LANDE SARCHIV BADEN-WÜRTTEMBERG

Nr. 58 / März 2019

ARCHIV NACHRICHTEN

Koloniales Erbe – Spuren im Archiv

Bloß nicht zu spät kommen!

Bitterer Abschied aus Afrika

„Archiv-to-go“

Karikaturen der Revolution 1848/49 Inhalt

Verena Schweizer 3 || Editorial ARCHIV AKTUELL KOLONIALES ERBE – SPUREN IM ARCHIV Nadine Seidu Sara Diedrich 25 || Jahresbericht 2018 43 || Karikaturen der Revolution Wolfgang Reinhard 1848/49 4 || Kolonialismus Nora Wohlfarth 33 || Ein Abschluss… und doch kein KULTURGUT GESICHERT Ulrich Schludi / Jan Wiechert Ende 7 || Bloß nicht zu spät kommen! Die Birgit Meyenberg Gründung des deutschen Kolonialvereins Daniel Fähle / Thomas Fricke 44 || Unterwegs in Sachen fürstlicher 1882 34 || „Archiv-to-go“. Online-Find- Hochzeit mittelsystem des Landesarchivs ist für Peter Schiffer mobile Endgeräte optimiert Sibylle Brühl 8 || „mit meinen geringen Kräften beizu - 45 || In bunten Gewändern. Amts- tragen zum Aufblühen unserer Kolonie“ Thomas Fricke / Svenja Heidenreich bücher der Salemer Pflege Ehingen 35 || Hinter den Kulissen. Restaurie - Ute Bitz rung im Landesarchiv mit neuem Soft - ARCHIVE GEÖFFNET 10 || Sein stilles Grab im heißen Sand ware-Equipment Stephan Molitor Sara Diedrich Nicole Bickhoff / Peter Rückert 46 || Der Schwäbische Dichterkreis von 12 || „Ich wünschte ihm guten Morgen 36 || Vor 750 Jahren – Das Ende der 1938 und seine Entnazifizierung und Weidmanns Heil…“ Staufer Erwin Frauenknecht Laurencius Griener Carmen Kschonsek / Peter Rückert 47 || Mechthild (1419–1482) im Spiegel 14 || „Gruß und Kuß“. Postkarten aus 37 || Erfolgreiche Ausbildung im geho - der Zeit Deutsch-Südwestafrika benen Archivdienst Martin Stingl / Jan Wiechert Nils Meyer Wolfgang Zimmermann 16 || Ich packe meinen Koffer und 38 || Archivportal-D bald mit themati - 48 || Ritter – Landespatron – Jugend - nehme mit… schem Zugang idol. Markgraf Bernhard II. von Baden

Julia Kathke QUELLEN GRIFFBEREIT Rainer Brüning 18 || Das Linden-Museum und seine 49 || La longue durée – ein Beitrag zur kolonialgeschichtliche Vergangenheit Marius Golgath Kolonialgeschichte in Algerien 39 || Toulouse-Lautrec und Manet im Wolfgang Mährle Staatsarchiv Sigmaringen JUNGES ARCHIV 20 || Bitterer Abschied aus Afrika Franz-Josef Ziwes Corinna Knobloch Carl-Jochen Müller 40 || Digitalisierung von Protokollen des 50 || Historische Bauunterlagen aus 21 || Vom missionarischen Kakaokauf - Reichsstifts Obermarchtal im Ehrenamt Backnang mann zum mundtot gemachten Koloni - alpropagandisten Johannes Renz GESCHICHTE ORIGINAL: 41 || Ein archivalisches Schwergewicht QUELLEN FÜR DEN UNTERRICHT 57 Christof Strauß 22 || „Des types pas ordinaires…“ Rainer Brüning Heike Bömicke 42 || Sensationeller Fund im General - 51 || Das „Ortsstatut“ Freiburgs im Nicole Bickhoff / Nadine Seidu landesarchiv Karlsruhe zur Ermordung Breisgau von 1887 – Symbol des Sonder - 24 || Von Stuttgart nach von Gustav Landauer vor 100 Jahren wegs einer Stadt?!

2 Archivnachrichten 58 / 2019 Editorial

In den letzten Jahren ist die koloniale ckelt derzeit im Rahmen dieser Namibia- Vergangenheit und die damit verbun - Initiative eine Kooperation mit dem na - dene Verantwortung Deutschlands in das mibischen Nationalarchiv (siehe S. 24). Bewusstsein von Politik und Gesellschaft Die Rubrik Archiv aktuell enthält den gerückt. Auch die Archive sind als Ver - Jahresbericht in veränderter Form – aus - wahrer der Quellen aufgerufen, an der führlicher und optisch in neuer Gestalt Sichtbarmachung von Kolonialgeschichte informieren wir Sie über die Arbeit und mitzuwirken. Unter dem Titel Koloniales Ergebnisse des Landesarchivs im Jahr Erbe – Spuren im Archiv befassen sich die 2018. Zudem berichten wir unter ande - Autorinnen und Autoren in den Archiv - rem über den Abschluss des Projekts nachrichten mit der südwestdeutschen Heimerziehung in Baden-Württemberg Perspektive auf die afrikanischen Kolo - 1949–1975 und die Optimierung des nien. Online-Findmittelsystems für mobile Die Gründungen der deutschen Kolo - Endgeräte. Dank Letzterer werden Sie nien in West-, Südwest- und Ostafrika zukünftig in den Archivnachrichten re - sowie der Südsee erfolgten aus wirt - gelmäßig QR-Codes ergänzend zu den schaftlichen und strategischen Gründen, Internet-Links finden, die Sie direkt zu jedoch konnte das Deutsche Reich selbst unserem Online-Angebot führen. kaum Gewinne aus den Kolonien erwirt - In der Rubrik Quellen griffbereit berich - schaften. Vielmehr standen militärische ten wir über neu erschlossene oder digi - Auseinandersetzungen im Vordergrund, talisierte Bestände, beispielsweise über die vor allem für die Einheimischen Leid einen sensationellen Fund unbekannter und Tod bis hin zum Völkermord mit Dokumente zur Ermordung von Gustav sich brachten. Landauer und über die Digitalisierung Die Kolonialpolitik wurde zentral vom der Protokolle des Reichsstifts Ober - Deutschen Reich gelenkt, viele Doku - marchtal in ehrenamtlicher Arbeit. mente befinden sich darum heute im Wir laden Sie herzlich zu den Ausstel - Bundesarchiv. Aber auch Menschen aus lungen des Landesarchivs ein – im dem deutschen Südwesten waren in den Hauptstaatsarchiv Stuttgart wird ab Mai Kolonien – beispielsweise als Geschäfts - die Präsentation Mechthild (1419–1482) leute, Angehörige des Militärs oder mit - im Spiegel der Zeit gezeigt, während im reisende Familien. Deshalb befinden sich Generallandesarchiv Karlsruhe die Aus - zahlreiche Zeugnisse über die Kolonial - stellung Ritter – Landespatron – Jugend - zeit im Landesarchiv Baden-Württem - idol. Markgraf Bernhard II. von Baden er - berg. In diesen Archivnachrichten gehen öffnet wird. Im Staatsarchiv Ludwigs - wir auf Spurensuche des kolonialen burg ist im Sommer eine Schau zum Erbes. Dabei nehmen wir zwangsläufig Thema Der Schwäbische Dichterkreis von die Perspektive der Kolonialmacht ein, 1938 und seine Entnazifizierung zu sehen. denn über das Leben der einheimischen Als Quellen für den Unterricht stellt Bevölkerung erhalten wir durch die Heike Bömicke das Ortsstatut Freiburgs Quellen im Landesarchiv nur indirekt im Breisgau von 1887 vor und geht an - Informationen. hand dieses Dokuments auf die städte - Zur Verankerung der Kolonialzeit im bauliche Entwicklung Freiburgs ein. öffentlichen Bewusstsein und damit un - Ihnen wünsche ich eine informative sere Sicht auf diese facettenreicher und Lektüre und grüße Sie aus der Redaktion vollständiger wird, hat das Land Baden- Württemberg eine Initiative mit Nami - bia zur Umsetzung gemeinsamer Pro - Ihre jekte gestartet. Das Landesarchiv entwi- Dr. Verena Schweizer

Archivnachrichten 58 / 2019 3 Kolonialismus

1 | Theodor Gotthilf Leutwein (1849–1921), Kom - mandeur der Kaiserlichen und Gou - verneur von Deutsch-Südwestafrika 1895-1905. Vorlage: Bundesarchiv, Bild 146-2019-0001.

Kolonialismus und das eng damit zusam - je länger desto mehr die Vorstellung, dass weltpolitische Schwächezonen wie China menhängende Schlagwort Rassismus , diese anderen Völker aus verschiedenen oder das Osmanische Reich. beides mit dem Suffix -ismus negativ Gründen minderwertig seien. Die Folge Deutsche kolonialpolitische Initiativen markierte polemische Begriffe, gibt es als war unter anderem die Ermordung von von Missionaren und Auswanderern, selbstverständliche Schimpfwörter erst Millionen amerikanischer Ureinwohner von Geografen und Ethnologen, von Ge - seit dem 20. Jahrhundert, die Sache hin - und die Versklavung von Millionen von schäftsleuten und nationalistischen Poli - gegen seit Jahrhunderten oder gar Jahr - Afrikanern. Beides spielte sich in der tikern hatte es zwar schon früher im tausenden. Es waren freilich in erster Neuen Welt ab, wo Europa gegenüber 19. Jahrhundert gegeben. Aber erst nach Linie die Europäer, die sich seit dem den Ureinwohnern seine ersten kulturel - der Reichsgründung entstanden ein - 15. Jahrhundert die gesamte Erde etap - len und politischen Wettbewerbsvorteile schlägige Interessenverbände. Die Betei - penweise direkt oder indirekt zu unter - hatte. Es brauchte nämlich die Entste - ligung der deutschen Wirtschaft hielt werfen wussten. Zur Unterwerfung und hung des modernen Staates im sich dabei freilich in Grenzen. Auch Ausbeutung anderer Völker gehörte aber 18./19. Jahrhundert, bis auch die alten große Hamburger Handelshäuser wie Imperien Asiens wie Indien, Japan und Woermann oder Godeffroy setzten einst - China sowie zum Schluss ganz Afrika weilen lieber auf weltweiten Freihandel. unterworfen werden konnten. Immerhin machten Schnaps und Waffen Als es um die Entstehung der Weltwirt - mehr als die Hälfte der Hamburger Ex - schaft im Allgemeinen und um das Welt - porte nach Westafrika aus. Aber der geschäft mit dem Sklavenhandel im Be - maßgebende Politiker, Reichskanzler sonderen ging, waren Deutsche bei die - , hielt von Haus aus ser Unterwerfung der Welt zwar von An - nichts von Kolonien. Sie waren ihm fang an beteiligt, aber die längste Zeit schlicht zu aufwendig. mangels politischer Macht nur indirekt Dennoch sollte es in den achtziger Jah - und nie in maßgebendem Umfang. Ver - ren zu Koloniegründungen in West-, schiedene kolonialpolitische Anläufe Südwest- und Ostafrika sowie in der Preußens zwischen dem 17. und Südsee kommen, allerdings wie meistens 19. Jahrhundert verliefen nicht beson - in der Kolonialpolitik durchweg infolge ders erfolgreich. Nach Deutschlands und privater Aktivitäten. So schlossen verwe - Italiens politischer Einigung 1871 war gene Gestalten, wie der Tabakhändler dann aber für beide Neulinge nicht mehr Adolf Lüderitz seit 1883 in Südwest- und viel kolonialpolitische Beute zu holen. der Historiker und Philosoph Im damaligen Zeitalter des Imperialismus ab 1884 in Ostafrika, ziemlich zweifel - waren ältere Mächte, vor allem Großbri - hafte Schutzverträge über Hoheits- und tannien und Frankreich, nämlich längst Gebietsabtretungen mit afrikanischen dabei, sich zu bedienen. Allenfalls in Potentaten. Ein Häuptling in Südwest Afrika und Teilen der Pazifischen Insel - berechnete dabei wie gewohnt englische welt gab es noch Optionen, es sei denn Meilen zu 1,6 km, sein deutscher Partner man drängte sich mehr oder gewaltsam aber deutsche zu 7,5 km! Als Lüderitz zusammen mit anderen Konkurrenten in 1884 von Bismarck endlich den bean - 1

4 Archivnachrichten 58 / 2019 Koloniales Erbe – Spuren im Archiv 2

2 | Hendrik Witbooi (um 1830–1905), ca. 1900. 3 | Gouverneur , Hendrik Wit - Vorlage: Bundesarchiv, Bild 105-DSWA1035. Auf - booi, Kaptein der Nama, und Samuel Maharero, nahme: Walther Dobbertin. Kaptein der Herero, ca. 1898/1904. Vorlage: Bundesarchiv, Bild 146-2011-0066.

tragten Reichsschutz erhielt, stand diese ten Gebieten die deutsche Flagge gehisst, des Kanzlers unter besonders günstigen Entscheidung bereits im Zusammenhang um britisch-australischen Ansprüchen außenpolitischen Bedingungen, als an - mit der Entwicklung in Westafrika, wo zuvorzukommen. dere Mächte lahmgelegt waren. Im Übri - die Hanseaten angesichts der verschärf - Bismarcks plötzliche kolonialpolitische gen war seine Initiative 1885 bereits vor - ten britischen und französischen Kon - Schwenkung ist umstritten geblieben über und bezweckte außerdem nicht die kurrenz jetzt ihrerseits in Togo und Ka - und wird immer noch den verschieden - Errichtung von regelrechter Kolonial - merun dankbar auf den Schutz des Rei - sten Ursachen zugeschrieben. Mit Si - herrschaft, sondern die Schaffung bloßer ches zurückgriffen. Ebenfalls 1884 wurde cherheit gehört sie aber in den Zusam - Schutzgebiete von privilegierten Koloni - in Nordost-Neuguinea und benachbar - menhang eines weltpolitischen Kalküls algesellschaften privater Träger nach

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Koloniales Erbe – Spuren im Archiv Archivnachrichten 58 / 2019 5 4 | [Staatssekretär Bernhard Dernburg auf Dia - cher des deutschen Kolonialismus gewe - mantensuche. sen und betrachteten sich weiterhin als Vorlage: Bundesarchiv, Bild 183-2019-0206-500. dessen Partner. Das brauchte aber Kon - flikte nicht auszuschließen. Aggressive katholische Missionspolitik in China be - einträchtigte zum Beispiel das Verhältnis der deutschen Verwaltung zur Bevölke - rung. Auf der anderen Seite lehnte der protestantische Missionar Franz Michael Zahn in Togo Kolonialherrschaft gegen - über dem Bruder Neger überhaupt ab. Es gab sogar christliche Kaufleute wie Albert Vietor in Togo, der nur freie und anstän - dig bezahlte Arbeiter beschäftigte und auf das Schnapsgeschäft verzichtete. Doch während man eben noch ein gi - gantisches deutsches ein - schließlich des belgischen Kongo und der portugiesischen Besitzungen geplant hatte, war 1915, spätestens 1918 alles vorbei, trotz Kolonialnostalgie und den zum Teil bis heute erhaltenen Denkmä - lern. Während Großbritannien die Archive dem Muster britischer und französischer Leutwein durch den schneidigeren Lothar seiner Unterdrückungspolitik bis vor Protektorate. Aber der Mangel an Inve - von Throtha ersetzt, denn die Zeichen kurzem geheim halten konnte und die storen führte zur Übernahme sämtlicher standen jetzt auf Völkermord. Der grö - frühere italienische Regierung ihre Kolo - Kolonien durch das Auswärtige Amt (ab ßere Teil der Herero und die Hälfte der nialakten vorsorglich der Kontrolle ehe - 1907 Reichskolonialamt): 1885 in Kame - Nama kam ums Leben, darunter Leut - maliger Kolonialbeamter im Außenmini - run und Togo, 1887 in Südwestafrika, weins früherer Gegner und späterer poli - sterium überließ, hatte die Bundesrepu - 1891 in Ostafrika, zwischen 1889 und tischer Partner, der Namachef Hendrik blik Deutschland statt der längst vergan - 1899 in Neuguinea mit seinen Nebenlän - Witbooi, heute ein Nationalheld Nami - genen Kolonialgeschichte ohnehin dern (Bismarck-Archipel, Bougainville, bias. Doch während dieser Krieg bis andere Vergangenheiten zu bewältigen. Buka, Karolinen, Marianen ohne Guam, heute Aufsehen erregt und Wiedergut - Außerdem hatte die Sowjetunion die Palau- und Marshall-Inseln mit Nauru) machungsforderungen auslöst, gingen deutschen Kolonialakten der Deutschen sowie Samoa. Denn inzwischen war aus Deutsche anderswo zwar weniger aufse - Demokratischen Republik überlassen, den kolonialpolitischen Episoden Bis - henerregend, in der Sache aber kaum deren Historiker durchaus mit diesem marcks die aggressive Weltmachtpolitik weniger roh und manchmal durchaus Pfund zu wuchern wussten. Erst allmäh - Kaiser Wilhelms II. geworden. Dabei verbrecherisch vor. Bei 61 Strafexpeditio - lich entwickelte sich ebenfalls eine ein - konnten Privatleute Profit machen – für nen 1891–97 und im Maji-Maji-Krieg schlägige Forschung im Westen, die das Reich blieben die Kolonien trotz der 1905 sind in Deutsch-Ostafrika insge - schließlich auch hierzulande in die aktu - Diamantenfunde in Südwest 1908 weiter samt wahrscheinlich noch mehr Men - elle post-koloniale Erinnerungskultur Zuschussunternehmen. Das galt vor schen getötet worden oder verhungert mündete, wo Denkmäler entsorgt und allem für das 1897 von China gepachtete als in Südwest. völkerkundliche Beutestücke bis hin zu Ji a˜ozh o˜u mit der Hauptstadt , Aber der Herero-Krieg löste Auseinan - Afrikanerschädeln zurückgegeben wer - das 10 Millionen Mark im Jahr kostete. dersetzungen im Reichstag, Wahlen und den müssen. Diese Vorzeigekolonie der Marine erhielt unter Staatssekretär Bernhard Dernburg Wolfgang Reinhard außerdem 200 Millionen Mark für Inve - eine kolonialpolitische Wende aus. Wäh - stitionen, wurde dabei aber durchaus er - rend die Unterdrückungs- und Ausbeu - folgreich entwickelt . tungspolitik in Südwest eher verschärft Literaturhinweise: Teurer war nur der Krieg gegen die He - wurde, durften Gouverneure wie Al - Horst Gründer: Geschichte der deutschen rero und Nama in Südwestafrika 1904– brecht von Rechenberg in Ostafrika und Kolonien. Paderborn 72018. 07 mit 14.000 deutschen Soldaten, der Julius von Zech in Togo jetzt statt weiter Wolfgang Reinhard: Die Unterwerfung der 585 Millionen Mark Kolonialanleihen Siedler und Plantagen zu fördern eine Welt. Globalgeschichte der europäischen kostete. Nach einer Rinderpest 1897 war negererhaltende Kleinbauernpolitik be - Expansion. München 42018. dort die Brutalität der deutschen Siedler treiben, wie sie auch dem Vorgehen von Völkermord in Deutsch-Südwestafrika. und Händler 1904 unerträglich gewor - Albert Hahl in Neuguinea und Wilhelm Der Kolonialkrieg (1904–1908) in Na- den. Angesichts des Aufstandes wurde Solf auf Samoa entsprach. Missionare mibia und seine Folgen. Hg. von Jürgen der behutsamere Gouverneur Theodor beider Konfessionen waren Schrittma - Zimmerer. 2004.

6 Archivnachrichten 58 / 2019 Koloniales Erbe – Spuren im Archiv Bloß nicht zu spät kommen! Die Gründung des deutschen Kolonialvereins 1882

Fürst Hermann zu Hohenlohe-Langenburg (1832– 1913) darf als maßgeblicher Initiator des „Deut - schen Colonialvereins“ gelten und wurde 1882 zu seinem ersten Präsidenten. Vorlage: LABW, HZAN, o. Sign.

Fürst Hermann zu Hohenlohe-Langen - neten Gebiete spärlicher, an denen die stellt, das Verständnis der Notwendigkeit, burg konnte bereits auf eine jahrzehnte - deutsche Colonisation landen kann. die nationale Arbeit dem Gebiete der Ko - lange politische Tätigkeit in der würt - Die konstituierende Versammlung des lonisation zuzuwenden, in immer weitere tembergischen Kammer der Standesher - Kolonialvereins fand am 6. Dezember Kreise zu tragen, für die darauf gerichte - ren und dem Deutschen Reichstag zu - 1882 in Frankfurt am Main statt. Die ten in unserem Vaterlande bisher ge - rückblicken, als er 1882 die Gründung Eröffnungsrede hielt Fürst Hermann zu trennt auftretenden Bestrebungen einen eines deutschen Kolonialvereins ins Hohenlohe-Langenburg, danach ergriff Mittelpunkt zu bilden und eine prakti - Auge fasste. Die illustre Gruppe, die sich der Schriftsteller, Forschungsreisende sche Lösung der Kolonialfrage anzubah - zu diesem Zweck um den Fürsten ge - und Zoologe Hermann von Maltzahn nen. schart hatte, konnte sich sehen lassen: das Wort. Er legte besonderes Gewicht Der Nachlass von Fürst Hermann im Neben ihm selbst gehörten etwa der auf das Recht der Deutschen auf ihren Hohenlohe-Zentralarchiv Neuenstein Troja-Entdecker Heinrich Schliemann, Platz an der Sonne: Wir Deutschen (LABW HZAN La 140 und 140a) birgt der württembergische Staatsminister haben für die Erforschung vieler Länder entsprechend seiner hervorgehobenen Karl von Varnbüler, der Forschungsrei - Gut und Blut eingesetzt; wenn wir jetzt Rolle umfangreiche Unterlagen zur Ge - sende und Maler Franz Keller-Leuzinger den Lohn für unsere Thaten fordern, ver - schichte des Deutschen Colonialvereins und der Historiker Gustav Freytag zu langen wir nur was recht und billig ist. und der aus ihm hervorgegangenen den 79 Männern aus Adel und bürgerli - […] Die Furcht vor der Einmischung ei - Deutschen Kolonialgesellschaft, zu cher Upperclass, die zur konstituieren - fersüchtiger Nationen bei Erwerbung von deren Präsidenten er ebenso gewählt den Versammlung einluden. deutschem Colonial-Besitz ist eine reine wurde. Er dokumentiert aus der Zeit Die Zielsetzungen des geplanten Ver - Gespensterfurcht. In allen Fällen aber ist von 1879 bis 1910 verschiedenste Er - eins gehen schon aus dem Gründungs - es der deutschen Nation nicht würdig, kundungen und Expeditionen, Ankäufe aufruf deutlich hervor. Darin ist insbe - nationale Bedürfnisse unbefriedigt zu und die Gründung von Vereinen und sondere von einer wachsenden Ueberfül - lassen, lediglich aus Furcht, anderen Na - Gesellschaften zur Verwaltung der lung des Reichs, der notwendigen Er - tionen zu mißfallen! Bezeichnenderweise Schutzgebiete, Projekte zum Eisenbahn - schließung neuer Absatzgebiete und der beschrieb von Maltzahn die angestreb - bau und zur Einrichtung von Schulen steigenden Bedeutung des überseeischen ten Kolonien als herrenlose Gebiete , die genauso wie die Auswanderung nach Handels die Rede. Auch der durch die es zu kultivieren gelte. Deutsch-Südwestafrika, wirtschaftliche Aktivitäten anderer Kolonialmächte Zum Abschluss wählte die Versamm - Projekte des Fürsten oder Antisklaverei - hervorgerufene Zeit- und Konkurrenz - lung Fürst Hermann zum Präsidenten bestrebungen. druck wurde hervorgehoben: Durch den des Vereins. In der Satzung wurde der rastlosen Eifer anderer Völker werden mit Vereinszweck festgelegt: Der Deutsche Ulrich Schludi jedem Jahre, ja mit jedem Tage die geeig - Kolonial-Verein hat sich die Aufgabe ge - Jan Wiechert

Koloniale Träume in Aquarell: Die Arbeit des For - schungsreisenden, Malers und Gründungsmitglieds des „Deutschen Colonialvereins“ Franz Keller-Leu - zinger (1835–1890) zeigt eine Landschaft in Brasi - lien. Vorlage: LABW, HZAN La 140a Bü 46.

Koloniales Erbe – Spuren im Archiv Archivnachrichten 58 / 2019 7 „mit meinen geringen Kräften beizutragen zum Aufblühen unserer Kolonie“ Rudolf Gansser in Deutsch-Ostafrika

Rudolf Gansser, Sohn eines hohen würt - anpeilen konnte. Bäume waren zu fällen, 1900 betrat Gansser Deutsch-Ostafrika tembergischen Militärs, hatte die Offi - das Holz zurechtzuschneiden und auf erneut mit einer neuen Aufgabe: Er war zierslaufbahn eingeschlagen und war 30 die Höhe zu schleppen und dort pyrami - Kompanie- und Bezirkschef von Tabora, Jahre alt, als er sich zum Kolonialdienst denartige Signale mit gut sichtbarer einer kaum erschlossenen Region im In - meldete. Entschlossen wollte er beim Spitze zu zimmern. Sodann war eine so - neren der Kolonie. Sein Verwaltungsbe - Aufbau der jungen deutschen Kolonie genannte Basis im gut zugänglichen Ge - zirk entsprach der Größe der drei König - Deutsch-Ostafrika mitwirken, zum Wohl biet präzise zu vermessen. Trigonome - reiche Bayern, Sachsen und Württem - und Segen des heimatlichen Mutterlandes . trisch ließen sich aus einer Seite und berg zusammen. Hier hatte er die militä - Im Dezember 1896 kam er in Daressa - zwei Winkeln eines Dreiecks die unbe - rische und zivile Verwaltung zu leiten. lam an. Sein Motto Dem Mutigen gehört kannten Seiten errechnen. Aus der ge - Das Straßen- und Wegenetz war auszu - die Welt bezeugt seinen Optimismus und messenen Basis und den errechneten Sei - bauen, die Verwaltungsgrenzen waren Elan. ten konnte er über ein Netz aus Dreiek - genau festzulegen, Gerichtssitzungen ab - Gansser sollte die westliche Usambara- ken die Entfernungen in der bergigen zuhalten und Streitigkeiten in der Bevöl - Region vermessen, die für den Bau einer Region ermitteln, die sich einer direkten kerung zu schlichten. Außerdem waren Eisenbahnlinie vorgesehen war. An er - Messung im unzugänglichen Gelände die Einheimischen auf die Erhebung von höhten Punkten im Gelände waren zahl - entzogen. Im November 1899 waren die Steuern vorzubereiten. reiche Holz-Gerüste (sogenannte Sig- Arbeiten abgeschlossen und Gansser Der ursprüngliche Elan wich bald der nale ) zu errichten, die man von verschie - konnte in die Heimat zurückkehren. Ernüchterung. 1901 reifte der Entschluss, denen Orten aus für Winkelmessungen Die Pause war nur kurz. Im Januar nach Beendigung der Aufgabe in Tabora

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8 Archivnachrichten 58 / 2019 Koloniales Erbe – Spuren im Archiv nicht weiter in der Kolonialverwaltung zu bleiben. Gansser war zwar überzeugt, das Beste für seinen Bezirk getan zu haben. Aber insgesamt resignierte er: Er habe zu wenig europäische Bedienstete, zu wenig Geldmittel und der Gouver - neur zeige zu wenig Verständnis. Ganz besonders enttäuschte ihn, dass die von ihm projektierten Brunnenbohrungen zur Modernisierung der Wasserversor - gung am fehlenden Geld scheiterten. An den Kolonialdienst schloss sich eine sechsmonatige Weltreise von Daressalam bis Hamburg an. Dann begab Gansser sich wieder in die Dienste des württem - bergischen Militärs. Doch Afrika ließ ihn nicht los. Als in 2 Südwestafrika die Hereros rebellierten, wurde Gansser 1904 als Kompaniechef dorthin abkommandiert. Gleich im er - sten bedeutenderen Gefecht am Water - berg fiel er. Rudolf Gansser starb noch nicht 40-jährig. Seine hinterlassenen Tagebücher, Briefe, Fotos und Kopien dienstlicher Akten berichten beredt über seine Erleb - nisse, seine Beobachtungen und seine Ansichten während seiner Zeit in Deutsch-Ostafrika (Bestand LABW, HStAS Q 2/48). Peter Schiffer

1 | Rudolf Gansser auf einem Esel reitend, im Hin - tergrund das Gebäude mit seiner Wohnung in der vorderen Ecke (Parterre) in Daressalam, 1897. Vorlage: LABW, HStAS Q 2/48 Bü 44.

2 | Rudolf Gansser in Kolonialuniform von Deutsch- Ostafrika, Porträtfoto mit Widmung an seine Schwester Luise Gansser, um 1900. Vorlage: LABW, HStAS Q 2/48 Bü 40.

3 | Ausgelassene „Kolonialherren“ beim Erklettern einer Palme, ganz oben Rudolf Gansser, ca. 1899. Vorlage: LABW, HStAS Q 2/48 Bü 57 [16].

Titelbild | Signal zur Vermessung des Geländes, unten Einheimische, auf der Plattform links Gans - ser, ca. 1899. Vorlage: LABW, HStAS Q 2/48 Bü 51 [8]. 3

Koloniales Erbe – Spuren im Archiv Archivnachrichten 58 / 2019 9 Sein stilles Grab im heißen Sand Erich von Woellwarth, ein junger Leutnant der Schutztruppe für Deutsch-Südwestafrika

1 | Erich von Woellwarth (1876–1904). Vorlage: LABW, StAL PL 9/3 Bü 1632.

Mir geht es ausgezeichnet, draußen auf bilde im Feldlager Epako die neuen der Station Omaruru ist es gar nicht so Mannschaften aus. übel, wenn auch nicht so schön wie um Ich erzähle euch von meiner Pad Windhuk. Mit dem Kasernenbau ist jetzt (Marsch) nach Outjo: Die größte Se - begonnen worden, wir wohnen vorerst henswürdigkeit der Kolonie ist Kapitän in Zelten. Die ganze Mannschaft brennt Banjo, der schwerste Herero. Derselbe Ziegel und ist mit Maurerarbeiten be - sitzt schon seit Jahren von morgens bis schäftigt. Der Bezirk von Omaruru ist so abends im Kreis seiner „ Grootleute“ . Er groß wie das Königreich Bayern, da hat ist so korpulent, dass er seit 6 Jahren nur man einen ziemlich großen Spielraum. von 2 starken Männern gestützt werden Es ist hier die schöne Bestimmung, dass kann. Er schickte ein Schaf als Geschenk jeder Offizier, wenn er nichts anderes zu und wollte dagegen Tabak, Schnaps und tun hat, sich in seinem Bezirk herumtrei - Tee haben. Am nächsten Vormittag ben darf um das Land möglichst genau kamen wir in eine andere große Herero kennenzulernen. werst zum Kapitän Kajewaro, früher Ich habe jetzt einen 14jährigen Bambu - einer der berüchtigtsten Wegelagerer, der sen (Diener) namens Wilhelm und als keinen Frachtfahrer oder Kaufmann un - 1 Ordonanz einen Hererosoldaten namens gerupft vorüberließ. Jetzt ist er natürlich Otto. Ich hätte auch eine weiße Ordo - zahm geworden. Er hat anscheinend nanz haben können, aber die Schwarzen dabei recht gute Geschäfte gemacht. Dem jungen Baron Erich, geboren 1876, sind mir viel lieber. Die Weißen sind hier Im Süden des Schutzgebiets soll eine ist ein Lebensweg als Offizier vorbe - viel zu sehr Herren , außerdem sind auf fortgesetzte große Boereneinwanderung stimmt. Als 18-Jähriger tritt er als Fähn - der Jagd die Eingeborenen viel prakti - stattfinden. Jetzt ist ’s aber bald genug, rich bei den 20. Ulanen in Ludwigsburg scher. sonst kann es passieren, dass wir die ein. Im Juni 1898 meldet er sich zur Alle Augenblicke wieder ein neues Pan - Schutztruppe verstärken müssen, nicht Schutztruppe für Südwestafrika, Anfang orama. Es ist geradezu fabelhaft, wie die gegen die Eingeborenen, sondern gegen April 1900 bekommt er seine Einberu - Pferde hier über Felsen klettern. Ich jage die Boeren. fung. Ankunft am 29. Mai 1900 in Swa - Spring- und Steinböcke, Schakale und Im Mai 1902 habe ich nun nach 2 Jah - kopmund: Das Abenteuer auf dem Hyänen durch Klippen und Dornbüsche, ren auch die Malaria, noch 39 Mann der schwarzen Kontinent beginnt! Seine Lie - es gibt Unmassen von Perl- und Fasa - Kompanie liegen auf der Nase. ben jenseits von Afrika lässt er intensiv nenhühnern. Ich habe jetzt eine Decke an seinem Alltag in der fernen Kolonie von 30 ausgesuchten Schakalfellen. Ich Nach einem Heimaturlaub von Februar teilhaben. An die 60 Briefe schreibt er in habe es auf einen Leoparden abgesehen, bis Juli 1903 wieder zurück in Afrika, drei Jahren an seine Familie auf Gut der uns seit einiger Zeit nächtliche Besu - sollte es mit der afrikanischen Gemüt - Schnaitberg in Essingen und reichert als che abstattet. lichkeit auf der Militärstation Omaruru leidenschaftlicher Fotograf seine lebhaf - Mit dem Kasernenbau sind wir glück - bald vorbei sein. Erich berichtet ab No - ten Berichte mit vielen selbstentwickel - lich so weit, dass wir schießen und exer - vember 1903 von Unruhen im Süden, ten Fotografien an. Die – mit einer Aus - zieren können. Nachdem ich in den letz - die im Distrikt Warmbad unter den Bon - nahme – nicht im Original erhaltenen ten Monaten so wenig Soldat gespielt delswart-Hottentotten ausgebrochen Briefe hat Erichs Schwester Sophie später habe und auf den Impfposten bei der seien. Er wartet auf Marschbefehl, am in einem Gedenkbuch veröffentlicht. Bekämpfung der Rinderpest aushalf, 30. Dezember 1903 rückt seine Kompa - Hier einige Eindrücke daraus: habe ich jetzt ziemlich viel Dienst und nie schließlich ins Feld aus. Der Kriegs -

10 Archivnachrichten 58 / 2019 Koloniales Erbe – Spuren im Archiv 2 3

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schauplatz ist ungefähr 1.000 km ent - die ein tolles Feuer eröffnet hatten, zu säu - 2 | „Epako – Pferde der Kompanie an der Tränke“. fernt. Am 13. Januar 1904 bricht ein all - bern. Im Sturm geht es darauf zu. Erich Vorlage: LABW, StAL PL 9/3 Bü 1632. gemeiner Herero-Aufstand aus, alle Sta - liegt auf einmal da und ächzt nach Was - 3 | „Omaruru - Meine Wohnung besteht aus tionen sind stark belagert, auf den Far - ser. Eine Kugel hat den linken Ober - 2 Zimmern mit Veranda und liegt in einem Neben - men werden Gräueltaten verübt. Die schenkel durchschlagen und sitzt noch gebäude der Kaserne“. Kerls schießen aber zu schlecht, sodass wir im Bein. Er wird in den Schatten getra - Vorlage: LABW, StAL PL 9/3 Bü 1632. nur Leichtverwundete haben. Die Kugeln gen, endlich kommt ein Eselskarren. 4 | „Feldlager Epako Sept. -Okt. 1901“. klatschten alle neben uns ins Wasser. Es Neun Stunden muss er aushalten, bevor Vorlage: LABW, StAL PL 9/3 Bü 1632. sind gestern 25 Hereros gefallen, aber alle die Soldaten mit Aufbietung der letzten auf der Flucht, da ihre Stellungen so vor - Kraft die Station Omaruru befreit haben. 5 | „Feldlager Okuakatjiwi. Der Herr Kompaniefüh - rer beim Frühstück.“ züglich gedeckt waren. Wir erbeuteten Am 11. Februar wird dem armen Woell - Vorlage: LABW, StAL PL 9/3 Bü 1632. 2 Pferde, eine Kiste Dynamit und gestohle - warth das Bein abgenommen. Die Ärzte nes Sattelzeug , schreibt er in seinem letz - sagen, dass er ohne Amputation sicher, Aufnahmen: Erich von Woellwarth. ten Brief am 28. Januar. Vier siegreiche voraussichtlich wegen Herzschwäche aber Gefechte, Gesund, Erich! telegrafiert auch bei der Operation sterben würde. Die er noch am 3. Februar von Karibib nach Amputation überlebt er nicht. Die ganze Hause. Kompanie ist geknickt, sie liebten ihn, den Die weiteren dramatischen Gescheh - flotten, netten Kerl, alle zärtlich. Am nisse berichtet ein beteiligter Kamerad 13. Februar 1904 wird Erich unter einer und Vetter: Nach den Gefechten in Oka - mächtigen Dornakazie in Omaruru bei - handja erreicht Erichs Zug am Vormittag gesetzt. des 4. Februar nach vierstündigem schar - Ute Bitz fen Ritt die Ebene Omaruru um das felsige und mit Büschen ungleich bewachsene Ge - lände von den sich verschanzten Hereros,

Koloniales Erbe – Spuren im Archiv Archivnachrichten 58 / 2019 11 „Ich wünschte ihm guten Morgen und Weidmanns Heil…“ Erlebnisse von Emil Reiß in Deutsch-Südwestafrika

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Der Krieg ist für uns Deutsche jedenfalls Nr. 22, trat sogleich in die Schutztruppe Südwestafrika gewesen. In einem Brief der schwerste, den wir seit 1870/71 gehabt ein. Neben ihm meldeten sich auch aus Epukiro 1898 an seine Eltern schil - haben, denn die Hereros fechten ausge - Friedrich von Klüber (1870–1909) aus dert er seine Erlebnisse, worin sich auch zeichnet und sind ein gewandter sehr be - demselben Regiment und Angehörige der Umgang der Deutschen mit der ört - weglicher Gegner. Dies schrieb Emil Reiß anderer badischer Regimenter für die lichen Bevölkerung, den Eingeborenen , in seinem letzten Brief an seine Eltern Schutztruppe, wie aus Akten des badi - zeigt, darunter eine Auseinandersetzung am 12. März 1904 aus Windhuk, Deutsch- schen Armeekorps im Generallandesar - mit widerständigen Herero. Im Morgen - Südwestafrika, über den Hereroaufstand. chiv Karlsruhe hervorgeht. Über Famili - grauen war er mit einer kleinen Truppe Die auf dem Gebiet der Kolonie leben - ennachlässe gelangten Briefe und andere unbemerkt in eine Hererowerft einge - den Herero hatten sich aus verschiede - Dokumente von Reiß und seinen Kame - drungen und hatte die Bewohner gefan - nen Gründen gegen die deutsche Koloni - raden ins Archiv, in denen sie ihr persön - gen genommen: Es waren 250 Köpfe mit almacht gewandt, unter anderem weil liches Erleben und ihre Sicht des Gesche - Frauen und Kindern […]. Einen Teil der man ihnen Land und Vieh nahm. Der hens schildern, und die so die deutsche jungen Leute habe ich als Arbeiter nach Aufstand begann mit Überfällen auf Sicht der Zeit widerspiegeln. Auch Foto - Windhoek für die Regierung geschickt, deutsche Siedlungen Anfang Januar grafien vom Schauplatz, die der oben er - während ich die andern, nachdem ich sie 1904. Zur Niederwerfung bat die Schutz - wähnte Friedrich von Klüber angefertigt mit Groß- und Kleinvieh bestraft […], truppe von Deutsch-Südwestafrika um hat, sind im Generallandesarchiv Karls - wieder im Damara-Land angesiedelt Verstärkungen aus dem Deutschen ruhe im Nachlass der Familie von Klüber habe. Daneben erzählt er von privaten Reich. Oberleutnant Emil Reiß, geboren überliefert. Vergnügungen, wie Jagden und Pferde - am 9. September 1872 in Karlsruhe, aus Bereits von 1896 bis 1900 war Emil rennen. Das anstrengende, wilde Leben , dem 3. Badischen Dragoner-Regiment Reiß in der Schutztruppe für Deutsch- wie er es bezeichnet, schade allerdings

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1 | Blick auf Hütten in einem Dorf in Deutsch-Süd - westafrika. Foto von Friedrich von Klüber, ca. 1904/06. Vorlage: LABW, GLAK 69 von Klüber 58.

2 | Porträt von Oberleutnant Emil Reiß. Druck: F. E. Metzler, Frankfurt am Main. Vorlage: LABW, GLAK 456 G 2 Nr. 350.

3 | Friedrich von Klübers Wohnhaus auf dem Pferdeposten Okawayo, Deutsch-Südwestafrika. Foto von Friedrich von Klüber, ca. 1904/06. Vorlage: LABW, GLAK 69 von Klüber 58.

4 | „Oberleutnant Reiß sein Grab mit Hut usw.“ bei Okatumba. Foto von Friedrich von Klüber, ca. 1904/06. Vorlage: LABW, GLAK 69 von Klüber 58.

4 seiner Gesundheit und er habe es doch nung: Ich wünschte ihm guten Morgen ziemlich satt . und Weidmanns Heil, worauf er mit Im Januar 1904 brach Emil Reiß zum Weidmanns Dank antwortete. Dies war Kampf gegen die Herero wieder in die das letzte Mal, daß ich seine Stimme Kolonie auf. Dort fiel er am 13. April hörte. Wie zwei Jäger begrüßten sie sich, 1904 bei Okatumba, östlich von Oka - obwohl sie sich im Kampf gegen Men - handja. Sein letzter Brief und der Brief schen befanden. Die Sprache verrät den eines Kameraden verraten uns Absich - kolonialen Rassismus, der den Gegner in ten, Taten und Kriegserlebnisse. In der die Nähe eines Tieres rückte. deutschen Überlieferung tritt uns Reiß Die Eltern erhielten eine kurze Mittei - als Held entgegen, der sein Leben ein - lung über den Heldentod ihres Sohnes, setzte, um mit den Herero für ihr Vorge - der noch posthum für seinen Einsatz im hen gegen deutsche Farmer – um es mit Kampf gegen die Herero gewürdigt seinen Worten zu sagen – etwas abzu - wurde. rechnen . Ein Kamerad schildert in einem Brief an Reiß‘ Eltern ihre letzte Begeg - Sara Diedrich

Koloniales Erbe – Spuren im Archiv Archivnachrichten 58 / 2019 13 „Gruß und Kuß“ Postkarten aus Deutsch-Südwestafrika

Der Nachlass des Kaufmanns Robert Ar - Alles Eigentum, ein wonniges Gefühl, 1 | „Kaffernfamilie“. naud (1885–1945) im Staatsarchiv Sig - sagen zu können: soweit das Auge reicht, Vorlage: LABW, StAS N 1/78 T 1 Nr. 732. maringen beinhaltet eine umfangreiche alles ist mein Eigentum! Und eine wun - 2 | „Zur Regenzeit“. Postkartensammlung aus aller Welt. Dar - derbare Jagd. Kürzlich habe ich hier eine Vorlage: LABW, StAS N 1/78 T 1 Nr. 733. unter sind auch elf Postkarten aus der Riesenschlange gekauft. 6,80 Meter lang. ehemaligen Kolonie Deutsch-Südwest - Von der Haut wollen wir uns Gürtel ma - 3 | „Kriegsbilder – Am Waterberg“. Vorlage: LABW, StAS N 1/78 T 1 Nr. 735. afrika, welche Hede , eine Verwandte oder chen lassen. Ich weiß nur vorläufig keinen gute Freundin von Arnauds späterer Fabrikanten in Deutschland dafür. Sonst Frau Amelie Dieringer, zwischen 1907 musst du eben noch warten. Innigen Gruß und 1909 schrieb. Aus ihnen werden die und Kuß, deine Hede. unterschiedlichen Lebenswelten von Ko - Eine weitere Postkarte (Abb. 3) ist Teil lonisten und Kolonialisierten deutlich, einer Serie, in der mit Gedichten und sowie die Sichtweise der Kolonialherren Liedern die Kämpfe zwischen gut ausge - auf sich selbst, die Einheimischen und bildeten deutschen Soldaten und den den Herero-Aufstand. Zu dieser Zeit Kriegern der Herero während des He - brauchten die Postkarten etwa einen rero-Aufstandes propagandistisch ideali - Monat von Windhuk nach Sigmaringen. siert wurden. Der Verleger der Postkar - Der Begriff Kaffer , mit dem eine der tenserie Franz Spenker ist selbst Soldat Postkarten betitelt ist (Abb. 1), wird in Deutsch-Südwestafrika gewesen. heute als rassistisch angesehen, war da - Die Herero hatten 1904 in einem Auf - mals aber eine übliche, wenn auch ab - stand gegen Landenteignungen und ras - wertende Bezeichnung für die Bantu- sistische Behandlung durch die Siedler Völker, die unter anderem auf dem Ge - und ihre Institutionen rebelliert. Am biet des damaligen Deutsch-Südwestafri - Waterberg fand die entscheidende kas lebten. Auf der Postkarte klar zu Schlacht statt. Deren Ausgang zwang die erkennen sind die extrem aufgeblähten Herero, mit ihrem gesamten Volk in eine Bäuche der Kinder, die durch eine Man - Wüste zu flüchten, wo ihnen sowohl das gelernährung nach dem Stillen entste - Verlassen der Wüste als auch der Zugang hen. Im Hintergrund sind die typischen zu Wasserstellen innerhalb der Wüste Behausungen der Bantu zu sehen. Auf von deutschen Truppen verwehrt wurde. der Rückseite der Postkarte schreibt Größtenteils durch Verdursten verloren Hede, dass sie enttäuscht sei, so wenige deshalb etwa 40.000–60.000 Herero und Briefe von Amelie Dieringer zu bekom - damit bis zu 80 Prozent des Volkes ihr men. Während die Einheimischen also Leben, was heute von Historikern als hungern und in einfachen Hütten leben, Völkermord eingestuft wird. Im Gedicht scheint es Hedes größtes Problem zu auf der Postkarte wird dennoch eine eh - sein, nur wenige Briefe aus der Heimat renhafte Schlacht beschrieben und den zu bekommen. Herero Hinterhältigkeit unterstellt sowie Auf einer anderen Postkarte (Abb. 2) der Mut der deutschen Soldaten be - schreibt Hede: Umstehendes Bild ist eine schworen. Ansicht von unserer Farm, die wir uns kürzlich erworben haben. 12.780 ha groß. Laurencius Griener

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Koloniales Erbe – Spuren im Archiv Archivnachrichten 58 / 2019 15 Ich packe meinen Koffer und nehme mit…

Es mag auf den ersten Blick überraschen, HZAN La 140 und 140a) gehören, haben schen Kolonien und natürlich jede Menge dass im Hohenlohe-Zentralarchiv in Neu - sich auch etliche Druckwerke erhalten, die Adressen. Egal ob man einen Bergwerks - enstein eine nicht unbedeutende Samm - im Hohenlohe-Zentralarchiv eingesehen eigner in Deutsch-Süd-Ost, einen Impor - lung von Dokumenten zum deutschen werden können. teur in Tsingtau oder einen Pflanzer auf Kolonialwesen aufbewahrt wird. Der idyl - Deutsches Kolonialblatt , Der Tropenpflan - Samoa suchte: Das Kolonial-Handels- lische Landstrich zwischen Kocher, Jagst zer , Afrika-Post , Kolonie und Heimat oder Adressbuch half weiter. und Tauber erinnert kaum an den Platz an Übersee: Die deutsche Kolonialbegeiste - Kein Wunder, dass das Adressbuch auch der Sonne, den Kaiser Wilhelm II. für sein rung brachte eine Vielzahl von Fachzeit - Unternehmer anzog, die ihre mehr oder Reich beanspruchte. schriften und ähnlichen Druckerzeugnis - minder tropenspezifischen Produkte be - Hintergrund der Sammlung ist das kolo - sen hervor. Zu den Must-haves dieser Peri - warben. Neben einem alphabetischen Ver - niale Engagement des Fürsten Hermann odika gehörte das seit 1897 jährlich er - zeichnis von Fabrikanten, das von A wie zu Hohenlohe-Langenburg (1832–1913), scheinende Kolonial-Handels-Adressbuch , Atlanten über E wie Erdnuß-Schälmaschi - der Gründungsmitglied und erster Präsi - das vom Kolonial-Wirtschaftlichen Komitee nen und T wie Tropenhelm bis Z wie Ziga - dent des Deutschen Kolonialvereins war in Berlin herausgegeben wurde. Das om - rillos reichte, enthielt jede Ausgabe auch und rege Korrespondenz mit Kolonialpo - nipotente Nachschlagewerk enthielt far - zahlreiche Annoncen. Viele von ihnen litikern, Kolonisten und anderen Gleich - bige Landkarten, die aktuellen Fracht- waren direkt auf die persönlichen Bedürf - gesinnten unterhielt. Neben diesen Brief - und Zolltarife, Umrechnungstabellen für nisse der privat oder dienstlich Reisenden wechseln und einigen Bilddokumenten, Geld und Maße, eine Anleitung für Aus - und Auswanderer ausgerichtet. die zum Nachlass des Fürsten (LABW, wanderer und Stellensuchende in den deut - Jan Wiechert

16 Archivnachrichten 58 / 2019 Koloniales Erbe – Spuren im Archiv Annoncen im „Kolonial-Handels-Adressbuch“ aus den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts. Vorlage: LABW, HZAN.

Koloniales Erbe – Spuren im Archiv Archivnachrichten 58 / 2019 17 Das Linden-Museum und seine kolonial- geschichtliche Vergangenheit im Spiegel seiner Archivalien

Der 1882 gegründete Württembergische Sammlungen präsentiert werden. Hierzu das Land bereisenden Personen befinden Verein für Handelsgeographie und Förde- zählen Angebote von Fotografien aus sich ebenfalls im Bestand (Bü 72). rung Deutscher Interessen im Ausland Togo, , Südwestafrika und Ost- Neben den Angeboten und den Einwer- wurde am 1. Juni 1889 in ein Völkerkun- afrika oder dem inneren Afrika ebenso bungen finden sich in den Beständen demuseum umgewandelt, das später den wie eine Sammlung, bestehend aus Waf- aber auch Listen von Sammlungen, Eth- Namen Linden-Museum erhielt. fen, Schädeln, ethnologischen Gegenstän- nografica, die dem Museum überlassen Die schriftliche Überlieferung des Ver- den, welche ein Ingenieur Fritz aus bzw. von diesem angekauft wurden. So eins und späteren Museums befindet Deutsch-Ostafrika mitgebracht hatte, listet das Verzeichnis der von Freiherr sich im Staatsarchiv Ludwigsburg im Be- einem Gebiet, das heute die Länder Tan- von Bülow gesandten Ethnografica einen stand EL 232. Der Bestand enthält die sania, Burundi und Ruanda sowie kleine Frauenkopfschmuck der Hereros sowie zahlreiche Korrespondenz des ersten Teile Mosambiks umfasst (LABW, StAL Arm- und Beinschmuck, eine Milchkale- Vorsitzenden des Vereins, Graf Karl von EL 232 Bü 376). basse und andere Gefäße, Löffel, Messer, Linden, sowie weiterer Persönlichkeiten, Gleichzeitig warb Graf von Linden einen Musikbogen, ein Kuduhorn und später auch die Korrespondenz des wis- auch selbst interessante Artefakte ein. So weitere Hörner von verschiedenen Tie- senschaftlichen Direktors, besonders von stand er im Jahr 1903 mit dem Oberst- ren auf. Eine andere Liste führt u. a. fünf Dr. Augustin Krämer und seinem Nach- leutnant Frank in der Schutztruppe für vergiftete Pfeile, einen Sultansstab, folger Heinrich Fischer. Sachakten, di- Kamerun in Kontakt, der ihm aber mit- Tabakpfeifen und Bekleidung auf (Bü verse Druckschriften, umfangreiche Zei- teilen musste, dass er sein Wort in Bezug 1186). tungsausschnittsammlungen, Erinne- auf ethnografische Sammlungen nicht in Der guten Vernetzung des Grafen ist rungsstücke und Bilddokumente runden vollem Umfang halten können wird. es wohl zu verdanken, dass die Samm- den Bestand ab. Während der Expedition ins Innere des lung schon 1903 zu den drei größten der- Die Korrespondenz macht die weltwei- Landes war keine Zeit gewesen, so dass artigen Sammlungen in Deutschland ten Kontakte, die Karl von Linden an ein richtiges Sammeln ethnografischer zählte. Graf von Linden beschrieb sie als pflegte, sehr anschaulich, zeigen sie doch Gegenstände nicht zu denken war. Er ver- die wohl schönste diesfallsige Ausstellung die Vernetzung mit deutschen Kolonial- wies Graf von Linden aber an seine Ka- in Deutschland aus den deutschen Schutz- beamten, Kolonialoffizieren, der deut- meraden, den Hauptmann Engelbarth gebieten: sie gebe ein nahezu lückenloses schen Kolonialgesellschaft, Übersee- und den Oberleutnant Förster, die mehr Bild des Lebens und Treibens, des Fühlens Kaufleuten, Kapitänen und Missionaren. Glück gehabt haben. Beide Namen sind und Glaubens der zahllosen teils sesshaft, Sie gibt einen eindrücklichen Einblick in im Schreiben blau markiert und hervor- teils nomadisierend in dem schwarzen die Sammlungstätigkeit des Museums: gehoben worden, vermutlich, um zu bei- Continent lebenden Völkerschaften (Bü 72). So finden sich zahlreiche Angebote an den in Kontakt zu treten. Weitere Korre- das Museum, in denen verschiedene spondenzen mit in Afrika lebenden oder Julia Kathke

18 Archivnachrichten 58 / 2019 Koloniales Erbe – Spuren im Archiv 1 2

1 | Saiteninstrument aus Ukerewe, Deutsch-Ost - afrika, Linden-Museum Stuttgart, Inventarnummer 45379. Vorlage: LABW, StAL EL 232 Bü 125.

2 | Leier aus Uganda, Ostafrika, Linden-Museum Stuttgart, Inventarnummer 32986. Vorlage: LABW, StAL EL 232 Bü 125.

3 | Verzeichnis der von Freiherr von Bülow an Graf von Linden gesandten Ethnografica. Vorlage: LABW, StAL EL 232 Bü 1186.

4 | Schreiben von L. Illich, Pächter der Domäne Kwai in Westusambara vom 25. Januar 1907 an Graf von Linden. Vorlage: LABW, StAL EL 232 Bü 376.

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Koloniales Erbe – Spuren im Archiv Archivnachrichten 58 / 2019 19 Bitterer Abschied aus Afrika Das Reichskolonialamt dokumentiert die Verhaftung, Internierung und Depor - tation württembergischer Siedler in Kamerun und Togo während des Ersten Weltkrieges Zwangsarbeit deutscher Gefangener: Wegeausbesse - rung in Abomey. Aus: Die Kolonialdeutschen aus Kamerun und Togo in französischer Gefangenschaft, Berlin 1917. Vorlage: LABW, HStAS M 635/2 Bd. 87, S. 15.

Gefangennahme erfolgte durch englische Band – versuchte das Reichskolonialamt, enteignet. Verschiedentlich kam es zu Offiziere mit schwarzen Truppen, binnen völkerrechtswidrige Übergriffe der En - Kopfgeldjagden, häufig zu Demütigun - 1 ½ Stunden mußten wir reisefertig sein. tente-Truppen gegen die Kolonialdeut - gen, zu Nötigung und zu körperlicher Wegführung von der Station […] unter schen in Westafrika bekannt zu machen. Gewalt. Die hygienischen Verhältnisse in Zurücklassung sämtlichen Besitztums mit Eine auffallend große Zahl an Aussagen den Lagern und auf den Schiffen, die Ausnahme eines kleinen Koffers für mich stammt von Württembergern. Diese die Deutschen außer Landes brachten, und eines ebensolchen für meinen Mann. wirkten in Kamerun oder Togo häufig waren katastrophal. Besonders inhu - Transport nach Duala im Kanu […]. Un - als Missionare, daneben als Regierungs - mane Bedingungen herrschten in einem terwegs übernachtet in einer Negerhütte beamte, Kaufleute, Soldaten oder medi - Internierungslager in Abomey in der ohne Bett […]. Nach der Gefangennahme zinisches Personal. Oder sie waren – wie französischen Kolonie Dahomey (heute Internierung in einem Haus der Basler Berta Gutbrod – Familienangehörige Benin). Die dorthin verbrachten Deut - Missionshandlung zusammen mit einer deutscher Funktionäre und Repräsen - schen aus Togo und Kamerun mussten Anzahl anderer Frauen. Behandlung in tanten. Zwangsarbeit leisten. Sie litten unter Duala durchaus unwürdig. In Duala vom Während die schwachen kaiserlichen brutalen Misshandlungen und Folter 9. November bis 22. November 1914; auf Polizeitruppen in Togo bereits im August durch das Wachpersonal. dem Dampfer vom 22. November bis 1914 kapitulieren mussten, dauerten die Die Dokumentationen des Reichskolo - 29. Dezember 1914. Kämpfe im erheblich größeren Kamerun nialamts beleuchten einen vergessenen Berta Gutbrod befand sich bereits wie - bis Anfang 1916 an. Doch waren wesent - Aspekt der Geschichte des Ersten Welt - der in Württemberg, als sie am 7. Mai liche Teile der Kolonie schon im Herbst krieges. Sie sind darüber hinaus ein ein - 1915 über ihre Gefangennahme auf der 1914 in die Hände der alliierten Truppen drucksvolles Zeugnis des vor einhundert Missionsstation Mangamba in Kamerun, gefallen. In den Gebieten, in denen das Jahren allgemein verbreiteten Rassismus. die anschließende Verbringung nach englische, französische oder belgische Nicht nur für Berta Gutbrod war es eine Duala, der Hauptstadt der deutschen Ko - Militär die Kontrolle übernahm, wurden Zumutung, von schwarzen Truppen ver - lonie, und den Weitertransport nach die deutschen Bewohner zu Gefangenen haftet zu werden und in einer Negerhütte Großbritannien berichtete. Das Zitat erklärt, anschließend verhaftet, interniert nächtigen zu müssen. Die Publikationen entstammt Gutbrods beeidigter Aussage und deportiert. belegen, dass für viele Deutsche die vor dem Amtsgericht Welzheim. Anhand von Zeugenaussagen sollten schlimmste Erfahrung darin bestand, Der Bericht der Missionarsfrau fand die Veröffentlichungen des Reichskoloni - von den Engländern oder Franzosen vor Eingang in eine vom Reichskolonialamt alamts die Vorgänge in Afrika erhellen. der afrikanischen Bevölkerung gedemü - 1916 herausgegebene Veröffentlichung, Dies geschah entsprechend dem propa - tigt zu werden: Dem Spott der Schwarzen in der das Verhalten des englischen und gandistischen Zweck der Publikationen war man verschiedentlich ausgesetzt gab französischen Militärs gegenüber der in sehr einseitiger Weise. Nichtsdesto - voller Abscheu Hermine Koch, die Ehe - deutschen Bevölkerung in den Kolonien trotz finden viele der erwähnten Fakten frau eines Tübinger Regierungsbaumei - Kamerun und Togo während des Ersten in anderen Quellen Bestätigung. Die Be - sters, zu Protokoll. Weltkrieges dokumentiert wurde. Mit sitzungen der Kolonialdeutschen wurden der Publikation – 1917 folgte ein zweiter demnach in der Regel entschädigungslos Wolfgang Mährle

20 Archivnachrichten 58 / 2019 Koloniales Erbe – Spuren im Archiv Vom missionarischen Kakaokaufmann zum mundtot gemachten Kolonialpropagandisten Ein „Opfer“ der NS-Propagandamaschinerie in den Akten des Reichskolonialbunds

1 Der Verlust der deutschen Überseeterri - tamt, schon nach vier Monaten aber in torien bedeutete mitnichten das Ende eine fünf Jahre währende britische Ge - 1 | Ernst Desselberger, dekoriert mit NS-Abzeichen der Kolonialpropaganda im Mutterland. fangenschaft. Auch danach ließ ihn die an Krawatte und Revers. Dafür sorgten etliche Organisationen, Erinnerung an Afrika nicht los, leibhaftig Vorlage: LABW, StAL PL 520 Bü 558. die 1933 der auffing, durch ein chronisches Darmleiden im mit zuletzt (im Februar 1943) über zwei Gefolge einer dort erworbenen Amöben - 2 | Die Intervention des Gaupropagandaamts der NSDAP in Sachen Desselberger. Millionen Mitgliedern, davon rund ruhr. Ein Souvenir, so nachhaltig wie Vorlage: LABW, StAL PL 520 Bü 558. 49.000 im Gau Württemberg-Hohenzol - nützlich, denn mehrere Heilaufenthalte lern. Aus diesem Gauverband verwahrt im Tübinger Tropengenesungsheim er - das Staatsarchiv Ludwigsburg Schriftgut - laubten es ihm, im Erfahrungsaustausch reste (Bestand LABW, StAL PL 520), mit Tropenrückkehrern eigene Kennt - überwiegend Personaldossiers von Mit - nisse zu vertiefen und zu aktualisieren. arbeitern, aber auch Korrespondenz aus Zugleich belebte dies seinen Drang nach einigen Kreisen. Sensibilisierung der Öffentlichkeit, dafür, In beiden Überlieferungssträngen fin - wie viel wir durch unsere Kolonien verlo - den sich Hinweise auf Anstrengungen ren haben und wie nötig es ist, daß wir 2 des Bundes, Referenten zu gewinnen, die dieselben an einem geeigneten Tag wieder aus eigener Anschauung vom friedlichen bekommen müssen . Für die Überzeu - 2 wie kriegerischen Leben in den vormali - gungsarbeit konnte Desselberger zudem gen Schutzgebieten berichten konnten. auf Fotoserien und Elaborate zurück - Das Engagement prominenter Kolonial - greifen, die sich unter Titeln wie Unser veteranen war nicht billig: Ein Star wie Kamerun und Nötige Rohstoffe aus deut - Paul von Lettow-Vorbeck nahm pro Auf - schen Schutzgebieten Westafrikas in seiner tritt zwischen 170 und 190 Reichsmark Privatpropaganda schon bewährt hatten. (PL 520 Bü 564) – auf heutige Verhält - Dass diese kolonialrevisionistische Vor - nisse umgerechnet also zwischen 700 tragskarriere gleichwohl ein abruptes und 780 Euro. Es lag daher nahe, sich in Ende fand, noch ehe sie recht in Schwung lokalen Mitgliederkreisen nach poten - gekommen war, lag an den alten Bezie - ziellen Rednern umzusehen. hungen zur Mission. Das Gaupropagan - Im Ortsverband Bönnigheim wurde – daamt verfolgte den Kurs, alle früheren bzw. schien – ein solcher in der Person Missionskaufleute und ähnliche Geistes - Ernst Desselbergers gefunden (PL 520 verwandte als Redner unter allen Umstän - Bü 558). Seit 1912 für die Basler Mission den auszuschalten . Ermahnt, diese Leute als Kakaoeinkäufer in den kameruni - für alles mögliche zu verwenden, aber nie - schen Städten Duala und Victoria (dem mals als Redner , legte der Reichskolonial - heutigen Limbe) tätig, führte ihn der bund das Mitglied Desselberger sogleich Krieg zwei Jahre später in den Dienst für still. das Vaterland , in den Einsatz bei der Kü - stenpatrouille und in einem Provian - Carl-Jochen Müller

Koloniales Erbe – Spuren im Archiv Archivnachrichten 58 / 2019 21 „Des types pas ordinaires…“ Die Rekrutierung von Fremdenlegionären in Offenburg

Dass die französische Fremdenlegion beitslose, dem Militärleben geneigte oder drohe zu einem Kriminalitätsmittel - nicht aus gewöhnlichen Typen besteht, auch abenteuerlustige junge Menschen aus punkt im Süden zu werden. Ein vom ba - davon kündet nicht nur ihr Marschlied wirtschaftlicher Not oder jugendliche [m] dischen Justizministerium eigens erstell - Le Boudin . Nach dem Zweiten Weltkrieg Idealismus heraus im Lager befunden. ter, auf Polizeiangaben fußender Bericht zog sie neben Abenteuerlustigen auch Doch seit den schweren Kämpfen in Indo - an die Staatskanzlei vom Februar 1951 Männer mit zweifelhafter Vergangenheit china habe sich das Bild dahingehend offenbarte, dass sich unter den 109 im an. Die Legion kämpfte seinerzeit in In - verschoben, dass sich dort zunehmend Jahr 1950 steckbrieflich verfolgten und von dochina gegen den Vi ệt Minh und ange - kriminelle oder polizeilich gesuchte Ele - der Kriminalpolizei Offenburg festgenom - sichts dort erlittener Verluste brauchte es mente und lichtscheues Gesindel sammel - menen Personen 90 aus dem Lager entlas - neue Rekruten. So geriet die badische ten. sene oder ins Lager strebende Männer Kleinstadt Offenburg in den Sog eines Etliche Bewerber wurden entweder ab - befanden. Mehr und mehr Stimmen for - fernab tobenden Konflikts – mit spürba - gelehnt oder verzichteten letztlich auf derten eine Verlegung des Lagers nach ren Konsequenzen für das Alltagsleben einen Eintritt in die Legion. Zudem ver - Frankreich. der einheimischen Bevölkerung. blieben manche Ex-Legionäre nach ihrer Im September 1951 wandte sich Staats - Ende 1948 hatten die Franzosen in Of - Entlassung im Raum Offenburg. Diese präsident Wohleb mit diesem Anliegen fenburg eine zentrale Auffangstelle der weitgehend mittellosen und oft entwur - an das Auswärtige Amt in Bonn, das ver - französischen Fremdenlegion für das zelten Männer aus dem In- und Ausland, sprach, ein entsprechendes vorbereiten - Bundesgebiet eingerichtet, in der Bewer - manche bereits zuvor wegen Kapitalver - des Gespräch mit einem französischen ber gemustert wurden, um im Fall der brechen zur Fahndung ausgeschrieben, Mitglied der Hohen Kommission zu füh - Annahme über Marseille in ein Ausbil - sorgten im Landkreis für einen signifi - ren. Im folgenden Jahr wurde das Lager dungslager nach Algerien transportiert kanten Anstieg der Kriminalitätsrate, tatsächlich aufgehoben. Für die Stadt Of - zu werden. Zudem wurden vor allem aus nicht nur bei unerlaubten Grenzübertrit - fenburg endete damit die Verstrickung in Deutschland und Österreich stammende ten, sondern auch im Bereich der Ein - Frankreichs Kolonialkriege. Der verlu - Legionäre nach Beendigung ihrer brüche und Raubdelikte. Generalstaats - streiche Indochinakrieg dauerte noch Dienstzeit vom Offenburger Lager aus anwalt Karl Siegfried Baader äußerte zu - weitere zwei Jahre und endete 1954 mit entlassen. Ein Bericht des Landratsamtes spitzend in einem Plädoyer gegen drei einer französischen Niederlage. Unter Offenburg an den badischen Staatspräsi - junge Angeklagte aus Deutschland, die den Kriegstoten waren auch zahlreiche denten Wohleb vom Februar 1951 be - 1950 bei einem Raubüberfall zwei Men - Fremdenlegionäre. tonte, anfänglich hätten sich viele Ar - schen schwer verletzt hatten, Offenburg Christof Strauss

1 | Auszug aus dem Bericht des Badischen Ministe - riums der Justiz „Anteil der Bewerber und An- gehörigen der französischen Fremdenlegion an der Kriminalität in Offenburg/Baden […]“ vom 28. Februar 1951. Vorlage: LABW, StAF C 17/2 Nr. 156.

2 | „Staatliche Kriminalpolizeistelle Offenburg – Erkennungsdienst – 1955: Auffanglager der Frem - denlegionäre Offenburg-Holderstock“. Vorlage: LABW, StAF B 728/1 Nr. 4482.

22 Archivnachrichten 58 / 2019 Koloniales Erbe – Spuren im Archiv 1

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Koloniales Erbe – Spuren im Archiv Archivnachrichten 58 / 2019 23 Von Stuttgart nach Windhoek Das Landesarchiv Baden-Württemberg und das Namibische Nationalarchiv starten Kooperation

Es ist Ende Februar, als das Flugzeug von Zeugnisse der historischen Verbindun - Air Namibia mit einer Delegation von gen werden im Namibischen Nationalar - Vertreterinnen und Vertretern aus Poli - chiv in Windhoek verwahrt. Dort liegen tik, Kultur, Wissenschaft und Medien aus bis heute zahlreiche historische Quellen Baden-Württemberg in Richtung Wind - aus der Kolonialzeit – zum Teil verfasst hoek startet. Gut 100 Jahre nach dem in deutscher Kurrentschrift und damit Ende der deutschen Kolonialherrschaft für die afrikanischen Archivmitarbeiter im damaligen Deutsch-Südwestafrika kaum verständlich. sollen stärkere Bande mit dem seit 1990 Um eine nachhaltige Basis für die wis - unabhängigen Namibia geknüpft wer - senschaftliche Aufarbeitung zu schaffen, den. Ziel der Reise ist die Konzeption ge - haben das Nationalarchiv in Windhoek meinsamer Projekte namibischer und und das Landesarchiv Baden-Württem - deutscher Partner als Teil der sogenann - berg ein gemeinsames Austausch- und ten Namibia-Initiative des Ministeriums Trainingsprogramm konzipiert. Im Rah - für Wissenschaft, Forschung und Kunst men dieser Initiative sollen verschiedene Baden-Württemberg. Workshops in Deutschland und Namibia Im Zentrum der baden-württembergi - stattfinden, in denen ein Know-how- schen Bemühungen steht die Rückgabe Transfer hinsichtlich archivischer Kern - der von Kolonialtruppen erbeuteten Fa - aufgaben erfolgen wird. Zudem wird dis - milienbibel und Peitsche des Nama-An - kutiert, wie die kulturellen Schätze in führers Hendrik Witbooi, die sich seit Windhoek dauerhaft erhalten, digitali - 1902 im Stuttgarter Linden-Museum be - siert und zugänglich gemacht werden funden haben. Mit der Restitution fällt können. Nach einer ersten Testphase, die gleichzeitig der Startschuss für eine Viel - auf eineinhalb Jahre angelegt ist, soll das zahl von kulturellen und wissenschaftli - partnerschaftliche Programm verstetigt chen Kooperationen, die der Aufarbei - werden. tung der gemeinsamen Geschichte ge - Nicole Bickhoff widmet sind. Besonders aussagekräftige Nadine Seidu 1

1 | Das namibische Nationalarchiv befindet sich im Regierungsviertel von Windhoek. Aufnahme: LABW.

2 | Besprechung mit den Kolleginnen vom Namibi - schen Nationalarchiv. Aufnahme: LABW.

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24 Archivnachrichten 58 / 2019 Koloniales Erbe – Spuren im Archiv Ein Rückblick auf das Jahr 2018 Jahresbericht des Landesarchivs Baden-Württemberg

Das Landesarchiv im Jahr 2018

Das vergangene Jahr begann im Landesarchiv Baden-Württem - Kooperationen und Projekte berg mit einem Führungswechsel. Präsident Prof. Dr. Robert Auch im vergangenen Jahr schloss das Landesarchiv neue Ko - Kretzschmar verabschiedete sich bei einem Festakt im Januar in operationen und führte zahlreiche Projekte durch, die an dieser den wohlverdienten Ruhestand. Zugleich wurde sein bisheriger Stelle nur exemplarisch genannt werden können. Stellvertreter Prof. Dr. Gerald Maier zum neuen Präsidenten er - Ein besonderes Highlight ist die internationale Zusammenar - nannt. Bei seiner Antrittsrede kündigte Gerald Maier an, die drei beit mit dem namibischen Nationalarchiv in Windhoek. Im Säulen des Landesarchivs als Partner für die Verwaltung, als wis - Rahmen der Namibia-Initiative des Ministeriums für Wissen - senschaftlicher Informationsdienstleister sowie als landeskundli - schaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg entwickelten ches Kompetenzzentrum zu stärken und weiterhin auszubauen. das Landesarchiv Baden-Württemberg, das Bundesarchiv und Den Chancen des Digitalen Zeitalters wolle er offensiv begegnen das namibische Nationalarchiv ein Austauschprogramm zum und neue digitale Initiativen aktiv mitgestalten. Darüber hinaus nachhaltigen Know-how-Transfer, das voraussichtlich im Som - sei es ihm ein großes Anliegen, das Landesarchiv stärker für die mer 2019 starten wird. breite Bevölkerung zu öffnen, niedrigschwellige Angebote zu schaffen und verstärkt über die Aktivitäten der Institution zu in - formieren.

Die namibische Hauptstadt Windhoek ist Dreh- und Angelpunkt der „Namibia- Initiative“. Aufnahme: LABW.

Prof. Kretzschmar (links) und sein Nachfolger Prof. Maier beim Amtswechsel. Das Projekt Heimerziehung in Baden-Württemberg zwischen Aufnahme: LABW. 1949 und 1975 fand seinen Abschluss im Rahmen einer Tagung, bei der auch ein Abschlussbericht in Form der Publikation Auf - arbeiten im Archiv. Beiträge zur Heimerziehung in der baden- württembergischen Nachkriegszeit vorgelegt wurde. Seit Anfang 2019 widmet sich das Projektteam nun verstärkt den Recherchen für Menschen, die zwischen 1949 und 1975 in Heimen der Be - hindertenhilfe oder auch in Psychiatrien untergebracht waren. Ein Mitmach-Projekt zur Verortung historischer Karten und Luftbilder lud im vergangenen Jahr zum Forschen ein. Die Ak - tion, die auf die Kompetenzen der Bürgerinnen und Bürger als Hobby-Wissenschaftler zurückgriff, war so erfolgreich, dass alle Karten nach kürzester Zeit fertig bearbeitet waren. Darüber hinaus startete 2018 ein gemeinsames Projekt des Landesarchivs Baden-Württemberg mit dem Bundesarchiv, der Deutschen Nationalbibliothek und FIZ Karlsruhe – Leibniz-In- Staatssekretärin Olschowski bei der Festrede. Aufnahme: LABW. stitut für Informationsinfrastruktur zur Entwicklung neuer the - matischer Zugänge für das Archivportal-D, das bereits seit 2014

Archiv aktuell Archivnachrichten 58 / 2019 25 aus den Registraturen der Ministerien und des Landtags, die nun im Hauptstaatsarchiv Stuttgart verwahrt werden. Damit sind inzwischen 93 Prozent der Magazinflächen des Landesarchivs ausgelastet. Durch Faktoren wie die Notariatsre - form in Baden-Württemberg, aber vor allem durch die geplante Einführung der E-Akte, an der das Landesarchiv konzeptionell und organisatorisch mitwirkt, wird für die nächsten Jahre ein er - heblicher Mehrbedarf an Flächen und Personal erwartet.

Das Digitale Magazin des Landesarchivs Baden-Württemberg (DIMAG) Mit dem Aufbau einer DIMAG-Supportstelle wurde die Betreu - ung der kommunalen Anwenderinnen und Anwender in Baden- Publikationsübergabe an Sozialminister Manfred Lucha (rechts) im Rahmen der Württemberg entscheidend intensiviert. Im Rahmen verschiede - Abschlusstagung. Aufnahme: LABW. ner Schulungen und mithilfe der DIMAG-Wissensplattform, eines Newsletters und dem Aufbau eines DIMAG-Forums wer - einen deutschlandweiten Zugang zu Archivgut bietet. Der erste den den Anwenderinnen und Anwendern nun Informationen Themenzugang wird exemplarisch für die Weimarer Republik zur Verfügung gestellt und Support geleistet. konzipiert und später für weitere Themen geöffnet. Darüber hinaus erweiterte sich der DIMAG-Anwenderkreis Des Weiteren wurden auf Basis großzügiger Förderungen, u. a. 2018 erheblich auf 60 Archive. Zudem entschlossen sich die vier durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft, die Stiftung Kul - großen kirchlichen Archive des Landes zur Nutzung des digita - turgut Baden-Württemberg und das Bundesministerium für Bil - len Archivs für die Langzeitspeicherung von Daten. Daneben dung und Forschung, einige Digitalisierungs-, Erschließungs- läuft bereits seit einem Jahr ein zweijähriges Projekt der Univer - und Retrokonversionsprojekte gestartet. Nach Abschluss der sitäten zum Einstieg in die digitale Archivierung mit DIMAG. Maßnahmen können so z. B. württembergische Kabinetts- und Außerdem wurde nun auch die Internationalisierung des Ange - Ministerialbestände aus der Abteilung Hauptstaatsarchiv Stutt - bots vorbereitet – für 2019 ist eine Partnerschaft mit Österreich gart und die Luftbilder der Befliegungen des Landes Baden- und der Schweiz geplant. Württemberg aus dem Jahr 1968 online präsentiert werden. Ein großangelegtes Vorhaben ist zudem die vom Bund finan - Erschließung und Digitalisierung zierte themenorientierte Erschließung von Quellen zur Prove - Um die Erschließung im Landesarchiv stetig zu verbessern, wird nienzforschung in den Staatsarchiven in Freiburg, Ludwigsburg derzeit eine neue Erschließungsstrategie für das Landesarchiv und Sigmaringen. Nachdem bereits 2017 mit der Durchsicht der Baden-Württemberg entwickelt. Zu diesem Zweck fanden im Bestände des Staatsarchivs Ludwigsburg und Recherchen im vergangenen Jahr zwei Workshops statt, in denen strategische Staatsarchiv Freiburg begonnen wurde, startete im Juni 2018 die Weichenstellungen und konkrete Maßnahmen für die nächsten Sichtung einschlägiger Archivbestände im Staatsarchiv Sigma - Jahre diskutiert wurden. ringen. Darüber hinaus sind Nachforschungen auch an den an - Um Erschließungsinformationen leichter recherchierbar zu deren Standorten des Landesarchivs geplant. machen, kommen auch im Landesarchiv Baden-Württemberg seit einigen Jahren sogenannte Normdaten zum Einsatz, also Überlieferungsbildung Identifikationsnummern, die z. B. die eindeutige Zuordnung von Auch 2018 hatte das Landesarchiv zahlreiche bedeutsame Neu - Personen oder Orten ermöglichen. Um diese notwendige Stan - zugänge von Archivgut zu verzeichnen. 1.228 Regalmeter kamen dardisierung übergreifend für alle Kultursparten in Deutschland im vergangenen Jahr hinzu. Exemplarisch zu nennen sind hier voranzutreiben, beteiligt sich das Landesarchiv am Kooperati - die Übergabe der bis ins 19. Jahrhundert zurückreichenden onsprojekt GND4C – GND für Kulturdaten . Ziel des Vorhabens Akten aus der Psychiatrischen Anstalt Winnenden an das Staats - ist die Öffnung der sogenannten Gemeinsamen Normdatei archiv Ludwigsburg, die Aufnahme der Kunstwerke-Datenbank (GND) für nicht-bibliothekarische Einrichtungen wie Museen, des Regierungspräsidiums Tübingen im Staatsarchiv Sigmarin - Denkmalbehörden, wissenschaftliche Institutionen, Mediathe - gen oder die Übernahme von nahezu 330 Regalmeter Schriftgut ken und Archive.

26 Archivnachrichten 58 / 2019 Archiv aktuell GND4C-Logo.

Digitalisierung von Archivgut wurde 2018 nicht nur im Rahmen für das ein erster Probebetrieb in den kommenden Monaten im von Drittmittelprojekten vorangetrieben, sondern auch durch Staatsarchiv Ludwigsburg geplant ist. zahlreiche weitere Digitalisierungsmaßnahmen. Exemplarisch Um die Chancen des digitalen Zeitalters aktiv zu nutzen, be - sollen an dieser Stelle folgende nun fertig digitalisierten Be - schäftigt sich das Landesarchiv seit 2018 verstärkt mit der digita - stände genannt werden: die Kriegsstammrollen des Landwehr- len Transformation und hat begonnen, eine digitale Strategie zu Infanterie-Regiments Nr. 124 (Hauptstaatsarchiv Stuttgart), die erarbeiten. Darüber hinaus ist eine Beteiligung am Aufbau einer Beständegruppe 52 Politische Nachlässe (Generallandesarchiv nationalen Forschungsinfrastruktur (NFDI-Prozess) geplant. Karlsruhe) und die Amtsbücher der Klosterherrschaft Ober - marchtal aus dem 17. und 18. Jahrhundert (Staatsarchiv Sigma - Das Landeskundeportal LEO-BW ringen). Gleich zu Beginn des Jahres konnte mit dem Abschluss des Pro - jekts Südwestdeutsche Archivalienkunde das zweite Themenmo - Bereitstellung für die Nutzung und Online-Angebote dul im vom Landesarchiv betriebenen Landeskundeportal LEO- Ergänzend zum klassischen Besuch im Lesesaal gewann die On - BW etabliert werden. Die neue Präsentationsform wurde von line-Nutzung von Archivgut 2018 weiter an Bedeutung. Die den Nutzerinnen und Nutzern des Online-Angebots gut ange - mittlerweile über 11 Millionen Digitalisate von Archivgut, die nommen, sodass zeitnah mit dem Aufbau eines weiteren The - das Landesarchiv online präsentiert, werden rege genutzt. Fast 73 menmoduls zur Alltagskultur begonnen wurde. Damit ist auch Millionen Zugriffe auf das Online-Angebot konnte das Landes - die Erneuerung der Dateningest-Architektur des Portals verbun - archiv im Berichtsjahr verzeichnen. Davon entfielen knapp 64 den. Millionen Zugriffe auf Findmittelseiten. Kontinuierlich erweitert das Landesarchiv Baden-Württem - berg sein Serviceangebot im Internet. So wurde das Online- Findmittelsystem im vergangenen Jahr für mobile Endgeräte op - timiert und eine neue Präsentation für Findmittel mit Digitalisa - ten entwickelt.

Veranstaltung zur Freischaltung des Themenportals „Südwestdeutsche Archiva - lienkunde“. Aufnahme: LABW.

In Vorbereitung sind seit letztem Jahr zusätzliche, größere Wei - terentwicklungen: Mit dem Projekt Mein LEO-BW sind zukünf - Neue mobile Version des Online-Findmittelsystems. Vorlage: LABW. tig alle Nutzerinnen und Nutzer eingeladen, interaktiv am Portal mitzuarbeiten und ihre eigenen Kommentare beizusteuern. Eine Darüber hinaus war das Landesarchiv als Piloteinrichtung und App wird darüber hinaus die Möglichkeit bieten, selbst Inhalte Partner des Innen- und Finanzministeriums an der Einführung hochzuladen. einer landesweiten Online-Bezahlplattform beteiligt. 2018 wurde Zudem konnte LEO-BW im vergangenen Jahr mit mehr als 1,1 diese im Staatsarchiv Freiburg erprobt. Ab 2019 wird sie dann in Millionen Nutzerinnen und Nutzern einen neuen Rekord auf - allen Standorten des Landesarchivs eingesetzt. stellen. Weiterhin wurde der Aufbau eines Online-Bestell- und Liefer - systems für Digitalisate mit Digitization on Demand vorbereitet,

Archiv aktuell Archivnachrichten 58 / 2019 27 Bestandserhaltung Zum 19. Mal fand zudem die Karlsruher Tagung für Archivpäd - Zu Beginn des Jahres wurde im Landesarchiv die intern entwik - agogik zum Thema 1918 – Demokratischer Aufbruch? Die Wei - kelte webbasierte digitale Restaurierungsdokumentation in Be - marer Republik in Archiv und Schule statt. Im Rahmen der Veran - trieb genommen, die seit ihrer Einführung schon intensiv ge - staltung wurden Quellen zur Orts- und Regionalgeschichte prä - nutzt wird. Die gut besuchte Jahresfortbildung des Instituts für sentiert und pädagogische Konzepte und Ideen zur historischen Erhaltung von Archiv- und Bibliotheksgut (IfE) im Rahmen des Bildung diskutiert. Ziel war es, Impulse für eine Spurensuche Landesrestaurierungsprogramms beschäftigte sich diesmal mit und Auseinandersetzung der Schülerinnen und Schüler mit der dem Thema Einsatz von Klebstoffen bei Restaurierungsmaßnah - ersten deutschen Demokratie zu geben. men . Ein wichtiger Arbeitsschwerpunkt in der Bestandserhal - tung ist die Sicherungsverfilmung. Hier konnten insgesamt rund Das Landesarchiv als Arbeitgeber und Ausbildungsstätte 220 laufende Meter Archivgut auf Mikrofilme langzeitgesichert Das Thema der Vereinbarkeit von Familie und Beruf nahm 2018 werden, die dann im Zentralen Bergungsort der Bundesrepublik einen großen Stellenwert ein. So wurde damit begonnen, die Deutschland (Barbarastollen) in Oberried eingelagert werden. Dienstvereinbarungen für Telearbeit und betriebliche Eingliede - rungsmaßnahmen zu optimieren und ein Pilotprojekt zur Reser - Kommunikation und Bildung vierung von Kita-Plätzen für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Das Landesarchiv Baden-Württemberg widmet sich seit letztem am Standort Stuttgart gestartet. Im Rahmen einer Klausurta - Jahr verstärkt der Öffentlichkeitsarbeit. Hierfür wurden beim gung der Führungskräfte im Herbst 2018 wurde erörtert, wie Präsidenten eine eigene Stelle für Kommunikation, Presse und man die vorhandenen Arbeitsmodelle, insbesondere das Arbeits - Marketing geschaffen und eine neue Arbeitsgruppe Kommunika - zeitmodell, flexibilisieren kann. tion und Bildung ins Leben gerufen, die 2019 das erste Mal tagen Die bedarfsgerechte Ausbildung in allen Laufbahnen des Ar - wird. Der Arbeitskreis möchte zur Ausweitung der kommunika - chivdienstes wurde ebenfalls erfolgreich fortgesetzt. Acht Absol - tiven Maßnahmen des Landesarchivs beitragen und neue For - ventinnen und Absolventen des gehobenen Dienstes haben ihre men der Öffentlichkeitsarbeit, Ausstellungsgestaltung und Ver - Ausbildung am 25. September 2018 erfolgreich beendet. Im hö - mittlung entwickeln. heren Dienst haben ebenfalls acht Absolventinnen und Absol - Um vermehrt über aktuelle Neuigkeiten zu informieren, wur - venten des 51. Lehrgangs die Ausbildung am 30. April 2018 er - den gleich im Frühjahr ein Twitter- und ein Instagram-Kanal ins folgreich beendet. Zum 1. Mai 2018 hat der 53. wissenschaftliche Leben gerufen. Darüber hinaus begannen die Vorarbeiten für Lehrgang mit acht Teilnehmerinnen und Teilnehmern das Refe - einen Webseiten-Relaunch, der 2019 umgesetzt werden soll. rendariat im Landesarchiv Baden-Württemberg angetreten. Basis dafür wird ein neues Corporate Design sein, welches eben - falls seit 2018 vorbereitet und entwickelt wird. Dank des Präsidenten Prof. Dr. Gerald Maier Allen Partnern des Landesarchivs aus Verwaltung, Justiz, Kultur und Wissenschaft sei an dieser Stelle für die erfolgreiche und angenehme Zusammenarbeit im vergangenen Jahr gedankt. Ein großer Dank gebührt allen Mitarbeiterinnen und Mitarbei - tern im Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg, die sich für das Landesarchiv einsetzen. Herzlich gedankt sei aber besonders allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Landesarchivs für ihre hervorragende Arbeit und den engagierten Einsatz!

Prof. Dr. Gerald Maier. Aufnahme: LABW, HStAS, Filmdreh zum Thema Heimerziehung. Aufnahme: LABW. Marcella Müller.

28 Archivnachrichten 58 / 2019 Archiv aktuell Statistik

Das Landesarchiv in Zahlen

Das Wesentliche auf einen Blick (Stand zum 31.12.2018) Gesamtumfang des Archivguts (in Metern) 156.066 Urkunden (Stück) 316.094 Karten, Pläne (Stück) 361.968 Bilder (Stück) 2.056.964 Digitales und digitalisiertes Archivgut (in Terabyte) 45,79 Auslastung der Magazine (in %) 93,1% Kreisarchivarin Claudia Wieland beim Gespräch Zu betreuende Registraturen 2.742 mit den Bürgermeistern der beteiligten Kommunen Erschlossenes Archivgut (Anteil des Gesamtumfangs) 88,5% (von links nach rechts Thomas Schreglmann, Heinz Hofmann, Wolfgang Stein, Ottmar Dürr, Joachim In Online-Findmitteln nachgewiesenes Archivgut (Anteil des Gesamtumfangs) 59,1% Döffinger) anlässlich der Einweihung der Magazin - Digitalisate von Archivgut im Internet 11.190.596 erweiterung in Wertheim. Aufnahme: Gerd Brander. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter 304

Unsere Leistungen im Jahr 2018 Nutzungen (Nutzertage) 9.988 Vorgelegte Archivalien 77.384 Abgegebene Reproduktionen 352.954 Schriftliche Ausku n̈ fte 11.117 Online-Zugriffe auf Informationsangebote (in Mio.) 72,7 davon Zugriffe auf Findmittelseiten (in Mio.) 63,9 Neu hinzugekommenes Archivgut (in Metern) 1.228 Fachgerecht verpackte Archivalien (in Metern) 2.461 Die Praline zum 150-jährigen Jubiläum des Staats - Erschlossenes Archivgut (in Metern) 3.390 archivs Ludwigsburg mit dem Abbild von Eduard Restauriertes Archivgut (Anzahl Archivalieneinheiten) 3.211 von Seckendorff. Aufnahme: Inga Häussermann. Verfilmtes Archivgut (in Metern) 219,4 Ausstellungen und Präsentationen 19 Besucherinnen und Besucher bei Ausstellungen und Präsentationen 51.758 Fu ḧ rungen 678 Gefu ḧ rte Personen 18.650 davon Schu l̈ erinnen und Schu l̈ er 3.132

Grundbuchzentralarchiv Gesamtumfang der Unterlagen zum 31.12.2018 (in Metern) 161.790 Neu hinzugekommene Unterlagen im Jahr 2018 (in Metern) 5.597,0 Fachgerecht verpackte Unterlagen (Anteil des Gesamtumfangs) 88,6% Erfasste Unterlagen (Umfang in Metern) 150.266 Erfasste Unterlagen (Anteil des Gesamtbestands) 92% Landtagspräsidentin Muhterem Aras und Dr. Peter Anzahl der bereitgestellten Einheiten fu r̈ die amtliche Nutzung 214.314 Exner, der Kurator der Ausstellung „Demokratie wagen?“. Aufnahme: LABW.

Archiv aktuell Archivnachrichten 58 / 2019 29 Höhepunkte an unseren Standorten

Restauratoren aus dem Nordirak bei einem Work - shop im IfE. Aufnahme: LABW.

Internationale Besuche Die Präsidentin des Landtags von Baden-Württem - berg, Muhterem Aras MdL, spricht bei der Eröff - Auch in diesem Jahr konnte das Landes - nung der Ausstellung „Demokratie wagen? Baden archiv wieder zahlreiche internationale 1818–1919“. Aufnahme: LABW. Gäste begrüßen. Besonders weit ange - reist waren eine kurdische Delegation Bau und Unterhaltung des Schulhauses in Teger - Prominente Gäste bei der Ausstellung aus dem Nordirak und eine chinesische nau, 1765–1863. Vorlage: LABW, StAF B 740/1 Demokratie wagen? im Generallandes - Expertengruppe von der renommierten Nr. 1968. archiv Karlsruhe Fudan-Universität in Shanghai, die sich Mit der Ausstellung Demokratie wagen? im Institut für Erhaltung von Archiv- Umfassender Bestand der südbadischen Baden 1818–1919 konnte sich das Gene - und Bibliotheksgut (IfE) in Ludwigsburg Bezirksämter im Staatsarchiv Freiburg rallandesarchiv Karlsruhe 2018, im Jahr über die neuesten Restaurierungstechni - erschlossen der Jubiläen der Badischen Verfassung ken informierten. Ein gewaltiges Erschließungsprojekt und der Revolution 1918 in Baden, er - konnte im Januar 2018 im Staatsarchiv folgreich als Ort der historisch-politi - Freiburg abgeschlossen werden: Zu schen Bildungsarbeit weiter profilieren. sämtlichen Beständen der südbadischen Die Ausstellung wurde insbesondere Bezirks- bzw. Landratsämter wurden seit durch die Besuche der Präsidentin des 2004 insgesamt 44 Online-Findbücher Landtages von Baden-Württemberg, erstellt – jetzt sind diese für die regionale Muhterem Aras, bei ihrer Eröffnung Geschichtsforschung wichtigen Quellen sowie des Präsidenten des Deutschen über das Netz zugänglich. Die Bestände Bundestages, Dr. Wolfgang Schäuble, bei haben einen Umfang von über 1.500 lau - ihrer Finissage gewürdigt. fenden Metern und wurden im Rahmen der Arbeiten auch archivgerecht ver - Erste Nutzer im Grundbuchzentralarchiv. Auf - packt. nahme: LABW.

Letzte Handgriffe im Grundbuch- zentralarchiv Die riesige Menge von 161,91 km an Grundbuchunterlagen aus ganz Baden- Württemberg wurden in den vergange - nen sieben Jahren im Grundbuchzentral - archiv in Kornwestheim erfasst, magazi - niert und nutzbar gemacht. Das sind neben sämtlichen jemals im Land in Pa - pierform entstandenen Grundbüchern und Grundakten auch historische Unter - lagen aus der Zeit vor der Einführung der Grundbuchordnung im Jahre 1900. 2018 wurden die Arbeiten abgeschlossen, sodass mittlerweile bereits erste Nutze - rinnen und Nutzer in Empfang genom - men werden konnten.

30 Archivnachrichten 58 / 2019 Archiv aktuell Stefan Aust als Festredner bei der Jubiläumsveran - staltung. Aufnahme: Inga Häussermann.

Das Staatsarchiv Ludwigsburg feiert 150-jähriges Jubiläum Das Staatsarchiv Ludwigsburg feierte 2018 sein 150-jähriges Bestehen mit einem Festakt. Die Festrede hielt der frü - here Chefredakteur von Der Spiegel und Andreas Schüle vom Ministerium für Wissenschaft, Die Welt , Stefan Aust, der die Bedeutung Forschung und Kunst Baden-Württemberg bei der Ausstellungseröffnung. Aufnahme: LABW. des Staatsarchivs als Ort der Recherche und Wahrheitsfindung betonte. Einge - Ausstellung zu Herzog Wilhelm von rahmt wurde die Veranstaltung von einer Urach – eine der faszinierendsten Per - Jubiläumsausstellung über den Nachlass sönlichkeiten der württembergischen des ersten Ludwigsburger Archivdirek - Geschichte – im Hauptstaatsarchiv tors Eduard von Seckendorff, realisiert Stuttgart von den Kalligraphen Sigrid Artmann Das 175-jährige Jubiläum des Württem - (Ludwigsburg) und Patrick Leung bergischen Geschichts- und Altertums - (Hongkong). Die Waldschützin Dietmann, Neufra, Juli 1975. vereins bot den Anlass zur Ausstellung Vorlage: LABW, StAS Dep. 44 T 3 Nr. 659. Romantiker auf dem Lichtenstein. Lebens - welten Herzog Wilhelms von Urach Fotografien von Botho Walldorf zum (1810–1869) , die den bislang kaum er - Alltag auf der Alb im Staatsarchiv Sig - forschten Gründungsvorsitzenden erst - maringen mals ins Blickfeld rückte. Wertvolle Ex - Bemerkenswerte Fotografien zum Alltag ponate beleuchteten die Person und Fa - auf der Schwäbischen Alb in den 1960er milie Wilhelms, zeichneten seine militä - und 1970er Jahren waren ab Juli 2018 in rische Karriere nach und verankerten einer Ausstellung im Staatsarchiv Sigma - ihn im Hochadel des 19. Jahrhunderts. ringen zu sehen. Im Laufe von 45 Jahren Besonderes Augenmerk galt seinen

Percussion-Künstler Thomas Hupp beim Spiel auf hat der Hobbyfotograf Botho Walldorf künstlerischen und wissenschaftlichen Archivboxen und zweckentfremdeten Ordnern bei in Zehntausenden von Aufnahmen die Aktivitäten und dem Bau von Schloss der Magazineinweihung. Aufnahme: Gerd Brander. Entwicklung des Eisenbahnwesens und Lichtenstein. die Alltagsgeschichte im Raum Gammer - Trilogie im Staatsarchiv Wertheim: tingen festgehalten und damit eine visu - 40 Jahre Staatsarchiv Wertheim – elle Dokumentation geschaffen, die im 30 Jahre Archivverbund Main-Tauber – süddeutschen Raum ihresgleichen sucht. Einweihung Magazinerweiterung Es ist ein Glücksfall, dass Botho Wall - Im März 2018 war die Freude in Wert - dorf seine Fotografien sowie weitere heim groß, bestand doch ein dreifacher schriftliche und audiovisuelle Samm - Anlass zum Feiern: das Staatsarchiv lungsunterlagen seit 1987 im Staatsar - Wertheim feierte sein 40-jähriges Beste - chiv hinterlegt hat. Die Ausstellung, von hen, der Archivverbund Main-Tauber Master-Studierenden des Instituts für seine Gründung vor 30 Jahren und die Medienwissenschaft der Universität Tü - lange benötigte Magazinerweiterung bingen konzipiert, zeigte eine kleine re - konnte ihrer Bestimmung übergeben präsentative Auswahl seiner Bilder. werden. Für den Festakt kamen die am Archivverbund beteiligten Partner, poli - tische Entscheidungsträger sowie frühere Weggefährten zusammen.

Archiv aktuell Archivnachrichten 58 / 2019 31 – Archivnutzer im Wandel. Vorträge des 77. Südwestdeutschen Archivtags am 22. und 23. Juni 2017 in Bretten. – Die Ehrenmitglieder der Staatstheater Stuttgart 1912–2018. Theatergeschichte in Porträts. Ausstellungs-, Veranstaltungs- und – Alltag auf der Alb. Fotografien von Botho Walldorf. Katalog Publikationsverzeichnis zur Ausstellung im Staatsarchiv Sigmaringen und Schönbuch- museum Dettenhausen. Veranstaltungen und Ausstellungen (in Auswahl) – Evaluierung von Bewertungsdokumenten. Beiträge zur – Einweihung des neuen Magazins des Staatsarchivs Wertheim archivischen Überlieferungsbildung. (21. März 2018). – Aufarbeiten im Archiv. Beiträge zur Heimerziehung in der – Demokratie wagen? Baden 1818–1919, Generallandesarchiv baden-württembergischen Nachkriegszeit. Karlsruhe, Regierungspräsidium Freiburg und Museum im – Olympische Spiele: Architektur und Gestaltung. Berlin – Ritterhaus Offenburg (ab 10. April 2018). München – Stuttgart. Begleitbuch zur Ausstellung. – Sigrid Artmann | Patrick Leung – Erinnerungen werden – Deutsch-französische Besatzungsbeziehungen im 20. Jahr- Raum, Staatsarchiv Ludwigsburg (16. Mai bis 6. November hundert. 2018). Archivnachrichten - Christian Großbayer 1718–1782 Baumeister aus Haigerloch, – Nr. 56: Von der Monarchie zur Republik. Kunstmuseum Schüz Haigerloch (17. Mai bis 15. Juli 2018). – Nr. 57: 1618–1648: Krieg. Leid. Verwüstung. – Alltag auf der Alb. Fotografien von Botho Walldorf, Staats- archiv Sigmaringen (26. Juli bis 5. Oktober 2018). Laufende Drittmittelprojekte im Jahr 2018 – Romantiker auf dem Lichtenstein. Lebenswelten Herzog (siehe https://www.landesarchiv-bw.de/web/49153) Wilhelms von Urach (1810–1869), Hauptstaatsarchiv Stuttgart – Aufbau eines Themenmoduls Alltagskultur in Verbindung (8. Juni bis 12. Oktober 2018). mit der Erneuerung der Dateningest-Architektur für das landes - – Abschlusstagung des Projekts Heimerziehung in Baden-Würt - kundliche Portal LEO-BW (Förderlinie digital@bw des Landes/ temberg 1949–75 (17. Oktober 2018). MWK) – Festakt zum 150. Jubiläum des Staatsarchivs Ludwigsburg – Digitalisierung von Ministerialbeständen aus der Abteilung (6. November 2018). Hauptstaatsarchiv Stuttgart (DFG) – mit brieff und sigel. Formen der Schriftlichkeit im Mittelalter, – Themenorientierte Erschließung von Quellen zur Provenienz - Generallandesarchiv Karlsruhe (14. November 2018 bis 1. März forschung im Staatsarchiv Freiburg, Staatsarchiv Ludwigsburg 2019). und Staatsarchiv Sigmaringen (Deutsches Zentrum für Kultur - – Olympische Spiele: Architektur und Gestaltung. Berlin – gutverluste) München – Stuttgart, Hauptstaatsarchiv Stuttgart (15. Novem - – Aufbau einer Infrastruktur zur Implementierung sachthema- ber 2018 bis 30. März 2019). tischer Zugänge im Archivportal-D am Beispiel des Themen - – Ein Leben für Recht und Republik. Ludwig Marum 1882– komplexes Weimarer Republik (DFG) 1934, Gedenkstätte Deutscher Widerstand (15. November 2018 – GND4C – GND für Kulturdaten (DFG) bis 10. Januar 2019). – Digitalisierung und Georeferenzierung der 1968 durchgeführ - – Menschen im Krieg 1914–1918 am Oberrhein / Vivre en ten Luftbildbefliegung des Landes Baden-Württemberg (zusam - temps de guerre des deux côtés du Rhin 1914–1918, Institut men mit LGL, Förderung: BMBF) Français Algier, Algerien (18. November bis 20. Dezember 2018) – Mitmach-Projekt zur Verortung historischer Karten und Luft - und Vertretung des Landes Baden-Württemberg bei der EU in bilder (ohne Drittmittelförderung) Brüssel (7. bis 30. November 2018). – Entsäuerung und Verpackung gefährdeter Archivbestände zur – Fließende Räume. Karten des Donauraums 1650–1800, Eger, Geschichte Badens im 19. und 20. Jahrhundert (BKM-Sonder - Budapest, Pecs und Györ, Ungarn (ab 6. April 2018). programm 2018) – Der Wunschlose. Prinz Max von Baden und seine Welt, Ver - – Drei Projekte Retrokonversion von Findmitteln des Landes- tretung des Landes Baden-Württemberg in Berlin (25. April bis archivs Baden–Württemberg (DFG) 9. Mai 2018) – Heimerziehung 1949–1975 (Ministerium für Soziales und Integration Baden-Württemberg) Publikationen des Landesarchivs – Digitalisierung und Online-Stellung von Überlieferungen der – Archive heute – Vergangenheit für die Zukunft. Archivgut – Südbadischen Landeskommissäre im Staatsarchiv Freiburg Kulturerbe – Wissenschaft. (Stiftung Kulturgut BW) – Demokratie wagen? Baden 1818–1919. Katalog zur Ausstel - – Erschließung des Familienarchivs Westphal als Teil des Ober - lung. rheinischen Adelsarchivs im Staatsarchiv Freiburg (Stiftung – Romantiker auf dem Lichtenstein. Lebenswelten Herzog Kulturgut BW) Wilhelms von Urach (1810–1869). Begleitbuch zur Ausstellung. Nadine Seidu

32 Archivnachrichten 58 / 2019 Archiv aktuell Ein Abschluss… und doch kein Ende

Die Abschlussveranstaltung des Projekts tungsstelle, mit der das Landesarchiv eng machen durfte. […] Es hat keine drei Wo - Heimerziehung in Baden-Württemberg zusammengearbeitet hat. chen gedauert, bis ich eine weitere Nach - 1949–1975 am 17. Oktober 2018 war im Nicht beendet sind hingegen die Wan - richt bekommen habe, dass Teile der FEH- besten archivarischen Sinne janusköpfig: derausstellung und ebenso die Recherche Akte (Freiwillige Erziehungshilfe) in Rückblickend konnten die bisherigen Er - für ehemalige Heimkinder. Denn das einem Kreisarchiv gefunden worden gebnisse des bereits 2012 begonnenen Projekt Heimerziehung geht in eine waren. Es hat dann zwar noch zwei wei - Projekts diskutiert werden. Zugleich zweite Runde: Gefördert von der Baden- tere quälende Wochen gedauert […]. Aber wurde bereits das Nachfolgeprojekt an - Württemberg-Stiftung wird ab diesem die Akte war existent. Meine Erinnerun - gekündigt. Jahr weiter geforscht und recherchiert gen hatten eine reale Basis. Sechseinhalb Jahre lang hat das Pro - und zwar für Menschen, die zwischen Der Aufarbeitungsprozess ist tatsäch - jektteam des Landesarchivs Baden- 1949 und 1975 in Heimen der Behinder - lich in vielerlei Hinsicht nicht beendet, Württemberg ehemalige Heimkinder auf tenhilfe oder Psychiatrien untergebracht wie wir in zahlreichen Gesprächen mit der Suche nach Dokumenten unter - waren. Sie haben ganz ähnliche Erfah - ehemaligen Heimkindern erfahren. Und stützt. Die dabei gewonnenen Erkennt - rungen gemacht wie diejenigen ehemali - so bewegt sich das kommende Projekt nisse wurden nun, systematisch darge - gen Heimkinder, die den Fonds Heimer - weiter zwischen zwei Polen der Aufarbei - stellt und wissenschaftlich ausgewertet, ziehung erkämpft haben. Dennoch tung: Das ist zum einen die wissen - in einer Abschlusspublikation zusam - können sie erst jetzt Anträge auf Aner - schaftliche, historische Aufarbeitung in mengefasst und auf der Veranstaltung kennung und finanzielle Ausgleichszah - Form von Ausstellungen, Tagungen und vorgestellt. Auch die bereits früher veröf - lungen stellen. Nun beginnen beim Lan - Publikationen und zum anderen die in - fentlichte Heimliste und das Inventar desarchiv die Recherchen nach Unterla - dividuelle, biografische Aufarbeitung – einschlägiger Bestände im Landesarchiv gen für diesen Personenkreis, um auch also die Recherchen für Betroffene. Sie zählen zu den präsentierten Ergebnissen. für diese Menschen erfolgreich Doku - und ihre Bedürfnisse nach Aufarbeitung Manne Lucha, Minister für Soziales und mente zu ermitteln. Die in den letzten stehen erneut im Zentrum des Projekts. Integration Baden-Württemberg, ent - Jahren gewonnenen Erfahrungen werden Die Ergebnisse der Forschung werden schuldigte sich auf der Veranstaltung im dabei sehr weiterhelfen: wieder der Öffentlichkeit zugänglich ge - Namen der Landesregierung bei den Der Kontakt zu den Mitarbeiterinnen macht. ehemaligen Heimkindern. Beendet ist des Landesarchivs gehörte zu den positiv - auch die Arbeit der Anlauf- und Bera - sten Erfahrungen, die ich in vielen Jahren Nora Wohlfarth

Sozialminister Manne Lucha entschuldigte sich im Rahmen der Abschlusstagung bei ehemaligen Heim - kindern. Aufnahme: LABW, Nadine Seidu.

Das Zitat im Text von Andreas Blume stammt aus der Publikation (dort S. 65): Aufarbeiten im Archiv. Beiträge zur Heim - erziehung in der baden-württembergi - schen Nachkriegszeit. Hg. von Christian Keitel, Nastasja Pilz und Nora Wohlfarth. Stuttgart 2018.

Archiv aktuell Archivnachrichten 58 / 2019 33 „Archiv-to-go” Online-Findmittelsystem des Landesarchivs ist für mobile Endgeräte optimiert

Die Entwicklung verläuft mit rasanter sen Service hinsichtlich von Recherche essante Themen wie z. B. V on der Monar - Geschwindigkeit: Internetangebote wer - und Bestellung bieten. chie zur Republik 1918–23 oder Heimer - den immer häufiger mobil genutzt, statt Was genau zeichnet die Mobilversion ziehung in Baden-Württemberg . stationärer Geräte kommen Smartpho - des Online-Findmittelsystems aus? Zu - Abschließend sei ergänzt, dass sich die nes, Tablets oder ultrakompakte Note - nächst enthält sie nahezu alle Funktiona - Bereitstellung der Mobilversion des On - books zum Einsatz. Ob daheim oder un - litäten der Desktopversion. Dennoch ist line-Findmittelsystems bereits in zählba - terwegs, sie sind stets griffbereit und er - sie etwas einfacher aufgebaut und gestal - ren Erfolgen niedergeschlagen hat. So ist möglichen an nahezu jedem Ort eine tet. Die Informationen und Optionen nicht nur die Zahl der mobilen Nutzun - spontane Recherche. Nun stellen aber konzentrieren sich auf das Wesentliche. gen des Angebots angestiegen, sondern eben diese mobilen Endgeräte mit ihren Deshalb ist sie für Nutzerinnen und Nut - infolge der erhöhten Attraktivität für klein(er)en Bildschirmgrößen und auf zer ohne archivische Vorkenntnisse viel - Suchmaschinen finden nun deutlich Berührungs- und Gestensteuerung basie - leicht sogar leichter zu bedienen und zu mehr Nutzerinnen und Nutzer über renden Bedienkonzepten deutlich anders verstehen als die herkömmliche Version. Google & Co. den Weg zu den jeweils re - geartete Anforderungen an die Gestal - Vereinfacht werden auch Bestellungen levanten Informationen im Internetan - tung und Nutzbarkeit von Websites und von unterwegs. Sogar im Lesesaal kann gebot des Landesarchivs. Probieren Sie es Informationssystemen. Die Suchmaschi - diese technische Neuerung eine Erleich - aus – wir freuen uns auf Ihr Feedback! nenanbieter – allen voran Google – terung bringen. Man kann nun recher - haben längst auf das veränderte Medien - chieren und bestellen, ohne den Arbeits - Daniel Fähle nutzungsverhalten reagiert und ihrerseits platz zu verlassen, selbst wenn man kein Thomas Fricke die Devise Mobile First ausgegeben. Das Notebook dabei hat. Auch wenn der Le - bedeutet letztlich, mobil optimierte An - sesaal-PC einmal belegt ist, gibt es eine gebote werden bevorzugt erfasst und Ausweichmöglichkeit. Ein ganz zentraler Mobilversion des Online-Findmittelsystems des prominenter in den Trefferlisten ange - Vorteil der Mobilversion liegt natürlich Landesarchivs Baden-Württemberg. Aufnahme: LABW, Zentrale Dienste. zeigt. Klar, dass auch das Landesarchiv darin, dass die zahlreichen historischen vor dem Hintergrund dieser Entwick - Dokumente und Fotos, die das Landes - lungen den Handlungsbedarf erkannte archiv als Reproduktionen online zur und eine Optimierung des hauseigenen Verfügung stellt, nun ebenfalls bequem Online-Findmittelsystems für Mobilge - von unterwegs angesehen, gelesen und räte in Angriff nahm. Mit der nun fertig - heruntergeladen werden können. Übri - gestellten Mobilversion gehört das Lan - gens sind auch die Quellensammlungen desarchiv Baden-Württemberg zu den des Landesarchivs jetzt für Mobilgeräte ersten Archiven in Deutschland, die die - optimiert. Da gibt es wichtige und inter -

34 Archivnachrichten 58 / 2019 Archiv aktuell Hinter den Kulissen Restaurierung im Landesarchiv mit neuem Software-Equipment

Das Landesarchiv Baden-Württemberg nen erstellt, welche das bisherige wind - rekt am Arbeitsplatz in der Werkstatt an, verfügt nicht nur über mehrere Archiv - owsbasierte Datenbankprogramm von wodurch sämtliche Informationen über abteilungen, sondern auch über eine 1997 ersetzt. Nun kann sogar die Kom - die Objekte und die Restaurierung vor zentrale Restaurierungswerkstatt mit munikation mit den Auftraggebern, also Ort in die Dokumentation einfließen. zahlreichen Mitarbeiterinnen und Mitar - denjenigen, die dem Institut Objekte aus Während Vor- und Nachzustandsfotos beitern. Diese Werkstatt bildet einen Teil ihrem Bestand zur Restaurierung über - standardmäßig im hauseigenen Fotostu - des Instituts für Erhaltung von Archiv- geben, über das Internet abgewickelt dio aufgenommen werden, kann der Re - und Bibliotheksgut in Ludwigsburg. Hier werden. Das Institut erhält nicht nur staurator diese durch weitere Bilder und werden historische Objekte unterschied - Aufträge von den Archivabteilungen des Skizzen ergänzen, die direkt während der lichster Art, z. B. Karten, Bände, Akten Landesarchivs, sondern auch von zahl - Restaurierung unter Verwendung des oder Urkunden, und unterschiedlichster reichen anderen Institutionen, die dem mobilen PCs entstehen. Herkunft mit größter Sorgfalt in arbeits - Landesrestaurierungsprogramm ange - Sämtliche Arbeitsprozesse von der An - teiligen Prozessen restauriert. Die histo - schlossen sind, so z. B. von den großen meldung zu restaurierender Objekte bis rische Substanz der Objekte muss hierbei Bibliotheken in Baden-Württemberg zu deren Rücklieferung werden von der so weit wie möglich konserviert und ge - und den Universitätsarchiven. Software unterstützt. So werden unter sichert werden, damit die Authentizität Es besteht die Möglichkeit, im Online- anderem Transportscheine generiert der Objekte erhalten bleibt. Ziel ist es au - Findmittelsystem direkt beim Objekt zu oder die beteiligten Institutionen vor ßerdem, die Objekte soweit wiederher - den Restaurierungsdokumentationen zu dem Versand von Objekten durch auto - zustellen, dass sie benutzt oder auch di - verlinken. Die Datenbanken der Restau - matisch verschickte E-Mails informiert. gitalisiert werden können. rierungsdokumentation und des Online- Ob ein Objekt beispielsweise aktuell in Zur Arbeit des Restaurators gehört aber Findmittelsystems sind über archivische Bearbeitung ist und wo und bei welchem nicht nur die praktische handwerkliche Identifikatoren miteinander verbunden. Bearbeiter es sich befindet, ist nun für Tätigkeit, sondern auch das genaue Do - Auf diese Weise ist es den Archivarinnen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter je - kumentieren der an den Objekten vorge - und Archivaren und den interessierten derzeit und überall bequem einsehbar, nommenen Änderungen bzw. der Zu - Nutzerinnen und Nutzern möglich, wodurch die Arbeitsorganisation im In - stände der Objekte vor und nach der Re - neben den Bildern der restaurierten Ob - stitut erleichtert wird. staurierung in Wort und Bild. So ist spä - jekte ausführliche Beschreibungen zur ter noch rekonstruierbar, was ergänzt Materialsubstanz, den Herstellungstech - Thomas Fricke wurde und welche Teile original sind. niken sowie angewandter Restaurie - Svenja Heidenreich Um diese Dokumentation und die Ar - rungsmethoden einzusehen und vom beitsorganisation im Institut zu erleich - Fachwissen des Restaurators zu profitie - tern, wurde vom Landesarchiv in Eigen - ren. Internetanwendung auf mobilem Gerät. Auf dem Bildschirm: Angaben zu Objektidentifikation, Her - leistung eine ganz neue webbasierte Soft - Der Restaurator fertigt die Dokumen - kunft, Bearbeitungsvorgaben und Dokumentations - ware mit vielen komfortablen Funktio - tation auf mobilen Detachable PCs di - fotos. Aufnahme: LABW, IfE.

Archiv aktuell Archivnachrichten 58 / 2019 35 Vor 750 Jahren – Das Ende der Staufer Bernhard Prinz von Baden im Hauptstaatsarchiv Stuttgart

Konradin von Staufen (1252–1268), ten Universitäten und Archive ein, um Enkel Kaiser Friedrichs II. und Sohn die Urkunden zu präsentieren. Professor Konrads IV., zog im September 1267 mit Hansmartin Schwarzmaier stellte dabei zahlreichen Verbündeten über die Alpen, seine aktuellen Forschungsergebnisse zu um seine Herrschaftsansprüche aus dem den beiden unscheinbaren Testamenten väterlichen Erbe in Nord- und Süditalien vor, die anschließend im Kontext ihrer geltend zu machen. Auf der Palatini - luziden Entstehung und Überlieferung schen Ebene unweit von Tagliacozzo diskutiert wurden. Gleichzeitig wurde kam es am 23. August 1268 zur Entschei - damit an den markanten Einschnitt in dungsschlacht mit dem Heer von Karl der deutschen Geschichte erinnert, der von Anjou, dem Bruder des französi - mit dem Tod Konradins und dem Ende schen Königs, der als Parteigänger des der Staufer einherging. Papstes von diesem mit dem Königreich Erstaunlicherweise hat sich die Erinne - Sizilien belehnt worden war und die rung an das Todesjahr Konradins aus staufische Macht ein für alle Mal been - Anlass seiner 750. Wiederkehr in der den wollte. Die militärische Auseinan - deutschen Öffentlichkeit kaum bemerk - dersetzung endete mit der Niederlage bar gemacht: Weder wissenschaftliche Konradins. Zwar gelang ihm zusammen Tagungen noch Ausstellungen oder Prä - mit einigen Getreuen zunächst die sentationen thematisierten 2018 das Flucht, doch fielen sie alsbald Karl von Ende der staufischen Herrschaft, was Prof. Hansmartin Schwarzmaier und Bernhard Anjou in die Hände, der sie in Neapel einen deutlichen Kontrast zur Erinne - Prinz von Baden bei der Vorstellung der Testamente von Konradin von Hohenstaufen und Friedrich von festsetzte. In einem Hochverratsprozess, rungskultur des 19. und frühen 20. Jahr - Baden-Österreich vom 29. Oktober 1268. dessen Ausgang von vornherein fest - hunderts erkennen lässt. Angeregt durch Aufnahme: LABW, HStAS. stand, erging das Todesurteil. Bernhard Prinz von Baden fand aller - Am 29. Oktober 1268 wurde Konradin dings am 29. Oktober 2018, dem Todes - von Hohenstaufen auf dem Marktplatz tag, eine Tagung an der Universität Nea - von Neapel hingerichtet; mit ihm sein pel statt, die sich mit Konradin von Ho - Freund Friedrich von Baden-Österreich henstaufen und seinem historischen und weitere Ritter schwäbischer Her - Umfeld beschäftigte. Italienische und kunft. Dieses gewaltsame Ende des letz - deutsche Experten stellten dabei den in - ten Staufers bedeutete gleichzeitig das ternationalen Forschungsstand zum po - Ende der Stauferherrschaft im Reich. litischen Umfeld, zum Tod und dem an - Angeregt von der Neuentdeckung schließenden Mythos um Konradin vor. zweier Testamente, die Konradin und Eine zweisprachige italienisch-deutsche Literaturhinweis: Friedrich am Tag ihrer Hinrichtung hin - Publikation der Vorträge ist in Vorberei - Hansmartin Schwarzmaier: Realität und terlassen haben, besuchte Bernhard tung und wird sicher über den deutschen Mythos. Ein rätselhaftes Dokument aus Prinz von Baden im September 2018 das Südwesten hinaus großes Interesse fin - den letzten Stunden König Konradins und Hauptstaatsarchiv Stuttgart, um diese den. seines Freundes Friedrich von Baden- Willensbekundungen im Original zu Österreich. In: Zeitschrift für Württember - sehen. Dazu fand sich eine kleine Exper - Nicole Bickhoff gische Landesgeschichte 77 (2018), S. 63– tenrunde aus Vertretern der benachbar - Peter Rückert 84.

36 Archivnachrichten 58 / 2019 Archiv aktuell Erfolgreiche Ausbildung im gehobenen Archivdienst Zum Abschluss des 54. Lehrgangs der Anwärterinnen und Anwärter

Das Landesarchiv Baden-Württemberg Die Auszubildenden haben den dreijäh - Ausbildungsstellen für ihre Arbeit. Pro - bildet in regelmäßigem Turnus Archiva - rigen Vorbereitungsdienst seit Oktober fessor Dr. Gerald Sander von der Hoch - rinnen und Archivare sowohl für den ge - 2015 am Hauptstaatsarchiv Stuttgart, an schule Ludwigsburg schloss sich den hobenen als auch für den höheren Ar - der Hochschule für öffentliche Verwal - Glückwünschen und dem Dank an. chivdienst aus. Als zentrales Ausbil - tung und Finanzen Ludwigsburg, an der Für die berufliche Zukunft sind die dungsarchiv fungiert das Hauptstaatsar - Archivschule Marburg – Hochschule für frischgebackenen Archivarinnen und Ar - chiv Stuttgart, das die praktischen Archivwissenschaft und im Abschlus - chivare gut gerüstet. Die Berufsaussich - Ausbildungsteile koordiniert und größ - spraktikum an einem öffentlichen Archiv ten für ausgebildete Archivarinnen und tenteils durchführt. in Baden-Württemberg absolviert. Sie Archivare sind zurzeit sehr gut: Alle Ab - Ende September 2018 haben die Aus - haben Ende September 2018 die archiva - solventinnen und Absolventen konnten zubildenden des 54. Lehrgangs die Aus - rische Staatsprüfung nach einem schrift - direkt im Anschluss an die Ausbildung in bildung für den gehobenen Archivdienst lichen und einem mündlichen Prüfungs - eine Beschäftigung wechseln. Sie werden erfolgreich beendet. In einer kleinen Fei - teil erfolgreich abgelegt. Damit konnte nicht nur das Landesarchiv Baden- erstunde verabschiedete die stellvertre - allen acht Absolventinnen und Absolven - Württemberg selbst, sondern vor allem tende Präsidentin des Landesarchivs ten der Titel Diplom-Archivarin (FH) die baden-württembergischen Kommu - Baden-Württemberg und Leiterin des bzw. Diplom-Archivar (FH) verliehen nalarchive personell verstärken und von Ausbildungsarchivs, Dr. Nicole Bickhoff, werden. ihrer breiten Ausbildung im Archiv- und die acht Archivinspektoranwärterinnen Dr. Bickhoff würdigte die beachtlichen Verwaltungswesen profitieren. und -anwärter nach einem sehr erfreuli - Leistungen der Auszubildenden in den chen Abschluss ihrer Ausbildung. vergangenen drei Jahren und dankte den Carmen Kschonsek Peter Rückert

Der 54. Lehrgang des gehobenen Archivdienstes nach dem Abschluss der Staatsprüfung mit Ausbil - dungsbetreuern und Prüfungsausschuss im Haupt - staatsarchiv Stuttgart. Aufnahme: LABW, HStAS.

Archiv aktuell Archivnachrichten 58 / 2019 37 Noch im Entwurfsstadium: So könnte der neue Themenbereich „Weimarer Republik“ einmal aussehen. Vorlage: FIZ Karlsruhe - Leibniz-Institut für In - formationsinfrastruktur.

Archivportal-D bald mit thematischem Zugang

Das Archivportal-D wird in den näch - online zur Verfügung gestellt werden – Wikipedia vergleicht, und automatisch sten anderthalb Jahren um einen neuen auch andere Archiveinrichtungen sind Vorschläge für die thematische Zuord - Themenzugang erweitert. Bisher können eingeladen, sich mit ihren Beständen zu nung macht. Diese Werkzeuge sollen das Nutzende auf www.archivportal-d.de beteiligen. Fachpersonal in den Archiven dabei un - entweder mit der Archivsuche einzelne Gemeinsam mit Vertreterinnen und terstützen, mehr Archivalien für den Archive und ihre Bestände erkunden Vertretern der Wissenschaft und For - neuen thematischen Zugang verfügbar oder über den Suchschlitz eine Volltext - schung werden ein Schlagwortkatalog zu machen. Auch Nutzende sollen künf - recherche durchführen. Künftig wird und eine Themengliederung zur Weima - tig Zugriff auf diese Werkzeuge erhalten Nutzenden darüber hinaus die Möglich - rer Republik erarbeitet, mit denen die Ar - und so an der Verbesserung des Ange - keit geboten, Quellen zu ausgewählten chivalien sortiert und durchsucht werden bots mitwirken können. Themenbereichen zu recherchieren und können. Mithilfe neu entwickelter Tech - Das Projekt wird von der Deutschen nach inhaltlichen Kriterien auszuwählen. nologien wird die Themengliederung an - Forschungsgemeinschaft (DFG) geför - Der erste Themenzugang wird die Epo - schließend in das bestehende Archivpor - dert und läuft noch bis zum 31. Mai che der Weimarer Republik in den Fokus tal-D integriert. Später soll der Ansatz 2020. Projektpartner sind neben dem nehmen. Als Grundlage dienen das im auch auf weitere Themenbereiche und Landesarchiv Baden-Württemberg das November 2017 abgeschlossene Digitali - historische Epochen übertragen werden. Bundesarchiv, die Deutsche Nationalbi - sierungsprojekt des Landesarchivs Von Für die Zuordnung der Quellen zur bliothek (für die Projektkoordination der Monarchie zur Republik sowie das Themengliederung werden neue digitale der Deutschen Digitalen Bibliothek) Projekt Weimar – die erste deutsche De - Werkzeuge entwickelt, darunter ein Algo - und FIZ Karlsruhe – Leibniz-Institut für mokratie des Bundesarchivs. Weitere Be - rithmus, der die Erschließungsdaten der Informationsinfrastruktur. stände zum Thema Weimarer Republik einzelnen Archivalien analysiert, sie mit sollen darüber hinaus nach Projektende externen Datenquellen, wie beispielsweise Nils Meyer

38 Archivnachrichten 58 / 2019 Archiv aktuell Toulouse-Lautrec und Manet im Staatsarchiv Sigmaringen Der Enteignungsfall Jakob Goldschmidt

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Seit der Verabschiedung der Washing - gentum durch das Finanzamt Moabit gerichtlichen Einigung kam. Während toner Erklärung zur Identifizierung von eingezogen und durch das Auktionshaus im Fall Goldschmidt der Verbleib seiner Raubkunst im Jahre 1998 hat die Her - Hans W. Lange in Berlin versteigert. Bei enteigneten Bilder geklärt werden kunftsgeschichte von Kulturgütern an dieser Versteigerung erwarb die Gräfin konnte, gelang dies anderen Geschädig - Bedeutung gewonnen. Aus diesem von der Goltz das Gemälde Junges Mäd - ten oder ihren Erben nicht immer. Die Grund wurde im Juni 2018 im Staatsar - chen im Bett sitzend von Henri de Tou - im Projekt ermittelten neuen Hinweise chiv Sigmaringen, gefördert mit Mitteln louse-Lautrec und das Aquarell Zwei auf in der NS-Zeit widerrechtlich entzo - des Deutschen Zentrums für Kulturgut - Pflaumen von Édouard Manet. gene Kunstobjekte können deshalb An - verluste, mit einem Projekt zur Prove - Das Gemälde von Toulouse-Lautrec knüpfungspunkte für eine zukünftige nienzforschung in Hohenzollern und war spätestens 1931 in den Besitz von Restitution liefern. Süd-Württemberg begonnen. Das Ziel Goldschmidt gekommen. Nach der Er - ist es, Provenienzforschern durch die ge - steigerung durch die Gräfin von der Marius Golgath zielte Sichtung und Nutzbarmachung Goltz für 64.000 RM, wurde es vor 1945 der einschlägigen Archivbestände das an den norwegischen Anwalt Hjort in 1 | Schreiben von Jakob Goldschmidt an die in der Auffinden von NS-verfolgungsbedingt Oslo verkauft, wie im Nachhinein ermit - Zwischenzeit verstorbene Gräfin von der Goltz (Berlin-Wannsee), das an ihre in Reutlingen le - entzogenen Kunstobjekten und von Hin - telt wurde. Die Zwei Pflaumen von bende Tochter Astrid weitergeleitet wurde. Zur weisen auf deren Verbleib zu ermögli - Manet, für 10.000 RM ersteigert, blieben Fristwahrung meldete Astrid von der Goltz die chen. hingegen im Besitz der Gräfin von der Gemälde bei der Restitutionskammer des Landge - Ein solcher Fall ist die Enteignungsge - Goltz und wurden in den Bomben - richts Tübingen. Vorlage: LABW, StAS Wü 28/3 T 15 Nr. 261. schichte des jüdischen Bankiers Jakob schutzraum des Gutshauses Großkreuz Goldschmidt aus Berlin, die sich aus den bei Berlin verbracht, der 1945 durch die 2 und 3 | Photostatische Kopien aus dem Aukti - Sigmaringer Akten rekonstruieren lässt. sowjetische Armee beschlagnahmt onskatalog des Auktionshauses Hans W. Lange Goldschmidt war Inhaber der Darm - wurde. Über einen nicht näher genann - von 1941: Aquarell „Zwei Pflaumen“ von Édou - ard Manet und Gemälde „Junges Mädchen im städter und Nationalbank (Danat-Bank), ten Weg gelangte das Manet-Aquarell an Bett sitzend“ von Henri de Toulouse-Lautrec. bis diese 1931 als Folge der Weltwirt - die Erbin Astrid von der Goltz in Reut - Vorlage: LABW, StAS Wü 28/3 T 15 Nr. 261. schafts- und Bankenkrise mit der lingen. Dresdner Bank fusionieren musste. Nach Jakob Goldschmidt konnte nach der Machtübernahme der Nationalsozia - Kriegsende die Familie von der Goltz als Weitere Informationen über das Erschlie - listen emigrierte er 1934 über die Ersterwerber der beiden Kunstwerke ßungsprojekt von Quellen zur Provenienz - Schweiz nach New York. Seine in ausfindig machen und forderte die forschung im Staatsarchiv Sigmaringen Deutschland verbliebene Kunstsamm - Rückgabe. Aus den Sigmaringer Quellen finden Sie unter: https://www.landesar - lung wurde 1941 als reichsfeindliches Ei - geht hervor, dass es 1950 zu einer außer - chiv-bw.de/web/63831

Quellen griffbereit Archivnachrichten 58 / 2019 39 Digitalisierung von Protokollen des Reichs - stifts Obermarchtal im Ehrenamt

Das Stöbern und Recherchieren in jahr - außen an die Staatsarchive herangetra - nen von Unterlagen verfügt, stellte sich hundertealten Akten, das Entziffern ver - gen werden, lassen sich mittelfristig um - spontan zur Verfügung. Nach einer aus - blasster Handschriften, das Aufspüren setzen. Dabei schont das Digitalisieren führlichen Einweisung in die archivei - längst vergessener Siedlungen und ihrer nicht nur den Geldbeutel der Forscher, gene Scantechnik und in die konservato - Bewohner kann überaus spannend sein. sondern auch das Archivgut selbst. rischen Vorgaben waren die 28 volumi - Manch einer entwickelt daraus eine re - Das Staatsarchiv Sigmaringen und die nösen Amtsbücher bereits nach zehn gelrechte Leidenschaft. Nicht nur Histo - Forschergruppe Oberschwaben für Hei - Wochen in etwa 60 Ehrenamtsstunden riker, sondern auch Familienforscher matkunde und Familienforschung haben auf fast 10.000 doppelseitige Scans ge - und Heimatkundler wissen den Wert ge - deshalb aus der Not eine Tugend ge - bannt. schichtlicher Unterlagen zu schätzen. macht. Weil die Forschergruppe einen Unmittelbar nach Abschluss des Pro - Dabei ist das Studium der historischen ihrer Arbeitsschwerpunkte auf die Aus - jekts wurden die Digitalisate online ge - Quellen oft zeitaufwendig und nicht wertung der in Sigmaringen verwahrten stellt. Mit den Protokollen aus dem 17., jeder, der die Archivalien gerne einsehen frühneuzeitlichen Amtsprotokolle des 18. und frühen 19. Jahrhundert stehen möchte, kann die mitunter lange Anfahrt Reichsstifts Obermarchtal gelegt hat, der Forschung jetzt wichtige Quellen in ein Archiv ermöglichen. Nicht zuletzt haben die Heimatforscher dem Staatsar - dauerhaft zur Verfügung. Davon profi - aus diesen Gründen stellen immer mehr chiv vorgeschlagen, das Einscannen der tieren nicht nur die Mitglieder der For - Archive digitale Abbilder ihrer Schätze historischen Bände im Ehrenamt zu schergruppe Oberschwaben, sondern ins Internet; so auch das Landesarchiv übernehmen. Zwischen der Anregung auch alle anderen Interessierten – und Baden-Württemberg, das mit einer lang - des Projekts und dem Start der Digitali - das rund um die Uhr, kostenlos und fristig angelegten Digitalisierungsstrate - sierung im Staatsarchiv lagen schließlich weltweit. gie inzwischen schon mehr als zehn Mil - nicht einmal zwei Monate. Ein Ehren - lionen Digitalisate veröffentlicht hat. amtlicher aus den Reihen der Forscher - Franz-Josef Ziwes Doch das Scannen ist teuer und erfor - gruppe war rasch gefunden. Reinhold dert umsichtige Vorbereitungen. Längst Schmid aus Unlingen, der bereits über nicht alle Wunschprojekte, die von einschlägige Erfahrungen mit dem Scan -

Reinhold Schmid (rechts) mit einem der 28 früh - neuzeitlichen Protokollbände, die er im Auftrag der Forschergruppe Oberschwaben im Ehrenamt digita - lisiert hat. Aufnahme: LABW, StAS, Rainer Preussner.

Im Internetangebot des Landesarchivs Baden-Württemberg findet man die eh - renamtlich digitalisierten Protokolle des Reichsstifts Obermarchtal unter http://www.landesarchiv- bw.de/plink/?f=6-532439. Projekte, Quellen und Publikationen der Forschergruppe Oberschwaben sind zu - gänglich unter http://www.forscher - gruppe-oberschwaben.de.

40 Archivnachrichten 58 / 2019 Quellen griffbereit Ein archivalisches Schwergewicht Kupferstichplatten im altwürttembergischen Membrum „Privilegien und Freiheiten“

Im Jahr 1692 wurden die Herzöge von dem Zeitpunkt, als er von Württemberg Braunschweig-Lüneburg von Kaiser Leo - den Auftrag erhielt, bereits ein recht pold I. zu Kurfürsten von Hannover er - abenteuerliches Leben hinter sich. Mit hoben. Mit dieser Standeserhöhung war seinem jüngeren Bruder Johann Georg, auch die Verleihung des zeremoniellen ebenso Kupferstecher wie ihr aus Chem - Amts eines Erzbannerträgers verbunden. nitz stammender Vater, war er in den Herzog Eberhard Ludwig von Württem - 1680er-Jahren bei der Rückkehr von berg protestierte gegen diese Amtsverlei - einer Studienreise nach England in alge - hung, da seine Vorfahren bereits seit rische Sklaverei geraten und kam nur Graf Ulrich III., seit dem Erwerb der durch eine Lösegeldzahlung des Vaters ehemaligen Reichsstadt (Mark-)Grönin - wieder in Freiheit. gen im Jahr 1336, das Erblehen der Die Technik des Kupferstichs war zu Reichssturmfahne innehatten. Dieses diesem Zeitpunkt zwar bereits über 250 durften sie seit der Erhebung Württem - Jahre alt, dennoch kann man derartige bergs zum Herzogtum auch in ihrem Vorlagen innerhalb von Archivgut als Wappen führen. Seltenheit betrachten. Die Anwendung Im Zusammenhang mit dem Reichs - dieses aufwendigen Verfahrens zeugt von sturmfahnenstreit ließ Eberhard Ludwig der hohen Symbolkraft der Reichssturm - im Jahr 1693 ein Gutachten anfertigen fahnenangelegenheit für das Haus Würt - und drucken, welches auch Darstellun - temberg und der Entschlossenheit, sei - gen von Graf Ulrich III., Ulrich V. dem nen zeremoniellen Status gegenüber dem Vielgeliebten und Herzog Eberhard I. im Haus Hannover zu behaupten. Dies gilt Bart als Träger der Reichssturmfahne erst recht im durch Prunk, Repräsentati - enthielt. Außerdem wurden Abbildungen onsbedürfnis und Verschwendungssucht des Herzogswappens und weiterer ein - an den europäischen Fürstenhöfen ge - schlägiger Belege des württembergischen kennzeichneten Zeitalter des Barock. Im Reichssturmfahnenlehens angefertigt. Jahr 1706 schließlich war dem württem - Im Bestand A 81 des Hauptstaatsarchivs bergischen Ansinnen Erfolg beschieden Stuttgart, dem altwürttembergischen und das Amt des Reichserzbannerträgers Membrum Privilegien und Freiheiten , wurde fortan nicht mehr an die Kurfür - Württembergisches Herzogswappen von 1495 mit wird ein Teil der Überlieferung zum sten von Hannover vergeben. der Reichssturmfahne: Kupferplatte und Abdruck. Vorlage: LABW, HStAS A 81 Bü 23. Reichssturmfahnenstreit verwahrt. Im Das im wahrsten Sinne des Wortes Zuge der Neuerschließung des Bestan - schwergewichtige Archivale – bei weni - des, die im Sommer 2018 erfolgte, fan - ger als zwei lfd. Regalzentimetern wiegt den sich neben der Deduktion von 1693 es immerhin stolze fünf Kilogramm – überraschenderweise auch die Kupfer - wurde inzwischen digitalisiert und die platten, aus denen der Augsburger Kup - Digitalisate der originalen und der ge - ferstecher Andreas Matthäus Wolfgang spiegelten Kupferplatten sowie der Ab - (1660–1736) die Stiche für das Gutach - drucke zusammen mit dem Findmittel ten fertigte. ins Internet gestellt. Der Kupferstecher Wolfgang ist eine in - teressante Persönlichkeit: Er hatte zu Johannes Renz

Quellen griffbereit Archivnachrichten 58 / 2019 41 Sensationeller Fund im Generallandesarchiv Karlsruhe zur Ermordung von Gustav Landauer vor 100 Jahren

Der am 7. April 1870 in Karlsruhe gebo - finden, in denen minutiös über die Un - rene Schriftsteller, Anarchist und Pazifist tersuchung des Verbrechens, die Rekon - Gustav Landauer wurde bei der gewalt - struktion des Tathergangs und die nach - samen Niederschlagung der Münchner folgende Gerichtsverhandlung berichtet Räterepublik durch Regierungstruppen wird. So werden neue Details sichtbar, vor 100 Jahren am 2. Mai 1919 im Ge - die der Forschung bisher verborgen ge - fängnis Stadelheim brutal umgebracht. blieben waren und das Bild über Lan- Bei der Darstellung der Ermordung Gu - dauers Tod substanziell ergänzen. stav Landauers stützte sich die histori - Diese Originalakten wird das General - 1 sche Forschung bisher weitgehend auf landesarchiv Karlsruhe erstmals der Öf - 1 | Gustav Landauer bei seiner Gefangennahme am damalige Zeitungsberichte, einen Brief fentlichkeit von April bis Mai 2019 prä - 1. Mai 1919 auf dem Weg ins Starnberger Gefäng - nis, einen Tag vor seiner Ermordung. Ernst Tollers an Maximilian Harden von sentieren, dort findet auch am 30. April Vorlage: Internationales Institut für Sozialgeschichte 1920 sowie in erster Linie auf eine Denk - 2019 in Kooperation mit dem Badischen Amsterdam, IISG BG A8/125. schrift des bayerischen Justizministeri - Staatstheater eine Lesung aus den Ge - 2 | Urteil gegen einen der Mörder Gustav Lan- ums von 1922, deren Inhalt der Publizist richtsakten statt. Eine Edition der wich - dauers, den Unteroffizier Eugen Digele, vom und Pazifist Emil Julius Gumbel in seiner tigsten Schriftstücke wird im Herbst 19. März 1920. 1924 herausgegebenen Denkschrift des 2019 in der Zeitschrift für die Geschichte Vorlage: LABW, GLAK 456 F 10, Nr. 2520, Bl. 50r. Reichsjustizministers zu »Vier Jahre politi - des Oberrheins erscheinen. scher Mord« (S. 91–93) und in der Welt - bühne , Jg. 20, Nr. 7 vom 14. Februar 1924 Rainer Brüning (S. 191–193) mitteilte. Folgende Strafakten berichten über die Er - Dort wird beschrieben, wie der Ulan mordung von Gustav Landauer: Eugen Digele einen von mehreren Schüs - LABW, GLAK 456 F 10, Nr. 2518 ist die sen auf den bereits schwer verletzten Untersuchungsakte des Generalkomman - Landauer abgab und dem Toten dann dos Oven in München mit umfangreichen seine Uhr stahl. Für diese Tat wurde Di - Zeugenaussagen (6.5.1919–10.2.1920). gele am 19. März 1920 vom Gericht des LABW, GLAK 456 F 10, Nr. 2519 enthält Auflösungsstabes 56 (29. Infanterie-Divi - als Beilagen die bei Digele beschlagnahm - sion) in Freiburg im Breisgau zu einer ten privaten Schriftstücke (Januar–Juni Gefängnisstrafe von fünf Wochen wegen 1919). gefährlicher Körperverletzung und Heh - LABW, GLAK 456 F 10, Nr. 2520 ist die lerei verurteilt, von der Anklage des Tot - Untersuchungsakte des Gerichts des Auflö - schlags jedoch freigesprochen. Die Frei - sungsstabes 56 (29. Infanterie-Division) in burger Tageszeitung Volkswacht berich - Freiburg (6.2.1920–21.2.1921). Sie bein - tete darüber am 22. März und 23. März haltet u. a. das Verhandlungsprotokoll und 1920. das Urteil gegen Digele vom 19. März Bei der Erschließung des Badischen 1920. XIV. Armeekorps konnte Manfred Das Landesarchiv Baden-Württemberg Hennhöfer nun drei bislang unbekannte wird der Forschung aufgrund des hohen Strafakten zu Eugen Digele (geboren am historischen Quellenwerts die Akten 3. März 1893 in Schwäbisch Hall, 1. Es - LABW, GLAK 456 F 10, Nr. 2518–2520 kadron des 1. Württembergischen Frei - als Digitalisat in seinem Internetangebot willigen Regiments Abteilung Haas) auf - zur Verfügung stellen. 2

42 Archivnachrichten 58 / 2019 Quellen griffbereit Karikaturen der Revolution 1848/49 Bildbestand geht online

1 2 Mit Ausbruch der Revolution wurde die stav Adolf Rösler von Oels (1818–1855) 1 | „Wie der deutsche Michel Alles wieder von sich Zensur der Presse im Frühjahr 1848 in wurde von Alfons von Boddien (1802– gibt.“ Lithografie von Ernst Schalck 1849. Nach der Wahl des preußischen Königs zum deutschen Kaiser den meisten deutschen Einzelstaaten 1857), ebenfalls ein Abgeordneter, auf - am 28. März 1849 wird dem deutschen Michel so aufgehoben, wie es zuvor mehrfach in grund seiner oft gelben Kleidung als übel, dass er die Errungenschaften der Revolution der Bevölkerung gefordert worden war. Reichskanarienvogel karikiert und be - wieder von sich gibt. Seit den Karlsbader Beschlüssen 1819 zeichnet, während Alfons von Boddien Vorlage: LABW, GLAK J-S Karikaturen 96.

hatte die Presse zur Unterdrückung der aufgrund seines Zeichentalents als Natio - 2 | O. T., Radierung von Friedrich Pecht 1848. Prä - Freiheits- und Nationalbewegung unter nalpinsel dargestellt wurde. sident Heinrich von Gagern versucht zwischen strenger Kontrolle gestanden. Mit der Allerdings sind die Karikaturen für den Rechten und Linken die Balance zu halten. Die Ka - nun erlangten Pressefreiheit begann heutigen Betrachter mit Verständnispro - rikatur greift das Lavieren im Parlament zwischen den politischen Lagern auf. neben einer vielfältigen und kritischen blemen behaftet. Deshalb sind sie eng Vorlage: LABW, GLAK J-S Karikaturen 248. politischen Diskussion in Wort und mit der schriftlichen Überlieferung die - Schrift auch eine bis dahin in den deut - ser Zeit verbunden, aus der sich das nö - schen Einzelstaaten in diesem Maße tige Hintergrundwissen über politische nicht dagewesene rege Produktion von Themen und Ereignisse ergibt. Bei der Karikaturen. Erschließung der Sammlung J-S Karika - Das Generallandesarchiv Karlsruhe turen wurden, sofern möglich, Personen kann eine bedeutende Sammlung dieser identifiziert und die Karikaturen mit Karikaturen der Revolutionszeit und kurzen Erläuterungen und Literaturhin - auch aus dem Vormärz aufweisen weisen versehen. Damit vermitteln uns (LABW, GLAK J-S Karikaturen). Sie ist die Karikaturen die politischen Stim - nun online recherchierbar und steht mungen in den deutschen Einzelstaaten vollständig digitalisiert zur Verfügung. während der Revolution 1848/49 sowie Die Karikaturen stellen Ereignisse der Informationen über Art und Struktur Revolution sowie politische Themen und der öffentlichen Meinung und Mei - Diskussionen bildlich dar. Sie spiegeln nungsbildung. die Positionen der verschiedenen politi - Mit der Niederschlagung der Revolu - schen Lager im Frankfurter Paulskir - tion endete auch die rege Produktion chenparlament und in der Öffentlichkeit von Karikaturen. Am Ende musste der wider. Zum Beispiel finden sich Karika - deutsche Michel, wie es uns eine Karika - Die digitalisierten Karikaturen finden sich turen über die Grundrechtsdebatte und tur vor Augen führt, die Pressefreiheit im Online-Angebot des Landesarchivs die Judenemanzipation sowie Karikatu - und andere Errungenschaften der Revo - unter: https://www2.landesarchiv- ren der Akteure der Revolution, vor lution doch wieder von sich geben. bw.de/ofs21/olf/startbild.php?bestand= allem Abgeordnete des Parlaments: Gu - Sara Diedrich 14248

Quellen griffbereit Archivnachrichten 58 / 2019 43 Unterwegs in Sachen fürstlicher Hochzeit

Für das im Staatsarchiv Sigmaringen als prinz Karl von Hohenzollern-Sigmarin - nächst eine klerikale Laufbahn einge - Depositum verwahrte Fürstlich Hohen - gen mit Prinzessin Antoinette Murat am schlagen, war dann zum französischen zollernsche Haus- und Domänenarchiv 3. Februar 1808 im Elyséepalast zu Paris Militär gewechselt, wo er den Rang eines hat das Fürstenhaus Hohenzollern eine gefeiert wurde. Die Eheverbindung hatte Obersts erreichte, bis er schließlich als Vollmachtsurkunde aus dem Jahr 1807 der französische Außenminister Charles- Erzieher des Erbprinzen Friedrich, des erworben. Maurice de Talleyrand-Périgord bereits Neffen von Fürstin Amalie Zephyrine, in Mit dieser Urkunde bevollmächtigte im Mai 1806 angeregt. Da war die Braut, die Dienste des Hauses Salm-Kyrburg Fürst Anton Aloys von Hohenzollern- Nichte Joachim Murats, Großherzog von eintrat. Voumard, der später ein Wohn - Sigmaringen am 7. Oktober 1807 Char - Berg und später König von Neapel, aller - recht in Amalies Schlößle in Sigmaringen les de Voumard, Oberst im Dienst des dings erst knapp 13 Jahre alt. Vor allem besaß und vom Fürsten 1818 mit dem Hauses Salm, in seinem Namen den Hei - diesem Umstand dürfte es geschuldet ge - Adelsprädikat Voumard von Wehrburg ratsvertrag für die Ehe seines Sohnes wesen sein, dass sich die Hochzeit noch bedacht wurde, erwarb 1819 Schloss und Karl mit Prinzessin Antoinette Murat zu um knapp zwei Jahre verzögerte. Die Herrschaft Worblingen. Verstorben ist unterzeichnen. Die Echtheit von Unter - Hochzeitsfeier selbst, aber auch die Aus - Voumard dort im Jahr 1841. schrift und Siegel des Fürsten bestätigten arbeitung des Heiratsvertrages bedurfte Die Bevollmächtigung des Obersts mit Unterschriften und Siegel die Verant - einiger Vorbereitung. Die Ratifizierung Voumard, die im Fürstlich Hohenzol - wortlichen der fürstlichen Regierung zu des Vertrages erfolgte schließlich am Tag lernschen Haus- und Domänenarchiv Sigmaringen, die wiederum vom badi - der Hochzeit. Zuvor war die immer noch bisher lediglich als Konzept vorhanden schen Gesandten in Paris, Freiherrn Em - sehr junge Braut zur kaiserlichen Prin - war, blieb wohl im Besitz Voumards und merich Joseph von Dalberg, bestätigt zessin Frankreichs erhoben worden. seiner Erben, bis sie das Fürstenhaus wurden. Die Authentizität von dessen Als im Juli 1808 Erbprinz Karl seine 2018 als wertvolle Ergänzung seines Ar - Siegel und Unterschrift beglaubigte der junge Gemahlin in das heimatliche Für - chivs kaufte. damalige französische Außenminister stentum Hohenzollern-Sigmaringen Birgit Meyenberg Jean-Baptiste Nompère de Champagny. führte, wurden sie von dessen Mutter, Um die Echtheit des Dokumentes auch Fürstin Amalie Zephyrine von Hohen - dem letzten Zweifel zu entziehen, wurde zollern-Sigmaringen, begleitet. Und in Vollmachtsurkunde für Charles de Voumard zur es notariell beglaubigt. deren Gefolge befand sich Charles de Unterzeichnung des Ehevertrages des Erbprinzen Karl von Hohenzollern-Sigmaringen mit Antoinette Es war dann ein rauschendes Fest, das Voumard. Der im Fürstentum Neuen - Murat. im Anschluss an die Trauung von Erb - burg 1761 geborene Voumard hatte zu - Vorlage: LABW, StAS FAS HS 1-80 T 7 R 53,67.

44 Archivnachrichten 58 / 2019 Kulturgut gesichert In bunten Gewändern Amtsbücher der Salemer Pflege Ehingen

Das Staatsarchiv Sigmaringen verwahrt 1690 prunkvolle, üppig ornamentierte, im Bestand Dep. 30/11 T 2 die Amts - aber eher seltene Bronzefirnis- und Bro - buchüberlieferung der Ehinger Pflege katpapiere. Ihnen folgten Kattunpapiere. des Klosters Salem. Ein beträchtlicher Sie wurden zum Teil mit Modeln der Teil der Amtsbücher präsentiert sich in Kattunfabrikation gedruckt, die aus der 1 dekorativen Buntpapiereinbänden. Unter Mode gekommen oder unbrauchbar ge - der Bezeichnung Buntpapier versteht worden waren. Ihrer liebenswerten For - man Papier, dessen Oberfläche nach der menvielfalt verdanken sie die große Herstellung als Rohpapier mit Farbe be - Nachfrage zwischen 1750 und 1830. strichen, bedruckt, getränkt oder geprägt Für das Gelingen ästhetisch anspre - wird. Buntpapiere müssen folglich nicht chender Buntpapiere waren Fantasie, mehrfarbig sein. Historische, von Hand Sinn für Farbharmonie und eine sichere gefertigte Buntpapiere faszinieren bis Hand erforderlich. Anfangs fertigten heute nicht nur Wissenschaftler, Künst - Handwerker der Papierverarbeitung, ler und Sammler. aber auch Frauen und Kinder in Heim - Seit der ersten Hälfte des 15. Jahrhun - arbeit die Schmuckpapiere. Im 18. Jahr - derts nachweisbar sind die mit Pinsel hundert, der Blütezeit der Buntpapiere, oder Bürste einfarbig gestrichenen Bunt - etablierte sich infolge des steigenden Be - papiere. Sie ersetzten teures farbiges Per - darfs der Beruf Buntpapiere r. Mit der in - gament als Bucheinband. dustriellen Fertigung des Buntpapiers Zu den ältesten Buntpapiersorten zäh - nach 1840 wurde ein neues Kapitel auf - len die schlichten gesprenkelten Papiere. geschlagen. Bei der Herstellung dieser preiswerten Das Landesrestaurierungsprogramm Art wurden einfarbige Buntpapiere mit ermöglichte 2018 die archivgerechte Ver - Farbsprenkeln gemustert. Sie verschö - packung der Amtsbücher der Ehinger nern Einbände seit dem späten 16. Jahr - Pflege des Klosters Salem. Damit stehen hundert. sie nun geschützt in Archivbehältnissen, 2 Im selben Zeitraum gelangte von Japan ihre bunte Pracht ist dem Betrachter über Persien und die Türkei die Kunst aber zumindest auf den ersten Blick ent - des Marmorierens nach Europa. Mar - zogen. morpapier wurde seiner Herkunft wegen Sibylle Brühl auch als Türkisch Papier bezeichnet. Mit dieser neuen Farbtunktechnik entstan - den farbenfrohe Stein-, Kamm- oder Fantasiemarmormuster. Marmorierte Papiere entwickelten sich schnell zum 1 | Marmoriertes Papier: Kamm-Marmor, ca. 1730. Modeartikel und wurden auch zum Aus - Flüssige Farben wurden auf dem Marmoriergrund aufgebracht und mit einem Kamm verzogen. Durch kleiden von Schachteln und Möbeln die Ablage eines Papierbogens auf der Farbschicht oder als Tapeten verwandt. übertrug sich das Dekor auf das Papier. Seit der Mitte des 17. Jahrhunderts er - Vorlage: LABW, StAS Dep. 30/11 T 2 Nr. 471. freuten sich Buchumschläge aus Kleister - 2 | Marmoriertes Papier: Steinmarmor, ca. 1788. papieren großer Beliebtheit. Die mit Vorlage: LABW, StAS Dep. 30/11 T 2 Nr. 418. Kleisterfarbe grundierten Papierbögen bestachen mit ihren reizvollen Farbeffek - 3 | Mehrfarbiges Kleisterpapier mit Äderung, ten und schwungvollen Dekors. ca. 1757. Zwei mit gefärbtem Kleister überzogene Papierbögen wurden zusammengedrückt und wie - Die Übertragung des Textil-Model - der auseinandergezogen. drucks auf die Papierveredelung schuf ab Vorlage: LABW, StAS Dep. 30/11 T 2 Nr. 226.

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Kulturgut gesichert Archivnachrichten 58 / 2019 45 Der Schwäbische Dichterkreis von 1938 und seine Entnazifizierung Ein Ausstellungsprojekt des Staatsarchivs Ludwigsburg mit Studenten des Tübinger Instituts für Geschichtliche Landeskunde

einzigen Brunnen des Bluts . Andere Mit - glieder hielten sich mit solchen Lobhude - leien und ideologisch konformen Äuße - rungen eher zurück und ließen sich an - scheinend nur widerwillig vereinnahmen. Bei der Vorbereitung der Ausstellung haben etwas mehr als zehn Tübinger Stu - denten im Rahmen eines neuen ge - schichtswissenschaftlichen Master-Studi - engangs der Universität Tübingen erst - mals die Möglichkeit, bestimmte Studi - enleistungen durch die Mitarbeit an einer solchen Ausstellung zu erbringen. Dies wird im Wesentlichen durch biografische Skizzen zu einzelnen Schriftstellern, aber auch durch redaktionelle Mitarbeit an der Begleitpublikation oder konkrete Ge - staltungstätigkeit mit Exponaten erfol - gen. Im Mittelpunkt stehen dabei verglei - chende Untersuchungen: Zum einen die Konfrontation der schriftstellerischen und sonstigen Verlautbarungen der ein - zelnen Angehörigen des Dichterkreises vor 1945 mit dem, was sie selbst nach Kriegsende in ihren Spruchkammerver - Holzschnitt-Porträt August Lämmles (1876–1962) Im Dezember 1938, anlässlich des 50. Ge - fahren zu ihrer Rechtfertigung vortrugen. im Alter von 50 Jahren („aet[atis] suae L“) von burtstags des württembergischen Reichs - Zum anderen verspricht der Vergleich der Gottfried Graf (1881–1938). statthalters Wilhelm Murr, wurde der einzelnen Schriftsteller und ihres Verhal - Vorlage: Schwäbisches Heimatbuch 13 (1927) S. 7. Schwäbische Dichterkreis gegründet. tens mit dem ihrer Dichterkollegen inter - Unter den rund zwei Dutzend Mitglie - essante Einblicke in die mehr oder weni - Ausstellung dern finden sich auch heute noch be - ger geglückten Versuche, schwäbische Hei - Der Schwäbische Dichterkreis von 1938 kannte Namen wie August Lämmle, Hans matdichtung in den Dienst der NS-Herr - und seine Entnazifizierung Heinrich Ehrler, Ludwig Finckh, Anna schaft zu stellen. Weiterhin werden auch Schieber und Auguste Supper. Zum Leiter die Lebenswege der Schwäbischen Dichter Öffnungszeiten des Zusammenschlusses wurde der Dra - nach Kriegsende betrachtet, wobei indivi - 5. Juni – August 2019 matiker und NS-Kulturfunktionär Georg duelle Verstrickungen zum Teil lange und Montag bis Donnerstag 9.00–16.30 Uhr Schmückle bestimmt. Die Aufnahme in sogar bis in die Gegenwart hinein ausge - Freitag 9.00–15.30 Uhr diesen elitären Zirkel war für einen Teil blendet wurden. der Betroffenen offenbar mit der Hoff - Die mit den Studenten erarbeitete Aus - Landesarchiv Baden-Württemberg nung auf einen kräftigen Karriereschub stellung wird am 4. Juni 2019 mit einem - Staatsarchiv Ludwigsburg - verbunden. So hat sich etwa August Vortrag von Prof. Dr. Stefan Keppler-Ta - Arsenalplatz 3 Lämmle in dankbarer Gesinnung und mit saki, Tokyo, Dichter für Heimat und 71638 Ludwigsburg treuesten Wünschen mit einer Huldigung Reich: Identitätsvorstellungen im Schwäbi - Tel. 07141/64854-6310 für Wilhelm Murr revanchiert, in der er schen Dichterkreis von 1938 eröffnet. E-Mail: [email protected] den Staat glücklich pries, dem gütige Göt - www.landesarchiv-bw.de/stal ter gegeben Führer und Volk aus dem ewig- Stephan Molitor

46 Archivnachrichten 58 / 2019 Archive geöffnet Mechthild (1419–1482) im Spiegel der Zeit Eine Sonderausstellung im Hauptstaatsarchiv Stuttgart

2019 jährt sich der Geburtstag von sers, verheiratet. Ihr politisches und ge - Bis heute ist die Erinnerung an Mecht - Mechthild von der Pfalz zum 600. Mal. sellschaftliches Wirken, vor allem als hild lebendig geblieben; dies gilt beson - Aus diesem Grund präsentiert das Witwe, ist beeindruckend und wird in ders für ihr Wirken in Rottenburg. Daher Hauptstaatsarchiv eine kulturhistorische der Ausstellung durch einzigartige Expo - wird die Ausstellung im Anschluss an die Ausstellung, die an die Persönlichkeit nate aus ihrem persönlichen Umfeld zum Präsentation in Stuttgart auch in Rotten - und die biografischen Stationen dieser Ausdruck gebracht. burg und Bad Urach gezeigt werden. bemerkenswerten Fürstin erinnern soll. Als Mutter von Eberhard im Bart hatte Mechthild von der Pfalz gilt als eine der Mechthild im Spannungsfeld zwischen Erwin Frauenknecht bedeutendsten Frauengestalten in der Pfalz, Württemberg und Habsburg einen Geschichte des deutschen Südwestens. gewichtigen Einfluss. Vor allem aber Als Tochter des Kurfürsten Ludwig II. besaß ihr sogenannter Musenhof in Rot - Pfalzgräfin Mechthild schaut in ihren Spiegel. Die von der Pfalz war sie mit Graf Ludwig tenburg eine großartige Ausstrahlung als berühmte Darstellung stammt aus dem sogenannten von Württemberg († 1450) und in zwei - Zentrum von Literatur und Kunst. Ingeram Codex und erinnert an die Hochzeit Mechthilds mit Erzherzog Albrecht VI. im Jahr ter Ehe mit Erzherzog Albrecht VI. von Mechthild repräsentierte ihren Hof als 1452. Österreich († 1463), dem Bruder des Kai - gebildete Mäzenin und Muse. Vorlage: KHM-Museumsverbund Wien.

Ausstellung Mechthild (1419–1482) im Spiegel der Zeit

Öffnungszeiten 9. Mai – 30. August 2019 Montag 10.00–17.00 Uhr Dienstag und Mittwoch 8.30–17.00 Uhr Donnerstag 8.30–19.00 Uhr Freitag 8.30–16.00 Uhr

Landesarchiv Baden-Württemberg Hauptstaatsarchiv Stuttgart Konrad-Adenauer-Straße 4 70173 Stuttgart Telefon: 0711/212-4335 Telefax: 0711/212-4360 E-Mail: [email protected] www.landesarchiv-bw.de/hstas

Öffentliche Führungen Mittwochs 11.30 Uhr sowie für Gruppen nach Vereinbarung

Weitere Präsentationsorte: Rottenburg, Sülchgau-Museum, Zehnt - scheuer: 13. September – 17. November 2019 Bad Urach, Residenzschloss: 27. Novem - ber 2019 – 1. März 2020

Zur Ausstellung erscheint eine Begleit - publikation.

Archive geöffnet Archivnachrichten 58 / 2019 47 Ritter – Landespatron – Jugendidol. Markgraf Bernhard II. von Baden Ausstellung im Generallandesarchiv Karlsruhe

Bernhard von Baden als Ritter Christi: Das 1480/84 entstandene Andachtsbild zeigt den jugendlichen Markgrafen in prächtiger Rüstung. Engel halten einen Vorhang und unterstreichen so Rang und Würde Bernhards. Vorlage: Haus Baden.

1769 – also vor nunmehr 250 Jahren – Bernhard war stets ein politischer Heili - Osten in der Epoche des Kalten Krieges wurde Markgraf Bernhard II. von Baden ger – ohne jemals heiliggesprochen wor - konnte mühelos an das Bild des tapferen vom Papst seliggesprochen. Wer war den zu sein. Das 1827 gegründete Erz - Kreuzzugsritters anknüpfen. dieser Mann, der im Sommer 1458 in bistum Freiburg wählte ihn zu seinem Die Ausstellung im Generallandesar - Moncalieri bei Turin einem Fieber erlag? Mitpatron. In den Jahren des Kirchen - chiv präsentiert – erstmals in Karlsruhe Die zeitgenössischen Quellen sind spär - kampfs in Baden während der Amtszeit – anhand zahlreicher wertvoller Expo - lich, sie lassen somit viel Raum für Deu - des Erzbischofs Hermann von Vicari nate diesen Wandel im Bild eines Heili - tungen und Zuschreibungen. In Monca - (1842–1868) und in der unmittelbar gen . lieri wurde schon bald von Wundern be - nachfolgenden Ära des Kulturkampfs Martin Stingl richtet, die man der Fürsprache des ba - der Reichsgründungszeit diente der se - Wolfgang Zimmermann dischen Markgrafen zusprach. In seiner lige Markgraf als Leitfigur einer wieder - Heimat am Oberrhein blieb die Vereh - erstarkenden katholischen Kirche, die rung auf das Haus Baden beschränkt. sich der Auseinandersetzung mit dem Erst im frühen 18. Jahrhundert – also konstitutionellen Staat zu stellen hatte, Ausstellung zu einer Zeit, als Markgraf Ludwig Wil - ohne die regierende Dynastie als Stabili - Ritter – Landespatron – Jugendidol. helm als Türkenlouis glänzende militäri - tätsfaktor in der Umbruchzeit der Indu - Markgraf Bernhard II. von Baden sche Siege gegen die Osmanen auf dem strialisierung angreifen zu wollen. Am Balkan errang – wurde Bernhard als Ende der Epoche wurde der selige Bern - Öffnungszeiten christlicher Ritter, der für einen Kreuz - hard zur Symbolfigur der Aussöhnung 21. Mai – 31. Oktober 2019 zug zur Befreiung der heiligen Stätten zwischen katholischer Kirche und staat - Dienstag bis Donnerstag 8.30–17.30 Uhr im Orient warb, verehrt. Das drohende licher Obrigkeit in Baden. Freitag 8.30–19.00 Uhr Erlöschen der katholischen Linie der ba - Als nach dem Zusammenbruch des Sonntag 13.00–17.30 Uhr dischen Markgrafen 1771 vor Augen, Nationalsozialismus die Bevölkerung Montags und samstags sowie an Feier- wurde Bernhard zum konfessionellen neue Vorbilder suchte oder sich alter tagen geschlossen Schutzpatron der katholischen Bevölke - Helden erinnerte, wurde Bernhard von rung in der vereinigten lutherischen Baden zum Jugendstar, zu einem Idol im Landesarchiv Baden-Württemberg Markgrafschaft. Der Bernhardusbrun - Kampf gegen die Versuchungen der Mo - - Generallandesarchiv Karlsruhe - nen in Rastatt wurde errichtet, zahlrei - derne, zu denen die Konsumfreude der Nördliche Hildapromenade 3 che Gemälde in den katholischen Pfarr - Wirtschaftswunderzeit ebenso zählte wie 76133 Karlsruhe kirchen des Landes vermittelten der eine um sich greifende vermeintliche Tel. 0721 / 926-2206 breiten Bevölkerung ein plastisches Bild Sittenlosigkeit. Die Bedrohung des E-Mail: [email protected] vom seligen Markgrafen Bernhard. Abendlandes durch die Gefahr aus dem www.landesarchiv-bw.de/glak

48 Archivnachrichten 58 / 2019 Archive geöffnet La longue durée – ein Beitrag zur Kolonialgeschichte in Algerien Die Ausstellung „Menschen im Krieg 1914 –1918“ hilft in Algier, sich mit der eigenen kolonialen Vergangenheit intensiv auseinanderzusetzen

Nach ihrer vierjährigen Reise erreichte die führte ein erster Weg zum späteren Befrei - der Lage sind, ein gemeinsames Bild ihrer deutsch-französische Gemeinschaftsaus - ungskampf und zur Unabhängigkeit Alge - leidvollen Geschichte zu entwerfen, das stellung Menschen im Krieg 1914–1918 am riens im Jahr 1962. dem Frieden dient. Wegen des großen Er - Oberrhein / Vivre en temps de guerre des Eröffnet wurde die Ausstellung am folgs ist daher geplant, nicht nur die Bil - deux côtés du Rhin 1914–1918 im Novem - 18. November 2018 durch den französi - dungsarbeit mit algerischen Schülern und ber 2018 schließlich Brüssel. 35 Stationen schen Botschafter Xavier Driencourt und Studenten zu intensivieren, sondern die mit über 60.000 Besuchern lagen bereits den deutschen Gesandten Andreas Fiedler, Ausstellung noch zusätzlich durch weitere hinter unserer Ausstellung über den Er - denen sich weitere Redner anschlossen. Sie Orte in Algerien wandern zu lassen, damit sten Weltkrieg. Damit sollte ihre erfolgrei - alle unterstrichen vor ca. 100 Gästen aus möglichst viele Besucher nachvollziehen che Wanderung offiziell beendet sein – ei - den Bereichen Diplomatie, Bildung und können, wie die Aufarbeitung eines ge - gentlich. Kultur die von der Ausstellung ausgehende meinsamen historischen Erbes dazu die - Doch dank einer Initiative der deutschen Aufforderung zu Frieden und Verständi - nen kann, aus Feinden Freunde werden zu und französischen Botschaften in Algerien gung. Die beiden Kuratoren Dr. Rainer lassen. wurde sie nun ebenfalls im Institut fran - Brüning (Karlsruhe) und Mme Laëtitia Rainer Brüning çais in Algier gezeigt. Ausgangspunkt Brasseur-Wild (Colmar) wiesen in ihrer waren hier die örtlichen Feierlichkeiten abwechselnd gehaltenen Einführungsrede zum Kriegsende vor 100 Jahren. Auch in besonders auf den exemplarischen Cha - der algerischen Öffentlichkeit wurde der rakter des Ausstellungsprojekts hin. Viele Ausstellungseröffnung in Algier am 18. November ca. 250.000 Soldaten aus dem Maghreb ge - algerische Besucher zeigten sich sehr be - 2018 (von links nach rechts): Frau Rita Sachse- dacht, die im Ersten Weltkrieg für die Ko - eindruckt von dem Gedanken, dass die Toussaint, M. Grégor Trumel, Mme Laëtitia Bras- lonialmacht Frankreich tapfer gekämpft ehemaligen Kriegsgegner Deutschland seur-Wild, Herr Andreas Fiedler, S.E. M. Xavier Driencourt, Mme Bernadette Groff, Dr. Rainer Brü- und wenig Dank dafür geerntet hatten. und Frankreich sich nicht nur versöhnt ning, M. Jean-Jacques Beucler. Von diesen schmerzlichen Erfahrungen haben, sondern darüber hinaus sogar in Aufnahme: Institut français Alger.

Archive geöffnet Archivnachrichten 58 / 2019 49 2 1

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2 | Titelaufnahme zu einer Bauakte aus Backnang- 1 | Bauplan aus dem Jahr 1907. Heiningen. Vorlage: LABW, StAL F 152 IV Bü 6921. Vorlage: LABW, StAL.

3 | Die vier Freiwilligen Tim Brück, Neda Tadjalli- Mehr, Sebastian Saalbach und Nadja Feucht (von Historische Bauunterlagen aus Backnang links) mit Bauplänen aus der Überlieferung des Oberamts Backnang. Ein Crowdsourcing-Projekt des Staatsarchivs Ludwigsburg und des Stadtarchivs Backnang Aufnahme: LABW, StAL. zur Eröffnung neuer Recherche- und Nutzungsmöglichkeiten

Bei historischen Bauakten stehen interes - Folge war, dass zahlreiche häufige Stra - bei Straßenumbenennungen auch meh - sierte Personen häufig vor dem Problem, ßennamen (z. B. Goethestraße, Stuttgar - rere Adressen. dass die heutige Adresse keinen direkten ter Straße) in Ortsteilen geändert werden Diese Angaben, die langfristig für alle Zugriff auf die Unterlagen erlaubt. Für mussten. Stadtteile von Backnang zur Verfügung eine zielgerichtete Suche sind gute Im Sommer 2015 begannen das Staats - stehen sollen, ermöglichen nun eine ge - Kenntnisse der Geschichte des Gebäudes archiv Ludwigsburg, das Stadtarchiv zielte Suche mit der heutigen Adresse notwendig. Selbst eine tiefe Erschließung Backnang und mehrere Vermessungs - (Stand: 2018). Die digitalisierten Pläne der Akten enthält normalerweise nur fachleute mit einem Projekt, das neue geben überdies einen ersten Eindruck den damaligen Bauherrn, den Bauort, Recherche- und Nutzungsmöglichkeiten der Bausituation. Eine Einsichtnahme in das Baujahr und den Baugegenstand für die historischen Bauakten aus Back - den weiteren Schriftverkehr der Bauakte (z. B. Erbauung einer Scheune oder nang und seinen Stadtteilen (Rems- ist im Lesesaal des Staatsarchivs Lud - Wohnhausanbau). Murr-Kreis) bieten soll. Mehrere junge wigsburg möglich. Dagegen hilft die Kenntnis einer im Personen, die im Staatsarchiv Ludwigs - Bauort eindeutigen Adresse mit Haus - burg ein Freiwilliges Kulturelles Jahr Corinna Knobloch nummer meistens nicht weiter. Nach der oder einen Bundesfreiwilligendienst ab - Vergabe von Straßennamen wird eine solvierten, ermittelten und digitalisierten Recherche zwar oft unproblematischer. alle Pläne der in der Überlieferung des Allerdings haben sich die Namen vieler Oberamts Backnang (Bestand LABW, Straßen und Plätze mehrfach geändert. StAL F 152 IV) verwahrten Bauakten zu Unter anderem konnten die Umbenen - der heutigen Gemeinde Backnang. Die nungen aufgrund von politischen Verän - Scans wurden danach im Online-Find - derungen (beispielsweise Benennung buch im Internet zur Verfügung gestellt. von Straßen nach nationalsozialistischen Im Anschluss begannen die ortskundi - Politikern) oder von Eingemeindungen gen Vermessungsfachleute unter der Lei - Zum Bestand: LABW, StAL F 152 IV erfolgen. Um eine eindeutige Identifika - tung von Erich Mögle mit einer Auswer - Oberamt Backnang: Bauakten tion der Adresse in der neu gebildeten tung der Pläne. Es gelang ihnen, fast https://www2.landesarchiv- Gemeinde zu ermöglichen, durfte jeder jeder Bauakte eine Hausnummer und bw.de/ofs21/olf/struktur.php?be - Straßenname nur einmal auftreten. Die mindestens eine Adresse zuzuweisen – stand=18482

50 Archivnachrichten 58 / 2019 Junges Archiv Quellen für den Unterricht 57 Heike Bömicke

Das „Ortsstatut“ Freiburgs im Breisgau von 1887 – Symbol des Sonderwegs einer Stadt?!

1. Einleitung 2. Das „Ortsstatut“ von 1887 ses legte fest, dass die Errichtung von neuen gewerblichen Anlagen […] in den Zunächst ist Freiburg ein Rentnerheim, Freiburg wies aufgrund seiner Standort - Stadtteilen östlich des Hauptbahnkörpers die alldeutsche Pensionopolis. […] Frei - faktoren einige Nachteile für eine inten - und südlich der Dreisam künftig nicht burg ist jedoch nicht nur Rentnerheim, sive Industrialisierung auf, insbesondere mehr zugelassen werde. Die Korrespon - sondern auch eine der hervorragendsten bezüglich der Infrastruktur und Energie - denz mit anderen deutschen Großstäd - Lebensstätten Deutschlands. […] Die Stu - gewinnung. So erreichte die Eisenbahn ten, darunter Mannheim und Hamburg, denten haben an Zahl gewaltig zugenom - in Gestalt der Nord-Süd-Strecke zwar aus den Jahren 1884 bis 1887, die in der men. Der Reichstagskandidat der Fort - bereits 1845 die Stadt, in Ost-West-Rich - Akte des Stadtrats der Stadt Freiburg zum schrittspartei, Dr. von Schulze-Gaever - tung konnte aber erst 1887 die Höllen - Ortsstatut enthalten ist, legt die Vermu - nitz, sah Freiburgs Zukunft in dieser talbahn eröffnet werden, die zudem auf - tung nahe, dass negative Folgen der In - vielbejubelten Rede von 1911 in seiner grund der starken Höhenunterschiede dustrialisierung gleichsam ausgelagert Attraktivität für vermögende Rentiers, des Schwarzwaldes teilweise Spezialloko - werden sollten. Das Bürgertum wollte Privatiers und Studenten (von Schulze- motiven mit Zahnradantrieb benötigte, von den Segnungen der Industrie profi - Gaevernitz, S. 3–5). Dieses Zitat steht für um über eine Zahnschiene die größten tieren, ohne die Schadstoffquellen sowie die Zusammenfassung einer Kommunal - Steigungen überwinden zu können. Vom politischen und sozialen Auswirkungen politik, die sich im 19. Jahrhundert be - Rhein lag Freiburg zu weit entfernt, um einer Arbeiterschaft zu spüren. Fabriken wusst von der Industrialisierung abge - den Bau eines schiffbaren Kanals letzt - und deren Klientel sollten weder sicht-, wandt und auf alternative Einkommens - lich lohnend erscheinen zu lassen. Die noch riech- oder fühlbar für die vermö - quellen gesetzt hatte. Freiburg hatte Wasserkraft aus dem Schwarzwald, die genden Bürger sein und sich möglichst damit nach einem eigenen, singulären seit dem Mittelalter mit dem Gewerbeka - nicht im nach außen wirksamen Stadt - Weg gesucht, für den die Stadt mit dem nal genutzt wurde, erwies sich als für in - bild widerspiegeln. Konsequenterweise Ortsstatut 1887 den Grundstein gelegt dustrielle Ansprüche ungeeignet, da der legte die Stadt zugleich mit dem Ortssta - hatte. Ausgehend vom Ortsstatut wurde Wasserstand je nach Jahreszeit und tut eine Bauordnung als städtebauliches das Beschreiten besonderer Wege wichtig Klima im Schwarzwald stark variierte. Steuerungsinstrument auf, mit dem Ziel, für das städtische Selbstverständnis, was Dennoch gab es erste Ansiedelungen von den Prozess sozialräumlicher Differenzie - exemplarisch anhand dreier Beispiele er - Industrien im 19. Jahrhundert, vor allem rung zu befördern. läutert werden wird: erstens mittels der östlich des Stadtzentrums in der soge - Der damit begonnene Prozess kann Amtszeit des Oberbürgermeisters Dr. nannten Oberau. Beispielsweise sind hier dem Selbstverständnis Freiburgs entspre - Otto Winterer von 1888 bis 1913, zwei - die Seidenzwirnerei Karl Mez oder die chend durchaus als Alternative bezeich - tens mit der Umsetzung der Gartenstadt - Porzellanknopffabrik Jeremias Risler zu net werden. Eine relativ unverschmutzte idee in Freiburg-Haslach und drittens in nennen. Später kamen industrielle Anla - Natur sowie angenehme Wohn- und Le - der Verwirklichung individualistischer gen im Stadtteil Im Grün südwestlich der bensverhältnisse konnten für die groß - Lebensformen im Stadtteil Vauban. Um Innenstadt dazu. bürgerliche Schicht – östlich der Bahn den Erfolg dieser alternativen Raumpla - Für ihre Produktion brauchen Fabriken wohnend – sicherlich erreicht werden. nung einzuschätzen, wäre es interessant Platz, sie stoßen Emissionen aus und Für die Arbeiterschaft bedeutete es hin - zu schauen, ob und inwiefern sich in der bringen Arbeiter mit sich. Diese Folgen gegen eine Verdrängung an den westli - Green City , wie Freiburg sich heute gerne entsprachen nicht wirklich dem Selbst - chen Stadtrand, was mit dem Bezirk nennt, die – um aktuelle Begriffe zu ver - bild Freiburgs, weshalb sich die städti - Stühlinger einen Namen bekam. Bereits wenden – Ziele der Lebensqualität und schen Behörden im ausgehenden 1875 war begonnen worden, das Gebiet Naturverbundenheit verwirklichen lie - 19. Jahrhundert nicht weiter um indu - westlich des Bahnhofs, bis dahin eine ßen. strielle Ansiedelungen bemühten und eher sumpfige, flache Brache, zu erschlie - 1887 das Ortsstatut (M 1) erließen. Die - ßen. Erst zehn Jahre später wurde der

Quellen für den Unterricht 57 Archivnachrichten 58 / 2019 51 Stadtteil mit dem Bau einer Eisenbrücke dehnten Sozialpolitik , weshalb hier von tivität und Lebensqualität stringent um, über die Bahngleise an die Innenstadt einer Vorreiter -Rolle gesprochen werden jedoch nur für das gehobene Bürgertum. angeschlossen und 1886 nach dem kann. Arbeiter und die damit verbundenen so - Adelsgeschlecht der Stühlinger benannt. Gemäß seinem stadtplanerischen Kon - zialen Probleme wurden möglichst ge - Mit dem Ortsstatut erhielt er nun 1887 zept wies Winterer den süd- und nörd - ringgehalten bzw. nur in Randbezirken seinen Ritterschlag. lich der Altstadt gelegenen Vororten angesiedelt, was die im Ortsstatut 1887 Wiehre und (später) Herdern die (groß-) begonnene Segregation verstärkte. Daher 3a. Die Stadtplanung unter bürgerliche und gehobene Wohnbebau - galten die Kriterien der Lebensqualität Oberbürgermeister Dr. Otto ung zu. Bis zu seinem Ausscheiden 1913 und Naturverbundenheit weiterhin nur Winterer verfolgte er die Entwicklung Freiburgs zu für eine ausgewählte Bevölkerungs - einem Wahlwohnort vermögender Pri - schicht. Die planmäßige weitere Erschließung des vatiers konsequent weiter und sorgte für Stühlingers erfolgte unter dem für Frei - eine Verdoppelung der Einwohner- und 3b. Alternative Ideen – burg wegweisenden Oberbürgermeister Gebäudezahl. Dazu beauftragte der die Gartenstadt Dr. Otto Winterer ab 1888. Winterer ent - Oberbürgermeister die Erneuerung bzw. wickelte aus Ortsstatut und Bauordnung Neuerrichtung wichtiger Infrastruktur - Die Gründung der Gemeinnützigen Bau - ein zusammenhängendes stadtplaneri - einrichtungen wie Wasserversorgung, genossenschaft Gartenstadt Freiburg 1913 sches Konzept, welches den einzelnen Abwasserbeseitigung, Ausbau von Elek - gilt als Geburtsstunde der Gartenstadt Stadtbereichen unterschiedliche Funktio - trizität und Straßenbahn sowie Neu - im heutigen Freiburg-Haslach mit dem nen zu [wies], u. a. der Arbeiterschaft den gründung von Schulen. Um weitere rei - Ziel kostengünstigen Wohnraum [zu Stühlinger. Symbolisch dafür steht die che Neubürger anzulocken, baute Winte - schaffen …] , den [...] Mietskasernen ein Verlegung des städtischen Gaswerks aus rer das kulturelle Leben der Stadt konse - menschliches Maß entgegenzusetzen, hy - der Wiehre in den Stadtteil hinter dem quent aus, beispielsweise mittels eines gienisches und gesundes Wohnen zu er - Bahnhof , an dessen alter Stelle die monu - Neubaus des Stadttheaters, welcher 1910 möglichen und mit Gärten und Ställen mentale Johanneskirche gebaut wurde. fertiggestellt wurde. In seine Amtszeit [… die] Möglichkeit der Selbstversorgung Geplant wurde dieser Bezirk mit ortho - fallen die Gründung der Städtischen insbesondere für Arbeiter zu bieten. Den gonal zueinander liegenden Straßenzü - Sammlungen, der Umbau des Neuen Bewohnern der Gartenstadt sollte ein gen und geschlossener Bauweise ohne Rathauses sowie der Bau des heutigen Ausgleich zur monotonen Lohnarbeit ge - Vorgärten als gewerbliches Mischgebiet , Kollegiengebäudes I der Albert-Ludwigs- boten und das Gefühl vermittelt werden dessen Bebauung neben eher kleinen, Universität. Winterer lockte Studenten, mitten in der Natur zu leben . Ein Bebau - handwerklichen Betrieben im Erdge - Gelehrte und Offiziere an, bewarb neben ungsplan sollte maximale Besonnung und schoss die dazu gehörigen Arbeiter im Universität und Garnison die landschaft - Durchlüftung der Häuser sowie der gro - oberen Stockwerk wohnend aufnehmen lich reizvolle Lage sowie das prachtvolle ßen Gärten erreichen, mittels stilistischer sollte. Größere Betriebe waren nur ver - Münster und suchte für Freiburg als Architekturelemente und ganzheitlicher einzelt vorhanden, wie beispielsweise die Fremdenstadt den Tourismus zu erschlie - Raumordnung wurde das Viertel berei - Orchestrionfabrik Welte. Einzige Auflok - ßen. Frühzeitig sorgte er für den An - chert und bewusst gestaltet. Ursprüng - kerung fand das Rechteckmuster durch schluss des Stadtteils Günterstal an das lich waren öffentliche Gebäude auf die ursprünglich nicht vorgesehene Straßenbahnnetz, um den Besuchern einem zentralen, gartenähnlich gestalte - Herz-Jesu-Kirche auf dem heutigen den Zugang zum Freiburger Hausberg , ten Platz vorgesehen, darum Wohnbe - Stühlinger Kirchplatz. Dieser Bau er - dem Schauinsland, zu erleichtern. Dane - bauung und erst außerhalb davon Indu - folgte von 1892–1897 und wurde durch ben wurden Panoramawege im Stadt - strie- und Gewerbeansiedlungen, die ggf. zwei Schulgebäude hinter dem Chor er - wald und um den Waldsee angelegt. durch eine Eisenbahn mit der Stadt ver - gänzt. Die dadurch erfolgte Aufwertung Zwecks weiterer Steigerung der Attrakti - bunden werden sollten. Ziel war die trug u. a. dazu bei, fast bürgerlich anmu - vität Freiburgs gestaltete Winterer das Kombination der Vorteile eines ländli - tende Häuserzeilen entstehen zu lassen, Stadtbild planmäßig zur mittelalterlichen chen Lebens mit städtischer Infrastruk - in denen die Wohnverhältnisse zwar Stadt um. So initiierte er nicht nur den tur. Das Modell planmäßiger Stadtent - auch eng und unhygienisch waren, aber Freiburger Münsterbauverein und setzte wicklung dazu hatte der Brite Ebenezer nicht wie in den Mietskasernen und sich leidenschaftlich für den Erhalt des Howard bereits 1898 entwickelt. Seine Hinterhöfen anderer Städte. Ein weiterer Münsters ein, sondern sorgte auch für Idee ging über das reine Wohnen hinaus, Grund mag die quantitative Entzerrung die Erhaltung von Schwaben- und Mar - indem sozialreformerische Ziele mit ihr der Arbeiterschaft gewesen sein. Zum tinstor trotz Komplikationen mit dem verbunden wurden, wie lebenslanges einen verfügte Freiburg über relativ Straßenbahnbau und ließ diese gemäß Mietrecht oder Mitbestimmungsrechte wenig industrielle Großbetriebe, zum seiner Mittelaltervorstellung umgestalten der Bewohner. anderen gab es frühe Bestrebungen eines und aufstocken. Berühmt ist sein Aus - Das weitere Ziel der Kostenreduktion sozialen Wohnungsbaus, beispielsweise spruch: Das Dorf hat Dächer – die Stadt wurde mittels verschiedener Maßnah - in den Stadtteilen Beurbarung und hat Türme (Müller, S. 123 und S. 16f.). men umgesetzt, um die Gartenstadt für Freiau, den die Stadt ab 1886 selbst in die Otto Winterer setzte seine klaren Vor - einkommensschwache Schichten attrak - Hand nahm. Das soziale Engagement stellungen über eine (mittelalterliche) tiv zu machen. So nutzte man in Frei - von Fabrikanten, Bürgern und der Stadt Identität Freiburgs und sein ganzheitli - burg sieben standardisierte Haustypen entwickelte sich zu einer bewusst ausge - ches Konzept zur Steigerung von Attrak - zur Verringerung der Baukosten. Die

52 Archivnachrichten 58 / 2019 Quellen für den Unterricht 57 Baugenossenschaft kaufte beim erst 1890 Streitkräfte im damaligen Stadtteil Frei - entstanden ein Kinderabenteuerhof am eingemeindeten noch recht dörflichen burg-St. Georgen nach deren Abzug das Dorfbach und ein Grünareal mit Wei - Haslach billiges Ackerland, um dieses in Quartier Vauban , benannt nach dem dendom sowie Möglichkeiten des urba - wertvolleres Bauland umzuwandeln. Der französischen Festungsbaumeister Séba - nen Gärtnerns. Die nahen Schönberg - dabei entstehende Spekulationsgewinn stien Le Prestre de Vauban. Engagierte wiesen und eingeplante Grünspangen sollte einen Teil der Baukosten tragen. Bewohner suchten ihre städteplanerische tragen viel zur hohen Lebensqualität des Das Land selbst wurde über Erbpacht Vision eines neuen Stadtteils mit konse - Stadtteils bei . vergeben und blieb damit genossen - quent nachhaltiger Umweltpolitik unter Auffällig sind die sehr dichte Besiede - schaftliches Gemeinschaftseigentum. Die Einsatz von erneuerbaren Energien, bür - lung des Stadtteils und das im Durch - Mieter sollten Genossenschaftsmitglieder gerschaftlicher Zusammenarbeit, sozia - schnitt junge Alter der Bewohner. Letzte - werden und neben einem Dauermiet - lem Miteinander sowie lebendiger Nach - res lässt darauf schließen, dass das Quar - recht auch von niedrigen Mieten profi - barschaft umzusetzen. Der Stadtteil tier vor allem von Familien mit (kleinen) tieren, die lediglich nach dem Kosten - sollte zum Modellprojekt für eine nach - Kindern bewohnt wird. Zusammen mit deckungsprinzip erhoben werden soll - haltige und an ökologischen Zielen ausge - der niedrigen Arbeitslosenrate, dem ten. richtete Stadtentwicklung werden. Zur hohen Akademikeranteil und dem gerin - Zwar siedelte auch die Gartenstadtidee Umsetzung dieser Ideen gründete sich gen Anteil von Bewohnern mit Migrati - die Arbeiterschaft vor der Stadt an und 1994 das Forum Vauban , dem 2005 der onshintergrund lässt das auf eine relativ trug so zu einer Segregation bei, wie sie Stadtteilverein Vauban e. V. folgte. große Homogenität der Bevölkerung auch das Ortsstatut 1887 vorsah. Jedoch Das Ziel der ökologischen Verantwor - schließen. Die meisten Einwohner schei - herrschte hier das hehre Ziel eines ge - tung und Nachhaltigkeit wurde einer - nen sich in einer ähnlichen Lebenssitua - sunden Lebens im Grünen, von Lebens - seits mittels eines autoreduzierten Ver - tion mit einem vergleichbaren Hinter - qualität und Naturnähe für die Arbeiter, kehrskonzept [es] realisiert, für das sehr grund und einer übereinstimmenden womit die Gartenstadt gleichsam als Ge - gute Straßenbahn- und Busverbindun - Sozialisation zu befinden. Sie interessie - genentwurf zum Stühlinger gelten kann. gen sowie kurze Versorgungswege ge - ren sich für Umwelt, Nachhaltigkeit und Das Ziel der lebenswerten Stadt sollte den plant wurden. Andererseits gibt es einen die politische Ausrichtung ist eher grün- menschenunwürdigen Lebensbedingungen weitreichenden Einsatz von Solarenergie alternativ. Bestätigung findet diese An - in den Mietskasernen der Städte entge - und Passivhaus- bzw. Niedrigenergie - nahme in der im Stadtteil sehr gebräuch - gengesetzt werden. Leider meinte es die bauweise sowie die Nutzung nachwach - lichen Formulierung des Wohnens auf Realität nicht gut mit der Gartenstadt. sender Rohstoffe zur Wärmegewinnung Vauban , die den Vergleich mit einer Insel U. a. der Erste Weltkrieg sorgte dafür, mittels eines Blockheizkraftwerkes, wel - suggeriert, auf der man lebt im Gegen - dass unter Mithilfe der Bewohner mög - ches mit Holz bzw. Erdgas betrieben satz zum Wohnen in einem Bezirk oder lichst billiger Wohnraum gebaut werden wird und neben einigen Photovoltaikan - einer Stadt. Ist dadurch ein Rückschluss musste, der den Menschen die Möglich - lagen auch für die Stromversorgung zu - auf eine besondere Geschlossenheit des keit zur Selbstversorgung bot, weshalb ständig ist. Mit dem Green-City-Hotel Viertels möglich? Tatsache ist, dass im die Gartengrundstücke prioritär dem entstand eine Herberge mit Passivhaus- Vauban viele Ideen der Nachhaltigkeit, Obst- und Gemüseanbau sowie der Standard als Inklusionsunternehmen, des Umweltschutzes und der Naturnähe Kleintierhaltung dienten. Bemängelt was zum selbstgewählten Anspruch des umgesetzt wurden. Die Lebensqualität wurden neben der schlechten Bausub - sozialen Engagements führt. Dieser An - scheint relativ hoch zu sein. Die Anlage stanz kleine Küchen und fehlende Bäder. spruch fand seinen Niederschlag u. a. im von solidarisch zu nutzenden Angeboten Dennoch wurde der Wohnraum in der Vorrang privater Baugruppen und genos - stärkt den kommunalen Zusammenhalt Freiburger Gartenstadt schnell für den senschaftlicher Wohn-Projekte . Zu nennen im Stadtteil. Inwiefern das zu einer einfachen Arbeiter zu teuer, sodass letzt - wäre hier beispielsweise die sozialinte - selbstgewählten Segregation führt, lässt endlich mit niedrigen Angestellten zwar grative Baugruppe GENOVA , das genera - sich nur vermuten. Interessant wäre die - immer noch kleinbürgerliche Schichten tionenübergreifende Wohnprojekt Son - ses in Bezug auf eine Umkehrung des davon profitierten, aber nicht die ur - nenhof oder der Erhalt einiger Kasernen - Ortsstatutes , welches die Industrie und sprüngliche Zielgruppe. Auch wurden gebäude im Rahmen der Selbstorgani - Arbeiterschaft absondern wollte, wäh - Mitbestimmung und freie Entfaltung sierte Unabhängige Siedlungsinitiative rend sich hier das Bürgertum selbst ab- beispielsweise durch eine strenge Haus - (Projekt – für günstigen Wohnraum), und eingrenzen würde. In jedem Fall er - ordnung, die die Tierhaltung und ge - des Studentenwerks bzw. als Veranstal - scheint das Vauban als ein besonderes naue Nutzung der Gärten regelte, die tungszentrum im Haus 037 , einem selbst - Quartier, das sich vor allem aus bürger - einen ordentlichen Eindruck zu machen verwalteten Stadtteilzentrum oder der schaftlichem Engagement entwickelte, hatten, eingeschränkt, sodass sich die Dienstleistungs-, Kunst- und Handwerks - aber vielleicht die Atmosphäre einer Umsetzung insgesamt vom eigentlichen haus . Zur Unterstützung von nachbar - Stadt wie Freiburg brauchte, um auf Ideal einer Gartenstadt entfernt zeigte. schaftlicher Zusammenarbeit wurde ein fruchtbaren Boden zu fallen. genossenschaftlich organisierter Quar - 3c. Alternative Ideen – tiersladen gegründet, es gibt Second - 4. Fazit das Vauban handläden, einen gemeinsam zu nutzen - den Backofen und vieles mehr zur För - Interessant ist abschließend ein kurzer Seit 1991 entstand auf dem ehemaligen derung von Gemeinschaftssinn und of - Vergleich der exemplarisch betrachteten Kasernengelände der französischen fene [r] Lebenskultur . Nahe bei Freiburger Stadtteile, um mit einem

Quellen für den Unterricht 57 Archivnachrichten 58 / 2019 53 Bezug zum Ortsstatut zu schließen. Allen Ausgangspunkt einer Suche Freiburgs Der Stühlinger – Festschrift zur 850- drei Bezirken gemeinsam sind ein kon - nach stadtplanerischen Alternativen zu - Jahrfeier der Stadt Freiburg i. B. Hg. vom struktiver Umgang mit örtlichen Beson - geschrieben werden, in der eine Atmo - Lokalverein Freiburg-Stühlinger e. V. derheiten bzw. die Suche nach regiona - sphäre entstand, die Innovationen Freiburg 1970. len Alternativen sowie eine daraus er - immer wieder zu- und entstehen ließ. Aktionskomitee 100 Jahre Gartenstadt; wachsene konsequente und holistische Geschichte und Geschichten – 100 Jahre Stadtplanung. Überall fand eine Art von Literatur Gartenstadt Freiburg-Haslach. Freiburg Segregation statt, ob erzwungen oder 22015. selbstgewählt, und in jedem Stadtteil ist Wolfgang Zamzow : Die Industrialisie - Infotafel Quartier Vauban die Suche nach einem ganzheitlichen rung im 19. und 20. Jh. am Beispiel Frei - https://www.freiburg.de/pb/site/Freiburg/ Selbstkonzept zu finden, wobei immer burg. Dokumentationsarbeit R11 SSDL get/params_E1371700308/647912/Info - wieder die Ziele Lebensqualität und Na - BS Freiburg. tafeln_Vauban_de.pdf [aufgerufen am turnähe aufblitzen. Die raumplanerische Heinrich Müller : Oberbürgermeister 02.01.2019]. Umsetzung erscheint bisweilen fast diri - Dr. Otto Winterer – ein Vierteljahrhun - Gerhart von Schulze-Gaevernitz : gistisch und relativ geschlossen, oft visio - dert Entwicklungsgeschichte der Stadt Wovon lebt Freiburg? – Rede des Reichs - när, aber auch ein wenig dogmatisch. Freiburg. Freiburg 1916. tagskandidaten Dr. v. Schulze-Gaevernitz Städtebaulicher Wildwuchs wurde kaum John Mez : Freiburger Verkehrspro - in der Festhalle zu Freiburg i. B. am geduldet und wenig dem Zufall überlas - bleme. Freiburg 1913. 7. Dezember 1911. Freiburg 1911. sen. Geschichte der Stadt Freiburg i.B. – Von Aufgrund der Bereitschaft, Neues aus - der badischen Herrschaft bis zur Gegen - zuprobieren und umzusetzen, kann Frei - wart. Hg. von Heiko Haumann und burgs Weg seit der Industrialisierung zu - Hans Schadek . Bd. 3. Stuttgart 1992. sammenfassend zu Recht als Sonderweg 100 Jahre Stühlinger: 1885–1985. Hg. bezeichnet werden. Das Ortsstatut von vom Lokalverein Freiburg-Stühlinger 1887 hat sicherlich keine Auswirkungen e. V. Freiburg 1885. mehr auf die Raumplanungen des 20. M 1 Ortsstatut über Anlage gewerblicher Etablisse - und 21. Jahrhunderts, dennoch kann ments mit Stadtplan, 1884/87. ihm eine symbolische Bedeutung als Vorlage: Stadtarchiv Freiburg, Sign. C2/71/7.

54 Archivnachrichten 58 / 2019 Quellen für den Unterricht 57 Quellen für den Unterricht 57 Archivnachrichten 58 / 2019 55 56 Archivnachrichten 58 / 2019 Quellen für den Unterricht 57 M 2 „Vogelperspektive von Freiburg im Breisgau“, 1852, von Joseph Wilhelm Lerch (1817–1901). Vorlage: Augustinermuseum Freiburg, Inv.Nr. D 2875.

Heike Bömicke ist Landeskundebeauf - M 3 Freiburg im Breisgau um 1900, Photochrom - tragte des Kultusministeriums Baden- druck. Württemberg und lehrt am Staatlichen Vorlage: Library of Congress, Prints and Photo - graphs Division, Photochrom Prints Collection, LC- Seminar für Didaktik und Lehrerbildung DIG-ppmsca-00298. (Berufliche Schulen) Freiburg.

Quellen für den Unterricht 57 Archivnachrichten 58 / 2019 57 Neue Veröffentlichungen des Landesarchivs Baden-Württemberg

Deutsch–französische Besatzungs- Olympische Spiele: Architektur und Aufarbeiten im Archiv beziehungen im 20. Jahrhundert Gestaltung. Berlin — München — Stutt - Beiträge zur Heimerziehung in der Herausgegeben von Frank Engehausen, gart baden-württembergischen Nachkriegs - Marie Muschalek und Wolfgang Zimmer- Begleitbuch zur Ausstellung zeit mann Herausgeben von Peter Bohl und Herausgegeben von Christian Keitel, Verlag W. Kohlhammer 2018 Markus Friedrich Nastasja Pilz und Nora Wohlfarth Werkhefte der Staatlichen Archivverwal - Verlag W. Kohlhammer 2018 Verlag W. Kohlhammer 2018 tung Baden-Württemberg Serie A Heft 27 192 Seiten, fester Einband/Fadenheftung 160 Seiten, kartoniert 234 Seiten, fester Einband/Fadenheftung € 18,– € 16,– € 20,– ISBN 978-3-17-036208-6 ISBN 978–3–17–035362–6 ISBN 978-3-17-034383-2

58 Archivnachrichten 58 / 2019 Neue Veröffentlichungen des Landesarchivs Baden-Württemberg

Evaluierung von Bewertungsdokumenten Alltag auf der Schwäbischen Alb. Ehrenmitglieder der Staatstheater Beiträge zur archivischen Überlieferungs - Fotografien von Botho Walldorf Stuttgart 1912 –2018 bildung Katalog zur Ausstellung im Staatsarchiv Theatergeschichte in Porträts Herausgegeben von Arbeitskreis „Archi- Sigmaringen und Schönbuchmuseum Herausgegeben von Hanns-Werner vische Bewertung“ im Verband deutscher Dettenhausen Heister Archivarinnen und Archivare e. V. (VdA) Herausgegeben von Ulrich Hägele Verlag W. Kohlhammer 2018 Verlag W. Kohlhammer 2018 Verlag W. Kohlhammer 2018 280 Seiten, fester Einband/Fadenheftung 58 Seiten, kartoniert 128 Seiten, kartoniert € 20,– € 8,– € 12,– ISBN 978–3–17–036094–5 ISBN 978–3–17–036209–3 ISBN 978–3–17–035359–6

Die Bände sind im Buchhandel oder direkt beim Verlag Impressum erhältlich. Landesarchiv Baden-Württemberg Eugenstraße 7, 70182 Stuttgart Alle Neuerscheinungen finden Sie auf der Homepage des Telefon 0711/212-4238 Telefax 0711/212-4283 Landesarchivs Baden-Württemberg (www.landesarchiv- E-Mail: [email protected] bw.de) unter „Aktuelles > Neue Publikationen“. Internet: www.landesarchiv-bw.de

Redaktion: Archivnachrichten und Quellen für den Unterricht finden Dr. Verena Schweizer Sie auch auf der Homepage des Landesarchivs Baden-Würt- Gestaltung: volker müller grafik design, temberg (www.landesarchiv-bw.de) unter „Landesarchiv > Königsbach-Stein Publikationen“. Druck: Printsystem GmbH, Heimsheim

Titelfoto: Signal zur Vermessung des Geländes in Deutsch-Ostafrika, unten Einheimi - Das Heft erscheint halbjährlich und sche, auf der Plattform links Rudolf Gansser, ca. 1899 (siehe Beitrag Seite 8–9). wird kostenlos abgegeben. Vorlage: LABW, HStAS Q 2/48 Bü 51 [8]. ISSN 1437-0018

Archivnachrichten 58 / 2019 59 Landesarchiv Baden-Württemberg

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