SPD – 05. WP Fraktionssitzung: 04. 10. 1966

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4. Oktober 1966: Fraktionssitzung

AdsD, SPD-BT-Fraktion 5. WP, Ord. 14.௔9. 1966 – 14.௔12. 1966 (alt 1040, neu 33). Über- schrift: »Protokoll über die Fraktionssitzung am Dienstag, dem 4. Oktober 1966«. An- wesend: 123 Abgeordnete; Fraktionsassistenten: Bartholomäi, Daul, Gaebler, Glückert, Goller, E. Heinrich, Hofer, Jäger, Laabs, Roth, Scheja, Selbmann, Soell, Sommer; PV: Kosok, Schwartz; SPD-Pressedienst: Dux. Prot.: P. Schmidt. Zeit: 13.15 – 14.55 Uhr.

Tagesordnung: Siehe Anlage Nr. 1.1 eröffnet die Fraktionssitzung mit dem Hinweis, daß sie wegen des Ausflugs der Fraktion nach der Lochmühle unter Zeitdruck stehe. Er bestellte der Fraktion herzliche Grüße von , mit dem er am vergangenen Wochenende zusammengetroffen sei. Einen Brief von Fritz Erler würde er in der Lochmühle verle- sen.2 Der Zustand Fritz Erlers sei unverändert, Prognosen oder Termine sind nicht zu stellen. Allein die Ärzte entscheiden. Herbert Wehner begrüßt Kurt Ross, der als Nachfolger von Heinz Morgenstern, jetzt Staatssekretär in Niedersachsen, vom 21.௔9. 1966 an dem wieder angehört.3 Wegen Krankheit nannte Herbert Wehner als entschuldigt Willi Bäuerle, August Ber- lin, , Fritz Erler und Martin Schmidt. Punkt 1 der Tagesordnung: Politische Berichte Herbert Wehner erklärte, daß das Schwergewicht auf den Washington-Besuch des Bundeskanzlers zu legen ist. Es liege in unserer Hand, zu diesem Sachverhalt die richti- gen Akzente zu setzen. Im Fraktionsvorstand sei darüber ergiebig gesprochen worden, auch sei beschlossen worden, jeweils über den Fortgang der Erörterungen über den Gesetzentwurf zur Förderung der wirtschaftlichen Stabilität in den folgenden Frakti- onssitzungen zu berichten4, weil andere Berichte, z. B. die der allgemeinen Presse, nicht ausreichend seien. Dabei erwähnte er die am Vorabend gelaufene Fernsehsendung mit Kurt Wessel, an der als Vertreter der SPD teilnahm.5 Da auch im Plenum nicht genug zur Sache gesprochen werde, müssen wir eine neue Form finden. Ein ent- sprechender Katalog biete sich gegenwärtig an. Ein Ersatz für den von uns geforderten Sonderausschuß sei jedoch in den der Fraktion zu gebenden Berichten nicht zu erbli- cken; vielmehr soll durch ein nützliches Zusammenwirken der Sache gedient werden. Die aufgabenmäßig betroffenen Arbeitskreise sollen so dem Fraktionsvorstand helfen, die erforderlichen politischen Akzente zu setzen.

1 Die TO (in der Anl.) deckt sich, abgesehen von den Angaben zu den nächsten Terminen, mit der des Prot. 2 Zu dieser Grußadresse Erlers an die Fraktion vom 4. 10. 1966 vgl. SOELL, Erler II., S. 955. – Erler war sich zu diesem Zeitpunkt der Schwere seiner Krankheit offenkundig bewußt; am 8. 9. 1966 hatte er seinen »letzten Willen« verfaßt. Vgl. ebd. sowie ERLER, Politik, S. 5. 3 Das Bundestagsmandat von Morgenstern, nun Staatssekretär im niedersächsischen Ministerium für Bundesangelegenheiten, für Vertriebene und Flüchtlinge, war am 14. 9. 1966 erloschen. Vgl. das Schreiben des Direktors beim Bundestag an Morgenstern vom 15. 9. 1966, Zweitschrift in: AdsD, Fraktionsvorstand. Protokolle und Tgo vom Oktober 65 bis 12. 12. 67. – Kurt Ross hatte dem Bun- destag schon von 1961-18. 8. 1964 angehört. 4 Die knappen Prot. der Vorstandssitzungen geben darüber keine nähere Auskunft. 5 Es handelte sich um die von Kurt Wessel – vgl. Nr. 64, Anm. 33 – geleitete Sendung »Unter uns gesagt«, vom 3. 10. 1966.

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Herbert Wehner erwähnte sodann einen Brief, der von PANORAMA vielleicht mehre- ren Abgeordneten gesandt worden ist.6 Danach erhielt Ernst Schellenberg das Wort zu seinen sozialpolitischen Ausführungen, die im wesentlichen in der Presseveröffentlichung der Fraktion Nr. 394/66, vom 4. Oktober 1966, wiedergegeben worden sind (siehe Anlage Nr. 2).7 Wortmeldungen zu den Ausführungen Schellenbergs erfolgten nicht. Zu dem PANORAMA-Brief erklärte , daß er die im Zeitraum der 2. Legislaturperiode des Deutschen Bundestages erfolgte Schützenpanzer-Beschaffung betreffe.8 Seinerzeit seien sicherlich Fehler und Ordnungswidrigkeiten vorgekommen, die heute – wenn überhaupt noch eindeutig nachweisbar – nur noch schwierig faßbar sind. Dennoch könne es auf die zwei Fragen ankommen, ob seinerzeit die Bundesregie- rung Kenntnis von der Unbrauchbarkeit der angeschafften Schützenpanzer hatte und ob in diesem Zusammenhang Geld in die Kasse der CDU (CSU) gelangte.9 Die Bemü-

6 Gemeint ist die Zeitschrift »Deutsches Panorama«; zur Sache vgl. weiter unten im Prot. 7 In »Die Fraktion teilt mit« Nr. 394/66 vom 4. 10. 1966 werden sie so referiert: »Prof. Dr. Schellen- berg gab der Fraktion einen Überblick über die derzeitige sozialpolitische Situation. Er nahm dabei Bezug auf Äußerungen, die der Bundesarbeitsminister in Interviews und Reden über seine langfristi- gen gesetzgeberischen Absichten machte. Dabei zeigte Schellenberg erhebliche Widersprüche auf, die sowohl zwischen den einzelnen Verlaut- barungen des Bundesarbeitsministers wie auch zwischen diesen Verlautbarungen einerseits und dem Handeln der Bundesregierung andererseits klaffen; so z. B. ein Widerspruch zwischen dem Inhalt der Versprechungen, die die Bundesregierung zur Neuregelung der Kriegsopferversorgung gemacht hat und dem jetzt dem Bundesrat zugeleiteten Gesetzentwurf eines Dritten Neuordnungsgesetzes. Der Bundesarbeitsminister behauptet z. B., daß durch diesen Gesetzentwurf die Anrechnungsvorschrif- ten weitgehend beseitigt würden, während im Gesetzentwurf nur eine Anpassung der Freibeträge vorgesehen ist. Auf dem Gebiet der Krankenversicherungsreform, der Lohnfortzahlung, der Novelle des Arbeitslo- senversicherungsgesetzes und des Berufsausbildungsgesetzes gibt es erhebliche Widersprüche zwi- schen den Terminzusagen, die der Bundesarbeitsminister im Parlament und in der Öffentlichkeit gemacht hat. Das angekündigte Vorhaben des Bundesarbeitsministers, Sozialinvestitionen mit Mitteln der Renten- versicherung durchzuführen, ist infolge der derzeitigen Finanzpolitik der Bundesregierung, die den Rentenversicherungen in immer stärkerem Maße Schuldbuchforderungen auferlegt, illusorisch.« 8 Gemeint war die Beschaffung des Schützenpanzers HS 30. Aufgrund eines Holzmodells war ein Vertrag mit der Firma Hispano-Suiza über die Lieferung von 12 000 Fahrzeugen geschlossen wor- den. Trotz einer Umkonstruktion erwies sich der Schützenpanzer, von dem im September 1959 die ersten Fahrzeuge an die geliefert wurden, als »bedingt truppenverwendungsfähig, nicht kriegsverwendungsfähig«. So STRAUSS, Erinnerungen, S. 289 f., der die Schuld an dem HS 30 »Skan- dal«, der ihm »angelastet« worden sei, dem ersten »interimistischen Heeresinspekteur« gibt. Zu den Beschaffungsvorgängen vgl. auch die Antwort von BMVtdg von Hassel vom 18. 11. 1966 auf eine Kleine Anfrage der SPD-Fraktion; BT Anl. 108, Drs. V/1135. Die Monatszeitschrift »Deutsches Pa- norama« hatte in ihrer August-Ausgabe in einem Artikel »Stapellauf einer Staatsaffäre« u. a. den Vorwurf erhoben, daß im Zusammenhang mit der Beschaffung des HS 30 Bestechungsgelder an hohe Regierungsbeamte und die CDU gezahlt wurden und mit Personen zusammengearbeitet wurde, die im Verdacht nachrichtendienstlicher Beziehungen zu Ostblockländern standen. Vgl. auch »Die SPD- Fraktion teilt mit« Nr. 300/66 vom 26. 7. 1966; ferner die Oktober-Ausgabe von »Deutsches Pano- rama« mit einem Gespräch mit dem Schweizer Oberstleutnant Paul Schaufelberger; »« Nr. 44 v. 24. 10. 1966, S. 14, 17. 9 Die Behauptung, daß im Zusammenhang mit der Beschaffung des Schützenpanzers HS 30 Geld an die CDU gezahlt worden sei, hatte schon die »Frankfurter Rundschau« in zwei Artikelserien »Das Geschäft mit der Rüstung« (April bis August 1957) und »Das Geschäft seines Lebens« (6.-16. 12. 1958) erhoben. Vgl. bes. die Ausgaben vom 27. 8. 1957 und 16. 12. 1958. Sie wurden von »Deutsches Panorama« Nr. 9 erneut hervorgebracht.

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hungen um eine heute sehr erschwerte Aufklärung kann man nur im Ausschuß fortset- zen, wozu der Fraktionsvorstand Auftrag erteilt habe.10 Vorderhand sei jedoch in dieser Sache nicht mehr »drin«, als ein kleiner Anfang, denn der Sachverhalt sei alt. vertrat die Auffassung, diese Angelegenheit zurückzustellen und eine Fortsetzung der Untersuchungen im Ausschuß nicht zu betreiben, zumal der mit dieser Sache in Rede stehende frühere Botschafter Holzapfel11 keine sichere Informationsquel- le sei. Punkt 2 der Tagesordnung: Vorbereitung der Plenarsitzungen Karl Mommer verwies auf die Tagesordnung über die 60., 61. und 62. Sitzung am 5., 6. und 7. Oktober 1966 (Anlage 3).12 Herbert Wehner erwähnte dazu, daß sich die 60. Plenarsitzung mit den Fragen zu befassen habe, die durch die Washington-Reise des Bundeskanzlers bedingt sind.13 Gründliche Beratungen zu allen Einzelfragen seien erforderlich, denn die SPD hat sich bereits weitgehend geäußert, während die bisherigen Auslassungen des Bundeskanzlers in dieser Hinsicht nur als »magere« Erklärungen anzusehen sind.14 Insbesondere muß das Ergebnis der Reise geklärt werden. Es stehe auch die Debatte zum Haushaltsplan 1967 an.15 Die Presse habe bereits den Haushaltsplan, wir jedoch noch nicht. Somit handelt es sich um einen auf einer Fiktion aufgebauten Haushaltsplan.16 Erhard müsse gestellt werden; auch Schröder werden wir

10 Aus einem von Gaebler verfertigten »Vermerk für Gen. Fritz Erler. Betr.: Fraktionssitzung vom 4. Oktober 1966«, AdsD, Fraktion. Protokolle u. Tgo I 19. 10. 65-27. 4. 67, ergibt sich, daß Jahn im Auftrag des Vorstandes »das vorliegende Material« geprüft hatte. 11 (1900-1969), MdB (CDU) 1949-1953. Mitbegründer der CDU, 2. Vors. der CDU für die britische Zone 1946-1950, der CDU 1950-1953, 1952-1958 Gesandter bzw. Botschafter in der Schweiz. Holzapfel gab gegenüber der Zeitschrift »Deutsches Panorama« zu verstehen, er habe von den Beschaffungsvorgängen Kenntnis gehabt, könne aber wegen seiner Schweigepflicht keine Details nennen. Vgl. auch »Der Spiegel« Nr. 44 vom 24. 10. 1966, S. 17, 19 und 22 – Zum Fortgang vgl. Nr. 159, TOP 4 c. 12 D. h. die vom 3. 10. datierte, von Gerstenmaier gezeichnete TO. Auf dem Exemplar in der Anl. sind Veränderungen und Ergänzungen hs. eingetragen worden. 13 Bundeskanzler Erhard gab in der Sitzung am 5. 10. 1966 eine »Erklärung der Bundesregierung« aus Anlaß seiner Washington-Reise ab. BT Sten. Ber. 62, S. 2940-2944. Für die SPD-Fraktion sprachen dazu Wehner, S. 2949-2958, H. Schmidt, S. 2964-2970, Möller, S. 2982-2984, und Jaksch, S. 2986 f. – Ein von der SPD-Fraktion am 5. 10. eingebrachter Entschließungsantrag »zu der Erklärung der Bun- desregierung« wurde in den Ziff. 2-5 dem Auswärtigen Ausschuß überwiesen. Die Ziff. 1, in der die »Erklärung« als »unbefriedigend« bezeichnet wurde, lehnte die Mehrheit ab. Ebd. S. 2988 f. und 2991 (Anl. 2). 14 Außer dem gemeinsamen Kommuniqué über die Erhard-Johnson-Besprechungen vom 26.- 27. 9. und dem Danktelegramm Erhards vom 28. 9. 1966 – Bulletin Nr. 128 vom 30. 9. 1966, S. 1017-1019 – lag keine offizielle Stellungnahme Erhards vor. – Vgl. dazu die kritischen Bemerkungen von Wehner in seiner Plenarrede vom 5. 10. 1966; BT Sten. Ber. 62, S. 2949, 2952 f. und 2955. In einer Sitzung des Außenpolitischen Arbeitskreises am 4. 10. 1966 wurde das Vorgehen der Fraktion ausführlich vorbe- sprochen. Vgl. den von Gaebler verfertigten »Vermerk an Gen. Fritz Erler, Sitzung des außenpoliti- schen Arbeitskreises vom 4. Oktober 1966«, AdsD, Fraktion. Protokolle u. Tgo I 19. 10. 65-27. 4. 67. 15 Die 1. Lesung des Bundeshaushaltsplans 1967 begann am 8. 11. 1966; vgl. Nr. 158, TOP 5. 16 Die BReg hatte den Bundeshaushalt 1967 in Höhe von 73,9 Mrd. am 27. 9. 1966 verabschiedet, »ohne daß seine Deckung gesichert war«. HILDEBRAND, Erhard, S. 217. Er basierte u. a. darauf, daß der Bund wie in den letzten Jahren 39% der Einkommen- und Körperschaftssteuer erhielt und insgesamt 5 Mrd. Mehreinnahmen durch eine günstige Wirtschaftskonjunktur zu erwarten seien. Vgl. auch AdG 1966, S. 12665 f. sowie Nr. 153, Anm. 19. – Der Öffentlichkeit war der Haushaltsplan 1967 be- reits am 30. 9. 1966 übergeben worden. In der Sendung »Das Interview« des Westdeutschen Rund- funks hatte der Haushaltsexperte der SPD-Fraktion Hermsdorf u. a. kritisiert, daß der Haushalts-

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»auftischen«.17 Dabei haben wir es mit einem ernstzunehmenden Gegner zu tun. Es erfolgten keine Wortmeldungen. Danach erstattete Karl Schiller Bericht über den Stand der Beratungen betreffend den Gesetzentwurf zur Förderung der wirtschaftlichen Stabilität. Dieser Komplex berühre vornehmlich den Rechtsausschuß, den Sozialausschuß, sowie den Ausschuß für Wirt- schaft und die entsprechenden Arbeitskreise der Fraktion. Er empfahl, das Protokoll, in das wichtige Eintragungen gemacht worden sind, genau zu verfolgen.18 Die Frage, ob eine öffentliche Anhörung erfolgen werde, sei noch nicht ausdiskutiert. Die SPD werde jedoch auf ein Hearing drängen. Karl Schiller erneuerte die Bitte, weil Kampfabstimmungen zu erwarten sind, daß alle in Betracht kommenden Ausschußmitglieder jeweils anwesend sind. Sodann berichtete Karl Mommer zu Punkt 3 der Tagesordnung über die Plenarsitzun- gen, daß die Bundesregierung gestern (3. Oktober 1966) dem Bundestag die Sozialen- quete als Dokument zugeleitet hat. Sie stehe jedoch noch nicht auf der Tagesordnung. Dazu werde Ernst Schellenberg noch etwas sagen.19 Weiter erklärte Karl Mommer, daß

entwurf die Devisenausgleichszahlungen nicht berücksichtigte und bei der Einkommen- und Kör- perschaftssteuer ein Bundesanteil von 39% zu Grunde läge, während dieser nach geltendem Recht ab 1967 nur 35% betrage. Er wandte sich ferner gegen indirekte Steuererhöhungen und eine Kürzung der Kilometerpauschale. »Die SPD-Fraktion teilt mit« Nr. 389/66 vom 1. 10. 1966. 17 Wehner griff in seiner Plenarrede vom 5. 10. 1966 mehrfach Schröder an. Er bezog sich besonders auf die »Klischee-Antworten« Schröders vom 3. 10. 1966 auf die Kleine Anfrage der SPD-Fraktion vom 14. 9. zu Erhards Erklärungen zur Europapolitik. Schröder bezeichnete in einer Erwiderung diese »sehr detaillierte« Kleine Anfrage der SPD-Fraktion »als einen Mißbrauch des Instruments der Klei- nen Anfrage« und verlas schließlich – nachdem ihn auch H. Schmidt in diesem Punkt kritisierte – seine Antwort auf die Kleine Anfrage. Als Schäfer (SPD) dann auch den Wortlaut der Kleinen An- frage zu verlesen begann, wurde ihm nach einer Geschäftsordnungskontroverse von der amtierenden Vizepräsidentin (CSU) das Wort entzogen. BT Sten. Ber., S. 2949-2952, 2957, 2963- 2965, 2971-2973; BT Anl., 107, Drs. V/963. 18 In »Die SPD-Fraktion teilt mit« Nr. 394/66 vom 4. 10. 1966 wird Schillers Bericht ausführlicher referiert. Es heißt darin: »Prof. Schiller übte in diesem Zusammenhang Kritik an der Form der Bera- tung im Wirtschaftsausschuß, die öfters die nötige Kooperation mit den Vertretern der SPD durch Abgeordnete der Koalitionsparteien vermissen lasse. Die SPD habe vorgeschlagen, bei den Hearings auch Mitglieder des Sachverständigenrates zu hören. Sie sei von der Mehrheit mit der Begründung niedergestimmt worden, daß die Sachverständigen in einen Interessenkonflikt geraten könnten. Die SPD halte es für unangebracht, daß ordentliche Pro- fessoren deutscher Universitäten im Deutschen Bundestag nicht gehört werden können, weil sie Mit- glieder des Sachverständigenrates sind. Nach Beendigung des ersten Durchgangs der Beratungen werde die SPD voraussichtlich morgen mittag zwei Entschließungsanträge und 17 paraphierte Ergänzungs- und Änderungsanträge vorlegen. Fünf davon betreffen die bereits in der Bundestagsdebatte anläßlich der 1. Lesung aufgeführten ›Es- sentials‹. Bei den übrigen Anträgen handelt es sich um Verbesserungsvorschläge zum Regierungs- entwurf, die gleichfalls bereits in der Aussprache zur 1. Lesung angekündigt worden sind. Die SPD mache dabei den Vorbehalt, daß sie die gestellten Anträge ändern oder neue Anträge einreichen wer- de, wenn dies nach dem Ergebnis der bevorstehenden Hearings oder der gutachtlichen Äußerungen anderer Bundestagsausschüsse erforderlich sei.« In SPD-Pressemitteilungen Nr. 501/66 vom 7. 10. 1966 äußerte sich Schiller ähnlich. Zur Beratung im Wirtschaftsausschuß vgl. Nr. 157, Anm. 6, zu den »Hearings« vgl. Nr. 159, TOP 1. 19 Der im Auftrag der BReg erstattete Bericht der Sozialenquete-Kommission über die »Soziale Siche- rung in der Bundesrepublik Deutschland (Sozialenquete)« war dem Präsidenten des Bundestages am 3. 10. zugeleitet worden. BT Anl. 107, Drs. V/961. Er erschien als Sonderdruck. Dieser war den Ab- geordneten schon Anfang August vom Verlag zugestellt worden. Vgl. Die SPD-Fraktion teilt mit Nr. 314/66 vom 3. 8. 1966. – Schellenberg kündigte in der Fraktionssitzung an, daß in »einer gemeinsa- men Sitzung der Arbeitskreise Finanz-, Wirtschaft- und Sozialpolitik« die Plenardebatte zur Sozia-

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Punkt 4 der Tagesordnung über die 60. – 62. Plenarsitzung betreffend Einrichtungshilfe für die Sowjetzonenflüchtlinge ohne Aussprache in den Ausschuß verwiesen werden soll.20 Zum 3. Rentenversicherungs-Änderungsgesetz (Punkt 5 der Tagesordnung) sollen Ernst Schellenberg und Arthur Killat sprechen.21 Dies veranlaßte Ernst Schellenberg zu der Erklärung, daß wir selbstverständlich bereit sind, die politische Verantwortung für eine Beitragserhöhung zu tragen, wenn sie durch den Altersaufbau der versicherten Bevölkerung und die Leistungsverbesserungen nötig ist.22 Karl Mommer verwies sodann auf Punkt 6 der Tagesordnung der Plenarsitzung und erwähnte, daß in der ersten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über technische Arbeitsmittel sowohl Heinrich Stephan als auch sprechen werden.23 Zu den nächsten Punkten der Tagesordnung werde keine Debatte stattfinden. Zu Punkt 3 der Tagesordnung: Vorlagen aus den Arbeitskreisen a) Antrag betr. Bildungsurlaub (Anlage 4)24 Dem Antrag wurde ohne Aussprache zugestimmt. b) Erhöhung der Ausgleichssteuersätze bei der Umsatzsteuer, insbesondere für Stahl- und Textilerzeugnisse25 Hans Müthling gab eine erläuternde Darstellung zur Sache. Die zuständige Gruppe empfehle Ablehnung.26

lenquete vorbereitet werden solle; nach »Vermerk für Gen. Fritz Erler Betr.: Fraktionssitzung vom 4. Oktober 1966«, Verfasser: Gaebler. Schellenberg hatte schon im Anschluß an die Fraktionssitzung vom 20. 9. 1966 einen Kreis interessierter SPD-Abgeordneter ausführlich über die Vorgeschichte und den Inhalt der Sozialenquete und ihre Beurteilung durch die SPD unterrichtet. Vgl. den von Gaebler für Erler gefertigten »Bericht über die Fraktionssitzung vom 20. September 1966«, S. 4-6 (»Betrifft: Sozial-Enquete«). »Vermerk« und »Bericht« AdsD, Fraktion. Protokolle u. Tgo I 19. 10. 1965-27. 4. 67. – Die Sozialenquete kam erst am 27. 1. 1967 auf die TO des Plenums und wurde nach einer kur- zen Erklärung von Schellenberg dem Ausschuß für Sozialpolitik überwiesen. BT Sten. Ber. 63, S. 4133. 20 Vgl. Nr. 153, TOP 2 b, bes. Anm. 62 und zur Ausschußüberweisung am 5. 10. 1966 BT Sten. Ber. 62, S. 2989. 21 Zur 1. Lesung am 7. 10. 1966 sprachen für die SPD-Fraktion neben Schellenberg und Killat noch Rohde und Behrendt. Ebd. S. 3022-3026, 3032-3036, 3038-3040. 22 »ist« vom Protokollanten P. Schmidt hs. verbessert für »sind«. – Sowohl Schellenberg wie Killat machten in ihren Reden entsprechende Andeutungen. Ihre Kritik richtete sich vorrangig darauf, daß die vorgesehenen Beitragserhöhungen deshalb nicht gerechtfertigt seien, weil Mittel der Rentenversi- cherung »zweckentfremdet abgeschöpft« würden. Vgl. die vorige Anm. 23 Die Beratung wurde auf die Plenarsitzung vom 14. 10. 1966 verschoben; für die SPD-Fraktion sprach nur Stephan. BT Sten. Ber. 62, S. 3042 und 3144-3150. 24 »(Anlage 4)« und im weiteren jeweils »(Anlage. . .)« hs. von P. Schmidt ergänzt. – Der vom AK Innenpolitik vorgelegte Antrag bezog sich auf Empfehlungen von Bildungs- und Wissenschaftsorga- nisationen; er wurde am 4. 10. 1966 eingebracht. BT Anl. 107, Drs. V/965. Zum Vorlauf vgl. Nr. 149, TOP 3. 25 Es handelte sich um einen Gesetzentwurf der BReg zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes, der vom federführenden Finanzausschuß im Mai und September 1966 beraten worden war. Vgl. ebd., Drs. V/1004. 26 Es ging in der Sache darum, durch eine Erhöhung von Grenzausgleichssätzen für bestimmte Waren- bereiche Wettbewerbsverzerrungen abzubauen. Nach »einhelliger Auffassung der Mitglieder des Fi- nanzausschusses« sollten vor der grundlegenden Umstellung der Umsatzsteuer auf ein System der Mehrwertsteuer eigentlich keine Veränderungen am geltenden Umsatzsteuerrecht vorgenommen

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Karl Schiller erklärte, daß die Angelegenheit in den Arbeitskreisen noch nicht bespro- chen worden ist. Er wies auf den August-Bericht des Ifo-Instituts hin, wonach unsere Wirtschaft auf dem Wege in die Stagnation sei.27 Dagegen betreibe die Bundesbank weiter ihre Restriktionspolitik. Hilfe solle aber auch der Textilindustrie zuteil werden. Bei der Textilindustrie liegen neben der allgemeinen Stagnation, die die deutsche Wirt- schaft gegenwärtig durchmacht, auch einige strukturelle Schwierigkeiten vor, nicht aber bei der Stahlindustrie. Deshalb weise er darauf hin, daß wir auf einem falschen Wege sind. Hans-Jürgen Junghans gab einen Hinweis auf die unterschiedlichen Umsatzsteuersät- ze, wie sie in Frankreich angewendet werden, und bemerkte, daß dadurch Wettbe- werbsverzerrungen bedingt sind. Herbert Wehner gab zu bedenken, daß wir uns nicht in eine ungute Situation hinein- manövrieren lassen dürfen. Er schlug vor, daß die Angelegenheit dem Arbeitskreis zu überweisen ist. Hermann Ahrens erinnerte, daß dieser Komplex bereits im PPP behandelt worden ist.28 Alex Möller erklärte, daß, nachdem die Abstimmung im Ausschuß ausgesetzt war, am 5. Oktober 1966 im Finanzausschuß eine Entscheidung erfolgen werde.29 Herbert Wehner wünschte daher, daß ihm in dieser Fraktionssitzung Sachverständige sagen sollen, was zu tun ist. Daraufhin schlug Alex Möller vor, sich der Stimme zu enthalten. Hans Müthling könne begründen. So wären wir frei, zu operieren. Hans Geiger setzte sich danach dafür ein, daß auch die Textilindustrie nicht übersehen werden möge. Danach stellte Herbert Wehner erneut fest, daß es in diesem Augenblick auf eine Vor- entscheidung ankomme. Er ließ darüber abstimmen. Die Abstimmung ergab mit Mehrheit: Stimmenthaltung im Ausschuß.30 c) Kleine Anfrage betr. Landwirtschaftliche Veredlungswirtschaft (Anlage 5)31 Die Fraktion stimmte ohne Aussprache zu. d) Kleine Anfrage betr. Beschlüsse des EWG-Ministerrats über die Harmonisierung der Preise für Milch und Milchprodukte (Anlage 6)32

werden. Trotz dieser Bedenken schlug der Finanzausschuß schließlich am 21. 10. 1966 vor, eine Er- höhung bei einer Reihe von Waren vorzunehmen, so u. a. bei Eisen und Stahl, Textil und Bekleidung, Holz und Papier, Chemie etc. Vgl. den Ausschußbericht ebd. Drs. V/1004. 27 Im Or. »IVO«. Gemeint ist das IfO-Institut für Wirtschaftsforschung in München, auf dessen Ein- schätzung von einem »sich selbst nährenden Schrumpfungsprozess« sich Schiller auch später berief. Vgl. BT Sten. Ber. 62, S. 3364. 28 Ein entsprechender Artikel des PPP aus dieser Zeit ließ sich nicht finden. 29 Der Finanzausschuß beriet über den in Anm. 25 zitierten Gesetzentwurf am 5. 10. und abschließend am 13. 10. 1966. Vgl. BT Anl. 107, Drs. V/1004. 30 Der am 21. 10. 1966 vorgelegte Ausschußbericht – ebd. – enthielt keine Angaben über Abstimmun- gen im Ausschuß. 31 Die gleichlautende Kleine Anfrage der Abgeordneten Schmidt (Gellersen), Marquardt, Fellermaier »und Genossen« vom 4. 10. (in der Anl.) übernahm wesentliche Teile des am 20. 9. abgelehnten Ent- wurfs; vgl. Nr. 155, TOP 3. Sie wurde am 6. 10. eingebracht und am 19. 10. 1966 vom BML Höcherl beantwortet; BT Anl. 107, Drs. V/973 und 1008. 32 Die Kleine Anfrage der gleichen Abgeordneten wie zuvor (Anl.) wurde am 6. 10. eingebracht und am 31. 10. 1966 vom BML Höcherl beantwortet; ebd., Drs. V/978 und 1089.

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Die Fraktion stimmte ohne Aussprache zu. e) Kleine Anfrage betr. Ortsklassenveränderung (Anlage 7)33 Die Fraktion stimmte ohne Aussprache zu. f) Obmann im Fallex-Ausschuß (Anlage 8)34 Herbert Wehner schlug Gerhard Jahn vor. Die Fraktion stimmte ohne Aussprache zu. Punkt 4: Die nächsten Termine (Siehe Tagesordnung – Punkt 4 – )35 Heute um 15.00 Uhr Abfahrt zur Lochmühle. Teilnehmerkarten sind am Montag, d. 3.௔10. in das Fach gelegt worden. Dienstag, d. 11.௔10. um 11.00 Uhr Vorstandssitzung '' '' 15.45 Uhr Fraktionssitzung. (Von 14.30 – 15.30 findet eine Fragestunde wegen des Besuchs des Speakers des Unter- hauses statt.)36 Zu Punkt 5: Verschiedenes erfolgten keine Wortmeldungen. Schluß der Sitzung 14.55 Uhr Für das Protokoll: Paul Schmidt

33 Vorgelegt am 4. 10. vom AK Innenpolitik (Anl.) und eingebracht am gleichen Tage. Sie bezog sich auf die Höherstufung von 513 Orten in die Ortsklasse S. Beantwortet wurde sie vom BMI am 18. 10. 1966. Ebd., Drs. V/967 und 1014. 34 Vgl. Nr. 155, TOP 4. In der beiliegenden Liste »Vorschlag für die Besetzung der Fallex-Übung« von Anfang Oktober 1966 [Tag unleserlich] wurden die Namen von 18 SPD-Abgeordneten – ohne Un- terscheidung nach ordentlichen und stellv. Mitgliedern – aufgeführt. Gegenüber der Vorschlagsliste vom 20. 9. waren Horst Schmidt (Offenbach), Saxowski und Wellmann anstelle von Buchstaller, Hansing und Liehr hinzugekommen. Der Fraktionsvorstand hatte diese »neue Liste« zuvor gebilligt und beschlossen, Jahn »der Fraktion als Obmann unserer Mitglieder« vorzuschlagen. Prot. der Vor- standssitzung am Dienstag, d. 4. 10. 66, AdsD, Fraktionsvorstand. Protokolle und Tgo von Okt. 65 bis 12. 12. 67. – Gaebler gibt demgegenüber in seinem »Vermerk« für Erler – siehe Anm. 10 – an, H. Schmidt sei als Obmann und Jahn als Stellv. benannt worden. – Zum Bericht über den Fallex- Ausschuß vgl. Nr. 159, TOP 2. 35 Nach der TO in der Anl. 36 Vgl. Nr. 155, Anm. 5.

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