Der kleine — Montag, 14. September 2015 29 Kultur

Kurz & kritisch Kindertheater diese überaus feine Theaterstunde. Der Wolf will eigentlich Auch wenn manche im Publikum fan- nur fernsehen den, sie hätten gerne einen zweiten Auf- tritt des Wolfs gehabt mit seinen gran- Jetzt ist Mary also allein daheim, der diosen Krallensocken. Regula Fuchs Kühlschrank ist voll, und sie weiss: Herd nicht anschalten! Fenster zu! Nicht raus- Weitere Aufführungen im Schlachthaus- gehen! Niemanden hereinlassen! «Eine Theater: 19. und 20. September, je 16 Uhr Cousine von meiner Mutter ist von ei- nem Wolf gefressen worden», erklärt Musikfestival die Achtjährige keck, und schon be- Einnehmende Verve und kommt das eigentlich alltägliche Szena- rio, dass ein Kind zum ersten Mal ohne peinliches Pathos Eltern zu Hause ist, fantastische Flügel. Einmal mehr hat das Musikfestival Bern Denn nicht lange, und – Dingdong! – für eine ungewöhnliche Zusammenar- tönt diese dunkle Stimme durch die beit gesorgt. Die Chöre Canto Classico ­Gegensprechanlage: «Ich bins, deine und Canto Allegro bestritten gemeinsam Mama, mach mir auf!» mit dem Sinfonischen Blasorchester Eine Märchenadaption ist das Stück Bern und einem Solistenensemble der «Alleidihei» des Schaffhauser Theaters Berner Hochschule der Künste (HKB) ein Sgaramusch im Schlachthauskeller aller- Konzert in der Französischen Kirche dings nicht. Mary bekommt es auch mit und musizierten Loblieder auf die einer detektivisch veranlagten Nach­ Schöpfung und den Ursprung der Musik. barin, einem Büezer, der von Fernweh Den Anfang machte Darius Milhauds singt, und Frau Messerli von der Schul- (1892–1974) Ballettmusik «La création du kommission zu tun. Das alles ist ganz luf- monde» für 17 Soloinstrumente. Für die tig verwoben, so, wie man sich die Ge- Bearbeitung afrikanischer Schöpfungs- dankenwelt eines Kindes vorstellt, wo mythen verband er Elemente des Jazz, die wildesten Ideen und der Sinn fürs den er in New Orleans gehört hatte, mit Wirkliche einträchtig koexistieren. kontrapunktischer Kunst und französi- Diese Mary also, die ist von vier bis scher Klangsinnlichkeit. neun home alone, und weil niemand Das Ensemble der HKB unter Rolf von den Freunden zum Spielen kom- Schumachers Leitung machte sich mit men kann (die sind im Ballett, in der Verve ans Werk und überzeugte mit Klavierstunde, im «Socken-Flicken- schönen Bläsersoli. Jedoch hätte man und-Verzieren», im «Berufe-Wählen- sich gerade in den doch reichlich ver- besser-früh-als-spät» oder im «Ge- trackt groovenden Passagen noch mehr schwister-Verprügeln-leicht-gemacht»), rhythmische Schärfe und einen transpa- werden das fünf abenteuerliche, lustige und auch mal beängstigende Stunden. Musikfestival Bern Samt dem Besuch eines gefrässigen Wolfs, der eigentlich nur fernsehen www.musikfestival.derbund.ch möchte. Nora Vonder Mühll spielt Mary quirlig, aber nie zappelig-überzuckert- anbiedernd, und alle anderen Rollen renteren Klang gewünscht. Das mag auch: ein Kinderspiel im wahrsten auch an der Akustik der Französischen Sinn. Denn was vielleicht nur in Marys Kirche gelegen haben, die solcher Musik Oboist, Dirigent, Komponist und Lehrer: Heinz Holliger hat den Schweizer Musikbetrieb geprägt. Foto: Matthias Jurt Vorstellung passiert und was Bühnen- kaum zuträglich ist. wirklichkeit ist – das kümmert weder Wesentlich besser in die Räumlich- die unaufgeregte Inszenierung von keit passte da Oliver Waespis «Canti- ­Carol Blanc noch die kleinen Zuschaue- cum», das in einer Neubearbeitung für rinnen und Zuschauer allzu sehr. Soli, Chor und Kammerorchester zur Ur- Der Neugierige Sogar eine Metaebene erlaubt man aufführung kam. Das Werk, angeblich sich, wenn die tantenhafte Frau Mes- ein Kommentar auf Haydns Schöpfung, Am Samstag wurde Heinz Holliger mit dem Schweizer Musikpreis ausgezeichnet. serli kräht, dass das hier ja gar keine über Zeilen aus Franz von Assisis Son- richtige Geschichte sei. Illusionsbruch, nengesang, bot jedoch vor allem pein- Ein bisschen verrückt müsse man sein, um Kunst zu machen, sagt er. Selbst­reflexivität und der Mut, die lich berührendes Pathos. Die aufge- Dinge nicht bis ins Letzte auszudeut- setzte Atonalität des schwebenden Be- schen – was für Erwachsene spannend ginns mit Marimba und Geigen­girlanden ist, ist es auch für Kinder: Das zeigt ging alsbald in einen Abklatsch roman­ tischer Oratoriengrandezza über. Der Susanne Kübler des Schweizer Schönberg-Schülers Erich Immer wieder hat er Dialekttexte vertont, Chor unter Willi Derungs wirkte dabei Schmid. Und immer wieder für jene von wobei ihm die entlegenen, fast schon aus- auch eher schwerfällig. Kein Zweifel, Heinz Holliger hat den mit Robert Schumann, der ihm wohl von gestorbenen Dialekte am liebsten sind. Mehr Stimmung kam bei Jean Ballisats 100 000 Franken dotierten Schweizer ­allen Komponisten am nächsten steht. Und mit Schweizer Volksmusik hat er sich Tondichtung «Le premier jour» auf, die Musikpreis verdient: Seit Jahrzehnten ge- Schumann starb bekanntlich in einer schon befasst, als das noch keineswegs das Sinfonische Blasorchester Bern über- hört der Berner zu den prägenden Figu- Nervenheilanstalt, und als wahnsinnig angesagt war. Gleichzeitig wäre es ihm nie zeugend darbot. Obwohl Ballisat in seiner ren der Schweizer Musiklandschaft, und wurden auch viele jener Dichter taxiert, in den Sinn gekommen, sich auf ein grenzenlos apotheotischen Ausdeutung er hat auch mit seinen 76 Jahren nichts mit denen sich Holliger als Komponist aus- Schweizer Gärtchen zu beschränken: der Genesis ebenfalls triefende Neoro- von seiner Quicklebendigkeit verloren. einandergesetzt hat. Robert Walser, Adolf Sein Horizont (und sein Erfolg) reicht weit mantik erklingen lässt, so ist das doch zu- Angefangen hat er einst als Oboist. Wölfli – «das beschäftigt einen schon, dass über die Grenzen hinaus. mindest gut gemacht. Charles Gounods Oder genauer gesagt: als überaus neu- sich damals die faszinierendsten Köpfe (1818–1893) berühmte Cäcilienmesse gieriger Oboist. Er wollte nie nur ein Vir- am Frühstückstisch in der Irrenanstalt Der passende Preis schliesslich ist ein Loblied auf die Musik. tuose sein, sondern auch verkanntes Re- Wald­au trafen», hat er einmal gesagt. Hol- Das spiegelt sich auch in der Preisliste: Die Bearbeitung für Blasorchester an- pertoire entdecken. Allein dafür, dass er liger findet in ihren Texten jene existenzi- Holliger hat mit dem Siemens-Musikpreis stelle eines sinfonischen Orchesterappa- die grossartigen Sonaten des Bach-Zeit- ellen Fragen und die unverbrauchte Spra- 1991 den wohl renommiertesten Musik- rats funktionierte erstaunlich gut. Die fein genossen Jan Dismas Zelenka ausgegra- che, die ihn inspirieren zu seinen so preis überhaupt bekommen. Zudem fin- austarierten Bläserklänge erweckten den ben hat, müsste man ihn prämieren. ­radikalen wie verspielten Werken. den sich in seiner Sammlung der Kunst- Eindruck von Orgelregistern und fügten Ein bisschen verrückt müsse man ja preis der Stadt Basel, der Premio Abbiati sich so gut ins Klangbild französischer Ro- Alle in der Anstalt sein, wenn man Kunst mache, sagt Hol- (für seinen im wahrsten Sinne des Wortes mantik. Das Solistenterzett (Rebekka Auch als Dirigent hat er sich immer für liger: «Wenn normale Menschen kompo- atemberaubenden «Scardanelli-Zyklus»), Mae­der, Raphaël Favre, Alain Clément) Werke jenseits der Hitparaden einge- nieren, dann kommt doch allenfalls Cle- die Ehrendoktorwürde der Universität harmonierte schön, und der Chor bot ei- setzt. Zum Beispiel für Haydns Oper menti dabei heraus.» Oder, anders for- Zürich, der Preis der Deutschen Schall- niges an Klangmasse auf. Auf der Strecke «L’isola disabitata» (Haydn habe im Un- muliert: Regeln und Ideologien haben plattenkritik, der Zürcher Festspielpreis blieben allerdings Diktion und gesangli- terschied zu Beethoven kein einziges keinen Platz in Holligers Musikwelt. (mit dem er die Edition Erich Schmid che Nuancen. Und so stellte sich bald eine schlechtes Werk geschrieben, hat er ein- Entsprechend undogmatisch ist auch unter­stützte) – etcetera. Der Schweizer Wo fängt sie an, die Wirklichkeit, wo hört Gleichförmigkeit ein, die der Musik ihre mal gesagt). Oder für die Kompositionen sein Umgang mit dem Schweizerischen: Musikpreis passt da bestens dazu. sie auf? Nora Vonder Mühll. Foto: zvg Strahlkraft entzog. Moritz Achermann

Berner Kultur

Bühne Dancefloor/Partys hof, 10 a. 11.00. Tel. 031 328 12 12 031 808 12 01. Abegg-Stiftung, Werner Abegg- Musizierstunde Michiel van Kooten: Gi- Burgdorf oder [email protected] Strasse 67. 14.35, 15.30, 16.30. tarre. Theatersäli Schulhaus Oberfeld, Oberfeld- Wege aus der Depression - natürlich Bern Bern Stadtführung: Offizielle Spiez strasse 13. 20.00. ganzheitlich. Dr. med. Ruedi Brodbeck, Facharzt Geschlossene Gesellschaft. Von Jean-Paul SalsaBar & Practica. Muévete Escuela Cu- (Zeitglockenturm)-Führung. Das erste Läsetfest. Gemütliches Beisammensein und bana de la Salsa, mit Salsa, Bachata, Animation + westliche Stadttor (1218 - 1256) der Berner Alt- Allgemeine Innere Medizin FMH, zeigt auf, wie De- Sartre. Regie: Stefan Meier. Mit: Peter Bamler, Katha- Dorfet mit Festwirtschaft im Zelt des Musikvereins Pratica, Barbetrieb 5eme Etage, Mühlenplatz 11. stadt mit seinem bald 500-jährigen Uhrwerk. Treff- pressionen erkannt, auf natürliche Art und Weise rina Paul, Sinikka Schubert und Helge Herwerth. Keine Spiez. Kronenplatz. 10.00. Literatur Pause. DAS Theater an der Effingerstrasse, Effinger- 20.30. punkt: Zytglogge (Zeitglockenturm), Seite Kram- vorgebeugt und überwunden werden können. Semi- strasse 14. 20.00. www.dastheater-effingerstr.ch Stompin’ at Mahogany Hall. Beswingter gasse. Bern Tourismus, Tourist Information im Thun Bern narraum der LLG, Lyssachstrasse 12. 19.30. Beyond & «J’ai dit OUI, mais c’est NON». Tanzabend mit Swing der 30er-Jahre. Lindy Hop, Bahnhof, Bahnhofplatz 10 a. 14.30. Tel. 031 328 12 12 Frühstücksschiff. Starten Sie Ihren Tag mit ei- Hansjörg Schertenleib: Jawaka. Sein Hermesdance präsentiert ein Kurzstück für 16 Ju- Balboa, Shag. Mahogany Hall, Klösterlistutz 18. oder [email protected] nem leckeren Frühstück auf dem Thunersee. ab Münsingen gendliche und ein Profi-Stück mit der Frage des rich- 19.30. NEUstadt-lab . Wer küsst die Schützenmatte? Schiffländte, vis-à-vis Bahnhof. 9.40., Anmeldung neuer Roman, aus drei magischen, verschlungenen Infoanlass hüftgelenknahe Frakturen. tigen Abstandes zu... Grosse Halle Reitschule, Neu- Kunst- und Kulturraum für alle Bernerinnen und erforderlichTischreservation: Schiffcatering Thu- und einander spiegelnden Geschichten spielt mit Chefarzt Dr. med. Jürg Bründler informiert im Spital nersee, Tel. +41 (0)33 334 52 34 brückstrasse 8. 10.00. [email protected] Berner. Infos zu den einzelnen Projekten auf Face- den Ebenen seiner Fiktionalität,mit Zeiten, Imagi- Münsingen über Schenkelhals- und andere hüft- Heinz Däpp: Wahlzirkus. Däpp verkehrt den Dies & Das book. Schützenmatte. 10.00. Frühstückssschiff. Starten Sie Ihren Tag mit nationen und Identitäten und hinterlässt einen Fun- einem leckeren Frühstück auf dem Thunersee. ab nahe Knochenbrüche. Vortrag mit anschliessendem Bierernst im Wahlkampf zur Lachnummer im Wahl- Bern Ostermundigen ken der Ungeheuerlichkeit. Haupt Buchhandlung, Apéro. Eintritt frei. Spital Münsingen, Krankenhaus- zirkus. Seine Wahlen sind ein heilsames Korrektiv Schiffländte, vis-à-vis Bahnhof. 8.40., Anmeldung Lesen und Schreiben - (k)eine Selbstver- Montags Meditation. Abend Meditation (auch Falkenplatz 14. 19.00. weg. 19.00. zu den Qualen der Parteistrategen. La Cappella, All- erforderlichTischreservation: Schiffcatering Thu- ständlichkeit. «Lesen und Schreiben Bern» lädt für Anfänger und nicht Stillsitzer). Ohne Voranmel- nersee, Tel. +41 (0)33 334 52 34. mendstr. 24. 20.00. zu einem Schnupperkurs für erwachsene Lernende dung SEVEN-Ayurveda, Schermenweg 157. 18.00. Thun Alleidihei. Mary ist zum ersten Mal alleine zu ein. Berner GenerationenHaus, Bahnhofplatz 2. Wissenschaftscafé: Mythos Wald. Das Hause. Sie freut sich riesig. Ihre Freundin dürfte das Riggisberg Vorträge 19.00. Kinder/Jugend Wissenschaftscafé widmet sich aktuellen wissen- nie. Die darf nicht mal allein zur Schule. Und dann Stadtführung: Offizieller Altstadtbum- Villa Abegg - In den Salons eines Bern schaftlichen und gesellschaftlichen Fragen und er- klingelt’s. Soll Mary auf machen? Schlachthaus mel. Die Stadt zu Fuss entdecken (UNESCO-Welt- Sammlerpaares. Geführte Rundgänge in Klein- Langnau Info-Abend. Präsentationen über Finnisch Lapp- Theater Bern, Rathausgasse 20 / 22. 10.00, 14.00. erbe) mit ihren Erkern, Brunnen, Türmen, Gassen, gruppen von max. 5 Personen durch das ehemalige Musizierstunde Michiel van Kooten: Gi- möglicht einen direkten Dialog zwischen Publikum http://www.schlachthaus.ch/spielplan/index.php, Arkaden... Treffpunkt: Tourist Information im Bahn- Wohnhaus von Werner und Margaret Abegg, den tarre. Theatersäli Schulhaus Oberfeld, Oberfeld- land, Hurtigruten, Spitzbergen/Grönland und Is- und Expertinnen und Experten. Eintritt frei. Wissen- oder in der Münstergass-Buchhandlung, Bern hof. Bern Tourismus, Tourist Information im Bahn- Gründern der Abegg-Stiftung. Reservation: strasse 13. 19.00. land Hotel Kreuz Bern, 41. 18.00. schafts Café - Thalia Bücher, Bälliz 60. 17.15.