: 2. Der arme Heinrich Heinrich von Aue, ein junger Freiherr, der ein vorbildliches Mittelhochdeutsche Verserzählung höfisches Leben führt, erkrankt an Aussatz und wird dadurch aus um 1200 seiner Bahn geworfen. Seine Umwelt wendet sich aus Furcht und 1. Hartmann von Aue: Eine Biografie Höfischer Reimpaarvers Ekel von ihm ab, Heinrich will sich jedoch nicht mit diesem ca. 1500 Verse Schicksal abfinden. Er reist nach Salerno, wo er von einem Arzt Über Hartmann von Aue ist nicht sehr viel bekannt, urkundlich ist sein Name gar nicht bezeugt. Die wenigen Motive: erfährt, dass er nur durch Gottes Hilfe oder das Herzblut einer Informationen, die wir über sein Leben haben, stammen aus seinem eigenen Werk oder dem anderer  plötzlicher Sturz ins Unglück Dichter. Zu einer der wichtigsten Quellen zählt dabei der Prolog aus seiner Erzählung „Der arme Heinrich“: Jungfrau, die sich freiwillig für ihn opfert, geheilt werden kann. Resignierend zieht er sich auf einen Meierhof zurück, der zu  Aufopferung eines Menschen für seinem Besitz gehört. Dort kümmert sich die Tochter des Bauern einen anderen Ein ritter sô gelêret was, 1.1. Lies den mittelhochdeutschen Textausschnitt aufmerk- sam durch und ermittle, welche Informationen der Autor dabei mitleidvoll um den Kranken, und dieser nennt sie spielerisch 2 daz er an den buochen las, über sich selbst gibt. Überlege, weshalb er sein Werk mit seine Braut. Als das Mädchen nach drei Jahren erfährt, wie Heinrich geheilt werden könnte, fasst es den swaz er dar an geschriben vant: diesen Zeilen beginnt. Entschluss, sich für ihn zu opfern. Die Bauerstochter überzeugt ihn und ihre Eltern mit einer Rede, in welcher sie ihr Opfer als einzige Möglichkeit darstellt, dem irdischen Elend zu entkommen und auf diesem Wege 4 der was Hartmann genant, ewiges Leben bei Gott zu erlangen. Zögernd geht der Aussätzige auf ihr Angebot ein, und sie reisen nach

dienstman was er zOuwe. Salerno. Durch einen Spalt sieht Heinrich das nackte Mädchen, welches auf dem Operationstisch fest- gebunden ist. Als der Arzt dessen Herz herausschneiden will, schreitet er in letzter Sekunde ein. Der Anblick der schönen jungen Frau, die ihr Leben für das eines alten entstellten Mannes geben möchte, bringt ihn zur Hartmann stammte vermutlich aus dem Herzogtum inneren Umkehr. Heinrich nimmt sein gottverhängtes Schicksal an und weist das Opfer der Bauerstochter Schwaben, sein genauer Heimat- oder Wirkungsort zurück, die sich um das ewige Leben gebracht sieht und ihm deswegen schwere Vorwürfe macht. Auf der ist aber nicht belegbar. Ebenfalls ungewiss sind die Heimreise wird der Kranke durch Gottes Fügung geheilt, und beide kehren nach Hause zurück, wo sie Lebensdaten des Dichters. Seine literarische Aktivität schließlich heiraten. wird zwischen 1180 und 1200 angenommen, sein Tod in den Jahren zwischen 1210 und 1220. 2. Wähle eine Aufgabe aus! Hartmann rechnet sich selbst zum unfreien Dienst- 2.1. Versetze dich in die Rolle von Heinrich bzw. des Mädchens und schreibe einen inneren Monolog, adel der Ministerialen. Eventuell nahm er in den in dem du die Gedanken einer der Hauptpersonen auf der Reise nach Salerno in Worte fasst. Jahren 1189/90 oder 1197/98 auch an einem Kreuz- 2.2. Illustriere eine Szene der Erzählung. zug teil. Aufgrund seiner Lese- und Schreibkompe- 2.3. Verfasse einen Artikel für eine Zeitung, in dem du von dem Vorfall berichtest. tenz kann davon ausgegangen werden, dass er über eine fundierte Schulbildung verfügte. Die Inhalte seiner Texte lassen außerdem vermuten, dass er Grundwissen zu philosophischen und theologischen 3. Von der mittelalterlichen Handschrift zur neuhochdeutschen Themen sowie Französischkenntnisse hatte. Überliefert sind einige Minne- und Kreuzlieder, ein Übersetzung unter dem Namen Klagebüchlein bekanntes alle- Die Texte des Mittelalters sind in Handschriften überliefert. Beliebte Werke sind in zahlreichen ver- gorisches Streitgespräch, und vier Verserzählungen: schiedenen Handschriften zu finden, die zum Teil auch stark voneinander abweichen, andere dagegen die beiden Artusromane Erec und sowie die kommen nur sehr selten vor. Manche Handschriften stammen unmittelbar aus der Entstehungszeit der beiden legendenhafte Erzählungen Gregorius und Werke, manche sind hingegen Jahrzehnte später verfasst worden. Auch die Qualität der Handschriften ist Der arme Heinrich. Damit zählt Hartmann von Aue sehr unterschiedlich. „Der arme Heinrich“ ist eher schlecht überliefert, nur in drei vollständigen Hand- neben und Gottfried von schriften, von denen zwei nahezu identisch sind, und in vier Fragmenten. Die früheste Überlieferung stammt Straßburg zu den bedeutendsten Epikern der mittel- aus dem Stift St. Florian in Oberösterreich, sie hat aber leider nur 61 Verse von 1520, die außerdem zum hochdeutschen Klassik um 1200. Teil stark verstümmelt sind. Um die mittelhochdeutschen Texte einem breiteren Publikum zugänglich zu machen, wurden Faksimiles, fotomechanische Reproduktionen der Originalhandschriften, sowie Abdrucke, genaue und unveränderte Abb.1: Herr Hartmann von Aue, Große Heidelberger Liederhandschrift (), Pergament, 14. Jh. Umsetzungen einer Handschrift in moderne Drucktypen, angefertigt. Später begann man, die mittelhoch- deutschen Texte auch zu bearbeiten, z.B. indem man verschiedene überlieferte Handschriften desselben 1.2. Betrachte die Abbildung von Hartmann von Aue aus der Großen Heidelberger Liederhandschrift Werkes miteinander verglich und sie zu einem neuen Text zusammenfügte. Diese neu entstandenen Texte (Abb.1) und beschreibe sie kurz. Wie wird der Dichter dargestellt? Inwiefern passt das Bild zu Hartmanns bezeichnet man als Kritische Texte oder Kritische Editionen. Zum besseren Textverständnis entstanden Biografie? Wofür könnte das verwendete Wappentier stehen? auch möglichst wortgetreue Übersetzungen, freiere sinnbetonte Übertragungen sowie formbedachte Nach- dichtungen der mittelhochdeutschen Texte auf Neuhochdeutsch. Mittelhochdeutsche kritische Edition Neuhochdeutsche Übersetzung

Sîn name was gnuoc erkennelich: Sein Name war wohlbekannt:

2 er hiez der herre Heinrich er hieß Herr Heinrich und was von Ouwe geborn. und stammte aus Aue.

4 sîn herze hâte versworn Seine Vernunft hatte valsch und alle dörperheit Unredlichkeit und rohem Benehmen abgeschworen,

6 und behielt ouch vaste den eit und er hielt auch diesen Eid stæte unz an sîn ende. beständig fest bis an sein Ende.

8 âne alle missewende Frei von jedem Makel stuont sîn êre und sîn leben. waren sein Ruf und sein Leben.

10 im was der rehte wunsch gegeben Ihm war an weltlichem Ansehen von werltlîchen êren: alles zuteil geworden, was man sich nur wünschen kann.

12 die kunde er wol gemêren Und das vermochte er noch mit aller hande reiner tugent. dank seines lauteren Charakters zu vermehren.

14 er was ein bluome der jugent, Er war eine Blüte der Jugend, der werltvreude ein spiegelglas, ein Spiegel der Weltfreude,

16 stæter triuwe ein adamas, ein Diamant beständiger Treue, ein ganziu krône der zuht. eine vollkommene Krönung der Erziehung. Abb.2: Hartmann von Aue: Der arme Heinrich, Handschrift Ba (UB ), Pergament, 14. Jh. 18 er was der nôthaften vluht, Er war die Zuflucht für Bedrängte, ein schilt sîner mâge, ein Schutzschild seinen Verwandten, 1. Versuch einer eigenen Übersetzung und Interpretation 20 der milte ein glîchiu wâge: eine ebenmäßige Waage der Freigebigkeit: im enwart über noch gebrast. er hatte weder zu viel noch zu wenig.

22 er truoc den arbeitsamen last Er trug die beschwerliche Last er was trûric und unvrô. 4.1. Verfasse eine möglichst wortgetreue, aber ver- ständliche Übersetzung für den links abgedruckten der êren über rücke. des gesellschaftlichen Ansehens auf dem Rücken. 2 sîn swebendez herze daz verswanc, Textausschnitt. Einige Worterklärungen findest du 24 er was des râtes brücke Er war eine Brücke vermittelnden Ratschlages sîn hôchvart muose vallen, im Kästchen unten. Recherchiere bei weiteren un- und sanc vil wol von minnen. und auch noch ein sehr guter Minnesänger. 4 sîn honec wart ze gallen. verständlichen Wörtern oder Passagen im Internet. (z.B. woerterbuchnetz.de/Lexer/) ein swinde vinster donerslac 26 alsus kunde er gewinnen So konnte er Anerkennung und Beifall 4.2. Welche Situation wird in dieser Textstelle be- der werlte lop unde prîs. der Welt gewinnen: 6 zebrach im sînen mitten tac, schrieben? Interpretiere die Passage. Beachte dabei auch die zahlreichen Metaphern. 28 er was hövesch unde wîs. er war höfisch gebildet und außerdem klug. ein trüebez wolken unde dic

8 bedahte im sîner sunnen blic. 3 hôchvart: Übermut

er sente sich vil sêre, 4 honec: Honig graz.at 5 swinde: gewaltig, stark, heftig - 3.1. Betrachte die Handschrift auf der nächsten Seite (Abb.2). Kannst du den oben abgedruckten Text- 10 daz er sô manege êre ausschnitt finden? 7 dic: dicht, dick

3.2. Vergleiche die Handschrift mit der kritischen Edition und der neuhochdeutschen Übersetzung. hinder im müese lâzen. 10 manege: viele

Welche Unterschiede kannst du feststellen? Erstelle eine Tabelle. 12 Vervluochet und verwâzen 12 verwâzen: verwünschen 3.3. Finde anhand der Textstelle heraus, welche Tugenden im Mittelalter von Bedeutung waren. 13 dicke: oft wart vil dicke der tac, Stimmen sie mit heutigen Werten überein? 14 dâ sîn geburt ane lac: an dem er zur Welt

14 dâ sîn geburt ane lac. gekommen war

Regina Sönmez Regina [email protected]