Hydrologie des Rheineinzugsgebietes | Kapitel 2

2 2 Hydrologie des Rheineinzugsgebietes Der Rheinlauf wurde bereits 1820 in Worms und Mainz, beginnt sich das sechs Teilstrecken untergliedert: Verhältnis umzukehren. Am Nieder- Alpenrhein, Hochrhein, Oberrhein, rhein schließlich sind die Winterhoch- Mittelrhein, Niederrhein und Rhein- wasser maßgebend. Es kann deshalb delta (Abbildung 2.1). davon ausgegangen werden, dass die Sommerhochwasser am Oberrhein Im Verlauf des Rheins verschiebt sich in der Regel am Niederrhein keine das Verhältnis der mittleren Hoch- schädlichen Auswirkungen haben. wasserabflüsse (MHQ) für Winter- und Diese Verschiebung der Hochwasser- Sommerhalbjahre deutlich (Tabelle 2.1). verhältnisse ist in Abbildung 2.2 Am Hochrhein treten die größeren dargestellt. Für den Pegel Rees ist Hochwasserabflüsse im Sommer auf. zusätzlich dargestellt, wie sich im Ebenso ist auch der südliche Oberrhein mittleren Jahresgang die NQ- und vom Sommerhochwasser bestimmt. MQ-Entwicklung gegenüber den Am nördlichen Oberrhein, zwischen MHQ darstellt (Abbildung 2.3).

Tabelle 2.1: Mittlere vieljährige Hoch- Pegel Einzugsgebiet Wi MHQ So MHQ Wi MHQ : So MHQ 2 3 3 wasserabflüsse (MHQ) für [km ][m/s] [m /s] Winter- und Sommerhalbjahre an den Pegeln des Rheins Rheinfelden 34.550 2.220 2.590 0,86 : 1,0

Maxau 50.196 2.650 2.690 1,0 : 1,0

Worms 68.827 3.060 2.720 1,1 : 1,0

Mainz 98.206 3.880 2.980 1,3 : 1,0

Köln 144.232 6.300 3.810 1,7 : 1,0

Rees 159.300 6.530 3.940 1,7 : 1,0

18 Hydrologie des Rheineinzugsgebietes | Kapitel 2

Ijssel Amsterdam Abbildung 2.1: Einzugsgebiet des Rheins

Den Haag Arnhem Neder Rijn Rotterdam Lobith

Lippe

Niederlande

Ruhr Düsseldorf W up per

Köln

R Bonn h e Belgien in

Koblenz l se Frankfurt Mo

Mainz Regnitz Bingen

Luxemburg

Heidelberg Nürnberg st g Saar Ja

Karlsruhe

e l l e

s o

M Stuttgart Strasbourg

M eu Frankreich rthe

Rhine Freiburg

Mulhouse Bodensee

Zürich Basel Reuss Zürichsee Österreich Liechten- Vaduz stein Vierwaldstätter See

Bern Neuenburger Schweiz See Lausanne

Genfer See

Genf

Kartographie: Landesumweltamt Italien Nordrhein-Westfalen

Legende

Rheindelta Niederrhein Mittelrhein Staatsgrenze/ Oberrhein Border Maßstab/Scale 1 : 3.000.000 Hochrhein Alpenrhein Gewässer/Waters 0 25 50 75km

19 Hydrologie des Rheineinzugsgebietes | Kapitel 2

2

5000 Abbildung 2.2: Rees Vieljährige MHQ Düsseldorf der Rheinpegel, 4500 Köln Jahresreihe 1930 – 1996 Andernach Kaub 4000 Mainz Worms

/s] Speyer 3 3500 Maxau Rheinfelden 3000

2500

2000

1500 Mittlerer HochwasserabflussMittlerer [m

1000

500

0 Nov Dez Jan Feb Mrz Apr Mai Jun Jul Aug Sep Okt

20 Hydrologie des Rheineinzugsgebietes | Kapitel 2

5000 Abbildung 2.3: Vieljährige MNQ, MQ, MHQ 4500 MHQ 1930/1996 des Pegels Rees/Rhein MQ 1930/1996

4000 MNQ 1930/1996

3500

3000 /s] 3

2500

Abfluss [m 2000

1500

1000

500

0 Nov Dez Jan Feb Mrz Apr Mai Jun Jul Aug Sep Okt

21 Untersuchungsgebiet | Kapitel 3

3 3 Untersuchungsgebiet Das Untersuchungsgebiet erstreckt In NRW schützen ca. 320 km Hoch- sich auf den Niederrhein und ist fast wasserschutzanlagen rd. 1.600 km2 vor identisch mit dem nordrhein-west- Überflutung durch den Rhein, das sind fälischen Rheinabschnitt mit einer 4% der Fläche von NRW, auf der 8% Länge von 226 km. Hier verlässt der der Bevölkerung des Landes leben. Rhein kurz vor Bonn das rheinische Im Regierungsbezirk Düsseldorf sind es Schiefergebirge und tritt in eine im sogar 25% der Fläche, die durch Deiche weiteren Verlauf immer weiter und vor Rheinhochwasser bewahrt werden. flacher werdende Ebene ein, wo er als Die Überflutungshöhe in den Poldern Flachlandstrom in breiten Mäandern beträgt in Bergsenkungsgebieten bis fließt. Von dem ca. 185.000 km2 großen über 10 m. Im potentiellen Über- Gesamteinzugsgebiet des Rheins ent- flutungsgebiet in NRW befinden sich fallen auf NRW ohne die Ijsselmeer- Werte von rd. 250 Mrd. DM , wovon die zuflüsse 22.795 km2. Der wesentliche weitaus höchsten Anteile auf Duisburg Teil des nordrhein-westfälischen (16%), Köln (15%) und Düsseldorf (9%) Rheineinzugsgebiets liegt rechts- entfallen (RWTH, RHEINISCH-WESTFÄLISCHE rheinisch und umfasst u.a. die Ein- TECHNISCHE HOCHSCHULE AACHEN, MINISTE- 2 zugsgebiete der Sieg (AEo= 2.861 km ), RIUM FÜR UMWELT, RAUMORDNUNG UND LAND- 2 der (AEo= 827 km ), der WIRTSCHAFT DES LANDES NRW UND PRO AQUA 2 (AEo= 4.485 km ) und der INGENIEURGESELLSCHAFT FÜR WASSER- UND 2 (AEo= 4.882 km ). Größtes linksrheini- UMWELTTECHNIK MBH 2000). sches Nebengewässer des Rheins . in NRW ist die mit einem Einzugs- gebiet von 1.828 km2.

22 Untersuchungsgebiet | Kapitel 3

23 Gewässerausbau und Hochwasserschutzanlagen | Kapitel 4

4 4 Gewässerausbau und Hochwasserschutzanlagen Neben den natürlichen Faktoren wie Das Ziel dieser Pläne war: Menge und Verteilung des Nieder- „Die möglichst gerade Leitung der schlags, Bodenfeuchte zu Beginn einer Flüsse, die Abschneidung ihrer Seiten- Hochwasserperiode, Schneeverhältnisse arme, die Demolierung der schädlichen und Verdunstungsmenge wird der Hoch- Dämme oder die Rektifikation der wasserverlauf am Niederrhein maßgeb- Flüsse ist diejenige Operation, durch lich beeinflusst durch Gewässerausbau- welche ihren Zerstörungen Einhalt und Hochwasserschutzmaßnahmen im getan und der Wasserspiegel so ge- oberhalb gelegenen Rheineinzugsgebiet senkt wird, dass die Nachteile der Über- bis Andernach. Auch Ausbau- und Hoch- schwemmungen und die Eisgänge ver- wasserschutzmaßnahmen am Nieder- mindert oder vollkommen beseitigt rhein selber sowie seiner Nebenflüsse werden“ (TULLA 1825). haben Auswirkungen auf das Hoch- wassergeschehen am Niederrhein. Mäanderschlingen wurden durch- Deshalb sollen im Folgenden diese stochen und der gesamte Oberrhein in Einflussfaktoren beschrieben werden. ein festes Bett mit einer Breite zwischen 200 m und 300 m verlagert. Die Gesamt- 4.1 Gewässerausbau und Hoch- maßnahmen führten auf der Strecke wasserschutzanlagen im Rhein- zwischen Basel und Worms zu einer einzugsgebiet bis Andernach Laufverkürzung um ca. 80 Stromkilo- meter (28 % der Gesamtlauflänge). Aus verschiedenen Untersuchungen z. B. (HSG Kaub bis Rolandswerth 1993) TULLAs’ Nachfolger H ONSEL führte in der ist bekannt, dass Ausbaumaßnahmen zweiten Phase des Oberrhein-Ausbaus am Rhein oberhalb von Andernach zu ein System von Buhnen und Leitwerken einer Erhöhung der Hochwasserscheitel- ein, das eine Mindestwassertiefe von abflüsse des Rheins in NRW geführt etwa 2 m auf einer Fahrwasserbreite haben. Um diese Verschärfung zu von 80 bis 100 m sicherstellte. Dies war kompensieren oder mindestens zu notwendig, um der zunehmenden mindern, wurden Hochwasserschutz- Schifffahrt auf dem Rhein bessere und Retentionsmaßnahmen durch- Bedingungen zu verschaffen. geführt bzw. sind in Planung oder im Bau. Nachfolgend werden diese Maß- Der Bau von Schöpfwerken zur Ver- nahmen beschrieben. besserung der Vorflutsituation der Nebengewässer des Rheins (z. B. 4.1.1 Ausbaumaßnahmen , Altbach) bzw. zur Kontrolle der Grundwasserstände (besonders Bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts nach dem Anstieg des Grundwasser- hatte der Oberrhein noch den Charak- standes infolge von Frühjahrshoch- ter eines Wildstromes. Nur örtlich wassern in der Vegetationsperiode) wurden eng begrenzte Hochwasser- verbesserte weiterhin die landwirt- schutzmaßnahmen durchgeführt. schaftliche Nutzbarkeit der Altaue Nach 1800 folgten drei Phasen eines sowie die Möglichkeit der dauer- koordinierten Ausbaus des Oberrheins. haften Besiedlung dieser Bereiche.

Die erste und einschneidendste Phase In der dritten Phase des Oberrhein- am Oberrhein stellt die Rheinkorrektion Ausbaus wurden zur Nutzung der durch die Umsetzung der TULLAschen’ Wasserkraft und zur weiteren Ver- „Rektifikationsplanungen“ ab 1817 dar. besserung der Schifffahrtsverhältnisse

24 Gewässerausbau und Hochwasserschutzanlagen | Kapitel 4

zwischen Rhein-km 170 (bei Basel) und der anschließenden Rheinstrecke und Rhein-km 291,5 (bei Straßburg) acht damit auch zum Absinken der Grund- Staustufen errichtet. Vier davon liegen wasserstände in der Rheinebene führen im Rheinseitenkanal, der von 1928 bis würde. Einer Erosion und damit dem 1959 zwischen Basel und Breisach Absinken der Grundwasserstände wird gebaut wurde. Vier weitere wurden durch die regelmäßige Zugabe von von 1961 bis 1970 zwischen Marckols- Geschiebe im Unterwasser der Staustufe heim und Straßburg in „Schlingen- Iffezheim seit 1977 entgegengewirkt. lösung“ geschaffen. Unterhalb von Straßburg wurden 1974 die Staustufe Auf eine schon geplante weitere Stau- Gambsheim und 1977 die Staustufe stufe bei Au/Neuburg wird verzichtet, Iffezheim direkt im Rhein errichtet. solange durch die Geschiebezugabe die Sohlenerosion aufgehalten werden Der Bau von Staustufen oberhalb von kann. Iffezheim hat zwischen Breisach und Iffezheim neue Deiche unmittelbar am Der Ausbau des Rheins zwischen Basel Mittelwasserbett des Rheins erforder- und Iffezheim mit zehn Staustufen hat lich gemacht, um den Hebungen der zum Verlust von rd. 130 km2 natürlicher Niedrig- und Mittelwasserspiegel durch Überschwemmungsfläche, das sind die Stauwehre Rechnung tragen zu 60 % der vorher vorhandenen und können. Die ausgedeichten Niederun- somit zu einer Verringerung der Hoch- gen waren zuvor natürliche Über- wasserspeicherräume geführt. Entlang flutungs- und damit natürliche Reten- des Rheinseitenkanals zwischen Basel tionsgebiete des Rheins bei Hoch- und Breisach sind so gut wie keine wasser. Das nach TULLA geschaffene weiteren Retentionsverluste einge- Deichsystem hat damit zwischen treten, da dort der Rhein aufgrund Breisach und Iffezheim weitgehend seiner Sohleneintiefung ohnehin kaum seine Bedeutung verloren. noch über die Ufer treten kann.

Staustufen unterbinden den Nachschub des Geschiebes. Durch Einbringen von Kies und Schotter wird der fortschrei- tenden Sohlenerosion entgegengewirkt, die zum Absinken der Wasserstände in

Tabelle 4.1.1.1: Pegel Karlsruhe/Maxau Pegel Worms Abflussverschärfung am Ausbauwassermenge 5.000 m3/s 6.000 m3/s Oberrhein infolge des Staustufenbaus 200-jährlicher Abfluss 3 3 des Rheins vor Ausbau (1955) 5.000 m /s 6.000 m /s Quelle: HSK Abschlussbericht 1978 200-jährlicher Abfluss des Rheins nach Ausbau (1977) 5.700 m3/s 6.800 m3/s

Hochwassererhöhung 700 m3/s 800 m3/s

25 Gewässerausbau und Hochwasserschutzanlagen | Kapitel 4

4 Als Folge der genannten Retentions- französischem Staatsgebiet, der Sonder- raumverluste fließen die Hochwasser- betrieb1 der französischen Rheinkraft- wellen des Rheins schneller ab als vor werke sowie weitere nicht näher be- dem Ausbau. Die Basel passierenden zeichnete Rückhalteräume unterhalb Rheinwellen treffen in Straßburg, der deutsch-französischen Grenze auf Karlsruhe, Mannheim und Worms nun rheinland-pfälzischem Gebiet mit etwa früher ein und überlagern sich un- 30 Mio. m3 Retentionsvolumen. günstig mit den Hochwasserwellen der Nebenflüsse. Dies wird besonders In einem weiteren Verwaltungsab- am Beispiel des Neckars deutlich, kommen zwischen dem Bund, Rhein- wo es durch die Beschleunigung land-Pfalz und Hessen (1977, geändert der Rheinwelle zu einem Zusammen- 1989) ist u.a. geregelt, dass auf der treffen der Hochwasserwellen von linken Rheinseite unterhalb der deutsch- Rhein und Neckar kommt, während französischen Grenze weitere 14 Mio. m3 vor dem Ausbau die Neckarwelle der Rückhalteraum eingerichtet werden, Rheinwelle noch um fast zwei Tage um gegenüber den Festlegungen in der vorausgeeilt war. deutsch-französischen Vereinbarung von 1982 eine Verschlechterung der Das führt zu einer erheblichen Hochwas- Hochwassersituation unterhalb Worms serverschärfung unterhalb der Neckar- zu vermeiden. mündung, aber auch zu Erhöhungen unterhalb der Mündungen weiterer Gemäß den Berichten der HSG Worms großer Nebenflüsse. bis Kaub für die Rheinstrecken unter- halb Worms wird das Hochwasserschutz- Diese Abflussverschärfung wird durch konzept am Oberrhein die Abfluss- einen Vergleich der 200-jährlichen erhöhungen bei 200-jährlichen Hoch- Hochwasserabflüsse vor und nach dem wassern für den Mittel- und Niederrhein Ausbau verdeutlicht (Tabelle 4.1.1.1). nahezu ausgleichen. Bei kleineren Da sich die Ausbauabflüsse der ein- Hochwassern wird eine geringe Abfluss- zelnen Rheinabschnitte nicht geändert erhöhung entstehen. haben, kommt diesen heute eine geringere Jährlichkeit zu. In der Tabelle 4.1.2.1 sind die Maß- nahmen in Frankreich, in Baden- 4.1.2 Hochwasserschutz- und Rück- Württemberg und in Rheinland-Pfalz haltemaßnahmen nach dem Konzept von 1982 und nach dem derzeitigen Konzept zusammen- Zum Ausgleich der Abflussverschärfung gestellt. wurde zwischen der Republik Frank- reich und der Bundesrepublik Deutsch- Beim derzeitigen Stand der Baumaß- land am 06.12.1982 eine Vereinbarung nahmen und Planungen wird ange- geschlossen, in der sich beide Staaten nommen, dass die Gesamtheit der verpflichten, auf der Grundlage des französischen Hochwasserrückhalte- Schlussberichtes der HSK die erforder- maßnahmen im Rahmen des deutsch- lichen Maßnahmen zu ergreifen, um französischen Übereinkommens aus unterhalb der Staustufe Iffezheim den Dezember 1982 im Jahr 2001 umgesetzt vor dem Ausbau des Oberrheins vor- ist. Der Sonderbetrieb der Rheinkraft- handenen Hochwasserschutz wieder- werke ist möglich, der Moderpolder ist herzustellen. Dies sind fünf Rückhalte- zur Hochwasserrückhaltung einsatzbe- räume auf badenwürttembergischem reit und der Ersteinpolder befindet sich Gebiet, zwei Rückhalteräume auf in der Schlussphase der behördlichen

1) Hierbei wird der Durchfluss an den Rheinkraftwerken gedrosselt, so dass die Hochwasserwelle 26 vermehrt durch das alte Rheinbett fließt und dabei der natürlichen Retention unterliegt. Gewässerausbau und Hochwasserschutzanlagen | Kapitel 4

Genehmigung. Die zusätzlichen Maß- logischen Flutungen in diesen Räumen nahmen, die potenzielle Standorte können nun die wichtigsten öko- für Flutungen umfassen, sind noch im logischen Anforderungen erfüllt Stadium von Vorstudien. werden. Bei ökologischen Flutungen werden die Rückhalteräume auch in Von den ursprünglich fünf in Baden- Zeiten, in denen kein Hochwasser- Württemberg vorgesehenen Rückhalte- rückhaltebedarf besteht, in geringer räumen sind zwei – das Kulturwehr Höhe mit Rheinwasser überflutet. Kehl/Straßburg und der Polder Alten- Der Zeitpunkt dieser ökologischen heim – fertig gestellt und zumindest Flutungen wird ausschließlich von der teilweise einsatzbereit. Für drei weitere Rheindynamik bestimmt. Räume – das Kulturwehr Breisach, den Polder Breisach/Burkheim und den Das neue Konzept führt neben einem Polder Söllingen/Greffern – sind die erhöhten Flächenbedarf auch zu einem Raumordnungsverfahren abgeschlossen. größeren Volumenbedarf, sodass an- Hier werden zurzeit die Unterlagen für stelle der 126 Mio. m3 nun 167,3 Mio. m3 die Einleitung der Planfeststellungs- erforderlich werden. Durch die Aus- verfahren vorbereitet. dehnung auf 13 Standorte ergibt sich ein anderes Zusammenwirken dieser Die Erfahrungen bei den ersten Ein- Räume untereinander bzw. im Verbund sätzen des Kulturwehres Kehl/Straßburg mit den von Frankreich und Rheinland- und der Polder Altenheim (Hochwasser Pfalz zu bauenden Rückhalteräumen. März 1988, Februar 1990), wie auch die Dies führte dazu, dass im Gegensatz Erkenntnisse bei der Planung und aus zum alten Konzept auch unterhalb den Umweltverträglichkeitsstudien zu Iffezheim noch drei Rückhalteräume den weiteren Rückhalteräumen haben benötigt werden, um das Hochwasser- deutlich gemacht, dass Rückhalteräume schutzziel für den Bereich der Neckar- mit großen Einstauhöhen ökologisch mündung zu erreichen. und auch technisch erhebliche Schwie- rigkeiten bereiten. Daher wurde das seit Der Abschluss aller Bauarbeiten ist in 1982 verfolgte Hochwasserschutz- Baden-Württemberg nicht vor dem Jahr konzept, das vorsah, den auf Baden- 2010 zu erwarten. Württemberg entfallenden Anteil von 126 Mio. m3 über lediglich fünf Rück- Die Verpflichtung zum Bau von zu- halteräume bereitzustellen, nicht mehr sammen rd. 44 Mio. m3 Rückhalteraum weiterverfolgt. will Rheinland-Pfalz nach dem der- zeitigen Konzept an zehn Standorten Ein neues Hochwasserschutzkonzept abdecken (Tabelle 4.1.2.1). wurde entwickelt, das anstelle der bisherigen fünf Rückhalteräume nun Dabei handelt es sich um acht Polder 13 Räume vorsieht (Tabelle 4.1.2.1). und vier Deichrückverlegungen. Die Einrichtung weiterer Rückhalte- Das Gesamtvolumen beträgt 63 Mio. m3. räume wurde vor allem wegen der Davon sind rd. 55 Mio. m3 für den Beschränkung der Überflutungshöhe Hochwasserschutz wirksam. Das Mehr auf im Mittel 2,5 m und wegen des an rd. 8 Mio. m3 gegenüber der Bau- Erfordernisses einer ständigen Durch- verpflichtung ist erforderlich, um even- strömung der Rückhalteräume während tuell auftretenden Schwierigkeiten im der Rückhaltung erforderlich. Mit der weiteren Gang der Verwaltungsver- zusätzlichen Durchführung von öko- fahren begegnen zu können.

27 Gewässerausbau und Hochwasserschutzanlagen | Kapitel 4

4 Für alle Standorte der Rückhaltungen Die Polder Daxlander Au und Flotz- in Rheinland-Pfalz liegen positive grün sind fertig gestellt; Baubeginn raumordnerische Entscheide vor. für den Polder Kollerinsel war Alle Hochwasserrückhaltungen be- November 2000. Der Abschluss aller finden sich entweder im Planfest- Bauarbeiten ist in Rheinland-Pfalz stellungsverfahren oder das Planfest- nicht vor dem Jahr 2006 zu erwarten. stellungsverfahren wird vorbereitet.

Rückhalteraum Art der Nach Konzept Nach derzeitigem Tabelle 4.1.2.1: Rückhaltung2) von 1982 Konzept Rückhaltungen am Oberrhein [Mio. m3] [Mio. m3] (Stand 2000) Frankreich: Sonderbetrieb der Rheinkraftwerke1) Betriebsregelung 45 45 Bereits fertiggestellte und Erstein Polder 6 7,8 einsatzbereite Rückhaltun- Polder 5 5,6 gen, davon am Kulturwehr Kehl/Straßburg zz. nur Zwischensumme Frankreich 56 58,4 rd. 12 Mio. m3. Baden-Württemberg: 1) Angegeben sind Maximal- Südlich KW Breisach Wehr oder Vorland- 53 25,0 werte, das tatsächlich ge- tieferlegung 1) nutzte Volumen ist abhän- Kulturwehr Breisach Wehr 10 9,3 Breisach/Burkheim Polder – 6,5 gig vom Durchfluss im Wyhl/Weisweil Polder – 7,7 Rhein. Elzmündung Polder – 5,3 Ichenheim/Meißenheim Polder – 5,8 2) Die Wirksamkeit aller Maß- Altenheim Polder 18 17,6 nahmen am frei fließenden Kulturwehr Kehl/Straßburg1) Wehr 37 37,0 Rhein unterhalb von Freistett Polder – 9,0 Iffezheim ist abhängig Söllingen/Greffern Polder 8 12,0 vom Durchfluss im Rhein. Bellenkopf/Rappenwört Polder oder – 14,0 Deichrückverlegung Elisabethenwört Polder oder – 11,9 Deichrückverlegung Rheinschanzinsel Polder – 6,2

Zwischensumme Baden-Württemberg 126 167,3

Rheinland-Pfalz: Nicht standortmäßig festgelegt 30 + 14 Daxlander Au Polder 5,1 Wörth/Jockgrim Deichrückverlegung 4,2 Wörth/Jockgrim Polder 12,0 Mechtersheim Polder 7,4 Flotzgrün Polder 5,0 Kollerinsel Polder 6,1 Waldsee/Altrip/Neuhofen Polder 7,9 Waldsee/Altrip/Neuhofen Deichrückverlegung 1,2 Petersau/Bannen Deichrückverlegung 1,4 Worms-Mittlerer Busch Deichrückverlegung 2,1 Bodenheim/Laubenheim Polder 6,4 Ingelheim Polder 3,8

Zwischensumme Rheinland-Pfalz 44 62,6

Gesamtsumme 226 rd. 288

28 Gewässerausbau und Hochwasserschutzanlagen | Kapitel 4

4.2 Gewässerausbau und Hochwasser- den Umfang der Schiffbarkeit. schutzanlagen am Rhein in NRW Die Erosionsverminderung ist eine ständige Aufgabe. Sie ist ein Reagieren Für die Ermittlung des Bemessungsab- auf den Strom, so wie der Strom es flusses für den Rhein in NRW ist u.a. die verlangt. In einem Gesamtkonzept sind Kenntnis über den Gewässerausbau, die die Interessen der Schifffahrt mit Morphologie (Gewässerstrukturgüte) ökologischen und wirtschaftlichen und die Hochwasserschutzmaßnahmen Interessen (Land-/Bund-Gutachten von Bedeutung. „Gesamtkonzept Rhein in NRW – Hochwasserschutz, Schifffahrt und 4.2.1 Ausbaumaßnahmen Ökologie“) abgestimmt.

Zur Sicherung der Rheinufer sind schon Das Ziel der Erosionsverminderung im 16. und 17. Jahrhundert vereinzelt verfolgt die Wasser- und Schifffahrts- Rheinschleifen abgetrennt worden. verwaltung (WSV) bereits seit vielen In der Zeit von etwa 1770 bis 1825 er- Jahren. Die Erosionsraten konnten folgten eine Reihe von Begradigungen, in Duisburg von 4 cm/Jahr bis Mitte so z. B. 1788 an der Bislicher Insel oder der 1960er Jahre, auf 0 bis 1 cm/Jahr 1819 bei Grieth. Diese Maßnahmen ver- gesenkt werden. Der Streckenbereich kürzten den Rheinlauf um mindestens Emmerich weist noch Erosionsraten 15 km. Deichbau und Durchstiche von über 2 cm/Jahr auf. hatten somit bereits Anfang des 19. Jahrhunderts in den Grundzügen Folgende Maßnahmen werden zur die heutige Deichlinie vorgegeben. Erosionsverminderung angewendet: Ausbaumaßnahmen wie am Oberrhein (Staustufen und Parallelkanäle) sind in Geschiebeumlagerung den letzten 100 Jahren am Niederrhein (Ausbaggerung und Wiedereinbau nicht vorgenommen worden. an anderer Stelle) Geschiebezugabe Ein besonderes Problem stellt die Kolkverfüllung Sohlenerosion und ein Defizit bei der Sohlaufhöhung Geschiebeführung dar. Im Rhein sind (meist zum Ausgleich von Berg- wie in jedem frei fließenden Strom, senkungen) Erosion und Anlandung natürliche Er- Buhnen- und Parallelwerksbau scheinungen. Sie sind großräumig und (wird häufig aus ökologischer Sicht langfristig zu sehen und entwickeln sich begrüßt, weil dadurch die Ufer in den verschiedenen Streckenab- strukturiert werden und Still- schnitten unterschiedlich stark. wasserzonen – Fischkinderstuben – Ablagerungen und wandernde Bänke, geschaffen werden) die zu Fehlstellen für die Schifffahrt Flutmulden im Vorland führen können, wechseln mit andauern- (zur besseren Hochwasserabführung) den Erosionstendenzen der Sohle. Vorlandabgrabungen Jede Veränderung im Gewässerbett (meist in Verbindung mit Aus- führt zu neuen Sohlenlagen und zur kiesungen, ebenfalls zur besseren Veränderung des Strömungsbildes und Hochwasserabführung) der Gefälleverhältnisse. Die heterogene Vorlandgestaltung zur besseren Sohlenstruktur führt immer wieder Stromführung zum „Herauswachsen“ von Schwellen (Leitdämme, Freihalten von und Einzelblöcken und beeinträchtigt Bepflanzung)

29 Gewässerausbau und Hochwasserschutzanlagen | Kapitel 4

4 Eine Kombination aus mehreren der Erste Versuche zu einheitlichen, vom vorstehenden Maßnahmen sind zur Staat gestützten Regelungen kamen Erosionsverminderung erforderlich. im 16. Jahrhundert auf. Aber erst das Große Erfahrung im Flussbau in Ver- Clever Deichreglement (Abbildung bindung mit hydraulischen Berech- 4.2.2.1) von 1767 schuf mit seinen nungen und Modellversuchen sind die 195 Paragraphen für die Verbands- Voraussetzung zur richtigen und be- arbeit eine einheitliche und solide hutsamen Anwendung der einzelnen Grundlage, die in Teilen bis in die Maßnahmen. 20er Jahre des 20. Jahrhunderts Gültigkeit hatte. Das Reglement legte 4.2.2 Hochwasserschutz- und Rück- auch fest, dass „alle Bann-Deiche auf haltemaßnahmen eine egale Höhe gebracht werden: und zwar wenigstens 1 rheinländi- Ausgehend von den Niederlanden scher Fuß höher, als das höchste begann der Deichbau am Niederrhein Wasser jemals gewesen ist“ im 13. Jahrhundert zunächst nur für (1 rheinl. Fuß = 12 Zoll = 0,314 m). kleine Polder. Anschließend setzte der Dies war der erste Bemessungs- Zusammenschluss zu Deichverbänden wasserspiegel, dessen Grund- ein; die erste schriftliche Urkunde eines gedanke sogar bis in die 70er Jahre Verbandes stammt aus dem Jahre 1343 des 20. Jahrhunderts Bestand hatte. (Kranenburger Deichrecht). Nur langsam wuchsen die Polder zu größeren Ein- heiten zusammen.

Abbildung 4.2.2.1: Clever Deichreglement von 1767

30 Gewässerausbau und Hochwasserschutzanlagen | Kapitel 4

Ab 1851 wurde der Rhein planmäßig niederländischen Polder über. für den Schiffsverkehr und für die Die Deichhöhen betragen infolge des schnelle Hochwasserableitung ausge- Bergbaus am mittleren Niederrhein baut. Drei große Deichbaumaßnahmen örtlich bis zu 15 m. fixierten endgültig die heutige Deich- linie. Die Ilvericher Rheinschlinge Mitte der 80er Jahre begann die Über- wurde zunächst nur durch einen Leit- prüfung der Standsicherheit der deich vom Flusslauf abgeschnitten, der niederrheinischen Deiche. Das Ergebnis Banndeichschluss erfolgte erst im 20. zwang zum Handeln: Von 320 km Jahrhundert. In den Jahren 1935 bis Rheindeichen in NRW sind rd. 170 km 1937 folgte der 18,6 km lange Bann- sanierungsbedürftig. Kurz darauf deich Orsoy. Die letzte große Maß- begannen die ersten Sanierungsmaß- nahme war 1965 der Bau des 11 km nahmen. langen Deichs Grieth-Griethausen (Bereich Bylerward), der zusätzlich Die 1989 von den ehemaligen Staat- eine Fläche von rd. 60 km2 vor Über- lichen Ämtern für Wasser- u. Abfall- flutungen schützt. wirtschaft (StÄWA) Düsseldorf und Bonn gefertigte Untersuchung Zwischen der Landesgrenze zu Rhein- “Generalplan Hochwasserschutz am land-Pfalz und dem Norden der Stadt Niederrhein“ stellt darüber hinaus Köln sind nur Teilstrecken eingedeicht; Überlegungen vor, wie der Hoch- die Polder sind klein und in sich ge- wasserschutz stärker auf natürliche schlossen. In Höhe Dormagen beginnt Weise unterstützt werden kann, und die geschlossene Deichlinie; die Polder schlägt Bereiche für Deichrückver- werden größer, sind aber zunächst legungen vor. Diese Überlegungen noch überwiegend voneinander ge- flossen 1992 in das „Gesamtkonzept trennt. Ab Duisburg sind die Polder Rhein in NRW - Hochwasserschutz, zusammenhängend und gehen in die Schifffahrt und Ökologie“ ein.

Bild 1: Rheinhochwasser 1995 Haus Bürgel

31 Gewässerausbau und Hochwasserschutzanlagen | Kapitel 4

4 Die großen Hochwasser zu Weih- In NRW wurde 1996 das Programm nachten 1993 und 13 Monate später, zum „nachhaltigen Hochwasserschutz“ im Januar 1995, bewirkten, dass die verkündet; vier Ziele werden dabei Umweltminister der EU-Rheinanlieger- verfolgt: staaten schon am 4. Februar 1995 in Arles erklärten, dass sie es für not- Sanieren der vorhandenen Hoch- wendig erachteten, die mit Hoch- wasserschutzanlagen, wasser verbundenen Risiken sobald wie möglich zu verringern. Dazu Rückhalteräume (nicht nur am Rhein) beauftragten sie die Flussgebiets- erhalten und wenn möglich, zurück- kommissionen von Rhein, Saar, Mosel gewinnen, und Maas mit der Erstellung von Hoch- wasser-Aktionsplänen. Das Vorgehen Gewässer renaturieren, Überschwem- wurde im Vorfeld mit der Schweiz mungsgebiete freihalten, abgestimmt und noch im Februar 1995 übertrug die Internationale Kommis- entsiegeln von Flächen sion zum Schutz des Rheins (IKSR) der (u.a. Durchlässigkeit wiederherstellen Projektgruppe „Aktionsplan Hoch- und Regenwasser vor Ort versickern). wasser“ die Ausarbeitung eines Aktionsplans für den Rhein. Erstmals wird hier international gefordert, dass dem Rhein für die Ausbreitung der Hochwasser wieder wesentlich mehr Raum gegeben werden muss.

Bild 2: Rheinhochwasser 1995 Altstadt von Köln

32 Gewässerausbau und Hochwasserschutzanlagen | Kapitel 4

Ein wichtiges Mittel, Hochwasser- 60 Mio. DM) begannen 1999, für den scheitel zu entschärfen, sind Rückhalte- Raum Monheim (rd. 200 ha bzw. räume. Es wird unterschieden in: 9 Mio. m3, Kosten bei 60 Mio. DM) im Frühjahr 2000. Diese drei Rückhalte- Gesteuerte Rückhalteräume räume sind frei durchflossen und ent- („Taschenpolder“); sie kappen gezielt stehen durch Rückverlegung des Bann- die Hochwasserscheitel. Sie sind daher deiches. Für die anderen Räume laufen aus der Sicht des Hochwasserschutzes Untersuchungen. Die im Programm ge- sehr wirkungsvoll, aus ökologischer nannten Retentionsräume umfassen Sicht dagegen eher problematisch. insgesamt rd. 47 km2 und sollen Solche Räume benötigen umfang- ca. 174 Mio. m3 Wasser zurückhalten reiche Steuerungsbauwerke und können. sollten ökologisch geflutet werden. Die Polder am Niederrhein erbringen Frei durchflossene Rückhalteräume; Überflutungsflächen, die sich fluss- sie sichern eine natürliche Entwick- abwärts summieren und die größte lung. Zwar kappen sie die Hoch- Wirkung an der deutsch-niederländi- wasserscheitel nur wenig, verlang- schen Grenze erreichen. Die Niederlande samen dafür aber den Anstieg der planen ebenfalls in ihrem Programm Hochwasserwelle. Sie sind aus Sicht Raum„ für den Fluss“ durch Profilän- des Hochwasserschutzes weniger derungen im Abflussquerschnitt, durch wirkungsvoll, aus ökologischer Sicht Beseitigung von Abflusshindernissen dagegen zu begrüßen. und durch die Anlage von Poldern dem Fluss mehr Platz zu verschaffen. Die im nordrhein-westfälischen Pro- gramm zum nachhaltigen Hochwasser- Bei allen Deichsanierungsmaßnahmen schutz genannten Retentionsräume am Niederrhein wird geprüft, ob sich sind in Abbildung 4.2.2.2 aufgeführt. nicht weitere kleine Deichrückver- Der Raum Orsoy-Land (220 ha bzw. legungen verwirklichen lassen –in 10 Mio. m3, Kosten rd. 42 Mio. DM) einigen Fällen ist dies gelungen. wurde 2000 fertig gestellt. Die Arbei- Die Senkung der Hochwasserscheitel ten für den Raum Bislicher Insel (rd. am Rhein selbst und im Einzugsgebiet 1.000 ha bzw. 50 Mio. m3, Kosten bei ist eine ständige Aufgabe.

Bild 3: Rheinhochwasser 1995 Pegel Köln

33 Gewässerausbau und Hochwasserschutzanlagen | Kapitel 4

4

Abbildung 4.2.2.2: Rückhalteräume am Niederrhein Emmerich

Rees Bylerward Kleve Stand: Vorstudie liegt vor

N I E D E R L A N D E Xanten Lohrwardt Lippe Stand: Planung

Bislicher Insel

Emscher Orsoy Stand: Baubeginn Okt.99

Moers Ruhr Orsoy-Land

Ilvericher Bruch Duisburg Stand: Fertigstellung 2000 Stand: Vorstudie liegt vor Krefeld Mündelheim

Itter-Himmelgeist Stand: Erstellung Vorstudie Stand: Erstellung Vorstudie Düsseldorf Neuss N Monheim

Stand: Baubeginn Mai 2000 Erft

Worringer Bruch Wupper S Stand: Erstellung Vorstudie Leverkusen

Köln-Langel Stand: Mai 2002 Stand: Erstellung Vorstudie Köln

Wesseling

Banndeich ieg Vorgesehene neue S Rückhalteräume Bonn Königswinter

34 Gewässerausbau und Hochwasserschutzanlagen | Kapitel 4

4.3 Gewässerausbau und Hochwasser- Sieg schutzanlagen an den ausgewählten Die Sieg entspringt am Ederkopf Nebengewässern des Rheins in NRW im Rothaargebirge in einer Höhe von 603 müNN, fließt durch das Siegerland In diesem Kapitel werden die wichtig- zwischen dem Bergischen Land und dem sten Nebengewässer des Niederrheins Westerwald hindurch und mündet nörd- beschrieben, insbesondere im Hinblick lich von Bonn bei Rhein-km 660,0. auf Gewässerausbau und Hochwasser- schutzanlagen. Es wird angegeben, Das Einzugsgebiet der Sieg umfasst ins- inwieweit sich die Hochwasserabflüsse gesamt 2.861 km2, ihre Lauflänge beträgt aus diesen Gewässern auf den Hoch- 152,13 km. Der höchste Abfluss im Zeit- wasserscheitel des Rheins auswirken. raum 1964 bis 1995 am Pegel Menden (Unterlauf) beträgt HQ = 1.053 m3/s gemessen am 07.02.1984.

Fluss Pegel Datum W HQ Tabelle 4.3.1: [cm] [m3/s] Höchste Wasserstände und Ab- flüsse der Nebengewässer am Sieg Menden 07.02.1984 447 1.053 Rhein in NRW

Wupper Opladen 23.09.1957 306 181

Ruhr Hattingen 01.01.1994 604 907

Lippe 03.11.1998 658 396

Bild 4: Rheinhochwasser 1995 „Zur Siegfähre“

35 Gewässerausbau und Hochwasserschutzanlagen | Kapitel 4

4 Im Zuge der Rheinregulierung von 1851 bis 1887 wurde die Siegmündung, die bis dahin rechtwinklig zum Rhein bei Strom-km 656 lag, rheinabwärts nach Rhein-km 660,0 verlegt und hydraulisch günstiger gestaltet.

Die Sieg wurde über weite Strecken durch wasserbauliche Maßnahmen wie Böschungssicherungen, Staueinrichtun- gen und Deichbauten verändert, die sich auch auf den Hochwasserabfluss auswirken: So gingen in der Vergangen- heit große Retentionsräume an der Sieg durch den Bau von Straßendämmen

Sieg und Hochwasserschutzdeichen verloren. Nach einer in 1999 erfolgten Erhebung des Staatlichen Umweltamtes (StUA) Köln sind allein im nordrhein-west- fälischen Teil des Einzugsgebietes der Sieg 11 km2 Retentionsflächen mit einem Retentionsvolumen von an- nähernd 10 Mio. m3 verloren gegangen – unter Zugrundelegung eines Wasser- standes mit 100-jährlichem Wiederkehr- intervall. Bei der Wiederherstellung verloren gegangener Retentionsräume kann nach einer hydraulischen Berech- nung des StUA Köln mit einer Reduzie- rung der Abflussscheitel um 50 m3/s an der Mündung der Sieg gerechnet wer- den. Bei ablaufender Welle ist jedoch eine Abflusserhöhung um 25 m3/s zu erwarten. Bei der Berechnung wurde vorausgesetzt, dass die Füllung der Retentionsräume aus ökologischen Gründen bereits bei einjährlichem Hoch- wasser beginnt und keine Steuerung der Füll- und Entleerungsvorgänge erfolgt.

Oberhalb der Mündung liegt die Sieg bei Hochwasser im Rückstaubereich des Rheins. Die sich einstellenden Wasser- stände werden durch das Rheinhoch- wasser bestimmt. Der Rückstau erstreckt sich bis zum Pegel Menden. Eine Unter- suchung der zeitlichen Aufeinander- folge der Hochwasser hat gezeigt, dass Rhein Bild 5: der Hochwasserscheitel der Sieg in Rheinhochwasser 1995 Siegmündung

36 Gewässerausbau und Hochwasserschutzanlagen | Kapitel 4

der Regel zwei bis fünf Tage vor dem Der in den Talsperren insgesamt zur Scheitel im Rhein auftritt. Eine Beein- Verfügung stehende Hochwasser- flussung des Hochwasserscheitels des rückhalteraum ist mit 13,39 Mio. m3 Rheins durch den Abfluss der Sieg ist gering. Hinzu kommt, dass dieser daher im Mittel nicht zu erwarten. In Rückhalteraum in vier verschiedenen Einzelfällen, wie z. B. beim Hochwasser Talsperren zur Verfügung steht, die 1995 trafen die Hochwasserscheitel von an unterschiedlichen Gewässern Rhein und Sieg aufeinander, was zu liegen und von denen jede nach einem einer deutlichen Erhöhung des Hoch- eigenen Betriebsplan gesteuert wird. wasserscheitels im Rhein führte. Zwar werden die Hochwasserscheitel Im Einzugsgebiet der Sieg und ihres der Nebengewässer der Sieg von den größten Nebenflusses, der Agger in ihren Einzugsgebieten liegenden 2 (AEO = 805,32 km ), liegen die in der Talsperren wesentlich reduziert, auf nachstehenden Tabelle 4.3.2 aufge- die Hochwasserscheitel der Sieg haben führten Talsperren. sie einen nur unbedeutenden Einfluss.

Lfd. Name Jahr der Bauart AEO Stauziel Stauraum Hochwasser- Nutzung Tabelle 4.3.2: Nr. Fertig- schutzraum Talsperren im Einzugs- stellung gebiet der Sieg (1) (km2) müNN (Mio. m3) (Mio. m3) (2)

1 Breitenbach-Talsperre 1956/82 D 11,64 370,0 7,8 1.160 T, H, A 1) D = Damm M = Mauer 2 Obernau-Talsperre 1972/86 D 21,52 370,9 14,9 1.130 T, H

3 Wahnbach-Talsperre 1958 D 69,97 124,1 41,4 2.000 T, H, A 2) T = Trinkwasserversorgung 4 Aggertalsperre 1930 M 40,57 284,4 19,3 4.500 H, K, A, E, T H = Hochwasserschutz 5 Genkeltalsperre 1954 D 11,50 327,5 8,2 --- T K = Energiegewinnung A = Niedrigwasseraufhöhung 6 Wiehltalsperre 1974 D 45,87 292,5 31,5 4.600 T, H E = Erholung

37 Gewässerausbau und Hochwasserschutzanlagen | Kapitel 4

4 Wupper Auch die Wupper ist ein hochwasser- relevanter Mittelgebirgsfluss. Sie ent- springt im Oberbergischen Land in der Nähe von Meinerzhagen. Nach einer Fließstrecke von 114 km und einem Gefälle von insgesamt 397 m (0,35 %) durch ein 827 km2 großes Einzugsgebiet mündet sie in Leverkusen in den Rhein, Wupper bei Rhein-km 703. Unterteilt wird sie in die Obere und Untere Wupper. Die Obere Wupper erstreckt sich von der Quelle bis zum Stausee Beyenburg. Die Untere Wupper reicht von der Stau- mauer des Stausees Beyenburg bis zur Mündung. Bedeutende Nebengewässer der Unteren Wupper sind Morsbach, Eschbach und Dhünn, der Oberen Wupper Lingese, Rönsahl, Kerspe, Gaulbach und Bever.

Rhein Der Untergrund des Gebietes besteht fast durchweg aus dichten Tonschiefern, die an der Erdoberfläche zu steinigem Lehm verwittern. Nennenswerte Kies- ablagerungen, die den Niederschlag als Grundwasser speichern könnten, sind nicht vorhanden. Deshalb fließen die Niederschläge, die im Oberlauf der Wup- per 1.300 mm im Jahr betragen können, sehr schnell und ungleichmäßig ab. Die Wupper weist wegen dieser geo- logischen Verhältnisse ein krasses Ver- hältnis von NNQ zu HHQ auf, es beträgt 1 : 600 (NNQ = 0,5 m3/s, HHQ = 300 m3/s an der Mündung). Ihr Tal ist geprägt von steilen Hängen und einer relativ schma- len Aue, die sich nur im Unterlauf auf- weitet und größere Retentionsflächen bildet. Darüber hinaus ist das Einzugs- gebiet bei einer Besiedlungsdichte von 1.200 E/km2 stark anthropogen über- formt. Diese ungünstigen Rahmenbe- dingungen führten in der Vergangenheit zu häufigen Hochwassern mit Über- schwemmungen, die wegen der überaus dichten Besiedlung im engen Tal der Wupper hohe Schäden zur Folge hatten. Bild 6: Zur Vermeidung dieser Schäden wurden Rheinhochwasser 1995 neben dem Bau von Deichen entlang Wuppermündung

38 Gewässerausbau und Hochwasserschutzanlagen | Kapitel 4

der Unteren Wupper von den An- Die häufigsten Überflutungen treten liegern im 19. Jahrhundert im Oberlauf heute am Unterlauf zwischen Wipper Talsperren errichtet, die neben dem Aue und Opladen auf, wobei es sich hier angestrebten Hochwasserschutz auch meist um landwirtschaftlich genutzte die notwendige Versorgung mit Trink- Flächen handelt. In besiedelten Gebieten und Brauchwasser für die Bevölkerung sind Überflutungen nur in beschränktem gewährleisten sollten. Umfang zu erwarten. Die Deiche im Mündungsbereich der Wupper und der Im Verlauf der letzten 100 Jahre sind Dhünn dienen dem Schutz des Hinter- mehrere Talsperren errichtet worden, landes vor Rheinhochwasser. die den natürlichen Hochwasserabfluss in der Wupper entscheidend reduzie- Auf den Rheinwasserstand hat der ren, da in ihnen die Abflüsse aus ca. Zufluss aus der Wupper keinen entschei- 35% des Einzugsgebietes erfasst und denden Einfluss. Die Pegelaufzeich- gedrosselt an den Unterlauf abge- nungen an beiden Flüssen belegen, dass geben werden (Tabelle 4.3.3). ein Aufeinandertreffen der Hochwasser- Der 100-jährliche Hochwasserabfluss scheitel statistisch betrachtet außerhalb kann dadurch auf ca. 200 m3/s reduziert einer 100-jährlichen Wiederkehrwahr- werden. scheinlichkeit liegt.

Lfd. Name Jahr der Bauart Einzugs- Stauziel Stauraum Hochwasser- Nutzung Tabelle 4.3.3: Nr. Fertig- gebiet schutzraum Talsperren im Einzugsgebiet stellung der Wupper (1) (km2) müNN (Mio. m3) (Mio. m3) (2)

1 Bruchertalsperre 1913 GM 5,80 369,00 3,300 0,400 H, A, E 1) GM = Gewichtsstaumauer 2 Lingesetalsperre 1899 GM 9,34 340,50 2,600 1,100 H, A, E StD = Steinschüttdamm 3 Kerspetalsperre 1913 GM 27,89 327,75 15,500 --- T ED = Erddamm 4 Schevelinger Talsperre 1941 StD 10,60 307,80 0,300 --- T, A 5 Neyetalsperre 1906 GM 11,85 303,20 6,000 --- T 2) T = Trinkwasserversorgung 6 Bevertalsperre 1939 StD 25,64 295,50 23,700 5,000 H, A, E H = Hochwasserschutz 7 Panzertalsperre 1893 GM 1,62 292,73 0,300 --- T K = Energiegewinnung 8 Wuppertalsperre 1988 StD 204,00 252,50 25,900 9,900 H, A, K, E A = Niedrigwasseraufhöhung E = Erholung 9 Stauanlage Dahlhausen 1922 StD 217,08 217,70 0,200 --- K, J J = Betriebswasserentnahme 10 Ülfetalsperre 1927 StD 6,58 295,00 0,040 --- E 11 Stauanlage Beyenburg 1953 StD 249,53 137,00 0,460 --- A, K, E 12 Obere Herbringhauser Talsperre 1902 GM 5,70 271,50 2,900 --- T 13 Untere Herbringhauser Talsperre 1927 StD 9,19 197,37 0,200 --- T 14 Ronsdorfer Talsperre 1899 GM 0,80 255,54 0,300 --- E 15 Eschbachtalsperre 1891 GM 5,25 242,28 1,070 --- T 16 Sengbachtalsperre 1903 GM 12,04 147,60 2,900 --- T 17 Halbachtalsperre 1903 ED 15,93 104,90 0,400 --- K, E 18 Große Dhünntalsperre 1987 StD 89,00 176,50 81,000 8,500 T, H, E

39 Gewässerausbau und Hochwasserschutzanlagen | Kapitel 4

4 Ruhr Die Ruhr ist nach Gefälle, Fließgeschwin- digkeit und Abflussschwankungen ein typischer Mittelgebirgsfluss. Sie ent- springt bei Winterberg 675 m üNN und mündet nach 218 km Lauflänge bei Duisburg-Ruhrort in den Rhein. Bei einem mittleren Gefälle von 3% be- trägt der Höhenunterschied zwischen Quelle und Mündung rd. 650 m.

Das Einzugsgebiet ist 4.485 km2 groß und liegt überwiegend im Sauerland. Die dort vorherrschenden, wenig sicker- fähigen Ton- und Schieferböden führen den größten Teil des Niederschlages direkt der Ruhr zu, sodass schon Nieder- schlagsereignisse von mittlerer Intensität schnell zu Hochwasser führen. Das Hoch- wasser an der Ruhr wird maßgeblich von Volme und Lenne bestimmt. Das Ein- zugsgebiet der Volme mit 430 km2 weist keine nennenswerten Rückhaltemöglich- keiten auf. Das 1.340 km2 große Lenne- Einzugsgebiet umfasst die besonders niederschlagsreichen Höhengebiete des Sauerlands. Die Hochwasserscheitel der Lenne lassen sich über die Steuerung des Hochwasserschutzraums der Bigge- talsperre verringern. Das Hochwasser in der Oberen Ruhr wird durch Sorpe-, Henne- und Möhnetalsperre beeinflusst; vor allem die Möhnetalsperre trägt deutlich zur Dämpfung der Hochwasser- Ruhr scheitel bei. Die fünf großen Ruhrstau- seen – Hengstey-, Harkort-, Kemnader-, Baldeney- und Kettwiger Stausee – sind zwar als Talsperren einzustufen, haben aber keine nennenswerte Retentionswirkung bei Hochwasser.

Die gesicherten Pegelaufzeichnungen der vergangenen 40 Jahre belegen einen Hochwasserabfluss unter Berücksichti- gung des Talsperrenmanagements von etwa 1.000 m3/s an der Mündung. Als gesicherter höchster Abfluss gelten der Wert von 1.020 m3/s im Abflussjahr 1961 Bild 7: Rheinhochwasser 1995 Ruhrmündung Rhein

40 Gewässerausbau und Hochwasserschutzanlagen | Kapitel 4

Lfd. Name Jahr der Bauart AEO Stauziel Stauraum Hochwasser- Nutzung Tabelle 4.3.4: Nr. Fertig- schutzraum Talsperren im Einzugsgebiet stellung der Ruhr (1) (km2) müNN (Mio. m3) (Mio. m3) (2)

1 Hennetalsperre 1955 StD 55,2 323,3 38,4 7,0 A, H, E, K 1) GM = Gewichtsstaumauer mit Beileitungen 98,5 StD = Steinschüttdamm 2 Möhnetalsperre 1913 GM 436,0 213,7 134,5 10,0 A, H, E, K ED = Erddamm 3 Sorpetalsperre 1935 StD 52,7 283,0 70,0 --- A, (T), E, K mit Beileitungen 100,3 2) T = Trinkwasserversorgung H = Hochwasserschutz 4 Versetalsperre 1951 ED 23,7 389,8 32,8 --- A, T, E, K K = Energiegewinnung 5 Fürwiggetalsperre 1904 GM 4,5 438,9 1,67 --- T, A, E A = Niedrigwasseraufhöhung 6 Ennepetalsperre 1904 GM 48,2 307,9 10,3 --- T, A, J, E, H E = Erholung 1912 12,6 J = Betriebswasserentnahme 7 Biggetalsperre 1965 StD 287,0 307,5 171,7 32 A, H, E, K

(vor dem Bau der Biggetalsperre) Die Undurchlässigkeit des Untergrunds und von 907 m3/s im Abflussjahr 1994. verhindert die Bildung eines Grund- 3 Das HQ100 wird mit etwa 1.500 m /s wasservorrats, sodass die natürliche angesetzt. Das HHQ, das durch Fest- Niedrigwasserführung in Trockenzeiten legung der Landesanstalt für Ge- auf Werte unter 5 m3/s sinkt. Die zum wässerkunde 1931 im Nachgang zu Hochwasserschutz und zu Trinkwasser- dem Hochwasser von 1890 mit zwecken angelegten Talsperren wirken 2.200 m3/s angenommen wurde, ausgleichend auf diese extremen lief vor dem Bau der Talsperren im Schwankungen, sodass heute aus Einzugsgebiet ab und war zudem Gründen der Wasserkraftnutzung und eine grobe Schätzung. aus ökologischen Gründen die Untere Ruhr eine Mindestwassermenge von Im ungünstigsten Fall treffen im Be- etwa 15 m3/s und die Mittlere Ruhr eine reich Hengstey-/Harkortsee die Hoch- von 8,4 m3/s führt. wasserscheitel aus Oberer Ruhr, Lenne und Volme zusammen und gefährden Zukünftige Maßnahmen an der Mitt- die Altstadt von Schwerte und Be- leren und Unteren Ruhr, von der Ein- reiche um Mülheim. Bei Zusammen- mündung der Möhne bis zur Mündung treffen von Rhein- und Ruhrhoch- in den Rhein bei Duisburg-Ruhrort, wasser stehen infolge des Rückstaus haben zum Ziel, die ökologische Durch- in der Ruhr weite Teile des Duisburger gängigkeit zu erreichen; Biotopent- Hafens unter Wasser. wicklungskonzepte und das 1998 aufge- stellte Ruhrauenkonzept bilden hierfür Zwischen Essen und Duisburg schützen die Grundlage. Retentionsflächen für ca. 15 km Deiche eine Wassergewin- Hochwasser sind allerdings wegen der nungsanlage, Siedlungsbereiche und Enge und intensiven Nutzung des Ruhr- landwirtschaftliche Flächen vor Hoch- tals nur in sehr beschränktem Umfang wasser. zu gewinnen.

41 Gewässerausbau und Hochwasserschutzanlagen | Kapitel 4

4 Lippe Die Lippe entspringt in und mündet nach 230 km bei Wesel in den Rhein. Das Einzugsgebiet umfasst 4.882 km2. Der Höhenunterschied zwischen Quelle und Mündung beträgt nur 123 m. Bei Niedrigwasser unter 10 m3/s am Pegel werden durch Einspeisung aus der Pumpwerkskette des Westdeutschen Kanalnetzes bis zu 4,5 m3/s der Lippe zugegeben. Der maximale Hochwasserabfluss liegt bei 396 m3/s am 03.11.1998 am Pegel Schermbeck.

Bereits im 13. Jahrhundert und ab dem 19. Jahrhundert führte die Wasserkraftnutzung für den Mühlen- betrieb zur Beeinträchtigung der Durchgängigkeit, zu einer Umge- staltung des Längsprofils und zu einer Lippe Änderung des Abflussvorganges. Heute existieren an der Lippe zwischen Lippborg und Wesel noch neun Wehr- anlagen zum Zwecke der Kühlwasser- entnahme, der Speisung der Kanäle oder als Kulturstau. Im Jahr 1784 wurde versucht, der zunehmenden Verlan- dung im Mündungsbereich durch den Rheindurchstich Büdericher Insel/Isaak entgegenzuwirken. Zwischen dem 17. und 19. Jahrhundert gab es erhebliche Anstrengungen, durch Begradigungen eine Schiffbarkeit zu erreichen. Rhein

Die Summe der wasserbaulichen Maß- nahmen – und nicht zuletzt auch die Rheinsohlenerosion – verursachten starke Eintiefungen der Lippe in ihrer Aue. Diese Tiefenerosion hat zu Ab- flussverschärfungen geführt, da durch die höhere Kapazität des Flussbettes vorhandener Retentionsraum in den Auen nicht mehr genutzt wird. Dies führt bei Hochwasser zu größeren Spitzenwerten und zu beschleunigtem Abfluss. Bild 8: Rheinhochwasser 1995 Lippemündung

42 Gewässerausbau und Hochwasserschutzanlagen | Kapitel 4

Bergsenkungen sowie der zum Teil Die negativen Einflüsse der Ver- parallel verlaufende Datteln-Hamm- gangenheit sollen zukünftig durch Kanal und Wesel-Datteln-Kanal sind Umsetzung des Lippeauenprogrammes verantwortlich für eine Einschränkung des Landes NRW gemindert werden. des Hochwasserprofils. Bergsenkungen Wichtigste Maßnahme ist eine Ent- erforderten auf 22 km Länge den Bau koppelung der Sohlvertiefung von von Deichen ein- oder beidseitig der Rhein und Lippe durch Bau eines sohl- Lippe. stützenden Bauwerkes im Lippe- mündungsraum. Zwei Talsperren gibt es im Lippe- Zum anderen sollen durch Rückbau der einzugsgebiet: die Stevertalsperre für Begradigungen, durch Bau von sohl- Trinkwassergewinnung ohne Rückhalte- stützenden Bauwerken zur Sohl- möglichkeit für Hochwasser und die anhebung u. .Ä die Retentionswir- Aabachtalsperre. Im Einzugsgebiet der kungen im Einzugsgebiet und im Oberen Lippe befinden sich 12 Hoch- Überschwemmungsgebiet verbessert wasserrückhaltebecken mit einem Stau- werden. raum von 17,59 Mio. m3.

43