde es un- Es war diese schwarz-gelbe Regierung, die den Verbrau- redlich, sich hier hinzustellen und ein Kennzeichnungs- cherschutz aus der Nische geholt und in den Fokus ihrer system für Gaststätten zu fordern, obwohl Sie wissen, Politik gestellt hat. dass die Wirtschaftsminister der Länder eine solche Re- gelung blockieren. Lassen Sie also bitte den Schwarzen (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Peter dort, wo er hingehört, nämlich in den von Ihnen re- Vieles von dem, was Sie hier fordern, haben wir be- gierten Ländern. reits erledigt. Aber bei SPD und Grünen dauert es halt immer etwas länger – genau, wie zu Ihrer Regierungs- (Beifall bei der FDP und der CDU) zeit. Sie fordern die strengere Regulierung von Inkasso- (Nicole Maisch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- unternehmen und die Eindämmung unerlaubter Telefon- NEN]: Was denn zum Beispiel?) werbung. Auch hier liefern wir. Am Mittwoch – das ist also gerade einmal zwei Tage her – wurde ein entspre- Wir sind beim Verbraucherschutz deutlich weiter als Sie, chender Gesetzentwurf von Schwarz-Gelb im Kabinett die Sie mit dem Schreiben von Anträgen nicht hinterher- beschlossen. kommen. (Ulrich Kelber [SPD]: Zu spät, zu wenig, zu (Nicole Maisch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- löcherig!) NEN]: Was ist denn erledigt?) – Jetzt kommt der Zwischenruf „Zu spät“. Die, die zwölf Schauen wir uns doch einmal die einzelnen Punkte Jahre lang nichts gemacht haben, sagen jetzt, wir seien an: zu spät dran. Sie fordern die Einrichtung von Schlichtungsstellen. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) (Ulrich Kelber [SPD]: Und zwar möglichst Der Gesetzentwurf wurde also im Kabinett beschlos- viele!) sen. Im Inkassowesen werden die Transparenz- und In- Das ist längst erledigt. Seit Oktober 2011 gibt es die von formationspflichten erhöht, Gebühren werden gedeckelt uns eingerichtete Schlichtungsstelle Energie, und und die Bußgelder bei Verfehlungen werden erhöht. Wir nächste Woche beschließen wir im Bundestag in dritter werden eine schriftliche Bestätigungslösung für am Te- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. März 2013 28671

Dr. Erik Schweickert (A) lefon geschlossene Verträge im Zusammenhang mit Ge- Sie wollen in diesem Bereich verbieten, was es zu ver- (C) winnspielen einführen. bieten gibt, und das schließt sogar das Ponyreiten auf Jahrmärkten ein. Wir schließen also Schlupflöcher für Betrüger beim Inkasso und bei unerlaubter Telefonwerbung und führen Überall dort, wo Sie nicht verbieten können, muss zu- Verbesserungen ein durch kostenfreie Warteschleifen, mindest eine neue Steuer her. Sie fordern eine Steuer auf durch eine Preisansagepflicht bei Call-by-Call und durch Plastiktüten, eine Fettsteuer, eine Zuckersteuer. Die den Internetbutton. Wäre meine Redezeit länger, könnte Ökosteuer haben Sie uns schon in Ihrer Regierungszeit ich diese Liste noch beliebig fortsetzen, meine Damen beschert. und Herren. (Gabriele Groneberg [SPD]: Sie haben Sie (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) auch nicht abgeschafft! Also war sie wohl richtig!) Wenn es aber nach Ihnen ginge, dann könnten wir am Telefon nicht einmal mehr eine Pizza bestellen. Denn Meine Damen und Herren, Sie wollen die Verbrau- genau das wäre die Folge einer von Ihnen geforderten cher nicht schützen, sondern ans Gängelband nehmen. allgemeinen Bestätigungslösung für am Telefon ge- Verbraucherpolitik mit Handschellen – das ist die rot- schlossene Verträge. rot-grüne Vision. (Gabriele Groneberg [SPD]: Blödsinn!) Weil Sie genau diesem Leitbild in Ihrer rot-grünen Regierungszeit gefolgt sind, zahlen die Verbraucher Jetzt kommen Sie und sagen, wir sollten die Zinssätze heute beim Strom eine EEG-Umlage, an der Tankstelle für Dispokredite deckeln, was zur Folge hätte, dass die die Ökosteuer und im Supermarkt das Dosenpfand. Das Girokonten insgesamt teurer würden. Ihrer Meinung ist das Ergebnis, wenn man Ihnen die Verantwortung für nach soll also derjenige mehr zahlen, der sein Konto die Verbraucherpolitik überträgt: Der Verbraucher zahlt. nicht überzieht und seine Finanzen im Griff hat, damit derjenige weniger zu zahlen braucht, der seine Finanzen (Gabriele Groneberg [SPD]: Ach ja? Wenn Sie nicht im Griff hat. Diese Form der ungerechten Umver- anderer Meinung sind, hätten Sie es längst kor- teilung lehnen wir ab. rigieren können!) (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Wenn Sie, meine Damen und Herren von der SPD, Gabriele Groneberg [SPD]: Das ist ein äußerst nun fordern, Schwarz-Gelb solle für bezahlbare Energie einfaches Weltbild! So einfach ist die Welt sorgen, dann haben Sie offenbar vergessen, dass Rot- nicht!) Grün die Stromrechnungen zu einem Armutsrisiko ge- (B) macht hat. Schwarz-Gelb ändert das jetzt. (D) Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, verwechseln Verbraucherschutz mit Verbraucherbevor- (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Zu- mundung. Sie verfahren getreu nach dem Motto: Wir rufe von der SPD: Oh!) wissen besser, was der Verbrauch will, als es der Ver- braucher selber weiß. – Verbraucher, die das nicht ver- Wir setzen nicht auf Bevormundung, und wir setzen stehen oder selbst entscheiden möchten, stellen Sie mo- nicht auf Subventionen und Steuern, sondern wir setzen ralisch in die Schmuddelecke. Das ist aber nicht meine auf Selbstentscheidung, auf Marktwirtschaft und auf Vorstellung von Verbraucherpolitik. Wettbewerb. Unsere Verbraucherpolitik ermöglicht und ermuntert (Zuruf von der CDU/CSU: Sehr gut!) zu selbstbestimmten Entscheidungen. Schwarz-gelbe Gerade deshalb geht es den Verbraucherinnen und Ver- Verbraucherpolitik hat faire Rahmenbedingungen her- brauchern in Deutschland heute auch besser, als es in Ih- beigeführt, ohne zu bevormunden, und wir folgen keiner ren Regierungsjahren jemals der Fall gewesen ist. moralischen Zeigefingerpolitik. Wir setzen auf die Frei- heit des Geistes, auf die Freiheit des Handelns und auf Herzlichen Dank. die Freiheit der eigenen Entscheidung. Denn wir stehen für die Freiheit, und Sie stehen für das Verbot. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Elvira Drobinski-Weiß [SPD]: Das glauben (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Sie mal, Herr Schweickert!) Sie wollen Werbeverbote ausweiten, um von Ihnen als schlecht bewertete Produkte aus dem freien Markt zu Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: drängen und Verbrauchern keine Wahl zu lassen. Sie Für Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt Nicole Maisch wollen Sonntagsfahrverbote, Alkoholverbote auf öffent- das Wort. lichen Plätzen, Ladenöffnungsverbote am Sonntag, Schnäppchenverbote, Fleischverbote und einen ver- Nicole Maisch (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): pflichtenden Veggieday. Ich würde gerne einmal sehen, was los wäre, wenn ich einen verpflichtenden Fleischtag Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! fordern würde. Nach dieser emotional aufgewühlten Verteidigung des Hackbrötchens und des Ponyreitens ist es natürlich (Beifall bei Abgeordneten der FDP und der schwer, die Leidenschaftlichkeit auf diesem Niveau zu CDU/CSU) halten. 28672 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. März 2013

Nicole Maisch (A) (Dr. Erik Schweickert [FDP]: Das Hackbröt- Reicht es da aus, immer wieder zu fragen: Wo sind die (C) chen habe ich nicht gebracht!) Länder? – Wir haben eine Verbraucherministerin, die nichts Besseres zu tun hat, als sich hinter den Ländern zu Ich will es deshalb erst gar nicht versuchen, sondern di- verstecken. rekt zur Sache reden. In der letzten verbraucherpolitischen Debatte sind wir (Marlene Mortler [CDU/CSU]: Die Länder Zeugen eines selten uninspirierten ABCs geworden, als sind zuständig!) Ilse Aigner ihre magere Bilanz von A bis Z vor uns aus- Frau Heil, Sie haben eben meine Zwischenfrage nicht gebreitet hat. zugelassen. Sie haben gefragt: Welche Länder veröffent- Heute möchten wir Ihnen gerne präsentieren, wie Ver- lichen denn am meisten Hygieneverstöße? Dazu kann braucherpolitik aussehen würde, wenn wir eine andere ich Ihnen sagen: Baden-Württemberg stand auf einem Ministerin, aber vor allem andere Mehrheiten in diesem guten zweiten Platz und musste dann, nachdem die Ge- Hause hätten. Die Bürgerinnen und Bürger in diesem richte wieder und wieder Veröffentlichungsentscheidun- Land können sich entscheiden, welche Mehrheit ihre In- gen kassiert haben, feststellen, dass das Gesetz, das Sie teressen besser vertritt, indem sie Ihr ABC mit unseren auf Bundesebene gemacht haben, für die Länder im Anträgen vergleichen. Vollzug nicht administrierbar ist. (Mechthild Heil [CDU/CSU]: Mager! Nur ma- (Dr. Erik Schweickert [FDP]: Kokolores!) ger!) Da müssen Sie doch einmal Selbstkritik üben und sich Thema Energiepolitik. Wird eine schwarz-gelbe fragen: Wie kann man das Gesetz so verbessern, damit Mehrheit gewünscht, der zu diesem Thema nicht mehr Bayern und Baden-Württemberg weiter so schön fleißig als durchschaubare Attacken auf das EEG einfällt? Herr veröffentlichen können und die Entscheidungen zur Ver- Schweickert hat die EEG-Umlage zur Disposition ge- öffentlichung nicht von den Gerichten kassiert werden? stellt, womit auch Arbeitsplätze vernichtet würden und die Energiewende abgewürgt würde. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN) (Dr. Erik Schweickert [FDP]: Das ist die Klientelpolitik der Grünen!) Auch beim Verbraucherschutz auf den Finanzmärkten können die Bürger entscheiden: Wollen sie weiter eine Oder ist eine Mehrheit erwünscht, die sich wirklich Ge- Regierung Merkel, die beim Altersvorsorge-Verbesse- danken macht, wie man die Kosten zwischen den Privat- rungsgesetz, bei der Honorarberatung und bei der Fi- konsumenten und den großen energieintensiven Unter- nanzaufsicht die Interessen der Anleger fest im Blick (B) nehmen aufteilen kann? Wir sagen: Führen Sie die hat, aber die Geldbörse der Bankkunden eben nicht? (D) Industrieprivilegien auf einen vernünftigen Stand zu- rück! Das beste Beispiel ist doch die Frage der Bewertungs- reserven der Lebensversicherungen. Hier haben wir die (Dr. Erik Schweickert [FDP]: Die Sie einge- treuen Kämpfer für die Aktionäre von Allianz und Co. führt haben!) (Dr. Erik Schweickert [FDP]: Quatsch! Das ist Dann sind auch die Kosten für die Privathaushalte trag- Generationengerechtigkeit!) bar. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie Ich frage mich: Wer kämpft denn auf der rechten Seite der Abg. Gabriele Groneberg [SPD]) des Hauses für die Kunden mit Lebensversicherungen? Ich empfehle Ihnen einen Blick in Ihren Postkasten zu Gerade bei der Frage der Energiepreise müssen sich Hause im Wahlkreisbüro. Da werden Sie genau wie ich doch die Menschen angesichts der Tatsache, dass Sie die die vielen Briefe empörter Versicherungsnehmer vorfin- Energiewende abwürgen, fragen, wie sie in Zukunft die den, die die Altersvorsorge, mit der sie gerechnet haben, Preise für Öl und Gas, die nicht bei uns zu Hause auf eben nicht bekommen werden. dem Acker wachsen, sondern teuer importiert werden müssen, bezahlen können. (Dr. Erik Schweickert [FDP]: Das ist über- haupt nicht wahr!) (Marlene Mortler [CDU/CSU]: Sie leben von Halbwahrheiten! – Zurufe von der FDP) Wir sagen: Auf den Finanzmärkten ist noch viel zu tun. Das Thema Dispozinsen ist von meinen Kollegin- Sie haben interessante Vorschläge zum Fracking ge- nen, die vor mir geredet haben, angesprochen worden. macht. Wir müssen uns darüber unterhalten, ob das der Wir sagen: Auch den Rechtsanspruch auf ein Girokonto richtige Weg ist, die Energiepreise niedrig zu halten. Wir muss es endlich geben. Frau Heil, Sie haben gesagt: Wir sagen dazu Nein. kümmern uns um die Leute. – Wer kümmert sich denn Thema Lebens- und Futtermittelüberwachung: Noro- um die über eine halbe Million Menschen, die überhaupt virus auf Erdbeeren, Gammelfleisch, Dioxin-Eier, Pfer- kein Konto hat? Darum sollten Sie sich einmal küm- defleisch statt Rindfleisch in Fertiggerichten. Da fragt mern, weil das wirklich gravierende soziale Probleme man sich doch: Wo ist die Verbraucherministerin? nach sich zieht. (Marlene Mortler [CDU/CSU]: Wo sind die (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Länder? Wo sind die Länderminister?) bei der SPD und der LINKEN) Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. März 2013 28673

Nicole Maisch (A) Frau Heil, Sie haben sich sehr über die Marktwächter Denn das Wort „Nachbesserung“ war das Synonym für (C) empört. Ich finde, heute ist der falsche Tag, sich über die Ihre rot-grüne Regierungszeit. Finanzmarktwächter zu empören, weil Ihnen heute wie- Meine Damen, meine Herren, je strenger die Gesetze der einmal von den Verbraucherzentralen aufs Brot ge- – man wirft uns vor, dass wir zu wirtschaftsfreundlich schmiert wird, dass die Regelungen, die Sie zur Transpa- wären – und je höher die Standards, umso schneller wer- renz bei Provisionen im Finanzvertrieb getroffen haben, den kleine und mittlere Unternehmen aus dem Markt ge- nicht funktionieren. Die meisten Banken vertreten, was kegelt. die Befolgung solcher Transparenzregeln angeht, offen- sichtlich den Standpunkt: Kann man machen oder eben (Beifall der Abg. Carola Stauche [CDU/CSU]) nicht. Da stellt sich schon die Frage: Müssen Sie bei der In dieser Herausforderung befinden wir uns. Das heißt, Marktaufsicht auf der einen Seite, aber natürlich auch wir streben eine Politik auf Augenhöhe an, die jedem ge- bei der zivilgesellschaftlichen Ergänzung dieser Auf- recht wird und jedem gerecht werden muss. sicht auf der anderen Seite nicht nacharbeiten? Ich zitiere an dieser Stelle einen grünen Abgeordneten (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, des Europäischen Parlaments, der gesagt hat: Wenn alle bei der SPD und der LINKEN) bestehenden Gesetze eingehalten würden, dann bräuch- Ein letzter Punkt angesichts der vielen blinden Stellen ten wir keine neuen. – An dieser Stelle wiederhole ich in Ihrem ABC. Da Sie so viel von der Selbstbestimmung unseren Appell an die Bundesländer, ihrer Hausaufgabe und der Macht der Verbraucherinnen und Verbraucher besser gerecht zu werden. gesprochen haben, frage ich mich: Warum sind Sie nicht (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) in der Lage, die Bedeutung des privaten Konsums und der privaten Investitionsentscheidung für die ökologi- Ich sage es gerne noch einmal: Diese Bundesregie- sche und soziale Transformation unserer Wirtschaft zu rung hat für den Verbraucherschutz mehr getan als jede erkennen? Warum erkennen Sie nicht die Macht, die andere Regierung zuvor. zum Beispiel hinter den Milliarden Euro steckt, die wir (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Deutsche jährlich in die staatlich geförderte Riester- Ulrich Kelber [SPD]: Also, diese Regierung Rente investieren? Da kann man sich doch überlegen: hat jetzt mehr als die letzte Regierung ge- Braucht man nicht Mindestnachhaltigkeitskriterien? macht? Das ist ja interessant! – Gabriele (Dr. Erik Schweickert [FDP]: Dass die grüne Groneberg [SPD]: Das wird durch ständiges Klientel bedient wird, oder?) Wiederholen auch nicht besser!) Dieses Etikett gilt auch für uns, die CDU/CSU-Bundes- (B) Ich habe bei Ihnen die Hoffnung aufgegeben, dass wir (D) uns da auf etwas einigen. Ich glaube, dass ich mich mit tagsfraktion. Mich freut es ganz einfach, dass auch die Ihren Kolleginnen und Kollegen im Menschenrechtsaus- neutrale Studie von Prognos zur Lage der Verbraucherin- schuss relativ schnell auf Standards einigen könnte, was nen und Verbraucher zu dem Ergebnis gekommen ist: die unterste Grenze sein sollte für Maßnahmen, die wir Die machen eine gute Politik. staatlich finanziell fördern. (Gabriele Groneberg [SPD]: Wie bitte? – Meine Damen und Herren, Sie haben sich über die Ulrich Kelber [SPD]: Können Sie ein Zitat lie- Länge unseres Antrags geärgert. Wenn Sie besser gear- fern? Ein Zitat aus der Studie!) beitet hätten, könnte der Antrag kürzer sein. Das ist er Wer bisher aufmerksam zugehört hat, der musste sich leider nicht. Aber das ist nicht die Schuld der linken fragen: Sind wir eigentlich in einem verbraucherpoliti- Seite des Hauses, sondern Ihre. Ich denke, da haben Sie schen Entwicklungsland? einiges nachzuarbeiten. (Gabriele Groneberg [SPD]: Ja! – Lachen bei (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN der CDU/CSU) und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Was passiert hier eigentlich? Wird nicht unter dem Deckmantel einer modernen Verbraucherpolitik ein ganz anderes Ziel verfolgt, nämlich eine demokratisch legiti- Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: mierte Erziehungsdiktatur? Marlene Mortler hat jetzt das Wort für die CDU/CSU- Fraktion. (Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Wir sind doch nicht in Bayern! – Zu- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) rufe von der SPD und der LINKEN: Oh!) Gerade weil wir uns der wachsenden Bedeutung des Marlene Mortler (CDU/CSU): Verbraucherschutzes bewusst sind, haben wir Verbrau- Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und cherschutz und Politik umfassend im Blick. Ich zitiere Kollegen! Wenn die Opposition John F. Kennedy be- gerne unsere Ministerin, die in ihrer letzten Rede von müht, dann klingt das geradezu hilflos. „Verbraucherpolitik von A bis Z“, von „Anlegerschutz“ bis „Zu gut für die Tonne“, gesprochen hat. (Elvira Drobinski-Weiß [SPD]: Das zeugt von historischer Kenntnis, Frau Kollegin! Sie ha- (Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- ben das nicht verstanden, Frau Mortler!) NEN]: Sie hat es in die heute-show geschafft!) 28674 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. März 2013

Marlene Mortler (A) Das sind Themen, die Sie zu Ihrer Zeit nie auf der keine Bevormundung und erst recht keine Entmündi- (C) Agenda hatten. gung, sondern mündige Verbraucher von Anfang an. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Danke schön. Natürlich ist es unsere Aufgabe, falsche Entwicklun- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) gen zu korrigieren. Ich sage noch einmal: Wir stellen die Weichen richtig. Ich erinnere sehr gerne an das, was der Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Kollege Professor Schweickert in diesem Zusammen- Für die SPD-Fraktion hat jetzt die Kollegin Gabriele hang gesagt hat. Ich bin auch tourismuspolitische Spre- Groneberg das Wort. cherin. Wir haben die Weichen für die Schlichtungsstelle im öffentlichen Personenverkehr neu gestellt. Inzwi- (Beifall bei der SPD) schen arbeitet diese Schlichtungsstelle so erfolgreich, dass immer mehr Verkehrsunternehmen mitmachen wol- Gabriele Groneberg (SPD): len, ob im Bereich Schiffe oder im Bereich Busse. Für Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Liebe Kolleginnen nächste Woche ist die Einbringung des Gesetzentwurfs und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich zum Thema Luftverkehr angekündigt. möchte mit dem Thema Energie fortfahren; das hatten All das ist nicht selbstverständlich. Ich weiß, dass die wir vorhin kurz gestreift. Herr Schweickert war kurz da- Akzeptanz dieser Schlichtungsstelle aufgrund unserer rauf eingegangen. Ich kann gerade nach den Reden der Politik weiter wächst. letzten Tage nur feststellen: Das organisierte Chaos der Bundesregierung bei der Energiewende sollte eigentlich Meine Damen und Herren, wir sind damit in Sachen kaum noch zu toppen sein. Doch Frau Ministerin Aigner Fahrgastrechte gut unterwegs. Das Verfahren der außen- setzt hier durch Nichtstun Standards. Auch das ist schon gerichtlichen Streitbeilegung wird weiter an Akzeptanz eine Leistung. gewinnen und sich bewähren. (Beifall bei der SPD) Lassen Sie mich noch einige Sätze zum Thema Er- nährung sagen. Ich bin auch Ernährungsexpertin. Ich bin Ohne Frage steht das Thema der steigenden Energie- gelernte Meisterin der ländlichen Hauswirtschaft. Wenn preise für Verbraucherinnen und Verbraucher ganz oben Sie von gesunder Ernährung reden, kann ich Ihnen nur auf der Agenda; denn genauso wie das Wohnen gehören sagen: Es gibt keine gesunde Ernährung, sondern nur ein zu den Grundbedürfnissen eine warme Wohnung und gesundes Ernährungsverhalten. Deshalb setze ich auf Energie zum Heizen, Kochen, Lesen, Musikhören und eine abwechslungsreiche, saisonale, regionale und be- Fernsehen. Sinnigerweise finden wir dazu nichts von der Verbraucherministerin. (B) darfsgerechte Ernährung. Ich selber weiß am besten den (D) Wert einer ausgewogenen Ernährung zu schätzen. Es ist (Elvira Drobinski-Weiß [SPD]: Genau!) nichts günstiger und besser, als Rohstoffe selber zu ver- arbeiten sowie Kochen und Essen zum gemeinsamen Er- Sie ist auf diesem Feld genauso abwesend wie im Au- lebnis zu machen. genblick hier im Plenum. Deshalb begrüße ich ausdrücklich das geforderte (Marlene Mortler [CDU/CSU]: Der Staatsse- Schulfach Allgemeinbildung bzw. Alltagsökonomie und kretär ist da!) Lebensökonomie bzw. Alltagskompetenz. Für uns ist es Sie haben das Gutachten zur Verbraucherpolitik an- wichtig, dass wir nicht jede Verantwortung auf die gesprochen, Frau Mortler, Frau Heil und Herr Schule und den Staat verlagern. Ein solches Unterrichts- Dr. Schweickert. Ich finde das witzig. Wo sind denn Ihre fach kann dazu beitragen, Schüler von Anfang an im Schlussfolgerungen aus dem Gutachten? Das Gutachten Sinne eines mündigen Verbrauchers fit zu machen. Ich sagt ganz genau, wie man damit umzugehen hat. Wo sehe mich hier mit den Landfrauen auf der richtigen sind denn jetzt die Vorschläge der Ministerin für bezahl- Seite. bare Energie, gegen Energiearmut sowie für bezahlbare (Beifall bei Abgeordneten der FDP) Mieten und bezahlbares Wohnen? Was tut sie gegen die Steigerung der sogenannten zweiten Miete, der Neben- Denn ob Ernährung, Finanzen oder Medien: Kinder kosten? Nichts, gar nichts! Ihre Kabinettskollegen müssen sich auf immer komplexer werdenden Märkten Rösler und Altmaier organisieren fröhlich das Chaos in zurechtfinden. Ich freue mich übrigens, dass das Bun- der Energiewende. Ihre Aufgabe wäre es, sich hier ein- desland Schleswig-Holstein bereits das Unterrichtsfach zumischen. Aber hier passiert nichts. Sie glänzt nur Verbraucherbildung eingeführt hat, und zwar unter Peter durch Abwesenheit. Harry Carstensen, dem ehemaligen Ministerpräsidenten. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: LINKEN) Frau Mortler. Sie haben in den Debatten der letzten Tage zwar über die hohen Energiepreise geklagt, aber nur unter dem As- Marlene Mortler (CDU/CSU): pekt, wie sich diese auf die deutschen Unternehmen aus- Frau Präsidentin, ich schließe sofort. – Es wäre schön, wirken und wie diese darunter zu leiden haben. wenn das Bündnis für Verbraucherbildung auf Länder- ebene noch größere Zustimmung fände. Wir brauchen (Widerspruch bei der CDU/CSU und der FDP) Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. März 2013 28675

Gabriele Groneberg (A) Wir fragen uns: Wo bitte sind denn die Menschen in Wie soll der Verbraucher bei rund 1 000 Stromanbie- (C) Deutschland abgeblieben? Brauchen diese etwa keinen tern und etwa 800 Gasanbietern noch den Überblick be- Strom? Der Privatverbraucher ist doch derjenige, der mit halten? den von Ihnen zu verantwortenden hohen monatlichen Stromabschlägen die Unternehmen in Deutschland mit- (Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Er kann doch finanziert. Dazu war von Ihnen in den letzten Tagen lesen!) nichts zu hören. Auch heute gab es dazu keinen Piep. Da soll er mündig sein? Ich frage mich, woher der Ver- Fakt ist doch: Die Bürgerinnen und Bürger zahlen für braucher die Zeit nehmen soll, um sich in diesem eine total verkorkste Energiewende in Deutschland. Sie Dschungel noch zurechtzufinden. zahlen für die Regressforderungen der Energiekonzerne, Wir brauchen Markttransparenz und Marktüberwa- weil diese Bundesregierung nicht in der Lage war, den chung. Das täte diesem Bereich ganz besonders gut. Hier Ausstieg aus der Atomenergie vernünftig zu organisie- funktionieren die Märkte aber nur zulasten der Verbrau- ren. cherinnen und Verbraucher. Das gilt beim Benzin ge- (Beifall bei der SPD – Dr. Erik Schweickert nauso wie beim Gas oder auch beim Öl. [FDP]: Aber Sie!) (Beifall bei der SPD) Sie zahlen für den Wegwerfstrom, der durch den fehlen- Wir brauchen also dringend Marktwächter, die die den Netzausbau und die damit einhergehende Verstop- Nutzer unterstützen, die die Nutzer auf Augenhöhe brin- fung der Netze entsteht, weil diese Bundesregierung gen und die auch die Aufsichtsbehörden unterstützen nicht in der Lage war, den Netzausbau in Deutschland zu können. organisieren. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich denke, dass sich Die Bürgerinnen und Bürger zahlen, weil Sie in Eu- die Menschen in Deutschland beim Thema Bundesregie- ropa auf der Bremse stehen, wenn es um Energieeffi- rung in einigen Monaten im eigenen Interesse sehr ener- zienz geht. giesparend verhalten werden. Wenn ich unnötige Strom- fresser an der Steckdose habe, schalte ich diese aus. (Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU und Mündige Wählerinnen und Wähler werden sich im Sep- der FDP – Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: tember genauso verhalten. Schämen Sie sich!) Vielen Dank. Sie zahlen, weil Sie den Unternehmen, die in den Aus- (B) bau der Windkraft investieren wollen, keine Investitions- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten (D) sicherheit bieten. Außerdem zahlen sie, weil sinkende der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE Strompreise an der Börse nur an die Großindustrie, aber GRÜNEN) nicht an die Verbraucher weitergegeben werden. (Beifall bei der SPD – Wolfgang Zöller [CDU/ Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: CSU]: So ein Schwachsinn!) Jetzt hat Carola Stauche das Wort für die CDU/CSU- Fraktion. Sie zahlen, weil die massiv ausgeweiteten Ausnah- men bei der Stromsteuer, von denen im Übrigen pikan- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) terweise Hähnchenmastanlagen und Golfplätze profitie- ren, Carola Stauche (CDU/CSU): (Zurufe von der CDU/CSU: Oh!) Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegin- nen und Kollegen! Selbstverständlich reden wir am vom Verbraucher zu bezahlen sind. Sie zahlen, weil Sie Weltverbrauchertag in diesem Hohen Hause gern über nicht in der Lage sind, etwas Wirkungsvolles gegen die den Verbraucherschutz. Das können wir als christlich-li- steigenden Energiepreise zu unternehmen. berale Koalition auch mit gutem Gewissen tun; denn keine andere Koalition hat so viel für den Verbraucher- Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass aufgrund der schutz getan wie wir in den letzten knapp dreieinhalb steigenden EEG-Umlage mit Mehreinnahmen bei der Jahren. Mehrwertsteuer von bis zu 1 Milliarde Euro pro Jahr im Bundeshaushalt zu rechnen ist, haben wir Ihnen angebo- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) ten, diese Mehreinnahmen mit unserer Zustimmung auch dafür zu verwenden, Strom für Familien und Ge- Dass Ihnen das nicht passt, erkennen wir deutlich an ringverdiener billiger zu machen. Darauf sind Sie in kei- Ihren Reaktionen. Sie verstricken sich ständig in Wider- ner Weise eingegangen. Wenn Sie darauf eingehen und sprüche. Vorhin wurde uns zum einen vorgeworfen, wir zu diesem Thema in die Bütt gehen würden, dann wür- würden dem Verbraucher zu wenig Informationen ge- den wir Ihnen zustimmen. ben, zum anderen aber auch, wir würden ihm verwirren- derweise zu viele Informationen geben. Dann wollen So kann ich aber nur feststellen: Dieses Verbraucher- Sie, dass wir Handel und Industrie in die Pflicht nehmen. schutzministerium ist keines. Es stellt keine Lobby für Wird dies getan und beteiligen sie sich an der Verbrau- Verbraucherinnen und Verbraucher dar. cheraufklärung, passt Ihnen das auch wieder nicht. 28676 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. März 2013

Carola Stauche (A) Ich weiß, warum wir dieses Thema jetzt regelmäßig Das heißt allerdings nicht, dass wir die Verbraucher (C) diskutieren. Nicht etwa, weil Ihnen die Verbraucherin- alleinlassen, wenn es beispielsweise aus einer Mischung nen und Verbraucher am Herzen liegen. von Profitgier und krimineller Energie zur Täuschung von Verbrauchern kommt. Hier wurden bereits vorhan- (Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE dene Sicherungssysteme durch weitere sinnvolle Ange- GRÜNEN]: Sondern?) bote des Bundesministeriums erweitert. Nein, Ihnen sind die Wahlkampfthemen ausgegangen. Lassen Sie mich einiges stichwortartig vorstellen, was (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – an Verbraucherschutz seit November 2009 verabschiedet Ulrich Kelber [SPD]: Jetzt haben Sie uns aber wurde. Die Initiative „Klarheit und Wahrheit“ mit der erwischt! – Zurufe von der LINKEN und dem Homepage www.lebensmittelklarheit.de ist ein Beispiel, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) wie sich Verbraucherinnen und Verbraucher informieren und, wenn nötig, beschweren und untereinander austau- Uns ist der Schutz der Verbraucher mindestens ge- schen können. Für den Bereich Ernährungsbildung und nauso wichtig, wie er Ihnen ist. Es gibt aber einen ent- Ernährungsinformation wurden Bildungsbausteine für scheidenden Unterschied: Wir als christlich-liberale Ko- Kitas, Schulen und Senioren entwickelt und aktualisiert. alition nehmen die Ängste der Verbraucher ernst. Das Gleiche gilt für Qualitätsstandards für gesunde Er- nährung bei Gemeinschaftsverpflegung. (Caren Lay [DIE LINKE]: Ach so! Das wäre das erste Mal!) Die Förderung aus dem Bundeshaushalt für die Ver- braucherzentrale Bundesverband, die Stiftung Warentest Sie, sehr geehrte Damen und Herren der Opposition, we- und den DIN-Verbraucherrat ist weiterhin garantiert. cken und schüren ständig Ängste. Die beiden Anträge, Das Stiftungskapital der Stiftung Warentest wurde zu- um die es in der heutigen Debatte geht, machen das wie- sätzlich auf nun 75 Millionen Euro aufgestockt. Es der einmal ganz deutlich. wurde ein zentrales Verbrauchertelefon eingerichtet. Die Bitte verstehen Sie mich nicht falsch: Informationskampagne „Zu gut für die Tonne“ läuft seit einem Jahr. (Christian Lange [Backnang] [SPD]: Das tun (Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE wir, glaube ich, nicht!) GRÜNEN]: Passiert ist nichts!) Wenn der Verbraucher getäuscht wird, wie es bei den Das Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch wurde da- jüngsten Lebensmittelskandalen geschehen ist, gehört hin gehend geändert, dass Rechtsverstöße, die bei der das mit aller Härte des Gesetzes bestraft. Lebensmittelüberwachung aufgedeckt wurden, durch die (B) (D) (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Behörden veröffentlicht werden müssen. Es muss nur getan werden. Aber einen ganzen Wirtschaftszweig, zum Beispiel die Tierhaltung, zu verteufeln, wie das beispielsweise im (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und Antrag der Grünen getan wird, kann nicht die Lösung der FDP – Nicole Maisch [BÜNDNIS 90/DIE sein. GRÜNEN]: Und das wird vor Gericht kas- siert!) (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Es wurden Kriterien für eine Regionalkennzeichnung Um Ängste zu schüren, brauche ich selbstverständlich entwickelt. Seit Mitte Januar kann man bereits so ge- auch einen Räuber hinter dem Baum, der den Verbrau- kennzeichnete Produkte kaufen. Es wurde das Tier- chern auflauert. schutzlabel eingeführt und, und, und. Es gibt einen weiteren Unterschied zwischen dem Ich will nicht noch einmal all das aufzählen, worauf Verbraucherschutz, wie Sie, sehr geehrte Kolleginnen meine Kollegen schon hingewiesen haben. Auch möchte und Kollegen der Opposition, ihn sich vorstellen, und ich nicht all das, was Frau Ministerin Aigner bereits in wie wir von der Union ihn uns vorstellen. Wir möchten der vergangenen Diskussion hier im Plenarsaal darlegte, niemanden bevormunden. Wir maßen uns nicht an, zu wiederholen. Insgesamt ist aber festzustellen: Die ver- wissen, was der Verbraucher kaufen will. braucherpolitische Bilanz der schwarz-gelben Regie- rungskoalition ist gut. Das sollte auch einmal die Oppo- (Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE sition anerkennen. GRÜNEN]: Das wisst ihr auch nicht!) (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Wir überlassen das dem Markt oder, besser gesagt, wir überlassen es den Verbraucherinnen und Verbrauchern, Ich würde mich freuen, wenn die Opposition in der selbst zu entscheiden, was sie konsumieren wollen. Wir Diskussion wieder mehr das Wohl und nicht die Ängste stehen für den mündigen Verbraucher, der selbst ent- der Verbraucherinnen und Verbraucher in den Mittel- scheidet, was auf den Tisch, in den Einkaufswagen oder punkt stellen und zur Sachlichkeit zurückkehren würde; in das Bankportfolio kommt. Wir schreiben nicht vor, denn dann wäre dem selbstbestimmten und eigenverant- wir bevormunden nicht, wir informieren und lassen wortlich handelnden Verbraucher am meisten geholfen. selbst entscheiden. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. März 2013 28677

(A) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: 30 000 Eingaben von Bürgerinnen und Bürgern erhalten. (C) Ich schließe die Aussprache. All dies ist in unsere Erwägungen eingeflossen. Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf Künftig sollen Punkte nur noch für solche Verstöße den Drucksachen 17/12689 und 17/12694 an die Aus- vergeben werden, die für die Verkehrssicherheit relevant schüsse vorgeschlagen, die Sie in der Tagesordnung fin- sind. Zwei Beispiele für Verstöße, bei denen keine den. – Damit sind Sie einverstanden. Dann ist das so be- Punkte mehr vergeben werden sollen: Verstöße gegen schlossen. das Sonntagsfahrverbot oder gegen die Umweltplaket- tenpflicht. Weil diese Verstöße nicht verkehrssicherheits- Ich rufe den Tagesordnungspunkt 32 auf: relevant sind, sollen sie keine Punkte mehr zur Folge ha- Erste Beratung des von der Bundesregierung ein- ben. Aber ich sage in aller Deutlichkeit: Wer dagegen gebrachten Entwurfs eines Vierten Gesetzes zur verstößt, geht natürlich nicht leer aus; denn er wird na- Änderung des Straßenverkehrsgesetzes und türlich mit einer Bußgeldsanktion belegt. Beispielsweise anderer Gesetze ist für einen Verstoß gegen die Umweltplakettenpflicht ein Bußgeld von 80 Euro vorgesehen, also ein höheres – Drucksache 17/12636 – Bußgeld als bisher. Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (f) Unsere Vorschläge zur neuen Höhe der Bußgelder Innenausschuss  halte ich übrigens für ausgewogen. Ich glaube, alle, die Rechtsausschuss  sich mit Bußgeldern in Nachbarländern Deutschlands Haushaltsausschuss gemäß § 96 GO befassen, können das bestätigen. Wer beispielsweise die Es ist verabredet, hierüber eine halbe Stunde zu de- Höhe der Bußgelder in Italien oder Österreich kennt battieren. – Dazu sehe ich keinen Widerspruch. Dann – ich selbst wurde noch nie Opfer davon, aber es wird verfahren wir so. mir ständig erzählt –, der muss sich diesbezüglich in Deutschland regelrecht wohlfühlen. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Herr Bundesminister Dr. Peter Ramsauer. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Punktesystem wird also einfacher und transparenter: (Beifall bei der CDU/CSU) Erstens. Verstöße werden künftig mit einem Punkt, mit zwei Punkten oder mit drei Punkten geahndet, je Dr. Peter Ramsauer, Bundesminister für Verkehr, nach Schwere des Verstoßes. Unterschieden wird zwi- Bau und Stadtentwicklung: schen einem schweren Verstoß, einem besonders schwe- Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegin- ren Verstoß und einem besonders schweren Verstoß in- (B) nen und Kollegen! Alle Straßenverkehrsteilnehmer (D) klusive eines Tatbestandes, der strafrechtsrelevant ist, – nicht nur die Autofahrer – und Führerscheininhaber beispielsweise wenn jemand über eine Ampel fährt, die haben Anspruch auf ein klares und nachvollziehbares schon länger als eine Sekunde rot war, und dabei auch Regelwerk. Beim Flensburger Verkehrszentralregister, noch jemanden verletzt. im Volksmund „Verkehrssünderdatei“ genannt, kann von solcher Klarheit und Nachvollziehbarkeit leider Gottes Zweitens. Wir schaffen einen Punktetacho – so haben schon längst keine Rede mehr sein. Es ist bekannterma- wir es genannt – und sehen klare Maßnahmen vor: Bei ßen über 50 Jahre alt, und hier hat sich viel Unnachvoll- ein bis drei Punkten erfolgt zunächst eine Vormerkung, ziehbares und Intransparentes eingeschlichen. Das wol- ab vier Punkten eine Ermahnung, ab sechs Punkten eine len wir nun ändern. Verwarnung mit Anordnung der Teilnahme an einem Fahreignungsseminar, ab acht Punkten schließlich ein Das neue Fahreignungsregister – so nennen wir es Führerscheinentzug. jetzt – macht das ganze System einfacher, gerechter und vor allen Dingen transparenter, wobei das oberste Ziel ist Drittens. Es wird endlich feste Tilgungsfristen geben. und immer sein muss, mehr Verkehrssicherheit zu schaf- Jeder Verstoß verjährt für sich, und es wird keinen fen. Dazu legen wir heute in erster Lesung den Entwurf Mischmasch mehr mit Überliegefristen und Tilgungs- eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Straßenver- hemmungen geben. kehrsgesetzes und anderer Gesetze vor. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Das Thema betrifft naturgemäß viele Millionen Men- Jeder kann sich also darauf verlassen, dass Punkte für ei- schen. Deshalb haben wir ganz bewusst dafür gesorgt, nen bestimmten Verstoß nach einer klar definierten Zeit- dass die Reformpläne das Ergebnis eines breit angeleg- spanne auch wieder gelöscht werden. ten Verfahrens der öffentlichen Beteiligung sind. Unsere Eckpunkte vom Frühjahr des vergangenen Jahres haben Meine Damen und Herren, bei so vielen Betroffenen wir nicht nur mit den Ländern und den Verbänden, die kann es nicht verwundern, dass heftig darüber diskutiert im Verkehrsbereich aktiv sind, eng beraten, sondern wir wird; schließlich gibt es unter den 82 Millionen Men- haben in den ersten drei Maiwochen des letzten Jahres schen in Deutschland 82 Millionen Experten für dieses auch ein ausgesprochen breit angelegtes Verfahren der Thema. Das betrifft übrigens auch die Frage – ich will Bürgerbeteiligung durchgeführt, begleitet von einer das ganz offen ansprechen –, ob es nicht weiterhin einen ganztägig anwesenden Expertengruppe von jeweils Punkterabatt für solche Personen geben soll, die sich sechs Helfern und Beratern, die ständig an den Telefo- freiwillig einem Seminar unterziehen. Ein Argument nen und online waren. Sie haben in diesen drei Wochen lautet, dass ohne eine solche Rabattregelung besonders 28678 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. März 2013

Bundesminister Dr. Peter Ramsauer (A) Vielfahrer stärker belastet sind. Ich weiß, das ist ein Eine zweite Sache finde ich bedeutsam: Das ist die (C) ernstzunehmendes Argument. Bei allem, was wir hier eben schon angesprochene Bürgerbeteiligung. Ich entscheiden und tun, sollten wir hier aber immer die denke, diese Bürgerbeteiligung zeigt, dass wir mehr Ak- Frage der Verkehrssicherheit an vorderste Stelle rücken. zeptanz für Gesetzeswerke erreichen können. Die Zahl von 30 000 Menschen, die sich daran beteiligt haben, (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) macht deutlich, dass dafür ein Bedarf da ist. Ich würde In diesem Fall müsste man die Frage beantworten, wann dieses positive Ergebnis gerne auf andere Gesetzesvor- jemand ein Vielfahrer ist: bei 20 000 Kilometern, bei haben übertragen. 50 000 Kilometern oder bei 100 000 Kilometern? Dabei Um zu den Inhalten zu kommen: Worüber reden wir? eine Abgrenzung vorzunehmen, ist auch keine ganz ein- Der Minister hat es eben angedeutet, aber nicht klar ge- fache Angelegenheit. sagt: Was ist die Flensburger Datei? Wozu soll sie die- Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie uns im nen? Wir lesen und hören in den Medien viele Begriffe jetzt beginnenden parlamentarischen Verfahren zu prak- wie „Bestrafung von Verstößen“ – auch der Minister hat tikablen und überzeugenden Lösungen kommen. Ich davon gesprochen –, „Strafpunkte“ oder „Verkehrssün- werbe ausdrücklich für einen fraktionsübergreifenden der“, ein weiteres Wort, das es nur bei uns in Deutsch- Konsens. Bei der Materie, um die es sich hier handelt, land gibt. Wir denken also an Strafe und Erziehung. geht es um Menschen und um Verkehrssicherheit. Ich Aber ist es das wirklich? Nein, meine Kollegen und Kol- glaube, hier kann das ganze deutsche Parlament zu einer leginnen, das ist es nicht. Es geht bei diesem Verkehrs- einheitlichen Auffassung gelangen. zentralregister darum, dass man der Verwaltung ein In- strument an die Hand gibt, mit dem sie erkennen kann, Danke schön. ob jemand geeignet ist, ein Kraftfahrzeug zu führen oder (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) nicht; mehr ist es nicht. Es ist kein pädagogisches Sys- tem, und es soll auch nicht zur Bestrafung von Autofah- rern dienen. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Jetzt hat für die SPD-Fraktion das Wort die Kollegin Jetzt komme ich zu den Vorschlägen, die die Exper- Kirsten Lühmann. tenkommission damals gemacht hat. Aus dem von mir genannten Grund hat sie gesagt, das Sinnvollste wäre, es (Beifall bei der SPD) gäbe gar keine Punkte mehr. Entscheidend ist nur, dass jemand gegen Verkehrsregeln verstoßen hat und wie oft Kirsten Lühmann (SPD): er dagegen verstoßen hat. Darum geht es, wenn wir der (B) Frau Präsidentin! Liebe Kollegen! Liebe Kollegin- Verwaltungsbehörde helfen wollen. Die Sicherheit des (D) nen! Kaum ein Verkehrsthema ist so emotional besetzt Verkehrssystems hängt grundlegend von der Zuverläs- wie das, das wir heute im Rahmen der ersten Lesung des sigkeit der Menschen ab, die daran teilnehmen. Die Be- Gesetzentwurfs zum Verkehrszentralregister diskutieren. gründung der Verkehrspsychologen war eindeutig. Die Wenn man an einem Stammtisch sitzt und Gesprächs- Bewertung dieses Regelverstoßes in schwer oder weni- thema das Auto ist, kommt unweigerlich irgendwann die ger schwer ist irrelevant. Allein entscheidend ist, dass sie Frage: Und, wie viele Punkte hast du? – Was ist die rich- registriert werden. tige Antwort darauf? Wenn man zugibt, gar keine Punkte Ich nenne Ihnen ein Beispiel, damit Sie sehen, dass es zu haben, gilt man als Weichei und Laternenparker. schon jetzt gängige Praxis ist. In dem Bereich, in dem Wenn man zugibt, zu viele Punkte zu haben, könnte es ich als Polizistin tätig war, gab es eine Kraftfahrzeugfüh- sein, dass die Runde einem als potenzielle Verkehrsge- rerin, die sich niemals angeschnallt hat, aus Prinzip fahr den Schlüssel wegnimmt. nicht. Das ist ein Verstoß, der zwar mit einem Bußgeld Aber es gibt auch ganz viele Menschen, die gar nicht bewehrt wird, aber von uns allen letztendlich als nicht so wissen, wie viele Punkte sie aktuell haben, und das ist gravierend angesehen würde, um die Fahrerlaubnis zu ein Zustand, der nicht tragbar ist. Darum hat Bundes- entziehen. Nach einer gewissen Zeit, in der wir sie im- minister Tiefensee schon 2009 gesagt: Da müssen wir et- mer wieder darauf angesprochen haben und sie immer was tun. In der letzten Legislatur haben die damaligen noch nicht bereit war, sich regelkonform zu verhalten, Regierungsfraktionen SPD und CDU/CSU einen Antrag wurde ihr wegen Unzuverlässigkeit die Fahrerlaubnis vorgelegt, mit dessen Verabschiedung beschlossen entzogen. Das ist heute schon möglich. Ich denke, das wurde, dass eine Expertengruppe eingesetzt wird, die war auch der Grund, warum die Experten dieses System sich dieses Themas annehmen soll. Diese Experten- vorgeschlagen haben. gruppe hat im Sommer letzten Jahres ein Ergebnis vor- gelegt. Der Minister hat sich anders entschieden. Im ersten Entwurf, der der Öffentlichkeit vorgestellt wurde, ging Ich fange mit dem Positiven an: Wir haben jetzt einen es darum, sich auf nur noch einen oder zwei Punkte zu Gesetzentwurf. Das ist, mit Verlaub, bei unserem jetzi- beschränken. In dem Entwurf, den wir jetzt haben, lesen gen Verkehrsminister nicht selbstverständlich. Er fängt wir, dass es ein, zwei und drei Punkte geben soll. Hier, als Ankündigungsminister zwar viele Themen an, sei es liebe Kolleginnen und Kollegen, stelle ich mir die Frage: nun das Problem der „Kampfradler“ oder die Frage der Was ist daran das revolutionäre Neue? Ob ich 7 Punkte medizinisch-psychologischen Untersuchung, ohne sie habe und mit 18 Punkten den Führerschein verliere oder abzuschließen; aber in diesem Fall liegt uns etwas vor. ob ich 3 Punkte habe und den Führerschein mit 8 Punk- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. März 2013 28679

Kirsten Lühmann (A) ten verliere, das hat nichts mit einem neuen System zu sinnvoll, dass wir bisher in diesem Fall die Möglichkeit (C) tun, sondern ist eine Kleinigkeit. Das hat nichts mit eines Punkteabbaus hatten. Transparenz zu tun. Das versteht kein Mensch. Die ers- Aber jetzt haben wir eine andere Situation. Der Punkt ten Fachleute, wie die vom ACE, sagen: Kinder, lasst von Frau Meier, den Sie für das Telefonieren mit Ihrem bitte alles beim Alten. Das ist doch einfach nur eine Re- Handy bekommen hat, ist nach zwei Jahren weg, völlig form des Aktionismus wegen. egal, was zwischendurch passiert. Wenn das so ist, sehe Unsere Länder haben auch noch andere Bedenken. ich keinen Grund, warum Frau Meier die Möglichkeit Eines wurde angesprochen, was wir leider nicht im Aus- haben soll, die Punkte abzubauen; denn das würde ja schuss behandeln. Es geht nämlich um die Änderung heißen, dass sie innerhalb dieser zwei Jahre noch fünf-, sechs- oder siebenmal zusätzlich aufgefallen ist. von Verordnungen. Für Verordnungen ist der Bundestag nicht zuständig. Diese Verordnungen haben aber ele- Das alles bedeutet, dass diejenigen, die sich die mentar etwas mit unserer Reform zu tun. Wenn es nur neuen, teuren Seminare leisten können, zukünftig eigent- noch ein bis drei Punkte gibt, dann geht es um die Frage: lich gar nicht mehr den Führerschein verlieren. Die rei- Welcher Verstoß soll mit wie vielen Punkten geahndet chen Raser werden begünstigt, und die Menschen, die werden? Das ist eine ganz gravierende Frage. Welcher wir eigentlich erreichen wollen, erreichen wir nicht. Verstoß ist so gravierend, dass es zwei Punkte gibt, und Fazit: Insgesamt liegt noch eine Menge Arbeit vor welcher ist so gravierend, dass es drei Punkte gibt? Das uns. Es ist nicht unser Ziel, den Otto Normalverkehrs- wird im Ausschuss nicht beraten. Es wäre schön, wenn teilnehmenden für einen Fehler, der uns allen passieren wir es machen könnten. kann, zu bestrafen. Unser Ziel ist es, diejenigen von un- Die nächste Frage, die sich daran anschließt, ist: Was seren Straßen zu bekommen, die andere Verkehrsteilneh- machen wir mit Verstößen, für die es keinen Punkt mehr mer verunsichern: die Raser und Drängler, die notori- schen Schnellfahrer. gibt? Der Minister hat gerade angedeutet, dass er dann das Bußgeld erhöhen will. Wie könnte das aussehen? Dazu gibt es einen ersten Entwurf. Für das Einfahren in Vizepräsidentin Petra Pau: die Umweltzone soll es künftig keinen Punkt mehr ge- Kollegin Lühmann, diese Arbeit müssen Sie tatsäch- ben. Damit können wir uns alle anfreunden. Dafür soll lich in den Ausschussberatungen fortsetzen. das Bußgeld von 40 Euro auf 80 Euro erhöht werden. (Petra Müller [Aachen] [FDP]: Wir freuen uns Herr Ramsauer, mich interessiert nicht, wie viel ich da- drauf!) für in Frankreich oder Spanien bezahlen muss. Mich in- teressiert, wie das in unser Gefüge der Bußgelder passt. (B) Kirsten Lühmann (SPD): (D) Ich lese in der Reform, die Sie neu auf den Weg gebracht Ich schließe mit einem Zitat eines Verkehrswissen- haben: Das Parken auf einem Fahrradschutzstreifen schaftlers: – aus meiner Sicht eine höchst gefährliche Sache; Sie parken auf einem Fahrradschutzstreifen und die Fahr- Sie verfügen zur Durchsetzung eigener Interessen räder müssen auf die Fahrbahn ausweichen – kostet eine frei zugängliche Tatwaffe mit erheblicher 10 Euro, und das Einfahren in eine Umweltzone kostet Masse und Bewegungsenergie. zukünftig 80 Euro. Das passt für mich nicht mehr zu- Diese Menschen wollen wir von der Straße haben zu- sammen. Darüber müssen wir reden. gunsten derjenigen, die sich ordentlich verhalten oder (Beifall bei der SPD und der LINKEN) vielleicht einmal ein bisschen auffällig sind. Herzlichen Dank. Ich möchte noch einen letzten Punkt ansprechen, den Sie bereits erwähnt haben. Das ist die Frage: Soll es ei- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten nen Punkterabatt geben? Ich nenne Ihnen ein Beispiel, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE warum wir einen Punkterabatt haben: Margret Meier, GRÜNEN) Anfang 40, zwei Kinder, keine Raserin, keine Drängle- rin, Otto Normalfahrerin wie wir alle, ist mit dem Handy Vizepräsidentin Petra Pau: am Steuer erwischt worden. Der Kindergarten hat ange- Passend dazu mache ich mir gerade Gedanken da- rufen, und sie ist natürlich rangegangen. Sie wurde er- rüber, was diese Überschreitung der Redezeit eigentlich wischt: ein Punkt. Zwei Jahre später will sie ihre Groß- an Sanktionen hervorrufen sollte. tante in Erfurt besuchen. Sie kennt Erfurt nicht. Die Großtante lebt dort in einem Altersheim. Sie weiß nicht, (Heiterkeit – Patrick Döring [FDP]: Sehr gut! – dass es in der Umweltzone liegt und übersieht die Schil- Petra Müller [Aachen] [FDP]: Einen dreivier- tel Punkt! – Kirsten Lühmann [SPD]: Sie ist der. Sie fährt in die Zone hinein, wird erwischt, und das nicht verkehrsgefährdend!) 14 Tage bevor ihr Punkt verjährt. Dumm gelaufen. Die- ser Punkt bleibt und ein zweiter kommt hinzu. Das heißt, – Genau. wenn wir die Reform nicht umsetzen, dann bleibt die Si- Das Wort hat die Kollegin Petra Müller für die FDP- tuation, dass sich bei Menschen, die alle zwei Jahre ein- Fraktion. mal erwischt werden, die Punkte ansammeln. Das sind nicht die Menschen, die wir erreichen wollen. Es war (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) 28680 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. März 2013

(A) Petra Müller (Aachen) (FDP): hier für unseren Entwurf werben. Wenn wir Ihren Vor- (C) Frau Präsidentin! – Liebe Kolleginnen und Kollegen! schlag umsetzen, wird die Zahl der Eintragungen im Re- Dies ist unsere erste Beratung – das wurde schon gesagt –, gister um 135 Prozent steigen. Wenn wir unseren Vor- und ich finde es gut, dass wir über dieses Thema disku- schlag realisieren, wird sie sinken. Ich glaube, das ist tieren. Es geht um die Reform des Verkehrszentralregis- das, was wir gemeinsam wollen. ters. Damit setzen Union und FDP einen wichtigen Punkt des Koalitionsvertrages um. Wichtig ist vor allen (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Dingen eines – der Minister hat es eben ganz ausführlich Ich kann Ihnen versprechen, dass wir von der christlich- erläutert –: die Verkehrssicherheit. liberalen Koalition auch in der weiteren Diskussion ver- Im Mittelpunkt der Reform und unserer Vorschläge suchen werden, diese Dinge erfolgreich nach vorne zu steht die Verkehrssicherheit. Es wird die Möglichkeit ge- treiben, weil das ein Thema ist, das jeden in diesem ben, den Führerschein bei schweren Verstößen sofort zu Land angeht. entziehen. Ich glaube, dass die Akzeptanz für solche Die FDP-Bundestagsfraktion sieht bei diesem Gesetz- Maßnahmen bei den Autofahrerinnen und Autofahrern entwurf Ergänzungsbedarf: Den freiwilligen Seminarbe- in unserem Land sehr groß sein wird. such hat es bis jetzt immer gegeben. Aus unserer Sicht Das jetzige System – auch das ist schon angeklungen – soll er weiterhin zum Punkteabbau führen, alle fünf ist für Autofahrer intransparent und viel zu kompliziert. Jahre zwei Punkte. 14 000 bundesdeutsche Autofahrer Das gehen wir erfolgreich an. Das hat ein Lob verdient. nutzen diese Chance jährlich. Das sind viele Menschen, Jeder Autofahrer in unserem Land hat das Recht, zu wis- und das soll unserer Ansicht nach so bleiben. sen, wie viele Punkte er hat. Durch die Reform soll er (Sören Bartol [SPD]: Was kosten die neuen künftig schnell und einfach einschätzen können, wie Seminare?) viele Punkte er hat und wie das mit dem Punkteabbau funktioniert. Derzeit ist es nur Verkehrsfachleuten und Die Chance zum Punkteabbau – ich spreche nicht von Verkehrsrechtsanwälten möglich, festzustellen, wie viele Rabatten, sondern ich spreche von Punkteabbau – ist im Punkte man hat. Es kann nicht sein, dass man jemanden Hinblick auf den geplanten Führerscheinentzug bei acht beschäftigen muss, um eine einfache Information vom Punkten umso sinnvoller und notwendiger. Das ist auch Staat zu erhalten. ein Einwand des Verkehrsgerichtstages. Den sollten wir Ein weiteres Manko des bisherigen Systems: Die Til- ernstnehmen. gungsfristen – auch das hat die Kollegin eben angespro- Von der Vernunft der deutschen Autofahrer bin ich chen – sind undurchsichtig und kompliziert. Aber auch (B) überzeugt. Aber wer soll ohne Anreiz des Punkteabbaus (D) dieses Problem gehen wir durch die Reform erfolgreich freiwillig an Seminaren teilnehmen? Wir wollen doch, an. Wir werden feste Tilgungsfristen setzen. Allerdings dass gerade die positive Wirkung dieser Seminare – Ver- richten sich diese nach der Schwere des Vergehens. Die besserung der Fahrweise, Verbesserung der Einstellung Berechnung der Fristen erfolgt einheitlich, beginnend zum Straßenverkehr, nahezu Halbierung der Zahl der mit der Rechtskraftfeststellung des Verstoßes. Erst dann Unfälle, verkehrsangepasste Fahrweise; das alles sind kann wieder getilgt werden. Das ist eine vernünftige und Ergebnisse dieser Seminare – bei allen Bürgerinnen und nachvollziehbare Reihenfolge. Bürgern ankommt. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, Weiterhin bedeutet der Wegfall des freiwilligen Punk- es war eine Forderung des Bundesrates, die wir, die teabbaus für viele Berufskraftfahrer und Vielfahrer eine christlich-liberale Koalition, umsetzen. Damit hoffen wir wirkliche Härte. Auch das muss gesagt werden. natürlich auch – ich möchte dafür werben –, das Gesetz einvernehmlich beschließen zu können. Es wäre ein star- (Beifall bei der FDP) kes Signal an die deutschen Autofahrer, wenn wir das gemeinsam beschließen würden. Wir unterstützen keine Raser und Alkoholiker am Steuer. Es geht um diejenigen, die mit dem Autofahren (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) ihr Geld verdienen. Für viele geht es dabei um ihre Exis- Im Verkehrszentralregister sind über 9 Millionen Au- tenz. Deshalb sollten wir das Augenmerk auf diesen tofahrer erfasst, das ist jeder neunte deutsche Bundes- Punkt legen. Dafür möchte sich die FDP-Bundestags- bürger. fraktion einsetzen. (Gero Storjohann [CDU/CSU]: Wie viele Frauen? – Liebe Kolleginnen und Kollegen – ich spreche alle an –, Lachen bei Abgeordneten der SPD) die Gesetzesnovelle ist gut und richtig. Sie hat aber ei- nige offene Punkte. Diese möchte ich mit Ihnen konst- Das bedeutet einen riesigen Verwaltungsaufwand und ruktiv diskutieren und lösen, im Sinne der Verkehrsteil- hohe Kosten; in Euro und Cent: 15 Millionen jährlich. nehmer und im Sinne von Millionen Autofahrerinnen Ein bewusstes Reformziel ist es, spürbare Verwaltungs- und Autofahrern in diesem Land. vereinfachung zu erzielen. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit am Freitag- Ihre Forderung im Bundesrat, liebe Kolleginnen und nachmittag. Kollegen, die Tilgungsfrist auf zweieinhalb Jahre zu ver- längern, konterkariert unsere Bemühungen. Ich möchte (Beifall bei der FDP) Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. März 2013 28681

(A) Vizepräsidentin Petra Pau: Heimatstadt Saarbrücken finden vor Kindergärten und (C) Das Wort hat der Kollege Thomas Lutze für die Frak- Schulen so gut wie keine Geschwindigkeitsmessungen tion Die Linke. statt, sehr wohl aber auf Hauptverkehrsstraßen kurz hin- ter dem Ortseingangsschild. Hier müsste der Gesetzge- (Beifall bei der LINKEN) ber einmal eingreifen. Wir reden darüber, dass wir Ver- kehrsteilnehmer nicht nur bestrafen, sondern auch zur Thomas Lutze (DIE LINKE): Übernahme von Verantwortung motivieren wollen. Dazu Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! gehört auch, dass die Maßnahmen nachvollziehbar sind. Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Dr. Ramsauer, Es darf nicht der Eindruck entstehen, dass Bußgelder auf das Angebot, einen fraktionsübergreifenden Antrag ausschließlich dazu dienen, Haushaltslöcher zu stopfen. zu formulieren, würden wir sehr gerne zurückkommen. Die direkte Ansprache durch Polizeibeamte an Ort Auch nach 22 Jahren im Deutschen Bundestag müssen und Stelle wäre sinnvoller als der inflationäre Einsatz wir dafür aber erst auf die Reaktion Ihrer Fraktion war- von Blitzern – er hat in den letzten Jahren stark zu- ten. Gemeinsame Anträge, auf denen auch die Linke genommen – mit dem Versand von Knöllchen meist Wo- steht, gab es noch nicht. Wir sind aber zu Kompromissen chen oder Monate später. Auch das könnte dazu beitragen, bereit, wenn Sie nachher Ihr Wort halten. dass die Verkehrssicherheit nicht abstrakt wahrgenom- Jetzt zur eigentlichen Sache. Diese Debatte ist aus un- men, sondern dass das Verantwortungsbewusstsein des serer Sicht schon bemerkenswert; denn zurzeit dominie- Einzelnen gestärkt wird. ren in der Verkehrspolitik andere Themen die öffentliche Leider ist der Trend aufgrund der angespannten Per- Debatte, zum Beispiel die Kostenexplosion bei Stutt- sonalsituation bei der Polizei eher umgekehrt. Vor allem gart 21 oder das Desaster beim Berliner Flughafen. Aber in ländlichen Regionen stellt die mangelnde Präsenz hier im Bundestag debattieren wir über Initiativen wie – zumindest für einige Verkehrsteilnehmerinnen und die zur Wiederzulassung von alten Autokennzeichen Verkehrsteilnehmer – eher eine Einladung zum Rasen oder über die Reform der Flensburger Verkehrssünder- und zum Fahren unter Alkoholeinfluss dar. datei. Das kann man machen. Akuter Handlungsbedarf dafür liegt aus meiner Sicht allerdings nicht vor. Das al- Ich komme zum Schluss. Wenn diese Reform richtig les wirft für meine Begriffe ein interessantes Licht auf umgesetzt wird und im parlamentarischen Verfahren die Schwerpunktsetzung des Verkehrsministeriums. noch einige Verbesserungen erfährt, geht sie in die rich- tige Richtung. Der eine oder andere Wähler wird sich Wie dem auch sei, der Minister hat angesichts der dennoch fragen, wofür das Bundesverkehrsministerium drängenden Probleme in der Verkehrspolitik nun seine angesichts der großen Probleme der Verkehrspolitik (B) Ressourcen gebündelt und es geschafft, einen Gesetzent- seine Zeit verwendet. (D) wurf zur Reform des Verkehrszentralregisters vorzule- gen. Wenn man eine solche Reform anpackt, muss sie Vielen Dank für die Aufmerksamkeit und ein herzli- folgende Ziele haben: die Steigerung der Verkehrssicher- ches Glückauf! heit zum einen und die Reduzierung der Zahl von Unfäl- (Beifall bei der LINKEN) len zum anderen. Wichtig ist, dass die Anzahl der Ver- letzten und Toten im Straßenverkehr zurückgeht. Hier Vizepräsidentin Petra Pau: hat sich in den letzten Jahren sicherlich sehr viel zum Das Wort hat der Kollege Dr. Anton Hofreiter für die Positiven gewendet. Die Frage ist also heute: Leistet Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. diese Reform einen Beitrag dazu, diese positive Ent- wicklung fortzusetzen? Hier sehe ich – ähnlich wie meine Vorrednerinnen und Vorredner – einige Punkte Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- kritisch. Zwar ist die Absicht der Vereinfachung des NEN): Punktesystems prinzipiell gut. Es ist allerdings die Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Frage, ob dies erreicht wird, wenn einzelne Punkte wie- Kollegen! Verkehrssicherheit ist ein sehr wichtiges und derum unterschiedliche Halbwertszeiten haben. Über- bedeutendes Thema, das viel zu wenig im Fokus der Öf- sichtlich ist etwas anderes. fentlichkeit steht. Wir haben in dem Bereich aber sehr große Erfolge erzielt. Bei einer weitaus geringeren Ver- Außerdem entfällt die Möglichkeit, dass durch frei- kehrsleistung in den 70er-Jahren gab es allein in West- willige Teilnahme an Seminaren Punkte getilgt werden deutschland etwa 20 000 Verkehrstote pro Jahr. Inzwi- können. Es gab jetzt Wortbeiträge auch vonseiten der schen liegt die Zahl in Gesamtdeutschland – bei einer FDP, in denen das anders gesehen wurde. Wir kritisieren sehr stark gestiegenen Verkehrsleistung auf den Stra- das als Linksfraktion ebenfalls; denn durch aktives Han- ßen – bei deutlich unter 5 000 Verkehrstoten pro Jahr. Es deln sollte man auf sein Punktekonto Einfluss nehmen hat sich also sehr, sehr viel getan. Allerdings ist nicht be- können. Dies wiederum schafft eine positive Motivation sonders viel in Bezug auf die Anzahl der Unfälle sowie zur Übernahme von Verantwortung. Dazu wird nicht er- der Schwer- und Schwerstverletzten passiert. Deshalb ist muntert, wenn man in ein starres Zwangssystem zurück- es ein Thema, dem zu widmen sich lohnt. fällt. Eine Verbesserung von Qualitätskontrollen bei die- sen Seminaren wäre allerdings zwingend erforderlich. Worauf aber haben dieses Verkehrsministerium, diese Bundesregierung und diese Koalition ihren Fokus ge- Wir müssen auch darüber reden, wie Verkehrsteilneh- legt? Sie haben ihn auf die Reform der Punkte gelegt. mer überhaupt zu ihren Punkten kommen. In meiner Bisher lag die Grenze bei maximal 18 Punkten, und es 28682 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. März 2013

Dr. Anton Hofreiter (A) wurden Punkte im Bereich zwischen 1 und 7 vergeben. man doch nicht unsere Polizei belasten, die dafür so- (C) Jetzt liegt die Grenze bei maximal 8 Punkten, und es wieso keine Zeit und keine Kraft hat. werden 1 bis 3 Punkte angerechnet. Sie sehen, man müsste sich endlich mit den wirklich Es gibt einen Fortschritt. Vorher reichten zwei Hände wichtigen Themen im Bereich Verkehrssicherheit be- nicht aus, um die Anzahl der Punkte zu zählen. Jetzt rei- schäftigen. Das würde sich sogar lohnen; denn obwohl chen zwei Hände dafür aus. Das ist letztendlich der Un- wir viele Erfolge erreicht haben, passieren Tag für Tag terschied. Ich bin mir, ehrlich gesagt, nicht sicher, ob je- immer noch schreckliche Unfälle auf unseren Straßen. mand, der in der Lage ist, ein Kraftfahrzeug zu führen, Vielen Dank. nicht fähig ist, bis 18 zu zählen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) sowie bei Abgeordneten der SPD und der LIN- Es gibt die Aussage, das jetzige System sei vollkom- KEN) men intransparent. Wenn Sie wissen wollen, wie viele Punkte Sie haben, gebe ich Ihnen einen ganz simplen Vizepräsidentin Petra Pau: Tipp: Gehen Sie einfach online, und fragen Sie es ab. Das Wort hat der Kollege Gero Storjohann für die Das ist überhaupt nicht kompliziert, das kann jeder. Unionsfraktion. Dazu muss man weder Verkehrsrechtler noch Rechtsan- walt sein. Vielmehr braucht man einen Führerschein; da- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- mit ist man in der Verkehrssünderpunktekartei regis- neten der FDP) triert. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Gero Storjohann (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kol- Was wäre wirklich notwendig? Wirklich notwendig legen! Vorab möchte ich mit einem Lob für das Ministe- wäre, dass wir uns stärker um die echten Probleme im rium beginnen. Ich möchte es dafür loben, dass es sich Bereich der Verkehrssicherheit kümmern. Die Hauptun- dieser wichtigen Aufgabe, der Reform des Verkehrszen- fallursache ist erhöhtes Tempo. Eine weitere häufige Un- tralregisters, gewidmet hat. fallursache ist Alkohol. Ein weiteres großes Problem ist, dass die Gruppe der jungen Fahrer immer noch die (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Hauptunfallverursacher sind. Auch im Bereich der Kirsten Lühmann [SPD]: Das war im Auftrag Landstraße – Stichwort „Infrastruktur“ – gibt es große des Deutschen Bundestages!) (B) Probleme. Denn einige Kollegen haben jetzt ja die Auffassung ver- (D) (Gero Storjohann [CDU/CSU]: Drogen! – Ge- treten, dass es wesentlich wichtigere Themen gibt, über genruf der Abg. Dorothea Steiner [BÜND- die wir debattieren sollten. Dieser Meinung bin ich nicht. NIS 90/DIE GRÜNEN]: Woher wissen Sie das Dieses Ministerium kümmert sich nicht nur um Kernauf- denn?) gaben, sondern auch um andere Aufgaben, und – die Kollegin Lühmann hat dies eben zu Recht gesagt – wir Das sind die Hauptprobleme, die wir in dem Bereich ha- hatten einen Auftrag an das Ministerium formuliert, hier ben. Da macht die Bundesregierung fast nichts. Warum etwas vorzulegen. macht sie nichts? Beim Hauptproblem Tempo macht sie Ich erinnere mich noch gern an die Zeit 2009 in der aus ideologischen Gründen nichts. Das Argument lautet Großen Koalition, immer: freie Fahrt für freie Bürger. Dabei gehört viel stärker zur Freiheit, dass man unverletzt ankommt. Beim (Sören Bartol [SPD]: Klar, dass Sie sich gern Thema Tempo wäre es dringend notwendig, etwas zu daran erinnern! Das ist ja auch schrecklich machen. Ein erster kostengünstiger Schritt wäre, endlich jetzt!) ein Tempolimit auf allen Autobahnen einzuführen. als ich mit dem Kollegen Volkmar Vogel das Verkehrs- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zentralregister in Flensburg besucht habe, um mir dort sowie bei Abgeordneten der LINKEN) erklären zu lassen, welchen Verwaltungsaufwand wir be- treiben, um Punkte zu verwalten. Kollege Hofreiter, wir Des Weiteren wäre es dringend notwendig, Verwal- können online zwar feststellen, wie viele Punkte wir ak- tungsvereinfachungen durchzuführen. Unsere Verkehrs- tuell haben – das ist nicht das Problem –, aber Sie wer- polizei ist, wenn sie denn einmal Zeit und Kraft hat, den online nie feststellen können, wann Ihre Punkte Tempoüberwachungen durchzuführen, ewig damit be- wegfallen. Das können Ihnen wahrscheinlich nicht ein- schäftigt, herauszufinden, wer denn der Fahrer war. In mal die Sachbearbeiter ganz genau sagen. Da besteht In- einem Großteil unserer Nachbarländer gibt es etwas transparenz. Das hatte uns motiviert, mit allen Fraktio- ganz Einfaches. Das nennt sich Halterhaftung. Die Hal- nen einen sehr weit gefassten Antrag zu formulieren, in terhaftung gilt natürlich nicht in strafrechtlichen Fragen, dem wir das Ministerium beauftragt haben, einen Ent- aber bei Ordnungsgeldern. Dann ist schlichtweg derje- wurf für eine Reform des Verkehrszentralregisters vor- nige verantwortlich, dem das Auto gehört. Wenn der zulegen. Darüber reden wir heute. Halter jemanden mit seinem Auto fahren lässt, der un- verantwortlich damit umgeht, dann muss er sich halt das (Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Geld von demjenigen zurückholen. Aber damit muss Petra Müller [Aachen] [FDP]) Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. März 2013 28683

Gero Storjohann (A) Deshalb finde ich den Ansatz des Ministeriums rich- (Patrick Döring [FDP]: Ja! Aber bei sieben (C) tig, nicht nur Verwaltung einzusparen und alles auf EDV Punkten ist Schluss!) umzustellen, sondern auch klare und feste Tilgungsfris- Als wir mit der Debatte anfingen, haben wir gesagt: Die ten im System nachvollziehbar zu implementieren. Ich Tilgungsfrist soll drei Jahre betragen. – Als Ergebnis ist finde es auch richtig, dass die Verkehrssicherheit hierbei jetzt herausgekommen, dass die Tilgungsfrist zwei Jahre ein besonderer Aspekt ist; einige Punkte, die bisher ein- beträgt. Der Bundesrat sagt: Wir hätten gerne eine Frist getragen wurden, konnten wegfallen. von zweieinhalb Jahren. – Im Ergebnis bedeutet eine Wir wissen: Verkehrsunfälle entstehen hauptsächlich Frist von zweieinhalb Jahren mehr Verwaltung, mehr durch rücksichtsloses und zu schnelles Fahren. Da setzt Führerscheinentzüge und, und, und. Darüber kann man die Reform die richtigen Schwerpunkte. Denn wer wie- reden. Daran sollte diese Reform nicht scheitern. derholt die Sicherheit gefährdet, hat auf unseren Straßen Alle Kollegen haben gesagt: Wir möchten uns hier im nichts verloren. Plenum um die ganz wichtigen Themen kümmern. Wir möchten nicht, dass die Punktereform in der nächsten (Kirsten Lühmann [SPD]: Das ist jetzt auch Legislaturperiode ein zweites Mal auf die Tagesordnung schon so! Was ist das Neue?) kommt. – Ich glaube, da sind wir uns einig. Wir haben Ein Diskussionspunkt ist natürlich auch, wie wir mit vier Jahre darüber diskutiert und daran gearbeitet; sogar Berufskraftfahrern umgehen, die täglich 100, 200 oder Verkehrsgerichtstage haben sich damit beschäftigt. Des- halb halte ich es für sinnvoll, dass wir die Punktereform 300 Kilometer auf der Straße unterwegs sind. Als Ver- im Sommer dieses Jahres final auf den Weg bringen. kehrssicherheitspolitiker habe ich da ein Problem. Denn ich erwarte, dass man sich zum Beispiel vor einem Kin- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – dergarten, in sensiblen Bereichen, in denen wir die Ge- Sören Bartol [SPD]: Na, dann bewegt euch schwindigkeit bewusst reduzieren, um Gefahren zu ver- doch ein bisschen!) meiden, an die Regeln hält. Ich möchte noch auf einen Aspekt, den Frau (Sören Bartol [SPD]: Ich erwarte, dass man Lühmann angesprochen hat, eingehen. Sie hat gesagt, sich immer an die Regeln hält, Kollege dass das Parlament keinen Einfluss auf Verordnungen Storjohann! Man muss sich immer an die Re- hat, was die Verstöße angeht. Es ist hier allgemein Kon- geln halten!) sens, dass dem Gesetzgeber Verordnungsermächtigun- gen nur deswegen erteilt werden, damit sich die Fraktio- Da kann man keinen Unterschied machen zwischen ei- nen die jeweilige Verordnung noch einmal ansehen (B) nem Berufskraftfahrer, einer Hausfrau, die es eilig hat, können. Nur wenn wir ihr zustimmen, darf die Verord- (D) und einer Mutter, die schnell ihre Kinder zur Schule fah- nung in Kraft gesetzt werden. Insofern: Die Bußgeld- ren muss. Da sind alle gleich zu behandeln. Ich bin der reform ist das eine. Aber die Höhe der einzelnen Bußgel- Meinung, wir sollten feststellen: Jemand, der viele Re- der zu bestimmen, ist ein Prozess, der uns wieder gelverstöße begangen hat, ist für den Verkehr auf der mindestens zwei, drei Jahre beschäftigen wird. Insofern Straße nicht geeignet. Deshalb ist mein Petitum, dass wir ist der Einfluss des Parlaments in diesem Bereich enorm. keinen Punkteabbau ermöglichen sollten. Ich glaube, Frau Lühmann, wir sind uns einig: Da wollen wir mitreden, und da sollten wir mitreden. Ich glaube, Wenn wir das gesetzlich so festlegen würden, hätten wenn auch die Bürger mitreden würden, käme dabei et- wir nach fünf Jahren auch Erfahrungen mit den Semina- was Komplizierteres heraus, so wie es auch bei diesem ren gesammelt, die nach einer gewissen Zeit, wenn man Gesetzentwurf der Fall ist. sein Punktekonto zu sehr aufgebaut hat, verpflichtend zu Ich habe eindeutig dafür geworben: Über die Til- absolvieren sind. Wir könnten auch festlegen, dass wir gungsfristen können wir reden, und auch über die Kritik, dann evaluieren, ob es nicht doch sinnvoll ist, einen die der Bundesrat vorgetragen hat, sollten wir sprechen; Punkteabbau zu ermöglichen. Auch bei mir kommt na- wir werden dazu eine Anhörung durchführen. Ich plä- türlich an, dass Experten sagen, 50 Prozent der Teilneh- diere und werbe dafür, dass wir diese Reform des Ver- mer an einem solchen Lehrgang würden hinterher ein kehrszentralregisters noch in dieser Legislaturperiode besseres Verhalten an den Tag legen. Man könnte natür- auf den Weg bringen. lich auch gemein sein und sagen: Wir erwischen sie nicht mehr. Wir wissen eigentlich nicht genau, ob sie ihr Danke schön. Verhalten verändert haben oder nicht. – Insofern ist das (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) ein Punkt, den man wirklich evaluieren sollte, damit wir in diesem Hause allen Seiten gerecht werden. Vizepräsidentin Petra Pau: (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- Ich schließe die Aussprache. neten der FDP) Interfraktionell wird die Überweisung des Gesetzent- Mein Ziel ist, dass wir diese Reform auf den Weg wurfs auf Drucksache 17/12636 an die in der Tagesord- bringen. Wir sind eigentlich schon sehr weit. Der Bun- nung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt es desrat hat noch zwei, drei Punkte in die Debatte einge- dazu anderweitige Vorschläge? – Das ist nicht der Fall. bracht, über die wir sprechen können. Dann ist die Überweisung so beschlossen. 28684 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. März 2013

Vizepräsidentin Petra Pau (A) Ich rufe die Tagesordnungspunkte 33 a und 33 b auf: im Zusammenhang mit einem Angriffskrieg stehen, ver- (C) fassungswidrig sind und unter Strafe zu stellen sind. a) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be- richts des Rechtsausschusses (6. Ausschuss) zu (Beifall bei Abgeordneten der FDP, der CDU/ dem Antrag der Abgeordneten Paul Schäfer CSU, der SPD und der LINKEN) (Köln), Christine Buchholz, Inge Höger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Ich glaube, es gibt ganz wenige Fragen, die quer durch alle politischen Strömungen hindurch so einhellig Angriffskrieg verfassungs- und völkerrechts- beantwortet werden wie die, dass wir eine besondere konform unter Strafe stellen Pflicht haben, sicherzustellen, dass von Deutschland nie wieder Krieg ausgeht. – Drucksachen 17/11698, 17/12736 – Ob das, was in den gesetzlichen Regelungen zu fin- Berichterstattung: den ist, ausreichend ist, darüber können und müssen wir Abgeordnete Ansgar Heveling immer wieder die Debatte führen, zumal wenn man sich Burkhard Lischka das genauer anschaut: Der Verfassungsauftrag in Art. 26 Jörg van Essen des Grundgesetzes, Handlungen, die im Zusammenhang Halina Wawzyniak mit einem Angriffskrieg stehen, unter Strafe zu stellen, Ingrid Hönlinger hat erhebliche Schwierigkeiten gemacht. Übrigens: b) Zweite und dritte Beratung des von den Abgeord- Beim Thema Abgeordnetenbestechung, wo die Bundes- neten Paul Schäfer (Köln), Wolfgang Gehrcke, regierung ja ein internationales Abkommen unterzeich- Jan van Aken, weiteren Abgeordneten und der net hat, ist es ähnlich. Fraktion DIE LINKE eingebrachten Entwurfs ei- Es gibt im Augenblick eine entsprechende Bestim- nes … Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes mung im Strafgesetzbuch. Die Diskussion über das in- (Artikel 35 und 87 a) nerstaatliche Recht ist jedoch zu einem Zeitpunkt ge- – Drucksache 17/11591 – führt worden, als etwas, von dem ich persönlich meine, dass es einen ganz erheblichen Fortschritt bedeutet, noch Beschlussempfehlung und Bericht des Innenaus- nicht existierte, nämlich die völkerrechtliche Regelung schusses (4. Ausschuss) im Völkerstrafgesetzbuch. Ich gehöre mit zu denen, die sich intensiv dafür eingesetzt haben. Ich bin dankbar, – Drucksache 17/12711 – dass der frühere Außenminister, Klaus Kinkel, der ja zu- Berichterstattung: vor Justizminister war, sich da auch sehr engagiert hat. Abgeordnete Ingo Wellenreuther Angriffskriege sind in der Regel internationale Kon- (D) (B) Dr. Dieter Wiefelspütz flikte. Deshalb ist das Völkerstrafgesetzbuch genau der Gisela Piltz richtige Ort. Ulla Jelpke Wir alle wissen, dass es 2010 in Kampala dazu eine Wolfgang Wieland neue Übereinkunft gegeben hat. Im Augenblick laufen Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Überlegungen, wie das Ganze gegebenenfalls auch in Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Ich höre das nationale Strafrecht übernommen werden kann. keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. Meine persönliche Auffassung ist – Herr Beck, ich glaube, Sie haben in der ersten Lesung auch Ihre Mei- Ich eröffne die Aussprache. nung dazu vorgetragen –, dass es die beste Lösung ist, Das Wort hat der Kollege Jörg van Essen für die FDP- das ins Völkerstrafgesetzbuch aufzunehmen: weil es dann nämlich für alle gleich gilt. Das ist, wie ich finde, Fraktion. der richtige Ansatz. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten Von daher ist alles das, was die Linkspartei in ihrem der CDU/CSU) Antrag aufgeführt hat – dass es Strafbarkeitslücken gibt; dass die Gefahr besteht, dass von Deutschland wieder Jörg van Essen (FDP): Krieg ausgehen könnte –, Bedienung von Vorurteilen, Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! die in ihrer Klientel natürlich vorhanden sind, aber dem, Ich habe jetzt seit anderthalb Wochen Probleme mit Hus- was wir diesem Thema schulden – dass wir ernsthaft da- ten; ich hoffe, Sie drücken mir die Daumen, dass ich rüber nachdenken, wie wir das beispielsweise im Völ- meine Rede ohne einen Hustenanfall über die Bühne be- kerstrafgesetzbuch, aber auch gegebenenfalls in der na- komme. Deshalb werde ich auch etwas kürzer reden, als tionalen Gesetzgebung umsetzen –, nicht gerecht wird. das üblicherweise der Fall ist. Wir sind der Auffassung: Wir sollten darüber in aller (Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Sie können Ruhe, in aller Sorgfalt nachdenken; denn Strafrecht muss auch schweigen!) nach Art. 103 Abs. 2 des Grundgesetzes bestimmt sein und für den Gesetzesunterworfenen klar und eindeutig Das Thema Angriffskrieg ist aus historischen Grün- erkennbar sein. Genau diesem Ziel sind wir verpflichtet. den ein Thema, das die Menschen in Deutschland be- wegt. Von Deutschland sind zwei Weltkriege ausgegan- Die Vorschläge, die die Linksfraktion dazu gemacht gen. Deshalb finde ich es richtig, dass in Art. 26 des hat, genügen diesen Anforderungen eindeutig nicht. Von Grundgesetzes festgestellt wird, dass Handlungen, die daher mein Plädoyer heute: Ablehnung der Vorschläge Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. März 2013 28685

Jörg van Essen (A) der Linksfraktion und eine sachliche Diskussion über die (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten (C) anstehenden Fragen. der FDP und des Abg. Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Vielen Dank. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten Ich räume ein – ich will jetzt nicht von Schnellschüs- der CDU/CSU) sen reden; das passt in diesem Zusammenhang nicht –, dass hier auch Geduld gefordert ist, weil das nicht von heute auf morgen zu regeln sein wird. Aber wir sollten Vizepräsidentin Petra Pau: uns an dieser Stelle richtig anstrengen und die Bundesre- Das Wort hat der Kollege Dr. Dieter Wiefelspütz für gierung ermutigen, diesen Weg zu gehen. Wir als Parla- die SPD-Fraktion. ment sollten unsere Möglichkeiten nutzen, um diesen Weg voranzutreiben. (Beifall bei der SPD) Das Rom-Statut und mit ihm der Internationale Straf- Dr. Dieter Wiefelspütz (SPD): gerichtshof in Den Haag sind eine große zivilisatorische Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Errungenschaft. Herren! Das Vermächtnis unserer deutschen Geschichte (Jörg van Essen [FDP]: Sehr richtig!) heißt: Menschen, die gegen Recht und Gesetz Kriege vom Zaune brechen, müssen vor Gericht gestellt werden. – Warum soll dieses Strafgericht im Laufe der kommen- Das ist der Sinn des Art. 26 des Grundgesetzes und, ich den Jahre nicht noch wichtiger werden und auch über denke, das ist identitätsstiftend für alle, die hier im Angriffskriege entscheiden dürfen? Ich denke, wenn Hause tätig sind. Darüber kann kein Zweifel bestehen. man sich darauf verständigen kann, hat man einen gro- ßen Schritt voran getan. Das ist jedenfalls meine persön- Ich persönlich bin der Auffassung, dass die Umset- liche Überzeugung. zung in Gestalt der §§ 80 und 80 a Strafgesetzbuch, die ja schwer genug war, nicht ganz optimal gelungen ist. Es (Beifall bei der SPD und der FDP sowie des gibt jede Menge Abgrenzungsschwierigkeiten und bis Abg. Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE heute keine einzige Verurteilung. GRÜNEN]) (Jörg van Essen [FDP]: Gott sei Dank auch!) Wir haben hier heute auch noch über Art. 35 Grund- Das mag verschiedene andere Gründe haben. Insoweit gesetz und die Einsätze der Bundeswehr im Innern zu re- macht es durchaus auch Sinn, darüber nachzudenken, ob den. Ich persönlich bin gemeinsam mit meiner Fraktion man hier an der einen oder anderen Stelle zu Präzisierun- der Auffassung: Wir brauchen keine Ausweitung der (B) gen kommen kann. Einsatzmöglichkeiten der Bundeswehr im Innern; wir (D) brauchen aber auch keine Einschränkung. Aber die große Errungenschaft der letzten 20 Jahre, die auch unter starker Beteiligung Deutschlands zu- (Jörg van Essen [FDP]: Genau richtig!) stande gekommen ist, besteht darin – an dieser Stelle stimme ich mit Herrn van Essen uneingeschränkt über- Wir haben in Deutschland kraft Verfassungslage eine ein –, dass schwerste Menschenrechtsverletzungen in sehr klare Trennung: Die äußere Sicherheit ist unter an- Gestalt von Kriegen nicht mehr einfach nur Bestandteil derem Sache der Bundeswehr und nicht der Polizei, die der Geschichte sind und ohne Sanktionen bleiben. Men- innere Sicherheit ist im Wesentlichen Sache der Polizei. schenschlächter müssen heute damit rechnen, dass sie Nur in ganz begrenzten Ausnahmefällen kann die Bun- sich in Den Haag verantworten müssen. Das Rom-Statut deswehr im Innern eingesetzt werden. Vier Fälle sind in ist eine wichtige Sache, die man gar nicht hoch genug den Art. 87 a Abs. 4, Art. 87 a Abs. 3, Art. 35 Abs. 2 einschätzen kann. Dieser Weg ist aber noch nicht zu und Art. 35 Abs. 3 des Grundgesetzes geregelt. Mehr Ende. nicht! Nach dem Rom-Statut hat der Internationale Strafge- Es ist auch eine große zivilisatorische Errungenschaft, richtshof auch die Zuständigkeit für einen Angriffskrieg, dass wir diese Zuständigkeiten nicht vermischen. Für die aber es gibt keinen entsprechenden völkerrechtlichen äußere Sicherheit ist die Bundeswehr zuständig, die das Straftatbestand. Hier gibt es also eine unvollkommene gut und bewährt macht, für die innere Sicherheit gibt es Rechtslage, eine Lücke, von der ich meine, dass sie aus- die Polizei. Das eine hat mit dem anderen nur relativ we- gefüllt werden sollte. nig zu tun. Jeder macht seinen Job, und zwar insgesamt Es wäre schön, wenn wir uns hier im Hause darauf ei- gesehen sehr gut. Das sollten wir nicht vermengen. nigen könnten, dass das vielleicht doch der klügere Weg Noch einmal: Wir haben keinen Regelungsbedarf in ist, also nicht nur sozusagen ein deutscher Sonderweg, Richtung Ausweitung der Zuständigkeiten der Bundes- sondern ein Weg, den alle Staaten gehen sollten, und ich wehr im Innern. Wir haben aber auch keinen Regelungs- würde mir wünschen, dass das auch für die Vereinigten bedarf in Richtung Einschränkung der Möglichkeiten Staaten von Amerika gilt; auch hierin sind wir vermut- der Bundeswehr in besonderen Fällen. Insofern werden lich alle einer Meinung. wir diesen Antrag ablehnen. (Jörg van Essen [FDP]: Ja, genau!) Schönen Dank fürs Zuhören. Das ist die große Zielsetzung, die uns an dieser Stelle ei- nigen sollte. Das könnte in der Tat ein entscheidender (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Schritt sein. der CDU/CSU und der FDP) 28686 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. März 2013

(A) Vizepräsidentin Petra Pau: Ich glaube, Sie haben die Rechtslage nicht richtig (C) Das Wort hat der Kollege Dr. Patrick Sensburg für die durchschaut, oder Sie kennen sie nicht. Wir haben mit Unionsfraktion. § 80 des Strafgesetzbuches eine Norm, die die Vorberei- tung des Angriffskriegs unter Strafe stellt, und die funk- (Beifall bei der CDU/CSU) tioniert auch. Sie ist eine Ausgestaltung des Völker- rechts. Auch Art. 26 des Grundgesetzes ist eine Dr. Patrick Sensburg (CDU/CSU): Ausgestaltung des völkerrechtlichen Gewaltverbotes, Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten das wir seit dem Jahre 1928 kennen. Nur, das Völker- Damen und Herren! Ich habe zwar keinen Husten wie recht – das müssen wir auch wissen – hat einen gewissen der verehrte Kollege von Essen, aber auch ich werde Anteil, bei dem man nicht konkreter werden kann. Straf- mich kurzfassen, da schon meine beiden Vorredner die rechtsnormen müssen allerdings hinreichend bestimmt zwei entscheidenden Punkte ausführlich angesprochen und konkret sein. Sie werden insbesondere durch das in- haben. ternationale Völkerstrafrecht ausgestaltet, und daran Meine Damen und Herren von der Linken, Sie erwe- müssen wir arbeiten. cken den Eindruck, als hätten wir im deutschen Recht Die beiden Kollegen haben es doch gerade darge- eine Gesetzeslücke, als stünden wir kurz vor der Vorbe- stellt. Sie können eine deutsche Norm nicht so hinrei- reitung eines Angriffskrieges, als müssten wir hier drin- chend konkret formulieren, und das zeigt auch Ihr An- gendst legislatorisch-normativ tätig werden. Das ergibt trag: Sie haben keinen Paragrafen formuliert. Hätten Sie sich aus Ihren beiden Anträgen. Nichts davon ist der doch einen § 80 formuliert! Den hätte ich gerne gesehen. Fall. (Paul Schäfer [Köln] [DIE LINKE]: Weil die (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Diskussion weitergehen muss!) Das hat sich schon im Jahre 2003 gezeigt, als die Sie merken doch selber, dass Sie mit Ihrem Antrag reine Strafanträge unter anderem gegen den damaligen Bun- Schaufensterpolitik machen, deskanzler Schröder, den damaligen Außenminister und den damaligen Verteidigungsminis- (Jörg van Essen [FDP]: Sehr richtig! – Paul ter Dr. Peter Struck erfolglos geblieben sind, weil die Schäfer [Köln] [DIE LINKE]: Weil es das Er- Bundesanwaltschaft ganz klar gesagt hat: Hier besteht gebnis eines Diskussionsprozesses sein muss!) kein erstes Anzeichen für die Vorbereitung eines An- und Sie merken auch, dass Sie hier für Ihre Altlinken an griffskriegs. – § 80 StGB war die einschlägige Norm, um den Stammtischen etwas tun wollen. Für die Sache sel- dies zu prüfen. ber tun Sie aber wirklich nichts Gutes. (B) (D) Wir haben im Grundgesetz in Art. 26 einen Friedens- Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten, dass wir auftrag normiert. Das ist eine besondere Leistung unse- ein völkerrechtliches Gebot normieren und dass wir im res deutschen Grundgesetzes, und darauf können wir Völkerstrafrecht weiterkommen. Ich glaube, dann tun auch stolz sein. Daraus erwächst ein Auftrag insbeson- wir wirklich etwas Gutes. Mit Ihrem Antrag bewirken dere im Rahmen des europäischen Friedensprozess, der Sie genau das Gegenteil. Das ist schade. Ich hoffe, dass uns seit 70 Jahren – daran sollten wir auch denken – wir diesen beiden Anträgen heute nicht zustimmen, son- Frieden auf deutschem Boden beschert hat. Daher soll- dern sie ablehnen. Auch dann haben wir etwas Gutes ge- ten wir diese Verantwortung wahrnehmen und den Frie- tan. den weiter gestalten. Meine Damen und Herren von der Linken, das ist Ihnen in den letzten Monaten mit Ihrer Danke schön. ständigen Ablehnung der Anträge, bei denen es um die (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Solidarität in Europa ging, übrigens nicht gelungen. Andrea Astrid Voßhoff [CDU/CSU]: Das (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie brauchen Sie nicht zu hoffen! Das ist so!) des Abg. Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN] – Zuruf des Abg. Alexander Vizepräsidentin Petra Pau: Süßmair [DIE LINKE]) Für die Fraktion Die Linke hat der Kollege Paul Gleichzeitig sollten wir auch des Auftrags der Bun- Schäfer das Wort. deswehr gedenken, wenn deutsche Soldaten im Ausland (Beifall bei der LINKEN) ihr Leben riskieren und für Frieden einstehen. Meine Damen und Herren von den Linken, auch da sind Sie Paul Schäfer (Köln) (DIE LINKE): kein Glanzpunkt in der parlamentarischen Arbeit, Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zwei (Alexander Süßmair [DIE LINKE]: Doch! wichtige Themen, zwei wichtige Vorlagen – und das in Doch! Wir sind ganz konsequent für Frieden vier Minuten. Das ist eine echte Herausforderung, und gegen Rüstung!) (Dr. Patrick Sensburg [CDU/CSU]: Das habe wenn Sie immer wieder das Ansehen unserer deutschen ich auch geschafft!) Soldatinnen und Soldaten, die sich für Frieden einsetzen, zumal es um zwei verschiedene Dinge geht, die aber untergraben. eine Gemeinsamkeit haben: Es geht um Einsätze der (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Bundeswehr und um Rechtsklarheit. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. März 2013 28687

Paul Schäfer (Köln) (A) Erstens wollen wir kategorisch ausschließen, dass die ist Handlungsbedarf. – Aber bitte, dann machen wir das! (C) Bundeswehr im Innern Waffen einsetzt, und zweitens Mir leuchtet nicht ein, dass man sich jetzt nur auf Ent- wollen wir, dass verbindlich festgeschrieben wird, dass wicklungen im Völkerstrafrecht verlegt und sagt: Im sich Deutschland niemals und in keiner Weise an der deutschen Strafgesetzbuch lassen wir das außen vor. – Vorbereitung und Durchführung von Angriffskriegen be- Hier können wir anfangen, etwas zu machen. Dann soll- teiligt. ten wir das auch tun. (Beifall bei der LINKEN) (Beifall bei der LINKEN) Im Verteidigungsausschuss wurde gesagt, das sei Auch mit der zweiten Vorlage, unserem Gesetzent- doch selbstverständlich. Dafür brauchten wir keine neue wurf, wollen wir Rechtsklarheit schaffen. Es sollte Regelung. selbstverständlich sein, dass die Bundeswehr ihre Waf- (Jörg van Essen [FDP]: Ist es auch!) fen nicht gegen die eigene Bevölkerung einsetzt. So ist es aber nicht ganz. 1968 sind mit den Notstandsgesetzen Niemand käme im Traum darauf, dass die Bundeswehr Passagen ins Grundgesetz eingefügt worden, die damals auf die eigene Bevölkerung schieße oder sich Deutsch- im Geiste des Kalten Krieges verabschiedet wurden und land an einem Angriffskrieg beteilige. Der Rest sei quasi die die panische Angst der damaligen Bundesregierung typisch linke Phobie gegen die Bundeswehr. vor sozialen Unruhen widergespiegelt haben, denen man im schlimmsten Fall – natürlich ist das eingegrenzt – mit (Jörg van Essen [FDP]: So ist es!) spezifischen militärischen Mitteln begegnen müsse. Der Selbst wenn es so wäre, lieber Kollege van Essen: Was Kalte Krieg ist vorbei, aber die Ermächtigung für den würde denn dagegen sprechen, das, was alle wollen, Gewalteinsatz der Bundeswehr ist geblieben. rechtsverbindlich festzuschreiben? Es kommt hinzu: Teile der Bundesregierung sind seit (Beifall bei der LINKEN) langem bestrebt, den Handlungsspielraum der Bundes- wehr im Innern auch über Art. 35 Grundgesetz zu erwei- Aber offenkundig wollen Sie ganz bestimmte Festle- tern. Die Regierung aus SPD und Grünen wollte, dass gungen nicht. Nehmen wir den Antrag. Untersagt wer- Kampfflugzeuge im Zuge der Terrorabwehr auch zivile den soll die Beteiligung an Angriffskriegen, die Zuwi- Flugzeuge abschießen dürfen. Dem hat das Verfassungs- derhandlung soll strafrechtlich belangt werden. – Sie gericht 2006 zum Glück einen Riegel vorgeschoben. Al- sagen: Wenn Art. 26 des Grundgesetzes gilt, der die Be- lerdings hat dasselbe Gericht im letzten Jahr auch mit teiligung an der Vorbereitung eines Angriffskrieges un- dem Verweis auf die Notstandsgesetzgebung wieder ein tersagt, dann wird dadurch doch erst recht auch die Be- Hintertürchen geöffnet. Diese Tür – darum geht es – gilt (B) teiligung am Angriffskrieg selber erfasst. (D) es, gesetzgeberisch – das heißt: hier – wieder zu schlie- (Jörg van Essen [FDP]: Genau!) ßen. Ja, so sollte es sein. Aber es scheint nicht ganz so zu Die Aufrechterhaltung der inneren Sicherheit ist für sein. uns eine Aufgabe der Polizei – ohne Ausnahme! Für uns bleibt auch die Terrorismusbekämpfung eine polizeiliche Noch einmal zur Erinnerung. Deutschland hat 2003 Aufgabe. Und für uns gibt es auch kein plausibles Sze- die USA bei dem Krieg im Irak unterstützt; Stichwort: nario für eine bewaffnete Amtshilfe nach Art. 35 Grund- bewaffnete Eskorten der US-Schiffe. Die Strafanzeigen gesetz. Es blieb den Grünen vorbehalten, im Verteidi- gegen die Bundesregierung wurden vom damaligen Ge- gungsausschuss ein Szenario heraufzubeschwören, den neralbundesanwalt Nehm mit der Begründung zurückge- apokalyptischen Fall eines auf die Erde stürzenden Me- wiesen, nur die Vorbereitung eines Angrif fskrieges sei teoriten, den man gegebenenfalls abschießen müsse. eindeutig strafbewehrt. Das zeigt doch: Nicht unser An- Aber ich kann Sie beruhigen: Wenn es um die Rettung trag ist schräg, sondern dieser Zustand. der Welt geht, spielt deutsche Gesetzgebung keine Rolle Es kann auch nicht sein, dass es im deutschen Strafge- mehr. setz immer noch keine präzise Definition dazu gibt, was man unter einem Angriffskrieg und einer kriegerischen Was wir hier verhandeln, was wir hier brauchen, sind Handlung versteht. Dafür sind aber jetzt auf internatio- klare gesetzliche Grundlagen, um den Missbrauch mili- naler Ebene Grundlagen geschaffen worden: einmal tärischer Gewalt auszuschließen. Das fordern wir hier. durch die UNO-Generalversammlung 1974, aber vor al- Danke. lem durch die Ergänzung des Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs 2010; das haben Sie auch gesagt. (Beifall bei der LINKEN) Das heißt, nach unserem Verständnis kann diese Rechtslücke jetzt geschlossen werden. Sie sollte ge- Vizepräsidentin Petra Pau: schlossen werden. Wir machen dazu einen Vorschlag. Das Wort hat der Kollege Volker Beck für die Frak- Deshalb haben wir keinen Gesetzestext vorgelegt. Viel- tion Bündnis 90/Die Grünen. mehr haben wir gesagt: Diese Debatte muss weiterge- hen. Ich bin ganz froh darüber, dass der Kollege van (Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Welcher Meteo- Essen hier in einer anderen Tonlage als in der ersten Le- rit ist denn bei Ihnen eingeschlagen, Herr sung gesprochen hat. Er hat zumindest eingeräumt: Hier Beck?) 28688 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. März 2013

(A) Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): (Jörg van Essen [FDP]: So ist es! – Paul (C) Herr Kollege, bei mir ist es allenfalls der Stern von Schäfer [Köln] [DIE LINKE]: Das eine schließt Bethlehem. – Meine Damen und Herren! Ich finde, es doch das andere nicht aus!) geht hier um zwei Debatten, die sich lohnen, ernsthaft Der Wortlaut Ihrer Anträge – vielleicht haben Sie et- geführt zu werden. Aber ich wundere mich, dass diese was anderes gewollt oder gemeint, aber Sie haben es zu- Anträge zu einem Tagesordnungspunkt zusammenge- mindest nicht geschrieben – hätte zur Konsequenz, dass fasst worden sind: Einsatz der Bundeswehr im Inneren nur Taten am Tatort Deutschland als Straftat verfolgt und Verbot des Angriffskriegs. werden. Das halte ich für zu kurz gesprungen. Deshalb (Dr. Patrick Sensburg [CDU/CSU]: Ja!) werden wir uns bei der Abstimmung über Ihren Antrag enthalten. Wir teilen zwar das Anliegen, finden aber die Das hat schon ein bisschen die Grundmelodie von anti- Umsetzung in keiner Weise überzeugend. militaristischer Gesetzgebung gegen den Militarismus in Deutschland. Aber ich finde, wir sollten damit nicht die Diskussion beenden. Wir sollten nicht jetzt bummeln und dann im (Paul Schäfer [Köln] [DIE LINKE]: Das hat Jahr 2017 mit einem – dieser Begriff verbietet sich in mit Handlungszwängen hier zu tun! Wir woll- dieser Debatte eigentlich – Schnellschuss versuchen, das ten das nicht!) Thema abzuräumen; vielmehr sollten wir es sorgfältig vorbereiten. Denn das alles ist nicht trivial. Ich finde, das wird selbst dieser Koalition nicht wirklich gerecht. Wir haben doch einen anderen Diskussionsstand Weil wir in Deutschland eine Vorreiterrolle bei der und eine andere politische Kultur – Gott sei Dank! Einführung des Internationalen Strafgerichtshofs und der Ratifizierung des Statuts hatten, müssen wir diesem An- (Beifall des Abg. Dr. Patrick Sensburg [CDU/ spruch gerecht werden und mutig voranschreiten. Des- CSU]) halb würde ich mich freuen, wenn sich alle Fraktionen Das war nicht immer so, das war auch nicht immer so zu gemeinsamen Gesprächen zusammenfinden, um die- einvernehmlich, aber das halte ich für einen Fortschritt, ses Thema in einer sinnvollen Art und Weise vorzuberei- den wir als Grundlage für die Debatte festhalten sollten. ten, sodass wir es in der nächsten Legislaturperiode – ich denke, in dieser schaffen wir das nicht mehr – gemein- Ich finde es auch gut, dass Sie sich zumindest Gedan- sam auf den Weg bringen können, weil auch das ein gu- ken gemacht haben, wie wir zu einer besseren Kodifizie- tes Zeichen ist, dass wir uns in diesem Punkt in Deutsch- rung des Verbots des Angriffskrieges kommen. Aber ich land zwischen den Fraktionen einig sind. finde, Sie springen mit Ihrem Vorschlag zu kurz. (B) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (D) Auf der Konferenz in Kampala einigten sich die Ver- tragsstaaten des Internationalen Strafgerichtshofes 2010 Zu den anderen Punkten: Was die Bundeswehr im In- auf den neuen Straftatbestand des Aggressionsverbre- nern angeht, sehe ich das wie Herr Wiefelspütz in Bezug chens. Danach soll ab 2017 der Internationale Strafge- auf die Meinung bei der Koalition: Es braucht keine richtshof über das Verbrechen des Angriffskrieges urtei- Ausweitung der Befugnisse der Bundeswehr. Wir wollen len können. Das kann er gegenwärtig nicht. Seine die Bundeswehr nicht als Hilfstruppe der Polizei; viel- Zuständigkeit ist bislang auf schwerste Kriegsverbre- mehr soll die Polizei grundsätzlich die Aufgaben der in- chen reduziert. neren Sicherheit wahrnehmen. Dabei bleiben wir. Zusätzlich haben sich die Vertragsstaaten verpflichtet, Die von Ihnen vorgeschlagene Kodifizierung halte ich eine völkerrechtskonforme Regelung im jeweiligen na- entweder für tatsächlich oder für rechtlich ungeeignet. tionalen Recht zu schaffen. Das ist unsere Aufgabe; Ich weiß nicht, was es bedeuten soll, wenn Sie das Wort denn der Internationale Strafgerichtshof soll nur subsi- „unbewaffnet“ einfügen. Meinen Sie „ohne militärische diär eingreifen, wenn die nationale Gesetzgebung oder Bewaffnung“, oder meinen Sie: „Anders als die Polizei Gerichtsbarkeit versagt haben. darf ein Bundeswehrangehöriger bei einer Aufgabe im Bereich der inneren Sicherheit überhaupt keine Waffen Deshalb finde ich es falsch, das in § 80 Strafgesetz- tragen“? Er kommt dann also lediglich in Uniform, aber buch zu regeln. Dann müssten wir es vielmehr zusam- ansonsten ist er blank. Das ist, glaube ich, bei bestimm- men mit all den anderen Taten, die der Internationale ten Aufgaben der inneren Sicherheit nicht überzeugend. Strafgerichtshof potenziell aufgreift, im Völkerstrafge- setzbuch regeln, Vizepräsidentin Petra Pau: (Paul Schäfer [Köln] [DIE LINKE]: Das eine Kollege Beck, ich glaube, diesen Fragen müssen Sie schließt das andere nicht aus!) sich jetzt außerhalb dieser Debatte beantworten lassen. auch mit der Konsequenz, dass dann das Weltrechtsprin- Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): zip gilt. Das vermeidet zwar auch nicht die Einstellungs- problematik in § 153 f StPO, die nicht jeden glücklich Das ist total schade, Frau Präsidentin. Ich hätte noch macht, aber es ist der richtige Ort. Warum soll beim An- so viel Wichtiges zu sagen. griffskrieg nicht das Weltrechtsprinzip gelten, aber in Bezug auf die anderen Taten, die der Internationale Vizepräsidentin Petra Pau: Strafgerichtshof potenziell aufgreift, schon? Ich bin fest davon überzeugt. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. März 2013 28689

(A) Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): das daher mit der Realität wirklich nichts mehr zu tun, (C) Aber ich muss mich kurzfassen, nicht weil ich erkältet sondern ist meines Erachtens schlichtweg eine Frechheit. bin, sondern weil die Redezeit zu knapp ist. Aber viel- Irreführend ist auch, dass Sie in Ihrem Entwurf Veran- leicht geben mir die anderen etwas ab. staltungen wie die Fußballweltmeisterschaft 2006 oder den Papstbesuch erwähnen. Sie erwecken damit den Ein- Vizepräsidentin Petra Pau: druck, als sei es damals zu bewaffneten Einsätzen der Das ist nicht übertragbar, was hier eingespart wurde. Bundeswehr gekommen. Tatsächlich handelt es sich aber dabei um Unterstützungsleistungen und logistische Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): und sanitätsdienstliche Hilfen im Wege der Amtshilfe Der zweite Punkt sind die Notstandsgesetze. Darüber nach Art. 35 Abs. 1, die unterhalb der Schwelle eines kann man meines Erachtens reden, man muss aber fra- Einsatzes erfolgten. Sie mischen hier alles durcheinan- gen – das will ich Ihnen noch mitgeben –, ob wir damit der und verunsichern damit ganz bewusst die Menschen. nicht eine Schranke bei anderen Normen einreißen. Das Konkret wollen Sie mit Ihrem Antrag das Grundge- muss man zumindest diskutieren, bevor man nonchalant setz in zwei Punkten ändern. Erst einmal soll Art. 35 des diese Regelung abräumt. Grundgesetzes so gefasst werden, dass die Bundeswehr Es ist also alles ein bisschen ungeeignet. nur unbewaffnet Amtshilfe leisten darf. Das Plenum des Bundesverfassungsgerichts, das heißt beide Senate zu- (Jörg van Essen [FDP]: Deswegen sollten Sie sammen, hatte demgegenüber am 3. Juli des letzten Jah- es ablehnen!) res beschlossen, dass die Amtshilfe nach Abs. 2 und 3 Deshalb wird das auch keine Mehrheit finden. des Art. 35 gerade nicht grundsätzlich ausschließt, dass die Streitkräfte ihre spezifisch militärischen Waffen ver- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) wenden, und das vollkommen zu Recht.

Vizepräsidentin Petra Pau: Die Voraussetzungen, unter denen ein Einsatz der Streitkräfte nach Art. 35 Abs. 2 und 3 rechtlich möglich Der Kollege Ingo Wellenreuther hat nun für die ist, sind äußerst eng. Es sind drei Punkte anzusprechen: Unionsfraktion abschließend das Wort. Erstens. Es muss eine Katastrophe vorliegen, also eine (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- Naturkatastrophe oder ein besonders schwerer Unglücks- neten der FDP) fall. Ein solcher Unglücksfall liegt nur – so formuliert es das Bundesverfassungsgericht – bei Ereignissen kata- Ingo Wellenreuther (CDU/CSU): strophischer Dimension vor, was nur ungewöhnliche (B) (D) Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Ausnahmesituationen umfasst. Dazu sind nach dem Kollegen! Nachdem der Kollege Dr. Sensburg zum Bundesverfassungsgericht auch absichtlich herbeige- Thema Angriffskrieg gesprochen hat, spreche ich zum führte Schadensereignisse wie Terroranschläge zweifels- Thema Bundeswehr im Innern. Das Grundgesetz sieht frei zu zählen. den Einsatz der Bundeswehr im Innern zu Recht nur in Zweitens. Weiterhin ist der Einsatz der Streitkräfte sehr eng begrenzten Fällen vor. Nach dem vorliegenden mit militärischen Kampfmitteln nur als Ultima Ratio, Gesetzentwurf der Linken sollen die Streitkräfte in diesen also als letztes Mittel, zulässig, wenn keine sonstigen, engen Ausnahmefällen sich nicht ihrer spezifisch militä- milderen Maßnahmen Erfolg versprechen. rischen Waffen bedienen dürfen. Die Linke zeichnet in ih- rem Entwurf das Bild eines Staates, der angeblich bewaff- Drittens muss der Unglücksfall bereits vorliegen. Das nete Einsätze der Bundeswehr im Innern gegen seine heißt, der Unglücksverlauf muss bereits begonnen ha- eigenen Staatsbürger ausübt. Sie zeichnet ein Zerrbild ben. Ein Schaden braucht noch nicht eingetreten zu sein. von unserem freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat. Es Aber er muss mit an Sicherheit grenzender Wahrschein- handelt sich um eine Wahnvorstellung von einer zuneh- lichkeit unmittelbar bevorstehen. menden Militarisierung im Innern. Das entspricht nicht Nur wenn diese engen Voraussetzungen vorliegen, die der Wirklichkeit unserer Bundesrepublik Deutschland. im Übrigen sicherstellen, dass die strikten Begrenzungen Richtig ist demgegenüber: Nach unserer Verfassung ist des Art. 87 a Abs. 4 nicht unterlaufen werden, ist ein die Bundeswehr dazu berufen, innerhalb eines Systems entsprechender Einsatz der Streitkräfte nach Art. 35 zu- kollektiver Sicherheit Frieden zu wahren, unser Land zu lässig. Aber dann ist er auch sinnvoll und notwendig, verteidigen, Amtshilfe zu leisten, insbesondere in Katas- weil die Polizeikräfte und die ihnen zur Verfügung ste- trophenfällen, und Einsätze auszuführen, wenn der Be- henden Mittel nicht ausreichen. stand unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung (Paul Schäfer [Köln] [DIE LINKE]: Warum gefährdet ist. In diesem Rahmen leisten die Soldatinnen nicht?) und Soldaten wichtige, verantwortungsvolle Aufgaben für unser Land, die uns zu Dank verpflichten. Gerade bei Deshalb ist es auch richtig, die Streitkräfte nicht ihrer den Fällen im Innern geht es ganz offensichtlich um Un- spezifischen Mittel von vornherein zu berauben, so wie terstützungsleistungen und Einsätze zum Schutz unseres Sie es von den Linken beabsichtigen. Ansonsten könnte Staates und zugunsten der eigenen Bevölkerung, nicht ge- bei entsprechenden Gefahrensituationen eine empfindli- gen die Bevölkerung. Wenn Sie von den Linken hier von che Lücke entstehen und die Bevölkerung nicht ausrei- Einsätzen gegen die eigenen Staatsbürger sprechen, hat chend geschützt werden. 28690 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. März 2013

Ingo Wellenreuther (A) (Alexander Süßmair [DIE LINKE]: Wo denn freiheitlich-demokratischen Grundordnung gefährden, (C) zum Beispiel?) obwohl die Polizeikräfte der Lage nicht Herr werden. Wir stellen uns nur einmal vor: Es steht ein terroristi- Sie wollen mit Ihrem Gesetzentwurf unsere freiheit- scher Anschlag in Deutschland unmittelbar bevor. Ge- lich-demokratische Grundordnung empfindlich schwä- sundheit und Leben von Tausenden Menschen sind akut chen. Das machen wir von der Union nicht mit. Deswe- bedroht. Die Kräfte der Polizei reichen nicht aus, aber gen lehnen wir Ihren Gesetzentwurf ab. die Bundeswehr mit ihren spezifischen Einsatzmitteln Danke schön. könnte die Gefahr bannen. Nach dem Willen der Linken sollen die Streitkräfte nicht zum Einsatz kommen, son- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) dern der Staat und die Soldaten sollen tatenlos zusehen und den Terroranschlag über unsere Bürger, über un- Vizepräsidentin Petra Pau: schuldige Menschen hereinbrechen lassen. Ich schließe die Aussprache. (Alexander Süßmair [DIE LINKE]: Nennen Wir kommen zur Abstimmung über die Beschluss- Sie mir mal, was Sie da hätten verhindern kön- empfehlung des Rechtsausschusses zu dem Antrag der nen!) Fraktion Die Linke mit dem Titel „Angriffskrieg verfas- sungs- und völkerrechtskonform unter Strafe stellen“. Dass Sie durch die beabsichtigte Änderung unserer Ver- Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung fassung diese Hilfe im äußersten Notfall verwehren auf Drucksache 17/12736, den Antrag der Fraktion Die möchten, ist skandalös. Der Staat ist zum Schutz seiner Linke auf Drucksache 17/11698 abzulehnen. Wer stimmt Bürger, zur Gefahrenabwehr und zum Katastrophen- für diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – schutz verpflichtet. Dieses verfassungsrechtliche Gebot Wer enthält sich? – Die Beschlussempfehlung ist mit den missachten Sie meiner Auffassung nach sträflich. Mit Stimmen der Koalitionsfraktionen und der SPD-Fraktion Ihren Plänen sind Sie eine Gefahr für die Sicherheit der gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke bei Enthal- Menschen in unserem Land. tung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen angenommen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Tagesordnungspunkt 33 b. Abstimmung über den Ge- Alexander Süßmair [DIE LINKE]: Das ist setzentwurf der Fraktion Die Linke zur Änderung des wirklich unverschämt!) Grundgesetzes, Art. 35 und 87 a. Der Innenausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksa- Der zweite Punkt Ihres Gesetzentwurfs betrifft die che 17/12711, den Gesetzentwurf der Fraktion Die Linke Regelung in Art. 87 a Abs. 4 des Grundgesetzes, mit auf Drucksache 17/11591 abzulehnen. Ich bitte diejeni- (B) dem Sie den Einsatz unserer Streitkräfte zur Unterstüt- gen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das (D) zung der Polizei und der Bundespolizei verhindern wol- Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält len. Diese Regelung wollen Sie aufheben bzw. streichen. sich? – Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung abge- lehnt. Damit entfällt nach unserer Geschäftsordnung die Glücklicherweise haben wir eine stabile Demokratie, weitere Beratung. auf die wir stolz sein können. Dennoch kann es zu Kri- Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind damit am sensituationen kommen, zu Angriffen auf unsere Grund- Schluss unserer heutigen Tagesordnung. werte der Freiheit und der Demokratie, auf die wir tat- sächlich und verfassungsrechtlich vorbereitet sein Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun- müssen. Ihr Vorhaben hätte in einer solchen Krisensitua- destags auf Mittwoch, den 20. März 2013, 13 Uhr, ein. tion folgende Konsequenz: Die Bundeswehr dürfte nicht Die Sitzung ist geschlossen. Ich wünsche Ihnen ein mit militärischen Kampfmitteln eingreifen, wenn zivile schönes Wochenende, falls Sie denn eines haben. Objekte geschützt werden müssen oder organisierte Auf- ständische mit militärischen Waffen den Bestand unserer (Schluss: 15.33 Uhr) Anlagen

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. März 2013 28691

(A) Anlagen zum Stenografischen Bericht (C)

Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten

 entschuldigt bis  entschuldigt bis Abgeordnete(r) einschließlich Abgeordnete(r) einschließlich

Behm, Cornelia BÜNDNIS 90/ 15.03.2013 Krestel, Holger FDP 15.03.2013 DIE GRÜNEN Krumwiede, Agnes BÜNDNIS 90/ 15.03.2013 Behrens, Herbert DIE LINKE 15.03.2013 DIE GRÜNEN

Bleser, Peter CDU/CSU 15.03.2013 Kühn, Stephan BÜNDNIS 90/ 15.03.2013 DIE GRÜNEN Canel, Sylvia FDP 15.03.2013 Laurischk, Sibylle FDP 15.03.2013 Dr. Enkelmann, Dagmar DIE LINKE 15.03.2013 Dr. von der Leyen, CDU/CSU 15.03.2013 Frieser, Michael CDU/CSU 15.03.2013 Ursula

Dr. Gauweiler, Peter CDU/CSU 15.03.2013 Liebich, Stefan DIE LINKE 15.03.2013

Dr. Gerhardt, Wolfgang FDP 15.03.2013 Luksic, Oliver FDP 15.03.2013

Gloser, Günter SPD 15.03.2013 Dr. Luther, Michael CDU/CSU 15.03.2013

Granold, Ute CDU/CSU 15.03.2013 Mast, Katja SPD 15.03.2013

Groß, Michael SPD 15.03.2013 Mayer (Altötting), CDU/CSU 15.03.2013 (B) Stephan (D) Dr. Happach-Kasan, FDP 15.03.2013 Christel Meinhardt, Patrick FDP 15.03.2013

Dr. Harbarth, Stephan CDU/CSU 15.03.2013 Dr. Merkel, Angela CDU/CSU 15.03.2013

Dr. Hein, Rosemarie DIE LINKE 15.03.2013 Möller, Kornelia DIE LINKE 15.03.2013

Heinen-Esser, Ursula CDU/CSU 15.03.2013 Montag, Jerzy BÜNDNIS 90/ 15.03.2013 DIE GRÜNEN Herlitzius, Bettina BÜNDNIS 90/ 15.03.2013 DIE GRÜNEN Müller (Köln), Kerstin BÜNDNIS 90/ 15.03.2013 DIE GRÜNEN Hörster, Joachim CDU/CSU 15.03.2013 Dr. Nüßlein, Georg CDU/CSU 15.03.2013 Hoff, Elke FDP 15.03.2013 Paus, Lisa BÜNDNIS 90/ 15.03.2013 Hoppe, Thilo BÜNDNIS 90/ 15.03.2013 DIE GRÜNEN DIE GRÜNEN Dr. Pfeiffer, Joachim CDU/CSU 15.03.2013 Dr. Jochimsen, Lukrezia DIE LINKE 15.03.2013 Ploetz, Yvonne DIE LINKE 15.03.2013 Karl, Alois CDU/CSU 15.03.2013 Reinhold, Hagen FDP 15.03.2013 Koenigs, Tom BÜNDNIS 90/ 15.03.2013 DIE GRÜNEN Remmers, Ingrid DIE LINKE 15.03.2013

Korte, Jan DIE LINKE 15.03.2013 Roth (Heringen), SPD 15.03.2013 Michael Kossendey, Thomas CDU/CSU 15.03.2013 Sager, Krista BÜNDNIS 90/ 15.03.2013 Kramme, Anette SPD 15.03.2013 DIE GRÜNEN 28692 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. März 2013

(A) dent François Hollande nun angekündigt, im Zuge der (C)  entschuldigt bis Abgeordnete(r) einschließlich Neuausrichtung der französischen Energiepolitik das Kernkraftwerk Fessenheim spätestens Ende 2016 vom Netz zu nehmen. Allerdings sind noch keine Entschei- Schaaf, Anton SPD 15.03.2013 dungen zu anderen grenznahen Anlagen gefallen. Ich setze mich weiter für einen frühen Abschaltzeitpunkt Dr. Schavan, Annette CDU/CSU 15.03.2013 weiterer Kernkraftwerke ein. Schieder (Weiden), SPD 15.03.2013 Ich begrüße daher ausdrücklich die Bemühungen der Werner Bundesregierung, die französische Regierung unter An- erkennung deren Souveränität in den bestehenden Ko- Schlecht, Michael DIE LINKE 15.03.2013 operationen und regelmäßigen Treffen der Deutsch- Französischen Kommission auf die vorhandenen Sicher- Schmidt (Eisleben), SPD 15.03.2013 heitsmängel und den Vorteil einer raschen Abschaltung Silvia hinzuweisen. In der 1976 ins Leben gerufenen Deutsch- Französischen Kommission für Fragen der Sicherheit Dr. Schmidt, Frithjof BÜNDNIS 90/ 15.03.2013 kerntechnischer Einrichtungen werden diese Fragen the- DIE GRÜNEN matisiert. An diesen regelmäßigen Sitzungen nehmen auch die grenznahen Bundesländer Saarland, Rheinland- Schreiner, Ottmar SPD 15.03.2013 Pfalz und Baden-Württemberg teil. Auf diese Weise Senger-Schäfer, Kathrin DIE LINKE 15.03.2013 werden in Kooperation mit den Bundesländern insbeson- dere auch die sicherheitstechnischen Anliegen und Be- Simmling, Werner FDP 15.03.2013 denken unserer Bevölkerung zu den grenznahen franzö- sischen Anlagen thematisiert. Bundesumweltminister Dr. Stinner, Rainer FDP 15.03.2013 Peter Altmaier thematisiert die Sicherheitsbedenken im Rahmen seiner regelmäßigen Gespräche mit seiner fran- Strothmann, Lena CDU/CSU 15.03.2013 zösischen Amtskollegin. Ich setze darauf, dass all diese Bemühungen und weitere Aktivitäten baldmöglichst Dr. Tauber, Peter CDU/CSU 15.03.2013 dazu führen, dass alle grenznahen Kernkraftwerke, bei denen Sicherheitsbedenken bestehen, abgeschaltet wer- Wagner (Schleswig), BÜNDNIS 90/ 15.03.2013 den. Arfst DIE GRÜNEN (B) (D) Wagner, Daniela BÜNDNIS 90/ 15.03.2013 Anlage 3 DIE GRÜNEN Erklärungen nach § 31 GO Weinberg, Harald DIE LINKE 15.03.2013 zur namentlichen Abstimmung über die Be- Werner, Katrin DIE LINKE 15.03.2013 schlussempfehlung zu dem Antrag: Bilaterale Verhandlungen aufnehmen zur unverzüglichen Zimmermann, Sabine DIE LINKE 15.03.2013 Stilllegung besonders gefährlicher grenznaher Atomkraftwerke in Frankreich (Tagesordnungs- punkt 29 f) Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO Dr. Thomas Gebhart (CDU/CSU): Zur Debatte zum Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gebe ich der Abgeordneten Anette Hübinger und Nadine folgende persönliche Erklärung ab: Schön (St. Wendel) (beide CDU/CSU) zur na- mentlichen Abstimmung über die Beschlussemp- Risiken machen nicht an Grenzen Halt. Deshalb setze fehlung zu dem Antrag: Bilaterale Verhandlun- ich mich dafür ein, dass das älteste französische Kern- gen aufnehmen zur unverzüglichen Stilllegung kraftwerk Fessenheim, Cattenom und andere, die in den besonders gefährlicher grenznaher Atomkraft- letzten Jahren immer wieder durch Störfälle aufgefallen werke in Frankreich (Tagesordnungspunkt 29 f) sind, und weitere Kernkraftwerke in Grenznähe, bei de- Zur Debatte zum Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die nen Sicherheitsmängel bestehen, schnellstmöglich abge- Grünen gebe ich folgende persönliche Erklärung ab: schaltet werden. Ende 2012 hat die französische Regie- rung unter Präsident François Hollande nun angekündigt, Risiken machen nicht an Grenzen Halt. Deshalb setze im Zuge der Neuausrichtung der französischen Energie- ich mich seit langem dafür ein, dass das französische politik das Kernkraftwerk Fessenheim spätestens Ende Kernkraftwerk Cattenom, das in den letzten Jahren im- 2016 vom Netz zu nehmen. Allerdings sind noch keine mer wieder durch Störfälle aufgefallen ist, und weitere Entscheidungen zu anderen grenznahen Anlagen gefal- Kernkraftwerke in Grenznähe, bei denen Sicherheits- len. Ich setze mich weiter für einen früheren Abschalt- mängel bestehen, schnellstmöglich abgeschaltet werden. zeitpunkt der Kernkraftwerke Fessenheim, Cattenom und Ende 2012 hat die französische Regierung unter Präsi- für die Einbeziehung weiterer Kernkraftwerke ein. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. März 2013 28693

(A) Ich begrüße ausdrücklich die Bemühungen der Bun- Bundesumweltminister Peter Altmaier thematisiert (C) desregierung, die französische Regierung unter Aner- die Sicherheitsbedenken im Rahmen seiner regelmäßi- kennung deren Souveränität in den bestehenden Koope- gen Gespräche mit seiner französischen Amtskollegin. rationen und regelmäßigen Treffen der Deutsch- Ich setze darauf, dass all diese Bemühungen und weitere Französischen Kommission auf die vorhandenen Sicher- Aktivitäten baldmöglichst dazu führen, dass alle grenz- heitsmängel und den Vorteil einer schnellen Abschaltung nahen Kernkraftwerke, bei denen Sicherheitsbedenken hinzuweisen. In der 1976 ins Leben gerufenen Deutsch- bestehen, abgeschaltet werden. Französischen Kommission für Fragen der Sicherheit kerntechnischer Einrichtungen werden diese Fragen the- matisiert. An diesen regelmäßigen Sitzungen nehmen Bernhard Kaster (CDU/CSU): Dem heute zur Bera- auch die grenznahen Bundesländer Baden-Württemberg, tung vorliegenden Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Saarland und Rheinland-Pfalz teil. Auf diese Weise wer- Grünen und der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl, den in Kooperation mit den Bundesländern insbesondere Bärbel Höhn, Markus Tressel, Hans-Josef Fell, Oliver auch die sicherheitstechnischen Anliegen und Bedenken Krischer, Undine Kurth (Quedlinburg), Nicole Maisch, unserer Bevölkerung zu den grenznahen französischen Dr. Hermann E. Ott, Dorothea Steiner, , Anlagen zur Sprache gebracht. Harald Ebner, , Dr. Anton Hofreiter, Stephan Kühn, Friedrich Ostendorff, Tabea Rößner, Bundesumweltminister Peter Altmaier thematisiert Claudia Roth (Augsburg), , Dr. Valerie die Sicherheitsbedenken im Rahmen seiner regelmäßi- Wilms kann ich in der vorliegenden Form nicht zustim- gen Gespräche mit seiner französischen Amtskollegin. men. Meine Position in der Sache erkläre ich wie folgt: Ich setze darauf, dass all diese Bemühungen und weitere Aktivitäten baldmöglichst dazu führen, dass alle grenz- Als Wahlkreisabgeordneter von Trier und Trier-Saar- nahen Kernkraftwerke, bei denen Sicherheitsbedenken burg, der sich in unmittelbarer geografischer Nachbar- bestehen, abgeschaltet werden. schaft zu dem französischen Atomkraftwerk Cattenom befindet, habe ich mich besonders intensiv mit diesem Antrag beschäftigt. Andreas Jung (Konstanz) (CDU/CSU): Zur Debatte zum Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gebe Die Behauptungen des Antrages, die Bundesregie- ich folgende persönliche Erklärung ab: rung habe bisher kaum Interesse gezeigt, sich ein eigen- Risiken machen nicht an Grenzen Halt. Deshalb setze ständiges Bild über die Situation und die Sicherheits- ich mich seit langem dafür ein, dass das älteste französi- mängel grenznaher französischer AKW zu bilden, entsprechen nicht der Realität. Das genaue Gegenteil ist (B) sche Kernkraftwerk Fessenheim, das in den letzten Jah- (D) ren immer wieder durch Störfälle aufgefallen ist, und der Fall. Die Thematik wird von der Bundesregierung weitere Kernkraftwerke in Grenznähe, bei denen Sicher- priorisiert. heitsmängel bestehen, wie das Kernkraftwerk Cattenom, Aufgrund dieser unsachlichen und der Sache nicht schnellstmöglich abgeschaltet werden. Ende 2012 hat dienlichen Behauptungen kann ich dem Antrag nicht zu- die französische Regierung unter Präsident François stimmen. Es ist richtig – und auf dieses Ziel muss gemein- Hollande nun angekündigt, im Zuge der Neuausrichtung sam hingearbeitet werden –, sich für eine Abschaltper- der französischen Energiepolitik das Kernkraftwerk Fes- spektive für das Atomkraftwerk Cattenom einzusetzen. senheim spätestens Ende 2016 vom Netz zu nehmen. Al- lerdings sind noch keine Entscheidungen zu anderen Die gemeinsamen Anstrengungen der Regierungen grenznahen Anlagen gefallen. Ich setze mich weiter für des Saarlands, Rheinland-Pfalz und des benachbarten einen früheren Abschaltzeitpunkt des Kernkraftwerkes Großherzogtums Luxemburg zusammen mit der Bun- Fessenheim und für die Einbeziehung weiterer Kern- desregierung in dieser Hinsicht sind in besonderem kraftwerke ein. Maße hervorzuheben und zu unterstützen. Ich begrüße daher ausdrücklich die Bemühungen der Bundesregierung, die französische Regierung unter An- erkennung deren Souveränität in den bestehenden Ko- Anlage 4 operationen und regelmäßigen Treffen der Deutsch- Französischen Kommission auf die vorhandenen Sicher- Erklärung heitsmängel und den Vorteil einer schnellen Abschaltung des Abgeordneten Dr. Michael Fuchs (CDU/CSU) hinzuweisen. In der 1976 ins Leben gerufenen Deutsch- zur namentlichen Abstimmung über die Be- Französischen Kommission für Fragen der Sicherheit schlussempfehlung zu dem Antrag: Bilaterale kerntechnischer Einrichtungen werden diese Fragen the- Verhandlungen aufnehmen zur unverzüglichen matisiert. An diesen regelmäßigen Sitzungen nehmen Stilllegung besonders gefährlicher grenznaher auch die grenznahen Bundesländer Baden-Württemberg, Atomkraftwerke in Frankreich (Tagesordnungs- Saarland und Rheinland-Pfalz teil. Auf diese Weise wer- punkt 29 f) den in Kooperation mit den Bundesländern insbesondere auch die sicherheitstechnischen Anliegen und Bedenken In der Abstimmungsliste fehlt mein Name. unserer Bevölkerung zu den grenznahen französischen Anlagen zur Sprache gebracht. Mein Votum lautet: „Ja“. 28694 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. März 2013

(A) Anlage 5 in den Fokus zu nehmen. Notwendig ist eine um- (C) fassende Reform der Krankenhausfinanzierung, Amtliche Mitteilungen die Trägervielfalt und flächendeckende Versor- Der Bundesrat hat in seiner 907. Sitzung am 1. März gung sichert, Patienten vor medizinisch nicht in- 2013 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzu- dizierten Leistungen schützt und Qualität besser stimmen bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Absatz 2 honoriert. des Grundgesetzes nicht zu stellen bzw. eine Einspruch 2. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass Instru- gemäß Artikel 77 Absatz 3 des Grundgesetzes nicht ein- mente zu entwickeln sind, mit denen Bonusver- zulegen: einbarungen zwischen Krankenhausträgern und – Gesetz zur Stärkung des Ehrenamtes (Ehrenamts- Ärztinnen und Ärzten, die ausschließlich die Stei- stärkungsgesetz) gerung von bestimmten Leistungszahlen zum Ziel haben, verhindert werden können. Ebenso Der Bundesrat hat ferner folgende Entschließung ge- sind Zuweiserpauschalen zu unterbinden. fasst: 3. Patientinnen und Patienten haben unabhängig da- Maßnahmen zur Stärkung und Förderung der Zivilge- von, wo sie leben, einen Anspruch darauf, die für sellschaft erfordern ein sicheres Fundament der sie notwendigen medizinischen und pflegerischen Staatsfinanzen. Sie stehen im Kontext der Haushalts- Versorgungsleistungen zu erhalten. Ziel einer jeg- konsolidierung und der Begrenzung der Staatsver- lichen Reform muss es daher sein, eine qualitativ schuldung. hochwertige und flächendeckende Versorgung Unter Ausnutzung aktueller Rechtsprechung des Bun- unter Erhalt der Trägervielfalt sicherzustellen. desfinanzhofs können Unternehmen durch gezielte 4. Patientinnen und Patienten müssen sich darauf Vereinbarung von Schuldübernahmen die geltenden verlassen können, dass Indikationsstellung ebenso Gesetze ins Leere laufen lassen und ihre Steuerlast er- wie die vorgeschlagene Therapie allein medizi- heblich mindern. Darüber hinaus werden Schuldüber- nisch begründet sind. Finanzielle Interessen der nahmen am Markt von Kreditinstituten bereits als Leistungserbringer dürfen dabei keine Rolle spie- „Dienstleistung“ angeboten. Es drohen Steuerausfälle len. Dies gilt sowohl für die ambulante als auch in Milliardenhöhe. Allein in den von der Problematik die klinische Versorgung. mit erfassten Pensionsrückstellungen ruhen derzeit stille Lasten, deren Aufdeckung bundesweit zu einem 5. Die Finanzierungsgrundlage der Krankenhäuser Steuerausfallsrisiko von bis zu 20 Milliarden Euro unter den Bedingungen der diagnosebezogenen führen und die Finanzierung wichtiger Politikfelder Fallgruppen, Diagnosis Related Groups – DRG, (B) (D) gefährden kann. Der Bundesrat hatte hierzu im Gesetz- ist zu überprüfen. Unter- und Überdeckungen von gebungsverfahren einen Lösungsvorschlag vorgelegt, DRG’s müssen identifiziert und verändert wer- den der Bundestag nicht aufgegriffen hat. den. Damit muss auch verhindert werden, dass sich Anbieter ausschließlich auf gut finanzierte Im Hinblick auf die drohende Belastung der Haus- Leistungen fokussieren und finanziell unattrak- halte duldet das Anliegen keinen Aufschub. Bund und tive Fälle abweisen. In einem gerechten Finanzie- Länder sind hier gleichermaßen betroffen. Die not- rungssystem müssen auch die Personalkosten wendigen Regelungen müssen noch in dieser Legisla- ausreichend Berücksichtigung finden, damit nicht turperiode in Kraft treten, um eine Erosion der Steuer- auf eine Mengenausweitung ausgewichen werden bemessungsgrundlagen zu verhindern. muss. Eine angemessene Bezahlung der Beschäf- – Gesetz zur Weiterentwicklung der Krebsfrüh- tigten muss sichergestellt werden, um auch zu- erkennung und zur Qualitätssicherung durch kli- künftig unter den Bedingungen des demografi- nische Krebsregister (Krebsfrüherkennungs- und schen Wandels noch ausreichend Fachkräfte -registergesetz – KFRG) gewinnen zu können. Der Bundesrat hat ferner folgende Entschließung ge- 6. Die Qualität der Versorgung – und dazu gehört fasst: auch eine Indikationsstellung ausschließlich aus medizinischen Gründen – muss stärker in den 1. Der Bundesrat stellt fest, dass die in das Gesetz Fokus treten. Der Mengenentwicklung aus rein zur Weiterentwicklung der Krebsfrüherkennung ökonomischen Gründen, die sich nicht durch die und zur Qualitätssicherung durch klinische demografische Entwicklung und/oder den medi- Krebsregister, Krebsfrüherkennungs- und -regis- zinischen Fortschritt begründet, muss wirksam tergesetz – KFRG, in § 136a SGB V aufgenom- begegnet werden. Statt der Degression der Lan- mene Regelung, bei Zielvereinbarungen der desbasisfallwerte bei Fallzahlsteigerungen sind Krankenhäuser mit leitenden Ärzten finanzielle Mehrleistungen und Mehrleistungsabschläge für Anreize bei einzelnen Leistungen auszuschlie- das einzelne Krankenhaus anhand von Qualitäts- ßen, nicht ausreichend ist. kriterien zu staffeln, die von den Selbstverwal- Dies kann allenfalls ein erster Schritt sein. Um tungspartnern auf Bundesebene zu entwickeln Fehlanreize zu vermeiden und Krankenhäusern sind. Die Qualität der medizinischen Versorgung eine verlässliche Finanzierung zur sichern, reicht muss gesichert und verbessert und die Patienten- es nicht aus, immer nur einzelne Schwachstellen sicherheit erhöht werden. Bei festzulegenden In- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. März 2013 28695

(A) dikationen ist ein Zweitmeinungsverfahren obli- – Gesetz zu dem Protokoll vom 16. Mai 2012 zu den (C) gatorisch vorzusehen. Anliegen der irischen Bevölkerung bezüglich des Vertrags von Lissabon 7. Der schon heute bestehende Leistungsanspruch für Patientinnen und Patienten auf Entlassungs- – Gesetz zur Stärkung der beruflichen Aus- und management ist verbindlich umzusetzen. Umfang Weiterbildung in der Altenpflege und Mindeststandards des Entlassungsmanage- – Zweiundzwanzigstes Gesetz zur Änderung des ments sind in durch den Gemeinsamen Bundes- Bundeswahlgesetzes ausschuss zu erstellenden Richtlinien zu regeln. – Gesetz zur Fortentwicklung des Meldewesens 8. Die Qualitätsberichte und Qualitätssicherung der (MeldFortG) Krankenhäuser sind zu einem für Patientinnen und – Gesetz zur Begleitung der Verordnung (EU) Patienten und Einweiser verlässlich nutzbaren und Nr. 260/2012 zur Festlegung der technischen Vor- verständlichen Instrument weiterzuentwickeln, schriften und der Geschäftsordnungen für Über- das ein hilfreiches Mittel bei der Wahl eines Kran- weisungen und Lastschriften in Euro und zur Än- kenhauses sein kann. Mehrleistungen sollen dort derung der Verordnung (EG) Nr. 924/2009 (SEPA- erbracht werden dürfen, wo auch nachweislich Begleitgesetz) eine bessere Qualität erbracht wird. Ergebnis und Strukturqualität müssen bei der Krankenhauspla- – Gesetz zur Umsetzung des EuGH-Urteils vom nung ebenso wie bei der Finanzierung ambulanter 20. Oktober 2011 in der Rechtssache C-284/09 und klinischer Leistungen eine stärkere Rolle Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat mit- spielen. geteilt, dass sie den Antrag Frauenquote bei Gre- mienbesetzungen durch das Bundesministerium für 9. Ländliche und strukturschwache Regionen wer- Verkehr, Bau und Stadtentwicklung konsequent ein- den auf Grund sinkender Einwohnerzahlen in na- halten auf Drucksache 17/5257 zurückzieht. her Zukunft vor besondere Herausforderungen ge- stellt sein, ausreichend Fachkräfte zu gewinnen. Sie benötigen Flexibilität bei der Gestaltung der Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben Versorgungsstrukturen. Hier werden Krankenhäu- mitgeteilt, dass der Ausschuss gemäß § 80 Absatz 3 ser deshalb zwangsläufig eine wachsende Bedeu- Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung tung auch für die Sicherstellung von ambulanter zu den nachstehenden Vorlagen absieht: medizinischer Versorgung übernehmen müssen. (B) (D) Hierfür gilt es, die notwendigen planungs- und Auswärtiger Ausschuss vergütungsrechtlichen Voraussetzungen zu schaf- fen. Überkommene Sektorengrenzen, ungeeignete – Unterrichtung durch die Bundesregierung Planungsgrundlagen und historisch gewachsene Fortschrittsbericht der Bundesregierung zur Lage in zersplitterte Zuständigkeiten sind zu hinterfragen. Afghanistan 2012 – Drucksachen 17/11750, 17/12441 Nr. 1.1 – 10. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, für die aufgezeigten Fragen zeitnahe Lösungsvor- schläge zu entwickeln. Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit

– Einundzwanzigstes Gesetz zur Änderung des Bun- – Unterrichtung durch die Bundesregierung deswahlgesetzes Bericht der Bundesregierung zur Lage der Natur für – Gesetz zur Änderung personenstandsrechtlicher die 16. Wahlperiode Vorschriften (Personenstandsrechts-Änderungsge- – Drucksachen 16/12032, 17/790 Nr. 1.33 – setz – PStRÄndG) – Unterrichtung durch die Bundesregierung – Gesetz zur Reform der elterlichen Sorge nicht mit- Sondergutachten 2009 des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen einander verheirateter Eltern Kassensturz für den Weltklimavertrag – Der Budgetan- – Gesetz zur Änderung versicherungsrechtlicher satz Vorschriften – Drucksachen 17/2273, 17/2548 Nr. 1.3 – – Gesetz zum Schutz des Erbrechts und der Verfah- Ausschuss für Bildung, Forschung und rensbeteiligungsrechte nichtehelicher und einzel- Technikfolgenabschätzung adoptierter Kinder im Nachlassverfahren – Unterrichtung durch die Bundesregierung – Gesetz zur Änderung des Elektro- und Elektronik- Neunzehnter Bericht nach § 35 des Bundesausbildungs- gerätegesetzes förderungsgesetzes zur Überprüfung der Bedarfssätze, Freibeträge sowie Vomhundertsätze und Höchstbeträge – Gesetz zur Modernisierung des Außenwirtschafts- nach § 21 Absatz 2 rechts – Drucksache 17/8498 – 28696 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. März 2013

(A) – Unterrichtung durch die Bundesregierung Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und (C) Vierter Bericht über die Umsetzung des Bologna-Pro- Verbraucherschutz zesses in Deutschland Drucksache 17/12244 Nr. A.23 – Drucksache 17/8640 – Ratsdokument 18068/12 Drucksache 17/12449 Nr. A.7 – Unterrichtung durch die Bundesregierung Ratsdokument 5560/13 Nationaler Bildungsbericht 2012 – Bildung in Deutsch- land und Stellungnahme der Bundesregierung Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung – Drucksache 17/11465 – Drucksache 17/12244 Nr. A.24 Ratsdokument 18118/12 Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, dass der Ausschuss die nachstehenden Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe Unionsdokumente zur Kenntnis genommen oder von ei- Drucksache 17/10208 Nr. A.24 ner Beratung abgesehen hat. Ratsdokument 10226/12

Petitionsausschuss Ausschuss für Bildung, Forschung und Drucksache 17/12126 Nr. A.1 Technikfolgenabschätzung EP P7_TA-PROV(2012)0445 Drucksache 17/8673 Nr. A.15 Ratsdokument 5058/12 Drucksache 17/8967 Nr. A.12 Auswärtiger Ausschuss Ratsdokument 6487/12 Drucksache 17/12244 Nr. A.2 Drucksache 17/9130 Nr. A.14 EuB-BReg 12/2013 Ratsdokument 6596/12 Drucksache 17/12244 Nr. A.3 Drucksache 17/9647 Nr. A.21 EuB-BReg 13/2013 EP P7_TA-PROV(2012)0072 Drucksache 17/12244 Nr. A.7 Drucksache 17/10710 Nr. A.67 EP P7_TA-PROV(2012)0506 Ratsdokument 11750/12 Drucksache 17/12244 Nr. A.8 Drucksache 17/10710 Nr. A.69 Ratsdokument 5118/13 Ratsdokument 12848/12 Drucksache 17/12244 Nr. A.9 Drucksache 17/11108 Nr. A.28 Ratsdokument 17814/12 Ratsdokument 14000/12

(B) (D)

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