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Zoologisch-Botanische Datenbank/Zoological-Botanical Database

Digitale Literatur/Digital Literature

Zeitschrift/Journal: Entomologie heute

Jahr/Year: 2018

Band/Volume: 30

Autor(en)/Author(s): Andreä Jakob, Michaeli Anne, Danielczak Anja, Hochkirch Axel

Artikel/Article: Freilandbeobachtungen an der Kleinen Buckelschrecke (Dericorys minutus Chopard, 1954). Field Observations on the Gran Canaria Crested (Dericorys minutus Chopard, 1954) 9-16 Freilandbeobachtungen an der Kleinen Buckelschrecke (Dericorys minutus) 9

Entomologie heute 30 (2018): 9-16

Freilandbeobachtungen an der Kleinen Buckelschrecke (Dericorys minutus Chopard, 1954)

Field Observations on the Gran Canaria Crested Grasshopper (Dericorys minutus Chopard, 1954)

JAKOB ANDREÄ, ANNE MICHAELI, ANJA DANIELCZAK & AXEL HOCHKIRCH

Zusammenfassung: Im Rahmen von Untersuchungen zur Populationsgröße und zu Habitatpräfe- renzen der kürzlich wiederentdeckten Kleinen Buckelschrecke (Dericorys minutus) auf Gran Canaria im August und September 2017 wurde auch das Verhalten dieser Tiere beobachtet. Im Beobach- tungszeitraum waren Nymphen in nahezu alle Größen anzutreffen. Das spricht dafür, dass sich die Kleine Buckelschrecke ganzjährig fortpfl anzt. Zudem ist die Art ein oligophager Nahrungsspezialist, der Chenopodiaceae bevorzugt. D. minutus nutzt bei der Fortbewegung, vor allem beim Überqueren offener Flächen, den Wind. Die Tiere bewegen sich bei jeder Windböe ähnlich wie vertrocknete Pfl anzen. Außerdem nutzen sie Windböen auch zum Sprung. Bei Balz und Paarung spielen sehr wahrscheinlich nicht akustische, sondern visuelle Signale eine entscheidende Rolle.

Schlüsselwörter: Morphometrie, Oligophagie, Balz, Anpassung an den Lebensraum

Summary: During a study of the population size and habitat preferences of the recently rediscov- ered Gran Canaria Crested Grasshopper (Dericorys minutus) during August and September 2017 on Gran Canaria we also collected some morphometric and behavioural data of this species. During the study we found nymphs of nearly all sizes suggesting that the Gran Canaria Crested Grasshop- per reproduces throughout the year. Further, we show that this species is oligophagous preferring Chenopodiaceae. To travel distances crested often move during wind gusts like dried plants, but also locomotion and jumping are supported by the wind. During courtship and mating visual and not acoustic cues seem to be decisive.

Keywords: Morphometry, oligophagy, courtship, adaption to the habitat

1. Einleitung fentlichtes Foto der Art, welches 2015 von einem spanischen Naturliebhaber (DAVID Die Kleine Buckelschrecke (Dericorys MARQUINA REYES) an der Nordwestküste minutus) ist endemisch für die kanarische Gran Canarias aufgenommen worden Insel Gran Canaria und galt lange Zeit als war. Aufgrund der Lage des Fundorts am möglicherweise ausgestorben. Lediglich ein Rande einer expandierenden Ortschaft Individuum (der Holotypus) war bekannt, (Sardina del Norte) wurde sie daraufhin welches 1949 am Strand von Maspalomas auf der Roten Liste der IUCN als „Criti- gefunden wurde (CHOPARD 1954). Es wurde cally Endangered“ eingestuft (HOCHKIRCH vermutet, dass die Art aufgrund der star- & LÓPEZ 2016). Zwei Nachsuchen an der ken touristischen Erschließung um und in entsprechenden Stelle im Herbst 2016 und Maspalomas ausgestorben ist. Allerdings Winter 2016/17 durch A. DANIELCZAK und entdeckte der spanische Orthopterologe A. HOCHKIRCH waren erfolglos. Dabei wur- HERIBERTO LÓPEZ ein im Internet veröf- de jedoch eine weitere Population an der

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Südostküste Gran Canarias (bei Arinaga) Arinaga und Vargas nachgewiesen werden. entdeckt. Das Untersuchungsgebiet lässt sich der Um mehr über die Größe dieser Population Sukkulentenstufe als Hauptvegetationsein- und die Habitatpräferenzen dieser Art zu heit zuordnen. Die Niederschlagsmenge ist erfahren, wurde im August und September mit 100-245 mm pro Jahr sehr gering. Mehr 2017 eine Freilanduntersuchung auf Gran als die Hälfte der Niederschläge ist in der Canaria durchgeführt. Im Rahmen dieser Zeit von November bis Januar zu verzeich- Untersuchung wurden auch Nymphen nen (EHRIG 1998). Aufgrund der daraus aufgesammelt und die Tiere genauer be- resultierenden geringen Bodendeckung von obachtet. unter 25 % gilt das Gebiet als Halbwüste (EHRIG 1998). Innerhalb der Sukkulenten- 2. Material und Methoden stufe setzt sich das Untersuchungsgebiet aus der salzbeeinfl ussten Küstenvegetation 2.1. Das Untersuchungsgebiet (Abb. 1) und dem landeinwärts auftreten- den ‚Trockenbusch’ zusammen. Aufgrund Das Untersuchungsgebiet befi ndet sich im der oft hohen Salzkonzentration des Südosten Gran Canarias (Abb. 1), in der Ver- Bodens sind spezielle Anpassungen der waltungseinheit Agüimes nahe der Ortschaft Vegetation erforderlich, weshalb dort nur Arinaga. Untersucht wurde der küstennahe wenige Pfl anzenarten vorkommen. Hier Bereich zwischen Pozo Izquierdo und dem sind unter anderem auch die potenziellen Flughafen „Aeropuerto de Gran Canaria“, Nahrungspfl anzen Suaeda vermiculata und jedoch konnte Dericorys minutus nur zwischen Bassia tomentosa (Chenopodiaceae) zu fi n-

Abb. 1-2: 1 Lockere Küstenvegetation mit Suaeda vermiculata im Untersuchungsgebiet im Südosten von Gran Canária. Einsatz: Lage des Untersuchungsgebietes. 2 a-c Farbvariabilität der Nymphen von Dericorys minutus. Figs 1-2: 1 Sparse coastal vegetation with Suaeda vermiculata in the study area in the southeast of Gran Canária. Inset: Location of the study area. 2 a-c Color variability of the nymphs of Dericorys minutus. Freilandbeobachtungen an der Kleinen Buckelschrecke (Dericorys minutus) 11 den. Erstere weist eine hohe Salztoleranz 2.3. Datenaufnahme auf und wird als polyhalin eingestuft. Letz- tere gilt zumindest als schwach salztolerant Die Datenerfassung fand zwischen dem 29. (FRITZSCH & BRANDES 1999). Zudem befi n- Juli 2017 und dem 27. September 2017 statt. det sich das Untersuchungsgebiet zu einem In diesem Zeitraum wurden küstennahe großen Teil in dem knapp 91 Hektar großen Flächen zwischen Pozo Izquierdo und dem geologischen Schutzgebiet „Monumento Aeropuerto de Gran Canaria untersucht und Natural de Arinaga“ (CABILDO DE GRAN dort das Verhalten der Tiere beobachtet. CANARIA 2015) Um das Größenspektrum der Art zu do- kumentieren, wurden die Tiere gefangen 2.2. Die Kleine Buckelschrecke (Deri- und jeweils eine Hinterfemur- sowie die corys minutus) Gesamtlänge mit Hilfe einer Schieblehre ermittelt (Genauigkeit von etwa 0,5 mm). Dericorys minutus (, Deri- Während die größeren und trägeren weibli- corythina, Acridoidea; vgl. CIGLIANO et chen Heuschrecken meist recht einfach mit al. 2017) zeichnet sich, wie alle Feldheu- der Hand gefangen werden konnten, wurde schrecken durch einen ausgeprägten Ge- zum Fang der oft sehr kleinen Nymphen schlechtsdimorphismus vor allem in der und der sprung- und fl ugtüchtigen Männ- Körpergröße aus. Die Weibchen werden chen ein Kescher verwendet. Die Länge etwa doppelt so groß wie die Männchen des Hinterfemurs ist in etwa proportional (s.u.). Auffällig ist bei beiden Geschlech- zur Größe der Heuschrecke. Allerdings ist tern der dorsale Halsschildkamm, welcher sie in vielen Fällen besser zu ermitteln als etwa die vordere Hälfte des Pronotums die Gesamtlänge. Besonders bei weiblichen einnimmt. Dieser ist auch schon bei sehr Heuschrecken schwankt die Körpergröße kleinen Nymphen gut erkennbar (Abb. bedingt durch den Eiablagezyklus stark 2) und ermöglicht auf diese Weise eine (HOCHKIRCH & GRÖNING 2008). Auch bei einfache Identifi zierung der Art in allen den oft relativ weichen Nymphen ließ sich Stadien, da auf Gran Canaria keine weite- die Hinterfemurlänge besser ermitteln. ren Heuschreckenarten mit einem solchen Das Verhalten der Heuschrecken wurde Kamm vorkommen. während der regelmäßigen Begehungen Die Färbung der adulten Tiere ist kryptisch meist zufällig beobachtet. Außerdem wur- und setzt sich hauptsächlich aus braunen den an zwei Tagen einzelne Heuschrecken und grauen Farbtönen zusammen. In Ge- gezielt aus 1 bis 2 m Entfernung beobach- bieten mit einem hohen Anteil an Offenbo- tet, um ihr Verhalten möglichst wenig zu den und vertrockneter Vegetation konnten beeinfl ussen. auch einige gelbliche Exemplare gefunden Fotografi ert wurden die Heuschrecken mit werden. Im Gegensatz zu den adulten Heu- einer Pentax K5 Spiegelrefl exkamera. Dabei schrecken sind die Nymphen sehr variabel kam das manuelle Makroobjektiv Vivitar gefärbt (Abb. 2 a-c) und oft an den jeweiligen Series 1 105mm F2.5 sowie das smc Pentax Untergrund angepasst. Zwar dominieren -DA* 300 mm F4 ED [IF] SDM Teleobjek- auch bei den Nymphen der Kleinen Bu- tiv zum Einsatz. Wenn möglich, wurde mit ckelschrecke Braun- und Grautöne, jedoch einem Stativ gearbeitet. konnten neben sehr hellen und dunklen Individuen auch grün und rosa gefärbte 3. Ergebnisse Tiere, welche immer auf den entsprechend grün bzw. rosa gefärbten Nahrungspfl anzen An den 37 Untersuchungstagen wurden auftraten, gefunden werden. insgesamt 1215 Heuschrecken gefunden,

Entomologie heute 30 (2018) 12 JAKOB ANDREÄ, ANNE MICHAELI, ANJA DANIELCZAK & AXEL HOCHKIRCH davon 111 Nymphen, 241 Männchen und subadulten Heuschrecken abschätzen. Die 863 Weibchen. Ergebnisse der Vermessung von 77 Nym- phen ergab die in Abbildung 4 dargestellte 3.1. Morphometrie Verteilung der Hinterfemurlängen; ihre Länge lagen zwischen 3 und 11 mm. Es Die Vermessung der Tiere ergab, dass scheint eine multimodale Verteilung mit die weiblichen Heuschrecken eine durch- Maxima bei 5, 7 und 10 mm vorzuliegen schnittliche Kopf-Rumpf-Länge von 29,3 (Abb. 4). mm erreichten, wohingegen die Männchen mit 14,8 mm signifi kant kleiner blieben 3.2. Abwehrverhalten (Abb. 3, ungepaarter t-Test; t = -53,546, p < 0,001). Bei der aktuellen Untersuchung im Beim Ergreifen der Tiere wehrten sich diese August und September wurden Nymphen mit Hilfe ihrer dornigen Hinterbeine, mit unterschiedlicher Größe sowie adulte Tiere denen sie sich vom Angreifer abstießen. In nachgewiesen. Wenn davon ausgegangen einigen Fällen wurde beobachtet, dass die wird, dass die Größe der Nymphen und Heuschrecken eine grünliche Flüssigkeit aus damit die Hinterfemurlänge proportional den Gelenken ausschieden (Abb. 5). Biswei- zum Alter der Heuschrecken ist, lässt sich len entleerten die Tiere ihren Mageninhalt anhand der Länge der Femora der Hin- oder versuchten sich durch Beißen zur Wehr terbeine ungefähr die Altersstruktur der zu setzen.

Abb. 3: Vergleich der Körperlänge von Männchen (n = 46) und Weibchen (n = 153) von Dericorys minutus. Fig. 3: Comparison of the bodylength of males (n = 46) and females (n = 153) of Dericorys minutus.

Abb. 4: Hinterfemurlänge der Nymphen (n = 77) von Dericorys minutus in mm. Fig. 4: Hindfemur length of the nymphs (n = 77) of Dericorys minutus in mm. Freilandbeobachtungen an der Kleinen Buckelschrecke (Dericorys minutus) 13

Abb. 5-8: 5 Aus dem Hinterbeingelenk von Dericorys minutus austretende Flüssigkeit. 6 Dericorys minutus beim Fressen an Suaeda vermiculata. 7 a, b Balzverhalten von Dericorys minutus. 8 Dericorys minutus bei der Eiablage. Figs 5-8: 5 Liquid leaking from the hindleg joint of Dericorys minutus. 6 Dericorys minutus feeding on Suaeda vermiculata. 7 a, b Courtship behaviour of Dericorys minutus. 8 Dericorys minutus during oviposition.

3.3. Nahrungsspektrum einigen Flächen kam außerdem die Cheno- podiaceae Patellifolia cf. patellaris vor, welche Die Tiere konnten unmittelbar dabei beob- vielfach Fraßspuren aufwies. Oft waren im achtet werden, wie sie an Suaeda vermiculata Umkreis von vielen Metern um die Heu- (Abb. 6) und Bassia tomentosa fraßen. Auf schrecken nur vertrocknete Pflanzen zu

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fi nden, welche ebenfalls gefressen wurden. relativ zeitgleich für wenige Sekunden in die Zwar konnten die vertrockneten Pflan- Höhe geworfen. Auf diese Weise näherte zen, welche gefressen wurden, nicht mehr sich das Männchen langsam dem Weibchen eindeutig identifi ziert werden, vermutlich bis auf etwa 1 cm. Anschließend sprang handelte es sich dabei jedoch um Patellifolia das Männchen auf den Rücken des Weib- cf. patellaris. chens, welches anfangs noch versuchte, das Männchen mit den Hinterbeinen von sich zu 3.4. Fortbewegung stoßen. Anschließend kroch das Männchen am Abdomen des Weibchens nach hinten, Beim Fang der Tiere fi el auf, dass sie sich bis die Paarungsstellung erreicht war. bei Gefahr oft auf ihre Tarnung verließen, Zur Eiablagbe grub das Weibchen mit Hilfe da sie farblich oft kaum vom Untergrund des Abdomens ein Loch an einer lockeren zu unterscheiden waren. Meist verhielten sie Stelle in den Untergrund, in welches die Eier sich ruhig oder zogen sich langsam zurück.. abgelegt wurden (Abb.8). Männchen schienen anfälliger gegenüber Störungen zu sein. Bei der Flucht profi tier- 4. Diskussion ten die Heuschrecken außerdem von dem starken Wind, wodurch Sprünge über weite 4.1. Populationsstruktur und Nah- Strecken möglich waren. Auffällig war auch, rungspräferenzen dass besonders die kleineren Männchen ge- gen den Wind sprangen und dabei verdriftet Unter Berücksichtigung der bislang be- wurden. Die Weibchen erzeugten beim kannten Funde von Dericorys minutus (von Sprung ein schnarrendes Geräusch. Oktober bis Februar aus den Vorjahren) Um kleinere Strecken zurückzulegen, liefen und der eigenen Beobachtungen kann davon die Heuschrecken auf dem Boden, für grö- ausgegangen werden, dass im Zeitraum von ßere Distanzen auf offener Fläche nutzten August bis Februar sowohl adulte Tiere als sie Sprünge zur Fortbewegung. Meist liefen auch Nymphen im Untersuchungsgebiet die Heuschrecken ruckartig und nutzten vorkommen. Es ist bekannt, dass adulte dabei den Wind, um bei jeder kleinen Böe Individuen der nahe verwandten, auf Fuer- einige Schritte zurückzulegen. Auf diese teventura und Lanzarote vorkommende Art Weise ähnelten sie der vertrockneten, sich im Dericorys lobata ganzjährig anzutreffen sind Wind bewegenden Vegetation. Beim Sprin- (HUSEMANN & HOCHKIRCH 2007); diese Art gen warteten die Tiere oft eine Windböe ab, ist zudem wie offensichtlich auch D. minutus um die Sprungweite zu erhöhen. auf Chenopodiaceae (Gänsefußgewächse) spezialisiert (GANGWERE et al. 1998). Le- 3.5. Balz und Paarung bensraum und Ernährung beider Arten sind also ähnlich, so dass wir annehmen, dass In einem Fall konnte auch das Balzverhal- Adulti der Kleinen Buckelschrecke ebenfalls ten eines Männchens mit anschließender ganzjährig anzutreffen sind. Faktoren wie Paarung dokumentiert werden. Bei der Klima, saisonales Nahrungsangebot oder Entdeckung der beiden Heuschrecken saß Druck durch Räuber, die in vielen Fällen den das Männchen etwa 3 cm vom Weibchen Lebenszyklus von Orthopteren beeinfl ussen entfernt und spreizte die in Grundstellung (MASAKI 1996), sind im Habitat der Kleinen parallelen Fühler auseinander, sodass sie Buckelschrecke vermutlich wenig bedeut- einen Winkel von etwa 180° bildeten (Abb. sam. Das Klima an der Küste von Gran 7). Eine Lautäußerung wurde nicht wahrge- Canaria ist keinen starken Schwankungen nommen. Ebenso wurden beide Hinterbeine unterworfen (EMERSON 2003); zudem sind Freilandbeobachtungen an der Kleinen Buckelschrecke (Dericorys minutus) 15 die bevorzugten Nahrungspfl anzen Suaeda Wind im Gelände für den Menschen kaum vermiculata und Bassia tomentosa vermutlich wahrnehmbar sein. Eine Kommunikation das ganze Jahr über verfügbar und auch ein über Vibrationen, wie sie auch bei ande- starker saisonal auftretender Räuberdruck ist ren Heuschreckenarten vorkommt (RIEDE nicht bekannt. Die multimodale Verteilung 1987), wäre ebenfalls möglich. Auffällig der Hinterfemurlängen der Nymphen lässt waren jedoch die deutlichen visuellen Signale darauf schließen, dass mehrere Altersstufen (Fühlerstellung, Hochwerfen der Hinterbei- von D. minutus parallel vorkommen. ne), wie sie bei vielen Feldheuschreckenarten verbreitet sind (FISCHER et al. 2016). 4.2. Fortbewegung und Abwehrverhalten Danksagung Dericorys minutus legt kürzere Strecken auf dem Boden laufend zurück, längere Strecken Unser besonderer Dank gilt HERIBERTO LO- aber eher springend. In beiden Fällen nutzen PEZ, mit dem wir bereits seit Jahren bezüglich sie Windböen. Beim Springen und Laufen äh- der Erforschung kanarischer Orthopteren neln die Tiere teilweise einem Blatt im Wind, kooperieren, insbesondere für die Hilfe bei wodurch sie in dem sehr gut einsehbaren Le- der kurzfristigen Beschaffung aller benö- bensraum weniger auffallen. Das ist sicherlich tigten Genehmigungen sowie die Koopera- auch ein Vorteil gegenüber möglichen Präda- tion im Rahmen von Erasmus-Plus. Auch toren. Bei der im Zuge des Abwehrverhaltens möchten wir uns bei der „Cabildo de Gran abgegebenen Flüssigkeit handelt es sich sehr Canaria“ für die Erteilung der notwendigen wahrscheinlich um Hämolymphe, die mög- Sammelerlaubnis bedanken. licherweise mit Abwehrstoffen versetzt ist. Zuletzt möchten wir uns bei dem Deutschen Solch eine chemische Abwehr ist eine weit Akademischen Auslandsdienst (DAAD) verbreitete Erscheinung bei Heuschrecken für die Förderung durch Erasmus-Plus und kann beispielsweise auch bei der Grille sowie dem Mohamed-bin-Zayed Species discoidalis (BATEMAN & FLEMING Conservation Fund für die fi nanzielle Un- 2009) beobachtet werden. terstützung bedanken, ohne welche eine Feldforschung in diesem Umfang nicht 4.3. Balz und Paarung möglich gewesen wäre.

Da bei der asiatischen Dericorys tibialis Balz- Literatur gesänge bekannt sind (SAVITSKY & LEKAREV 2007), haben wir zunächst vermutet, dass BATEMAN, P.W., & FLEMING, P.A. (2009): There auch bei Dericorys minutus akustische Balzsi- will be blood: autohaemorrhage behaviour as gnale zum Einsatz kommen. Dies ist jedoch part of the defence repertoire of an . offenbar nicht der Fall. Häufi g sind Vertreter Journal of Zoology 278: 342-348. vieler Familien der Feldheuschrecken mit CABILDO DE GRAN CANÁRIA (2015): Monumento einem Tympanalorgan ausgestattet, produ- Natural de Arinaga C-18. zieren hingegen aber keine akustischen Sig- CHOPARD, L. (1954): Contributions entomolo- nale, zumindest nicht bei der Balz (RIEDE et giques de l’expedition fi nlandaise aux Canaries al. 1990). Ob D. minutus ein Tympanalorgan 1947-1951. No. 7. Insectes Orthoptéroides récoltés aux iles Canaries par M. H. Lindberg. besitzt, wurde nicht untersucht. Allerdings Commentationes Biologicae 14: 1-15. kann nicht generell ausgeschlossen werden, Cigliano, M.M., BRAUN, H., EADES, D.C., & dass auch D. minutus in einem anderen Kon- OTTE, D. (2017): Taxa hierarchie. text Laute produziert. Zudem könnte der Species File. Version 5.0/5.0 http://ortho- Gesang recht leise und durch den starken ptera.speciesfi le.org/Common/basic/Taxa.

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aspx?TaxonNameID=1117716. Aufgerufen MASAKI, S. (1996): Geographical variation of life am 10.01.2018. cycle in crickets (Ensifera: Grylloidea). Euro- EHRIG, F.R. (1998): Die Hauptvegetationsein- pean Journal of Entomology 93: 281-303. heiten der Kanarischen Inseln im biokli- RIEDE, K. (1987): A comparative study of mating matischen Kontext. Kieler Geographische behaviour in some neotropical grasshoppers Schriften 29: 67-115. (Acridoidea). Ethology 76: 265-296. EMERSON, B. C. (2003): Genes, geology and RIEDE, K., KÄMPER, G., & HÖFLER, I. (1990): biodiversity: faunal and fl oral diversity on the Tympana, auditory thresholds, and projection island of Gran Canaria. Biodiversity areas of tympanal nerves in singing and silent and Conservation 26: 9-20. grasshoppers (Insecta, Acridoidea). Zoomor- FISCHER, J., STEINLECHNER, D., ZEHM, A., PONIA- phology 109, 223-230. TOWSKI, D., FARTMANN, T., BECKMANN, A., SAVITSKY, V. Y., & LEKAREV, A.Y. (2007): New data & STETTMER, C. (2016): Die Heuschrecken on acoustic communication and sexual behav- Deutschlands und Nordtirols. Quelle & Meyer ior of grasshoppers (Orthoptera: Acridoidea) Verlag, Wiebelsheim. from semi-deserts and deserts of Russia and FRITZSCH, K., & BRANDES, D. (1999): Flora und adjacent countries. Russian Entomological Vegetation salzbeeinflußter Habitate auf Journal 16: 1-38 Fuerteventura. Pp. 205-219 in: (BRANDES, D., Hrsg.) Vegetation salzbeeinfl ußter Habitate im BSc. Jakob Andreä Binnenland. Braunschweiger Geobotanische Retzelfembacher Str. 20 Arbeiten 6. Universitätsbibliothek der TU 90587 Veitsbronn Braunschweig. E-Mail: [email protected] GANGWERE, S.K., MCKINNEY, J.C., ERNEMANN, M.A., & BLAND, R.G. (1998): Food selection and feeding behavior in selected Acridoidea BSc. Anne Michaeli (Insecta: Orthoptera) of the Canary Islands, Obere Kaiserstraße 94 Spain. Journal of Orthoptera Research 7: 66386 St. Ingbert 1-21. E-Mail: [email protected] HOCHKIRCH, A., & GRÖNING, J. (2008): Sexual size dimorphism in Orthoptera (sens. str.) BSc. Anja Danielczak – a review. Journal of Orthoptera Research Universität Trier 17: 189-196. FB VI, Biogeographie HOCHKIRCH, A., & LÓPEZ, H. (2016): Dericorys D-54286 Trier minutus. The IUCN Red List of Threat- E-Mail: [email protected] ened Species. http://www.iucnredlist. org/details/51269274/0. Aufgerufen am Prof. Dr. Axel Hochkirch 10.01.2018. Universität Trier HUSEMANN, M., & HOCHKIRCH, A. (2007): Notizen zur Heuschreckenfauna (Insecta, Orthoptera) FB VI, Biogeographie von Fuerteventura (Kanarische Inseln, Spani- D-54286 Trier en). Entomologie heute 19: 59-74. E-Mail: [email protected]