Private Fernsehsender vs. Streaming-Plattformen – wie geht es weiter? , € März 3 

Zeitung des Deutschen Kulturrates www.politikundkultur.net In dieser Ausgabe: Marij am Agischewa Eva Högl Gesellschaft Heimat Erinnerung Film & Fernsehen Michael Hollmann Integration gelingt: Deutsche Das Grüne Band ist Erinnerungs- Hass in Stein gemeißelt: Die Das mediale Erbe der DDR: landschaft: BUND und Deutscher Roland Jahn Sprache, Erwerbsarbeit und Debatte um die als »Judensau« Von Schauspielerfolgen, DEFA- Bürgerschaftliches Engagement Kulturrat unterstützen die bezeichnete Schmähskulptur an Film-Archiven und Darstellun- Ralf Schenk sind die Schlüssel Nominie rung als Weltkulturerbe der Stadtkirche in Wittenberg gen der Staatssicherheit und viele andere Seite  Seite  Seite  Seiten  bis  Allmacht Die vor Kurzem im Deutschen Bun- destag und im Bundesrat beschlos- sene Errichtung der Deutschen Stiftung für Bürgerschaftliches En- gagement und Ehrenamt in Neu- strelitz ist ein, wie ich fi nde, weite- rer Bruch mit dem Subsidiaritäts- prinzip in der deutschen Politik der Nachkriegszeit. Papst Pius XI. hat bereits  in der Sozialenzyklika »Quadragesimo anno« die Subsidiarität defi niert: »Wie dasjenige, was der Einzel- mensch aus eigener Initiative und mit seinen eigenen Kräften leisten kann, ihm nicht entzogen und der Gesellschaftstätigkeit zugewiesen werden darf, so verstößt es gegen die Gerechtigkeit, das, was die klei- neren und untergeordneten Gemein- wesen leisten und zum guten Ende führen können, für die weitere und übergeordnetere Gemeinschaft in Anspruch zu nehmen ... Jede Ge- Das Archiv sellschaftstätigkeit ist ihrem Wesen nach subsidiär, sie soll die Glieder Das Gedächtnis der Gesellschaft. Seiten  bis  des Sozialkörpers unterstützen, darf sie aber niemals zerschlagen oder aufsaugen.« Papst Pius XI. verstand

die Subsidiarität als eine Art Immu- PETERSCHREIBER.MEDIA / PHOTO STOCK ADOBE FOTO: nisierungsmöglichkeit der Gesell- schaft gegen Faschismus, Kommu- nismus und Nationalismus. Der föderale Staatsaufbau Deutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg ist ein Ausdruck dieses Prinzips und war erfolgreich. Jetzt Ach, Thüringen verlässt die Politik zunehmend die Die jüngsten Ereignisse off enbaren die Verletzlichkeit der parlamentarischen Demokratie Idee, dass der Staat nur dann ein- greifen soll, wenn die Möglichkei- JOHANN MICHAEL MÖLLER Ständig werden wir erinnert und müssen das wohl. Vielleicht ist Thüringen auch nur das Beispiel für ten des Einzelnen, einer kleineren Die Jahrestage verfolgen uns, und die mörderischen ein Land, dem die Kraft zur Selbsterklärung lange Gruppe oder einer niedrigeren ch, Thüringen. Wie heißt es noch im Kinder- Ereignisse auch. Ein Land blickt beklommen zurück. Zeit fehlte und das in seiner Geschichte immer wie- staatlichen Ebene allein nicht in der reim: »In Ilmenau, da ist der Himmel blau, da Kommen die Zwanziger Jahre tatsächlich wieder oder der zur Projektionsfl äche wurde für alle möglichen Lage sind, eine bestimmte Aufgabe A tanzt der Ziegenbock mit seiner Frau.« Man betrachten wir sie heute nur wie eine Kinorevue. Ber- Erwartungen und Missdeutungen von außen; von zu lösen. fi ndet diese Verse auf dem Steinsockel des Ziegen- lin als Babylon. Und Weimar als Chiff re für Aufbruch Fremdzuschreibungen und mittlerweile sogar einem  Mitarbeiterinnen und Mitar- brunnens der kleinen Universitätsstadt im Thüringer und Untergang zugleich. Grundsatzverdacht. Thüringen hat sich darüber in beiter sollen in der neuen Stiftung Wald und der steht sinnigerweise in der Straße des Wer heute durch Weimar geht, mag das alles nicht eine imaginäre Landschaft verwandelt, die auch in in Neustrelitz das Ehrenamt in Friedens. Der Himmel dort ist tatsächlich von einem glauben; der erlebt eine herausgeputzte Kleinstadt, Vorstellungswelten existierte und nicht nur in der Deutschland befördern. Der Staat besonderen Blau, und die Stadtmeteorologen haben die sich in ihrer Bedeutungslosigkeit räkelt und bei schlichten Realität. Das haben sich selbst heute noch will die Bürgerinnen und Bürger dafür auch eine Erklärung parat. Über dem berühmten der Nennung von Goethe immer noch leicht auf die Werbetexter zunutze gemacht, die der eher be- aktivieren, mehr fürs Gemeinwohl Kickelhahn sollen sich bei bestimmten Wetterlagen Zehenspitzen geht; wo sich westdeutsche Rentner zu tun. Welche unglaubliche An- die Wolken aufl ösen und den Blick in den Himmel niederlassen und die meistens Kulturbringer von maßung! Die Zivilgesellschaft ist freigeben. Was für ein sanftes Land, indem man sich draußen erwartungsgemäß scheitern. Jetzt erhebt nicht der Erfüllungsgehilfe dieser ernsthaft nur über die wahre Form der Klöße streiten sich gerade die Klassikstiftung wieder mit der alten In Thüringen ist mehr ins Staatsstiftung. kann, die im Süden Hütes heißen. Wie oft bin ich auf Weimarer Idee, die Politik durch die Kultur retten zu Rutschen geraten als nur Der Staat sollte vielmehr das Goethes Wanderwegen gegangen, habe mir im Goe- wollen. Distinktionsabbau nennt man das heute und die Mehrheitsfi ndung im bürgerschaftliche Engagement fi - thehaus in Stützerbach zum Schutz der Biedermei- meint doch die Hoff nung, mit den Heilkräften der nanziell fördern und der Staat soll- erdielen die Filzpantoff eln über die Straßenschuhe Kultur einer erkrankten Gesellschaft zu Leibe rücken Parlament te endlich seine überbordenden gezogen; und ein paar Orte weiter verfällt der Bau- zu können. Aber was hat das alles mit den Vorgängen bürokratischen Anforderungen an ernhof der Familie ganz leise vor sich hin. im Thüringer Landtag zu tun, wo sich gerade eine gemeinnützige Vereine und Orga- Provinzposse abspielt, die freilich das Zeug hat, die langlosen Gegend um die alte Strumpfwirkerstadt nisationen zurücknehmen. Das wäre Republik zu beschädigen? Apolda den Titel einer Toskana des Ostens verpass- sinnvoll! Natürlich gibt es die suggestive Kraft der Verglei- ten. »Our world is Auerstedt«, hieß das, und es war Die staatlichen Allmachtfanta- Die Feinde der Demokratie che; natürlich muss man sich fragen, warum einem vermutlich fast ernst gemeint. sien, die bei der Stiftungsgründung stammen heute – wie wir rechtsradikalen Demagogen wie Björn Höcke ein Als »Morgen des Glücks« hat der greise Wilhelm sichtbar werden, durchziehen immer schmerzlich begreifen – solcher Abstimmungscoup ausgerechnet in Thürin- von Humboldt dieses Thüringen noch in seinen Al- mehr die deutsche Politik. Bis in die gen gelang, wo die Nazis vor  Jahren tatsächlich terssonetten beschrieben; und wenn es die blaue kleinsten gesellschaftlichen Berei- nie nur aus einem Milieu zum ersten Mal die Hand nach der exekutiven Gewalt Blume je gäbe, dann hätten die Romantiker sie wohl che reichen die regelungswütigen ausstreckten. Gibt es womöglich doch so etwas wie in Thüringen gefunden. Es war schon ein eigenarti- Arme des Staates. Ein starker Staat eine historische Prädisposition, einen gesellschaft- ger Vorgang, dass sich die Gründerväter der ersten ist nicht die Lösung unserer Pro- Ach, Thüringen. Warum von dort wieder die jüngsten lichen Nährboden, den berühmten Genius Loci der deutschen Republik aus dem von Revolutionswirren bleme, sondern er befördert vielfach Erschütterungen der deutschen Politik ausgehen, der hässlichen Art? geschüttelten Berlin in die Thüringische Provinz be- das Problem. Tabubruch, wie man die Ereignisse um die Minister- Manche Erkenntnisse der Wahlforscher legen das gaben, um sich dort den humanistischen Geist von Nur eine starke Zivilgesellschaft präsidentenwahl zurecht nennt; warum dieses Land sogar nahe. Die Wahlkarten von damals und heu- Weimar abzuholen und den Segen der Klassik dazu. wird z. B. den zunehmenden Rechts- plötzlich nicht mehr als das grüne Herz erscheint, te erscheinen für manche Regionen fast kongru- Geholfen hat es ihnen freilich nicht. extremismus zurückdrängen können. sondern als eines der Finsternis, das geht mir schwer ent. Doch man gerät schnell in die Versuchung, zu Denn auch die Feinde der Republik saßen in Deshalb: Mehr Subsi- in den Kopf. Es ist, als hätte man eine ganze Region stereotypen Erklärungsmustern zu greifen, die wir Weimar, haben sich dort munitioniert und versucht, diarität wagen, sollte in Sepiafarbe getaucht, jenem Verfahren, mit dem eigentlich nicht mehr heranziehen wollten für die ihren Ungeist gegen Berlin und eine als dekadent das Motto werden. man neue Bilder auf alt färben kann. Und schon sieht Beschreibung von Menschen. Die Feinde der De- Fortsetzung auf Seite  man überall die Gespenster der Vergangenheit auf- mokratie stammen heute – das machen die Taten Olaf Zimmermann ziehen, glaubt die Marschkolonnen wieder zu hören von Hanau deutlich – nicht mehr nur aus einem be- Nr. / ist Herausgeber von und fühlt sich in eine andere, eine schreckliche Zeit stimmten Milieu. Sie sind auf eine erschreckende ISSN - Politik & Kultur versetzt. Weise ubiquitär geworden. B   02 SEITE  www.politikundkultur.net

EDITORIAL INTERNATIONALES

Allmacht Schmähplastik in Wittenberg: Villa Kamogawa: »Deutschland Bundesarchiv: Das Alte mit neuen Alternatives Schrifttum: Olaf Zimmermann 01 Hass in Stein gemeißelt und Japan haben ähnliche Mantras Methoden bewahren Freie Archive Stephan Kosch 06 des Fleißes« Andrea Hänger 17 Jürgen Bacia 24 Theresa Brüheim im Gespräch mit Enzio LEITARTIKEL Anerkennung von NS- Wetzel 12 Zugang zu Archivgut: Für alle Die Frauenbewegung in Opfergruppen: Keine Opfer Christine Axer 18 Deutschland hat Geschichte Parlamentarische Demokratie: zweiter Klasse Kerstin Wolff 24 Ach, Thüringen Eva Högl 07 KULTURELLES Überlieferung: Quellen zur Johann Michael Möller 01 LEBEN Kolonialgeschichte Hessisches Landesarchiv: Von Grevens Einwurf: Tobias Herrmann 18 Wiesbaden über Darmstadt nach Vom Schweigen Abenteurer und Autor Mario Marburg SEITE 2 Ludwig Greven 07 Goldstein im Porträt: Die Suche Digitalisierung: Auf dem Weg Andreas Hedwig 25 nach dem Glück zum komplett digitalen Archiv Kulturmensch Samsami fragt: Sonne in Andreas Kolb 13 Stefan Kwasnitza 19 Arbeit im Archiv: Berufsbild mit Günther Bachmann 02 »Kaltland« Perspektive Behrang Samsami im Gespräch mit Björn Keuchels Kontexte: Spiegelung Stasi-Unterlagen: 111 Kilometer Susanne Freund 25 Pätzoldt 08 von Diskriminierung bleibt Aktenbestände, 2 Millionen Fotos, AKTUELLES Diskriminierung! 23.000 Tondokumente Fachzeitschriff t Archivar: Susanne Keuchel 13 Hans Jessen im Gespräch mit Michael Hollmann, Bindeglied Initiative kulturelle Integration: OSTWEST Roland Jahn und Olaf Zimmermann 20-21 Kathrin Pilger 26 Ja, wir schaff en das! Integration PERSPEKTIVEN Personennachrichten 14 gelingt Im Archiv ... Archivalische Zeitschrift: Olaf Zimmermann und Gabriele Schulz 03 Stasi in Film und Fernsehen: Rezensionen 14 Fachlicher Austausch Zwischen Lebenswirklichkeiten Das Landesarchiv Baden-Württemberg – Margit Ksoll-Marcon 26 und Allmachtsfantasien Gerald Maier 22 INLAND Theresa Brüheim im Gespräch mit Andreas ARCHIVE Claussens Kulturkanzel Kötzing 09 Das Stadtarchiv Halle (Saale) – Ralf Jacob 22 Johann Hinrich Claussen 27 Weltkulturerbe: Das Grüne Band Archive als zentrale Kulturorte: als Erinnerungslandschaft DEFA-Stiftung: Paul und Paula Aus dem Schatten treten Das Historische Archiv des Erzbistums Köln – Susanne Hassen 04 und vieles mehr Olaf Zimmermann 15 Ulrich Helbach 22 MEDIEN Ralf Schenk 10 5 Minuten Urheberrecht: Was ist ein Archiv?: Die Stiftung Rheinisch-Westfälisches Privatfernsehen vs. Streaming: Was schützt das Urheberrecht? Mediales Erbe der DDR: Ein Ort der Vergewisserung Wirtschaftsarchiv zu Köln – Ulrich S. Soénius 23 Das mediale Lagerfeuer erwärmt Robert Staats 04 Vorwärts in die Vergangenheit Michael Hollmann 16 immer weniger Zuschauer Daria Gordeeva 10 Das Deutsche Literaturarchiv Marbach – Helmut Hartung 27 Deutscher Literaturfonds: »Die Archive und Wissenschaft: Sandra Richter 23 entscheidende Rolle spielt die Schauspielerfahrungen in BRD Das Überlieferungskomprimat Kurz-Schluss, P&K Trump-Fakes literarische Qualität« und DDR: Filmerfolg mal zwei Rainer Hering 16 Das Zentralarchiv für deutsche und Theo Geiẞler 28 Theresa Brüheim im Gespräch mit Susanne Behrang Samsami im Gespräch mit Marij am internationale Kunstmarktforschung – Fischer und Wend Kässens 05 Agischewa 11 Überblick Schwerpunkt 16 Günter Herzog 23 Karikatur, Impressum 28

Fortsetzung von Seite  verunglimpfte Moderne in Stellung dem existenziellen Umbruch von  ten Stresstest und ob die repräsentativen litischen Anstand und um persönliche zu bringen. Dass Thüringen zu jener und den Jahrzehnten der Prägung davor. Formen der politischen Willensbildung Integrität. Und dort geht es darum, eine Zeit ein Laboratorium dieser Moderne Dass die neuen Ländern sich mit vielen das überleben können, ist keine akade- gemeinsame Sprache wieder zu fi nden. war und sie in all ihrer Janusköpfi gkeit anderen postkommunistischen Staaten mische Frage mehr. Sie hängt, wie könn- Die linke und die bürgerliche Seite des gerade aus der Provinz kam, ist einem des Ostens diese Erfahrung teilten und te es in einer freiheitlichen Gesellschaft demokratischen Spektrums, hat ein klu- Beobachter wie Harry Graf Kessler früh sich darin womöglich näher stehen als anders sein, ganz entscheidend vom ger Kommentator jetzt bemerkt, leiste aufgefallen. In Weimar ließ sich das Gä- dem Westen, ist lange nicht aufgefallen, Verhalten derer ab, die ein öff entliches sich einen Bruderzwist, »der von der Un- ren der deutschen Gesellschaft in vivo macht aber begreifl ich, warum ein frei- Amt bekleiden. Sie müssen sich bewusst versöhnlichkeit über die Sprachlosigkeit betrachten. Aber gelebt hat auch er in heitliches bürgerliches Selbstverständ- sein, was ihr Amt erfordert und was der schließlich in die Zersplitterung« führe. dieser Stadt nie wirklich. Das Ende ken- nis erst wieder wachsen musste. Unterschied ist zwischen diesem Amt Ach, Thüringen! – möchte man rufen. nen wir alle. Zwei Diktaturen senkten Was die Ereignisse in Thüringen da- und der eigenen Person. Passt auf, was ihr dort tut. sich über das Land und am Ende war gegen deutlich machen, ist die Verletz- In Thüringen ist mehr ins Rutschen Thüringen fast von der mentalen Land- lichkeit der parlamentarischen Demo- geraten als nur die Mehrheitsbildung im Johann Michael Möller ist freier karte verschwunden. kratie, wenn ihr keine wache Zivilgesell- Parlament. Dort geht es um demokra- Publizist und Herausgeber der Zeitung Ich kann mich noch gut an eine schaft zur Seite stünde. Der Konstanzer tische Spielregeln. Dort geht es um po- »Petersburger Dialog«

Begegnung wenige Monate nach dem (LEIPZIG) PROSCH MARCO FOTO: Verfassungsrechtler Christoph Schön- Mauerfall in der Bezirksverwaltungsbe- Johann Michael Möller berger sprach von der burlesken Weise, hörde von Erfurt erinnern, als die dorti- wie die Vorgänge in Erfurt die »verfas- ge Protokollchefi n vor einer Wandkarte Nord oder Süd. Erfurt gehörte genauso sungsrechtlichen Stabilitätsmythen der Kulturmensch stand und um die drei Bezirke Erfurt, zur Mitte wie Aachen, Köln oder Frank- bundesdeutschen Nachkriegsgeschich- Gera und Suhl mit dem Bleistift eine furt am Main. te« dementiert hätten, wobei das Wort Linie zog. Das, sagte sie mit feierlicher Der Osten, wie wir ihn heute ken- burlesk in diesem Zusammenhang kaum Günther Bachmann Stimme, könne einmal wieder zu Thü- nen, ist ein Ergebnis der Teilung und angemessen erscheint. Tatsächlich zeigt ringen werden. des jahrzehntelangen Vergessens. Dass die öff entliche Reaktion auf Thüringen  Jahre lang, seit der ersten Einset- & Kultur dankt Günther Bachmann Es ist ein Musterland der deutschen er in all den Jahren seit dem Mauerfall aber, dass das gesellschaftliche Korrek- zung im Jahr , leitet Günther für seinen langjährigen Einsatz. Einheit daraus geworden, und wenn das nicht wieder verschwunden ist, gehört tiv funktioniert. Wenn überhaupt, dann Bachmann die Geschäftsstelle des Seit  ist Bachmann Honorarpro- Wort von den blühenden Landschaften zu den Rätseln der Einheit. Ja, man war es der öff entliche Druck, der das Rates für Nachhaltige Entwicklung fessor an der Leuphana Universität eine Berechtigung hat, dann gilt das für muss leider eingestehen, dass sich die schnelle Einlenken erzwang. (RNE), seit  hat er die Position Lüneburg. Er ist Vorsitzender der weite Teile von Thüringen. Es ist eine Zuordnung zum Osten gerade wieder Das kann trotzdem nicht frohgemut des Generalsekretärs inne und ko- Jury des Deutschen Nachhaltig- deshalb nicht leicht zu beantwortende mit Leben erfüllt. Von der Erfi ndung stimmen. Denn wenn man einmal alle ordiniert die Arbeit des Nachhaltig- keitspreises, den er mit ins Leben Frage, warum die Entfremdung vom der Ostdeutschen ist die Rede und diese grundsätzlichen Fragen für einen kur- keitsrates. gerufen hat, sowie des Next Econo- Westen mitunter dort am stärksten westliche Etikettierung verwandelt sich zen Moment beiseitelegt, wird auch der Bachmann hat den RNE, der die my Awards, einer Auszeichnung für empfunden wird, wo die Angleichung in einen trotzigen Eigenbegriff . Es sind Bundesregierung in allen Fragen Start-ups, die auf soziale und ökolo- der Lebensverhältnisse am weitesten vor allem die Erfahrungen der Nach- der nachhaltigen Entwicklung un- gische Nachhaltigkeit setzen. fortgeschritten ist. Thüringen ist kein wendejahre, aus denen sich die heutige terstützt, für die Kultur geöff net. abgehängtes Hinterland. Thüringen Misere erklärt. Der Rückgriff auf ein im- In wissenschaftlichen Beiräten, lag auch nie im Osten, obwohl viele so mer noch gefährlich vagabundierendes Stiftungen und in internationalen reden. In diesen Tagen sind mir Ricarda ideologisches Erbe reicht da nicht aus. Netzwerken treibt er mit Impulsen Huchs »Lebensbilder deutscher Städte« Schieben wir die historischen Vor- und Initiativen das Nachhaltig- wieder in die Hände gefallen. Da wird hänge einmal beiseite, dann erscheint keitsdenken in Wirtschaft, Politik die geografi sche Wahrnehmung noch die Thüringer Regierungskrise eben Wahrnehmungs- und Ansehensverlust und Gesellschaft voran. Ein be- einmal deutlich, wie sie vor Krieg, Ver- nicht zuvörderst als ein Problem der von Politikern sichtbar, die das takti- sonderes Anliegen von ihm ist, die brechen und Teilung bestand. Nicht Ost Vergangenheit. Dann werden die aktu- sche Kalkül inzwischen zur wichtigsten Nachhaltigkeitsdebatte aus der und West bestimmte den Blick auf die ellen politischen Umstände sichtbar und Richtschnur ihres Handels machen. Ein Umweltschutz- und Entwicklungs- Verhältnisse, der Unterschied hieß eher die Fehler des handelnden Personals. glückloser, mit allen Tricks um sein po- hilfeecke herauszuführen und dem Vielleicht ist das Preis dafür, dass die litisches Überleben kämpfender Oppo- notwendigen kulturellen Wandel DER AUSBLICK politischen Überväter von einst wie Kurt sitionsführer ist da nicht besser, als so mehr Aufmerksamkeit zu schenken. 4  Biedenkopf in Sachsen, Bernhard Vogel mancher Regierungsvertreter, der par- Der Fonds Nachhaltigkeitskul- in Thüringen, aber auch Manfred Stolpe tout nicht einsehen wollte, dass auch er tur, der sich an den Kulturbereich Die nächste Politik & Kultur in Brandenburg eine politische Norma- die Wahl verloren hat. richtet, ist ein konkretes Beispiel erscheint am . April . lität vorgaben, die der gesellschaftlichen Auch wenn man sich sträubt, es so seines Wirkens. Anfang März über-

Im Fokus steht das Thema Wirklichkeit nie ganz entsprach. Aber dramatisch zu sagen: Aber unsere De- gibt Bachmann sein Amt an seinen MATOFF TOVIA NOEL / RNE FOTO: »Industriekultur«. wie sollte es auch anders sein, nach mokratie befi ndet sich in einem riskan- Nachfolger Marc-Oliver Pahl. Politik Politik & Kultur | Nr. / | März  AKTUELLES 03

Ja, wir schaffen das! Integration gelingt Deutsch lernen, Erwerbsarbeit und Bürgerschaftliches Engagement sind die Schlüssel

OLAF ZIMMERMANN UND ration, Integration und Asyl des Bun- zur Integration von Flüchtlingen in GABRIELE SCHULZ desamtes für Migration und Flüchtlinge den Arbeitsmarkt vorgelegt. Im Netz- (im Folgenden: BAMF-Kurzanalyse) werk engagieren sich klein- und mit- ir schaff en das«, dieser Satz belegt, dass Flüchtlinge ihre Deutsch- telständische Unternehmen. Mehr als von Bundeskanzlerin Angela kenntnisse weiter verbessern und so- jedes zweite Unternehmen, das dem W Merkel im September  gar  Prozent der Befragten angaben, genannten Netzwerk angehört, bildet ist zu einer Chiff re für die Flüchtlings- sehr gute Deutschkenntnisse zu haben. Flüchtlinge aus. Die Zahl der Flücht- politik im Sommer  geworden und Befragt wurden im Rahmen einer Son- linge, die eine Ausbildung im dualen gehört sicherlich zu den meist zitierten dererhebung des Sozio-Ökonomischen System in Unternehmen des genannten und meist umstrittenen Sätzen der letz- Panels Flüchtlinge, die im Zeitraum von Netzwerks absolvieren, ist von  Pro- ten Jahre. Vermutlich wurde in diesen  bis  nach Deutschland gekom- zent im Jahr  auf  Prozent im Jahr Satz mehr hineininterpretiert, als ei- men sind. Es ist die dritte Befragungs-  gestiegen, das ist ein beträchtli- gentlich intendiert war. welle dieser Gruppe. In der zweiten cher Zuwachs. Zurückgegangen ist die Die vom Deutschen Kulturrat initi- und dritten Welle wurden auch Flücht- Zahl der Flüchtlinge, die ein Praktikum ierte Initiative kulturelle Integration linge befragt, die erst im Jahr  in absolvieren. Sie lag im Jahr  bei  hat mit ihren  Thesen »Zusammen- Deutschland angekommen sind. In der Prozent und beträgt im Jahr   halt in Vielfalt« (kulturelle-integration. BAMF-Kurzanalyse wird darauf verwie- Prozent. Diese Zahl ist ein Hinweis da- de) im Jahr  eine gemeinsame Posi- sen, dass viele im Jahr  angekom- rauf, dass ein Praktikum teilweise in tion vorgelegt, die von dem Grundver- menen Flüchtlinge, insbesondere aus eine Ausbildung einmündet, die den ständnis getragen ist, dass Integration Syrien, ungünstige Voraussetzungen Absolventinnen und Absolventen deut- in der Vergangenheit in Deutschland für den Deutscherwerb haben, da ihre lich bessere Chancen auf dem Arbeits- Herkunftssprache »eine vergleichs- markt bietet. Der Bedarf an Fach- und weise hohe linguistische Distanz zur Hilfskräften in den Unternehmen ist ein Personen, die in den deutschen Sprache« aufweist. Oder wichtiger Treiber für die Beschäftigung Arbeitsmarkt inte- anders gesagt: Arabisch gehört nicht von Flüchtlingen. zur indo-europäischen Sprachfamilie, Der weitaus größte Teil der befrag- griert sind, weisen weshalb der Spracherwerb schwieriger ten Unternehmen unterstützt Flücht- bessere Deutsch- ist. Ebenfalls werden das Fehlen von linge bei der Integration. Lediglich vier kenntnisse auf Kenntnissen in der lateinischen Schrift Prozent der Unternehmen gaben an, und eine hohe Lernungewohnheit als Flüchtlinge beim Ankommen im Betrieb Probleme angeführt. Umso erfreulicher nicht zu unterstützen. Demgegenüber gelungen ist und auch in Zukunft ge- ist es, dass so viele der Befragten in- unterstützen  Prozent Flüchtlinge. lingen wird. Migration und Integrati- zwischen Deutschkenntnisse erworben Dies ist ein Beleg für das Engagement on sind Bestandteil der europäischen haben. Nur noch fünf Prozent der Be- von Unternehmen in der Integration. und der deutschen Geschichte. Gera- fragten gab an, keine Deutschkennt- Am häufi gsten werden Flüchtlinge bei de Deutschland als Land in der Mitte nisse zu haben. Der weitaus größte Teil Behördengängen unterstützt, gefolgt Europas ist seit Jahrhunderten durch verfügt also über Deutschkenntnisse, von zusätzlichen Sprachkursen sowie Migration geprägt, was sich nicht zu- teilweise, wie erwähnt, sogar sehr gute. Nachhilfe für Auszubildende. Unter- letzt in der deutschen Sprache mit ih- Das ist vor allem deshalb bemerkens- nehmen wissen off enbar das Poten- ren vielen Lehnwörtern aus anderen wert, weil die Befragten zum Zeitpunkt zial von Flüchtlingen für ihr eigenes Sprachen zeigt. der Ankunft in Deutschland über keine Unternehmen zu schätzen und enga- In den  Thesen hat die Initiative Deutschkenntnisse verfügten. gieren sich entsprechend. Werden die kulturelle Integration Gelingensbedin- Die BAMF-Kurzanalyse belegt, dass Unternehmen nach Herausforderungen gungen für kulturelle Integration for- sich die Investition in Integrations- und gefragt, so rangieren Schwierigkeiten in muliert. Sie hat dabei bewusst auf den in Deutschkurse lohnt. Besonders posi- der Berufsschule mit  Prozent sowie Begriff der Leitkultur verzichtet – nicht tiv entwickeln sich die Deutschkennt- Unsicherheiten in der Personalplanung zuletzt, weil dieser Begriff zumeist aus- nisse bei Personen, die im Herkunfts- mit  Prozent oben. Sprachliche Hür- grenzend benutzt wird. Vielmehr wird land ein hohes Bildungsniveau erreicht den wurden von  Prozent als Heraus- in kurzen knappen Thesen, die mit haben bzw. die Kontakte zu Deutsch- forderung genannt. Erläuterungen versehen sind, ein Dis- sprachigen haben. Insbesondere Perso- kussionsbeitrag zu gesellschaftlichem nen, die in den Arbeitsmarkt integriert Zusammenhalt in Vielfalt geleistet. Die sind, weisen bessere Deutschkenntnisse Der Bedarf an Fach- Mitglieder der Initiative kulturelle In- auf. Zu bedauern ist, dass Frauen, die und Hilfskräften in tegration vertreten dabei ein breites Kinder unter vier Jahre zu Hause be- den Unternehmen ist Spektrum an Institutionen und Orga- treuen, wenig Deutschkenntnisse ha- nisationen, verschiedene politische ben. Auf diese Gruppe sollte daher ein ein wichtiger Treiber Ebenen und Interessen. Sie stehen für besonderes Augenmerk gelegt werden, für die Beschäftigung ein vielfältiges Engagement und den damit die Integration gelingt. von Flüchtlingen Zusammenhalt in einer pluralen Ge- sellschaft. Integration betriff t alle in Bedeutung: Erwerbsarbeit Deutschland lebenden Menschen. Jede Integration ist eine dauerhafte Aufgabe, und jeder kann hierzu einen Beitrag Die Integration in den Arbeitsmarkt war die die gesamte Gesellschaft herausfor- leisten. auch ein Thema in der Initiative kul- dert. Die hier skizzierten empirischen turelle Integration. Sie formulierte in Ergebnisse belegen erfreulicherweise, These  »Erwerbsarbeit ist wichtig für dass Integration gelingt und vor allem, Bedeutung: Deutsch lernen Teilhabe, Identifi kation und sozialen dass wir es schaff en. Eine der Thesen befasst sich mit der Zusammenhalt« und weiter »Erwerbs- deutschen Sprache. In These  ist zu arbeit besitzt große Integrationskraft. Bedeutung: Bürgerschaftliches lesen: »Deutsche Sprache ist Schlüssel Sie bringt die Gesellschaft und die Engagement zur Teilhabe« und weiter in der Erläu- einzelnen Menschen zusammen. Sie terung »Unsere gemeinsame deutsche begründet Stolz und Identifi kation mit Zum Gelingen trägt neben dem staat- Sprache ist der Schlüssel zur Teilhabe dem aus eigener Kraft Geleisteten. Sie lichen Handeln wesentlich das bürger- aller in Deutschland lebenden Men- gibt dem Alltag Struktur, ermö glicht schaftliche Engagement bei, sei es in schen am gesellschaftlichen Leben. Sie Kommunikation und fö rdert so ganz Vereinen, in den Kirchen und Religi- ist das unverzichtbare Mittel zu gleich- entscheidend den sozialen Zusam- onsgemeinschaften, in den Unterneh- berechtigter Kommunikation und damit menhalt. Weil Erwerbsarbeit eine so men und anderen mehr. Die Initiative Grundvoraussetzung für Integration große Bedeutung hat, ist der Zugang kulturelle Integration hat sich daher und gesellschaftlichen Zusammenhalt. aller erwerbsfähigen Menschen zum auch vorgenommen, sich in diesem

Sprache ist aber nicht nur Kommunika- Arbeitsmarkt besonders wichtig. Das Jahr besonders dem bürgerschaftli- 19. März›Hands on!‹ – wird 29. vom Freundeskreis November des 2020 tionsmittel, sie ist zugleich Kulturgut, gilt, ganz unabhängig davon, ob sie neu chen bzw. gesellschaftlichen Engage- Deutschen Literaturarchivs Marbach gefördert. das in Dichtung und Literatur ihren in Deutschland sind oder schon lange ment für Zusammenhalt in Vielfalt zu Literaturmuseum der Moderne, Ausdruck fi ndet und den Zugang zu hier leben, ob sie Beeinträchtigungen widmen. Kultur und Gesellschaft ermöglicht«. haben oder nicht. Die Gesellschaft muss Marbach Da der Spracherwerb einer der sich auch daran messen lassen, ob sie Olaf Zimmermann ist Geschäftsführer Schlüssel für erfolgreiche Integration angemessene Zugangsmöglichkeiten des Deutschen Kulturrates und Spre- ist, wird in Integrationskursen ein be- zum Arbeitsmarkt bietet«. cher der Initiative kulturelle Integrati- www.dla-marbach.de sonderes Augenmerk hierauf gerichtet. Das »Netzwerk Unternehmen inte- on. Gabriele Schulz ist Stellvertretende Die im Februar  vorgelegte Kurz- grieren Flüchtlinge« hat ebenfalls im Geschäftsführerin des Deutschen analyse des Forschungszentrums Mig- Februar dieses Jahres aktuelle Daten Kulturrates 04 INLAND www.politikundkultur.net

Das Grüne Band als Erinnerungslandschaft BUND und Deutscher »Natur ohne Kultur hat in einer Ge- den Balkan bis an das Schwarze Meer. Kulturrat befürworten sellschaft keine Perspektive«, betonte Seit  vertritt der European Green Hubert Weiger in seinen Eingangs- Belt Association e. V. die Initiative UNESCO-Bewerbung worten. Das nahm die Präsidentin des Grünes Band Europa aus  zivilge- Deutschen Kulturrates, Susanne Keu- sellschaftlichen und staatlichen Insti- SUSANNE HASSEN chel, in ihrem Einführungsvortrag auf. tutionen mit dem Ziel, es als UNESCO Betrachte man nämlich Naturschutz als Weltnatur- und Kulturerbe zu sichern. ie Menschen stapfen neben- Bewahrung und Kulturbildung als Ge- Kai Frobel, Initiator der ersten Stun- und hintereinander den Weg staltung von Heimat, so könne man in de als »Vater des Grünen Bandes«, und entlang. Schnee bedeckt die diesem Zusammenspiel »Nachhaltigkeit Liana Geidezis vom BUND Fachbereich D Wiese rechterhand und das als Visionen begreifen«, um Heimat für Grünes Band ließen Entstehungsge- Gelände bis zum Graben auf der linken heutige und nachkommende Generati- schichte und Dimensionen dieser be- Seite. Was wie ein winterlicher Grup- onen gut zu gestalten. eindruckenden Lebenslinie deutlich penspaziergang in der freien Natur An Beispielen aus ihrer persönli- werden. Trotz der verständlichen aussieht, hat europäische Dimensionen. chen Vergangenheit in der damaligen Zerstörungswut an den verhassten Denn die Gruppe – Teilnehmer eines DDR erläuterte Schriftstellerin und Grenzanlagen nach der Wende gibt es Seminars im Evangelischen Bildungs- Psychologin Kathrin Schmidt, wie das in Deutschland fast  Grenzlandmu- zentrum Bad Alexandersbad (EBZ) – Verhalten Erwachsener durch ihre Er- seen und Erinnerungspunkte entlang läuft auf dem betonierten ehemaligen innerungen geprägt ist. Das aus dem des Grünen Bandes. Unzählige Aktio- Kolonnenweg der DDR-Grenzpatrouil- Eisernen Vorhang entstandene Grüne nen unter dem Motto »Erlebnis Grünes len mitten im Grünen Band, der heuti- Band sei ein wichtiges Zeichen im aus- Band« reichen von Buchreihen über In- gen Lebenslinie, die einst eine tödliche einanderdriftenden Europa, meinte Joa- ternationale Jugendcamps und Schul- LEIDORF KLAUS FOTO: Grenze war. chim Leonhard als UNESCO-Fachmann. projekte bis zu Zeitzeugengesprächen. Das Grüne Band von der ehemaligen Grenze im Landkreis Nordhausen »Nachhaltigkeit braucht Heimat. Eine zentrale historische Chance für Natur, Kultur und Geschichte werden Das Grüne Band als Erinnerungsort Mensch und Natur über Europa hinaus dabei immer als eins betrachtet. der Region war bis  defi niert als Beim Besuch der Gruppe im Deutsch- und Chancen für periphere ländliche nannte Hubert Weiger das Grüne Band, Dazu passte auch das abendliche Zonenrandgebiet. Die langjährige Deutschen Museum Mödlareuth, dem Räume« ist die bundesweite Tagung das deshalb alle Voraussetzungen als Konzert »Wu is mei Heimat?« des frän- Oberbürgermeisterin von Marktred- winzigen Ort mitten im Grünen Band, überschrieben, die der BUND und der Weltnatur- und -kulturerbe habe. kischen Theologen und Liedermachers witz ist seit  Jahren Präsidentin den die Grenze einst zerschnitt, rückt Deutsche Kulturrat in Zusammenar- Wolfgang Buck, der Sprache und Land- der Euregio Egrensis und erfahren in die Erinnerung dann noch einmal ganz beit mit dem EBZ organisiert haben. schaft als deren wichtige Bestandteile grenzüberschreitender Zusammenar- nahe. Unter der Leitung von Hubert Weiger, ausmachte. beit. Olaf Zimmermann wies deutlich Zwar sind im Winter weder Braun- BUND-Ehrenvorsitzender, Kulturrats- Natur ohne Kultur hat Chancen und Bedeutung des Grü- darauf hin, dass es nicht reiche, nur die kehlchen noch Arnika oder andere der Geschäftsführer Olaf Zimmermann, nen Bandes als Erinnerungsort in der Orte zu schaff en. An die Politik gerich- hunderte seltener Tier- und Pfl anzen- und Joachim Twisselmann vom EBZ in einer Gesellschaft Peripherie thematisierte eine abschlie- tet, mahnte er die entsprechenden Mit- arten zu sehen, jedoch ist es das Wis- diskutierten gut  Teilnehmer drei keine Perspektive ßende Podiumsdiskussion. Joachim tel für Betriebskosten und Personal an. sen darum, dass die Natur sich in der Tage lang Aspekte rund um das »Grü- Twisselmann machte das Grüne Band Martin Geilhufe, Landesbeauftragter Todeslinie durchgesetzt und mithilfe ne Band« und die Frage einer Nomi- in seiner Doppelfunktion zum Schutz des Bund Naturschutz Bayern, plädier- des Menschen in eine ganzheitlich- nierung als UNESCO Weltnatur- und der Natur und zur Stärkung des Men- te für Dritte Orte als Möglichkeit einer kulturelle Lebenslinie gewandelt hat, -kulturerbe. Dieser von der Natur eroberte Grenz- schen als »Dritten Ort« aus. direkten Auseinandersetzung, um im welches zu umfassender Hoff nung An- »Können der Umwelt- und der Na- streifen wurde bereits im November Als »großer Fan des Grünen Ban- Gespräch unterschiedliche Meinungen lass gibt. Am Ende steht deshalb ein turbereich strukturell zusammenar-  von Naturschützern aus Ost und des« erklärte sich Peter Berek, Bür- austauschen und auch Grenzen set- eindeutiges Ja zur Unterstützung einer beiten?«, fragte und bejahte sogleich West als schützenswertes Gebiet so germeister der kleinen Gemeinde Bad zen zu können. Die Glaubwürdigkeit UNESCO-Bewerbung. die auf den ersten Blick ungewöhnlich benannt. Mit einer Gesamtlänge von Alexandersbad im Fichtelgebirge. Den eines kirchlichen Hauses wie das EBZ erscheinende Zusammenarbeit von mehr als . Kilometern, . da- Begriff »Heimat« wolle man positiv be- – auch für Kirchenferne – unterstrich Susanne Hassen ist freie Journa- BUND und Deutschem Kulturrat, die von in Deutschland, reicht das Grüne setzen und auf keinen Fall den Rechten Joachim Twisselmann. Es sei vor allem listin und Multiplikatorin der tatsächlich aus der gemeinsamen Kri- Band Europa vom Eismeer an der nor- überlassen. »Und einen gemeinsamen wichtig, ein moralisches Fundament Projekte »Curriculum InterculturALE« tik an TTIP vor einigen Jahren heraus wegisch-russischen Grenze, über die Heimatraum schaff en« ergänzte Birgit in der Gesellschaft zu bestätigen und und »Bildungsbrücken bauen« von entstanden war. Ostseeküste, durch Zentraleuropa und Seelbinder, denn der Heimatbegriff in zu erhalten. DVV-international

Was schützt das Urheberrecht? Persönliche geistige Schöpfungen

ROBERT STAATS les, was eine Form erhalten hat, genießt in der es um die Veröff entlichung von schutz verneint, weil die erforderliche nom entstehen? Nach geltendem Recht aber bereits einen urheberrechtlichen militärischen Lageberichten, den soge- Schöpfungshöhe nicht erreicht sei. Sie ist die Sache klar: Ein Urheberrechts- rheberrecht ist Werkschutz. Um Schutz. Vielmehr muss eine bestimmte nannten »Afghanistan-Papieren«, ging, hätten anders entschieden? Das zeigt, schutz scheidet aufgrund des Schöpfer- ein Werk im Sinne des Urheber- »Gestaltungshöhe« erreicht werden, es erneut deutlich gemacht, dass es ent- wie schwierig die Abgrenzung ist. prinzips aus. Dennoch wird ein etwaiger U rechtsgesetzes handelt es sich darf sich also nicht um eine gänzlich scheidend darauf ankommt, ob der Urhe- Auch Bearbeitungen genießen Werk- Schutz von KI-Erzeugnissen derzeit be- aber nur, wenn die Voraussetzungen für alltägliche Produktion handeln, son- ber »seinen schöpferischen Geist in ori- schutz, wenn es sich um persönliche sonders intensiv diskutiert. Wie auch eine »persönliche geistige Schöpfung« dern um eine Leistung, der eine gewisse gineller Weise« zum Ausdruck gebracht geistige Schöpfungen handelt. Das ist immer rechtliche Lösungen am Ende vorliegen. Das klingt fast biblisch, steht Originalität zukommt. Sehr hoch wird und freie kreative Entscheidungen ge- beispielsweise bei Übersetzungen re- aussehen könnten, an dem persönlich- aber exakt so im Gesetz. Was aber ist dabei die Messlatte allerdings nicht ge- troff en hat; geistige Anstrengungen oder gelmäßig der Fall. Geht es nicht um die keitsrechtlichen Ansatz des Urheber- eine persönliche geistige Schöpfung? legt. Vielmehr ist auch die sogenannte Sachkenntnis für sich genommen sind Gestaltung eines inhaltlichen Stoff es rechts sollte nicht gerüttelt werden. Mit dieser Frage befassen sich juris- »kleine Münze« geschützt. dagegen unerheblich. (EuGH, Urteil vom durch den Urheber, sondern um eine Auf den Werkbegriff kommt es nicht tische Kommentare und Lehrbücher Zugegeben: Das klingt alles etwas .. – C-/). Auswahl und Anordnung von einzelnen an, soweit es um den Schutz von Leis- auf vielen Seiten. Dabei wird zumeist schwammig. Viel genauer lässt es sich Wie aber würden Sie – auf der Grund- Elementen, die in einer Sammlung zu- tungen durch sogenannte »verwand- nach verschiedenen Werkkategorien, aber leider kaum sagen. Gelegentlich lage des soeben gesagten – folgenden sammengefasst werden, so kommt ein te Schutzrechte« geht. Diese Rechte wie beispielsweise Sprachwerke, Werke landen Streitfälle vor Gericht und auch Fall entscheiden, mit dem sich – aus- Schutz als Sammelwerk in Betracht. Das stehen beispielsweise Musikern und der Musik, Werke der bildenden Kunst, hier lässt sich häufi g nur schwer ein- weislich einer Pressemitteilung vom . Besondere ist hier, dass es sich bei der Schauspielern oder Film- und Ton- Lichtbildwerke oder Filmwerke unter- schätzen, wie die Gerichte im Ergeb- Dezember  ( W /) – kürzlich Auswahl und Anordnungsentscheidung trägerproduzenten zu. Derartige Leis- schieden. Diese fi nden sich im Gesetz nis entscheiden werden. Dabei geht es die Münchener Gerichte befasst haben: um eine persönliche geistige Schöpfung tungsschutzrechte verfolgen ein ande- aufgezählt, die Liste der dort genann- nicht nur um Verfahren Das berühmte handeln muss. Davon ist beispielsweise res Schutzkonzept als das Urheberrecht; ten Werkarten ist aber keineswegs ab- vor deutschen Gerichten, Zitat »Früher bei Gedichtanthologien auszugehen. hierauf wird später noch einzugehen schließend. Und es bleibt in jedem Fall auch der Europäische Ge- war mehr La- Geschützt sind schließlich auch Daten- sein. Fortsetzung folgt. dabei, dass es sich um eine persönliche richtshof (EuGH) befasst metta« aus dem bankwerke sowie Computerprogramme. geistige Schöpfung handeln muss. Ei- sich mit dem urheber- Sketch »Weih- Kein Urheberrechtsschutz besteht da- Robert Staats ist Geschäftsführendes nigkeit besteht darin, dass bloße Ideen rechtlichen Werkbegriff . nachten bei gegen kraft ausdrücklicher gesetzlicher Vorstandsmitglied der VG Wort und nicht geschützt sind. Gleiches gilt für So hat der EuGH in der be- Hoppenstedts« Anordnung bei amtlichen Werken, wie Vorsitzender des Fachausschusses Ur- einen bestimmten Schreibstil oder eine rühmten »Infopaq«-Ent- von Loriot war Gesetzen, Verordnungen oder Gerichts- heberrecht des Deutschen Kulturrates besondere Maltechnik. Geschützt ist scheidung einen Urheber- auf T-Shirts entscheidungen; diese sollen für die vielmehr nur die konkrete Gestaltung rechtsschutz bereits bei elf aufeinander gedruckt und kommerziell vertrieben Allgemeinheit frei zugänglich sein. eines Werkes. Die bloße Idee zu einem folgenden Wörtern für möglich gehalten worden. Dagegen wandten sich die Er- Wichtig ist, dass urheberrechtlich INFO Roman ist demnach urheberrechtlich (EuGH, Urteil vom .. – C-/). ben von Loriot. Es kam darauf an, ob geschützte Werke nur durch Menschen, nicht geschützt, die schriftliche Fas- Es wäre auf der anderen Seite aber zu die weihnachtliche Provokation von nicht aber durch Tiere oder Maschinen Roberts Staats erläutert in jeder Aus- sung aber ohne jeden Zweifel. Gleiches einfach, den Schutz von Schriftwerken Opa Hoppenstedt urheberrechtlich ge- geschaff en werden können. Wie aber gabe von Politik & Kultur prägnant kann auch schon für Entwürfe oder Ma- lediglich an einer bestimmten Anzahl schützt war. Originalität? Kreativität? geht man mit Presseartikeln, Bildern und verständlich einzelne Aspekte nuskripte gelten, wenn diese bereits von Wörtern festzumachen. Vielmehr Das Landgericht und das Oberlandes- oder Musikstücken um, die aufgrund des Urheberrechts. Lesen Sie alle hinreichend ausgestaltet sind. Nicht al- hat der EuGH in einem neueren Urteil, gericht München haben einen Werk- von künstlicher Intelligenz (KI) auto- Beiträge unter: bit.ly/lQhKk Politik & Kultur | Nr. / | März  INLAND 05

»Die entscheidende Rolle spielt die literarische Qualität« Der Deutsche Literaturfonds feiert das . Jubiläum

Der Deutsche Literaturfonds wird  – Seit Herbst  erhalten Sie zwei und Initiativen bewerben. Wie sieht darum, auch das Problematische oder halten und erstmals den Großen Preis herzlichen Glückwunsch! Damit zählt Millionen Euro im Jahr. Welche das in der Praxis aus? das Schwergängige mit Qualität zu des Deutschen Literaturfonds verge- er zu den ersten und ältesten deutschen Förderinstrumente setzen Sie Fischer: Das ist ganz unterschiedlich. ermöglichen. Das gilt auch für die Ju- ben. Der Preis hieß zuvor Kranichstei- Kulturförderfonds. Politik & Kultur genau ein, um dieses Geld zu ver- Wichtig ist aber vor allem die überre- gendliteratur. ner Literaturpreis und war bisher mit nimmt das Jubiläum zum Gesprächs- teilen? gionale Strahlkraft der Projekte. Z. B. . Euro dotiert. Wir haben ihn anlass: Theresa Brüheim traf zwei der Fischer: Es sind natürlich nach wie gibt es Literaturzeitschriften, die für Welche Ziele verfolgen Sie als anlässlich des Jubiläums umbenannt. drei Vorstandsmitglieder – Susanne vor Autorenstipendien. Sie sind unser Sondernummern eine Projektförde- Deutscher Literaturfonds mit den In Zukunft ist er mit . Euro Fischer und Wend Kässens. Kerngeschäft. Das heißt genauer, Au- rung beantragen. verschiedenen Förderinstrumen- dotiert und steht damit neben dem torinnen und Autoren erhalten bis zu Kässens: Wir haben eine Koopera- ten? Büchner-Preis, der von der Deutschen Theresa Brüheim: In diesem Jahr einem Jahr eine fi nanzielle Förderung, tion mit dem Drama Forum in Graz Fischer: Es geht darum, gute Literatur Akademie für Sprache und Dichtung feiert der Deutsche Literaturfonds sodass sie in Ruhe an ihren Projek- und dem Grazer Schauspielhaus. Da jenseits der Marktkriterien zu ermög- verliehen wird. sein . Jubiläum.  wurde er ten arbeiten können. Es gibt darüber fördern wir die Ausbildung von Dra- lichen. Natürlich gibt es auch gute gegründet. Wie kam es damals hinaus auch Preise, die wir vergeben. matikern. Das von vier Stipendiaten marktgängige Literatur, das ist nicht Sie beide sind als ehrenamtlicher dazu? Er war ja einer der ersten Außerdem gibt es zwei Auslandssti- pro Jahr Erarbeitete kann dann im die Frage. Wer ohnehin sein Auskom- Vorstand für den Deutschen Lite- Kulturförderfonds in der Bundes- pendien, übrigens schon seit der An- Schauspielhaus oder an anderen The- men auf dem Buchmarkt fi ndet, der raturfonds tätig. Wend Kässens, republik. fangszeit, das New York Stipendium atern gleich erprobt werden. Auch das bewirbt sich nicht bei uns. Aber die Sie waren langjähriger Leiter der Susanne Fischer: Willy Brandt wollte und das London Stipendium. Dane- Drama Forum hat für diesen Zweck ein anderen, die ihre qualitativ hoch- Literaturredaktion von NDR Kultur schon viel früher die Nationalstiftung ben gibt es Projekte und Kooperatio- kleines eigenes Theater. Höhepunkt wertige literarische Arbeit mit einem und sind Kritiker. Susanne Fischer, zur Förderung der Kultur gründen. nen, in denen wir uns engagieren. dieser Ausbildung ist ein jährliches anderen Job fi nanzieren, diese damit Sie sind selbst Schriftstellerin. Was Dieses Projekt versickerte dann in der Kässens: Nicht zu vergessen: Wir »DramatikerInnenfestival«, auf dem unterbrechen müssen, die fördern wir. macht für Sie die deutsche Gegen- Politik, aber das Geld, das zurückge- fördern auch Übersetzungen ins Deut- die Arbeiten präsentiert werden, es Denn diese schleichende Entprofessi- wartsliteratur aus? stellt war, blieb. Aus diesem Anlass sche, wenn sie die deutsche Literatur Einblicke in das Seminar gibt und onalisierung kann nicht richtig sein. Kässens: Die Migration stellt eine sah man eine Chance, den Deutschen bereichern. Dramatiker aus ganz Europa über große Problematik dar, mit der sich Literaturfonds zu gründen. So taten wichtige Themen debattieren. Solche Ende Januar sind Sie mit einer auch die Literatur befasst. Wir müs- sich dann sieben literarische Verbän- Inwieweit gibt es da Überschnei- Kooperationen sind über mehrere Jah- Tagung im Deutschen Literaturin- sen uns also fragen, wie gehen wir als de zusammen. dungen mit dem Deutschen Über- re angelegt. stitut Leipzig in das Jubiläumsjahr Deutscher Literaturfonds mit den hier Wend Kässens: Es waren die sieben setzerfonds? Fischer: Eine weitere Kooperation ist des Deutschen Literaturfonds ge- lebenden Schriftstellern aus anderen wesentlichen Verbände, die es damals Kässens: Wir kommen uns nicht in die »Weiter Schreiben«. Diese Berliner In- startet. Welche Impulse nehmen Ländern um, die berechtigt versuchen, gab: Verband deutscher Schriftstelle- Quere. Denn beim Deutschen Lite- itiative arbeitet mit gefl üchteten Au- Sie daraus mit? hier Fuß zu fassen. Auch die DDR- rinnen und Schriftsteller (VS), P.E.N., raturfonds sind Stipendien für Über- toren. Es fi nden sich Tandems zusam- Fischer: Mich hat am meisten die Vergangenheit spielt in der aktuellen Akademie für Sprache und Dichtung, setzungen eher die Ausnahme. Dazu men, bestehend aus einem deutschen Political-Correctness-Diskussion Literatur eine große Rolle. Ich bin Börsenverein des deutschen Buch- vergeben wir den Paul-Celan-Preis und einem gefl üchteten Autor. Es überrascht. Da prallen off ensichtlich immer überrascht, weil viele jüngere handels, VG Wort, Freier Autorenver- für eine herausragende Übersetzung. geht darum, die Sprache zu erlernen, Welten aufeinander: der etablierte Autoren erst spät angefangen haben, band und Deutscher Bibliotheksver- Im Vergleich zum Deutschen Über- Kontakte herzustellen, gemeinsam an Literaturbetrieb und der junge Nach- zu recherchieren, wie ihre Eltern die band. Sie haben sich zusammengetan setzerfonds ist der Anteil, den wir auf Übersetzungen zu arbeiten und Pub- wuchs. Ich sehe da einen sich anbah- ehemalige DDR erlebt haben. Es gibt und die Unterschriften für die Grün- diesem Gebiet leisten können, sehr likationsmöglichkeiten zu fi nden oder nenden Generationskonfl ikt. Das wird auch das Heimatproblem, wobei Hei- dung des Deutschen Literaturfonds viel geringer. zu schaff en. Das sind Beispiele für Pro- interessant. mat inzwischen ein Stück weit tabui- geleistet. Bereits , also vier Jahre jektzuschüsse und Kooperationen. Kässens: Political Correctness soll siert ist. Identitätsproblematiken sind vor der Gründung, wurde eine Art Bleiben wir bei der Autorenför- Satzung aufgestellt, in der festge- derung. Welche Kriterien müssen halten wird, dass der Deutsche Lite- Autorinnen und Autoren erfüllen, raturfonds eine völlig unabhängige um vom Deutschen Literaturfonds Institution sein soll. Darüber hinaus gefördert zu werden? wurde damals schon die Qualitätsfra- Fischer: Gefördert wird deutschspra- ge festgeschrieben. chige Literatur. Die Bewerber müssen als Voraussetzung bereits ein Buch In den letzten  Jahren sind zu veröff entlicht haben, allerdings nicht den sieben Gründungsmitgliedern im Selbstverlag. Wir fördern keine ab- keine weiteren hinzugekommen. soluten Newcomer. Das sind vielleicht Kässens: Das stimmt, aber die Sat- Kriterien, die man mit den Änderun- zung lässt es zu. Und es gibt Überle- gen im Publikationswesen überdenken gungen, die Trägerschaft zu erwei- muss. Aber im Moment ist es so. Das tern. Alter der Bewerber ist nach oben hin off en. Eingereicht werden müssen ein  förderte der Deutsche Litera- Exposé für das Projekt, an dem gear- turfonds zum ersten Mal. Wie sah beitet wird, eine kurze Biobibliografi e diese allererste Förderrunde aus? und, wichtig,  ausgearbeitete Seiten Kässens: In den ersten Runden sind aus dem Projekt. Entscheidend ist die zwischen  und  Bewerbungen literarische Qualität. Dafür gibt es ein im Jahr eingegangen. Der Bedarf war Kuratorium, das mit jeweils einem sehr groß. Im Vergleich: Jetzt sind Vertreter aus den sieben Mitglieds- es anhaltend etwa  Bewerbungen verbänden besetzt ist. Sie lesen die pro Jahr. Davon werden zwischen  Anträge, die vorher von einem Lektor bis  Prozent positiv beschieden. unverbindlich begutachtet wurden.

Das heißt, die, die nichts bekommen, Alle Kuratoren bekommen wirklich je- MILATOVIC NIKOLA FOTO: sind in der Mehrzahl. Und das wirft den Antrag zumindest komprimiert zu Das Stück »Draufgängerinnen« von Tanja Šljivars wurde im Rahmen des DramatikerInnenfestivals  in Graz aufge- natürlich Probleme auf. Diese Prob- sehen. Und dann wird darüber gestrit- führt. Das Festival wird vom Drama Forum, einer Kooperation des Deutschen Literaturfonds, veranstaltet leme gab es schon zu Beginn und sie ten, was herausragende literarische haben sich bis heute nicht verändert. Qualität ist, und was weniger. Das sind Der Deutsche Literaturfonds hat sich auch in der Sprache wiederfi nden, in diesem Zusammenhang zentral. Die Skepsis gegenüber der Institution spannende Sitzungen, es wird enga- sich insbesondere auch der Förde- wie sie im Zusammenhang mit den Fischer: Was mir bei den Bewerbungen und ihrer Arbeit ist geblieben. giert über Literatur geredet und am rung der Jugendliteratur verschrie- Gleichstellungsdiskussionen vielfach auff ällt, ist, dass es viel um Familien- Fischer: Aber zu Beginn gab es auch Ende steht eine Mehrheitsentschei- ben. Sie vergeben unter anderem gefordert wird. Es gibt zahlreiche Au- geschichte geht, mittels derer dann wesentlich mehr Stipendien als heute. dung oder auch ein Konsens. die Kranichsteiner Jugendlite- torinnen und Autoren, die diese zum auch andere Problematiken erzählt Das heißt, die Autorinnen und Auto- Kässens: Ganz wichtig ist zu ergänzen, ratur-Stipendien. Wieso gibt es Teil radikale Veränderung von Spra- werden, zum Beispiel der Umgang ren haben eine geringere Fördersum- dass die Kuratoriumsmitglieder wech- zusätzlich diesen speziellen Fokus che als Lähmung oder auch Verlust mit der nationalsozialistischen Ver- me erhalten. Damals wurde das Geld seln. Die Autorinnen und Autoren sind auf die Förderung von Jugendlite- empfi nden. Sprache verändert sich gangenheit. Das fände ich gar nicht vom Bundesministerium des Innern nicht den immer gleichen Entschei- ratur? sowieso immer. Aber Eingriff e, die das schlecht, wenn es nicht oft so konven- zugewendet. Später wurde die Kul- dern gegenübergestellt. Bisher wurden Kässens: Es ist unglaublich wichtig, forcieren, werden dann doch oft auch tionell wäre, wie da herangegangen turstiftung des Bundes mit der Verga- die Kuratoriumsmitglieder für drei über Jugendliteratur die Jugend zu als Bevormundung empfunden. Denn wird. Was ich spannend fi nde, sind be der Gelder beauftragt. Seit einigen Jahre gewählt. Das wird jetzt auf zwei erreichen. Jugendbuchautoren sollten zunächst ist Literatur eine Off enheit, ungewöhnliche Schreibweisen und Jahren ist für die Kulturförderfonds Jahre reduziert, damit die Fluktuation die gleichen Rechte haben – zumal die auch off en gefüllt werden will. Das ungewöhnliche Perspektiven auf die die Staatsministerin für Kultur und in der Jury höher wird. Das Kuratorium der Übergang von Jugend- zu Erwach- bemerken wir als Problem, die Diskus- Gesellschaft. Medien zuständig. Es gab auch Pha- tagt dreimal im Jahr. Bisher waren es senenliteratur fl ießend ist. Warum sionen fi nden statt. Und wir sind auf- sen der fi nanziellen Unsicherheit, nur zweimal. So wollen wir schneller sollte man also die Jugendliteratur gefordert, uns dazu zu verhalten. Vielen Dank. gerade nach den ersten fünf Jahren auf Einreichungen reagieren. ausschließen? Was wir nicht fördern, des Bestehens war der Fortbestand ist z. B. Unterhaltungsliteratur wie Was steht im Jubiläumsjahr weiter- Susanne Fischer und Wend Kässens des Deutschen Literaturfonds nicht  hat der Deutsche Literatur- Krimis. Den Teil des Literaturberei- hin an? sind Mitglieder des Vorstands des Deut- gesichert, weil das ursprünglich zur fonds neben  Autorenstipendien ches, der sich selbst problemlos fi nan- Kässens: Bei einem großen Festakt am schen Literaturfonds. Theresa Brüheim Verfügung gestellte Geld verbraucht acht Projektzuschüsse vergeben. ziert, den fördern wir nicht. Es geht . Oktober wird die Staatsministerin ist Chefi n vom Dienst von Politik & und der Fortgang nicht klar war. Für diese können sich Verbände beim Deutschen Literaturfonds immer Monika Grütters in Berlin die Festrede Kultur 06 INLAND www.politikundkultur.net

Hass in Stein gemeißelt Die Wittenberger »Juden- niert. Das sorgte für Diskussionen in der Beteiligung jüdischer Mitbürger wei- Synode, Irmgard Schwaetzer, erklärte jegliche künstlerische Bearbeitung sau« verweist auf die anti- Stadtkirchengemeinde, erinnert sich terentwickeln. auf einer Tagung zum Thema: »Meines des Themas muss sich der Kernfrage Gottfried Keller, der von  bis  Doch auch die bereits bestehende Erachtens muss das Bild abgenommen stellen: Soll die »Judensau« an der Kir- judaistische Tradition der einer der Pfarrer der Gemeinde war. Einbettung reichte dem Gericht, um werden. Wir würden damit die Gefühle che hängen bleiben oder nicht? Kann evangelischen Kirche »Die Junge Gemeinde hat die Meinung die Klage Düllmanns erneut abzuwei- unserer jüdischen Geschwister achten es als »Denkmal der Schande« an der vertreten, dass das Relief abgenommen sen. Richter Buchloh machte bereits zu – und das wäre schon ein guter Grund.« Kirche mehr bewirken als im Museum? STEPHAN KOSCH werden müsse, in der Gemeinde gab es Beginn der mündlichen Verhandlung Doch es gehe vor allem darum, »dass wir Oder ist Kunst an einer Kirche nicht dazu unterschiedliche Standpunkte.« klar, dass das Relief für sich genommen als evangelische Kirche deutlich dem immer auch in Form gegossene Ver- trenge Sicherheitskontrollen Am Ende der Diskussion war klar: Das »eine Herabwürdigung der Juden« dar- Antij udaismus widersprechen, der in kündigung, die sehr wohl bis in die am Eingang, mehrere Fern- Relief bleibt hängen, sollte aber nicht stelle. Allerdings bedürfe es der Ausle- dieser Plastik zum Ausdruck kommt, Gegenwart hineinreicht? »Es geht bei sehkameras im Verhandlungs- mehr unkommentiert an der Fassade S saal, rund  Besucher in den bleiben. Stuhlreihen, darunter zahlreiche Pres- Seit  setzt vor der Kirchenmauer severtreter. Volker Buchloh, Vorsitzen- unterhalb des Reliefs eine Bodenplat- der Richter am Oberlandesgericht in te, gestaltet vom Bildhauer Wieland Naumburg an der Saale, hat so ein öf- Schmiedel, einen Kontrapunkt. Sie fentliches Interesse bislang nicht erlebt. besteht aus Trittplatten, die etwas ver- Dabei ging es an diesem Tag um die decken sollen, was nicht zu verdrängen Arbeit eines unbekannten Bildhauers, ist und das aus den Fugen quillt, die die schon seit über  Jahren der Öf- ein Kreuz ergeben. Umrahmt wird das fentlichkeit zugänglich ist. Und darum, alles von einem Text des Schriftstel- ob die »Judensau« genannte Schmäh- lers Jürgen Rennert: »Gottes eigentli- plastik an der Wittenberger Stadtkir- cher Name, der geschmähte Schem Ha che noch immer eine Beleidigung der Mphoras, den die Juden vor den Chris- Juden darstellt oder nicht. Damit stellt ten fast unsagbar heilig hielten, starb sich auch die Frage, wie die Kirchen mit in sechs Millionen Juden unter einem ihrem antij üdischen Erbe umgehen – Kreuzeszeichen.« Zudem erläutert eine ganz unabhängig von dem juristischen Tafel auf einer Stele den Hintergrund Verfahren um die Wittenberger Sau, das des Reliefs und des Mahnmals. bald auch den Bundesgerichtshof in Michael Düllmann, der in den er Karlsruhe beschäftigen wird. Jahren nach einem mehrjährigen Auf- enthalt in einem israelischen Kibbuz zum Judentum konvertiert war, reicht das nicht. Er fordert von der Stadtkir- Die Stimmen, die chengemeinde in Wittenberg die Ab- nahme der Plastik und ihre Ausstellung für eine Abnahme in einem Museum. Der weißhaarige sprechen, mehren sich schlanke Mann war mit seinem An- liegen bereits vor dem Landgericht in Dessau-Roßlau gescheitert, zeigte sich aber im Revisionsverfahren in Naum- Stein des Anstoßes ist ein Sandstein- burg kämpferisch. »Die Judensau macht relief, das seit etwa  an der Außen- mich zum Saujuden. Dafür mache ich fassade der Wittenberger Stadtkirche, Sie verantwortlich!«, rief er den Ver- der einstigen Predigtstätte Martin tretern der Stadtkirchengemeinde zu. Luthers, hängt. Es stellt ein Schwein Das Bodendenkmal ändere daran nichts, dar, an dessen Zitzen Juden saugen. es verfälsche vielmehr die Shoah-Ge- Ein Rabbiner hebt mit der Hand den schichte. Die Juden seien nicht gestor- Schwanz der Sau und blickt ihr in den ben, sondern ermordet worden. Und es After. Das Relief wurde um  im Zuge sei nicht das Kreuzeszeichen, sondern

der Neugestaltung der Kirche versetzt der Davidstern gewesen, den die Juden SCHMIDT/DPAZENTRALBILD/DPA ALLIANCE/HENDRIK PICTURE FOTO: und mit den Worten »Rabini Schem Ha hätten tragen müssen. »Sie okkupieren Die als »Judensau« bezeichnete mittelalterliche Schmähskulptur an der Stadtkirche St. Marien in Wittenberg Mphoras« versehen, ein Verweis auf Juden als christliche Märtyrer, schämen Luthers judenfeindliche Schrift »Vom Sie sich!« gung, »ob das ganze Ensemble«, also zu dem sich Martin Luther aber in den der Debatte auch um so etwas wie die Schem Hamphoras und vom Geschlecht Die Stadtkirchengemeinde verwies »Judensau«, die Bodenplatte und die letzten Jahren seines Lebens in seinen Gegenwart der Vergangenheit, nicht Christi« aus dem Jahr . Das Relief erneut darauf, dass sie die Plastik »ge- Stele »objektiv als Beleidigung gesehen Schriften bekannt hat.« Auch der Lan- nur um Vergangenheit«, meint näm- ist somit nicht nur Teil der unseligen erbt« habe und damit umgehen müsse. werden kann«. Durch die Einbettung desbischof der Evangelischen Kirche in lich der Antisemitismusbeauftragte der Tradition von »Judensauen«, wie sie in »Es gibt niemanden, der diese Plastik des Reliefs in den Kontext einer Ge- Mitteldeutschland, Friedrich Kramer, EKD, Christian Staff a. Gibt es also eine etwa  Kirchen im deutschsprachigen gut findet«, sagte Pfarrer Johannes denkstätte sei der Tatbestand der Be- hatte bereits mit Blick auf das Reforma- Verbindung zwischen der »Judensau« Raum zu fi nden sind. Es ist Ausdruck Block. Würde sie aber abgenommen, leidigung nicht mehr gegeben. Im spä- tionsjubiläum  die Abnahme vorge- an der Kirche und dem gleichlauten- des Antij udaismus, der Luther und an- könnte man der Gemeinde eine Verfäl- ter gesprochenen Urteil bestätigte das schlagen. Das Relief solle aber nicht im den Schimpfwort auf den Schulhö- deren Reformatoren zu eigen war. schung der Geschichte vorwerfen. Des- Gericht diese Auff assung. Eine Revision Museum verschwinden, sondern vor der fen der Gegenwart? Wie müsste also Im Umfeld der Jubiläumsfeier zu halb wolle die Kirchengemeinde »mit vor dem Bundesgerichtshof, ließ es aber Kirche Teil eines weiterentwickelten ein Mahnmal aussehen, das auch die Luthers . Geburtstag  wurde dem Originalstück an die Geschichte zu, was der Kläger Michael Düllmann Mahnmals werden. Rezeptionsgeschichte solcher antise- die Kirche und mit ihr das Relief sa- erinnern« und die Gedenkstätte unter als Erfolg wertet: »Der Stein, den ich ins Doch es gibt auch Gegner der Ab- mitischen Kunstwerke wie Judensau, Wasser geworfen habe, zieht weite Krei- nahme, etwa die Stadtkirchengemeinde Bildern von »Ecclesia et synagoga« oder se. Es geht weiter.« Er will sein Anliegen, selber: »Das ist in der Gemeinde nicht Darstellungen von Cranach zu Gesetz wenn nötig, bis zum Europäischen Ge- mehrheitsfähig«, sagt Johannes Block, und Evangelium beinhaltet? richtshof für Menschenrechte tragen. der seit  Pfarrer an der Stadtkir- Staff as Vorschlag erinnert an die Die juristische Fragestellung ist che in Wittenberg ist. Nach jüdisch- Kunst des Verpackungskünstlers Chris- Jetzt als E-Book! aber nur ein Aspekt. Schon das Land- christlichem Verständnis gibt es keine to: Das an der Kirche befi ndliche Relief gericht in Dessau, das als erste die Kla- tadellos perfekte Geschichte, aber die könnte abgedeckt, eine Kopie am Fuße Wie so oft, ist auch bei der Kolonialismus-Debatte der Kulturbereich der Katalysator, der ge verhandelte, gab der Kirche in der Kraft der Vergebung und Versöhnung, der Kirche aufgestellt und mit ande- die Diskussion in Schwung bringt. Fragen des Debattenbuches des Deutschen Kulturrates Urteilsbegründung einen Hinweis mit »die selbst aus Bösem Gutes werden ren künstlerischen Elementen verse- sind: Welche Verantwortung hat der deutsche Staat heute? Wie kann Wieder gutmachung auf den Weg. Man möge gesellschaft- lässt«. Allerdings sieht auch Block hen werden. So entstünden eine oder aussehen? Welche Rolle haben die Missionen gespielt und wie ist das Verhältnis der lich darüber diskutieren, ob eine Kir- den Bedarf der »Weiterentwicklung« mehrere »experimentelle« Lösungen, Kirche zum globalen Süden heute? Welche Konzeption ist die Beste für das Humboldt Forum, das zukünftige nationale Museum der Weltkulturen in Berlin? che, »die sich auf den Glauben an Jesus der Gedenkstätte. Ähnlich formuliert die veränderbar seien. Der Angst der Christus, einen Juden, gründet, durch es der Kulturbeauftragte der EKD, Jo- Denkmalschützer vor einem »Bilder- Den Kulturrat-Bestseller gibt es jetzt auch als kostenfreies E-Book! das Festhalten an der bildlichen Dar- hann Hinrich Claussen, jüngst in einem sturm«, wie ihn die Stadtkirche in der Vorwort – Markus Hilgert: Heilen, was zerbrochen ist. – Olaf Zimmermann: Schuld und Sühne / S. 13 Die Rückgabe der Familienbibel und Peitsche Hendrik stellung einer ›Judensau‹ an einer ihrer Beitrag für die Zeitschrift chrismon: Reformation erlebt hat, würde begegnet, Kolonialismus – Postkolonialismus – Dekolonisation Witboois / S. 49 – Olaf Zimmermann und Gabriele Schulz: Kolonial- – Andreas Guibeb im Gespräch mit Hans Jessen: Kultur-Debatte als Katalysator. Bei Sammlungs- Namibia wartet. Die deutsche Anerkennung bedeutendsten Kirchen nicht Gefahr »Ich denke, dass solche ›Denkmäler‹ gleichzeitig aber ein deutliches Zeichen gut aus kolonialen Kontexten geht es um mehr als des Völkermordes an den Herero und Nama muss  um Museumsbestände / S. 17 offiziell werden / S. 51 – OlafKolonialismus- Zimmermann: Zivilgesellschaft einbinden. – Nama Traditional Leaders Association: Nichts über läuft, ihre Glaubwürdigkeit zu verlie- an Ort und Stelle bleiben sollten. Sie gesetzt. Die Verhüllung würde die Dis- Mehr Einmischung in die Debatte von außen ist uns ohne uns. Antwort an den namibischen Botschaf- dringend notwendig / S. 20 ter in Deutschland auf einen deutschen Marshallplan für ren.« Diese Diskussion müsse aber in sollten öff entlich sichtbar sein und tanzierung von der »Judensau« unüber- – Hermann Parzinger: Ein großer Gesamtplan. den Genozid an Nama und Ovaherero / S. 55 StückwerkDebatte: vermeiden / S. 21 Museen im Blickpunkt – Lars-Christian Koch: Partnerschaftliche Aufarbeitung. – Wiebke Ahrndt: Nichteuropäische Perspektiven fördern. der Gesellschaft geführt werden und zum gemeinsamen Nachdenken und sehbar machen. Gleichzeitig entstünde Immaterielles Kulturgut stärken / S. 22 Deutscher Museumsbund sensibilisiert für den Umgang – Hartmut Dorgerloh: Digitale Zugänglichkeit. mit Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten / S. 59 Ein wichtigesBestandsaufnahme Zeichen der Öffnung nach außen / S. 23 – Wiebke Ahrndt im Gespräch mit Theresa Brüheim: begründe für sich genommen keinen notwendigen Streiten anregen. Dies ein Ort, an dem nichts mehr in Stein – Viola König: Zugang durch Maßnahmen. Im Dialog mit Herkunftsgesellschaften. Der Deutsche Verbleib der Exponate gemeinsam mit Herkunfts- Museumsbund veröffentlicht zweite Fassung des Jetzt gesellschaften regeln / S. 24 Leitfadens zum Umgang mit Sammlungsgut aus kolo- Beseitigungsanspruch des Klägers ge- gilt besonders für den Wittenberg-Fall, gemeißelt ist, sondern festgefügte Po- – Jürgenund Zimmerer: »Benin-Forum«. Konsequenzen Die Zeit der nialen Kontexten / S. 61 kostenfrei unter: defensiven Minimalmaßnahmen ist vorbei / S. 25 – Johann Michael Möller: Befreit die Sammlungen. genüber der Beklagten. wo die Kirchengemeinde eine eigene sitionen sich begegnen und aufweichen – Michelle Müntefering: Internationale Dimension. H. Glenn Penny schreibt »Eine tragische Geschichte der kulturrat.de Konkrete Kooperationen mit afrikanischen Partnern deutschen Ethnologie« / S. 64 anstoßen / S. 26 – Jörg Häntzschel: Totales Chaos. Die Situation der Und diese Diskussion wird mit zu- Gedenkgeschichte besitzt, die man können. Wohin dieser Prozess außer- – Klaus Lederer: Gemeinsame Signale. Für eine ethnologischen Museen in Deutschland / S. 67 gerechte und nachhaltige Weltordnung / S. 27 – Jerzy Skrabania: Unvergessliche Zeugnisse beson- – Carsten Brosda: Postkoloniale Erinnerungskultur. derer Kulturen. Ethnologische Sammlungen im Museum nehmender Deutlichkeit geführt. Die achten muss.« Allerdings, so Claussen, halb der Gerichte dann am Ende führt, Zu einem transkulturellen Dialog auf Augenhöhe »Haus Völker und Kulturen« in St. Augustin / S. 70 finden / S. 28 – Thomas Müller-Bahlke: Das Ziegenbalghaus. – : Nicht über das Ziel Die interkulturelle Arbeit der Franckeschen Stiftungen Stimmen, die, egal was das Gericht ur- könnte man sich über die Gestaltung bliebe zunächst off en. Aber das spricht hinaus. Die Aufarbeitung und Rückgabe in Südindien / S. 73 der NS-Raubkunst darf nicht in den Hinter- – Ciraj Rassool: Laboratorium der sozialen Trans- grund rücken / S. 29 formation. Museen in Südafrika / S. 76 Das gedruckte Buch teilt, für eine Abnahme sprechen, meh- dieses besonderen Erinnerungsortes wohl eher dafür, sich auf das Wagnis – : Kein entwicklungspolitischer – Beate Reifenscheid: Aus dem Schatten treten. Gestus. Transparenz zeigen / S. 30 Museums-Perspektiven zu Dekolonisation und erhalten Sie unter ren sich. Dazu zählt die des Antisemitis- neue Gedanken machen. »Vielleicht mit einzulassen. – : Anwalt der heimischen Museen. Restitution / S. 80 Museumsbestände werden instrumentalisiert / S. 31 Kolonialismus und Mission kulturrat-shop.de – : Ethikkommission ist erforder- – Olaf Zimmermann: Kolonialismus und Mission: musbeauftragten der Bundesregierung, einer aktuellen und erweiterten künst- lich. Regeln für fairen und gerechten Umgang Den Blick weiten. Auseinandersetzung mit einer erarbeiten / S. 32 Geschichte voller Ambivalenzen / S. 83 ISBN ---- – Simone Barrientos: Vom Damals ins Heute. – Wolfgang Reinhard: Eine machtgesättigte Symbiose. Felix Klein. Auch hochrangige Vertreter lerischen Intervention?« Stephan Kosch ist Redakteur der Es braucht ressourcenübergreifende Konzepte / S. 33 Die Geschichte von Kolonialismus und Mission / S. 86  Seiten · , Euro – Kirsten Kappert-Gonther: Demut und Diskurs. – Johann Hinrich Claussen: Die ersten »Nicht- Mittel für Provenienzforschung erhöhen / S. 34 regierungsorganisationen«. Ein anderer Blick auf der evangelischen Kirche äußerten sich Es wird also etwas passieren an evangelischen Monatszeitschrift – Gabriele Schulz: Eine Debatte hat begonnen. die Geschichte der evangelischen Mission / S. 89 Bericht zur Bundestagsdebatte zu Sammlungsgut – Jürgen Zimmerer: Eine symbiotische Beziehung. Zimmermann und Theo Geißler kl il ii d l ili idi i d in ähnlicher Weise. Die Präses der EKD- der Wittenberger Stadtkirche. Aber zeitzeichen in Berlin Politik & Kultur | Nr. / | März  INLAND 07

schluss eines Antrages der Koalition den Härterichtlinien zum Allgemeinen ermöglicht das Parlament endlich die Kriegsfolgengesetz (AKG) aufgenommen. volle Anerkennung dieser Opfergrup- Bedauerlich ist, dass es im Deutschen Keine Opfer pen. Damit wird unmissverständlich nicht gelungen ist, sich auf klargestellt, dass kein Mensch zu Recht einen gemeinsamen Antrag der fünf im Konzentrationslager war. Und dass es demokratischen Fraktionen zu ver- zweiter Klasse keine Opfer zweiter Klasse gibt. ständigen. Das wäre ein gutes Signal Angestoßen wurden diese Entwick- gewesen! Wichtig ist es nun, diesen Be- Den NS-Opfergruppen »Asoziale« und »Berufsverbrecher« wird endlich lung und Debatte maßgeblich von Frank schluss mit Leben zu füllen. Im nächsten Nonnenmacher, dessen Onkel im KZ Bundeshaushalt müssen Mittel für die Anerkennung gezollt Sachsenhausen als »Berufsverbrecher« Forschung und die Wanderausstellung inhaftiert war. In seinem Appell vom bereitgestellt werden. Und es wäre ein EVA HÖGL Kleidung tragen. In den er Jahren wurden verurteilte Straftäterinnen und April  forderte Nonnenmacher das wichtiges Zeichen, wenn der Deutsche wurde der Begriff der »Asozialen« stark -täter aus den Justizvollzugsanstalten in Parlament auf, für eine umfassende An- Bundestag eine Gedenkstunde zum . m . Januar  hat der ausgeweitet und die Nationalsozialisten die Konzentrationslager überstellt, wo erkennung und Aufarbeitung der Ge- Januar den »Asozialen« und »Berufsver- Deutsche Bundestag im nutzten diese Stigmatisierung, um An- sie als »Berufsverbrecher« mit »grünem schichte von sogenannten »Asozialen« brechern« widmet. Rahmen einer Gedenkstunde dersdenkende und missliebige Personen Winkel« gekennzeichnet wurden. und »Berufsverbrechern« zu sorgen, und Auch im Stadtbild können weitere A die Befreiung des Konzent- zu inhaftieren und zu ermorden. Für die Menschen, die von den Nati- gewann dafür viele wichtige Unterstüt- Orte des Gedenkens entstehen. Auf dem rationslagers Auschwitz vor  Jahren Auch bei den »Berufsverbrechern«, onalsozialisten als »Asoziale« und »Be- zerinnen und Unterstützer. Ihm danke Berliner Alexanderplatz erinnern fünf gewürdigt. Zuvor hatte Bundespräsi- die im Konzentrationslager den »grü- rufsverbrecher« verfolgt wurden, setzte ich sehr herzlich für sein Engagement, Stolpersteine an Otto Bülow, Joachim dent Frank-Walter Steinmeier in einer nen Winkel« tragen mussten, kam es sich die Diskriminierung nach der na- seine Hartnäckigkeit und seine guten Ebel, Paul Kobelt, Willi Kochannek und beeindruckenden Rede in Yad Vashem im Laufe der Jahre zu einer Begriff saus- tionalsozialistischen Terrorherrschaft Vorschläge. Der beschlossene Antrag hat Karl Mielke. Sie wurden als »Asoziale« die besondere Verantwortung der Deut- weitung. Zunächst wurden als »Berufs- fort. Sie hatten keine Opferverbände, vier Schwerpunkte: Anerkennung, Auf- im KZ Sachsenhausen inhaftiert und von schen betont. Ohne dieses Erinnern, verbrecher« Menschen bezeichnet, die sie fühlten sich schuldig, die Angehö- arbeitung, Gedenken und Entschädigung. den Nationalsozialisten ermordet. Diese ohne Gedenken und Mahnen gibt es mehr als dreimal zu Freiheitsstrafen von rigen waren verunsichert, der Start in Die wissenschaftliche Aufarbeitung fünf Steine stehen stellvertretend für keine Zukunft. mindestens sechs Monaten verurteilt ein neues Leben war vielfach schwie- wird gefördert, die Forschungsergeb- eine ganze Opfergruppe. Damit wir die Es ist von besonderer Bedeutung, wurden. In der Regel handelte es sich rig. Erst Ende der er Jahre gelang es, nisse sollen einer breiten Öff entlichkeit Opfer und ihr Leid nie vergessen. dass wir die Erinnerung an die unvor- um Eigentumsdelikte. Erwähnenswert eine öff entliche Wahrnehmung für das durch eine modulare Wanderausstel- stellbaren Morde, die menschenverach- ist, dass gegen sie zum Zeitpunkt der Schicksal dieser Gruppen zu schaff en. lung nahgebracht und Einzelschicksale Eva Högl ist Mitglied des Deutschen tenden Taten der Nationalsozialisten Inhaftierung kein Tatverdacht vorlag Mit der Debatte am . Februar  sollen näher beleuchtet werden. Außer- Bundestages und Stellvertretende und an die Schicksale der Opfer auf- und die Strafen verbüßt waren. Ab  im Deutschen Bundestag und dem Be- dem werden die beiden Opfergruppen in Vositzende der SPD-Fraktion rechterhalten und jungen Menschen zugänglich machen. Gerade in einer Zeit, in der Rechtsextremismus in unserem Land unverändert und immer wieder eine echte Gefahr ist, in der Jüdinnen Vom Schweigen und Juden angegriff en werden, in der Politikerinnen und Politiker bedroht Mehr Ruhe täte der now, Vizepräsident des Zentralrates stand niedergeschlagen wurde und Geplapper zum Erliegen. Weil dazu werden und in den sozialen Medien Hass Gesellschaft gut der Juden in Deutschland, hatte dort Tausende starben. Ob er daran be- vor allem auch Zuhören gehört. Und und Hetze kursiert, ist es wichtig, an die ein Grußwort gehalten. Mit leiser, teiligt war, weiß ich nicht. Er hat nie bisweilen Schweigen. Nachdenken Schrecken des Nationalsozialismus zu stockender Stimme berichtete er, über seine Kriegszeit gesprochen. Er kann man am besten, wenn Stille erinnern und der Opfer zu gedenken. LUDWIG GREVEN dass er erst vor nicht langer Zeit bei hat darüber bis zuletzt geschwiegen, einkehrt. Wirkliche Verständigung ist Erinnerungskultur ist ein zentraler einem Besuch in Yad Vashem erfah- wie die meisten seiner Täter- und nur möglich, wenn man dem Gesag- Bestandteil aktueller Kulturpolitik. Der Wer kennt das nicht: Man steigt in ren habe, dass allein von der Seite Mittätergeneration. Wie auch viele ten Raum und Zeit gibt nachzuhallen, von CDU/CSU und SPD im März  ge- die Bahn oder den Bus, hat einen seines Vaters  Familienangehörige Überlebende. Ich führe manchmal zu wirken, sich zu entfalten. Statt- schlossene Koalitionsvertrag formuliert anstrengenden Tag vor oder hinter ermordet wurden. . In ganz Europa, dessen besprechen wir alles so lange, ein wichtiges Vorhaben: »Bisher weniger sich und möchte abschalten, seinen nicht nur in Auschwitz. Was soll, was bis der Sinn der Worte verloren geht. beachtete Opfergruppen des National- Gedanken nachhängen, lesen. Aber kann man da noch sagen? Nichts. Die erste Wahl eines Ministerprä- sozialismus wollen wir anerkennen und dann setzt oder stellt sich jemand Zum . Jahrestag der Befreiung der sidenten in Deutschland seit  ihre Geschichte aufarbeiten.« Dies be- neben einen, die oder der lauthals wenigen Überlebenden in der größ- GREVENS mithilfe der Partei eines Faschisten, triff t vor allem Opfer, die als »Asoziale« telefoniert. Man versucht nicht ten Mordfabrik der Nazis durch die EINWURF nur wenige Tage nach dem Gedenken und »Berufsverbrecher« verfolgt wurden hinzuhören, aber es gelingt nicht. Rote Armee sind wieder viele Reden an Auschwitz und die Shoah, ein his- und die bis heute nicht wirklich als Opfer Ungewollt bekommt man das halbe gehalten worden. Von unserem torischer Tabubruch: Es blieb kaum anerkannt wurden. Die Forschung geht Gespräch mit. Über ernste Dinge oder Bundespräsidenten, von anderen. ein inneres Zwiegespräch mit ihm. Zeit zum Erschrecken, zum Innehal- von ungefähr . Menschen aus, die Nichtigkeiten, über den Streit mit Wichtige, bedeutende, nachdenkli- Aber ich bekomme keine Antworten. ten, zum Besinnen. Was hat das zu diesen Gruppen zugeordnet wurden und einer Freundin, Liebeskummer, Pro- che Worte. Aber auch überfl üssige. Reden, wenn es nichts oder nichts bedeuten, welche Folgen kann das in den Konzentrationslagern inhaftiert bleme in der Arbeit, daheim, das Ziel Was kann zu diesem größten aller mehr zu sagen gibt; schweigen, haben? Ist das rückgängig zu machen, waren. Im Gegensatz zu Menschen, die der Fahrt, Neuerwerbungen. Einmal Verbrechen, dem Völkermord an den wenn es so viel zu sagen gäbe: Das wie die Kanzlerin sagt? Kann, wird es aufgrund ihrer Religion, Zugehörigkeit musste ich miterleben, wie ein Wich- Juden Europas und an ihrer, unse- ist der Zwiespalt. Unser Leben be- sich wiederholen? Aber es musste ja zu einer Minderheit, Rasse, Homosexu- tigtuer in meinem Zugabteil einen rer Kultur noch gesagt werden, was steht heute, so habe ich bisweilen alles gleich analysiert und kommen- alität oder politischen Einstellung ver- Mitarbeiter am Telefon feuerte. Ich nicht schon Zehntausende Male den Eindruck, nur noch aus bis- tiert werden, möglichst scharf oder folgt wurden, fanden diese beiden Grup- habe ihm gesagt, dass er ihm das bit- gesagt worden ist? Dennoch ist das weilen leerer Kommunikation. Wir möglichst relativierend, je nachdem. pen bisher wenig öff entliche Beachtung. te schön ins Gesicht sagen solle und rituelle Gedenken notwendig, da- sprechen und schreiben von früh bis Worte, nichts als Worte. Dies liegt daran, dass diese Gruppen sehr dass mich sein Imponiergehabe nicht mit das, was damals im Namen von spät. Schon vor dem Frühstück auf Man kann nicht nicht kommuni- heterogen sind und die Opfer und ihre interessiere. Dann war Ruhe. Großdeutschland Deutsche ange- Facebook oder Twitter. Live, am Te- zieren, hat Paul Watzlawick gesagt. Angehörigen sich schämten. Kürzlich fuhr ich von Berlin nach richtet haben, niemals vergessen lefon, am Computer. Unterwegs auf Auch Schweigen ist eine Form der Bei den »Asozialen« nutzten die Hamburg zurück. Hinter mir saß ein wird. Das sind wir den Opfern und WhatsApp, per SMS oder E-Mail. Bei Mitteilung. Aber eben eine andere Nationalsozialisten gängige Vorurteile Mann, der die ganze Zeit laut in sein uns schuldig. Der Vergangenheit, der der Arbeit. In der Freizeit. Mit der als lautes Reden und Zutexten. Es gegenüber gesellschaftlichen Gruppen Handy sprach. Ich kam von einer Ta- Gegenwart, der Zukunft. Partnerin, dem Partner, Freunden, kann Anteilnahme ausdrücken, Em- wie Obdachlosen, sozialbenachteilig- gung der Initiative kulturelle Integ- Aber eigentlich konnte ich nach den Kollegen, Fremden. Nur selten mit pathie, Mitgefühl, Nachdenklichkeit, ten Menschen und Prostituierten. Auch ration, an der der Deutsche Kulturrat wenigen Worten von Mark Dainow uns selbst. Manche manchmal auch Verbundenheit, Ratlosigkeit. Vieles, Menschen ohne anerkannte Erwerbstä- führend beteiligt ist, über die Frage, auf der Tagung schon nicht mehr mit Gott. Oder, die Kehrseite: mit was Worte nicht vermögen. Reden ist tigkeit wurden als »Asoziale« verfolgt. wie in Zukunft der Shoah gedacht richtig zuhören. Mein Vater war als niemandem. viel. Nichtreden manchmal mehr. In den Konzentrationslagern mussten werden kann, wenn die letzten Über- Wehrmachtsoffi zier  in Polen, Das gesellschaftliche Gespräch je- sie den »schwarzen Winkel« auf ihrer lebenden gestorben sind. Mark Dai- zu der Zeit, als der Warschauer Auf- doch kommt vor lauter Gerede und Ludwig Greven ist freier Publizist

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Sonne in »Kaltland« Björn Pätzoldt über die von ihm mitbegründete erste »Ausländerpartei« in Deutschland

»In Hamburg ist jetzt eine Par- ni« angesprochen werden woll- bei der sie Trauzeugin der ira- nichts. Es scheiterte wohl an organisationen in der BRD. In länder«. Die letztliche Anzahl tei gegründet worden, die sich te. Interessant übrigens: Kurz nischen Braut war. Eigentlich einem zahlungskräftigen Pro- dieser Funktion hatte ich auch der Mitglieder ist mir nicht besonders für Ausländerbelan- nach ihrer Geburt überfi elen hätten wir uns schon zehn duzenten. an der Erstellung des »Alter- mehr erinnerlich. Es waren ge einsetzen will. Vorsitzende die Alliierten den Iran, um sei- Jahre früher kennenlernen nativentwurfs ' zum Auslän- Angehörige aus Ghana, Süd- der ›Partei Ausländischer und ne Ölfelder vor einer Invasion können. Ende der er Jahre Kommen wir zur PADD: dergesetz '« mitgewirkt. amerika, Pakistan, Iran, der Deutscher Demokraten‹ ist die durch deutsche Truppen zu si- arbeitete ich als Vorsitzender Wenn man die Werke Ihrer Türkei und ein Japaner dar- persische Schriftstellerin Torkan chern. Während die Briten den des Allgemeinen Studenten- Frau, den Roman »Tufan Was hat Sie bewogen, sich unter. Daneshfar-Pätzoldt. Die Partei Süden besetzten, okkupierten ausschusses (AStA) der Uni- – Brief an einen islami- auf das »Ausländer«-Thema will ab  an den Wahlen in die Sowjets den Norden Irans, versität Hamburg eng mit dem schen Bruder« () und zu konzentrieren? Wie war die Reaktion der Öf- Hamburg teilnehmen.« Diese darunter auch Gilan. iranischen Studentenverband den Erzählband »Kaltland. In den Schulferien bin ich Jahr fentlichkeit? kurze dpa-Meldung fi ndet sich CISNU zusammen. In dieser Wahʼschate Ssard« () für Jahr durch Europa getrampt Durchwachsen. Die Medien am . August  in der taz. Welcher Familie entstammte Organisation war auch Torkan kennt, in denen sie sich – und nach dem Abitur über reagierten überaus positiv auf In ihrem Programm hatten die Torkan? politisch aktiv. Wir hatten uns stark autobiografi sch mit eineinhalb Jahre quer durch die Parteigründung; sie stürz- Initiatoren der Partei Ausländi- Ihr Vater war Arzt; ihre Mutter wohl gegenseitig übersehen. ihrer eigenen (Familien-) Afrika gereist. Diese Erlebnisse ten sich geradezu wohlwollend scher und Deutscher Demokra- Arzthelferin. Sie hatte noch Geschichte im Iran sowie und Erfahrungen haben mein mit Interviewanfragen auf ten (PADD) Forderungen, die sich drei Geschwister: einen älte- Ihre Frau hat  die deut- mit ihrer Situation als »Aus- Torkan. Ungezählte Ausländer teilweise in dem von der rot-grü- ren und einen jüngeren Bruder sche Staatsbürgerschaft an- länderin« trotz deutschem und Deutsche beantragten nen Bundesregierung verantwor- und eine  Jahre nach ihr ge- genommen. Was bewog sie Pass in der Bundesrepublik ihre Mitgliedschaft. Anderer- teten Staatsangehörigkeitsgesetz borene Schwester. Über ihren zu diesem Schritt, zumal zu befasst, wirkt die Gründung seits – nicht nur von deutscher, vom Juli  wiederfi nden. Das jüngeren Bruder, einen einsti- einer Zeit, als im Iran noch der Partei wie der Versuch, auch von ausländischer Seite, Projekt PADD stach insofern  gen Schah-Gegner, der später Mohammed Reza Pahlewi die Zustände nicht mehr nur insbesondere vom »Bündnis hervor und erfuhr hohes medi- unter dem Mullah-Regime im als Schah herrschte? zu beschreiben, sondern än- türkischer Einwanderer«, ha- ales Interesse: Fernsehen und Gefängnis ermordet wurde, hat Sie hatte aus ihrer ersten rein dern zu wollen. Interesse geprägt. Und natür- gelte es Kritik: Die Gründung Print, darunter NDR und Spie- Torkan  in Deutschland iranischen Ehe einen in Ham- Wir hatten einen internatio- lich auch meine erwähnte Tä- einer »Ausländerpartei« würde gel, berichteten über die Partei. ein Buch veröff entlicht. Der burg geborenen Sohn, der sich nalen Bekanntenkreis aus ver- tigkeit in der Studentenpolitik. den begehrten Eintritt von Björn Pätzoldt, Jahrgang , Titel: »Tufan – Brief an einen – wie sie selbst – in diese Ge- schiedenen Kontinenten. Bei Ausländern in deutsche Partei- Politologe und lange Jahre Ver- islamischen Bruder«. sellschaft integriert hatte. Sie allen kulturellen Unterschie- Die Gründung der PADD fi el en und das angestrebte Kom- leger und selbständiger Organi- konnte und wollte unter den den einte sie alle doch eins: in eine Zeit, als Migranten in munalwahlrecht für Ausländer sationsberater, war Mitbegründer Wie verlief Torkans weiterer gesellschaftlichen Zuständen Das »Ausländer-Dasein«! Jeder Deutschland überhaupt kein erschweren. dieser ersten »Ausländerpartei« Lebenslauf? im Iran dort nicht mehr leben. beklagte sich über Alltagsdis- Wahlrecht hatten. Damals Deren Forderungen waren in der Bundesrepublik. Behrang Ich kann da nur aus ihren kriminierung und Behörden- plante der SPD-FDP-Senat Torkan aber nicht genug. Der Samsami sprach mit Björn Pät- Erzählungen berichten: , Wie hat sich Torkan in die willkür. Als Torkan dann mit in Hamburg laut Koalitions- Eintritt in »rein deutsche« zoldt über die Initialzünderin der nach dem Abzug der sow- deutsche Gesellschaft »inte- dem iranischen Schriftsteller vereinbarung, Migranten Parteien würde deren Stellung PADD, seine  verstorbene jetischen Truppen aus dem griert«? SAID im Jahr  quer durch »nach einem legalen, un- gegenüber Ausländern nicht Frau Torkan Daneshfar-Pätzoldt, Norden Irans, übersiedelte die Anfangs, noch ohne Sprach- die Universitätsstädte der Bun- unterbrochenen Aufenthalt wesentlich beeinfl ussen kön- die Gründe für die Entstehung Familie nach Teheran. Hier ver- kenntnisse, hat sie sich mit desrepublik auf Lesetournee von mindestens acht Jahren« nen. Zudem wollte sie das Aus- war, erfuhr sie aus dem Audi- zu erlauben, zumindest die länderwahlrecht nicht nur auf torium weitere erschreckende sieben Bezirksversamm- kommunaler, sondern auch auf Beispiele der Fremdenfeind- lungen in der Freien und Landes- und Bundesebene. lichkeit und des Rassismus. Es Hansestadt mitwählen zu hatte ihr gereicht! Sie wollte dürfen. Der damalige Bun- Die Idee mit der Partei wur- keine Klagen mehr, sie wollte desinnenminister Friedrich de schnell wieder begraben. Veränderung. Zimmermann (CSU) lehnte Warum? diese Idee als »Anschlag auf Neben der vorerwähnten Kritik Was war der konkrete Anlass die Verfassung« strikt ab. von Ausländerseite – es wurde für die Gründung der PADD? Die geplante Einführung des auch unter der Hand moniert, Torkan hatte nicht die Absicht, Ausländerwahlrechts nur auf dass kein Türke als Vertreter selbst eine politische Karriere kommunaler Ebene reichte uns der Mehrheitsausländer, son- einzuschlagen; sie wollte als nicht; sie ist übrigens aufgrund dern eine Iranerin und mithin naturalisierte Ausländerin mit eines späteren Urteils des eine Frau Parteigründerin der Gründung der Partei le- Bundesverfassungsgerichts ist – gab es auch heftige An- diglich ein Zeichen setzen, um gescheitert, das die Verleihung griff e von deutscher Seite: nach deren Etablierung den des Wahlrechts zu den Bezirks- Telefonterror im Form von Vorsitz an berufenere Hände versammlungen an Ausländer »Deutschland den Deutschen«, zu übergeben. Sie war es – wie für »verfassungswidrig« er- Bombendrohungen und An- bereits erwähnt – einfach nur klärte. feindungen vor unserer Haus- leid, immer nur Klagen zu hö- tür zehrten zunehmend an un- ren und nichts gegen die Miss- Die PADD war Ihre erste und seren Kräften. Als dann auch stände zu tun. letzte Parteigründung. Wie noch parteiintern ideologische sind Sie vorgegangen? Grabenkämpfe auszubrechen Was waren die Ziele? Nach mehr als  Jahren erin- drohten, ging uns die Puste Wir hatten sie in sechs Punk- nere ich mich, wie wir unsere aus. Wir begruben die Partei ten zusammengefasst: . Wahl- Parteisatzung »gezimmert« und verabschiedeten uns von recht für alle Immigranten hatten: Mangels eigener der Öff entlichkeit. nach fünfjähriger Aufenthalts- »Parteigründungserfahrung« Das Hamburger Abendblatt

FOTO: PRIVAT FOTO: dauer in der Bundesrepublik, . baten wir den befreundeten vom . Oktober  schrieb Torkan Daneshfar-Pätzoldt gründete gemeinsam mit Björn Pätzoldt die »Ausländerpartei« deutsche Staatsbürgerschaft Schriftsteller Peter Schütt um unter der Überschrift »Aus- für jedes in der BRD geborene Aushändigung der Satzung länderpartei zog sich zurück«: der Partei und das sehr schnelle brachte Torkan ihre Kindheit »niedrigen« Jobs durchgeschla- Kind, . Liberalisierung und der Deutschen Kommunis- »Die erste Ausländerpartei Ende dieses politischen Projekts und Jugend. An der Universität gen: Als Reinigungskraft im teilweise Abschaff ung des tischen Partei (DKP), deren in der Bundesrepublik, die in Hamburg. Teheran studierte sie Pädago- Hotel und Postbotin in einem Ausländergesetzes, . Erleich- Vorstandsmitglied er damals Ende August dieses Jahres gik und Anglistik. Später unter- Versicherungskonzern. Neben- terung bei der Erlangung der war. Wir »kupferten« deren in Hamburg von der persi- Behrang Samsami: Herr richtete sie in der Hauptstadt bei erwarb sie zügig Kenntnis- deutschen Staatsbürgerschaft, Statut weitgehend ab, reichten schen Schriftstellerin Torkan Pätzoldt, Ihre  ver- als Volksschullehrerin. se in deutscher Sprache, die sie . Abschaff ung aller die Im- diese Unterlagen beim Notar Daneshfar-Pätzoldt gegründet storbene Frau Torkan war alsbald nahezu komplett be- migranten benachteiligenden ein und beantragten die Zulas- worden war, hat aufgegeben. Hauptinitiatorin der PADD. Können Sie uns die Gründe herrschte. Sie schrieb Gedichte Vorschriften und Gesetze und . sung als »Partei Ausländischer Wie ein Sprecher der ›Partei Bevor wir über diese Episode für die Übersiedlung Ihrer und Essays auf Deutsch, ver- besonderer staatlicher Schutz und Deutscher Demokraten« Ausländischer und Deutscher gebliebene Gründung spre- Frau in die Bundesrepublik öff entlichte Kurzgeschichten von Immigranten vor Benach- (PADD). Demokraten‹ mitteilte, sei der chen: Könnten Sie uns, da nennen? in der Regenbogenpresse und teiligung und Diskriminierung. Versuch gescheitert, den in Informationen rar sind, das Nach ihrer Aussage waren es landete schließlich bei den Das Parteiengesetz in der der Bundesrepublik lebenden Leben Ihrer Frau skizzieren? nicht politische, sondern ge- St.-Pauli-Nachrichten, beim Einige Ihrer seinerzeitigen Bundesrepublik schrieb Ausländern die Möglichkeit zu Björn Pätzoldt: Torkan wurde sellschaftliche Gründe, die sie Spiegel und dem Stern. Forderungen fi nden sich, damals vor, dass eine Partei schaff en, ihre Interessen parla- im Juli  in Azar-Shahr ge-  zur Ausreise aus dem Iran zwar etwas modifi ziert, im bei Wahlen nur antreten mentarisch zu vertreten.« boren, einem kleinen Ort in bewogen: Sie litt unter den Der iranische Regisseur Staatsangehörigkeitsgesetz durfte, wenn die Mitglie- der iranischen Provinz Gilan islamischen, frauenfeindlichen Sohrab Shahid Saless wollte vom Juli  wieder. Wie der der Partei oder des Vielen Dank. am Kaspischen Meer. Daher Konventionen, die auch unter  Torkans Buch »Tufan kamen Sie selbst mit Aus- Vorstands in der Mehrheit ihr ursprünglicher Nachname dem Schah-Regime den Alltag – Brief an einen islamischen länderrechtsfragen in Be- deutsche Staatsangehörige Björn Pätzoldt ist Politologe. Shakibi-Guilani, benannt nach beherrschten. Sie wollte frei Bruder« verfi lmen. Wie kam rührung? waren. Wie viele Mitglieder Er war viele Jahre Verleger ihrer Geburtsprovinz – was im und selbstbestimmt leben. es dazu und warum ist dar- / war ich als Vorstands- hatte die PADD und woher und selbständiger Organisa- Iran nicht selten vorkommt. aus nichts geworden? mitglied des Verbandes Deut- stammten sie? tionsberater, Moderator und Das »u« in ihrem Namen hat Und wie haben Sie Torkan Wir erhielten per Post eine scher Studentenschaften (VDS) Im Parteivorstand waren aus- Mediator unter anderem für Torkan selbst transkribiert, da kennengelernt? entsprechende Anfrage und für Internationales zuständig schließlich Deutsche bezie- Industrie und Ministerien. sie eigentlich nach England Ende  in Berlin auf der erklärten postwendend unsere und stand in engem Kontakt hungsweise zu Deutschen na- Behrang Samsami ist freier emigrieren und nicht als »Jila- Hochzeit eines Schulfreundes, Einwilligung. Danach geschah mit ausländischen Studenten- turalisierte, ehemalige »Aus- Journalist Politik & Kultur | Nr. / | März  OSTWESTPERSPEKTIVEN 09

Wie hat sich die Darstellung der dazu gehörenden Ambivalenzen Staatssicherheit in Film und Fern- und Widersprüchen. Das ist bis- Zwischen Lebenswirklichkeiten sehen nach der Wende geändert? lang eher die Ausnahme bei den fi l- In den frühen er Jahren hat es mischen Auseinandersetzungen mit spannende Versuche von ehemaligen der Staatssicherheit. Und das gilt und Allmachtsfantasien DDR-Filmemachern gegeben, die sowohl für die Leute, die Opfer der diese Themen bis dahin nicht be- Staatssicherheit geworden sind, als handeln konnten. Da sind zum Teil auch für die Leute, die selber für die Die Staatssicherheit in Manchmal erinnern mich die Stasi- neue Massenmedium versprach eine sehr eindringliche Dokumentarfi lme Staatssicherheit gearbeitet haben. Film und Fernsehen Bilder in diesen Filmen an ähnliche größere Reichweite für die politi- entstanden, die bis heute zu den bes- Dahinter stecken individuelle Bio- Darstellungen der Gestapo in Filmen sche Agitation. Es wurden große und ten Filmen über die Staatssicherheit grafi en, die man nicht auf schwarz Darstellungen der Staatssicherheit über die NS-Zeit, z. B. in Alfred Hitch- mehrteilige Serienprojekte initiiert. zählen, wie z. B. »Die verriegelte Zeit« oder weiß reduzieren kann. Anhand sind aus Filmen über die DDR nicht cocks »Der zerrissene Vorhang«. Es Ganz prominent war »Das unsichtba- von Sibylle Schönemann und auch von ganz konkreten persönlichen Le- wegzudenken. Allzu schnell entsteht gab auf westlicher Seite aber auch re Visier« mit Armin Mueller-Stahl in einige interessante Spielfi lme wie bensschicksalen kann man sehr viel dabei aber das Bild eines scheinbar all- damals schon diff erenziertere Filme, der Hauptrolle. Auch Mueller-Stahl »Der Tangospieler« von Roland Gräf. diff erenziertere und spannendere mächtigen Geheimdienstes, das sich die versucht haben, Geheimdienste war als Stasi-Kundschafter im Aus- Allerdings waren diese Filme beim Geschichten erzählen. Das hat es im auf historische Aufarbeitung und Ge- – unabhängig davon, ob sie auf westli- land unterwegs, wie übrigens bei Publikum nicht besonders erfolgreich. Film auch durchaus schon gegeben. schichtsvermittlung auswirken kann. cher oder östlicher Seite agierten – in nahezu allen Produktionen aus der Es hat eine gewisse Zeit gebraucht, bis »Barbara« von Christian Petzold Andreas Kötzing ist Herausgeber des ein kritisches Licht zu rücken. »Der DDR-Zeit: Es geht fast ausschließlich das Stasi-Thema bei der fi lmischen war ein sehr interessanter Versuch. Sammelbandes »Bilder der Allmacht. Spion, der aus der Kälte kam« war z. B. um die Auslandseinsätze der Staats- Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit Darin geht es um eine Ärztin, die an Die Staatssicherheit in Film und Fern- ein Film, in dem die Staatssicherheit sicherheit zur Abwehr von Feinden. stärker in den Mittelpunkt gerückt ein Krankenhaus strafversetzt wird, sehen«. Theresa Brüheim spricht mit eine prominente Rolle spielt, sich Die Überwachung der Bevölkerung im ist. In Erfolgsfi lmen wie »Sonnenal- nachdem sie einen Ausreiseantrag ihm über stereotype Darstellungen und aber kaum von den westlichen Ge- eigenen Land war ein Tabu und spiel- lee« oder »Goodbye Lenin« hat die gestellt hat, und dort von der Staats- diff erenzierte Alternativen. heimdiensten unterscheidet. Geheim- te in den Filmen grundsätzlich keine Staatssicherheit noch keine große sicherheit überwacht wird. Sie ver- diensttätigkeit erscheint darin per se Rolle. Das hat erst nach der Wieder- Rolle gespielt. Dann kam  »Das liebt sich in einen Kollegen, von Theresa Brüheim: Wenn man über als unmoralisches und skrupelloses vereinigung  eingesetzt. Leben der Anderen«. Der Film hat den dem sie nicht weiß, ob er auch für die Darstellung der Staatssicher- Geschäft, bei dem es keine Gewinner Diskurs nachhaltig verändert, auch die Stasi arbeitet. heit in Film und Fernsehen spricht, gibt. Solche ambivalenten Darstellun- »Das unsichtbare Visier« ist nicht weil er international so erfolgreich Oder denken Sie an »Gundermann« spricht man meist über den Film gen hat es auf ostdeutscher Seite in nur ein prominentes Serien- war. Er führte zu einer Verzahnung von von Andreas Dresen und Laila Stieler. »Das Leben der Anderen« von Flo- Stasi-Filmen nicht gegeben. Beispiel, sondern war auch ein DDR-Geschichte und Staatssicherheit Der Film hat es geschaff t, eine am- rian Henckel von Donnersmarck. regelrechter Straßenfeger in der im fi lmischen Diskurs. Seitdem ist es bivalente und komplexe Geschichte Es gibt natürlich noch viele andere Wie wurde die Staatssicherheit in DDR. Woran lag das? schwierig geworden, Geschichten über über den prominenten Liedermacher Spielfi lme, die die Staatssicherheit Filmen der DDR dargestellt? Dafür gab es viele Gründe, z. B. die die DDR-Vergangenheit zu erzählen, Gerhard Gundermann zu erzählen, zeigen und thematisieren. Welche Die ersten Dokumentarfi lme waren exotischen Schauplätze der Serie, die ohne das Thema »Staatssicherheit« der über Jahre hinweg Inoffi zieller sind das, Herr Kötzing? eine Reaktion auf den . Juni , man sonst im DDR-Fernsehen selten aufzugreifen. Das ist einerseits durch- Mitarbeiter der Staatssicherheit war. Andreas Kötzing: Tatsächlich hat die als die SED gemerkt hat, dass nach zu sehen bekam. Und natürlich die aus nachvollziehbar, weil es an der Aber das war eben nur ein Aspekt Staatssicherheit eine sehr lange fi l- dem niedergeschlagenen Volksauf- Popularität von Armin Mueller-Stahl Staatssicherheit nichts zu verharmlo- seines Lebens. Seine Musik und seine mische Tradition. Erste Filme gab es stand das Image des Staates, und als Hauptdarsteller. Auch hand- sen oder zu bagatellisieren gibt. Das pa rallele Tätigkeit als Baggerfahrer bereits in den frühen er Jahren, insbesondere des Geheimdienstes, werklich und unter Genre-Gesichts- war ein schrecklicher Geheimdienst, im Tagebau sind im Film ebenso kurz nachdem das Ministerium für sehr schlecht war. Mit Dokumentati- punkten war die Serie keineswegs der das Leben in der DDR geprägt und präsent, ohne dass die IM-Tätigkeit Staatssicherheit (MfS) gegründet onen und Wochenschauberichten, in schlecht gemacht und wurde mit vielen Menschen massiv geschadet kleingeredet wird. wurde, und die fi lmische Inszenierung denen es meist um die Enttarnung großem Aufwand produziert, wobei hat. Wenn wir an die DDR-Geschichte Da liegt der Schlüssel: Man sollte des MfS zieht sich durch die Jahrzehn- westlicher Agenten in der DDR ging, sie sich stark an westlichen Vorbil- aber nur unter dem Gesichtspunkt der das Thema Staatssicherheit nicht te. Im Rahmen meiner Recherchen wurde versucht, ein positives Image dern orientierte. Mit der Hauptfi gur Staatssicherheit erinnern, dann ent- ignorieren, sondern es in einen grö- bin ich auf ca.  Dokumentar- und vom MfS zu erzeugen. Diese Form Achim Detjen wurde der Versuch steht leicht ein schiefes Bild von der ßeren Kontext einbetten, in dem die Spielfi lme gestoßen, in denen die der »Öff entlichkeitsarbeit« wur- unternommen, eine ostdeutsche damaligen Lebenswirklichkeit. Denn Lebenswirklichkeit der Menschen Staatssicherheit eine signifi kante Rol- de ab Ende der er Jahre durch James-Bond-Figur zu etablieren. Det- selbstverständlich waren nicht alle stärker in den Mittelpunkt rückt und le spielt. Und seit »Das Leben der An- Spielfi lme erweitert. Vor dem Hin- jen musste allerdings moralisch viel Menschen in der DDR oppositionell nicht so sehr die Allmachtsfantasien deren« im Jahr  gibt es überhaupt tergrund der damals sehr populären integrer und enthaltsamer auftreten oder sind aus anderen Gründen mit der Staatssicherheit. Denn wir wis- nur noch sehr wenige Filme, die sich Agentenfi lme erfüllten die Filme als James Bond selbst. Freizügige dem Staat in Konfl ikt gekommen. Es sen heute, dass die Staatssicherheit mit der DDR-Vergangenheit beschäfti- eine Doppelfunktion: Sie sollten Sexbeziehungen mit diversen Frauen gab auch die Möglichkeit, ein alltäg- zwar einen großen Einfl uss hatte, gen und in denen die Staatssicherheit spannende Genregeschichten erzäh- kamen für ihn nicht infrage, ebenso liches Leben zu führen. Es gab Men- aber so allmächtig, wie sie sich selbst nicht vorkommt. Sie ist fast immer auf len und gleichzeitig das Vertrauen exzessiver Alkoholkonsum oder der schen, die in der DDR gelebt, geliebt gern inszeniert hat, war sie keines- irgendeine Art und Weise präsent – in den Geheimdienst erhöhen. Das leichtsinnige Einsatz von Schuss- und gearbeitet haben, ohne ständig wegs. Sie war auch kein unabhängig mal mehr, mal weniger dominant. kam beim Publikum aber nur selten waff en, wie man das von James Bond über eine Flucht in den Westen nach- operierender Geheimdienst, an dem gut an. Nur wenige dieser Stasi-Filme kennt. Welchen hohen Prestigewert zudenken. Ihre Lebensgeschichten man allein die ganze Unrechtsge- Wie wurde die Staatssicherheit – bei der DEFA waren es ein gutes »Das unsichtbare Visier« für das sind meines Erachtens genauso er- schichte der DDR nacherzählen in westlichen Spielfi lmen vor der Dutzend – waren an den Kinokas- DDR-Fernsehen hatte, kann man zählenswert, spielen in der fi lmischen kann, sondern Teil des SED-Macht- Wende in der Regel dargestellt? sen erfolgreich, wie z. B. »For Eyes auch an den prominenten Sendeter- Aufarbeitung der DDR aber selten apparates. Darüber stand die Par- Der Kalte Krieg und der mediale Only«, der zu einem großen Erfolg minen erkennen. Die Serie lief über eine Rolle. Da besteht eine Lücke. In teiführung, die das Ministerium Wettstreit zwischen beiden politi- für die DEFA wurde. Alfred Müller mehrere Jahre meist an Ostern und Zukunft wird sich das sicherlich ver- angeleitet hat. Das sind Diff eren- schen Systemen führte zu vielen spielt darin einen Kundschafter, der Weihnachten als Zwei- oder Dreitei- ändern. Die ganzen Stasi-Geschichten, zierungen, die in Filmen allzu leicht eindimensionalen Darstellungen. im Westen eingesetzt wird, um den ler und hatte extrem hohe Einschalt- die in den letzten Jahren erzählt wor- verschwinden. Während man auf ostdeutscher Seite amerikanischen Geheimdienst zu quoten, bis Armin Mueller-Stahl als den sind, sind zu einem Stereotyp natürlich ein sehr positives Bild von unterwandern und die DDR vor ei- Hauptdarsteller ausgestiegen ist. Er geworden, weil die Stasi meist nur als Vielen Dank. der Staatssicherheit in Dokumen- nem Angriff skrieg aus dem Westen zu wollte die Rolle nicht mehr spielen allmächtiger Geheimdienst inszeniert tarfi lmen, Wochenschauberichten bewahren. Andere Filme konnten an und ging kurze Zeit später in den wird, der in das Leben aller Menschen Andreas Kötzing ist Wissenschaftlicher und später in Spielfi lmen gezeichnet diesen Erfolg jedoch nicht anknüpfen. Westen, nachdem er die Resolution eingreift. Mitarbeiter am Hannah-Arendt- hat, war es auf der westlichen Seite Wahrscheinlich auch, weil die Mehr- gegen die Biermann-Ausbürgerung Institut für Totalitarismusforschung genau umgekehrt. Die Staatssicher- heit der DDR-Bevölkerung diese Bil- unterschrieben hatte und in der DDR Wie könnte eine diff erenziertere und Herausgeber des Buches »Bilder heit wurde in der Regel als besonders der sehr wohl zu hinterfragen wusste. kaum noch Rollenangebote erhielt. Auseinandersetzung mit der DDR- der Allmacht. Die Staatssicherheit in niederträchtige Geheimpolizei insze- Ab Ende der er Jahre hat sich die »Das unsichtbare Visier« wurde fort- Geschichte in Filmen gelingen? Film und Fernsehen«. Theresa Brüheim niert, um so die Unterdrückung der Staatssicherheit dann zunehmend gesetzt, aber ohne ihn als Zugpferd Persönliche Geschichten sollten eine ist Chefi n vom Dienst von Politik & DDR-Bevölkerung zeigen zu können. auf das Fernsehen konzentriert. Das hat es nicht mehr funktioniert. wichtigere Rolle spielen, mit allen Kultur

KULTURBERATUNG

QBegleitung von Entwicklungsprozessen QBeratung und Begleitung von Führungskräften QEvaluation von Kulturprojekten und Kulturinstitutionen Claus Harten, Thomas Rietschel, QMediation und Konfl iktmanagement Barbara Haack, Peter Landmann www.takepart-kulturberatung.de Telefon 07934 9131-0 10 OSTWESTPERSPEKTIVEN www.politikundkultur.net

der DEFA mit mehr als  Porträts von Filmfrauen der verschiedenen Studios. Paul und Paula und vieles mehr Die DEFA-Stiftung bringt vier bis fünf Bücher im Jahr heraus, demnächst sollen Die DEFA-Stiftung sorgt den alten Bundesländern gab, die sich Die DEFA-Stiftung verfügt heute über men dazu bei, dass die DEFA-Stiftung unter anderem Bände über den Filmre- sich um das reiche Film- gern die Rosinen aus dem Filmstock einen Filmstock von etwa . Fil- ihre Verpfl ichtungen erfüllen kann. gisseur Slatan Dudow, zu Genrefi lmen herausgepickt und die Weltrechte da- men, davon rund  Spielfi lme,  Derzeitige Hauptaufgabe der DEFA- oder zu sorbischen Filmen erscheinen. erbe der DDR ran für lange Zeit gesichert hätten – so Kurzspielfilme, . Dokumentar- Stiftung ist die Digitalisierung des Film- Hinzu kommen Auszeichnungen, wie » Die Mörder sind unter uns«, »Spur fi lme und Wochenschauen sowie  erbes. Angestrebt wird, jährlich etwa die die DEFA-Stiftung auf ihrer jährli- RALF SCHENK der Steine«, »Die Legende von Paul und Trickfi lme. Hinzu kommen die DEFA-  DEFA-Filme ins digitale Zeitalter zu chen Preisverleihung und auf diversen Paula« oder die vielen Kinderfi lme. Dem Synchronisationen, die zwischen  »retten« und sie auf diese Weise wieder Festivals vergibt. Preise fürs fi lmkünst- eit mehr als  Jahren gehört sollte vorgebeugt werden, denn eine und  entstanden. Als private ans Publikum zu bringen. Wichtige Un- lerische Lebenswerk gingen bereits die DEFA-Stiftung zu den Ein- unproduktive Zersplitterung wäre die gemeinnützige Stiftung arbeitet die terstützung bietet das im Januar  an Regisseure wie Frank Beyer, Egon richtungen der Bundesrepublik, Folge gewesen. DEFA-Stiftung eng mit ihren Rechte- ins Leben gerufene Digitalisierungspro- Günther und Herrmann Zschoche, an S die das deutsche Filmerbe be- Weil die DEFA-Filme in einem Volks- verwertern zusammen: Die Progress gramm des Bundes. Zehn Jahre lang wird Autorinnen wie Helga Schütz oder die wahren, pfl egen und öff entlich sichtbar eigenen Betrieb produziert worden wa- Film GmbH betreibt den Ausschnitt- jährlich eine Summe von  Millionen Schnittmeisterin Monika Schindler. Für machen. Die Gründung dieser Stiftung ren, fi elen die Rechte zunächst an die dienst und lizensiert Motive aus DEFA- Euro für alle Rechteinhaber und Filmer- ihre Verdienste um den deutschen Film ging auf eine Forderung vieler ostdeut- Treuhand, also den Staat. Nach vielen Produktionen weltweit an Produzenten, beeinrichtungen zur Verfügung stehen, wurden unter anderem Andreas Dresen, scher Filmemacherinnen und Filmema- Mühen wurde im Dezember  die TV-Anstalten und andere Interessier- insgesamt also  Millionen Euro. Das Christian Petzold, Thomas Heise und cher aus der Zeit um  zurück: Mit DEFA-Stiftung aus der Taufe gehoben, te. Die Icestorm Media GmbH befasst Programm wird zentral von der Filmför- Tamara Trampe ausgezeichnet. Mit Prei- ihr sollte gewährleistet werden, dass der die Bundesrepublik die Filmrech- sich mit der Verwertung der Fernseh-, deranstalt verwaltet: Die Beauftragte der sen für junges Kino, die auf Festivals in das umfangreiche Konvolut aus Spiel-, te übertrug. Damit wurde – neben der Synchron- und Nebenrechte sowie Bundesregierung für Kultur und Medien, Schwerin, Dresden, Chemnitz, Leipzig Dokumentar- und Trickfi lmen aus den Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung der DVD- und Video-on-Demand- Länder und Filmwirtschaft haben ihre und auf der Berlinale vergeben werden, DEFA-Studios möglichst zusammen- für Filme vor allem aus der Zeit vor  Auswertung. Der Kinoverleih liegt in Anteile hier vereinigt. fördert die Stiftung Regisseurinnen und bleibt und nicht in alle Winde zerstreut – eine zweite Filmstiftung mit einem den Händen der Stiftung Deutsche Die DEFA-Stiftung digitalisiert ihre Regisseure, die am Anfang ihrer Lauf- wird. Hintergrund war, dass es in den »abgeschlossenen Sammelgebiet« ins Kinemathek. Alle Verwerter tragen Filme nach verschiedenen Kriterien. bahn stehen. All diese Aktivitäten sind »Wendewirren« einige Vertriebe aus Leben gerufen. durch Abführungen und Garantiesum- Neben kommerziellen Aspekten wer- nur möglich, wenn entsprechende Ein- den Filme nach kuratorischen Gesichts- nahmen generiert werden. punkten ausgewählt, so wenn ein Film Im Großen und Ganzen wird die historisch bedeutsam, aber nicht unbe- DEFA-Stiftung in den kommenden dingt mehr gewinnbringend ist. Sofern Jahren gut von ihren Einnahmen le- analoges Material zu verfallen droht, ben können. Allerdings sollten sich alle greift das konservatorische Kriterium. Beteiligten grundsätzliche Gedanken Wichtigster Partner der Digitalisierung machen, wie strategisch mit dem deut- ist das Bundesarchiv. Dort lagern alle schen Filmerbe umgegangen wird. Wäre DEFA-Filmmaterialien; der Filmstock es nicht an der Zeit, im vierten Jahr- der DEFA ist zu nahezu  Prozent zehnt nach der Einheit langfristig über überliefert. Denn von allen Filmen, die in eine Art gesamtdeutsche Filmstiftung den DEFA-Studios entstanden, mussten zu reden? Eine Stiftung, in der nicht Negative und Belegkopien ans Staatliche nur die DEFA- und die Murnau-Stif- Filmarchiv der DDR abgegeben werden. tung aufgehen, sondern auch andere Damit sind die Aufgaben der DEFA- Institutionen, bis hin zur Deutschen Stiftung bei Weitem nicht erschöpft. Das Kinemathek und dem Filmarchiv im Stiftungsteam kümmert sich um die Zu- Bundesarchiv. Angesichts der födera- sammenarbeit mit Kinos und Festivals, len Struktur der Bundesrepublik ist das regt Retrospektiven oder Wiederauff üh- ein verwaltungstechnisch hochkompli- rungen an, pfl egt die Kooperation mit zierter Vorgang, dem sich momentan Filmhistorikern und anderen Wissen- niemand aussetzen möchte. Doch ein schaftlern, denen es um eine historisch rechtzeitiges Vordenken wird vonnö- fundierte, kritische Aufarbeitung der ten sein, um auch in Zukunft das reiche ostdeutschen Filmgeschichte geht. Zu Filmerbe unseres Landes nicht nur zu den eigenen publizistischen Aktivitä- verwalten, sondern off ensiv und mit ten der DEFA-Stiftung in jüngster Zeit klugen Einfällen wachzuhalten. gehören z. B. eine Monografi e über den

FOTO: DEFASTIFTUNG / MANFRED DAMM, HERBERT KROISS HERBERT DAMM, MANFRED / DEFASTIFTUNG FOTO: Dokumentarfi lmregisseur Volker Koepp Ralf Schenk ist Vorstand der DEFA- Szene aus »Die Legende von Paul und Paula« und ein Buch über die Regisseurinnen Stiftung in Berlin Vorwärts in die Vergangenheit Der Forschungsverbund »Das mediale Erbe der DDR«

DARIA GORDEEVA charakter des SED-Herrschaftssystems lässt die »Medienmenschen« ihre Bio- die Berliner Zeitung zu lesen begann. Einen Einblick in den DDR-Alltag beschränkt. In dieser eindimensionalen, grafi e selbst erzählen. Ein thematisch Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf ermöglichen private Fotoalben und as wir über unsere Gesell- von westdeutschen Deutungseliten ge- verwandtes Projekt beobachtet Le- medialen DDR-Repräsentationen. Un- Schmalfi lme. Das Online-Archiv »Open schaft, ja über die Welt, in prägten Täter-Opfer-Geschichte fi nden bens- und Werktransformationen von ter den breit gefassten Medienbegriff Memory Box« fordert das herrschende Wder wir leben, wissen, wis- sich viele ehemalige DDR-Bürger, die DEFA-Filmschaff enden, die in ihren fallen dabei auch Nutzungsumgebun- Diktaturnarrativ heraus und zeigt  sen wir durch die Massenmedien.« Das weder bei der Stasi noch in der Opposi- Dokumentarfi lmen in der späten Phase gen: das Internet, Schulen und Museen. Stunden privater Filmsequenzen von vielfach zitierte Diktum des Soziolo- tion waren, mit ihrem »ganz normalen« der DDR und über  hinaus gesell- Welche Narrative und Geschichtsbilder  Familien aus der DDR: Geburts- gen Niklas Luhmann triff t auch für die Alltag nicht wieder. In diesem Span- schaftliche Transformationsprozesse werden in sozialen Medien geteilt? Wel- tage, Hochzeiten und Beerdigungen, DDR-Geschichtsschreibung zu: Unsere nungsfeld zwischen dem Diktatur- und abbildeten. ches DDR-Bild vermitteln Schulbücher, Westbesuche, Weihnachtsfeiern und heutigen Vorstellungen über die realso- dem Alltagsgedächtnis bewegt sich der Weitere Forschungsprojekte be- Lehrerhandreichungen, Arbeitshefte, die Urlaubsreisen zum Balaton. zialistische Gesellschaft und die indivi- Forschungsverbund und setzt sich zum schäftigen sich mit der sich wandelnden – im Unterschied zu kurzlebigen Medien »Das mediale Erbe der DDR« baut duellen Spielräume im »Arbeiter- und Ziel, den Gedächtnisrahmen zu erwei- Medienlandschaft und der veränderten der Populärkultur – jeden heranwach- Brücken zwischen Forschenden und Bauernstaat« sind maßgeblich durch tern. Mediennutzung. Wie wurde der Ostrock senden Menschen jahrelang begleiten? Laien und steht für eine »off ene Wis- Medien geprägt. Filme lassen die DDR »Das mediale Erbe der DDR« ist Teil in den kapitalistischen bundesdeut- In einem geschichtsdidaktischen Projekt senschaft«. Auf dem projektbegleiten- auf Kinoleinwänden und Fernsehbild- einer Förderinitiative des Bundesmi- schen Musikbetrieb integriert – und was wird die Rolle der Großdeutungen wie den Blog erscheinen regelmäßig Film- schirmen auferstehen, in Buchläden nisteriums für Bildung und Forschung ist dabei verloren gegangen? Wie verän- »zweite deutsche Diktatur« oder »Un- und Buchrezensionen, Veranstaltungs- stapeln sich DDR-Romane und Mono- (BMBF). Der Verbund führt drei Stand- derte sich die Lebenswelt in den neuen rechtsstaat« im Kontext einer werteba- berichte, Alltagsbeobachtungen und grafi en, in Facebook-Gruppen feiern orte zusammen – die LMU München, Bundesländern, als bekannte Sendun- sierten Demokratiebildung untersucht. Fundstücke aus der Öff entlichkeit. In »Kinder der DDR« die Vergangenheit die FU Berlin und das Leibniz-Zentrum gen und Gesichter von Fernsehbild- Zwei weitere Projekte untersuchen Mu- Entwicklung ist ein allgemein zugäng- und in Museen werden Plattenbauwoh- für Zeithistorische Forschung Potsdam schirmen verschwanden? Brauchten seumsausstellungen als komplexe Medi- liches Online-Handbuch »Die DDR im nungen maßstabgetreu rekonstruiert. – und vereint Geschichtswissenschaft, Menschen im Berlin der Nachwende- en, die mittels Objekten, Bildern, Texten Film«, das etwa  Serien, Spiel- und Der Forschungsverbund »Das me- Geschichtsdidaktik und Kommunika- zeit Medien, um an Lebensbewältigung und Filmen Geschichten erzählen. Auch Dokumentarfi lme unter die Lupe nimmt diale Erbe der DDR. Akteure, Aneig- tionswissenschaft. und sozialer Identität zu arbeiten? Die in Museen, so die ersten Ergebnisse, und einen Blick hinter die Kulisse der nung, Tradierung« nimmt Medien mit Was gehört zum »medialen Erbe«, ersten Interviewergebnisse off enbaren überwiegt die diktaturzentrierte DDR- interessengeleiteten Filmproduktion, DDR-Bezug in den Blick, untersucht das  Wissenschaftlerinnen und Wis- ganz unterschiedliche Nutzungsmuster Erinnerung und die »Exotisierung« von -förderung und -rezeption w agt. ihre Entstehung, Transformation und senschaftler vier Jahre lang präparie- in der Ost- und Westhälfte der Stadt: Ostdeutschen – die Zuschreibung einer Nutzung und fragt nach ihrem Beitrag ren? Das Untersuchungsspektrum ist So gibt es den Ostberliner, der sich in grundlegenden Andersartigkeit, die in Daria Gordeeva ist wissenschaftliche zur deutsch-deutschen Erinnerungs- breit gefächert. den ern über die mediale Darstel- der frühen Nachwendezeit wurzelt. Die Mitarbeiterin am Institut für Kommu- kultur. Der Begriff »deutsch-deutsch« Eins von  Projekten fragt, ob Men- lung der »Ossis« ärgerte und um DT ersten Interviews mit Museumsgästen nikationswissenschaft und Medienfor- fällt hier nicht von ungefähr: Knapp schen, die das Medienhandwerk in der trauerte; aber auch den Mann aus Wil- zeigen dennoch: Die Ausstellungen zur schung der LMU München am Lehrbe-  Jahre nach der Wiedervereinigung DDR gelernt haben, Medien »anders« mersdorf, der beim Tagesspiegel blieb, DDR-Geschichte dienen als Erinne- reich von Michael Meyen dominiert im medialen und politischen machen als ihre westdeutschen Kol- um sich der Überlegenheit des Westens rungsanlass und werden meistens für Diskurs das »Diktaturgedächtnis« – ein leginnen und Kollegen. Das Vorhaben zu versichern; oder die Westberline- den Vergleich mit heutigen Entwicklun- Weitere Informationen unter: medien- Erinnerungsnarrativ, das sich auf die analysiert, wie sich diese »andere« rin, die nach Pankow zog, dort ihren gen genutzt – Stichworte: neue Mauern, erbe-ddr.de sowie im Blog medienerbe. Verbrechen und den Unterdrückungs- Perspektive in ihrem Werk zeigt, und Freundeskreis erweiterte und deshalb Datenschutz und Überwachung. hypotheses.org Politik & Kultur | Nr. / | März  OSTWESTPERSPEKTIVEN 11

im Gebäude des DDR-Fernsehens in Klinkenputzen hat funktioniert. Diese Johannisthal war, um einen Zettel aus Phase brach aber nach einem Jahr einem Büro abzuholen, hatte ich sol- wieder ab. chen Hunger, dass ich in die Kantine gegangen bin und dort gegessen habe. Wie haben Sie die Umbruchphase Plötzlich stand jemand hinter mir und in Deutschland erlebt? sagte: »Was machen Sie denn hier im Die Bewältigung, die die Menschen Fernsehen? Arbeiten Sie irgendwo aus der DDR zu leisten hatten, war in einem Büro?« Ich sagte: »Ich bin unterschiedlich. Die, die von der Studentin auf der Schauspielschule.« Wende überrascht worden sind, hat- »Das triff t sich ja gut. Wir machen ten etwas anderes zu bewältigen als gerade Probeaufnahmen.« Dann kam die, die vorher schon weggegangen mir ein Mädchen entgegen, die die waren. Ich hatte diese Art Überra- Hauptrolle eigentlich schon bekom- schung nicht, weil die Auseinander- men hatte. Doch dann machten sie setzung und der Abschied von der noch mal Probeaufnahmen mit mir. DDR schon abgeschlossen waren. Das Und plötzlich war alles anders und ich mussten die Menschen, die bis zum bekam diese wunderbare Rolle, die Ende dort geblieben waren, erst ein- mich bis heute verfolgt. Es war die mal schaff en – und akzeptieren, dass Hauptrolle im Film »Marta, Marta«, es das Land nicht mehr gab. der in der DDR ein Riesenhit wur- de. Nach der Ausbildung gab es ein War es einfach, als bekannte »Intendantenvorspiel«. Da wurden Schauspielerin aus der DDR an

FOTO: ARD/JENS ULRICH KOCH ULRICH ARD/JENS FOTO: besonders schöne Szenen vorgespielt, neue Rollen zu kommen? Marij am Agischewa (. v. l.) als Karin Patzelt in der ARD-Vorabendserie »In aller Freundschaft – Die jungen Ärzte« die wir im Studium aus Theaterstü- Ich habe eine Serie synchronisiert, cken erarbeitet hatten. Es kamen was gut lief, doch dann gedacht, dass alle Theater, die eine Vakanz hatten, das so nicht weitergehen kann, und und suchten sich jemanden aus. Ich bin noch mal Klinkenputzen gegan- wollte aber nicht ans Theater und gen. Und dann ging es langsam voran. Filmerfolg mal zwei hatte schon beim DDR-Fernsehen an- Ich habe viel gedreht, etwa »Praxis gefragt. Da gab es auch ein Ensemble. Bülowbogen« und »Traumschiff «, »Ro- Marij am Agischewa über ihre Erfahrungen als Schauspielerin in DDR und BRD Ein junges Mädchen hatten sie nicht, samunde Pilcher« und »Tatort«. Das dann haben sie sich off enbar beraten bleibt in den Köpfen der Menschen. »Marta, Marta« (), »Treffpunkt er sehr gut Chinesisch konnte, hat na- gesäubert und beschriftet. Ich wäre und mir einen Vertrag beim DDR- Für solche Produktionen bin ich sehr Flughafen« (/), »Novalis – Die türlich geholfen. – vor allem wegen der Reiseschwierig- Fernsehen gegeben. dankbar, weil es in der heutigen Me- blaue Blume« () und »In aller Es gab viele Schwierigkeiten mit der keiten – sicherlich auch nicht zu gro- dienlandschaft, die so zersiedelt ist, Freundschaft – Die jungen Ärzte« (seit Ausreise. Sie wurde mehrfach ver- ßen Ausgrabungsstätten gefahren. Sie haben in der Folge viel gedreht sehr schwer ist, sich einen Namen ): Die Schauspielerin Marij am Agi- schoben. Dann sind wir in ein Aben- Dann habe ich mich für Gärten und und sind in unterschiedlichen zu machen, der in Erinnerung bleibt. schewa ist dem deutschen Publikum teuer aufgebrochen. Zwei Monate Parkanlagen begeistert und dachte, Formaten aufgetreten, wie im Man kann viel drehen, ohne dass es bekannt und präsent, ob in Spielfi lmen hat die Fahrt gedauert. Mein Vater Landschaftsarchitektur könnte was Spielfi lm »Kippenberg« () oder jemand mitbekommt, wenn es nicht oder in Fernsehserien, ob in der frühe- überlegte auch, ob wir nicht bei den werden. Dazu brauchte man aber eine in den Serien »Polizeiruf « und irgendwie ein Prestigeprojekt ist. ren DDR oder in der Bundesrepublik. Seychellen aussteigen sollten, weil Berufsausbildung, die es, glaube ich, »Treff punkt Flughafen«. Hierzu Behrang Samsami sprach mit Marij am sie dort englischsprachige weiße Ein- nur in der DDR gab und mit der man ein Zitat von Ihnen: »Was nützt Können Sie Unterschiede für Agischewa über ihre Herkunft und ihr wanderer suchten. Das wollte meine sich auf das Studium spezialisierte – in einem aller Erfolg, wenn man das Schauspieler in der DDR und der Leben in der DDR, über ihre Arbeit beim Mutter aber nicht. So sind wir dann diesem Fall Zierpfl anzengärtner. Das Gefühl hat, künstlerisch stehen zu BRD benennen? Fernsehen und Film in beiden deut- nach Deutschland gekommen. ging drei Jahre – die Berufsausbildung bleiben. Ich habe drüben in rund Ob wir  oder  Tage länger gedreht schen Staaten und über Ostdeutschland spezialisiert mit Abitur. Ich habe mich  Produktionen mitgespielt. Je haben, spielte damals keine Rolle. als besonderen Drehort nach der Wende. Ihr wirklicher Name ist Melan beworben und Sie werden es nicht kritischer die politische Situation Heute wird viel schneller gearbeitet. Schwarz. Ist Marij am Agischewa glauben, obwohl ich so gute Noten wurde, desto weiter entfernten Und das liegt mir. Ich arbeite gern Behrang Samsami: Frau Agische- ein Künstlername? hatte, hat man mich nicht genommen. sich die Filme von der Wirklich- schnell, weil man dann unter Adre- wa, Ihre Mutter war tatarischer Mein Vater hieß Schwarz. Er hat unter keit. Da hat mir das Drehen keinen nalin ist. Heute muss man sich auch Herkunft, Ihr Vater stammte aus anderem Lyrik veröff entlicht. Als ich Und wie sind Sie dann zum Schau- Spaß mehr gemacht.« War das mehr kümmern und präsent sein. Es Österreich und Sie sind in China im Dezember zur Welt kam, blühten spielberuf gekommen? der Hauptgrund,  von einer gibt Agenturen. In der DDR hatten wir geboren. Bitte erzählen Sie uns von im Süden Chinas die Pfl aumenbäume. In der Schule, da war ich  Jahre alt, genehmigten Reise in die USA zu keine. Es gab zwar ein Besetzungsbü- Ihrer Familiengeschichte. Daher Melan, was auf Deutsch »Woge hatte man mich für einen Film ent- Verwandten nicht mehr in die DDR ro beim Fernsehen und bei der DEFA Marij am Agischewa: Meine Mutter von Pfl aumenblüten« bedeutet. Als deckt, »Geschwister«. Der Regisseur zurückzukehren? mit einer Kartei. Aber sonst kannte wurde auch in China geboren. Ihre ta- unsere Ausreise anstand, gab es auch Wolfgang Hübner und die anderen Ich war jung und hatte natürlich Kar- man die Leute von den Theatern. Man tarische Familie wohnte im Ural und deshalb Schwierigkeiten, weil meine DEFA-Leute zogen von Schule zu rierevorstellungen. Die Leitung des fuhr auch herum und suchte nach in Harbin, einer von den Russen  Eltern unterschiedliche Nachna- Schule und sahen sich sehr viele Ju- DDR-Fernsehens hat aber viel hinein- neuen Talenten, was heute, glaube in der Mandschurei gegründeten men hatten. Was genau vorgefallen gendliche an. Ich war in einer Klasse geredet, was ich zu drehen habe und ich, nicht mehr so stattfi ndet. Heute Stadt. Mein Großvater hatte einen ist, weiß ich nicht, aber ich musste mit besonders hübschen Mädchen. Bei was nicht. Es gab auch keine Ideen – wird auch viel mehr produziert. Das Handel zwischen dem zaristischen auf dem Nachnamen meiner Mutter uns wurden fünf oder sechs für das etwa, dass man mit Schauspielern, die war mit ein Grund dafür, warum ich Russland und dem Kaiserreich China. ausreisen. Dafür gab es auch eine Casting ausgesucht – ich nicht. Ich saß beliebt waren, etwas aufbauen könnte. aus der DDR weg wollte – weil es po- Als  die Revolution ausbrach, kam neue Geburtsurkunde, ausgestellt auf ganz hinten. Mich hatten sie überse- Sie wurden stattdessen hier oder da tenziell im Westen mehr Arbeit gab. der Handel zum Erliegen, weil be- Marij am Agischewa. Und das ist so hen. Ich war in der Theatergruppe und hineingestopft. Ich habe auch Vor- stimmte Luxusgüter, die mein Groß- geblieben. Übrigens fi nde ich Melan war deprimiert, aber auch zu schüch- schläge gemacht. Doch das schleppte Seit  spielen Sie bei »In aller vater betrieb, nicht mehr gefragt wa- Schwarz schöner. Man hat mich auch tern, um mich zu melden. Dann gingen Freundschaft – Die jungen Ärzte« ren. So blieb seine Familie in China. immer Melan genannt – meine Eltern, die DEFA-Leute schon, doch da drehte eine Chefärztin. Dreh- und Spielort Mein Vater gelangte nach dem »An- mein Mann, meine Freunde. sich eine Frau um und sagte: »Die Brü- ist Erfurt. Wie empfi nden Sie, heu- schluss« Österreichs an das Deutsche nette da hinten mit den langen Haaren. te wieder im Osten Deutschlands Reich nach China. Er wie auch meine Wie verlief Ihre Kindheit, wie Ihre Sie können wir auch noch nehmen.« zu drehen? Mutter wären gern dort geblieben. Schullaufbahn? So bin ich auf die Liste gekommen. Das Das Seltsame ist, dass Ostdeutschland Aber es kam die Zeit des »Großen Ich bin in Berlin-Friedrichshain auf- Casting ging über Monate. Und zum und Ostberlin nach der Wende als Sprungs« und die Kulturrevolution. gewachsen und auf eine »R-Schule« Schluss bin ich übrig geblieben. Drehort unheimlich beliebt waren. Wir sind erst Ende  aus dem Land gegangen, das heißt, mit erweitertem »Geschwister« wurde während der sich. Es stagnierte nicht nur berufl ich, Man fand das spannend. Die run- gekommen. Das war die allerletzte Russischunterricht, wo Kinder, die Sommerferien gedreht. Danach ging sondern auch im Land. Als der rumä- tergekommenen Hackeschen Höfe Gelegenheit. Als Akademiker und gute Leistungen brachten, gesammelt die Schule weiter. Als aus Archäologie nische KP-Chef Nicolae Ceaușescu beispielsweise hatten plötzlich eine Ausländer hätte man das wohl nicht wurden. Alle von uns sollten studieren. und Landschaftsarchitektur nichts  mit dem Karl-Marx-Orden die Aura, etwas Morbides. Das zog auch überlebt. Von Freunden meiner El- Üblicherweise gab es nicht für jeden wurde, habe ich gedacht: »Dann be- höchste Auszeichnung der DDR be- ausländische Produktionen an solche tern, die dort geblieben sind, hat die Möglichkeit, Abitur zu machen – wirbst du dich einfach auf der Schau- kam, habe ich mich gefragt, wo das Orte. Ich war damals viel im Osten man auch nie wieder etwas gehört. immer nur die beiden Besten aus jeder spielschule.« Das tat ich dann – und hingeht. Ich hatte vorher lange in Ru- unterwegs. So drehten wir den Kino- Ob sie auf natürliche Weise gestor- Klasse. In Ostberlin gab es drei sol- zwar auf der Ernst-Busch-Schule in mänien gedreht und wusste, wie di e fi lm »Novalis – Die blaue Blume« gro- ben oder der Kulturrevolution zum cher R-Schulen. Von der . bis zur . Ostberlin, wurde aber abgelehnt, be- Situation dort war. ßenteils in Oybin in der Sächsischen Opfer gefallen sind, haben wir nicht Klasse waren wir alle auf dem Grauen warb mich in Leipzig und dann noch Schweiz. Eine unheimlich schöne erfahren. Kloster. Die Elternhäuser waren sehr einmal in Ostberlin. Dann hat es Wann sind Sie nach Europa zurück- Landschaft. Wir drehten dort in einer aufgeklärt. Außerdem hatten wir viele geklappt. Ich bin noch immer froh da- gekehrt? verfallenen Burg und wohnten in Wie ist Ihre Familie aus China in Ausländer an der Schule – Botschafts- rüber, weil auf der Ernst-Busch-Schule Das war Anfang , als noch gar einem total abgeranzten ehemaligen die DDR gekommen? kinder oder von Personen, die aus be- wirklich tolles Handwerk vermittelt nicht abzusehen war, was passieren Arbeiterwohnheim. Das holte mich Mein Vater hatte eine Delegation der rufl ichen Gründen in der DDR waren, wurde. Es war ein hartes Regime, aber würde. Ich war ein paar Wochen in damals alles wieder ein, bekam aber Ostberliner Humboldt-Universität Ingenieure oder solche aus anderen ich habe viel gelernt. Die Schule hatte den USA und bin dann nach West- plötzlich eine philosophische Dimen- kennengelernt, die ein paar Jahre vor- technischen Berufen. übrigens weltweit einen guten Ruf. Es berlin gezogen. Ich muss sagen – das sion. her in China gewesen war. Dadurch waren damals auch Leute aus Amerika hört sich so als Anekdote spannend hatte er erfahren, dass die Universität Wollten Sie studieren? bei uns, die hospitierten. an –, aber es war wirklich hart. Heute Vielen Dank. Sinologen suchte. Da es keine zuver- Ich interessierte mich für Archäolo- möchte ich das nicht noch mal erle- lässigen Informationen, Zeitungen, gie. Das war aber nicht möglich, weil Wie lief Ihre Arbeit als Schauspie- ben: Im Lager Marienfelde zu sein, Marij am Agischewa ist Schauspielerin Radio, Fernsehen gab, wusste er nur man zu wenig Studenten in dem Fach lerin in der DDR? Hatten Sie eine arbeitslos und ohne Geld. Ich bin mit österreichischem Pass und wenig, was in Europa los war. Aber brauchte. Da gab es nur alle paar Jahre Agentur, die Sie betreut hat? dann über mich hinausgewachsen bekannt aus zahlreichen Fernseh- und dadurch, dass die Lage in China einen Studiengang. Nach dem Studi- Im Studium kamen immer wieder und Klinkenputzen gegangen, was Spielfi lmproduktionen aus DDR und schwierig geworden war, hieß es für um hätte ich wohl mit einem Pinsel in Filmleute zu uns, die junge Schauspie- nicht meine Art ist, weil ich im Grun- BRD. Behrang Samsami ist freier ihn: raus und einen Job fi nden. Dass einem Museum gesessen, Scherben ler für Projekte suchten. Als ich einmal de ein schüchterner Mensch bin. Das Journalist 12 INTERNATIONALES www.politikundkultur.net

»Deutschland und Japan haben ähnliche Mantras des Fleißes« Die deutsch-japanischen Beziehungen an der Villa Kamogawa

Direkt am Fluss Kamo in der früheren Nationalismus, die alternde Gesell- z. B. zu einem Festival eingeladen serung und Selbstinfragestellung des Wie wählen Sie die Stipendiatin- japanischen Hauptstadt Kyoto auf der schaft. Das Mantra der Überalterung wären oder eine Koproduktion mit europäischen Blicks. Z. B. untersucht nen und die Stipendiaten aus, die Insel Honshū befindet sich die Vil- ist in Japan noch viel stärker präsent einem japanischen Partner realisie- gerade Luise Donschen botanische zu Ihnen kommen? la Kamogawa. Diese Einrichtung des als in Europa. Wer zahlt in die Ren- ren würden. Man kann völlig andere Gärten in Kyoto. Sie schaut, wie japa- Nach der Bewerbungsrunde tritt eine Goethe-Instituts bietet Künstlern und tenkasse? Wohin mit den ganzen Perspektiven erfahren und für drei nische Gärtner einen »europäischen fünf- bis siebenköpfi ge Jury zusam- Kulturschaff enden mit Wohnsitz in alten Leuten? Sterben Japanerinnen Monate ein ziemlich anderes Setting Garten« auff assen. Sie triff t sozusa- men. Eine Stimme hat das Goethe- Deutschland eine dreimonatige Resi- und Japaner irgendwann aus? Aller- erleben. Wir bieten Künstlerinnen, gen auf das Europabild in Japan. Der Institut, ansonsten sind es Vertreter denz in »Far East« und damit verbunden dings gibt es hier viel weniger Men- Kulturtheoretikern, Philosophin- berühmte Murin-an in Kyoto – »a aus allen Genres. Im nächsten Jahr einen Perspektivwechsel auf heimische schen mit Migrationshintergrund. nen, Ethnologen und anderen aus Japanese garden masterpiece« – wur- wollen wir das System justieren europäische Debatten. Seit einem knap- Man versucht, die Herausforderungen Deutschland ein tiefes Atemholen de von einem japanischen Politiker und verstärkt mit Partnerinstitutio- pen halben Jahr leitet Enzio Wetzel technisch anzugehen und zu lösen, ohne Produktionsdruck. Dadurch angelegt, nachdem er in Berlin und nen und Kuratoren arbeiten. Künstle- die Villa Kamogawa. Theresa Brüheim z. B. Roboter für die Pfl ege einzuset- dass sich diese Plattform in Japan, London europäische Gärten zu schät- rinnen und Künstler sollen auch spricht mit ihm über die Bedeutung des zen. Historisch reicht die deutsch- in Kyoto befi ndet, sind Irritationen, zen gelernt hatte. gezielt eingeladen werden, von de- Residenzprogrammes für die deutsch- japanische Verbindung weit zurück. Überraschungen, Herausforderungen nen wir glauben, dass ein Besuch oder japanischen Beziehungen. Die erste moderne Verfassung Japans zu erwarten – für beide Seiten. Die Die Villa Kamogawa fördert jedes eine Residenz von besonderem hat die preußische Verfassung zum Villa lädt die – japanischen – Nach- Jahr bis zu zwölf Stipendiatinnen Interesse für japanspezifi sche The- Theresa Brüheim:  wurde die Vorbild. Zur Zeit des Dritten Reiches barn, Cafébesucherinnen, Studieren- und Stipendiaten. Wie viele Bewer- men oder hiesige Festivals sein Villa Kamogawa anlässlich des . pfl egte man eine Art Waff enbrüder- den und Kulturschaff enden ein, aus bungen gehen pro Runde ein? könnten. Jubiläums der deutsch-japanischen schaft. Aus politischen und strategi- dem japanisch-traditionellen Kyoto Es gehen pro Runde ca.  Bewer- Beziehungen eröff net. Was macht schen Gründen wollte man Verstär- mit seinen über tausend Tempeln bungen ein. Wir haben drei Zeiträume, Es klingt bereits an, der Austausch diese aus? kung im Fernen Osten haben, um die und Weltkulturerbestätten an den die jeweils drei Monate umfassen. mit der japanischen Kulturszene Enzio Wetzel: Es gibt eine gewisse »Feinde« in der Mitte in die Zange zu Hängen der Berge herauszukommen Dazwischen liegen eine längere besteht. Wie intensiv ist dieser? Ähnlichkeit, die man Japanern und nehmen. Beide verbindet auch die und zeitgenössische Kunst, Gedanken Sommerpause und eine kürzere Die Villa Kamogawa ist gut erreichbar, Deutschen nachsagt: Sie sind sehr totale Niederlage, und beiden Län- und Verhaltensweisen aus Deutsch- Winterpause. In der Villa Kamogawa zugleich etwas abgelegen, zwei Kilo- eifrig bei der Arbeit, kennen sich dern gelang ein rascher Wiederaufbau land und Europa zu erleben – und verfügen wir über vier Apartments meter vom Zentrum, von den großen technisch gut aus, erfi nden viel und nach dem Krieg, gefolgt von einer zwar nicht in Form einer Ausstellung, für Künstlerinnen und Künstler. Im Shopping Malls. Das ist eine gute gern. Auch wenn wir Deutschen rasanten wirtschaftlichen Entwick- sondern weil sie live auf die Stipen- kommenden Jahr wollen wir bis zu Ausgangslage zum ruhigen Arbeiten mittlerweile auf verlorenem Posten lung. Jetzt fi nden sich beide wieder in diatinnen und Stipendiaten treff en. neun Stipendien vergeben und ein und zugleich zum lebendigen Aus- stehen, was Erfi ndungen anbelangt. einem Tal der wirtschaftlichen und Die Villa Kamogawa ist ein Kulmi- Apartment für Kooperationen – in tausch. In unmittelbarer Nachbar- Nichtsdestotrotz wird diese konstru- gesellschaftlichen Ermüdung. nationspunkt, an dem sich Europa den Künsten und den Wissenschaf- schaft, auch entlang des Kamogawa- ierte Ähnlichkeit von beiden Seiten und Japan begegnen, wo aber ebenso ten – freihalten, für längerfristige Flusses, liegen ein Baumarkt, der weiterhin gepfl egt. Man hat sozusa- Welchen konkreten Beitrag leis- auch alltägliche Unterschiede sicht- Vorhaben oder auch für Besuche an kaiserliche Garten, eine Hochzeits- gen ähnliche Mantras des Fleißes und tet die Villa Kamogawa für die bar werden. Unter der Oberfl äche des der Villa, die im Zusammenhang mit kirche japanischen Stils und eben der Arbeitsorientierung. deutsch-japanischen Beziehungen? künstlerischen wie auch des wissen- unseren Projekten stehen. Auch Part- unsere Villa mit dem Charme eines Es gibt darüber hinaus viele Prozesse, Die Villa Kamogawa ist eine Art schaftlichen Austauschs, der jeder für nerbewerbungen sind möglich, wenn deutschen Cafés mit Dallmeier und die die postindustriellen Gesellschaf- Sprungbrett oder erst einmal eine sich gewissen internationalen Regeln zwei gemeinsam an einem Projekt ar- einem – wieder – japanischen Garten. ten in Westeuropa und Japan glei- Plattform für Künstlerinnen und oder Usancen folgt, liegen erhebliche beiten. Wir sind noch nicht recht da- Eine sehr lebendige urbane Kultur- chermaßen durchlaufen und denen Künstler mit Wohnsitz in Deutsch- Unterschiede in der Arbeitsweise und rauf vorbereitet, aber wir wollen, dass szene fängt südlich vom Bahnhof an, sie begegnen müssen – wie z. B. der land, die Japan tiefer kennenlernen dem Umgang miteinander. So ist es in Zukunft auch eine Künstlerin oder sich zu entfalten, vier Kilometer von Überfl uss, eine starke Zunahme von wollen, als es möglich wäre, wenn sie immer auch eine Art Selbstvergewis- ein Künstler mit einem kleinen Kind hier. Früher, bis vor ca.  Jahren, war das Stipendium wahrnehmen kann. das eine zwielichtige Gegend, in der man sich abends vergnügte. Wenn wir Bewerben kann man sich in den es schaff en, dass Leute von dort auch Rubriken Architektur, Bildende mal fl ussaufwärts bis in die Villa Kunst, Darstellende Kunst, Design, kommen, um auf die Stipendiaten zu Literatur, Musik, Film und Kultur- treff en, im Café Müller, am Fluss, im theorie/Kulturkritik. Gibt es eine Baumarkt oder bei einem gemeinsa- Rubrik, die besonders stark nach- men »Open Studio«, dann haben wir gefragt wird? viel erreicht. kultur Ungefähr die Hälfte aller Bewerbe- rinnen und Bewerber kommt aus Was planen Sie für die Villa der Bildenden Kunst. Kyoto hat da Kamogawa? auch überwältigend viel zu bieten: Wir überlegen gerade, wie wir The- Handwerksbetriebe in der . Ge- men wie Umweltverschmutzung oder neration, besondere Materialien Dekolonialisierung, Postindustriali- stellen und Arbeitsweisen und eine andere sierungsgesellschaften und Zukunft Auff assung vom öff entlichen Raum, von Arbeit und Freizeit nicht nur vom Wohnen und Zusammenleben. im bilateralen deutsch-japanischen Im nächsten Jahr wollen wir Kultur- Kontext verhandeln können. Unser theorie stärker in den Vordergrund Ziel ist, an der Diskussion zwischen rücken, weil auch die Hochschulen globalem Süden und Norden auch markt an einer internationalen Öff nung von Japan aus teilzunehmen. Japan interessiert sind. Überhaupt wollen hat z. B. ein starkes Interesse in Süd- www.nmz.de/stellenmarkt wir japanische Stimmen in die Jury ostasien und leistet dort Entwick- Print & Online holen, damit die Künstlerinnen oder lungshilfe. Solches Engagement gibt seriös – aktuell Kulturtheoretiker nicht ganz »vom es – anders gelagert – in Deutsch- seit 68 Jahren Himmel herab« in Japan landen, son- land auch. Was bedeutet Entwick- dern mit ihren Ideen und Vorhaben lungszusammenarbeit heute? Ist das schon auf engagierte, erwartungsvol- nicht wieder die Kolonialisierung, le Partner treff en. nur in einem neuen Gewand? Das wäre eine globale Fragestellung. Wir Zur Eröff nung der Villa Kamogawa werden Bewohner von Residenzen betonte der Präsident des Goethe- im globalen Süden kontaktieren und Instituts, Klaus-Dieter Lehmann, zu Treff en, Veranstaltungen – offl ine den Förderschwerpunkt Tanz und und online – einladen. Außerdem Choreografi e im Rahmen der Dar- beschäftigt uns die Frage, wie man stellenden Künste. Ist das heute Leute, die, wie aktuell die Passagiere noch so? der Diamond Princess im Hafen von Auf jeden Fall. Unter den Stipendia- Yokohama, in einer Art von erzwun- tinnen und Stipendiaten sind fast gener Residenz leben, kontaktieren immer auch Tänzer und Choreogra- und etwas mit ihnen unternehmen fi nnen. Wobei sich auch hier die Inte- kann. ressen erweitern. Mitte dieses Jahres wird die Tänzerin und Choreografi n Vielen Dank. Lisa Gómez hier zum Verhältnis von www.nmz.de Körper und Luft arbeiten, sie will Enzio Wetzel ist Institutsleiter des dabei auch eine ganz spezifi sche Art Goethe-Instituts Osaka Kyoto und neue musikzeitung der zeitgenössischen japanischen Be- der Villa Kamogawa. Theresa Brüheim wegungserziehung einbeziehen, das ist Chefi n vom Dienst von Politik & Seitai-ho. Kultur Politik & Kultur | Nr. / | März  KULTURELLES LEBEN 13

Die Suche nach dem Glück Der Abenteurer und Autor Mit  stellte Goldstein seinen ersten stationen – auf einen Katamaran, um / durchstreifte er mit seiner jedes Jahr Ende März stattfi ndet. In den Mario Goldstein im Porträt Ausreiseantrag. Der wurde abgelehnt damit um die Welt zu segeln. Es war heutigen Frau Ramona die Wildnis von sieben Jahren ihres Bestehens konnte und der Satz eines Beamten der Ab- der Start seiner außergewöhnlichen Alaska und Kanada und  stürzte er die Agentur bereits . Besucher teilung für Innere Angelegenheiten Karriere als Abenteurer. sich mit seiner vielbeachteten Wande- zu den Veranstaltungen locken. ANDREAS KOLB hat sich unauslöschlich ins Gedächtnis » holte ich zum Befreiungs- rung am Grünen Band in ein einheimi- Goldsteins spirituelles Resümee eingeprägt: »Herr Goldstein, Sie kom- schlag aus, verkaufte alles, was ich in sches, europäisches Abenteuer. aus über drei Jahrzehnten Abenteu- illkommen im Abenteuer« men hier nie raus.« Vier Wochen später Deutschland besaß und segelte von Goldstein wäre nicht Goldstein, erleben hört sich einfach an, ist aber ist die Homepage von Ma- wagte er erneut die Flucht, dieses Mal Thailand aus aufs Meer hinaus. Sieben wenn er nicht auch das Abenteuer schwer errungen. »Der Mensch sucht W rio Goldstein überschrieben. von der Tschechoslowakei nach Öster- Jahre lebte ich auf einem Katamaran persönlich managen würde. Heute ist seit Ewigkeiten nach dem Glück an Blättert man als gewöhnliches Exemplar reich. Und wieder – am letzten Zaun! und fand die Freiheit, die ich so lange er Inhaber der Eventagentur »Frei- Orten, wo er es niemals fi nden wird, eines Internet-Stubenhockers durch die – wurde er erwischt und zu zwei Jah- vermisst hatte. Getrieben von Neugier träumer« in Plauen mit fünf Mitarbei- etwa im Anhäufen von Geld, Erfolg Seiten, dann macht sich Staunen breit ren Freiheitsentzug verurteilt. Sechs und meiner inneren Unruhe zog ich tern, mit denen er Live-Reportagen der und Aufmerksamkeit. Gerade wegen über die Unternehmungslust dieses Monate saß er in Chemnitz, damals von Insel zu Insel, von Land zu Land Spitzenklasse betreibt. Er vermarktet der vielen Abenteuer, die ich weltweit Mannes. Man lässt sich faszinieren und Karl-Marx-Stadt, im Stasi-Gefängnis, und von Volk zu Volk.« Mit dem Kata- seine Bücher sowie Reisevorträge von erleben durfte, weiß ich, dass man sich fühlt sich beinahe so wie damals, als dann wurde er für . DM von der maran »Goodlife« bereiste Goldstein sich, aber auch von anderen Referen- gar nicht weit fortbewegen muss, um man in den Romanen eines Karl May BRD freigekauft. in fünf Jahren  Länder. Das nächs- ten, darunter Namen wie Willi Weitzel, das Glück zu fi nden – denn die innere die weite Welt entdeckt hat. Nur mit Februar , ein halbes Jahr vor te große Abenteuer wartete  auf Markus Lanz und National-Geographic- Freiheit zählt. Das dauerhafte Glück dem kleinen Unterschied, dass Mario dem Mauerfall, stand Mario Goldstein ihn: Zusammen mit seinem Bruder und Top-Fotografen und viele andere mehr. entwickelt sich beim Menschen im In- Goldstein die Reisen nach Thailand, schließlich in Fulda und wusste: »Ich . Friedensbotschaften machte er Er hält auch Firmenvorträge über Frei- neren – und zeigt sich auch darin, wie mit dem Katamaran über den Ozean, bin jetzt frei. Ich bin nicht länger ein- sich mit einem ausgemusterten Was- heit und Selbstbestimmung – stets ge- man mit anderen Menschen umgeht.« mit dem Wasserwerfer nach Indien und geengt in einem Land.« Angekommen serwerfer als Fortbewegungsmittel auf koppelt mit einer Wanderung mit den per pedes durch Alaska und Kanada in im Kapitalismus, wurde Goldstein den Weg zum Dalai Lama – und erhielt Zuhörern, die er führt. Und er gründete Andreas Kolb ist Redakteur von Politik Wirklichkeit unternommen und erlebt Unternehmer mit dem klar formulier- tatsächlich eine Audienz. das Freiträumer Festival in Plauen, das & Kultur hat. Das macht die Authentizität seiner ten Ziel, Millionär zu werden. »Geld Reiseberichte, Bücher und Vorträge aus. bedeutet Freiheit, dachte ich damals. Sein jüngstes und viertes Buch, Das ist es nicht, das weiß ich heute.« Er »Abenteuer Grünes Band« ist entstan- wurde Lastwagenfahrer, verkaufte Ver- den in Zusammenarbeit mit dem Bund sicherungen, vertrieb Time-Sharing- für Umwelt und Naturschutz Deutsch- Urlaube, gründete eine Werbeagentur land (BUND). Veröff entlicht zum . Ju- und verkaufte Fensterwischer auf Wo- biläum des Mauerfalls, war es nach drei chenmärkten und Messen. Er machte Monaten vergriff en und ging im Januar eine Druckerei auf, handelte mit Glas dieses Jahres bereits in die . Aufl age. auf Weihnachtsmärkten und wurde Kein Wunder, das Thema triff t den Nerv schließlich Bauträger und Teilhaber vieler Menschen: An der ehemaligen eines Bauunternehmens. deutsch-deutschen Grenze erstreckt Beinahe zwölf Jahre jagte er als Work- sich auf knapp . Kilometern das aholic und Unternehmer dem Glück Naturschutzprojekt »Das Grüne Band«. nach. Er arbeitete  Stunden die Wo- In  Tagen erwanderte der Abenteu- che, »auf Kosten der Familie«, wie er rer und Reisefotograf Mario Goldstein heute bedauernd sagt.  ging seine als BUND-Botschafter das Grüne Band Bauträgerfi rma pleite, das war der Wen- in Deutschland auf dem Kolonnenweg, depunkt in seinem Leben. Finanziell der ehemaligen innerdeutschen Gren- hätte er das überstanden, er hatte noch ze. Eine Strecke von . Kilometern, die Fensterwischer und seine Frau war durch ein Nationales Naturmonument fest angestellt bei der Sparkasse. Aber mit einer wechselvollen Geschichte, er merkte, dass sich zusammen mit das heute als Schatzkammer der Ar- dem Rückgang des berufl ichen Erfolgs tenvielfalt gilt. auch die Freunde von ihm abwendeten. Eigentlich müsste das Grüne Band »Nur solange ich erfolgreich war, hat- ein rotes Tuch für ihn sein. Denn Ma- te ich Freunde.« Das gab Goldstein zu rio Goldstein wurde  in Oelsnitz/ denken. Er stornierte das Lebensziel

Vogtland nahe der DDR-Grenze geboren. Millionär, verkaufte alles, was er hatte, GOLDSTEIN RAMONA FOTO: »Nach der Wende war diese deutsch- und stieg – nach ein paar Zwischen- Botschafter für das Grüne Band: der Abenteurer und Autor Mario Goldstein deutsche Grenze in meinem Kopf jahr- zehntelang nicht mehr existent. Ich habe nach meiner Erfahrung mit dem DDR-Regime und den Gefängnisaufent- halten diesen Lebensabschnitt aus mei- nem Leben verbannt. Ich stürzte mich Spiegelung von Diskriminierung auf andere Dinge. Eines aber bleibt, die Suche nach Freiheit beschäftigt mich bis heute.« Er sei »frei aufgewachsen«, erinnert sich Goldstein. Als Kind lebte bleibt Diskriminierung! er mit der Mutter und den Großeltern zusammen. Der Vater hatte sich von Auf dem Weg zur diversitätsbewussten Gesellschaft seiner Mutter getrennt, als Mario ein Jahr alt war. Zusammen mit seinem ein SUSANNE KEUCHEL Migrationshintergrund hat, erlaube rende Machtverhältnisse aufzude- führt dieses Schubladendenken auf Jahr jüngeren Bruder war er als Kind ich mir, doch ein paar Perspektiven cken, eine andere, diversitätsbewusst der anderen Seite dazu, biografi sche nur draußen, baute Hütten und zog Im Vorfeld einer Podiumsdiskussi- einzubringen!« zu handeln und Gesellschaft zu ge- Zusammenhänge komplett auszu- durch die Wälder. Da schien die Frei- on las ich jüngst folgende interne Der Begriff »Cis-Gender« dient eben- stalten. Eben genannte Beispiele sind blenden. Möglicherweise hat der heit grenzenlos. Doch der Radius des Moderatorenanweisung: »(…) versu- so, wie der des »Biodeutschen« dazu, Spiegelungen von Diskriminierung privilegierte männliche Biodeutsche jungen Abenteurers wurde größer und che, die Moderation so zu gestalten, Missverhältnisse in Machtfragen und damit letztlich ebenfalls Diskri- eine schwere Krankheit, sein Kind irgendwann in der Pubertät drang ihm dass dominantes Redeverhalten zu refl ektieren. Mit der Labelung minierung! Es wäre eine spannende verloren oder andere negative Le- immer stärker ins Bewusstsein: »Ich im Publikum vor allem von weißen der Mehrheitsgesellschaft in eine benserfahrungen gemacht. komme in meinem Leben nicht mehr Cis-Männern Einschränkungen »Schubladen-Kategorie«, wie z. B. Bei der Aufdeckung spezifi scher raus aus der DDR. Wenn du frei sein erfährt«. Sofort stellte sich mir die Cis-Gender, erfährt die Mehrheit Machtverhältnisse sollte zudem im- willst, dann musst du diese Grenze Frage: Was ist ein Cis-Mann? Meine das Gefühl, wie es ist, selbst in eine mer der Blick off en sein für andere, überwinden.« Es war eine Sehnsucht, Recherche ergab, dass als Cis-Gender Schublade einsortiert zu werden. bisher noch wenig thematisierte die immer mehr Kraft bekam. Zusam- diejenigen bezeichnet werden, de- Dies erinnert ansatzweise an George Diskriminierungspraktiken, bei- men mit Freunden schmiedete der ren aktuelle Geschlechtsidentität Orwells lehrreiches Buch »Animal spielsweise Diskriminierung bezogen Teenager Pläne für eine Republikfl ucht. dem Geschlecht entspricht, das Farm«. Die Tiere rebellieren hier ge- auf Ost-/Westdeutschland, ländliche Er sah ein Agrarfl ugzeug, das zum Dün- ihm/ihr bei der Geburt zugewiesen gen die Unterdrückung des Menschen, ethische Frage, ob erlebte Diskrimi- Bevölkerung oder auch Menschen gen eingesetzt wurde, und malte sich wurde. Diese Erkenntnis aktivierte setzen diese ab; infolge übernehmen nierung die Diskriminierung anderer mit spezifi schem Körpergewicht. aus, wie man mit der Propellermaschine frühere Tagungserlebnisse zum jedoch schleichend die Schweine den rechtfertigt! Das Aufdecken von Machtverhält- über die Grenze fl iegen könnte. Unge- Thema Diversität, beispielsweise Machthabitus des Menschen. Menschen provozierend als »privi- nissen, aber auch der Weg zu einer schickterweise redete er darüber. Das der oft gehörte Einwurf: »Wer nicht Wenn Diskriminierungspraxis als legiert« zu bezeichnen, kann Macht- diversitätsbewussten Gesellschaft ist hatte zur Folge, dass er erstmals mit  selbst diskriminierende Erfahrungen »normal« von einer Mehrheitsgesell- verhältnisse aufdecken, kann aber letztlich ein nie endender Prozess, da Jahren eingesperrt wurde: zwölf Stun- aufgrund der eigenen ethnischen schaft empfunden wird, ist es wichtig, aus verschiedenen Gründen auch Menschen bei Machtfragen immer den Verhöre und zweieinhalb Monate Herkunft erfahren hat, sollte sich zu dass dies »hörbar« aufgedeckt wird. kritisch bewertet werden: Denn mit wieder dazu neigen werden, neue Al- Untersuchungsgefängnis. Sein Gefühl diesem Thema nicht äußern.« Oder Ein Beispiel hierfür ist die Frauen- der Diff erenzierung in Privilegierte lianzen zu bilden – frei nach George für Freiheit wurde abrupt eingestampft: die Einleitung eines Professors zu bewegung. Feministische Texte aus und Nicht-Privilegierte erfolgt auch Orwell: »All animals are equal, but »Man hat mir die Angst injiziert. Und seinem Vortrag mit den Worten: »Ich dem Umfeld der er-Bewegung eine einseitige Festlegung von er- some animals are more equal than mich danach im Geheimen weiter ob- weiß, ich darf mich als privilegierter lesen sich für heutige Generationen strebenswerten Lebensumständen, others.« serviert.« Das Ergebnis der Schikanen weißer Biodeutscher zum Thema Di- in Teilen befremdlich, waren aber da- beispielsweise Erfolg an Geld oder war ein unbändig wachsender Frei- versität eigentlich nicht äußern, mit mals wichtige Befreiungsschläge. Karriere und nicht an Freundeskreis Susanne Keuchel ist Präsidentin des heitswille in dem Heranwachsenden. Blick auf meine Ehefrau, die einen Es ist jedoch eine Sache, diskriminie- oder Gesundheit zu binden. Auch Deutschen Kulturrates 14 KULTURELLES LEBEN www.politikundkultur.net

ZUR PERSON ... Hochspannung Ein erster Schritt Bratschistin Tabea Zimmermann erhält Ernst von Siemens Musik- Im Hotel Metropol Vor der erlösenden Möglichkeit des Kirchliche Kunst im Nationalsozialismus preis Exils in Mexiko liegt das Paar fast nur Der internationale Ernst von Sie- ast wie ein Krimi liest sich noch regungslos auf seinen Betten. Er- is heute tauchen Kunstgegen- mens Musikpreis geht in diesem Jahr der Roman »Metropol« von mattet von der Angst, die Nächsten zu stände und Kunstgut aus der an die deutsche Bratschistin Tabea Eugen Ruge. Ruge erzählt sein, die abgeholt werden. Jede Nacht B Zeit des Nationalsozialismus Zimmermann. Die Ernst von Siemens F darin die Geschichte seiner hören sie die Schergen des Geheim- in Kirchen in ganz Deutschland auf. Musikstiftung lobte Zimmermanns Großmutter Charlotte Ruge, einer dienstes, der andere »Bewohner« des Was machen diese Kunstgegenstände tiefes musikalisches Verständnis und überzeugten Kommunistin. Sie war Hotels Metropol abholt. in einem Gotteshaus? Ist diese Kunst ihre bedingungslose Liebe zur Musik. mit ihrem zweiten Mann im Agen- Ruge erzählt in einem lakonischen, per se problematisch? Wo beginnen Als Solistin arbeitet sie regelmäßig tennetzwerk »OMS« für die Komintern dichten Stil, der in den Bann zieht. Als die Probleme? Wer entscheidet z. B. mit den weltweit bedeutendsten tätig. Im Roman wird der Zeitraum von Leserin möchte man die Hauptperson in den Landeskirchen, was mit dem Orchestern wie den Berliner Philhar- einem Urlaub am Schwarzen Meer in manchmal schütteln, dass sie die Au- Kunstgut zu tun ist? monikern, dem Orchestre de Paris, Moskau über einen »Umzug« in das gen vor dem Terror öff nen möge, so be- Das ist nur ein Bruchteil der Fragen, dem London Symphony Orchestra, Hotel Metropol bis hin zur Ausreise rührend ist bei aller Distanz das Buch die sich stellen, wenn die Auseinan- dem Israel Philharmonic Orchestra nach Mexiko beschrieben. Charlotte und so wenig Emotion gesteht Ruge dersetzung mit kirchlicher Kunst aus und der Tschechischen Philharmonie. und ihr Mann, Deckname Hans, leben der Hauptprotagonistin zu, die bis zum den Jahren des Nationalsozialismus Seit Oktober  ist sie zudem Pro- zunächst in recht komfortablen Ver- Schluss von der Richtigkeit stalinis- beginnt. So geschehen ist dies auf ei- fessorin an der Hochschule für Musik hältnissen im Hotel Metropol, fi nan- tischen Handelns überzeugt zu sein ner bereits im Juni  gemeinsam »Hanns Eisler«. Den mit . ziell abgesichert durch die Komintern. scheint. Ein sehr lesenswerter Roman. vom Kulturbüro der Evangelischen Euro dotierten Preis bekommt Im Buch wird geschildert, wie sich die Gabriele Schulz Kirche in Deutschland (EKD) und der Tabea Zimmermann am . Mai im Schlinge des stalinistischen Terrors Evangelischen Akademie Loccum Münchner Prinzregententheater immer enger schließt. Wie Misstrau- Eugen Ruge. Metropol. Hamburg  veranstalteten Tagung. Ziel ist es, so ausforderungen. Zu den Autorinnen überreicht. en gesät wird, wie Denunziation und langfristig eine gründliche Aufar- und Autoren zählen neben den He- Verrat um sich greifen und sich das beitung der im Nationalsozialismus rausgebern unter anderem: Manfred Neuer Leiter am Institut für Paar fragt, mit wem sie wann Kon- entstandenen christlichen und kirch- Gailus, Magdalena Droste und Chris- Kulturpolitik der Kulturpoliti- takt hatten, wer Verräter ist und wem lichen Kunstproduktion anzustoßen. tian Stäblein. schen Gesellschaft noch getraut werden kann. Die Zahl Der Sammelband »Kunst und pro- Während Kunst und Kirche im Henning Mohr ist seit Januar neuer der Verhafteten und der Verschwun- testantische Kirche während des Nati- Nationalsozialismus für sich genom- Leiter des Instituts für Kulturpolitik denen wird immer größer. Zu Beginn onalsozialismus«, herausgegeben von men vielfach bearbeitete Themen sind, der Kulturpolitischen Gesellschaft erfreuen sich Charlotte und Hans noch Thorsten Albrecht, Christian Brouwer, widmet sich der Sammelband »Kunst und damit Nachfolger von Norbert der Spaziergänge rund um das Metro- Johann Hinrich Claussen und Stephan und protestantische Kirche während Sievers, der seine Führungsverant- pol. Sie genießen das üppige Essen im Schaede, ist zugleich Versuch einer des Nationalsozialismus« einem we- wortung nach  Jahren abgab. Der Speisesalon. Im Verlauf des Romans kritischen Annäherung an das Thema nig erforschten Gebiet und kann so Sozialwissenschaftler Mohr ist davon wird der Horizont immer kleiner. Das und Bericht der genannten Tagung. als erster wichtiger Schritt auf einem überzeugt, dass sich der Kulturbe- Zimmer wird kaum mehr verlassen. Der Sammelband ist in vier Teile noch langen Weg der Aufarbeitung reich insgesamt deutlich fl exibler Die Gesellschaft im Salon immer klei- gegliedert: Zu Beginn werden die the- gesehen werden. Vielen Dank dafür! aufstellen muss, um den sich rasant ner, das Essen frugaler, bis schließlich matischen Grundlagen zur kritischen Theresa Brüheim verändernden Bedarfen des Pub- der Zugang zum Speisesalon verwehrt Aufarbeitung gelegt, es folgen eine likums gerecht werden zu können, wird. Beide gehen in Gedanken ihre Einordnung in den komplexen Kontext Thorsten Albrecht et al (Hrsg.). Kunst und möchte sich für eine größere Kaderakte durch. Das Misstrauen un- von Kunst aus der Zeit des National- und protestantische Kirche während Innovationsorientierung in der deut- tereinander wächst. Die Begegnungen sozialismus in protestantischen Kir- des Nationalsozialismus: Versuch ei- schen Kulturpolitik einsetzen. In den mit den beiden Söhnen von Charlotte chen, detaillierte Fallbeispiele sowie ner kritischen Annäherung. Rehberg- vergangenen drei Jahren koordinierte aus erster Ehe werden immer weniger. zu adressierende Aufarbeitungsher- Loccum  Henning Mohr das BMBF-geförderte praxisnahe Forschungsprojekt »IN- TRAFO« am Deutschen Bergbau- Museum Bochum. KZ-Gedenkstätte Ravensbrück Schlaflos im Vielschreiber bekommt neue Leiterin Die Mahn- und Gedenkstätte Ravens- Der Diskursbeitrag der brück hat eine neue Leiterin: Andrea Shitstorm Kultur Genest wird ab dem . August die Nachfolge von Insa Eschebach antre- Der Alltag von Politikerinnen und Politikern ten, die in den Ruhestand geht. Die achdem Carsten Brosda, Berliner Politikwissenschaftlerin Ge- m : Uhr aufstehen,  Uhr willst du spontan mal kurz erklären, seines Zeichens Ham- nest wurde durch den Stiftungsrat der Beschlüsse lesen,  Uhr An- wie man die ›Weiterleitung des morbi- burger Senator für Kultur Stiftung Brandenburgische Gedenk- U kunft ARD-Hauptstadtstudio, ditätsorientierten Risikostrukturaus- N und Medien, Ende letzten stätten auf Vorschlag einer Auswahl- : Uhr Live-Sendung,  Uhr Fahrt gleiches‹ vorantreiben kann?«. Jahres mit »Die Zerstörung« ein Buch kommission in ihr neues Amt berufen. zu n.tv, : Uhr Live-Schalte bei n.tv, Für Julia Jorch gibt es zwei Arten zu zerstörerischen Mechanismen von Genest wird zudem Stellvertreterin  Uhr Lesezeit für Anträge & Co.,  von Büchern über Politik: a) ein »su- Politik, Gesellschaft und insbesondere des Stiftungsdirektors Axel Drecoll. Uhr Presselage, : Uhr Bundesvor- perwichtiger« Bericht aus dem »inner Medien vorlegte, erschien im Febru- Sie arbeitete bereits an verschiedenen standssitzung – nur vom Lesen die- circle« der Macht und b) Erklärbücher ar dieses Jahres sein Buch »Die Kunst Gedenkstätten im In- und Ausland ses frühmorgendlichen (!) Termin- im pfi ffi gen Ton. Jorch ist aber noch der Demokratie. Die Bedeutung der und wirkte an Ausstellungs- und Pu- plans steigt der eigene unbeteiligte eine dritte Art gelungen: Ein brutal Kultur für eine off ene Gesellschaft«. blikationsprojekten der Gedenkstätte Stresspegel rasant an. Dabei wurden ehrliches, irre komisches und gewin- War das erstgenannte Buch in erster Ravensbrück mit. Das KZ Ravensbrück die Begleitumstände noch nicht mal nend emphatisches Buch über den Linie eine Beschreibung zerstöreri- war das größte Konzentrationslager erwähnt: dauerhafter Schlafmangel, politischen Alltag und die zuweilen scher Mechanismen, geht es in die- der Nationalsozialisten für Frauen. permanenter öff entlicher Druck, re- unberechenbare Arbeit in einer Pres- sem darum, die Chancen der Kultur Die Mahn- und Gedenkstätte Ravens- gelmäßige Verunglimpfungen und sestelle. Grandios! Bitte mehr davon! für eine demokratische Gesellschaft brück besteht seit . manchmal auch Morddrohungen. Theresa Brüheim aufzuzeigen. Dabei stellt sich Brosda Bei dieser Beschreibung handelt den gesellschaftlichen Veränderungen unmissverständlich klar, dass die Frei- Berliner Frauenpreis  für es sich nicht um eine journalisti- Julia Jorch. Schlafl os im Shitstorm: Der wie ästhetischen, politischen, sozia- heit der Kunst nicht eingeschränkt Yvonne Büdenhölzer sche Übertreibung, sondern um die etwas andere Insiderbericht aus der len und kulturellen Umbrüchen und werden darf. Weder von jenen, denen Die Leiterin des Theatertreff ens realitätsnahe Beschreibung des All- Welt der Politik. München  refl ektiert vor diesem Hintergrund, künstlerische Arbeiten nicht passen, der Berliner Festspiele, Yvonne Bü- tags von Spitzenpolitikerinnen und welchen Beitrag Kultur zum Diskurs noch von jenen, die Kultur benutzen denhölzer, erhält am . März den -politikern. Diesen kennt Julia Jorch leisten kann. Weiter setzt sich Bros- wollen. Absolut lesenswert! diesjährigen Berliner Frauenpreis. sehr gut. Die Autorin von »Schlaf- da mit der sozialdemokratischen Idee Gabriele Schulz Verliehen wird der Preis, der seit  los im Shitstorm: Der etwas andere »Kultur für alle«, mit Kultur und Hei- Frauen ehrt, die sich mit besonderem Insiderbericht aus der Welt der Poli- mat, der Erinnerungskultur, dem digi- Carsten Brosda. Die Kunst der Demo- Engagement und zukunftsweisend tik« arbeitete von  bis  in der talen Umbruch sowie der Kultur- und kratie. Die Bedeutung der Kultur für eine für Frauen und für die Gleichberech- Pressestelle des Bundesvorstands von Kreativwirtschaft auseinander. Brosda off ene Gesellschaft. Hamburg  tigung der Geschlechter einsetzen, Bündnis /Die Grünen. Aus dieser durchmisst in dem Buch die aktuellen von der Gleichstellungssenatorin Zeit schöpfen sich nicht nur unter- kulturpolitischen Fragen, refl ektiert Dilek Kalayci. Büdenhölzer hat eine haltsame Anekdoten, sondern auch diese und entwickelt auf dieser Folie PERSONEN & Mindestquote von  Prozent für ungeschönte Wahrheiten über den seine eigenen kulturpolitischen Ideen. REZENSIONEN die »er Auswahl« des Theatertref- vielleicht verklärtesten Job der Welt: Als roter Faden zieht sich durch das fens eingeführt: Zunächst für die Berufspolitiker/in. Buch, nicht kleingeistig aufzurechnen, Politik & Kultur informiert an kommenden beiden Jahre müssen Mitleid soll nicht erregt, aber ein ob sich Kultur lohnt, ob die Mittel für dieser Stelle über aktuelle Perso- mindestens fünf der insgesamt zehn wenig mehr Verständnis geschaff en Kulturförderung nicht anderweitig nal- und Stellenwechsel in Kultur, Stücke von Regisseurinnen – oder werden. Denn klar ist: Wir brauchen besser aufgehoben wären. Dem wird Kunst, Medien und Politik. Zudem einem überwiegend weiblichen Team Politiker, einfach: »Weil das Land das Bild entgegengesetzt, welche Wir- stellen wir in den Rezensionen alte – stammen. Der Berliner Frauenpreis nicht von selbst regiert. Und weil sich kung und Kraft Kultur entfalten kann, und neue Klassiker der kulturpoli- ist mit . Euro und einer Skulptur Gesetze nicht von alleine schreiben wie sie Debatten und den Geist befl ü- tischen Literatur vor. Bleiben Sie der Bühnenplastikerin Esther Janshen und dumme Gesetze auch nicht von geln kann. Dabei nimmt Brosda Kultur gespannt – und liefern Sie gern dotiert. allein wieder verschwinden. Oder nicht in den Dienst, sondern macht Vorschläge an [email protected]. Politik & Kultur | Nr. / | März  ARCHIVE 15 MILA HACKE MILA  /  BILD  FOTO: BUNDESARCHIV, B B BUNDESARCHIV, FOTO: Das Magazingebäude in Berlin-Lichterfelde: Räumlich und personell ist es die größte Einrichtung des Bundesarchivs mit hohem Benutzungsaufkommen Aus dem Schatten treten Archive sind zentrale Kulturorte

OLAF ZIMMERMANN und her gewendet, es wurde auf ihnen chern und erschließen. Archive befi n- Um die Digitalisierung weiter voranzu- sind aus bürgerschaftlichem Engage- geschrieben, sie wurden versandt, ab- den sich daher oft im Windschatten treiben, sind entsprechende Investiti- ment entstanden. In einigen werden as kann ins Archiv«, damit geheftet, weitergegeben und so weiter. anderer Kultureinrichtungen. Selten, onen in die Infrastruktur sowie in das Dokumente, Flugblätter, sogenannte wird ein Vorgang oft als Archivalien atmen Geschichte. Und vom Deutschen Literaturarchiv in Personal dringend erforderlich. Dabei Graue Literatur und anderes mehr aus abgeschlossen bezeichnet. Archivalien sind Unikate. Darin liegt Marbach oder anderen ausgewählten werden sehr unterschiedliche Qualifi - den neuen sozialen Bewegungen, die in D Er wird nicht mehr aktuell ein wesentlicher Unterschied von Ar- Archiven einmal abgesehen, wird über kationen benötigt: von Fachangestell- den er Jahren entstanden sind, ge- benötigt, er kann abgelegt und für die chiven zu Bibliotheken. Sicher, wis- sie und ihre Arbeit in den Feuilletons ten, die eine Ausbildung im Rahmen des sammelt. In vielen dieser Archive wird Nachwelt bewahrt werden. Mit »das senschaftliche Bibliotheken bewahren berichtet. Gesehen und Wertschätzung dualen Ausbildungssystems absolviert unter prekären Bedingungen gearbeitet. kann ins Archiv« wird teilweise auch as- erfährt die Archivarbeit besonders haben, über exzellente Wissenschaft- Die Finanzierung der Arbeit ist unsi- soziiert, das wird nicht mehr gebraucht, durch Wissenschaftlerinnen und Wis- lerinnen und Wissenschaftler aus den cher. Es wird sich von Projekt zu Projekt dass kann weg! Archive ermöglichen, senschaftler. Aber auch Journalistinnen verschiedenen Disziplinen bis hin zu gehangelt. Mitarbeiterinnen und Mit- Eine solche Beschreibung ist na- die Vergangenheit und Journalisten sowie Autorinnen und EDV-Expertinnen und -Experten, die arbeitern können kaum Perspektiven türlich grundfalsch. Denn bei den immer wieder neu zu Autoren nutzen intensiv Archive. Sie technisch versiert sind, unterschiedli- eröff net werden. Es gehört ordentlich Archivalien handelt es sich nicht um wissen zu schätzen, was es bedeutet, che Programmiersprachen beherrschen Überzeugung und Liebe zur Sache dazu, abgeschlossene Vorgänge im eigentli- befragen und dies für entlegene Dokumente präsent zu ha- und Ideen entwickeln, wie die Digita- unter solchen Bedingungen am Ball zu chen Sinn. Das Spannende an Archiven die Gestaltung der ben oder auszugraben, um der wissen- lisierung vorangetrieben werden kann. bleiben. Diese Archive bedürfen mehr ist gerade, dass sie ermöglichen, die Gegenwart fruchtbar schaftlichen Argumentation oder der Archivarinnen und Archivare sind Aufmerksamkeit und vor allem mehr Vergangenheit immer wieder neu zu zu machen publizistischen Idee das entscheidende aber nicht nur Spezialistinnen und Ressourcen, damit sie nicht mit dem befragen und dies für die Gestaltung Argument zu geben oder eine These Spezialisten für das Bewahren, sie sind Ruhestand der Mitarbeiterinnen und der Gegenwart fruchtbar zu machen. zu belegen. es ebenso für das Wegwerfen. Archi- Mitarbeiter aufgegeben werden müssen. Archive sichern das Gedächtnis einer auch Autografen und verfügen damit Neben der Sicherung der Archivalien ve folgen einer strikten Logik, was die Archive leben von Dauerhaftigkeit Stadt, einer Region, eines Landes, einer über Originale. Ohne Zweifel gibt es von sind die Digitalisierung von Archivgut Bewahrung von Dokumenten betriff t. und Zuverlässigkeit, nur dann können Nation, einer Religionsgemeinschaft, einigen alten Büchern nur noch einige und die Langzeitarchivierung der Di- Daher braucht es die Expertinnen und sie ihr Versprechen der langfristigen einer Bewegung und vieles andere mehr. wenige Exemplare in Bibliotheken, den- gitalisate weitere sehr große Heraus- Experten, die die Dokumente zuordnen, Zugänglichmachung der ihnen anver- Archivgut, das lange Zeit unberührt ver- noch richtet sich generell die Arbeit von forderungen. Hierfür sind entspre- einordnen und über Findbücher – egal trauten Dokumente und Materialien wahrt wurde, kann plötzlich höchste Bibliotheken darauf, Medien zugäng- chende Investitionen erforderlich, die ob papiern oder digital – zugänglich einlösen. Damit dies gelingt, ist eine Relevanz erhalten und Aufschluss über lich zu machen, wohingegen Archive eben nicht nur das Bundesarchiv und machen. Dazu gehört auch, Vorgänge Archivinitiative vonnöten, damit der Entscheidungen, Entscheidungswege Dokumente und Vorgänge bewahren die Landesarchive betreff en, sondern einzuordnen und sie eben nur einmal Satz »das kann ins Archiv« keine Plat- und Protagonisten geben. So manches und zugänglich machen. Ein Archiv ebenso die kommunalen Archive so- aufzubewahren. Archivarinnen und titüde ist, sondern mit der Zusicherung Unverständliche erschließt sich durch zielt ebenso wie eine Bibliothek auf wie die Archive, die sich in Trägerschaft Archivaren kommt dabei eine große der Aufbewahrung verbunden wird. die Auswertung von Archiven. Benutzung. Archivgut ist zugänglich. von Hochschulen, Kirchen, Stiftungen Verantwortung zu. Archive sind zentrale Kulturorte. Sie In Archiven werden Dokumente Die Nutzung und Auswertung unter- oder Vereinen befi nden. Bei der Digita- dürfen nicht weiter im Schatten ande- aufbewahrt, erschlossen und gesichert. liegen allerdings Beschränkungen des lisierung ist ferner zu beachten, dass es rer wichtiger Kulturorte stehen. Um ein Archiv ist nicht Archiv Viele der Dokumente aus der Vergan- Persönlichkeitsrechts. sich teilweise um Dokumente handelt, wenig mehr Licht in oft unbekannte Ar- genheit sind aus Papier. Hier besteht Im Unterschied zu anderen Kultur- die Gebrauchsspuren tragen und deren Die Archivlandschaft ist groß und viel- chivwelten zu bringen, haben wir die- die große Aufgabe darin, diese Doku- einrichtungen wie Bibliotheken, Mu- Papier von minderer Qualität ist. Die fältig. Sie reicht vom Bundesarchiv mit sen Schwerpunkt in Politik & Kultur in mente vor dem Verfall zu sichern. Dabei seen oder Theatern werben Archive Digitalisierung muss daher mit großer neun verschiedenen Standorten über Zusammenarbeit mit dem Bundesarchiv gilt es zu beachten, dass die Dokumente jedoch nicht mit Ausstellungen oder Sorgfalt betrieben werden. Archive Landesarchive, kommunale Archi- konzipiert. ursprünglich gerade nicht für das Ar- Auff ührungen um Publikum. Ihr Wert fi nden ferner Wege, wie Dokumente, ve, wissenschaftliche Spezialarchive, chiv angelegt wurden, sondern dass mit bemisst sich nicht darin, wie viel Öf- die ausschließlich digital existieren, Kirchenarchive bis hin zu Spezialar- Olaf Zimmermann ist Geschäftsführer ihnen gearbeitet wurde. Sie tragen da- fentlichkeit sie erreichen, sondern wie bewahrt und künftigen Generationen chiven mit einem eng umgrenzten des Deutschen Kulturrates und Heraus- her Spuren der Benutzung, wurden hin gut und dauerhaft sie Dokumente si- zugänglich gemacht werden können. Sammlungsgebiet. Diverse Archive geber von Politik & Kultur 16 ARCHIVE www.politikundkultur.net

Ein Ort der Vergewisserung

Was ist ein Archiv? Kulturguts betreff en. Dafür hat ihr – ren Unterlagen dem zuständigen Archiv tatsächlich nur vordergründiger – Hang anzubieten, dessen fachkundiges Per- MICHAEL HOLLMANN zum Gegenständlichen nicht wenig zu sonal für die Auswahl der dauerhaft zu dem merkwürdigen Sonderling-Image erhaltenden Unterlagen, die konserva- er Philosoph Michel Foucault beigetragen, das Archivare – und hier torische Sicherung, Digitalisierung und hat – nicht als Erster, dafür mit entspricht die Reduzierung auf die schließlich für die Bereitstellung zur D weitreichenden Folgen – den männliche Form dem literarischen Nutzung sorgt. Grundsätzlich handelt Begriff des Archivs aus seiner ursprüng- Topos – in Literatur und Film haben. es sich dabei um unikales Archivgut, lichen institutionellen Sphäre heraus- Yuval Noah Harari hat in seinem das nur in genau einem bestimmten gelöst und einen Diskurs über »das« Ar- grandiosen Werk »Eine kurze Geschich- Archiv überliefert wird. chiv als abstrakte Ordnungsstruktur bei te der Menschheit« darauf hingewiesen, Aber nicht nur der Staat, auch große der Organisation von Wissen eröff net. dass die Erfi ndung und Verwendung ei- Wirtschaftsunternehmen und wichti- In der Folge Foucaults haben Philo- ner Schrift allein nicht genügte, damit ge gesellschaftliche Institutionen wie sophen, Kulturwissenschaftler, Medien- eine untergegangene Zivilisation we- Kirchen, Parteien und Vereine unter- und Kunsttheoretiker weiter über »das nigstens in der Erinnerung der Nach- halten mittlerweile Archive. Wesent- Archiv« nachgedacht und dabei die real welt Bestand hat. Nur wenn diese Zivili- lich für die Beziehungen der Archive existierenden Archive immer mehr aus sation auch Institutionen der Sicherung untereinander ist, dass sie nicht mit- dem Blick verloren. Dem Archiv wer- und Speicherung von schriftlichen Auf- einander konkurrieren; da Archivgut den nun merkwürdige Eigenschaften zeichnungen ausgebildet hat, kann ihre buchstäblich einmalig ist, verhalten die MILA zugeschrieben: Es brennt (Georges Kultur heute noch erforscht werden. Ob mehr als . Archive in Deutschland Didi-Hubermann), es rumort (Wolfgang als babylonisches Tempelarchiv oder sich komplementär zueinander. Und Ernst), man kann ihm verschrieben sein römisches Staatsarchiv: Archive tru- da macht es nichts, dass nicht alle (Jacques Derrida) und es hat einen Ge- gen wesentlich zur Stabilität staatlicher Einrichtungen, die sich Archiv nennen,

schmack (Arlette Farge). Neben der Ordnungen bei und stellten so auch das einer strengen, auf einer spezifi schen / HACKE,

traditionellen Archivwissenschaft hat spätere Erinnert-Werden sicher. Zuständigkeit basierenden Defi nition BILD

sich eine »Archiviologie« entwickelt, Diese Erkenntnis gilt heute unver- entsprechen. Zahlreiche Spezialsamm-  für die – so Wolfgang Ernst – das Archiv ändert fort. Die staatlichen Archive si- lungen wie das Archiv für alternatives zu einer »kulturtechnischen Universal- chern Aufzeichnungen, die angefertigt Schrifttum (afas) oder das Deutsche metapher« avanciert sei, zu einer »dis- wurden, um schriftlich auf Papier oder Tagebucharchiv dürfen ebenfalls für kursiven Begriff smünze«, die »durch einem anderen Medium politisches und sich in Anspruch nehmen, unikales lauter Gebrauch bis zur Unkenntlichkeit administratives Handeln zu dokumen- Archivgut zu sichern und damit Teil

abgegriff en« sei. Wohin diese Befreiung tieren. Diese Aufzeichnungen werden des nationalen Gedächtnisses zu sein. B BUNDESARCHIV, FOTO: des Archivbegriff s »aus der eng archiv- als »Gedächtnisstütze« aufbewahrt; Alle Archive sichern Archivgut mit Die Bestände der Abteilung Militärarchiv des Bundesarchivs in Freiburg umfas- wissenschaftlichen Umklammerung« sie dienen immer zunächst einem dem Anspruch, die Originale so lange sen die Überlieferung staatlicher militärischer Stellen seit  führen wird, ist nicht abzusehen. sehr unmittelbaren, aktuellen Zweck wie möglich, die Informationen aber Tatsächlich fällt es den in der archi- der Kommunikation, Wissenssicherung möglichst unbegrenzt zu erhalten. und des digitalen Wandels sind Archive Familie sowie der staatlichen und ge- vischen Praxis stehenden Archivarin- und Rechtfertigung. Sie entstehen nicht, Damit sichern sie Informationen, die Garanten der Volkssouveränität. sellschaftlichen Ordnung darstellt. Und nen und Archivaren zunehmend schwer, um im Interesse einer wissbegierigen selbst noch keine Erinnerung sind, die Was also ist ein Archiv? Ein Archiv, je leichter der Zugang zu seinem Ar- diesen soziologisch-philosophischen Nachwelt archiviert zu werden. aber – gemäß den gesetzlich defi nier- jedes Archiv ist ein Ort der Vergewis- chivgut ist, desto mehr wird ein Archiv Diskurs für die Bewältigung der ihnen Wenn der ursprüngliche Zweck der ten Zugangsregeln – von jedermann ge- serung, die individuelle und kollektive diesem hohen Anspruch gerecht. gestellten Herausforderungen fruchtbar Aufzeichnung entfallen ist, gilt heute nutzt werden können und so zur Grund- Erinnerung möglich macht und da- zu machen, die vor allem den Erhalt und für staatliche Stellen die Verpfl ichtung, lage historischen Erinnerns werden mit eine wichtige Voraussetzung von Michael Hollmann ist Präsident des die Bereitstellung des archivalischen alle für die Administration verzichtba- können; im Zeitalter der Information Identität auf der Ebene der Person, der Bundesarchivs Das Überlieferungskomprimat Der Dialog zwischen Archiven und Wissenschaft

RAINER HERING Lokal- und Regionalgeschichte. Auf Zum einen führt das kaum mehr zu Basis für das archivische Wirken schaff t, den dauerhaften Erhalt und die Nut- dieser Ebene lassen sich viele Themen überblickende Internetangebot gerade an Bedeutung, da sich die Prozesse in zung unseres Wissens ist. Archivarin- rchive sichern unser Wissen gründlicher analysieren, als es auf der bei Studierenden dazu, sich ganz auf den Archiven grundlegend wandeln. nen und Archivare sind dazu bereit. dauerhaft. Weil wir in einer nationalen oder gar der internationalen die virtuelle Welt zu verlassen und im- Zudem schafft auch sie das metho- Informationsgesellschaft Ebene möglich ist. Diese Tiefe ist nur mer seltener von sich aus Bibliotheken dische Grundgerüst für die angemesse- Rainer Hering leitet das Landesarchiv A leben, benötigen wir täg- mit archivischen Quellen zu erzielen. und Archive persönlich zu nutzen. Hier ne Auswertung von archivischen Quel- Schleswig-Holstein und lehrt an lich eine große Zahl von Angaben aus Archive sind ein zentraler Faktor des muss aktiv in der Lehre entgegenge- len. Deutlich wird, dass der intensive den Universitäten Hamburg und Kiel früheren Tagen, Monaten und Jahren. modernen Wissensmanagements und steuert werden, um eine Verengung der Dialog zwischen Wissenschaft und Ar- Neuere Geschichte und Archivwissen- Dabei helfen uns diese Wissensspeicher. der Wissenskonstruktion. Die Archi- Forschungsperspektiven zu verhindern chiv eine zentrale Voraussetzung für schaft Archive beinhalten eine Vielzahl von varinnen und Archivare bewerten die und eine diff erenzierte, quellennahe Informationen auf Pergament, Papier, angebotenen Dokumente und wählen Wissensaufnahme zu gewährleisten. Film, als Bild oder in elektronischer etwa drei bis fünf Prozent zur dauer- Darüber hinaus wird im Zeitalter Form. Sie sichern heute Unterlagen haften Aufbewahrung aus. Ziel ist ein der Globalisierung die Bewahrung von ÜBERBLICK SCHWERPUNKT von gestern, damit sie morgen für alle Überlieferungskomprimat: viel Inhalt lokaler und regionaler Identität immer zur Verfügung stehen. auf wenig Raum und für wenig Geld. wichtiger, damit die Menschen sich in Was ist ein Archiv? Viele werden land Jahn, Hans Jessen, Michael Holl- Archive sind Oasen des Wissens. Die Dadurch ermöglichen Archive eine einer immer unübersichtlicher wer- antworten: ein Aktenlager; einige mann und Olaf Zimmermann, wie dies dort verwahrten Unterlagen sind, an- Konzentration auf das Wesentliche denden bzw. scheinenden Welt orien- werden philosophieren: Gegenstand in der Praxis aussieht und was in der ders als in Bibliotheken, in der Regel und entlasten die Verwaltungen, die tieren und mental verankern können. der Kultur-, Medien- und Kunstwis- Konsequenz folgen muss. Einblicke in Unikate: Als Originaldokumente sind so Raum- und Personalkosten einspa- Dazu kann gerade die Beschäftigung senschaft; wenige werden wissen: das Landesarchiv Baden-Württemberg, sie nur hier zu fi nden. Archivarbeit ist ren können. mit der Geschichte vor Ort, also die lo- das Gedächtnis unserer Gesellschaft. das Stadtarchiv Halle (Saale), das His- die Grundlage historischer Publikatio- Nur eine klare Ordnung ermöglicht kale, die regionale, aber auch die Lan- Michael Hollmann, Präsident des Bun- torische Archiv des Erzbistums Köln, nen und Sachbücher. Wer eine wissen- das schnelle Auffi nden des Gesuchten. desgeschichtsschreibung nachhaltig desarchivs, befasst sich auf S.  auch die Stiftung Rheinisch-Westfälisches schaftliche Arbeit oder eine sonstige Archivarinnen und Archivare bereiten beitragen. Archiven kommt in diesem mit dieser Frage. Für ihn ist das Archiv Wirtschaftsarchiv, das Deutsche Lite- Veröff entlichung schreiben will, braucht die bei ihnen dauerhaft verwahrten Prozess eine zentrale Bedeutung zu, auch ein Ort der Vergewisserung. Auf raturarchiv und das Zentralarchiv für valide Informationen und Daten. Diese Informationen strukturiert auf, um ei- um die hierfür erforderlichen Quellen der gleichen Seite gibt Rainer Hering deutsche und internationale Kunst- können in den Archiven recherchiert nen zeitnahen Zugriff zu ermöglichen, und ggf. weiterführende Beratung zur einen Einblick in den Dialog zwischen marktforschung fi nden sich aus S.  werden. gerade auch für die Wissenschaft. Für Verfügung zu stellen. Archiv und Wissenschaft. und . Jürgen Bacia macht auf S.  Wissenschaftlich fundierte Unter- jede Registratur führende Stelle wird Ein dritter Grund verdeutlicht die Mehr über die strategischen Her- die Probleme deutlich, mit denen suchungen sind die Grundlage unserer ein eigenes Findbuch erstellt, sodass notwendige Zusammenarbeit von ausforderungen, die dem Bundesar- Freie Archive konfrontiert sind. historischen Kenntnisse. Sie basieren der Entstehungszusammenhang der Hochschulen und Archiven: Die Einfüh- chiv gegenüberstehen, berichtet auf Kerstin Wolff stellt ein alternatives auf Quellen, die sich vor allem in den Informationen erhalten bleibt – das rung moderner Speichermedien in den S.  die Vizepräsidentin Andrea Hän- Archiv, nämlich das Archiv der deut- Archiven finden. Archive bewahren ist das Provenienzprinzip. öff entlichen wie privaten Verwaltungen ger. Auf S.  erklärt Christine Axer schen Frauenbewegung, auf eben die- unsere historische Überlieferung und Im . Jahrhundert wurden die Archi- sowie die digitale Kommunikation in Zugangsmöglichkeiten zum Archiv, ser Seite vor. gewährleisten so verlässliche Forschun- ve endgültig zu Stätten wissenschaftli- unserer Gesellschaft führen dazu, dass während Tobias Herrmann über die Ins Hessische Landesarchiv nimmt gen. cher Forschung, nachdem bereits im . die Quellen des . Jahrhunderts in den Akten des Reichskolonialsamtes im Andreas Hedwig die Leserinnen und In der Geschichtswissenschaft ist Jahrhundert eine intensive Nutzung der Archiven überwiegend elektronisch er- Bundesarchiv berichtet. Leser auf S.  mit und Susanne die Landesgeschichte sehr wichtig. Sie Archive für historische Arbeiten einge- halten werden. Für ihre Interpretation Das Schweizerische Bundesarchiv Freund erläutert Berufswege ins schaff t die Voraussetzung dafür, dass setzt hatte. Diese wurde auch von den und historische Auswertung sind neue befi ndet sich gerade auf dem Weg zum Archiv. Auf S.  gibt es die Möglich- die Bedeutung der einzelnen Regionen Archivaren betrieben, die vereinzelt methodische Instrumente erforderlich, komplett digitalen Archiv – wie dieses keit, in die Zeitschriften Archivar und und Orte angemessen in der deutschen zudem an Universitäten lehrten. sodass die Historischen Grundwissen- aussieht, weiß Stefan Kwasnitza auf Archivalische Zeitschrift hineinzu- Geschichte berücksichtigt wird. Viele Die Präsenz von Archivarinnen und schaften, wie z. B. die Aktenkunde, S. . Der Deutsche Bundestag hat die lesen. wirksame Anstöße, insbesondere im Archivaren in der akademischen Lehre kontinuierlich weiterentwickelt wer- Überführung des Stasi-Unterlagen- Dieser Schwerpunkt ist in Zusam- Bereich der sozial- und alltagshisto- und Forschung gewinnt im digitalen den müssen. Zugleich gewinnt die Ar- Archivs in das Bundesarchiv beschlos- menarbeit mit dem Bundesarchiv rischen Forschung, stammen aus der Zeitalter immer mehr an Bedeutung: chivwissenschaft, die die theoretische sen: Auf S.  und  diskutieren Ro- entstanden. Politik & Kultur | Nr. / | März  ARCHIVE 17

Das Alte mit neuen Methoden bewahren Die strategischen Herausforderungen des Bundesarchivs

ANDREA HÄNGER bestehen aus organischen Grundstof- dern geschieht mehr und mehr über das in  Jahren die Frage nach Herkunft beit benötigt, die aber unter den Be- fen, die naturgemäß einem mehr oder Internet. Dabei zielen die Erwartungen und Abstammung nicht wird beantwor- dingungen des öff entlichen Dienstes ls nationales Zentralarchiv weniger schnellen Verfall ausgesetzt der Nutzerinnen und Nutzer nicht nur tet werden können. Ein angemessener nicht ohne Weiteres zu gewinnen sind. der Bundesrepublik ist das sind, der im besten Fall aufgehalten, auf die fast schon selbstverständliche Ausgleich zwischen Datenschutz und Die Berufsbilddiskussion blendet zu- Bundesarchiv zuständig für aber niemals ganz zum Stillstand ge- digitale Bereitstellung, sondern auch Recht auf Erinnern steht hier noch aus. dem aus, dass Archive nicht nur ein A die Übernahme, Erhaltung bracht werden kann. Bei Filmmaterial auf einen qualitativ höheren Recher- Und nicht zuletzt braucht es natür- Arbeitsplatz für Hochschulabsolven- und Bereitstellung der Unterlagen der oder Tonbändern ist ein zügiger Wech- chekomfort, der sich mit den Alltagser- lich auch Menschen, die die Arbeit im tinnen und -absolventen sind, sondern Bundesverwaltung und ihrer Vorläufer- sel des Trägermaterials unumgänglich, fahrungen der Nutzerinnen und Nutzer Archiv machen. In Fachkreisen wird seit dass die Mehrzahl der Beschäftigten institutionen. Dazu gehört selbstver- um die Informationen dauerhaft erhal- in anderen Lebensbereichen messen Langem über das Berufsbild »Archivar/ in verschiedensten Ausbildungsberu- ständlich auch die Überlieferung der ten zu können. Das gilt aber auch für lassen muss. Großes strategisches Ziel in« diskutiert, der oder die möglichst fen arbeitet. Hier besteht die Heraus- zentralen zivilen und militärischen Stel- Papier. Das Bundesarchiv wird nicht des Bundesarchivs für diese Dekade ist neben ausgewiesener Expertise im forderung, dass auch Qualifi kationen len der DDR. Ergänzt wird die staatliche über die Ressourcen verfügen, seine die digitale und – soweit rechtlich mög- Bereich mittelalterlicher Urkunden in benötigt werden, die »am Markt« nicht Überlieferung durch die Unterlagen von über  Kilometer Papierakten Blatt lich – Online-Bereitstellung aller rele- lateinischer, französischer und deut- mehr ausgebildet werden, wie z. B. im Verbänden, Vereinen und Personen von für Blatt mit aufwändigen Restaurie- vanten Quellen aus der Zeit des Dritten scher Sprache XML, SQL und Java be- Bereich der analogen Filmbearbeitung, überregionaler Bedeutung, sofern nicht andere Archive diese Aufgabe überneh- men. Zurzeit verwahrt das Bundesar- chiv unter anderem über  Kilometer Akten,  Millionen Fotos und . Filmwerke ganz überwiegend aus dem Bereich der Zeitgeschichte. Betrachtet man die wechselvolle Ge- schichte von Reichs- und Bundesarchiv, wird schnell klar, wie sehr auch eine vermeintlich eher im »Windschatten der Geschichte« stehende Institution wie ein Archiv gesellschaftlichen Ver- änderungsprozessen unterworfen ist. So betriff t aktuell auch der tief greifende digitale Wandel die Aufgaben des Ar- chivs in ihrem Kern. Auch wenn zurzeit die Übernahme der Stasi-Unterlagen das Thema ist, mit dem das Bundesar- chiv am stärksten in der Öff entlichkeit wahrgenommen wird, ist sie doch nicht die größte Herausforderung, die es zu bewältigen gilt. Eine zentrale Aufgabe des Archivs ist die Übernahme der Unterlagen, die in der laufenden Verwaltung nicht mehr für die Aufgabenwahrnehmung benö- tigt werden und denen bleibender Wert zukommt. Beide Kriterien, das Abge- schlossensein und der bleibende Wert, MILA HACKE MILA sind konstitutiv für die Entstehung von Archivgut. Doch in der digitalen Welt ist dieser Zustand des Abgeschlossen-

seins nicht mehr so klar zu defi nieren / 

wie bei einem Aktenordner, bei dem BILD

schon die rein materielle Begrenzung  der Ringheftung oder des Heftstreifens das Zur-Seite-Legen mit sich bringt. In einer E-Akte gibt es kein so off en- sichtliches Platzproblem, und in einer Datenbank verbleiben auch solche Da-

tensätze einfach im System, die nicht B BUNDESARCHIV, FOTO: mehr aktualisiert werden. Die Über- Das Bibliotheksmagazin des Bundesarchivs am Dienstort Berlin-Lichterfelde gänge zwischen Fachverfahren und E- Akten-Systemen sind zudem fl ießend, rungsmaßnahmen zu erhalten. Für Reiches, um einer breiten Öff entlichkeit herrschen sowie kompetente Stellung- die im Bundesarchiv als Voraussetzung und nicht alle Informationen befi nden eine große Menge müssen einfache einen möglichst voraussetzungslosen nahmen zur deutschen Umsetzung der für die Digitalisierung noch viele Jahre sich stabil an einem Ort. Es kann kaum konservatorische Maßnahmen wie Zugang zu diesen Quellen zu verschaf- EU-Richtlinie zum Urheberrecht oder zwingend benötigt werden. noch eindeutig defi niert werden, was eine archivgerechte Lagerung – die fen. Für die neueste Zeitgeschichte ist zur Informationsweiterverwendung So pendeln die Aufgaben des Bun- genau die E-Akte umfasst, die dau- mit Abstand wirtschaftlichste und eine solche Bereitstellung auf lange abgeben können sollte, während er desarchivs zwischen Tradition und erhaft zu sichern ist, weil zum Ver- eff ektivste Methode der Bestandser- Sicht leider unmöglich – vor allem, weil oder sie die diversen Social-Media-Ka- Innovation. Die strategische Heraus- ständnis des Entscheidungsprozesses haltung – ausreichen, um das Papier das Urheberrecht die Erfordernisse und näle des Archivs kreativ und möglichst forderung bleibt, das Alte mit neuen weitere Systeminformationen benötigt möglichst lange zu erhalten. Nach und Besonderheit der Archive konsequent rund um die Uhr bespielt. Diesen He- Methoden zu bewahren und die Gesell- werden. Im Dezember  ging nach nach sind dann über die Digitalisierung ignoriert. rausforderungen lässt sich aber nicht schaft von der Relevanz dieser Arbeit fast zehnjähriger Vorarbeit das Digita- zumindest die Informationen über die Das führt von den Kernaufgaben mit Berufsbilddiskussionen begegnen, so zu überzeugen, dass dafür ausrei- le Zwischenarchiv des Bundes in den Zeit zu retten, wobei heute nicht ab- zu den Rahmenbedingungen. Um die- sondern nur mit einer Neuausrichtung chend Ressourcen zur Verfügung ge- Produktivbetrieb. Das Bundesarchiv sehbar ist, ob in jedem Fall die Digi- sen Aufgaben vollständig gerecht zu des gesamten Berufsfeldes »Archiv«, stellt werden. verantwortet hier ein zentrales Projekt talisierung vor dem Zerfall realisiert werden, ist eine permanente Weiter- das mehr und mehr echte Spezialisten der IT-Konsolidierung der Bundesver- werden kann. Damit ist die wichtigste entwicklung des rechtlichen Rahmens in den Bereichen Informationstech- Andrea Hänger ist Vizepräsidentin des waltung und hat damit mehr als nur Herausforderung für das Bundesarchiv erforderlich. Nicht möglich ist zurzeit nologie, Recht und Öff entlichkeitsar- Bundesarchivs einen Meilenstein erreicht, seine Arbeit die Schaff ung von fachlich geeigneten die Sicherung von Registerdaten, die auch in der digitalen Welt fortzuführen. Magazinkapazitäten – und das nicht Spezialgesetzen unterliegen, wie z. B. Doch kaum ist dieser Schritt getan, ste- nur für die Stasi-Unterlagen, sondern das Ausländerzentralregister. Hier wer- hen die nächsten Herausforderungen auch für die Unterlagen der  in das den jährlich große Mengen an Daten BUNDESARCHIV an. Komplexe moderne Fachverfahren Bundesarchiv übernommenen ehemali- gelöscht und sind damit unwieder- bringen neue Fragen mit sich, nämlich gen Wehrmachtauskunftstelle und die bringlich für künftige Generationen Der Schwerpunkt »Das Archiv: Das Ge- kratischen Republik (-) und die einer nicht mehr rekonstruierbaren mehr als  Kilometer Akten, die nach verloren. Während in den meisten Lan- dächtnis der Gesellschaft« ist in Zu- der Bundesrepublik Deutschland (seit Entscheidungsgrundlage in den Fällen, heutigem Wissen noch in den Bundes- desarchivgesetzen das Archivgesetz die sammenarbeit mit dem Bundesarchiv ). Zudem sammelt das Bundesar- in denen externe Informationsquellen behörden verwahrt werden. Vor dieser Löschungsvorschriften der Spezialge- entstanden. Es hat den gesetzlichen chiv auch schriftliche Nachlässe von »on the fl y« in den Entscheidungspro- Herausforderung verblasst die ebenfalls setze überschreibt, sollte im Bund der Auftrag, das Archivgut des Bundes auf bedeutenden Personen, Unterlagen von zess einbezogen werden, ohne in den gewaltige Aufgabe, jährlich einen Zu- für die Bürgerinnen und Bürger deut- Dauer zu sichern und nutzbar zu ma- Parteien, Verbänden und Vereinen mit Entscheidungsdokumenten selbst ih- wachs an Datenmenge von mehr als fünf lich transparentere Weg beschritten chen. Dabei handelt es sich um Unter- überregionaler Bedeutung sowie pub- ren Niederschlag zu fi nden. Gleichzei- Petabyte bewältigen zu müssen, die vor werden: die Aufnahme einer Erlaubnis lagen wie Akten, Karten, Bilder, Plakate, lizistische Quellen. tig müssen bis mindestens Ende der allem aus der Digitalisierung der Filme zur dauerhaften Aufbewahrung von Filme und Tonaufzeichnungen in ana- Die Bilder im Schwerpunkt auf er Jahre parallel die Kapazitäten bzw. der Abgabe bereits digital produ- Daten in die Spezialgesetze. Diese loger und digitaler Form. Entstanden den Seiten  bis  zeigen die neun und das Know-how für die Übernahme zierter Filme herrühren. Gesetzesänderungen sind aber bisher sind die Unterlagen bei zentralen Stel- Dienstorte des Bundesarchivs. Diese von Papierakten bereitgehalten werden. Die dritte wesentliche Kernaufgabe nicht erfolgt. Das führt dazu, dass z. B. len des Heiligen Römischen Reiches befinden sich in: Bayreuth, Berlin- Eine weitere große Herausforderung ist die Bereitstellung. Dies hat grund- die Daten derjenigen Menschen, die in (-), des Deutschen Bundes Lichterfelde, Berlin-Reinickendorf, ist der dauerhafte Erhalt des Archiv- rechtlichen Charakter. Archivbenut- den letzten Jahren neu in unser Land (-), des Deutschen Reiches Freiburg im Breisgau, Hoppegarten, guts – und das möglichst im Original. zung ist schon lange nicht mehr auf den gekommen sind, nicht gesichert wer- (/-), der Besatzungszonen Koblenz, Ludwigsburg, Rastatt und Ausnahmslos alle Trägermaterialien Besuch von Lesesälen reduziert, son- den dürfen und so ihren Nachkommen (-), der Deutschen Demo- Sankt Augustin-Hangelar. 18 ARCHIVE www.politikundkultur.net

Für alle Der Zugang zu Archivgut

CHRISTINE AXER

mmer noch werden Archive assozi- iert mit Schlagworten wie Geheim- I archiven oder Schatzkammern. Da- bei sind sie bereits seit mehr als zwei Jahrhunderten nicht mehr Herrschafts- archive, sondern sie bewahren Unter- lagen mit historischem, wissenschaft- lichem, kulturellem und rechtlichem Wert auf, um sie allen Interessierten zugänglich zu machen. Sie sind das Gedächtnis einer Gesellschaft. Als Gedächtnis einer Gesellschaft können Archive nur dann Wirkung entfalten, wenn sie nicht nur Unterla- gen von historischem oder rechtlichem Wert dauerhaft erhalten, sondern wenn GÜNTER WEBER GÜNTER sie diese auch einer breiten Öff entlich- keit zugänglich machen. Mehr denn je stehen Archive in Deutschland allen off en. Digitalisierung und Informati-  /

onsfreiheit, aber auch die Transfor- BILD mation von der Informations- in eine  Wissensgesellschaft haben diese Ent- wicklung in den letzten Jahrzehnten weiter beschleunigt. Archive können nur dann allen In- teressierten off enstehen, wenn sie die

Daten all jener angemessen schützen, B BUNDESARCHIV, FOTO: die im Archivgut, wie z. B. Prozess- Aufsicht auf das Gebäude der Hauptdienststelle des Bundesarchivs in Koblenz, das  gegründet wurde oder Personalakten, enthalten sind. Datenschutz und Öff nung der Archive Archivgesetzen, wie z. B. das Hamburgi- Anders als oft dargestellt, schützt die trägt zehn Jahre nach Tod oder wenn seines Rechtsnachfolgers vorliegt, es sind zwei Seiten ein- und derselben sche Archivgesetz, stellt fest, dass jeder allgemeine Schutzfrist die schützens- dieser nicht feststellbar ist – je nach sich um ein wissenschaftliches Vorha- Medaille. das Recht hat, Archivgut »zu amtlichen, werten Interessen all jener, zu denen im Archivgesetz –  bzw.  Jahre nach ben handelt oder berechtigte Belange Das Verhältnis von Datenschutz und wissenschaftlichen, heimatkundlichen Archivgut Informationen enthalten sind. Geburt. Sind beide nicht feststellbar, vorliegen und die schutzwürdigen In- Nutzung wird in den  Archivgesetzen oder publizistischen Zwecken sowie zur Dieses Ziel könnte theoretisch auch beträgt die Schutzfrist  Jahre nach teressen Betroff ener bzw. Dritter ange- des Bundes und der Länder im Einzel- Wahrnehmung berechtigter persönli- erreicht werden, indem bei jeder Nut- Schließung der Akte. messen berücksichtigt werden. nen austariert. Ausgangspunkt ist dabei cher Interessen« zu nutzen. zung für jede Archivalie geprüft wird, Beide Schutzfristen schließen das Indem die Schutzfristen die Wahrung die allgemeine Feststellung, dass die Wie dieses allgemeine Recht auf ob schützenswerte Angaben enthalten Archivgut nicht grundsätzlich von der des Datenschutzes garantieren, ermög- Archive der Nutzung off enstehen. Die Zugang zu Archivgut umgesetzt und sind. Archive jedoch verwahren Urkun- Nutzung aus, sondern sie schützen das lichen sie die anhaltende Öff nung der Ausgestaltung variiert im Einzelnen. gleichzeitig das Recht auf informatio- den aus dem Mittelalter und weiteres Recht auf informationelle Selbstbestim- Archive. Ohne sie könnte kein weitest- Die meisten Archivgesetze wie das des nelle Selbstbestimmung gewahrt wird, Archivgut aus vorherigen Jahrhunder- mung. Jeder, der entsprechendes Archiv- gehend voraussetzungsloser Zugang Landes Nordrhein-Westfalen schreiben deklinieren die Archivgesetze im De- ten. Eine solche Prüfung macht hierfür gut einsehen möchte, kann daher einen auch zu all jenen Unterlagen gewährt ein Recht auf Nutzung für jedermann tail. Alle Archivgesetze legen Schran- keinen Sinn; die Nutzer müssten lange Antrag auf Verkürzung der Schutzfristen werden, die keinen Schutzfristen mehr und jederfrau fest. Andere Archivgeset- ken fest, innerhalb derer die Nutzung Wartezeiten in Kauf nehmen. Es bedarf stellen. Die allgemeine Schutzfrist kann unterliegen. ze, wie das des Landes Bayern, schrei- von Archivgut nochmals gesondert zu also einer zeitlichen Begrenzung für das gemäß Hamburgischem Archivgesetz Der Blick in die Zukunft lässt erah- ben ebenfalls ein Recht auf Nutzung beantragen und zu begründen ist. Hier- Erfordernis der Prüfung der anspruchs- verkürzt werden, wenn unter anderem nen, dass künftig der Zugang zu Archiv- fest, setzen aber die Glaubhaftmachung bei handelt es sich um die sogenannten beschränkenden bzw. -ausschließenden das Wohl der Bundesrepublik Deutsch- gut noch leichter sein wird. Digitalisate eines berechtigten Interesses voraus, Schutzfristen. Die beiden wichtigsten Tatbestände im Archiv: der allgemeinen land oder eines ihrer Länder oder aber und Portale werden die Hürden weiter welches bei amtlichen, wissenschaft- Schutzfristen sind die allgemeine Schutzfrist von  bzw. in einigen Fäl- schutzwürdige Interessen Dritter nicht senken. Der Datenschutz wird dabei lichen, publizistischen oder Bildungs- Schutzfrist, welche im Wesentlichen für len von zehn Jahren. durch die Nutzung verletzt werden. weiterhin eine große Rolle spielen. zwecken sowie zur Wahrnehmung alle Unterlagen gilt, und die zusätzli- Die Schutzfrist für personenbezo- Die personenbezogene Schutzfrist berechtigter persönlicher Belange als che Schutzfrist für personenbezogenes genes Archivgut orientiert sich an den hingegen kann verkürzt werden, wenn Christine Axer ist Abteilungsleiterin im gegeben gilt. Eine dritte Kategorie von Archivgut. Lebensdaten der Betroff enen. Sie be- die Einwilligung des Betroff enen oder Staatsarchiv Hamburg Quellen zur Kolonialgeschichte Eine verfl ochtene heimischen, bewaff nete Auseinander- es sich bei dem in Deutschland aufbe- Bundesarchiv digitalisiert und steht on- und des Goethe-Instituts einige Erfolge Überlieferung setzungen, Forschungsexpeditionen, wahrten Archivgut um originär deut- line zur Verfügung, während die andere erzielt werden. Bei der Sicherung und Missions- und Schulwesen und mehr. sche Unterlagen handelt, die im Un- Bestandshälfte nur in Yaoundé benutzt Erschließung solcher Bestände Hilfe- Allerdings ist die Überlieferung nicht terschied etwa zu musealen Objekten werden kann. Auch mit DFG-Mitteln stellung zu leisten, bleibt ein zentrales TOBIAS HERRMANN lückenlos: Rund  Prozent der Anfang nicht entfremdet wurden, würde der werden Digitalisierungen durchgeführt, Anliegen des Bundesarchivs.  noch im Reichsarchiv befi ndlichen Versuch, die Unterlagen des Reichskolo- etwa von den Mikrofi ches des Bestands Einen genauen Überblick über die ie deutsche Herrschaft über Unterlagen des Bestands wurden beim nialamts nach geografi schen Betreff en Kolonialverwaltung in Togo. Die Aus- Zugänglichkeit der eigenen Bestände die »Schutzgebiete« und Ko- Luftangriff auf Potsdam im April  auseinanderzudividieren, überall dort zur Kolonialgeschichte sowie einen lonien in Afrika, im Pazifi - zerstört, darunter Akten zum Etat- und schnell an seine Grenzen stoßen, wo Restitutionsfragen nach den einzelnen Kolonien geordne- schen Ozean und in China Rechnungswesen, Eisenbahnsachen es um raumübergreifende Fragen der ten geografi schen Einstieg bietet das D stellen sich zwischen währte mit maximal  Jahren – von und die Unterlagen der Schutztruppen. Kolonialverwaltung geht. Bundesarchiv in der Rubrik »Entdecken«  bis  – nur vergleichsweise kurz. Die schriftliche Überlieferung der Mit der Digitalisierung und Bereit- der Bundesrepublik auf seiner Internetseite bundesarchiv. Dennoch ist aus dieser Zeit eine Viel- deutschen Lokalverwaltung in den stellung der Akten über das Internet und den Nachfolge- de. Der im Herbst  online veröff ent- zahl archivischer Quellen überliefert, Kolonien ist – mit teilweise abenteu- möchte das Bundesarchiv aber die orts- staaten der deutschen lichte, mit Förderung des Auswärtigen die für die Aufarbeitung der Kolonial- erlichen Zwischenstationen – in der und zeitunabhängige Benutzung er- Amts von der Fachhochschule Potsdam geschichte zur Verfügung stehen und Regel dort verblieben und wird heute möglichen und ist bestrebt, denselben Kolonien faktisch erstellte »Archivführer Deutsche Kolo- einer gründlichen Auswertung harren überwiegend in den Nationalarchiven Weg auch für weitere im eigenen Haus nicht nialgeschichte« weist darüber hinaus – im kritischen Bewusstsein dessen, dass der Nachfolgestaaten verwahrt. Die- aufbewahrte sowie für solche Bestände viele außerhalb Deutschlands befi nd- sich darin weit überwiegend die Sicht ser Zustand entspricht dem bewährten zu eröff nen, die außerhalb Deutsch- wahl der verfi lmten Akten war dabei liche Bestände nach. Dort fi nden sich der Kolonialmacht spiegelt, die keines- Kontinuitätsprinzip, wonach Verwal- lands liegen. Teilweise kann dabei an selbstverständlich zeitgebunden und auch nützliche Tipps zur Entziff erung falls allein die Geschichtsschreibung tungsunterlagen möglichst an dem Ort Kooperationsprojekte vor allem aus den würde angesichts veränderter Frage- und aktenkundlichen Einordnung der bestimmen darf. aufbewahrt werden sollten, auf den das er und er Jahren angeknüpft stellungen heute wohl teilweise anders mitunter sperrigen Quellen, die aber für Die erhaltenen über . Akten Handeln der überliefernden Stelle sich werden, in deren Rahmen Verfi lmungen getroff en. die Beschäftigung mit der verfl ochtenen des zentralen Bundesarchiv-Bestands wesentlich bezieht. Zudem verbleiben von Beständen der deutschen Lokal- Um zu einer vollständigen Digitali- Kolonialgeschichte, für die Provenienz- Reichskolonialamt können nahezu sie in ihrem Entstehungszusammen- verwaltung in den »Gouvernements« sierung und Online-Bereitstellung der forschung zu Kulturgut aus kolonialen vollständig online genutzt werden. hang, der eine kontextorientierte Aus- durchgeführt und Kopien der Mikro- außerhalb Deutschlands aufbewahrten Kontexten und als oft erste schriftli- Sie geben Einblick in die Entstehung wertung ermöglicht. fi lme an das Bundesarchiv übergeben Unterlagen zur lokalen Kolonialverwal- che – und bildliche! – Zeugnisse des grundlegender politischer Entschei- Restitutionsfragen stellen sich des- wurden, die jetzt als Basis für die Di- tung zu kommen, bedarf es verlässlicher Zusammenlebens der einheimischen dungen und rechtlicher Regelungen, halb im archivischen Bereich zwischen gitalisierung dienen können. Ein Bei- Partnerschaften mit den dortigen Archi- Bevölkerung von hoher Bedeutung sind. den Verwaltungsaufbau in den Kolo- der Bundesrepublik und den Nachfol- spiel ist der Bestand Gouvernement ven und/oder weiterer interessierter Ak- nien, Wirtschafts- und Verkehrsinfra- gestaaten der deutschen Kolonien von Kamerun: Der Inhalt der bis  teure vor Ort. In Kamerun konnten mit Tobias Herrmann ist Referatsleiter strukturen, Beziehungen zu den Ein- faktisch nicht. Abgesehen davon, dass entstandenen Mikrofi lme wurde vom Unterstützung des Auswärtigen Amts im Bundesarchiv Politik & Kultur | Nr. / | März  ARCHIVE 19

lisierungsteam des BAR scannt die Unter- lagen und speichert sie im digitalen Archiv. Auf dem Weg zum komplett Damit stehen sie ab diesem Moment allen interessierten Personen langfristig digital zur Verfügung. Eine Herausforderung ist bei der Digitalisierung nicht nur die Menge digitalen Archiv der bestellten Dossiers, sondern die damit verbundene – für das Archiv neue – Ar- Online-Zugang und Digitalisierung »on demand« im Schweizerischen Bundesarchiv beitsweise: die quasi-industrielle Verar- beitung von Aufträgen. STEFAN KWASNITZA So grundlegend sich Technik und Tech- die Digitalisierung der Verwaltung selber: Damit dient Die Bundesverwaltung arbeitet in der nologie der Archivierung in den letzten Damit die Daten langfristig lesbar bleiben, Schweiz mehrsprachig. Vereinfacht heißt as Schweizerische Bundesarchiv Jahrzehnten gewandelt haben, so wenig soll die Verwaltung künftig digitale Unter- der Wandel das, wer nach »Ausschuss« sucht, soll- (BAR) verfolgt die Vision eines hat sich ihre Aufgabe geändert. Seit der lagen nach einer Frist von maximal fünf letztlich dem te auch nach »comité« suchen. Deshalb durchgängig digitalen Archivs. Gründung des Bundesstaates  sichert Jahren ins Archiv abliefern. Das lässt sich höheren Ziel werden bei der Eingabe eines Suchbe- D Unabhängig davon, ob Doku- das BAR die Dokumentation staatlichen aber nur durchsetzen, wenn der Zugriff des Archivs: griffs im Suchschlitz automatisch Sy- mente analog oder digital im Archiv vor- Handelns und macht diese zugänglich. auf die eigenen Unterlagen einfacher und nonyme und Übersetzungsvorschläge in liegen: Sie lassen sich online konsultieren. Der Zugang soll dabei für die gesamte schneller wird. d ass sich alle den vier Landessprachen generiert. Die Diese Vision setzt das BAR mit dem seit Öff entlichkeit gleichberechtigt möglich Der Aufbau eines Online-Zugangs zum eine eigene vorgeschlagenen Begriff e stammen aus Herbst  verfügbaren Online-Zugang sein. Dieser Grundsatz ist im Art.  Abs. Archivgut des Bundes war deshalb nach der kritische der Terminologie-Datenbank »Thermdat« zum Bundesarchiv recherche.bar.admin.  des Bundesgesetzes über die Archivie- Errichtung des digitalen Archivs und der Meinung zum der Bundesverwaltung. ch um. Das Webportal wird durch eine Di- rung von  festgehalten. Auf der Basis Einführung der elektronischen Geschäfts- Alle diese Neuerungen im digitalen Be- gitalisierungsinfrastruktur ergänzt: Das des – in einer weitestgehend analogen Zeit verwaltung das dritte und letzte Element, Staatshandeln reich waren nur möglich, weil das BAR im BAR digitalisiert damit Papier-Unterlagen entstandenen – Gesetzes von , hat um den digitalen Informationskreislauf in bilden können analogen Bereich verzichtet hat: Eigene »on demand«. Bestellen Kundinnen und sich das BAR in den letzten  Jahren mit der Bundesverwaltung zu vervollständi- Ausstellungen, Beratung im Lesesaal oder Kunden ein Papier-Dossier, erhalten sie der digitalen Transformation beschäftigt. gen. Im Webportal sind vier Neuerungen zwei Öff nungstage pro Woche wurden ab- es rund zwei Wochen später digitalisiert  erhielt das BAR den Auftrag, die besonders hervorzuheben: Neu sind im geschaff t. Das ist nötig, weil das Archiv im Online-Zugang. langfristige Speicherung und Benutzbar- Online-Zugang nicht nur Metadaten, son- nicht mit den gleichen Mitteln analoge Die Konsultation der Dossiers ist aber keit der Archivdaten langfristig zu ge- dern auch Primärdaten, also die eigentli- und digitale Dienstleistungen erbringen nicht die einzige Dienstleistung des BAR. währleisten. Treiber der Entwicklung war chen Inhalte der Dokumente, vorhanden. kann. Während der digitalen Transforma- Auch die weiteren, mit dem Zugang ver- und ist die fl ächendeckende Einführung Damit suchen Nutzerinnen und Nutzer tion ist das Setzen von Prioritäten noch bundenen Angebote stehen im Web zur der elektronischen Geschäftsverwaltung nicht mehr nur in Titeln und Strukturen, zentraler, da der analoge Betrieb nach wie Verfügung: Auskunft erhalten, recher- (GEVER) in der Bundesverwaltung. Der di- sondern im Volltext. Das ermöglicht neue vor läuft und gleichzeitig neue Angebote chieren, sich digital identifi zieren und gitale Archivierungsprozess basierte von Suchstrategien und zusätzliche Treff er in aufgebaut werden. Einsichtsgesuche einreichen. Beratungs- Beginn an auf drei Elementen: digitale den Dokumenten. Aus Datenschutzgrün- Ziel ist eine grundlegende Verände- leistungen vor Ort sind nun im digitalen Entgegennahme, digitale Erhaltung und den ist die Volltextsuche bei frei zugängli- rung aller Kernprozesse. Entsprechend Raum vorhanden: Der Chat mit Spezia- digitaler Online-Zugang zum Archivgut. chen Unterlagen nur dann möglich, wenn verändern sich die Stellenprofi le und listen und ein Chatbot unterstützen die  nahm das BAR mit dem digitalen diese älter als  Jahre sind. Fähigkeiten der Mitarbeitenden laufend. Kunden bei ihrer Recherche online. Ein Archiv ein erstes Element erfolgreich in Im Webportal lenken Regelsets den Die Weiterbildungen in beispielswei- Besuch im Lesesaal wird nicht mehr nötig Betrieb. Mit der Umsetzung der elektroni- Zugang. Nutzerinnen und Nutzer können se Informatik, agiler Entwicklung oder sein, sobald die Kapazität der Digitali- schen Geschäftsverwaltung in der Bundes- anonym, als registrierte oder als identifi - Usability sind ein zentraler Erfolgsfaktor. MILA  / HACKE, BILD  FOTO: BUNDESARCHIV, B B BUNDESARCHIV, FOTO: Auf dem Gelände der Bundespolizei in Sankt Augustin-Hangelar befi ndet sich das Zwischenarchiv für die Aufnahme ministeriellen Schriftguts der obersten Bundesbehörden in Bonn sierungsinfrastruktur genügend hoch ist. verwaltung wurde das zweite Element re- zierte Person recherchieren. Je nach Status Dank Vorgabe eines strategischen Ziel- Aktuell kann das Bundesarchiv noch nicht alisiert und ermöglicht die automatisierte sind unterschiedliche Funktionen verfüg- bilds, innovativer Ideen und dem Verän- alle Bestellungen analoger Dossiers digi- Übernahme der Akten ins Archiv. Das BAR bar. Die Suche in den Metadaten steht da- derungswillen der Mitarbeitenden hat talisieren – die Bestellmenge pro Person übernimmt heute digitale Geschäftsun- bei sämtlichen Nutzerinnen und Nutzern das Bundesarchiv einen großen Schritt in ist deshalb stark eingeschränkt. terlagen und relationale Datenbanken off en. Bei der Bestellung von Unterlagen Richtung komplett digitales Archiv getan. In diesem hybriden Status mit einem des Bundes, erhält diese langfristig und wird eine Anmeldung, bei der Konsultation Noch ist dieser Weg nicht abgeschlos- Online-Zugang bei gleichzeitigem Betrieb kann sie – unabhängig von Änderungen geschützter Unterlagen eine Identifi kation sen. Doch die gemeinsame Anstrengung des klassischen Lesesaals befi ndet sich bei Dateiformaten und Speichertech- nötig. Hat eine Person keine Berechtigung lohnt sich und zahlt sich in seit Jahren das Archiv mitten in der digitalen Trans- nologien – wieder zur Nutzung bereit- für einen Zugriff auf geschütztes Archivgut, steigenden Nutzungszahlen aus. Damit formation. stellen. wird sie automatisch in den Einsichtsge- dient der Wandel letztlich dem höheren Es handelt sich um eine grundlegende Allerdings waren bis vor Kurzem für suchsprozess umgeleitet. Ziel des Archivs: dass sich alle eine eigene Neuausrichtung der Institution im Zeital- den Zugang zum digitalen Archivgut nach Eine herausfordernde Neuerung ist die kritische Meinung zum Staatshandeln ter der Informationsgesellschaft, die alle wie vor manuelle Interventionen nötig. Digitalisierung »on demand«. Dabei kön- bilden können. Aspekte der Archivierung erfasst, neue Gleichzeitig erwarteten Öff entlichkeit nen Kunden im Bestellvorgang wählen, ob Anforderungsprofi le für die Mitarbeiten- und Verwaltung vermehrt, Unterlagen sie ein analoges Dossier digital oder im Stefan Kwasnitza ist stellvertretender den verlangt und ein verändertes Berufs- und Informationen online auswerten und Lesesaal einsehen möchten. Wählen sie Direktor und Leiter der Abteilung Informa- bild bei Archivarinnen und Archivaren weiterverarbeiten zu können. Ein Haupt- »digital«, geht ein Auftrag an die interne tionszugang im Schweizerischen Bundes- voraussetzt. argument für den Online-Zugang liefert Digitalisierungsinfrastruktur. Das Digita- archiv 20 ARCHIVE www.politikundkultur.net

 Kilometer Aktenbestände,  Millionen Fotos, . Tondokumente Die Überführung der Stasi-Unterlagen ins Bundesarchiv

In anderthalb Jahren, im Sommer Das Stasi-Unterlagen-Archiv hat als System für alle transparent gemacht erobert haben, damit verbinden: den werden – ich meine es ganz positiv /, wird die Stasi-Unterlagen- Hinterlassenschaft der Geheimpo- werden, die keinen biografi schen An- Transparenzgedanken des staatlichen – insofern eine deutliche Erweiterung Behörde ins Bundesarchiv überführt. lizei einer Diktatur eine besondere satzpunkt haben. Handelns und den Datenschutz für ihres fachlichen Spektrums erfahren, Das beschloss der Deutsche Bundestag Bedeutung. Gleichzeitig soll sich der Jahn: Für uns ist es ein Spagat. Es gilt die Bürger. Das ist für mich der Ge- das im Moment zwangsläufi g auf eine im September letzten Jahres. Grundlage Horizont erweitern: Die DDR war heute und in absehbarer Zukunft, den danke von Informationsfreiheit. bestimmte Überlieferung und auf die dafür ist ein Konzept, das der Präsident keine Stasi-Diktatur, sondern eine Opfern gerecht zu werden, das ist Zugänglichmachung unter speziellen des Bundesarchivs, Michael Hollmann, SED-Diktatur. Das spiegelt sich nicht unser Auftrag. Aber es gilt auch, die Widerspricht dieser Gedanke dem, Randbedingungen konzentriert ist. und Der Bundesbeauftragte für die Sta- allein in den Unterlagen der Staatssi- Brücke zur nächsten Generation zu was Michael Hollmann sagt? Meine große Hoff nung ist, dass wir si-Unterlagen (BStU), Roland Jahn, zu- cherheit wider, sondern zusätzlich in bauen. Da geht es um grundsätzliche Jahn: Nicht unbedingt. Aber viel- die Grenzen zwischen dem »alten« sammen entwickelt haben. Gemeinsam vielen, vielen anderen Beständen des Fragestellungen, z. B. wer was mit leicht in der Begriffl ichkeit. Ich sehe Bundesarchiv und dem Bereich des mit Olaf Zimmermann, Geschäftsführer Bundesarchivs. Den Blick zu weiten welchem Ziel damals aufgeschrieben das Stasi-Unterlagen-Gesetz auch Stasi-Unterlagen-Archivs möglichst des Deutschen Kulturrates, und Hans auf das gesamte System, das soll in hat? Es geht um die Befähigung, mit als eines der Informationsfreiheits- rasch abbauen und den »Binnen- Jessen, freier Redakteur von Politik & Zukunft noch besser gelingen, durch Informationen und deren Quellen um- gesetze, die auf den Weg gebracht transfer« innerhalb des dann ziemlich Kultur, sprechen sie über die geplan- eine einfachere Gesamtbetrachtung, zugehen; es geht um den Transparenz- worden sind. Den politischen Gedan- großen Bundesarchivs organisieren ten Änderungen und die notwendigen auch der Dokumente. gedanken in dieser Gesellschaft, das ken des Anspruchs auf Transparenz können, in dem Mitarbeiterinnen Weichenstellungen. Verhältnis zwischen Bürger und Staat. staatlichen Handelns, wie er in der und Mitarbeiter auch einmal von der Unter denen, die skeptisch ver- Dazu kann auch die Hinterlassenschaft Revolution formuliert wurde, sehe ich einen in eine andere Abteilung über- Hans Jessen: Herr Hollmann, was halten bis off en Ihrem Konzept einer Diktatur, also die Dokumenta- als Grundlage einer demokratischen wechseln können. Wir müssen viel da auf Sie zukommt, ist materiell widersprechen, sind viele, die an tion des Unrechts, beitragen. Es geht Gesellschaft, in der gleichzeitig aber voneinander lernen und Professiona- gewaltig:  Kilometer Akten- genau den Orten arbeiten, wo die um ein Archiv für das demokratische Bürgerinnen und Bürger sowohl vor lisierungen in beide Richtungen errei- bestände, fast  Millionen Fotos, Unterlagen gerade aufbewahrt Bewusstsein. Dazu nutzen wir auch dem Zugriff des Staates als auch vor chen. Die Kolleginnen und Kollegen knapp . Filme, . Tondo- werden. Warum ist dort die Skepsis die historischen Orte. Wir nutzen den dem Missbrauch von Informationen des Stasi-Unterlagen-Archivs werden kumente kommen neu in Ihre Zu- so ausgeprägt? musealen Charakter, den besonders über diese Menschen geschützt sind. die Veränderungen unter Umständen ständigkeit. Die Vorstellung, dass Jahn: Die Sorge ist, dass hier ein Sym- die Stasi-Unterlagen auch haben. Sie Das ist zu bedenken bei der Gestal- auch als Kontrollverlust empfi nden. Lastwagenkolonnen alles nach Ko- bol geschliff en wird. Uns geht es aber wirken für viele wie ein Monument tung zukünftiger Zugangsregeln. Bisher müssen sie, weil das Gesetz blenz karren, ist aber falsch. Wie genau darum, das Symbol hochzu- eines Überwachungsstaates. Zimmermann: Das ist ein Punkt, der das so will, vor allem im Blick haben: haben wir uns die Übernahme real halten. Wir wollen die Voraussetzun- nur in einer gewissen Zeitschiene Wer will zu welchem Zweck die Stasi- vorzustellen? gen schaff en, dass die Akten, Fotos, Das klingt bei Ihnen dreien ein funktionieren kann. Irgendwann ha- Unterlagen nutzen? Mit dem aus der Michael Hollmann: Zunächst bleiben Ton- und Filmdokumente auch in den wenig so, als hätten Sie die Sorge, ben die Opfer, zumindest zu einem Zweckfreiheit der Archivgutnutzung die Stasi-Unterlagen genau da, wo nächsten Jahrzehnten und Jahrhun- dass der bisherige Charakter der ganz erheblichen Teil, diesen Zugang resultierenden Kontrollverlust müs- sie jetzt sind. Die Vorstellung, jetzt derten zur Verfügung stehen. Wer das eigenständigen, im Wesentlichen genutzt. Haben sich damit auseinan- sen wir im Bundesarchiv seit dem kommen alle Stasi-Akten ins Bundes- Konzept durchliest, kann erkennen, auf Opfer und den Raum der ehe- dergesetzt. Jetzt stehen wir, glaube Bundesarchivgesetz von  ebenso archiv und damit nach Koblenz, war wie wichtig uns die öff entliche Kom- maligen DDR bezogenen Instituti- ich, vor der Phase, dass die Stasi- umgehen wie alle deutschen Staats- schon vor  Jahren nicht richtig. Seit munikation des Stasi-Unterlagen- onen zwar diese Gruppe inkludiert, Akten in eine Normalität überführt archive. Ich habe diese Veränderung Jahrzehnten arbeitet das Bundesar- Archivs ist. Dafür brauchen wir alle aber die Gruppe der Menschen dar- werden müssen, in eine Archiv-Nor- selbst biografi sch als Nutzer und Ar- chiv an mehreren Dienstorten; seit Unterstützung, auch von denjenigen, über hinaus, die man interessieren, malität. Die große Herausforderung chivar mitgemacht. Man kann Archiv- fast  Jahren gibt es die Abteilung die Sorge haben, dass hier etwas ver- gewinnen, informieren möchte, besteht nicht primär in der Frage, wie gut nicht mehr einfach der Nutzung Militärarchiv in Freiburg, und seit der loren gehen könnte. ein Stück weit ausschließt. wir die Stasi-Akten unterbringen. Sie entziehen, denn es kommen Benutzer Wiedervereinigung gibt es hier in Ber- Hollmann: So ist es doch auch. Wenn besteht darin, wie wir etwas in Erin- und fordern: »Diese Akten will ich lin gleich mehrere Dienststellen. Wir Herr Zimmermann, halten Sie die Sie sich das Stasi-Unterlagen-Gesetz nerung und Diskussion halten, was jetzt haben. Ich habe einen Anspruch begreifen das Bundesarchiv schon seit Überführung der Symbolinstitu- (StUG) anschauen, stellen Sie fest, dass zeitlich immer mehr nach hinten darauf!« Langem nicht mehr als ein Haus an tion Stasi-Unterlagen-Behörde es ein Datenschutzgesetz ist. Es sagt rückt. Der Anteil der Menschen, die Jahn: Dabei ist zu betonen, dass das einem Ort, sondern als ein nationales unter das Dach des Bundesarchivs prinzipiell: Der Umgang mit den Stasi- unmittelbar davon betroff en gewesen Stasi-Unterlagen-Gesetz als Gesetz, Zentralarchiv, das sich an mehreren grundsätzlich für richtig? Akten ist verboten, es sei denn, er ist sind, wird biologisch gesehen immer das den Zugang zu den Unterlagen Orten der Nutzung öff net: Die Über- Olaf Zimmermann: Es geht jetzt erst ausdrücklich und für klar defi nierte kleiner. Es ist nicht direkt vergleich- regelt, weiter existieren wird. lieferungen der Reichsbehörden aus einmal um die Frage, was mit den Zwecke erlaubt. Und diese Zwecke bar, aber wir machen uns auch Ge- Es wird natürlich angepasst. Dort, wo der Zeit bis  befi nden sich ebenso Akten passiert.  Jahre nach dem Fall orientieren sich fast ausschließlich an danken, wie wir weiter an die Shoah derzeit der Bundesbeauftragte und in Berlin wie die Überlieferungen der der Mauer braucht man eine Rege- den Interessen der Stasi-Opfer. Dage- erinnern, wenn die Überlebenden, seine Behörde im Gesetz in der Ver- DDR-Behörden, der SED und der Mas- lung, die auf Dauer angelegt ist. Die gen ist es für wissenschaftliche Anlie- die Zeitzeugen, verstorben sind. Ich antwortung stehen, wird dann das senorganisationen der DDR. Die Über- diese Akten sichert, aber nach den gen oft schwierig, die Stasi-Unterlagen wünschte mir, wir hätten schon vor Bundesarchiv in der Verantwortung lieferungen der Bundesregierung und normalen Regeln für alle Menschen für ihre Forschung nutzen zu können.  Jahren ganz intensiv über diese stehen. Das Entscheidende für die der Bundesbehörden seit  werden auch Zugang zu diesen Akten schaff t. Im StUG wird kein Wissenschaftsbe- Fragen nachgedacht. Wir sind hier, Bürgerinnen und Bürger ist, dass sie in Koblenz und Bayreuth verwahrt, Also nicht nur für die unmittelbaren griff im weiten und übertragenen Sin- was die Aufarbeitung der Stasi, die weiter nach klaren rechtsstaatlichen und alle militärischen Unterlagen Opfer, die jetzt schon den Zugang ne angewandt, sondern es fokussiert Aufarbeitung dieser Diktatur angeht, Regeln in die Unterlagen schauen verwaltet die Abteilung Militärarchiv haben. Nach  Jahren reden wir von den Zugang sehr stark auf die Stasi weiter – auch konzeptionell. können; und wie bisher auch die in Freiburg. mindestens einer Generation nach und ihre Tätigkeit im engeren Sinne. Angehörigen von Verstorbenen diese Mit der Übernahme der Stasi-Unter- dem Zusammenbruch der DDR. Wir Dagegen ist ein Archivgesetz wie das Herr Hollmann, das ist nicht die Unterlagen nutzen können und dass lagen kommen zwölf weitere Archiv- müssen überlegen, wie wir diesen Bundesarchivgesetz ein Informati- erste Bestandserweiterung des auch die öff entlichen Stellen diese standorte hinzu, die mittelfristig auf erinnerungskulturellen Bereich über- onsfreiheitsgesetz. Es gibt formale Bundesarchivs. Vor ca. einem Jahr Unterlagen weiter nutzen können. fünf Standorte – einer je östliches haupt für die nachfolgenden Genera- Regeln für den Zugang zu Archivgut haben Sie Unterlagen ehemaliger Die Unterlagen stehen für Forschung Bundesland – zusammengeführt tionen dauerhaft wachhalten können. für jedermann, wobei personenbezo- deutscher Wehrmachtsangehö- und Bildung zur Verfügung. Und die werden sollen. Dort hoff en wir dann Daher halte ich es von beiden Akteu- gene Unterlagen in der Regel erst nach riger und die Auskunftsstelle für Kommunikation des Stasi-Unterla- vor allem, zunächst vernünftige Ma- ren, Bundesarchiv und Stasi-Unterla- längeren Fristen als nicht personenbe- deren Angehörige und Nachkom- gen-Archivs analog wie im digitalen gazine bauen zu können, denn die genbehörde, für richtig und mutig zu zogene frei zugänglich sind. Vor allem men übernommen. Jetzt kriegen Raum, z. B. durch die Stasi-Mediathek Unterbringung der Stasi-Unterlagen sagen, dass sie diese Transformation spielt der Zweck, für den Sie die Akten Sie eine Einrichtung, die pro Jahr gehören weiter dazu. Das ist dann die ist an den meisten Standorten aktuell jetzt vornehmen. Die Akten müssen oder das Archiv insgesamt nutzen immer noch zwischen . und Brücke zur nächsten Generation. leider defi zitär. so konserviert werden, dass sie noch wollen, für die Frage nach dem Zugang . Anträge auf Akteneinsicht Hollmann: Der Fokus liegt heute im- über Hunderte von Jahren erhalten keine Rolle. Das ist ein Übergang, den erhält, dazu. Für wen wird sich mer noch sehr ausschließlich auf der Herr Jahn, Menschen, die lange bleiben. Sie müssen in einer normalen, wir auch für die Stasi-Unterlagen lang- mehr ändern? Für das Bundesar- Stasi, auf der Bewältigung der SED- Jahre Ihre Bundesgenossen bei der archivmäßigen Weise zugänglich sein. sam, aber sicher hinbekommen müs- chiv als neue verantwortliche Be- Diktatur und dem, was diese Dikta- Aufarbeitung des Stasi-Unterdrü- Und wir müssen für diesen Inhalt eine sen. Das bisherige Regelwerk hatte hörde oder für die derzeit noch  tur ihren Opfern angetan hat. Wir ckungssystems waren, werfen Ih- erweiterte Öff entlichkeit schaff en. seinen Wert und seine Notwendigkeit Orte, an denen die Stasi-Unterla- werden das weiten müssen. Es muss nen jetzt vor, mit der Abschaff ung Deswegen geht es nicht allein um Ak- in der Frühphase einer vereinigten gen lagern und eingesehen werden z. B. möglich sein, dass in  Jahren der eigenständigen Behörde einem ten, sondern es geht auch um die au- Bundesrepublik, in der es vor allem können? jemand Stasi-Unterlagen nutzt, nicht, historischen Schlussstrich zuzu- thentischen Orte, z. B. die ehemalige darum ging, dass die Stasi-Opfer zu Hollmann: Ändern wird sich für beide um sich mit der Stasi auseinander- stimmen. Das heißt, diesen Teil der Stasi-Zentrale in Lichtenberg. ihrem Recht gelangen können. Aber eine ganze Menge. Das Bundesarchiv zusetzen, sondern die Tonbänder DDR-Geschichte sozusagen hinter Hollmann: Es gibt mittlerweile viele im Laufe der Zeit – und immer mit wird nach der Integration des Stasi- oder die Mitschriften nimmt, um als Archivmauern zu begraben. Menschen in diesem Land, vor allem Blick auf die berechtigten Interessen Unterlagen-Archivs seinen Job – so Sprachwissenschaftler die Alltags- Roland Jahn: Ich nehme solche Mei- mit Migrationshintergrund, die sich der Betroff enen – muss der Zugangs- nenne ich es einmal ganz fl apsig – in sprache in der DDR zu erforschen. nungen durchaus ernst. Der Zugang mit Deutschland identifi zieren, aber modus sich dahin wandeln, dass die Bezug auf die Erhaltung des Archiv- Das sind Zugänge, die im Moment zu den Stasi-Akten ist ein Symbol der weder eine persönliche Verbindung Stasi-Unterlagen genutzt werden kön- guts einfach weiter tun müssen, dann nur sehr bedingt stattfi nden können. friedlichen Revolution. Genau des- zum Dritten Reich noch eine zur nen wie normales Archivgut, also ohne allerdings für einen deutlich ver- Die ganze Breite dessen, was wissen- halb sind wir diesen Weg gegangen. deutschen Teilung haben. Für diese Bewertung des Nutzungszwecks. größerten Archivgutbestand, der zu schaftliche Forschung bedeuten kann, Wir haben ein Konzept vorgelegt, das Bundesbürger muss die deutsche Ge- einem bedeutenden Teil sehr prekär muss sich irgendwann auch mit den der Deutsche Bundestag bestätigt schichte genauso zugänglich gemacht Da ist Roland Jahn ein bisschen untergebracht ist. Stasi-Unterlagen auseinandersetzen hat. Es ermöglicht eine dauerhafte werden. Auch künftig sollen vor allem skeptisch ... Zu den mehr als  Mitarbeiterin- können. Uns ist klar, dass das ein Pro- Nutzung aller Stasi-Akten in ihrer Ge- die Opfer der Stasi sich eine klare und Jahn: Nein, aber mein Blickwinkel ist nen und Mitarbeitern des Bundesar- zess ist, der sich auf der Zeitschiene samtheit. Wir wollen, dass die Stasi- deutliche Vorstellung davon machen anders. Ich gehe natürlich von dem chivs werden über . neue Kolle- allmählich vollziehen wird. Das ent- Unterlagen auch institutionell Teil können, was ihnen angetan wurde. Anliegen aus, was die Bürgerinnen ginnen und Kollegen des Stasi-Un- des Gedächtnisses der Nation werden. Aber darüber hinaus muss das SED- und Bürger, die diese Unterlagen terlagen-Archivs hinzukommen. Sie Fortsetzung auf Seite  Politik & Kultur | Nr. / | März  ARCHIVE 21

Fortsetzung von Seite  spricht letztlich auch dem Geist des tieren, um eine dauerhafte archivge- Stasi-Unterlagen-Gesetzes. In dem rechte Lagerung zu ermöglichen. Pro Maße, in dem Betroff enheit, auch Bundesland soll es einen Archivbau persönliche Betroff enheit, abnimmt, an einem historischen Ort geben. An kann die Nutzbarkeit für andere Fra- den Standorten ohne eigenen Archiv- gestellungen zunehmen. bau werden wir dafür Sorge tragen, Zimmermann: Eine wesentliche Frage dass die Angebote an Information, ist doch: Welche Rolle spielen Archive an Beratung, an Möglichkeit zur oder Daten in der Zukunft? Herr Holl- Akteneinsicht dort weiterhin erhalten mann hat gerade klargemacht, dass bleiben. nach dem Bundesarchivgesetz im Hollmann: Im Zuge der Digitali- Grunde jeder Bürger einen Anspruch sierung nimmt die Bedeutung des auf Nutzung von archivierten Bestän- konkreten Aufbewahrungsorts von den hat. Ein entscheidender Punkt ist: Archivgut deutlich ab. Im Bundesar- Daten sind letztendlich auch politi- chiv ist heute schon Praxis, dass wir sche Machtquellen, mit denen man Archivgut in größerem Stil digita- eine Gesellschaft gestalten kann. Das lisieren. Und wenn ein rechtefreies MILA Informationsfreiheitsgesetz ist nicht Digitalisat vorliegt, kann dies schon nur ein Gesetz, sondern es ist auch heute online genutzt werden. Ist es eine Idee, wie man in einer Demo- nicht rechtefrei, kann es in den Lese- kratie mit Informationen umgeht. Im sälen des Bundesarchivs zugänglich

Moment erleben wir eine stärkere Re- gemacht werden – und zwar in jedem, / HACKE,

pression: Die großen, auch digitalen unabhängig vom Verwahrort des Ori- BILD

Strukturen bieten nur unzureichen- ginals. Sie müssen dann nicht mehr,  den Zugang zu spezifi schen Informa- wenn Sie Akten der Gestapo einse- tionen. Man hat viele Informationen, hen wollen, nach Berlin fahren, die aber bestimmte Informationen Digitalisate stehen Ihnen in gleicher werden einem entzogen. Deswegen Weise auch in Freiburg, Koblenz oder sind Archive, wo wir als Bürger einen Bayreuth zur Verfügung. Genauso

Rechtsanspruch auf Zugang haben, wird es mit den Stasi-Unterlagen sein, B BUNDESARCHIV, FOTO: extrem wichtig. die schon heute in der Regel nicht im Als umfangreichsten Bestand verwahrt das Lastenausgleichsarchiv im früheren Krankenhaus der Stadt Bayreuth die Hollmann: In dem Moment, in dem Original, sondern in einer kopierten Akten der Ausgleichsverwaltung wir uns der Erschließungsinformati- Form vorgelegt werden. In Zukunft onen »entäußern« und sie sogar ins wird man auch in Rostock, Leipzig Kontext des Ortes. Die zentralen Einladung entspricht. Wir geben eine Der Bundesbeauftragte für die Stasi- Internet stellen, geben wir als Ar- oder Suhl eine Stasi-Akte, deren Ori- Orte, an denen wir aus Erinnerung ganze Menge Geld für Orte aus, zu Unterlagen nicht einfach abgeschaff t chivarinnen und Archivare ein Stück ginal in Berlin liegt, als Digitalisat auch Kultur machen wollen, braucht denen wir einladen. Ob wir Schlösser wird, sondern der Beauftragte für die Kontrolle auf. Das ist aber unaus- zu sehen bekommen. Das heißt, wir es schon. Ich fi nde es fatal, dass in wiederaufbauen oder ganz neue Mu- Akten zu einem Beauftragten für die weichlich, wenn der Gesetzgeber sagt: bringen die Dinge viel stärker zusam- den letzten Jahren der Begriff der seen für zeitgenössische Kunst bauen Menschen weiterentwickelt werden Wenn es keinen legitimen Grund für men – und das dann verbunden mit Erinnerungskultur so weitgehend – das kostet viel Geld. Ob überall in soll: zu einem Bundesbeauftragten eine Versagung gibt – und das sind den übrigen Unterlagen zur DDR- auf das Themenfeld des Holocausts der Bundespolitik schon bewusst ist, für die Opfer der SED-Diktatur. So- nur wenige Gründe – ist Archivgut Geschichte, die schon jetzt im Bun- beschränkt wurde. Es ist richtig, dass dass die Gestaltung dieses Ortes zu- lange die Opfer leben, ist es wichtig, nach spätestens  Jahren für jeder- desarchiv verwahrt werden. wir es in Deutschland – mit erhebli- sätzlich kosten wird, und ob überall dass jemand für sie da ist. Eine – wie mann frei zugänglich. Auf diese Er- Zimmermann: Ich würde diese »Über- cher Nachhilfe aus dem Ausland – zu der Wille vorhanden ist, dies in den jetzt bereits – direkt vom Parlament rungenschaft sind wir stolz! Da damit führung« ganz gern als Chance sehen, einem integralen Teil unserer Kultur nächsten fünf bis acht Jahren auch zu gewählte Institution, damit die Opfer, den Archivarinnen und Archivaren um noch mal einen deutlichen Schritt gemacht haben, uns auch der schlim- schaff en – da habe ich Zweifel. solange sie leben, nicht auf der Stre- ein Stück ihrer früheren gefühlten weiterzugehen als bisher. So gut wir men Seiten der deutschen Geschichte Hollmann: Im Moment stehen wir vor cke bleiben. Machtposition genommen wurde, be- uns bei dem Stasi-Unterlagen-Gesetz zu erinnern und zu versuchen, diese der aus meiner Sicht günstigen Situ- Hollmann: Wir werden uns darum durfte es eines Bewusstseinswandels. mit den Akten beschäftigt haben, so nicht auf die Glanzseiten beschränk- ation, dass der Bund, und zwar durch bemühen, durch gute Arbeit dafür zu Nun hat sich die Rolle von Archiva- schlecht haben wir das Erinnern an te Erinnerung für die demokratische Die Beauftragte der Bundesregierung sorgen, dass man in  Jahren sagt: rinnen und Archivaren deutlich ver- die DDR organisiert. Das ist kein Weiterentwicklung unseres Landes für Kultur und Medien als auch ganz »Herr Jahn hatte recht«. ändert: Sie übernehmen Unterlagen Ruhmesblatt. Ich fi nde es schon er- fruchtbar zu machen. Diese Form off ensichtlich durch den Bundestag, in ihre Archive und müssen sich Ge- staunlich, dass wir kein öff entliches der Erinnerungskultur muss auf das erklärt hat, man werde diese Über- Herr Zimmermann, von Ihnen danken machen, wie sie das Archivgut DDR-Museum haben. Wir haben Thema DDR und SED-Diktatur aus- führung der Stasi-Unterlagen unter ging die Initiative für dieses Ge- einem möglichst breiten Publikum zwar im Deutschen Historischen Mu- geweitet werden. Es reicht nicht aus, das Dach des Bundesarchivs nicht spräch aus, nehmen Sie positive für möglichst vielseitige Nutzung zur seum oder im Haus der Geschichte in der Schule zu lernen, dass es in der dazu nutzen, irgendwelche Effi zienz- Aspekte daraus mit? Verfügung stellen. in Bonn Abteilungen, die sich auch DDR ein diktatorisches System gab, renditen einzufahren und Geld ein- Zimmermann: Hier bemühen sich mit der DDR beschäftigen. Aber die man muss dieses Wissen auch vor Ort zusparen. Wir haben die Zusage, dass Menschen sehr intensiv, das Erinnern Einer der Kritikpunkte am Über- Frage, wie wir erinnern, ist haupt- erfahrbar und damit kulturell frucht- die Haushalte von Bundesarchiv und über ein Archiv in die Zukunft zu tra- führungskonzept der Stasi-Unter- sächlich privatisiert worden. Denken bar machen. BStU zunächst vollständig addiert gen, das fi nde ich mutig und gut. Be- lagen ins Bundesarchiv ist, dass die sie an das private DDR Museum oder Jahn: Das Stasi-Unterlagen-Archiv werden und dass es zusätzliche Mit- sonders das, was Herr Jahn gemacht derzeit noch zwölf Außenstellen das ebenfalls private Museum am bleibt am historischen Ort in Berlin- tel für dringend notwendige Investi- hat, fi nde ich couragiert. Er wird in den neuen Ländern auf fünf Checkpoint Charlie. Wir haben auch Lichtenberg und dann auch an histo- tionen geben wird. seinem Auftrag gerecht, einen Weg reduziert werden sollen – eine pro erstaunlich wenig authentische Orte rischen Orten in den Ländern präsent. Zimmermann: Und die reichen? zu fi nden, wie man nachhaltig mit Er- Bundesland. Der Vorwurf lautet, – wenn man sich vorstellt, dass da Es ist der klare Auftrag des Deut- Hollmann: Es werden keine Zahlen innerungskultur umgeht. Es ist dann damit würden historische Orte immerhin mal eine Mauer quer durch schen Bundestages, mit der Transfor- genannt, sondern es wurde gesagt, jetzt auch die Aufgabe von Herrn getilgt und Bürgern der Zugang zu Deutschland gelaufen ist, eine Mauer mation auch den Ort der ehemaligen man werde die notwendigen Mittel, Hollmann, sicherzustellen, dass die eigener Geschichte erschwert. Berlin teilte. Heute kann man sehen, Stasi-Zentrale zu nutzen. Zusätzlich z. B. für die baulichen Maßnahmen Bestände nachhaltig erhalten blei- Jahn: Das Gegenteil ist der Fall: Das wie wenig davon erhalten wurde. Ei- sollen weitere Bestände des Bundes- und die digitale Infrastruktur, zur ben. Das wird auch noch eine Menge Konzept für die Außenstellen an ner der größten noch authentischen archivs zur DDR dorthin kommen, Verfügung stellen. Daran werden wir politischer Forderungen bedeuten, historischen Standorten wurde in Ab- Bereiche ist die ehemalige Stasi-Zen- um dort in einem Archivzentrum, in natürlich, wenn nötig, immer wieder weil es nur funktionieren kann, wenn sprache mit den Landesregierungen trale in der Berliner Normannenstra- dem auch Digitalisierung und Be- erinnern. noch einmal kräftig in den Erhalt und vielen anderen Akteuren in den ße. Sie müsste einer der zentralen standserhaltung großgeschrieben investiert wird, damit man auch in ostdeutschen Bundesländern entwi- Orte werden, an denen wir uns auch werden, dafür Sorge zu tragen, dass Roland Jahn, so oder so werden hundert Jahren noch auf die Archiva- ckelt. Die Gedenkstättenlandschaft in museal mit DDR-Geschichte und da- hier der Austausch stattfi nden kann, Sie der BStU-Chef sein, der aktiv lien zugreifen kann. Und ich habe das den Ländern hat sich seit den er mit verbundener deutsch-deutscher eingebettet an diesem historischen das Ende seiner Behörde in der be- positive Gefühl, dass man gemeinsam Jahren auch verändert. Wenn wir Zu- Geschichte auseinandersetzen. Ort, der sowohl Diktatur- als auch kannten Form betrieb. Was muss versuchen will, etwas zu tun, was der kunft gestalten wollen, müssen wir Dort besteht ein unglaublicher Vor- Demokratiegeschichte darstellt. Wir passieren, dass man in  Jahren besonderen Bedeutung des authen- mit den Realitäten umgehen. In den teil gegenüber einer klassischen freuen uns auch, dass das Land Berlin sagt: »War gut, dass er das ge- tischen Ortes »Normannenstraße« Außenstellen wird Akteneinsicht vor Museumsstruktur. Wenn ich in ein kürzlich beschlossen hat, das Gelän- macht hat«? gerecht wird. Es ist wichtig, zu erken- Ort im Verhältnis zu den Anträgen Gebäude hereingehe und die spie- de als Campus für Demokratie wei- Jahn: Es geht darum, diese Trophäe nen, dass wir dort – ein bisschen ab wenig wahrgenommen. Viel läuft über ßigen Wohn- und Arbeitsräume des terzuentwickeln. der Revolution weiter hochzuhalten. vom Zentrum Berlins – einen ganz Kopien auf dem Dienstweg, zudem ehemaligen Ministers für Staats- Hollmann: Aber dieser Campus – wer Aber wenn wir die Rolle von Archi- besonderen Ort haben, der sich für wird die Digitalisierung die Nutzung sicherheit der DDR, Erich Mielke, auch immer sich darauf ansiedelt ven als Stützpfeiler der Demokratie die künftigen Generationen als wich- weiter verändern. Trotzdem werden sehen kann, ist das was anderes, als – ist nicht dazu da, um ex cathedra sehen, geht es auch darum, dass die tiger Erinnerungsort erweisen wird. wir mit den Außenstellen weiter prä- wenn ich sie auf einem Bild sehe oder dogmatisch zu erklären: So war das Stasi-Unterlagen Teil des nationa- sent sein, weil auch die Bundesländer einen Text darüber lese. Um die DDR in der DDR. Dieser Ort muss vielmehr len Gedächtnisses sind. Wir können Vielen Dank. noch mal deutlich gemacht haben, für Menschen verstehbar zu machen, eine Einladung sein an jeden, der dadurch deutlich machen, dass dass die Unterlagen nicht nur in den die dort nicht gelebt haben, so wie sich mit dem Thema DDR und Sta- wir deutsche Einheit leben, dass Roland Jahn ist Bundesbeauftragter für ehemaligen DDR-Bezirken angelegt ich, aber auch für meine Kinder und si auseinandersetzen will, mit den wir diesen Teil deutsch-deutscher die Unterlagen des Staatssicherheits- worden sind, sondern dort auch von Kindeskinder, wird man eine andere Räumlichkeiten, mit dem lesbar und Geschichte in den nächsten Genera- dienstes der ehemaligen Deutschen De- den Bürgern erobert wurden. Dem Möglichkeit entwickeln und noch intellektuell Erfahrbaren. Man soll tionen als einen eigenen Teil deut- mokratischen Republik (BstU). Michael tragen wir Rechnung, indem wir dafür weitergehen müssen, als man bisher sich an diesem Ort selbst ein Bild scher Geschichte annehmen, auch Hollmann ist Präsident des Deutschen sorgen, dass die Unterlagen in den gegangen ist. machen können – nur so kommt das wenn jemand z. B. in Saarbrücken Bundesarchivs. Olaf Zimmermann ist ostdeutschen Bundesländern blei- Hollmann: Das Stasi-System muss Vetorecht der Quellen zur Geltung. geboren ist. Für mich ist wichtig, Geschäftsführer des Deutschen Kultur- ben. Für die Stellen, an denen wir in im Kontext verstehbar gemacht wer- Zimmermann: So ein Ort muss dann dass wir jetzt die Zukunft der Akten rates. Hans Jessen ist freier Journalist Zukunft die Archivstandorte bündeln, den. Das heißt nicht nur im Kontext natürlich auch eine Bedeutung in sichern. Gleichzeitig hat der Deut- und ehemaliger ARD-Hauptstadtkorre- bitten wir den Bundestag zu inves- von Information, sondern auch im der Kulturpolitik haben, die dieser sche Bundestag klargemacht, dass spondent 22 ARCHIVE www.politikundkultur.net

Im Archiv ...

Das Landesarchiv Baden- Das Stadtarchiv Das Historische Archiv des Württemberg Halle (Saale) Erzbistums Köln

GERALD MAIER RALF JACOB ULRICH HELBACH

as Landesarchiv Baden-Württemberg versteht sich als on Halle (Saale) nach Jerusalem«, so lautete der Titel taat und Gesellschaft im Wandel, internationale Bezüge, Institution mit mehrdimensionaler Ausrichtung: als einer Kooperationsveranstaltung des Stadtarchivs der Globalisierung, Friedensarbeit, Geschlechterrollen, reli- D Dienstleister und Partner der Landesverwaltung, als lan- Stadt Halle (Saale) mit dem Verein für hallische Stadt- S giöses Erleben und Wirken, dazu und zu vielen weiteren deskundliches Kompetenzzentrum sowie als wissenschaftliche V geschichte, die im Herbst  den Lebensweg eines Themenkreisen benötigt die Forschung nicht zuletzt kirchliche Forschungsinfrastruktureinrichtung. Grundlage für seine Arbeit halleschen Gelehrten vorstellte. Der renommierte Philosoph Quellendokumente. ist das Landesarchivgesetz. Der Sitz des Landesarchivs befi ndet Dominique Bourel, Professor am Institut Universitaire d’Etudes In der katholischen Kirche gibt es kein zentrales Archiv für sich in Stuttgart. Dort liegt im sogenannten Kulturquartier auch Juives Elie Wiesel der Sorbonne in Paris, sprach über seine auch Deutschland. Deshalb kommt dem Historischen Archiv des Erz- das Hauptstaatsarchiv, das das Ministerialarchiv ist. Zugleich ist im Stadtarchiv Halle (Saale) durchgeführten Forschungen zum bistums Köln eine besondere Rolle zu. Es verwaltet neben den es für das Archiv des Landtags von Baden-Württemberg zuständig. Altphilologen Moshe Schwabe. üblichen diözesanen Beständen umfangreiche Archive vieler Weitere Archivstandorte bestehen in Ludwigsburg, Karlsruhe, Diese Veranstaltung steht mit ihrem kooperativen Ansatz und deutschlandweit wichtiger Vereine, Verbände und Organisationen. Freiburg, Sigmaringen, Wertheim, Neuenstein und Kornwestheim. dem Bezug auf die aktuellen Recherchen im Archiv in mehrfacher Allen voran ist die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) mit , Re- Vorrangige Aufgabe des Landesarchivs als Dienstleister für Hinsicht für die Ausrichtung des Stadtarchivs Halle. Die städtische galkilometern Akten zu nennen; ferner die »Katholischen Büros«, Verwaltung und Justiz ist es, Archivgut als Teil des kulturellen Einrichtung versteht sich mit seinem Gesamtbestand im Umfang Verbindungs- und Informationsstellen zwischen Kirche und Politik Erbes und der Erinnerungskultur zu sichern, zu erhalten und von ca. . laufenden Metern Unterlagen, davon  laufende am Sitz von Bundesregierung und Bundestag in Berlin – zuvor zugänglich zu machen. Rückblickend wird so Transparenz des Meter Bücher und  laufende Meter regionale Zeitungsüber- in Bonn – und für die Bistümer in Nordrhein-Westfalen in der Regierungs-, Verwaltungshandelns und der Rechtsprechung her- lieferung, als Partner und Dienstleister seines Trägers und seiner Landeshauptstadt Düsseldorf. Dazu kommen z. B. auch der  gestellt und eine kritische Auseinandersetzung mit politischen öff entlichen Nutzerinnen und Nutzer. Die Überlieferungssituation gegründete Borromäusverein in Bonn, die seit  bestehende und gesellschaftlichen Entwicklungen ermöglicht. Zu den über  seiner Bestände wurde im Zweiten Weltkrieg oder durch andere Wissenschaftsorganisation Görres-Gesellschaft, zu deren Archiv laufenden Kilometern Archivgut und weiteren rund  laufenden Willkürakte nicht gestört; so bildet die Bandbreite des Bestands auch ein bedeutender Teilnachlass des Philosophen Friedrich Kilometern Grundbuchunterlagen, die bisher von den Behörden, die städtische Lebenswelt authentisch ab. Gleichzeitig werden Schlegel gehört, oder der Deutsche Verein vom Heiligen Lande, Gerichten und sonstigen Stellen des Landes übernommen wur- seine Bestände intensiv öff entlich genutzt. der schon um  in enger Kooperation mit Kaiser und Reichs- den, zählen auch die historische Überlieferung des Bundeslandes Um den wachsenden Anforderungen bei der Erschließung, Ver- regierung in Palästina wirkte. Alle diese Organisationen haben Baden-Württemberg seit  und die Überlieferung der Vorgän- wahrung und Pfl ege der Unterlagen gerecht zu werden, konnten oder hatten ihren zentralen Sitz im Gebiet des Kölner Erzbistums, gerterritorien seit dem Mittelalter. wiederholt Maßnahmen der Arbeitsförderung sinnvoll einge- wo bekanntlich seit  auch die Bundesregierung saß. So bekam Das Landesarchiv macht als landeskundliches Kompetenzzen- bunden werden. Zudem gelang es in den letzten Jahren verstärkt, das Historische Archiv des Erzbistums Köln eine in vieler Hinsicht trum das Archivgut allgemein nutzbar und betreibt eine umfang- einen festen Kreis von Ehrenamtlichen für die Arbeit im Stadt- zentrale Bedeutung. Unter den Lesesaalnutzungen dominieren reiche Vermittlungs- und Bildungsarbeit. Es wirkt damit aktiv an archiv zu gewinnen. Entsprechend ihren Fähigkeiten wirken sie regelmäßig – mit  Prozent – die wissenschaftlichen Themen; der kulturellen und politischen Bildung mit. Die Nutzung und vorwiegend bei der Verzeichnung von Sammlungsbeständen mit, weit über den kirchlichen Forschungshorizont hinaus. Vermittlung erfolgt sowohl vor Ort in den Staatsarchiven als auch wobei der Erstkontakt zum Archiv durch erfolgreiche Projekte der Als einziges Bistumsarchiv sammelt das in Köln schwerpunktar- über ein umfassendes Online-Angebot, zu dem auch das Informa- Öff entlichkeitsarbeit begründet wurde. tig Nachlässe von bekannten Architekten und Künstlern aus der tionssystem »LEO-BW – Landeskunde Entdecken Online« gehört. Um solche Projekte in der reichen Kultur- und Bildungsland- innovativen Gestaltungsphase des Kirchenbaus im . Jahrhundert, Dieses vom Landesarchiv betriebene Portal hatte im Jahr  schaft Mitteldeutschlands erfolgreich und mit einem vertretbaren z. B. von Fritz Schaller und Rudolf Schwarz. rund , Millionen Nutzerinnen und Nutzer und enthält zurzeit Ressourceneinsatz anbieten zu können, hat sich die Archivlei- Die Bestände umfassen derzeit knapp zehn Regalkilometer ab etwa , Millionen Nachweise zu landeskundlichen Objekten oder tung entschieden, verbindliche Kooperationen mit regionalen . Hinzu kommen in rascher Folge Archive der früher bis zu Informationen aus rund  Landeseinrichtungen. Partnern einzugehen. Neben musealen Einrichtungen wie der  örtlichen Kirchengemeinden. Ihre Sicherung und zentrale Darüber hinaus ist das Landesarchiv Teil der Informations- und Stiftung Kunstmuseum Moritzburg oder dem Stadtmuseum Halle Nutzbarmachung gehören zu den gezielten Herausforderungen der Forschungsinfrastruktur des Landes. Es wirkt als außeruniver- ist das Archiv durch eine solche Vereinbarung seit  mit dem kommenden Jahre. Ferner werden die reichhaltigen Fotosammlun- sitäre wissenschaftliche Einrichtung an der auf das Archivgut Verein für hallische Stadtgeschichte verbunden. Diese sichert gen zum katholischen Leben in der Stadt Köln, im Rheinland und und das Land Baden-Württemberg bezogenen Forschung und den stadtgeschichtlich Interessierten beispielsweise die jährliche in Hunderten deutschsprachigen Gemeinden weltweit – letztere historisch-politischen Bildung mit und bearbeitet archiv- und Durchführung des Tages der Stadtgeschichte und die Herausgabe als Teil der Bestände des Katholischen Auslandssekretariats der informationswissenschaftliche Forschungsprojekte. So wurden eines stadtgeschichtlichen Jahrbuches. DBK – digitalisiert und in einem externen Bildportal bereitgestellt. in einem von der Landesregierung geförderten Projekt zur Auf- Aktuell hat sich das Stadtarchiv den Herausforderungen zu Digital greifbar sind in Kürze die Metadaten zu allen gut  arbeitung der Heimerziehung in der Nachkriegszeit seit  stellen, die mit dem steigenden Bedarf nach Digitalisierung und Beständen und in der Folge auch Digitalisate älterer Quellenbe- umfangreiches Quellenmaterial ausgewertet, über . ehema- Onlinestellung seiner Bestände sowie der Einführung der elek- stände, darunter die zur Familienforschung entscheidenden Kir- lige Heimkinder bei der Suche nach Spuren ihrer Vergangenheit tronischen Langzeitarchivierung verbunden sind. Während für chenbücher. Die zukunftssichere Archivierung und Lesbarhaltung unterstützt und zahlreiche Einzelschicksale rekonstruiert. Auch die Digitalisierung ein Arbeitsprogramm in Jahresscheiben in aller Arten von digitalen Dokumenten und deren Bereitstellung über das Land hinaus engagiert sich das Landesarchiv im Bereich Verbindung mit der Digitalisierung »on demand« verfolgt wird, im Lesesaal oder zum Teil online sind klare Zielsetzung. der Digitalisierung, digitalen Erhaltung und Präsentation von gilt es für die Langzeitarchivierung, noch einen gangbaren Weg Als Service des Erzbistums Köln, der katholischen Organisati- Kulturgut und war maßgeblich am Aufbau der Europeana und der zu gestalten. onen und als Teil des katholischen Archivwesens hat das Archiv Deutschen Digitalen Bibliothek (DDB) beteiligt – den wichtigsten eine wichtige Funktion zwischen Tradition und Innovation: für Plattformen für den interdisziplinären digitalen Nachweis des Ralf Jacob ist Leiter des Stadtarchivs Halle und Vorsitzender des die Identität der Menschen, für Transparenz und den Mut zum Kulturerbes in Europa und Deutschland. Verbandes Deutscher Archivarinnen und Archivare e.V. Aufbruch.

Gerald Maier ist seit  Präsident des Landesarchivs Baden- Ulrich Helbach ist Direktor des Historischen Archivs des Württemberg Erzbistums Köln GÜNTER WEBER GÜNTER MILA HACKE MILA  / /  BILD BILD   FOTOS: BUNDESARCHIV, B B BUNDESARCHIV, FOTOS: B BUNDESARCHIV, FOTOS: Gebäudeansicht der Hauptdienststelle des Bundesarchivs in Koblenz Registratur der Dienststelle des Bundesarchivs in Ludwigsburg Politik & Kultur | Nr. / | März  ARCHIVE 23 MILA  / HACKE, BILD  FOTO: BUNDESARCHIV, B B BUNDESARCHIV, FOTO: Die Bundesarchiv-Erinnerungsstätte für Freiheitsbewegungen befi ndet sich im Rastatter Residenzschloss. Rastatt spielte in der Endphase der Revolution von / eine zentrale Rolle

Die Stiftung Rheinisch- Das Deutsche Literaturarchiv Das Zentralarchiv für Westfälisches Wirtschaftsarchiv Marbach deutsche und internationale zu Köln Kunstmarktforschung SANDRA RICHTER ULRICH S. SOÉNIUS GÜNTER HERZOG as Deutsche Literaturarchiv Marbach (DLA) ist eine außer- as haben Verkäufe von Seefi schen  und der universitäre Forschungseinrichtung, die unter anderem ls weltweit erstes Spezialarchiv zur Geschichte des Handelsvertrag zwischen Deutschland und der D . Vor- und Nachlässe,  Verlagsarchive, die größte Kunstmarkts wurde das Zentralarchiv des deutschen Schweiz von  gemeinsam? Wenig – bis auf Fachbibliothek für deutschsprachige Literatur weltweit, eine und internationalen Kunsthandels (ZADIK) im Jahr W den Aufbewahrungsort von über sie berichtenden umfangreiche Sammlung literarischer Medien und zwei große A  als gemeinnütziger Verein vom Bundesverband Quellen. Dieser befi ndet sich in Köln. In der Stiftung Rheinisch- Museen für Literatur beherbergt. Deutscher Galerien (BVDG) gegründet. Eine vergleichbare Kon- Westfälisches Wirtschaftsarchiv zu Köln (RWWA) werden Unter- Zugang zum Archiv erhält, wer sich für Quellen deutscher zentration auf den Kunsthandel gab es damals und gibt es heute lagen zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte des Rheinlandes auf- Literatur- und Geistesgeschichte seit  interessiert. noch nur in der »Collection of Gallery Records« der »Archives bewahrt: Dazu gehören neben Akten auch Urkunden, Fotos, Filme, Die Ursprünge des DLA reichen auf die Schiller-Verehrung des of American Art« in der Washingtoner Smithsonian Institution. Drucksachen, Werbematerialien und dreidimensionale Exponate. . Jahrhunderts zurück; Marbach ist die Geburtsstadt des Autors. Im Jahr  wurde das ZADIK An-Institut der Universität Unternehmen, Industrie- und Handelskammern, Handwerkskam- Mit der Gründung des DLA  wurde das Haus zum Archiv der zu Köln.  erfolgte seine Umbenennung in Zentralarchiv für mern, Innungen, Verbände und Vereine sind die »aktenbildenden deutschsprachigen Literatur in der Bundesrepublik Deutschland deutsche und internationale Kunstmarktforschung. Stellen«, aber auch Nachlässe von Persönlichkeiten der Wirtschaft ausgebaut. Der Bund und das Land Baden-Württemberg sind Zu Beginn dieses Jahres wurde es mitsamt seinem Personal, sei- und Familienarchive von Unternehmerfamilien zählen dazu. Die die primären Zuwendungsgeber des Deutschen Literaturarchivs nen Archivbeständen und sonstigem Inventar als eigenständiges ältesten Quellen stammen aus dem . Jahrhundert, wobei der Marbach. wissenschaftliches Institut in die Universität zu Köln eingegliedert. Schwerpunkt der auf rund  Kilometer Regalfl äche aufbewahrten Seit seinen Anfängen gehört das DLA zudem zu den wichtigsten Das spezielle Sammlungsprofi l und die darauf basierende Ar- Quellen auf dem . und . Jahrhundert liegt. Gegründet , Sammelstätten für Exilliteratur. Der Anspruch, Zeugnisse ver- beit des ZADIK als Forschungs- und Lehrarchiv für Kunstmarkt- ist das RWWA heute für das Rheinland zuständig und bietet der brannter und verfemter deutschsprachiger Literatur zu sammeln, forschung beruhen auf den Archiven der Agierenden auf dem Forschung über  Bestände an. Aufgrund des ehemaligen Sit- leitete die Gründer des DLA und prägt die Erwerbungs-, Ausstel- Kunstmarkt, wie Künstlern, Sammlern, Kunsthändlern, Galeristen, zes in Bonn archivieren auch der Deutsche Industrie- und Han- lungs- und Veranstaltungspolitik des Hauses bis heute. Unter Kunstkritikern, Kunstjournalisten, Kuratoren, Kulturpolitikern delskammertag (DIHK) und der Zentralverband des Deutschen den Namen zur Nachkriegs- und Gegenwartsliteratur fi nden sich und anderen. Handwerks (ZDH) ihre historischen Unterlagen im RWWA. Damit Paul Celan, Günter Eich, Hans Magnus Enzensberger, Marie Luise Mit rund  von insgesamt  Beständen in über . Regal- hat das Kölner Wirtschaftsarchiv eine bundesweite Bedeutung Kaschnitz, W. G. Sebald und Julia Franck, außerdem bedeutende metern dominieren die merkantilen Archive und bilden eine der erhalten. Das RWWA ist das älteste regionale Wirtschaftsarchiv, Bestände von Gelehrten, Philosophen und Germanisten. Nach- wichtigsten nationalen Quellen für die Revision der Moderne aus heute existieren weitere acht dieser Art in Deutschland. Sie die- und Vorlässe von Autoren und Philosophen werden erschlossen, der Perspektive der Kunstmarktforschung und für die internati- nen als »Rettungsstation« für Wirtschaftsquellen. Das RWWA was oft schon Forschen bedeutet, und umgekehrt die Bestände onale Provenienzforschung. Ältester Bestand ist das Archiv der berät zudem Unternehmen in historischen Fragen und bei dem der Forschung erst zugänglich macht. Galerien Thannhauser, die  gegründet wurden und Standorte Aufbau eigener Archive. Mit Ausstellungen, Publikationen und Das Collegienhaus mit  Appartements dient als Wohn- und in München, Luzern, Berlin, Paris und New York haben. Kooperationen fördert das RWWA zudem die wirtschafts- und Begegnungsstätte für forschende Gäste aus aller Welt. Das ZADIK steht allen Interessierten off en und unterstützt sozialhistorische Forschung. Die Forschung im DLA entwickelt sich ausgehend von seinen alle Forschenden durch unkomplizierte und größtmögliche Zu- Warum sollen Quellen der Wirtschaft überhaupt dauerhaft Beständen und vielfach in Kooperation mit Universitäten oder gänglichkeit im Rahmen der rechtlichen Bestimmungen. Digita- aufbewahrt werden? Sind denn wirtschaftliche Entwicklungen anderen wissenschaftlichen Einrichtungen: Zum einen forscht das lisate aus  Beständen können online eingesehen werden, aus für die Fragen der Zukunft relevant? Was sagen die Quellen aus? DLA empirisch und archivologisch, ausgehend von den Spuren, die rechtlichen Gründen nicht im Internet sichtbare Faksimiles sind Während im . Jahrhundert die Wissenschaft wesentlich die seine Bestände im Hinblick auf Literatur, ihre Entwicklung, ihre im Intranet in den Räumen des ZADIK zu sehen. Das ZADIK ist politische Geschichte im Augenmerk hatte, war zu Beginn des . Leser und die Prozesse der Literaturproduktion hinterlassen. Zum Partner der europäischen Künstlerdatenbank european-art.net. Jahrhunderts vielen Betrachtern klar, dass diese Sicht zu eng sei. anderen treibt das DLA Ansätze der Digital Humanities voran – Durch eigene Forschungen und deren Veröff entlichungen in Daher bezogen sie mit wachsender Bedeutung bei der Erarbei- unter anderem, indem es sich mit der Produktion und Erforschung seiner Zeitschrift »sediment«, auf seiner Webseite zadik.info, tung von historischen Darstellungen die ökonomischen Quellen von Metadaten sowie mit Born-digitals auseinandersetzt. im Kunstmarktteil der FAZ und anderen Medien und mit seinen mit ein. Denn gerade seit der Industriellen Revolution, die über Ein umfangreiches Veranstaltungsprogramm ermöglicht äs- Ausstellungen und Ausleihen wurde das ZADIK impulsgebend England und Belgien im ersten Quartal des . Jahrhunderts in thetische Erfahrungsprozesse und ihre Refl exion im Umgang und führend im noch jungen, aber dynamisch wachsenden For- das Rheinland kam, veränderte die wirtschaftliche Tätigkeit die mit Sprache und Literatur. In den beiden Museen des DLA, dem schungsgebiet der Kunstmarktforschung, dessen gesellschaftliche Menschen, die Städte und Regionen sowie die Gesellschaft. Die Schiller-Nationalmuseum (SNM) und dem Literaturmuseum der wie historische Relevanz auch unter den Studierenden zu einer Veränderungsprozesse gerierten sich stetig schneller, die Aus- Moderne (LiMo), sind Besucherinnen und Besucher eingeladen, immer größeren Nachfrage führt. Dem trägt das ZADIK Rechnung, wirkungen, z. B. in der Siedlungsentwicklung, waren markant. in der Auseinandersetzung mit Manuskripten, Briefen, Fotos, indem sowohl die Archivleitung als auch die wissenschaftliche Solche Prozesse nachvollziehen zu können, ist für die zukünftige Kunstwerken und Alltagsgegenständen in einen eigenen kreativen Mitarbeiterin kontinuierlich Lehrveranstaltungen anbieten. Diese Entwicklung von Interesse. Gerade im Zeitalter der Digitalisierung Prozess lesend und schreibend einzutreten. Dauerausstellungen sind eingebettet in das Programm des Kunsthistorischen Instituts ist der mögliche Rückgriff auf Entscheidungswege und unterneh- zu Schiller und zur Literatur des . Jahrhunderts im SNM bzw. zur der Universität zu Köln, besonders im Einfach-Master-Schwer- merische Taten relevant. Dabei kommt es natürlich darauf an, die Literatur von  bis heute im LiMo werden regelmäßig durch punktmodul Kunstmarkt. wesentlichen Quellen aufzubewahren, die hierzu Auskunft geben Wechselausstellungen ergänzt – bis zum . November  ist können. Aber neben den richtigen Bewertungsmodellen ist auch die Ausstellung »Narrating Africa« zu sehen. Günter Herzog ist Direktor des ZADIK die Dokumentation des Gewesenen für die Nachwelt von hoher Bedeutung. Heutzutage wird alles schneller, aber auch fl üchtiger. Sandra Richter ist Direktorin des Deutschen Literaturarchivs Unternehmen haben in der Vergangenheit wesentlich – gewollt Marbach und ungewollt – die Gesellschaft beeinfl usst. Daher ist das Ver- ständnis für »Warum?« und »Wie?« identifi kationsstiftend.

Ulrich S. Soénius ist Direktor und Vorstand der Stiftung Rheinisch-Westfälisches Wirtschaftsarchiv zu Köln 24 ARCHIVE www.politikundkultur.net

Literatur«, die nicht in der Zeitschrif- blätter, . Plakate, einige Zehn- tendatenbank (ZDB) nachgewiesen war, tausend Fotos, rund  Transparente nach fünfjähriger Arbeit, das konnte sowie zahlreiche Objekte, Flyer und sich sehen lassen. Buttons. Das Vertrauen wuchs, die übernom- Das afas ist in der Freien Szene, aber menen Sammlungen wurden größer. auch im traditionellen Archivwesen Die Politgruppen der er bis er gut vernetzt. Der Verband deutscher Jahre hatten sich aufgelöst und deren Archivarinnen und Archivare hat  papierne Überbleibsel in Form mehr ein unterstützendes Positionspapier oder weniger geordneter Akten wur- mit dem Titel »Zur Zukunft der Archive den gern abgegeben. Ein paar Jahre von Protest-, Freiheits- und Emanzi- nach dem Ende der Apartheid in Süd- pationsbewegungen« veröff entlicht. afrika wurde dem afas das Archiv der Obwohl an der Sinnhaftigkeit Freier deutschen Anti-Apartheid-Bewegung Archive in Fachkreisen kein Zweifel übereignet. Daraufhin entschlossen besteht, ist es nur wenigen Einrich- MILA sich z. B. auch der Mainzer Arbeits- tungen gelungen, die Politik zu einer kreis Südliches Afrika und die Kirchli- dauerhaften Absicherung ihrer Arbeit che Arbeitsstelle Südliches Afrika, ihre zu bewegen. Unterlagen dem afas zu überlassen. Aus Das afas verfügte in den  Jahren anderen Milieus folgten die Unterlagen seines Bestehens nie über feste Stel-

 / HACKE, des Rheinischen JournalistInnenbü- len, musste immer von befristeten

BILD ros, des Dachverbands der Kritischen Projektmitteln leben und arbeitete

 Aktionäre, des Bundesverbands Bür- oft monatelang unbezahlt.  wur- gerinitiativen Umweltschutz oder das de einvernehmlich zwischen allen seit den er Jahren bestehende,  NRW-Landtagsparteien – ohne AfD – Regalmeter umfassende Archiv des erstmalig ein Haushaltsposten für das Umweltzentrums Münster. Auch die afas eingerichtet, der jedoch  von Bergarbeitersiedlung Rheinpreußen, bis heute anonym gebliebenen Kräften

FOTO: BUNDESARCHIV, B B BUNDESARCHIV, FOTO: die den Verkauf und Abriss ihrer Sied- aus den Regierungsparteien CDU und  bezog das Bundesarchiv in Hoppegarten einen neuerrichteten Zweckbau für die Filmrestaurierung und -konservie- lung verhinderte und eine Genossen- FDP ersatzlos gestrichen wurde – am rung, die auf digitale Techniken umgerüstet wurde schaft gründete, vertraute ihr Archiv zuständigen Ministerium und dem dem afas an. Ende  trennte sich Kulturausschuss des Landtags vorbei. das Stadtarchiv Oberhausen vom Inter- Dadurch, dass die Landschaftsverbände nationalen Frauenfriedensarchiv, »weil Rheinland und Westfalen, vor allem es im afas besser aufgehoben ist«. Und aber die Hamburger Stiftung zur Förde- Freie Archive jüngst überließ Klaus der Geiger, der rung von Wissenschaft und Kultur als wohl bekannteste deutsche Straßen- zusätzliche Geldgeber gewonnen wer- Die Zukunft des Archivs für alternatives Schrifttum muss nachhaltig gesichert musiker, ein Teil-Archiv dem afas. den konnten, bewilligte auch das NRW- werden Mit zunehmender Bekanntheit wur- Kulturministerium Projektmittel. So ist den dem afas immer mehr Bestände zwar die Weiterarbeit des afas bis  JÜRGEN BACIA Auf diese Art kamen schnell Hunderte trauensbildende Maßnahmen waren angetragen, die eher am Rande seines gesichert, doch wie es danach aussieht, von Hinweisen zusammen. Manche der erforderlich. Die Gemeinnützigkeit Sammelprofi ls liegen, aber keine ande- steht in den Sternen bzw. hängt vom ls Freie Archive bezeichnet man Angesprochenen rückten sofort ihre war hilfreich, vor allem aber die Ar- re Heimat fanden. So kamen z. B. das Ausgang der nächsten Landtagswahl ab. die Einrichtungen, die im Ge- Schätze heraus, weil sie froh waren, beitsweise. Zwei gedruckte Zeitschrif- Archiv des  gegründeten Vegeta- Für ein Archiv, das auf Dauer angelegt A folge der er Studentenbe- den alten Kram endlich loszuwerden. tenkataloge von  und  – wir rierbundes und das Archiv der Oromo ist und Verlässlichkeit garantieren soll, wegung am Rande der Neuen Sozialen Andere waren reserviert, selbst wenn befanden uns noch nicht im Zeital- Relief Association nach Duisburg. ist dies eine höchst unbefriedigende Bewegungen entstanden sind. Zurzeit ihnen die »Idee afas« gefi el: Welche ter der PCs – beeindruckten sowohl Der Bestand ist inzwischen auf über Situation. bestehen etwa  Freie Archive, von Gewähr gab es denn, dass dem afas die Menschen aus der Szene als auch zwei Regalkilometer angewachsen. Er denen sich einige bestimmter Themen nicht in ein paar Jahren die Puste aus dem traditionellen Archiv- und umfasst neben umfangreichen Archiv- Jürgen Bacia ist Mitbegründer und bzw. bestimmter Bewegungen anneh- ausging und die Sammlung zerstreut Bibliothekswesen. . verzeichne- beständen rund . Zeitschriftenti- Leiter des Archivs für alternatives men, andere archivieren themen- und oder gar weggeworfen würde? Ver- te Zeitschriften, vorwiegend »Graue tel, . Broschüren, . Flug- Schrifttum bewegungsübergreifend. Alle sammeln neben Archivgut auch »Graue Litera- tur«, also Zeitschriften, Broschüren und auch Bücher jenseits der Verlage. Der kleinste gemeinsame Nenner al- ler Freien Archive besteht darin, zu Die Frauenbewegung in verhindern, dass die Geschichte der Neuen Sozialen Bewegungen zu einer Geschichte der verschollenen Doku- mente wird. Eines dieser Archive ist Deutschland hat Geschichte das  in Duisburg gegründete Ar- chiv für alternatives Schrifttum (afas). Das Archiv der deutschen sich durchaus ein paar Perlen, so der tagonistinnen ebenso in den Blick wie wegung kommend die Geschichte der Das afas hatte von Anfang an zwei Frauenbewegung in Kassel Nachlass der »Mutter des Grundgeset- Themen, Ereignisse oder Protestformen. Bewegung bewahrt. Mit dieser Idee war Ziele: zum einen aus Nordrhein- zes«, der Kasseler Juristin und SPD-Po- In den letzten Jahren stand vor allem das AddF Mitte der er Jahre kein Westfalen (NRW) Unterlagen einzelner litikerin Elisabeth Selbert (-) das . Jubiläum des Frauenwahlrechts Novum – viele Freie Archive sind in Bürgerinitiativen, Friedens-, Stadtteil-, KERSTIN WOLFF oder der Bestand des Deutschen Evan- im Mittelpunkt eigener Forschungen diesem Zeitraum gegründet worden, Umwelt- oder Frauengruppen zu sam- gelischen Frauenbundes, gegründet und Publikationen. Aber auch jenseits so auch andere Frauenarchive. Heute meln; zum anderen Materialien von ie sollte es auch anders , der mit seinen  Regalmetern von Jubiläumsthemen lassen sich vie- sind diese in einem Dachverband or- Gruppen mit bundesweiter Bedeutung sein: Stilecht am Inter- Archivgut die lückenlose Geschichte ganisiert, im i.d.a. - Dachverband der zu archivieren, weil lokale oder regio- nationalen Frauentag, dieses Frauenverbandes an der Schnitt- deutschsprachigen Lesben-/Frauen- nale Aktivitäten oft erst im größeren W dem . März,  öff - stelle von Protestantismus und Frau- Geschichte soll in all archive, -bibliotheken und -dokumen- Kontext einer bundesweiten Bewegung nete eine neue Institution zum ersten enbewegung dokumentiert. Gesam- ihren Facetten über- tationsstellen, der seit einem Jahr das verständlich werden. So kann man z. Mal ihre Türen für die Öff entlichkeit. melt wird im AddF alles – sozusagen liefert werden, unab- deutschlandweit einzigartige Portal B. die lokalen Aktivitäten einer mao- Was damals in Kassel unter dem etwas fl ügelübergreifend – zur Geschichte »Digitales Deutsches Frauenarchiv« istischen Betriebsgruppe der er sperrigen Namen »Archiv der deut- der Frauenbewegung in Deutschland, hängig davon, ob sie (DDF), aufzurufen unter digitales- Jahre erst dann politisch richtig ver- schen Frauenbewegung« (AddF) prä- alle Richtungen, alle Fraktionen, von heutigen Defi nitionen deutsches-frauenarchiv.de, betreibt. stehen und einordnen, wenn man sie sentiert wurde, war nicht nur ein Ar- der proletarischen bis zur bürgerlichen von Feminismus Damit werden die Schätze der ver- im Kontext der bundesweit operieren- chiv und eine Bibliothek, vielmehr war Frauenbewegung, von fortschrittlich entsprechen schiedenen deutschen Frauenarchi- den Organisation, der sie sich zuzählt, es eine Einrichtung, die die Geschichte bis konservativ, von anarchistisch bis ve und -bibliotheken zum ersten Mal betrachtet. der Frauenbewegung in Deutschland konfessionell, und auch die Gegenbe- unter einer gemeinsamen (Internet-) In den ersten Jahren seines Beste- sammeln, erforschen und vermitteln wegung hat hier einen Platz. Der Sam- le Fragestellungen der historischen Adresse sichtbar. hens bestand die Hauptaufgabe des wollte – mit dieser breiten Aufstellung melzeitraum reicht von der Mitte des Forschung mit den Materialien des Das AddF ist als Verein entstanden afas darin, Spuren in NRW nachzu- ein Experiment mit durchaus ungewis- . Jahrhunderts bis in die er Jahre. AddF beantworten. Seien es Fragen und ist heute als Stiftung organisiert. gehen. Immerhin lagen die wilden sem Ausgang. Die Begrenzung nach vorne ergibt sich der Bevölkerungspolitik oder der De- Es wird institutionell vom Land Hes- er Jahre schon rund  Jahre zu- Heute, über  Jahre später, kann aus der er Revolution, in der die mokratiegeschichte. Daneben beteiligt sen als außeruniversitäre Forschungs- rück und selbst für die er Jahre war das AddF auf eine erstaunliche Erfolgs- Wurzeln für die organisierte Frauen- sich das AddF an Ausstellungen, bietet einrichtung gefördert, die Stadt Kassel es oft nicht einfach, Leute zu fi nden, geschichte zurückblicken. Mittlerweile bewegung in Deutschland gelegt wur- Stadtrundgänge in Kassel zur Frauenge- steuert einen Mietkostenzuschuss zu die alternative Projekte gegründet ist aus kleinsten Anfängen eine große den, und am Ende durch den Beginn der schichte an, hält Vorträge und gibt die und der Bund stellt über das DDF Pro- oder in besetzten Häusern gewohnt Spezialbibliothek mit knapp . neuen Frauenbewegung, die in anderen Zeitschrift »Ariadne. Forum für Frauen- jektmittel zur Verfügung. Alles in allem hatten, oder die in Bürgerinitiativen Monografi en und Broschüren sowie Frauenarchiven und -bibliotheken in und Geschlechtergeschichte« heraus, in also eine Erfolgsgeschichte. Nichts- oder Stadtteilgruppen engagiert wa- mehr als . Zeitschriftentiteln aus Deutschland gesammelt wird. Ziel ist es, der Themen rund um die Geschichte destotrotz bleibt viel zu tun, denn ren. Erste Anlaufstellen waren poli- allen Bereichen der Frauenbewegung die Geschichte in all ihren Facetten zu der Frauenbewegung wissenschaftlich gerade die Digitalisierung bringt für tische Buchläden, die Redaktionen und ein Fotoarchiv mit über . Fo- überliefern, unabhängig davon, ob sie beleuchtet werden. den Archiv- und Bibliotheksbereich alternativer Zeitschriften, die Büros tografi en aufgebaut worden. Daneben heutigen Defi nitionen von Feminismus Das AddF gehört zu den Freien Ar- große Veränderungen, aber auch große von Friedens- oder Umweltgruppen sammelt das AddF Aktenbestände von entsprechen. chiven, d. h. es ist keine Einrichtung Chancen mit sich. genauso wie diejenigen links-alter- Frauenverbänden und -vereinen sowie So wie in den er Jahren bereits mit einem klar definierten staatli- nativer Organisationen, aber auch die Nachlässe von engagierten Frauen aus geplant, initiiert das AddF da rüber hin- chen Sammlungsauftrag wie z. B. ein Kerstin Wolff ist promovierte diversen autonomen Referate an den der Bewegung, Politikerinnen oder Ver- aus eigene Forschungen zur Geschichte Stadt- oder Landesarchiv. Vielmehr Historikerin und leitet im AddF den Hochschulen. bandsaktivistinnen. Darunter befi nden der Frauenbewegung. Hier geraten Pro- ist es eine Institution, die aus der Be- Bereich Forschung Politik & Kultur | Nr. / | März  ARCHIVE 25

Von Wiesbaden über Darmstadt nach Marburg Wie funktioniert das stetig wachsenden digitalen Anfor- rung zugeführt, sodass erstmalig von den Landesbehörden konfrontiert, sei Nutzerinnen und Nutzer inzwischen in Hessische Landesarchiv? derungen zu stellen und praktische einer systematischen konservatorischen es in Form von datenbankförmigen Fa- den Lesesälen – soweit Datenschutz und Lösungsansätze zu erarbeiten. Neben Erhaltung des Archivguts gesprochen chanwendungen, elektronischen Akten konservatorischer Zustand das zulassen der Erledigung der »Linienaufgaben« werden kann. oder Einzeldateien aus elektronischen – mit ihren Smartphones selbständig und ANDREAS HEDWIG wird das Projektmanagement immer Auch die Archivguterschließung hat Ordner-Ablagen und Kommunikations- unentgeltlich Archivgut für den eigenen wichtiger und prägt die weitere Ent- in den vergangenen zehn Jahren deut- plattformen. Soll das Hessische Lan- Bedarf fotografi eren oder für überschau- m Jahr  wurden die staatli- wicklung. Die nationale wie interna- liche Fortschritte gemacht. Arbeits- bare Kostensätze ggf. hochwertig digi- chen Archive in Hessen unter dem tionale Netzwerkbildung und die in rückstände bisher noch nicht online Soll das Hessische talisieren lassen. Dach Hessisches Landesarchiv erheblichem Maße eingeworbenen erschlossener Bestände werden konse- Trotz der genannten großen Aufga- Landesarchiv Partner I zusammengeführt,  ist das Drittmittel erweitern die Spielräu- quent abgebaut und diff erenzierte Tie- ben nimmt das Hessische Landesarchiv Landesarchiv als eine einheitliche Ein- me und die fachlichen Horizonte. fenerschließungen zu Forschungszwe- der Verwaltung blei- darüber hinaus seinen Auftrag als »Haus richtung mit einer Abteilung Zentrale Im Mittelpunkt aller Anstrengungen cken im Rahmen von Kooperationen mit ben, wird es ohne wei- der Geschichte« ernst. Es kooperiert im Dienste und den drei standortgebun- steht das Bemühen, die wachsenden ar- wissenschaftlichen Partnern und mithil- teren Personal- und Bereich der Geschichtsvermittlung wie denen Abteilungen Hauptstaatsarchiv chivfachlichen Kernaufgaben eff ektiver fe von Förderprojekten der Deutschen in der historischen Forschung eng mit Wiesbaden und den Staatsarchiven in und effi zienter zu erledigen. So wurden Forschungsgemeinschaft realisiert. In Mitteleinsatz nicht den lokalen und regionalen Geschichts- Darmstadt und Marburg etabliert wor- die Personal- und Sachressourcen für die absoluten Zahlen gemessen, bieten bun- gehen vereinen, mit den historischen Kommis- den. Diese im Bundesvergleich späte Überlieferungsbildung, d. h. für die Frage, desweit die meisten Erschließungsdaten sionen sowie den Universitäten. Anspre- Entwicklung sollte nicht darüber hin- welche Unterlagen aus den Behörden in für ihr Archivgut das Niedersächsische desarchiv zuverlässiger Partner auch chende Ausstellungs- und Tagungsthe- wegtäuschen: Dem Hessischen Lan- das Archiv gelangen, deutlich ausgebaut. und das Hessische Landesarchiv. Bei- der Verwaltung bleiben, wird es ohne men werben dafür, dass die Auseinan- desarchiv kommt in Hessen wie in der Zur Unterstützung der Einführung der de Länder betreiben gemeinsam das weiteren Personal- und Mitteleinsatz dersetzung mit der Geschichte nicht nur bundesdeutschen staatlichen Archiv- elektronischen Akte in der hessischen Archiv informationssystem »Arcinsys« nicht gehen. für Geschichtsinteressierte, sondern für landschaft eine Vorreiterrolle zu. Landesverwaltung und ihrer künftigen und entwickeln es fortlaufend weiter – Gar mit großem Abstand vor den an- viele gesellschaftliche Diskurse einen Wichtige Voraussetzungen dafür Archivierung richtet das Landesarchiv seit Neuestem zusammen mit Schles- deren staatlichen Archiven rangiert das großen Mehrwehrt haben kann – vor al- schuf die Umstellung der hessischen für die Behördenberatung in diesem wig-Holstein. Hessische Landesarchiv in der Online- lem in Zeiten von Fake News und alter- Landesverwaltung auf das betriebs- Jahr ein »Compentence Center Records Eine große Herausforderung der ver- Bereitstellung von digitalisiertem Ar- nativen Wahrheiten. Dabei bemüht sich wirtschaftliche Management. Seit  Management« ein. gangenen Jahre war die Einrichtung des chivgut. Über  Millionen Abbildungen das Hessische Landesarchiv, auch brei- profi tiert das staatliche Archivwesen in Unterstützt durch Förderprogramme Digitalen Archivs Hessen. Es kooperiert archivalischer Dokumente sind bereits tere Bevölkerungskreise anzusprechen, Hessen von der hiermit verbundenen des Hessischen Wissenschaftsministeri- fachlich und in der Softwareentwick- jetzt online nutzbar. Das Spektrum reicht durch die zweimal jährlich erscheinen- Flexibilität, die echte Handlungsspiel- ums und der Beauftragten der Bundesre- lung eng mit Baden-Württemberg und von frühmittelalterlichen Urkunden bis de Zeitschrift »Archivnachrichten aus räume eröffnete: eine weitgehende gierung für Kultur und Medien gelingt es Bayern und seit Kurzem mit dem Län- zu den Personenstandsregistern des . Hessen«, einen monatlichen Newsletter Budgetverantwortung, ein fachlich in einem noch nie dagewesenen Umfang, derverbund Digitales Archiv Nord. Hier und . Jahrhunderts. Dies kommt den sowie durch seine Facebook-, Instagram- geprägtes Controlling sowie ein Ziel- in die Erhaltung des Archivguts zu in- besteht ein immenser Handlungsdruck: Archivnutzerinnen und -nutzern wie und YouTube-Auftritte. vereinbarungsmanagement. Darüber vestieren. Dem Aktenschriftgut und den Das Hessische Landesarchiv wird mit der wissenschaftlichen Forschung un- hinaus hat sich das Hessische Landes- Amtsbüchern werden jetzt im großen immer größeren Mengen archivreifer mittelbar zugute und erleichtert ihre Andreas Hedwig ist Präsident des archiv darauf konzentriert, sich den Stil Maßnahmen wie Papierentsäue- digitaler Daten und Unterlagen aus Arbeit. Selbstverständlich können die Hessischen Landesarchivs

Berufsbild mit Perspektive Arbeiten im Archiv

SUSANNE FREUND len System von Praxis und Theorie ver- licht nach erfolgreichem Abschluss die mittelt. Für den Gehobenen Dienst ist Aufnahme des konsekutiven Master- rchive dokumentieren in einer ein Diplom oder ein Bachelorabschluss studiums Informationswissenschaften. Demokratie Vergangenheit und erforderlich. Die Verwaltungslaufbahn Dieser integrative, interdisziplinäre A Gegenwart für die Zukunft. Da- an der Archivschule Marburg umfasst Master eröff net aufgrund seiner hohen raus ergibt sich ein Berufsbild, das den drei Jahre und schließt mit dem Diplom Praxis- und Anwendungsorientierung Blick sowohl zurück als auch nach vorn ab. Über die Aufnahme entscheiden die den generellen Zugang zu Berufsfel- richtet. Wer heute Archivarin oder Ar- Staats- und Landesarchive der einzel- dern im Umgang mit Information und chivar werden will, muss sich darüber nen Bundesländer. Diese treff en eine Wissen. Dies betriff t z. B. Einrichtungen bewusst sein, dass wir uns von der ana- Auswahl der Bewerberinnen und Bewer- des kulturellen Erbes und damit unter logen in die digitale Welt verabschieden. ber, die den Theorieteil in Marburg und anderem Archive. Die Dynamik dieses Prozesses setzt sys- die Praxis in den Ausbildungsarchiven Ferner können seit dem Winterse- tematisches und analytisches Denken, absolvieren. Dieses Entsendungsprin- mester / Absolventinnen und die Motivation zum Umgang mit digita- zip entspricht gleichfalls dem Verfahren Absolventen geisteswissenschaftlicher

len Inhalten und Technologien, grund- der Bayerischen Archivschule München, Studiengänge, die bereits archivarische KIRCHHOFF PETER / BUNDESARCHIV FOTO: legende IT-Kenntnisse, Kommunika- die fast ausschließlich für den eigenen Berufspraxis aufweisen und während Sitz der Abteilung Personenbezogene Auskünfte zum Ersten und Zweiten Welt- tionsbereitschaft, Organisations- und Bedarf in Bayern ausbildet. des berufsbegleitenden Studiums in krieg (PA) des Bundesarchivs in Berlin-Reinickendorf Teamfähigkeit voraus. Fachpersonal In der Bundesrepublik wird der ein- Archiven tätig sind, den Abschluss muss Arbeitsprozesse optimieren, neue zige Studiengang der Fachrichtung Ar- des weiterbildenden Masters Archiv- Daten in Wirtschaft, Forschung und fen. Die Zeiten dunkler Anzüge einer Problemlagen erkennen und Tätigkeits- chiv vom Fachbereich Informations- wissenschaft erwerben. Die Zahl der Kultur wird sich das Berufsfeld noch überwiegend von Männern dominier- bereiche aktuellen Herausforderungen wissenschaften der Fachhochschule Studienplätze ist auf  limitiert, die weiter spezifi zieren und neue Aufga- ten Archiv-Community sind spätes- anpassen. In der Praxis bedeutet das, (FH) Potsdam angeboten. Dieses zum nach einem Auswahlverfahren verge- benfelder defi nieren. Berufsbegleitende tens seit der Wiedervereinigung vorbei. dass einerseits Grundlagenwissen zur Wintersemester / zunächst als ben werden. Das Studium wird nach Weiterbildungsangebote wie die hier Der Frauenanteil ist seit den er Informationsgesellschaft und -visuali- Diplomstudiengang etabliertes und dem Konzept des Blended-Learning beschriebenen oder der neue Weiter- Jahren signifi kant gestiegen, was zu- sierung, zur digitalen Archivierung, an- seit dem Wintersemester / in durchgeführt und umfasst vier Prä- bildungs-Masterstudiengang Digitales nächst der hohen weiblichen Präsenz dererseits aber auch die Lese- und Ver- einen Bachelorstudiengang überführtes senzen pro Jahr in der FH Potsdam. Datenmanagement ab dem Sommerse- in ostdeutschen Archiven geschuldet mittlungsfähigkeit von Originalquellen, Studium ist geprägt vom sogenannten Der Masterabschluss befähigt zum mester , ein Gemeinschaftsprojekt war. Inzwischen zeigen Emanzipation ein Verständnis historischer Kontexte, »Potsdamer Modell«. Das heißt: In höheren Archivdienst, wenngleich die der FH Potsdam und der Humboldt- und Gleichstellung generell Wirkung, verwaltungsrechtlicher Fragen, Rege- Verbindung mit den beiden anderen beamtenrechtlichen Bestimmungen Universität zu Berlin, tragen diesem wenngleich Frauen in Führungsposi- lungen des Rechts- und Datenschutzes Bachelorstudiengängen Bibliotheks- der einzelnen Bundesländer nach wie Anspruch Rechnung. Darüber hinaus tionen immer noch unterrepräsentiert obligatorisch für archivarische Kom- wissenschaft sowie Informations- und vor den Verwaltungslaufbahnen, die in bietet das Weiterbildungsprogramm sind. Die Geschlechtergerechtigkeit petenz sind. Datenmanagement werden im Grund- Marburg und München in zwei Jahren Archive im Informationszeitalter der FH spiegelt allerdings auch die Diversität Die Hauptaufgabe von Archivarin- studium integrative Inhalte vermittelt. zum höheren Archivdienst qualifi zieren, Potsdam in Kooperation mit der Freien sogenannter Bewegungsarchive. Sie nen und Archivaren besteht darin, Ar- Die studiengangübergreifenden Module den Vorzug geben. Universität Berlin eine Qualifi zierung dokumentieren z. B. das Leben von chivgut zu übernehmen, zu bewerten, erstrecken sich auf Themen wie Infor- Es besteht in der Berufspraxis mo- in den Bereichen Strategieentwicklung, homosexuellen und transgeschlecht- zu erschließen und der Öff entlichkeit mation und Gesellschaft, Webtechno- mentan eine hohe Vakanz an Fachkräf- Historische Bildungs- und Öff entlich- lichen Menschen. Denn die Partizipa- zugänglich zu machen. Wissen und logie und Informationssysteme oder ten; zahlreiche Stellen bleiben unbe- keitsarbeit, Audiovisuelle Medien, tion aller gesellschaftlichen Gruppen Daten bestimmen den Arbeitsalltag in Medien. Die Spezifi zierung erfolgt im setzt. Die FH Potsdam hat deshalb im Digitale Archivierung, Bestandserhal- an der kulturellen Überlieferung stärkt Archiven im Austausch mit Gesellschaft Hauptstudium, das je nach individueller Weiterbildungs-Masterstudiengang die tung und Urheberrecht an. Praxisnahes das Vertrauen in die Demokratie und und Politik. Der Zugang zu diesem Be- Schwerpunktsetzung den Fokus mehr Kapazität verdoppelt. Außerdem wurde Fachwissen vermitteln ebenso die Fort- ist das Fundament sozialer Beziehun- rufsfeld ist dem hierarchischen System auf historische Unterlagen oder auf die die Zahl der Teilnehmenden der vier- bildungskurse der Archivschule Mar- gen. des öff entlichen Dienstes untergeord- digitale Archivierung richtet. Die not- jährigen Fernweiterbildungskurse, die burg. Diese Weiterbildungen ersetzen net. Für den mittleren Dienst gibt es wendige Praxiserfahrung wird durch bereits als Fachangestellte in Archi- jedoch keine Fachausbildung oder ein Susanne Freund ist Professorin für das Ausbildungsangebot der Fachan- ein Praktikum abgedeckt. ven arbeiten und sich am Ende in das . Studium, sondern dienen lediglich der Archivwissenschaft am Fachbereich gestellten für Medien- und Informati- Die Einschreibung für den zulas- Fachsemester einstufen lassen können, Professionalisierung. Informationswissenschaften der Fach- onsdienste – Fachrichtung Archiv. Die sungsfreien Bachelorstudiengang um den Bachelor abzulegen, erhöht. Die Archivlandschaft ist bunt und hochschule Potsdam und Projektlei- dreij ährige Ausbildung setzt die Fach- Archiv ist an die Fachhochschulreife Angesichts zukünftiger Verarbei- vielfältig, der Berufseinstieg für alle terin der Weiterbildungsangebote des oberschulreife voraus und wird im dua- oder das Abitur gebunden und ermög- tungs- und Nutzungsprozesse digitaler Interessierten über mehrere Wege of- Studiengangs Archiv 26 ARCHIVE www.politikundkultur.net MILA HACKE MILA  /  BILD  FOTO: BUNDESARCHIV, B B BUNDESARCHIV, FOTO: Dienststelle des Bundesarchivs in Ludwigsburg: Im Archiv werden die Unterlagen der »Zentralen Stelle zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen« zur Nutzung bereitgestellt Bindeglied Fachlicher Austausch Die Fachzeitschrift Langzeitarchivierung« geplant. Zum Die Archivalische Zeitschrift Archivar Themenschwerpunkt erscheinen in jedem Heft mehrere Aufsätze, dane- MARGIT KSOLLMARCON thematisiert. Während der Amtszeit tungsgeschichte, Rechts- und Ver- ben aber auch kleinere Berichte in der Franz von Löhers entstand in Bayern fassungsgeschichte, Wirtschaft- und KATHRIN PILGER Rubrik »Archivtheorie und Praxis«. Über er erste Band der Archivali-  der erste Archivzweckbau in Kulturgeschichte. Auch Biografi en den Themenschwerpunkt hinaus greift schen Zeitschrift (AZ) erschien Nürnberg für das dortige Kreisarchiv, und Nachrufe auf Archivare werden ie Zeitschrift »Archivar. Zeit- die Zeitschrift aktuelle Entwicklungen D im Jahr  auf Initiative von heute Staatsarchiv, in der danach be- publiziert. Band , erschienen , schrift für Archivwesen« aus allen Bereichen des Archivwesens Reichsarchivdirektor Franz von Löher, nannten Archivstraße. enthält die ausgearbeiteten Beiträge – bis  unter dem Titel auf – in Beiträgen, Tagungsberichten Direktor des Königlichen Allgemeinen Die Fachwelt in ganz Europa be- des archivgeschichtlichen Kolloqui- D »Der Archivar – Mitteilungs- und Buchbesprechungen; dabei liegt Reichsarchivs in München. Löher be- urteilte die Gründung der Archivali- ums »Die Staatlichen Archive Bayerns blatt für das deutsche Archivwesen« er- ein besonderer Akzent auch auf der gründete damit die älteste deutsche schen Zeitschrift als bahnbrechende in der Zeit des Nationalsozialismus«. schienen – ist das bedeutendste archivi- Einbeziehung der internationalen Ent- archivwissenschaftliche Fachzeit- Leistung. Der endgültige Durchbruch Hatte die Archivalische Zeitschrift sche Fachorgan im deutschsprachigen wicklungen. In einer eigenen Rubrik schrift. Frühere Versuche an verschie- der AZ zur archivwissenschaftlichen zunächst ein Alleinstellungsmerkmal, Raum. Autorisiert durch eine Lizenz informiert die Zeitschrift außerdem denen Orten, eine archivfachliche Fachzeitschrift von internationalem so änderte sich dies im . Jahrhun- der britischen Militärregierung vom über Projekte, Publikationen und Ver- Zeitschrift ins Leben zu rufen, waren Rang erfolgte, als  Archivdirek- dert, vor allem in der zweiten Jahr- . Dezember  sollte die Zeitschrift anstaltungen des Landesarchivs Nord- jeweils rasch zum Erliegen gekommen. tor Ivo Striedinger die Schriftleitung hunderthälfte. Das Bundesarchiv und das Bindeglied zwischen den Archiven rhein-Westfalen. In einem weiteren Teil Franz von Löher wollte ein Publikati- übernahm. die Archivverwaltungen der Länder aller Fachrichtungen in Deutschland erscheinen schließlich die Mitteilungen onsorgan schaff en, das den fachlichen Als  der . Band als Doppel- geben verschiedene Publikationen bilden. Die Zeitschrift selbst erscheint und Beiträge des Berufsverbandes VdA. Austausch zwischen den Archivaren band / erschien, wurde, wie in heraus. Eine große Verbreitung hat seit ; sie wird gemeinsam vom Seit einigen Jahren lädt der Beirat fördert, das aber zugleich auch die der Vergangenheit sporadisch be- die Zeitschrift Archivar des Verbands Verband deutscher Archivarinnen und Fachvertreterinnen und -vertreter aus unikale schriftliche Überlieferung der reits üblich, ein ausführlicher Bespre- deutscher Archivarinnen und Archiva- Archivare e.V. (VdA) und vom Landes- unterschiedlichen Disziplinen dazu ein, Archive und deren Zuständigkeiten chungsteil über die Fachzeitschriften re, die viermal jährlich erscheint. Der archiv Nordrhein-Westfalen herausge- die Gastherausgeberschaft für einen und Organisationsstrukturen der For- in Deutschland, in verschiedenen eu- Schwerpunkt liegt hier in der Regel geben und von einem Fachbeirat, der Themenschwerpunkt der Zeitschrift zu schung bekannt macht und darüber ropäischen Staaten und in den USA auf aktuellen Berichterstattungen sich aus Vertreterinnen und Vertretern übernehmen. Die Gastherausgeberin- hinaus den Kontakt zur Wissenschaft, aufgenommen. Auch Rezensionen über neue Zugänge, Arbeitsmethodi- beider Institutionen zusammensetzt, nen und -herausgeber stellen die Bei- aber auch zu den staatlichen Behör- und Hinweise auf Neuerscheinungen ken, Tagungen und Veranstaltungen. begleitet. Die Redaktion lag bis  träge des jeweiligen Heftes inhaltlich den herstellt. Es sollte keine histo- fanden Eingang in die AZ. Dies endete Wie die AZ richten sich diese Veröf- beim Hauptstaatsarchiv Düsseldorf; zusammen, wählen geeignete Autorin- rische Zeitschrift werden; lediglich mit Band ,  aufgrund fehlenden fentlichungen an Archivarinnen und seit  ist sie beim Landesarchiv nen und Autoren aus und übernehmen hilfswissenschaftliche Arbeiten, so- Personals. Archivare wie auch an die historische Nordrhein-Westfalen in Duisburg an- die fachliche Redaktion der Aufsätze; fern diese auf Archivgut beruhten, wie Bedingt durch die Folgen des Ers- Forschung. Mit der Schaff ung der Ar- gesiedelt. Die Zeitschrift deckt ein brei- durch die Beteiligung dieser Expertin- Paläografi e, Diplomatik, Sphragistik, ten und Zweiten Weltkrieges sowie chivwissenschaftlichen Fachgesprä- tes archivfachliches Themenspektrum nen und Experten konnte die Qualität konnten aufgenommen werden. Löher durch ein fehlendes festes Redak- che an der Bayerischen Archivschule ab. Es reicht von der Bewertung und der Zeitschrift in den letzten Jahren hatte für seine Zeitschrift kein Vor- tionsteam konnte die AZ nicht wie , deren Beiträge erstmals Ende Übernahme archivwürdiger Unterlagen erhöht werden. bild, an dem er sich hätte orientie- geplant jährlich erscheinen, was dazu  in der AZ erscheinen werden, über die Erschließung, die Bestandser- Seit Heft / sind die einzelnen ren können. Er war von  bis  führte, dass zum -jährigen Grün- wird der archivwissenschaftliche haltung bis hin zu Projekten der histo- Ausgaben kurz nach ihrem Erscheinen Herausgeber und verantwortlicher dungsjubiläum  der . Band he- Schwerpunkt in der Archivalischen rischen Bildungsarbeit im Archiv; mit im Druck auch im Internet zugänglich. Redakteur. In dieser Zeit verfasste er rauskam. Aber auch in der Folgezeit Zeitschrift weiter vertieft. den Herausforderungen des digitalen Die Zeitschrift Archivar unterschei- den Großteil der Inhalte der Bände gab es immer wieder Unterbrechun- Zeitalters wuchs in den letzten Jahren det sich von der Archivalischen Zeit- selbst. Bereits im ersten Band wurden gen im Erscheinen.  wurde eine Margit Ksoll-Marcon ist General- merklich die Zahl an Beiträgen zur Di- schrift, der anderen in Deutschland nahezu alle thematischen Vorgaben zehnjährige Veröff entlichungspause direktorin der Staatlichen Archive gitalisierung, zur elektronischen Lang- einmal pro Jahr erscheinenden und umgesetzt: Darlegung der Aufgaben beendet. Derzeit ist beabsichtigt, dass Bayerns zeitarchivierung und zur Präsentation von der Generaldirektion der Staatli- der Archive, der Archivarsausbildung, die AZ, wenn nicht jährlich, so doch von Erschließungsinformationen und chen Archive Bayerns herausgegebenen des bayerischen Archivwesens und alle zwei Jahre erscheint. Im Band digitalisiertem Archivgut im Internet. Fachzeitschrift für das Archivwesen vor ein Artikel über die Organisation der  fi ndet sich ein sachthematisch ARCHIVBEGRIFF Die Zeitschrift Archivar erscheint allem durch die alleinige Fokussierung Staatsarchive in Italien, um den in- gegliedertes Inhalts- und ein alpha- viermal jährlich im Februar, Mai, Juli auf originär archivfachliche Themen; ternationalen Anspruch deutlich zu betisches Verfasserverzeichnis aller Archive sind Einrichtung zur sys- und November in einer Aufl age von das Spektrum der Archivalischen Zeit- machen. Das war kein Einzelfall.  seit  publizierten Aufsätze und tematischen Erfassung, Erhaltung . Exemplaren. Jedes Heft der Zeit- schrift umfasst hingegen auch verwal- erschien beispielsweise ein Beitrag Mitteilungen. und Betreuung von Schriftstücken, schrift besitzt einen Themenschwer- tungsgeschichtliche und quellenkund- von Viviana Wagner über »Archive Schwerpunkte der Ausgaben the- Dokumenten, Urkunden, Akten, punkt. Im vergangenen Jahr waren liche Themen sowie Beiträge zu den am chinesischen Kaiserhof: Gehei- matisieren unter anderem die Her- insbesondere soweit sie historisch, dies: »Bürgerschaftliches Engagement historischen Grundwissenschaften wie me Arsenale im Dienste dynastischer ausforderungen der jeweiligen Zeit rechtlich oder politisch von Belang in Archiven«, »Neue Tendenzen in der z. B. der Urkundenlehre, Schriftkunde Erinnerungspolitik«. wie den Einzug neuer Technologien sind. Archivgut – als archivwürdig Archivpädagogik«, »Archive und Ge- oder Aktenkunde, soweit sich diese auf Die sachgerechte Unterbringung und Medien, z. B. Mikrofi lm und EDV, bewertete Teile des Registraturguts schichtswissenschaft« sowie »Sport- Archivalien beziehen. des kulturellen Erbes, dessen Siche- die Archivwissenschaft, die Archivbe- – zeichnet sich besonders dadurch archive«. In diesem Jahr sind die The- rung und Erhalt zieht sich wie ein roter stände und deren Zugänglichmachung, aus, dass es Unikatcharakter hat. menschwerpunkte »Archivierung von Kathrin Pilger ist Dezernatsleiterin für Faden durch die Bände. Archivzweck- die Geschichtlichen Hilfswissenschaf- Mit dem Begriff Archiv können auch Forschungsdaten«, »Erschließung und Öff entlichkeitsarbeit und Redakteurin bauten, die im . Jahrhundert in ten und Quellenkunde. Vereinzelt Gebäude oder Räumlichkeiten ge- Bereitstellung«, »Wissenschaftsregi- der Zeitschrift Archivar im Landesar- verschiedenen Städten entstanden, fi nden sich auch historische Unter- meint sein, in denen ein Archiv oder on Ostwestfalen-Lippe« und »Digitale chiv Nordrhein-Westfalen in Duisburg wurden daher bereits im ersten Band suchungen zu den Gebieten Verwal- Archivgut untergebracht ist. Politik & Kultur | Nr. / | März  ARCHIVE / MEDIEN 27

TV-Konzern entwickelt deshalb auch eine übergreifende Streaming-Platt- Vom Gang ins Archiv form, die künftig alle Sender nutzen sollen. Außerdem wird die Kooperation Familiengeschichte in man sehr hilfsbereite Menschen ken- über ein paar Leerstellen springen. schon genügt. Doch was hat er auf der Sender mit der Produktionstochter Aktenform nenlernen kann. Schließlich gelangte ich zum ent- diesen Sitzungen gesagt, wie sich Fremantle Media intensiviert. Im De- So ging ich also ins Preußische Ge- scheidenden Jahr. Endlich hatte ich verhalten? Auch dazu gab es keine zember  hatte die Mediengruppe heime Staatsarchiv in Dahlem. Ein es schwarz auf weiß. Mein Großvater Informationen. Immerhin tröstete RTL Deutschland mit TVNow einen JOHANN HINRICH CLAUSSEN Verwaltungshistoriker hatte mich hatte seinen letzten Karrieresprung ich mich, dass ich bei anderen Re- neuen Streaming-Dienst gestartet. Ei- im Vorwege durch die verschlun- zum Staatssekretär nicht vor, son- cherchen herausfi nden konnte, dass gene Fernsehproduktionen und eine ge- Der Gang ins Archiv kann eine ziem- genen Pfade des Online-Katalogs dern nach der Machtergreifung der mein Großvater kein Mitglied in stiegene Nachfrage nach TVNow haben lich persönliche Angelegenheit sein. gelotst, sodass ich alles Wichtige Nationalsozialisten getan. Wenn ich irgendeiner nationalsozialistischen die Sendergruppe RTL im . Halbjahr Im vergangenen Jahr habe ich das er- von zu Hause bestellen konnte. Ich es recht deute, war er als Fachmann Organisation gewesen ist. Dann nach  auf den höchsten Umsatz ihrer lebt. Ich gehe gerade einigen Spuren war gespannt, was mich erwarten und als ein Kandidat von Alfred nur einem Jahr kam sein berufl iches Unternehmensgeschichte gehievt. Die in meiner Familiengeschichte nach. und ob ich große Entdeckungen ma- Ende. Die Kopie eines dürren Schrei- Erlöse der RTL Group stiegen um , So wollte ich Näheres über die beruf- chen würde. Freundlich wurde ich bens bezeugte es. Die Gründe waren Prozent auf , Milliarden Euro. Da das liche Laufbahn meines Großvaters empfangen, eingewiesen und in den wohl eine Mischung aus Struktur- digitale Geschäfte weniger profi tabel väterlicherseits wissen. In der Familie herrlichen Lesesaal geführt. Ein Sta- reform und politischer Bereinigung. ist als das klassische Fernsehgeschäft, wurde manches erzählt. Doch wann pel von alten Akten wurde mir über- Hugenberg hatte aufgegeben, nun wirtschaftete RTL insgesamt nicht so genau war er zum Staatssekretär geben. Ich setze mich und begann sollte ein Nationalsozialist an die ertragreich wie zuvor. Das Betriebser- aufgestiegen –  oder ? Und zu lesen. Es ist schon seltsam, in der Stelle meines Großvaters rücken. gebnis sank leicht um  Millionen auf aus welchen Gründen wurde er schon Personalakte des eigenen Großvaters Wieder habe ich mich gefragt, wie  Millionen Euro.  in den Ruhestand versetzt, mit – den ich übrigens nicht kennenge- Hugenberg ins Kabinett gekommen. er das erlebt hat. Und wieder habe  Jahren? Es war nicht einfach, den lernt habe, weil er kurz nach dem Aber was hat er sich dabei gedacht? ich in den Unterlagen keine Antwort ProSiebenSat. setzt vor allem auf Weg zu den Akten zu fi nden. Denn Zweiten Weltkrieg gestorben ist – zu Dazu fand ich keinen Hinweis in gefunden. Aber vielleicht ist dies ja internationale Zusammenarbeit mein Großvater war zwischen den blättern. Es fühlt sich indiskret an, meinem Aktenstapel. Befremdlich nicht das Schlechteste, was einem Wirtschafts- und Finanzministerien auch wenn ich es ja nur mit amtli- war es dann, seinen Namen in aller- bei einem Archivbesuch geschehen Die Hoff nung der Mediengruppe aus des Reichs und Preußens hin- und chen Angelegenheiten zu tun bekam. lei Protokollen zu lesen. Die meisten kann: Man geht mit mehr Fragen hi- Unterföhring ruht vor allem auf der hergewechselt. Zum Glück stieß ich Ich nahm die Zeugnisse seiner ju- von ihnen enthielten nichts inhalt- naus, als man hineingekommen ist. neuen Streamingplattform »Joyn« und auf Fachleute, die mir mit größter ristischen Staatsexamina in die lich Interessantes. Aber meinen auf eine stärkere Kooperation mit ande- Zugewandtheit, Geduld und Sorgfalt Hand, las die Gutachten seiner Familiennamen da so neben den Na- Johann Hinrich Claussen ist Kulturbe- ren europäischen Partnern.  haben halfen. Das war mein erstes Aha- Hausarbeiten, verfolgte einige seiner men von verabscheuungswürdigen auftragter der Evangelischen Kirche in einige Medienunternehmen, darunter Erlebnis: Archive sind Orte, an denen ersten Stationen, dann musste ich Personen stehen zu sehen, hat mir Deutschland ProSiebenSat., Mediaset und TF, die EMA gegründet. Ziel schon damals: mehr Kooperation, um gemeinsame Sy- nergien und Investmentmöglichkeiten zu schaff en. Nach außen hin sichtbar wurden bislang aber nur wenige Pro- Das mediale Lagerfeuer erwärmt jekte. Im vergangenen Jahr beschloss man nun, dass die EMA als Plattform dienen soll, um gemeinsame Initiati- ven in den Bereichen Videostreaming, immer weniger Zuschauer Technologie und Monetarisierung zu starten. Die privaten Fernsehsen- noch leicht erhöht. Mit dieser Vielzahl Zudem ist der Anteil der privaten TV- Umfassende Transformation des Auf der Plattform »Joyn«, die im Juni der stehen vor radikalen von linearen Programmen ist eine Sender an den Online-Werbeumsätzen Geschäfts  online ging, werden mehr als  Grenze der Diversifi zierung erreicht, weiterhin verschwindend gering. Free-TV-Sender im Live-Stream und als Schritten, um sich gegen weil sich zum einen die Zuschauer die  erreichte das Fernsehen einen Was bleibt privaten TV-Anbietern ange- Mediathek sowie die Inhalte  weiterer Streaming-Plattformen Bewegtbildnutzung zunehmend nicht Zuwachs von gerade mal , Prozent, sichts dieser Ergebnisse zu tun? Diese Content-Partner gebündelt. Damit ent- behaupten zu können von einem Programmschema vorschrei- während die Brutto-Werbeerträge insge- Frage stellte Ende vergangenen Jahres stand das größte kostenlose FreeTV- ben lassen wollen und zum anderen an- samt um , Prozent gestiegen sind. Der auch die Studie »Quo Vadis, deutsche Angebot auf dem deutschen Markt. gesichts rückläufi ger Werbeumsätze bei größte Anteil entfi el mit , Milliarden Medien? Zur Zukunft deutscher Fern- Aber ob diese neuen Online-Akti- HELMUT HARTUNG klassischen Medien nicht mehr Free- Euro (,%) zwar immer noch auf das sehanbieter in digitalen Streaming-Zei- vitäten der privaten Sendergruppen Programme fi nanziert werden können. Fernsehen. Aber wie lange noch? Rund ten« von Roland Berger und der Westfä- ausreichen, ist fraglich. or nahezu  Jahren, im De-  Prozent des globalen Online-Werbe- lischen Wilhelms-Universität Münster. So heißt es in der oben zitierten zember  startete Sat. marktes oder  Prozent des weltweiten Die Antwort: »Zum einen bleibt der Studie: »Den privaten deutschen Me- : Das Jahr der Disruption der eine Innovation im Deut- Gesamtwerbemarktes laufen heute al- geordnete Rückzug. Dieses Szenario dienanbietern fehlt es gegenwärtig an TV-Branche V schen Fernsehen: Eine La- lein über die beiden Plattformen Google sieht die kurz- bis mittelfristige Profi t- Streaming Power bezüglich aller drei te-Night-Show nach amerikanischem  ist das Jahr der Disruption in der und Facebook. Der Rest verteilt sich auf maximierung mit anschließendem Ver- kritischen Ressourcen Content, Distri- Vorbild. Als am . Dezember  die Fernsehbranche. Mit Apple und Disney kleinere Player – und auf die Konkur- kauf des schrumpfenden Geschäfts vor. bution und Monetarisierung. Um den Zusammenarbeit Harald Schmidts mit drängen neue Player in den bereits um- renz aus China. In Deutschland gehen Option  ist ein radikaler Wandel des heutigen Gesamtmarktanteil halten zu dem Privatsender endete, verfolgten kämpften Streaming-Markt. Von den vom gesamten Online-Werbeumsatz Geschäftsmodells, d. h. ein völlig neuer können, müsste ProSiebenSat. einen , Millionen Zuschauer den Ab- sogenannten Millennials, den - bis mit , Milliarden Euro rund , Milli- Geschäftsbereich müsste erschlossen Streaming-Marktanteil von  Prozent schied des Entertainers von Sat.. Das -Jährigen, nutzen  Prozent min- arden – oder rund  Prozent – über die werden. Die dritte Option besteht in und RTL von  Prozent erzielen – was entsprach einem Marktanteil von , destens eine der beliebtesten Plattfor- Server von Google und Facebook. Doch einer umfassenden Transformation des jeweils mehr als einer Verdoppelung Prozent. Doch diese Zeiten erfolgreicher men Netfl ix, Amazon Prime Video, Sky inzwischen etabliert sich ein neuer Geschäfts – ein Weg, der allerdings gro- der heutigen Streaming-Anteile ent- Innovationen und solch hoher Markt- Go & Select oder die ARD- oder ZDF Wettbewerber als relevante Größe. Und ße Investitionen erfordert.« Die beiden spricht. Sollte das Ziel ambitionierter anteile sind für das private Fernsehen Mediatheken; bei der Altersgruppe ab der kann mit zusätzlicher Reichweite großen privaten Sendergruppen haben sein, nämlich den heutigen Marktan- längst Geschichte. Höchstens mit Fuß-  Jahren sind es nur  Prozent – so und Rechenpower aufwarten: Amazon. sich gegen einen »geordneten Rückzug«, teil im linearen TV nunmehr auch im ball erreicht RTL heute im Ausnahmefall die Ergebnisse einer aktuellen Analyse Amazon wird sich zu einer der wich- für die dritte Option entschieden. nicht linearen Bereich zu erreichen, Marktanteile von annähernd  Prozent. der internationalen Data and Analytics tigsten Online-Werbeplattformen dann würde das in etwa einem Anteil Vorbei die Zeiten, als »DSDS« bei RTL Group YouGov. entwickeln und hat nach Schätzun- an der Streaming-Zeit entsprechen, Neue Strategie für RTL-Group noch Rekordquoten erzielte, vorbei Immer mehr Nutzer wenden sich gen in Deutschland  schon rund den heute Amazon mit seinem Prime- die Zeiten, als Stefan Raab ProSieben vom klassischen linearen Fernsehen ab,  Millionen Euro Umsatz mit Wer- Bertelsmann-CEO Thomas Rabe will, Video-Angebot erzielt – wobei die zu in schöner Regelmäßigkeit Top-Reich- hin zu den fl exiblen Streaming-Ange- bung generiert. Damit würde Amazon wie er nach Übernahme des Vorstands- erwartenden neuen Konkurrenten weiten bescherte. boten. Laut YouGov-Analyse profi tier- bereits zehn Prozent des deutschen vorsitzes der RTL Group Anfang  nicht berücksichtigt sind.« Die deut-  startete mit Sat. der erste kom- ten von diesem Trend bisher vor allem Online-Werbemarktes für sich verbu- erklärte, die Transformation der RTL- schen Medienanbieter müssten radi- merzielle TV-Sender, wenig später ging der Streaming-Gigant Netfl ix. So gaben chen können. Globale Player wie Net- Group mit drei Prioritäten vorantrei- kale Maßnahmen ergreifen, um sich RTL auf Sendung. In den er Jahren  nur knapp drei Prozent der - bis fl ix und Amazon werden im Vergleich ben: Erstens mit der Stärkung der im nicht linearen Streaming-Sektor erreichten Sat., RTL & Co. mehr Zu- -Jährigen an, mindestens einmal pro zu einem nationalen Anbieter immer Kerngeschäfte TV, Radio und Produk- ein nennenswertes Stück des rasant schauer als die öff entlich-rechtlichen Woche Netfl ix zu nutzen.  waren größere Skaleneff ekte und damit um- tionsgeschäft, zweitens mit dem Aufbau wachsenden Zeit- und Umsatzkuchens Sender.  lag deren Marktanteil es bereits  Prozent. In dem Maß, wie fangreichere Investitionsmöglichkeiten lokaler Video-Streaming-Champions sichern zu können – und damit nicht bei , Prozent,  waren es noch US-Studios wie Disney oder Universal haben. Nationale Sender müssen daher und drittens mit dem Aufbau ihrer auf das lineare TV-Geschäft beschränkt , Prozent, Tendenz fallend. Zudem eigene Streaming-Plattformen star- verstärkt über eine Strategie nachden- Werbetechnologie-Geschäfte. Dazu zu sein. stehen hinter den Marktanteilen real ten, wird es für die TV-Sender zudem ken, die es ihnen erlaubt, ihre Kräfte soll auch die Kooperation innerhalb Das erfordere von den TV-Anbietern weniger Zuschauer. Und das obwohl schwieriger, sich mit exklusiven, attrak- zu bündeln und gemeinsam gegen die der Bertelsmann-Gruppe zwischen Gru- radikale Schritte. »Letztlich müssen sich die Zahl privater Anbieter in den tiven Inhalten zu versorgen. Der Druck großen Player anzutreten. ner + Jahr und RTL ausgebaut werden. diese nichts weniger schaff en, als sich vergangenen Jahren explosionsartig nimmt weiter zu. »Das Fernsehen ist gefordert, den Lokale Eigenproduktionen, an denen von ihrer bisherigen Rolle als Sender vermehrt hat. Wandel zu personenbezogener Wer- die Mediengruppe alle Rechte hält und zu verabschieden und sich als Player in Laut aktuellem Medien- und Kom- bung mitzumachen. Die bereits sehr an denen Netfl ix und Amazon bislang einem viel stärker umkämpften Wett- Rückläufi ge TV-Werbung munikationsbericht der Bundesregie- hohe Verbreitung von Smart-TVs er- nur wenig Interesse zeigen, haben bei bewerb wiederzufi nden, in dem es auf rung umfasste das Programmangebot Das Fernsehen hat bei den Werbeum- möglicht dieses«, erklärt dazu der neuen Projekten für RTL Priorität. Laut ganz andere Dinge ankommt als jene, der privaten Veranstalter zum Jahres- sätzen das Jahr  erstmals seit  Medienexperte Werner Ballhaus vom Geschäftsbericht  investierte die die die TV-Anbieter einst großgemacht anfang  insgesamt  Programme, mit einem Minus abgeschlossen. Der Beratungsunternehmen PwC. Ein erster Mediengruppe RTL eine Milliarde Euro haben und die bis heute ihre Kern- davon  Vollprogramme,  Fensterpro- Nettowerbeumsatz sank um , Prozent Ansatz für mehr Zielgruppengenauig- in »lokalen Content« – deutlich mehr kompetenzen darstellen«, resümiert gramme,  Spartenprogramme,  Pay- auf rund , Milliarden Euro. Die größ- keit seien Werbespots, die nur auf den als der Konkurrent ProSiebenSat., bei die Studie von Roland Berger und der TV-Programme,  Teleshopping-Pro- te klassische Gattung leidet unter der Bildschirmen von Zuschauern ausge- dem der Großteil des Budgets immer Universität Münster. gramme und  landesweite, regionale gedämpften konjunkturellen Stimmung strahlt werden, die in einer bestimmten noch in US-Lizenzware fl ießt. Die RTL oder lokale Programme. Diese Zahl hat und der Umverteilung der Werbeinves- Region wohnen oder andere spezifi sche Group will zudem die Zusammenarbeit Helmut Hartung ist Chefredakteur des sich in den vergangenen drei Jahren titionen in die nonlinearen Angebote. Merkmale aufweisen. ihrer Tochtergesellschaften stärken. Der Blogs www.medienpolitik.net 28 DAS LETZTE www.politikundkultur.net

Kurz-Schluss Wie ich einmal auf der Suche nach Werten vom Wertewandel in den Börsenwert und zurück auf den Allerwertesten geschleudert wurde

THEO GEIẞLER auszuhändigen mit der Zusage, ihn in Matt entsinne ich mich eines Dauer- de und dieser Ergebnis einer präzisen »starken deutschen Rechtsstaat« ein. Euro-Münzen (selbstverständlich samt streites mit einem eigentlich bestens Aushandlung sei. Werte im üblichen, Von Zuwanderern wird »Assimilation Vorsicht, diesmal wird’s ein bisserl erns- Aufrundung) umzutauschen. befreundeten Kommilitonen Mitte der gebräuchlichen Sinn würden einem statt Integration« und die Orientie- ter hier: Vor ein paar Tagen ertappte ich Dabei fühlte ich mich reichlich in- er Jahre des vergangenen Jahrhun- aber fast immer nur vorgesetzt, Ideo- rung »an einer europäisch-deutschen bei einem Spaziergang meinen elfjäh- konsequent und feige. Wie sollte ich derts. Er zärtelte mich als verstaubten logien im spirituellen wie im materiel- Leitkultur« verlangt. (Quelle? Philipp rigen Enkel dabei, wie er – glaubte ich dem Knaben klar machen, dass der Möchtegern-Idealisten, stets auf der len Raum entweder aus Rechthaberei, Amthor, CDU?). Die Werteunion tritt – Steinchen in den Wald warf. Glaubte herstellerische Wert einer Cent-Münze Suche nach gültigen Werten beispiels- verblendeter Überzeugung, Machtgier, für eine »am Bedarf des Arbeitsmarkts ich, denn bei näherem Hinsehen stellte vermutlich höher sei als sein kapitaler? weise im Kulturbereich, der nicht ka- Sehnsucht nach Vorteil generiert. Und orientierte Einwanderung« und eine ich fest, dass er aus seinen prall gefüll- Und dies in einer Zeit gespaltener ge- piert hätte, wie übel missbrauchbar der Carl Schmitt, ein »Kronjurist« der Nazis, »gesteuerte qualifi zierte Zuwanderung« ten Hosentaschen Ein- und Zwei-Cent- sellschaftlicher Realität: Die einerseits Begriff »Wert« im Lauf der Zeit gewor- salbadert: »Wer Wert sagt, will geltend sowie für eine restriktivere Asylpolitik Münzen kramte und, so weit es ging, den Satz »Wer den Pfennig nicht ehrt, den sei. Einerseits als Defi nition bei- machen und durchsetzen. Tugenden ein und fordert einen besseren Schutz wegwarf. Gutgläubig wie ich nun mal ist des Talers nicht wert« längst auf dem spielsweise des tollen »Börsenwertes« übt man aus; Normen wendet man an; der Grenzen im Falle verstärkter Ein- bin, fragte ich ihn, ob er Geld säe, damit Müllhaufen der Geschichte hat verrot- eines Unternehmens. Andererseits als Befehle werden vollzogen; aber Werte wanderungsversuche. Ferner werden im es ordentlich wachse (nicht ohne gleich ten lassen. Die mehr kapitale Millio- ideologischer Totschläger, mittels des- werden gesetzt und durchgesetzt. Wer Mittelmeer aufgegriff ene Migranten an eine Minipredigt anzuschließen, dass näre und Spekulationsgewinnler gene- sen seinerzeit die Amerikaner Viet nam ihre Geltung behauptet, muss sie gel- die Küste zurückgeführt, von der sie ge- dies ein ziemlich hoff nungsloser Weg riert als hochnotwendige Pfl egekräfte. entlaubten und entmenschten. tend machen. Wer sagt, dass sie gel- kommen sind … Nein, wir leben nicht in zum Reichtum sei). »So ein Schmarrn, Andererseits, viele ihrer gealterten »Werte?« Für ihn ein beliebig sor- ten, ohne dass ein Mensch sie geltend Ungarn. Aber wie sag ich’s meinem En- Opa – glaubst, ich bin doof?«, antwor- Arbeitskräfte, ehemalige Leistungs- tierbarer Kanon, der schon im Wortbe- macht, will betrügen. Niemand kann kel? Am besten lass ich es drucken, das tete er, nicht ohne mit dem Finger an träger, zum Flaschensammeln in den griff selbst bestimme, dass es nicht um werten, ohne abzuwerten, aufzuwerten wirkt glaubwürdiger (falls er es liest)… die Stirn zu tippen. »Ich hab nur mein Abfallkorb-Parcours zwingt, damit sie Sittlichkeit oder Moralität ginge, son- und zu verwerten. Wer Werte setzt, hat Sparschwein ausgemistet, damit mehr sich mal eine warme Mahlzeit leisten dern um etwas präzise Bestimmbares: sich damit gegen Unwerte abgesetzt.« Platz für Silbergeld und Scheine bleibt.« können. Argumente in Sachen materi- »Welchen Wert hat ein Mensch? Was ist Und das von einem, der als Rechts- »In Dänemark«, fügte er weise hinzu, ellem »Wert«, die üppig und kontinu- unwertes Leben? Bestimmbar mit den außen zur Nazizeit reüssierte. Mein »ist dieser Kupferschrott schon gar nix ierlich von jeder Menge Medien, von Mitteln des Marktes und des Handels. Reservoir an Gegenargumenten mehr wert. Außerdem könntest du mein Schulbüchern und anspruchsvolleren Daher auch die sogenannten typischen schrumpfte, ohne meine Überzeugung Handy mal für Apple-Pay freischal- Kinder-Kanälen reichlich transportiert Werte bürgerlichen Lebens wie Fleiß, zu demolieren, dass es sehr wohl allen ten, du hast doch eine Kreditkarte.« werden – und im Dauerfeuerwerk von Disziplin, Pünktlichkeit. Ehrlichkeit?« zuvor moralischer Werte bedürfe. Wie Mir lag zwar eine Moralpredigt samt »Warcraft«, »Deutschland sucht den Haha. Herzlichkeit hätte da sowieso sag ich’s meinem Enkel? Da schmückt Schimpfkanonade auf der Zunge. Im Superstar« oder dem Gehalt von Robert keinen Platz. Damit sind diese Wert- sich gerade lautstark eine sogenann- Wissen, noch nie ein guter Pädagoge Lewandowski schlicht verschwinden. fragmente beliebig verwertbar. Ein Ka- te »Werteunion« im Schwefelparadies gewesen zu sein, entschloss ich mich Ungeil. Unattraktiv. Wertlos. Wie sag non der Werte sei doch wohl nur dann zwischen CDU und AfD. Absolut kon- zu einer Art Moratorium. Ich bot mei- ich’s meinem Enkel: Es gibt wirklich sinnvoll zu bilden, wenn ein wirklich traproduktiv. Ihr allerwertester Boss na- Theo Geißler ist Herausgeber von nem Enkel an, mir den »Kupferschrott« gültige Werte… allgemeiner Konsens gefunden wür- mens Alexander Mitsch tritt für einen Politik & Kultur

TAUBENSCHISS  DIE P&K TRUMPFAKES

Washington: Donald Trump hält sich für tritt künftig – ohne sich blackfacen zu den Justiz-Chef der USA und der Welt. müssen – auch noch als Heiliger Baltha- »Ich darf mich voll und ganz einbrin- sar bei den Drei Königen auf. gen«, sagte er Reportern in Washington vor seiner Abreise nach St. Quentin zu Berlin: David Fischer, Anita Tillmann einem Prozess gegen ihn wegen Upskir- und Philipp Westermeyer haben ge- ting. Er rechtfertigt so die umstrittenen schaff t, worauf in der Start-up-Szene Begnadigungen, die er im Bereich Steu- jeder hofft. Sie haben Rückschläge erhinterziehung und sexuelle Belästi- überstanden und sind heute erfolgreich. gung in eigener Sache durchgeführt hat. Tillmann, Geschäftsführerin der Premi- »Eigentlich bin ich der oberste Strafver- um-Group, Podcaster und Gründer des folgungsbeamte des Landes. Also habe OMR-Festivals Westermeyer und High- ich mich entschieden, überall involviert snobiety-Gründer Fischer verbindet vor zu sein, vor allem in das sogenannte allem das Durchhaltevermögen in der Impeachment-Verfahren gegen mich.« Anfangsphase. Es geht um den eigenen Abrieb, den steten Gegenwind und das Essen: Viele Promis machen mit, wenn Gefühl, selbst eine Marke zu sein. Be- RTL die Leidensgeschichte Christi live sonders wichtig: die klebrige Rückseite. in die Gegenwart holt: Thomas Gott- schalk, Jürgen Tarrach, Stefan Mross New York: US-Präsident Donald Trump oder Martin Semmelrogge als Verbre- hat dem Multimilliardär Michael Bloom- cher Barrabas: RTL will eine moderne berg vorgeworfen, sich die Nominie- Fassung der Leidensgeschichte von Jesus rung als Präsidentschaftskandidat der live ins Wohnzimmer bringen. »Die Pas- Demokraten »illegal zu erkaufen«. Die sion« lautet der Titel des »Music-Live- massiven Ausgaben stellten illegale Events«, das am Mittwoch vor Ostern Wahlkampffi nanzierung dar, behaup- aus der Stadt Essen übertragen wird. tete er über Twitter. Bloomberg fi nan- Erzähler ist Thomas Gottschalk. »Ich ziert seine Bewerbung selbst. Er nimmt bin einer der wenigen Teilnehmer, die für den Wahlkampf keine Spenden an. die Geschichte noch im Original erlebt Trump hingegen verkauft schon jetzt haben«, witzelte Gottschalk bei der Vor- lukrative Posten als Boeing-Werbema- stellung der Show. In diesem Moment nager, Putzmann im Weißen Haus oder

FOTO: KLAUS STUTTMANN KLAUS FOTO: wurde er von einem Blitz getroff en. Er erster Zoodirektor auf dem Mars. (thg).

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