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Die Brüder Augustus Friedrich und Gustav Adolph Vorwerk: Zwei Hamburger Kaufleute Zwei Hamburger Kaufleute und Gustav Adolph Vorwerk Die Brüder Augustus Friedrich Hamburgs zählen. Bautente zudenbeachtenswerten richten, stattliche Villen, diebisheu- Haller (1835–1925)Sommerhäuser er- Forsmann (1795–1878 deutenden Architekten Franz Gustav beiden Söhne Vorwerk von denbe- stedten ließensichder Vater unddie Stadtteilen KleinFlottbek undNien- ßem Umfang ausgeweitet.In den durch vielfältige Aktivitäteningro- den Jahrzehnten derGründerzeit beiteten, weiterentwickelt undin Söhnen, diezeitlebens zusammenar- de von dennahezugleichaltrigen der Vater ins Werk gesetzthatte,wur- beispielhafte Weisevoranbrachte. Was auch diechilenische Wirtschaft auf allem diehamburgische,ebensoaber lebten, einDreiergespann, dasvor Söhne, diezwischen1837 Chile gründete,bildetendiebeiden der Firmen erstinHamburg, dannin rich Vorwerk(1793–1867) zusammen, werden. Mit ihrem Vater Georg Fried- phien näherindenBlick genommen Adolph Vorwerk, dassihre Biogra- Augustus Friedrich undGustav aufrückten, verdienen dieBrüder einer dererstenFamilien Hamburgs schen Tüchtigkeit, mitdersiezu dern auchwegen ihrer kaufmänni- burger Universität förderten, son- und damitdieGründung derHam- schaftliche Stiftung unterstützten 1907 Großzügigkeit, mitdersieimJahre Nicht nurwegen ihrer besonderen die Hamburgische Wissen- ) undMartin und 1921

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Die Brüder Augustus Friedrich und Gustav Adolph Vorwerk

Zwei Hamburger Kaufleute

von Hans Joachim Schröder HWS_Vorwerk_3.1.09_RZ_Korr22.1.qxd 22.01.2009 20:28 Uhr Seite 2

Mäzene für Wissenschaft

hg. von Ekkehard Nümann

Gefördert von Matias Vorwerk H., Santiago de Chile Christa Vorwerk de Fingerhuth, Santiago de Chile Carlos Fingerhuth V., Temuco (Chile) Peter Fingerhuth V., Santiago de Chile C. Andreas Vorwerk, Santiago de Chile Kirsten Böger-Vorwerk, Wedel bei N. N., Hamburg Gefördert von der Hamburger Sparkasse

Den Familien gewidmet, die durch ihre hochherzigen Stiftungen vor 102 Jahren die Gründung der Hamburgischen Wissenschaftlichen Stiftung ermöglicht und den Grundstein dafür gelegt haben, dass die Stiftung auch heute noch Forschung, Lehre und Bildung fördern kann.

Inhalt

Vorwort des Herausgebers ...... S. 3 1. Quellenlage ...... S. 4 2. Der Familien- und Firmengründer Georg Friedrich Vorwerk . . S. 6 3. Zur Kindheit und Jugend der Vorwerk-Brüder ...... S. 15 4. Eine Reise von Augustus Friedrich nach Nordamerika und Kuba ...... S. 23 5. Die Firmen in Chile und Hamburg ...... S. 28 6. Friedrich, Adolph und deren Ehefrauen in den Erinnerungen dreier Enkel ...... S. 44 7. „ Josepha“ und „Haupthaus“ ...... S. 54 8. Gustav Adolph als Bau- und Gartengestalter ...... S. 60 9. Entwicklungen nach dem Tod der Brüder ...... S. 67 10. Anhänge ...... S. 70 11. Literatur ...... S. 72 12. Namensregister ...... S. 74 HWS_Vorwerk_3.1.09_RZ_Korr22.1.qxd 22.01.2009 20:28 Uhr Seite 3

Vorwort des Herausgebers

Im Jahr 2007 feierte die Hamburgische Wissenschaftliche Stiftung ihr 100- jähriges Jubiläum. Der vorliegende fünfte Band ist Teil der zu diesem An- lass ins Leben gerufenen Schriftenreihe „Mäzene für Wissenschaft“. In ihr wird die Geschichte der Stiftung dargestellt; außerdem werden Stifterper- sönlichkeiten und Kuratoriumsmitglieder in Einzelbänden gewürdigt.

Die Absicht, diese Reihe ins Leben zu rufen, entspricht dem dankbaren Gefühl den Personen gegenüber, die vor mehr als 100 Jahren den Mut hatten, die Stiftung zur Förderung der Wissenschaften in Hamburg zu gründen und erreichten, dass Hamburg eine Universität erhielt. Verknüpft damit ist die Hoffnung und Erwartung, dass nachfolgende Generationen sich hieran ein Beispiel nehmen mögen.

Ekkehard Nümann

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Quellenlage

In dem 2007 erschienenen Einführungs- tee angehört hatte, das die Errichtung einer band zur Geschichte der Hamburgischen Universität plante“; allerdings „waren da- Wissenschaftlichen Stiftung werden die Na- mals diese Bemühungen in den Wirren des men einiger Stifterpersönlichkeiten, die sich Jahres 1848 untergegangen.“3 durch eine besonders großzügige Spende ··································································· hervorgetan haben, eigens erwähnt. Neben Wer sich mit dem Leben der Brüder Augu- anderen1 zählten die Brüder Augustus Fried- stus Friedrich und Gustav Adolph Vorwerk rich und Gustav Adolph Vorwerk zu denen, näher vertraut machen will – im Folgenden die jeweils 50.000 Mark zur Verfügung stell- werden meistens nur noch die „Haupt“- ten, einen Betrag, der nur von wenigen, die Vornamen Friedrich und Adolph verwen- das Doppelte und sogar ein Vielfaches spen- det –, muss zuallererst auf die Arbeiten der deten, überboten wurde.2 Die Vorwerk-Brü- Historikerin Renate Hauschild-Thiessen der können damit als Donatoren gelten, zurückgreifen. Als Verfasserin einer detail- denen im Blick auf die Gründung der Ham- lierten Geschichte der verschiedenen Vor- burger Universität ein herausragendes Ver- werk-Firmen,4 als Bearbeiterin einer von Al- dienst zukommt. fred Vorwerk verfassten Biografie über den ··································································· Vater der Vorwerk-Brüder,5 schließlich als Leider ist den Quellen und der Literatur, Autorin eines Lexikonbeitrags6 über eben die zum Wirken der Brüder existieren, nur diesen Vater hat sie ein solides historisches wenig darüber zu entnehmen, ob und auf Fundament geschaffen, auf das sich die welche Weise sie sich „inhaltlich“ mit der nachfolgende Darstellung immer wieder Idee einer Universitätsgründung in Ham- stützt. Das „Dreigestirn“ des Vaters Georg burg auseinandergesetzt haben. Dass es ein Friedrich Vorwerk mit seinen beiden Söhnen ausgeprägtes Interesse und ein hohes Enga- Friedrich und Adolph kann man als eine Art gement gab, unterliegt keinem Zweifel, wirtschaftliches, kulturelles und familiäres denn sonst wäre die besonders tatkräftige Kraftzentrum ansehen, das für die Entwick- Unterstützung nicht zustande gekommen. lung der Stadt Hamburg offensichtlich ex- Von Werner von Melle ist immerhin zu er- emplarische Bedeutung gewonnen hat. Die fahren, dass die beiden Brüder mit ihrem Vorwerks zählen nicht einfach zum geho- Einsatz nicht nur in kaufmännischer, son- benen Bürgertum Hamburgs,7 sondern sie dern auch in kultureller Hinsicht dem Vater scheinen durch eine Kombination verschie- gefolgt seien, „der schon 1847 einem Komi- dener Eigenschaften die hanseatische Le-

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bensweise und den kaufmännischen Erfolg wenn der eine vor dem anderen eine Vor- geradezu modellhaft zu verkörpern. rangstellung gewonnen hat. Die persönliche ··································································· Zurückhaltung Friedrichs sollte kein Grund Neben den Forschungen Hauschild-Thies- dafür sein, ihn in den Schatten zu rücken. sens sind mehrere in der Familie selbst ent- ··································································· standene Schriften erschienen, die über Die Annahme, dass der Vorwerk-Familie mancherlei Details Auskunft geben. Zusätz- eine exemplarische Bedeutung zukommt,9 liche Hinweise sind einzelnen im Hambur- lässt sich nicht zuletzt (wenn auch mit ge- ger Staatsarchiv und in Privatbesitz befind- botener Vorsicht) im Rückgriff auf eine lichen Nachlässen zu entnehmen. Allerdings überarbeitete Dissertation untermauern, die gehört es zum prinzipiellen Selbstverständ- 2006 von John F.Jungclaussen unter dem nis gerade des „Dreigestirns“, dass man über Titel „Risse in weißen Fassaden. Der Verfall sich selbst, über die persönliche Befindlich- des hanseatischen Bürgeradels“ veröffent- keit „eigentlich“ nicht spricht. Zumal über licht worden ist. Neben den Familien Am- Friedrich, den älteren der beiden Brüder, ist sinck, Burchard und Münchmeyer erscheint insgesamt, von einer ausführlichen Reisebe- die Familie Vorwerk gewissermaßen als Pro- schreibung abgesehen (siehe dazu Kapitel tagonist, an dem sich der im Untertitel des 4), nur Spärliches zu erfahren. Über den Va- Buchs angekündigte Verfall vollzieht. Leider ter wissen wir vieles, und Adolph hat eini- weist die Studie Jungclaussens, flott ge- ges an Selbstzeugnissen hinterlassen. Im Fol- schrieben und mit flotten Thesen versehen, genden wird das, was an Einzelheiten über derart viele Fehler auf, dass sie als Quellen- Friedrich zu ermitteln war, möglichst voll- grundlage nur unter großen Vorbehalten be- ständig zusammengetragen, während in der nutzt werden kann; in einer Rezension zu Beschreibung Adolphs manches beiseite ge- der Arbeit wird gar die Frage gestellt, ob lassen werden kann, da es in der Literatur „Jungclaussen überhaupt als Historiker ernst bereits präsent ist.8 Das Bild der Brüder soll genommen werden“ möchte.10 Gleichwohl hier der Intention nach „gleichgewichtig“ ist damit aber die Auffassung, die Brüder gezeichnet werden, weil es letztlich auf Zu- Friedrich und Adolph besäßen exemplari- fälle der Überlieferung zurückzuführen ist, sches Format, nicht in Frage gestellt.

·············································································································································· 1 Siehe dazu Gerhardt, Begründer, S. 25. 2 Detailliert Lübbren, Stiftung, S. 4. 3 Zitiert nach Hauschild-Thiessen, Hamburg und Chile, S. 142. Dazu Näheres bei Melle, Wissenschaft, S. 14. 4 Hauschild-Thiessen, Hamburg und Chile. 5 Vorwerk, Kaufmann. 6 Hauschild-Thiessen, Vorwerk. 7 Vgl. Schröder, Mutzenbecher, S. 7 f. Jungclaussen, Risse, spricht von „Bürgeradel“ – siehe den Untertitel seines Buchs –, eine anfechtbare Bezeichnung, die aber nicht völlig abwegig ist, wenn man bedenkt, dass das gehobene Hamburger Bürgertum seit jeher immer wieder in den Adel hineingeheiratet hat. 8 Siehe insbesondere Vorwerk, Flottbek und Vorwerk, Ambiente, S. 189‒196. 9 Zum Problem des Exemplarischen vgl. Schröder, Versuch, S. 242 ff. 10 Asendorf, [Rezension], S. 180. Vgl. auch scharf kritisch Straub, Flotte. ··············································································································································

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Der Familien- und Firmengründer Georg Friedrich Vorwerk

Mit Hauschild-Thiessens Beitrag über Mutzenbecher, ebenfalls ein Begründer Georg Friedrich Vorwerk ist 2001 im ersten der Hamburgischen Wissenschaftlichen Band des Personenlexikons „Hamburgische Stiftung,11 sondern er wurde selbst zum Biografie“ eine Zusammenfassung erschie- „Stammvater“ einer weitverzweigten Fami- nen, die in ihrer komprimierten Faktenhal- lie. Allerdings ist er nicht der erste Vorwerk, tigkeit nichts zu wünschen übrig lässt. Sehr der nach Hamburg gelangte; vor ihm hatte viel ausführlicher geht die Historikerin in sich bereits sein unverheirateter Onkel ihrer Firmengeschichte auf die Unterneh- Georg Heinrich Vorwerck – er schrieb den mungen des frühen Hamburger Vorwerk Nachnamen noch mit einem „c“ – in der ein, und nicht minder ausführlich hat sich Hansestadt niedergelassen.12 Im Hamburgi- auch der ebenfalls bereits erwähnte Alfred schen Adress-Buch ist er – erstmals 1811 – Vorwerk, ein Enkel von Georg Friedrich, verzeichnet als ein Mann, der in der Firma mit der Biografie seines Großvaters beschäf- „Vorwerck et Hövener“ mit „Tuch und div. tigt. Mit Hilfe dieser drei Darstellungen Waaren“ handelte.13 Nicht zuletzt auf den ließe sich ein facettenreiches Porträt vom ei- Einfluss des Onkels war es zurückzuführen, gentlichen Begründer der Vorwerk-Familie dass Georg Friedrich als Vierzehnjähriger und der Vorwerk-Firmen zeichnen – doch Lehrling in der Hamburger Firma Levin soll hier nur ein eher summarisches Bild Heinrich von Hollen wurde. – In Hildes- entworfen werden. heim geboren, verlebte Georg Friedrich ··································································· seine Kindheit und frühe Jugend in der am Georg Friedrich Vorwerk, der vom 27. Nordharz gelegenen Stadt Langelsheim, wo April 1793 bis zum 4. April 1867 lebte, ver- sein Vater Johann Heinrich Wilhelm Vor- körpert jenen besonderen Menschentypus, werck als studierter Jurist Fürstlich Braun- dessen enorme Tüchtigkeit und unterneh- schweig-Lüneburgischer Schatzeinnehmer merische Entschlossenheit, aber auch dessen war. Seine Mutter Henriette, geb. Fricke, durch Zeitumstände bedingtes „Glück“ die wird vom Urenkel Alfred nicht nur als Entwicklung einer Stadt oder einer Region „kluge und klare“, sondern auch als „stets immer wieder maßgeblich befördern. Der freundliche und gütige Frau“ beschrieben.14 Aufstieg der Familie Vorwerk begann in der ··································································· Tat erst mit Georg Friedrich; er entstammte In der Firma L. H. von Hollen begann also nicht einer „alten“ Hamburger Familie Georg Friedrich am 14. Juni 1807 „als Lehr- wie beispielsweise Hermann Franz Matthias ling mit einem Engagement auf sechs Jahre

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1810 wurde Hamburg Teil des französischen Kaiserreiches.“ Die Befreiung unter Füh- rung des russischen Obersten Tettenborn am 18. März 1813 war nur von kurzer Dauer, denn bereits am 30. Mai 1813 geriet die Stadt für ein weiteres Jahr unter französische Herrschaft.18 Die kriegerischen Verwicklun- gen haben sich aber auf das Leben des jun- gen Fritz offensichtlich nicht spürbar ausge- wirkt; auch wenn ihn die Ereignisse sicher- lich beschäftigt haben, ließ er sich durch sie nicht ablenken.19 ··································································· Nach dem Ende der Lehrlingszeit blieb er weiter in seiner Firma tätig. Er wurde Com- mis (Handlungsgehilfe) und erhielt am 15. Mai 1817 die Prokura. Insgesamt arbeitete er in seiner Lehrfirma sechzehn Jahre, ein lan- Dorothea Vorwerk, geb. de Voss (1801‒1826), ger Zeitraum, der es ihm ermöglichte, sich Ölbild von Johann Hieronymus Barckhan (1826) zum erfahrenen Kaufmann heranzubilden. Am 1. September 1823, dreißig Jahre alt, seine kaufmännische Laufbahn. […] Der machte er sich selbständig, indem er sich Prinzipal Levin Heinrich von Hollen war mit dem viereinhalb Jahre älteren Kaufmann ein sehr gestrenger Herr, bei dem der Lehr- Hermann Michael Christopher Hochgreve ling manche Beschränkung und scharfe Be- zusammentat und die Firma Hochgreve & handlung zu ertragen hatte.“15 Bedenkt Vorwerk gründete. Ihre ersten Kontorräume man, dass Georg Friedrich – er wurde auch bezog die Firma im Hause Katharinenstraße einfach „Fritz“ genannt16 – sechs Jahre lang 38. Mit seinem Lehrherrn verband Fritz wei- eine „harte Schule“ durchmachen musste, terhin ein gutes Verhältnis; von Hollen ge- so liegt es auf der Hand, dass hier Prinzipien hörte zu denen, die für die Solidität des neu und Verhaltensweisen anerzogen wurden, gegründeten „Waaren- und Speditions-Ge- die für das ganze weitere Leben prägend wa- schäfts“ gebürgt hatten.20 ren. Unter dem „unermüdlich tätigen, äu- ··································································· ßerst gescheiten Prinzipal“17 hatte Fritz frei- Im Alter von knapp 33 Jahren heiratete lich nicht nur zu leiden, er hat vor allem Georg Friedrich Vorwerk Dorothea de Voss, Entscheidendes von ihm gelernt. die Tochter eines mennonitischen Kauf- ··································································· manns, der in unmittelbarer Nachbarschaft, Am Rande sei erwähnt, dass er in Hamburg Katharinenstraße 23, wohnte. Die evange- in eine schwierige, ereignisreiche Zeit hin- lisch-lutherische Trauung fand am 19. Fe- eingeriet, da die Stadt seit dem 19. Novem- bruar 1826, die mennonitische Trauung ber 1806 von den Franzosen besetzt war. einige Tage später am 1. März statt.21 Doro- „Mit Napoleons Dekret vom 10. Dezember thea war zum Zeitpunkt der Hochzeit 25

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Christiane Vorwerk, geb. de Voss (1809‒1885)

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Georg Friedrich Vorwerk (1793‒1867), Gemälde nach einer um 1857 entstandenen Fotografie

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Jahre alt. Die Ehe kam auf traurige Weise zu schnittsgewinne pro Jahr bei über 60.000 einem schnellen Ende, da die junge Frau Bancomark. Ende 1833, also nach zehn Jah- nach wenigen Monaten an einem Fieber ren, war das Kapital der Firma auf rund eine starb. Der Witwer heiratete jedoch andert- halbe Million Bancomark angestiegen“, was halb Jahre später, im Oktober 1827, Doro- – und hier gibt Hauschild-Thiessen 1995 theas 1809 geborene Schwester Christiane nun doch einen Umrechnungskurs an – (Taufname Christiana)22 – und mit ihr „nach heutiger Rechnung“ einem Wert von gründete er eine vielköpfige Familie. rund 15 Millionen DM entspricht.27 ··································································· ··································································· Die Firma Hochgreve & Vorwerk muss Die entscheidenden Handelspartner fan- schon in ihren Anfangsjahren einen „vor- den sich in Südamerika; so wurden erstmals züglichen Ruf“ genossen haben.23 Im Sozie- 1829 im chilenischen Valparaíso – einem tätsvertrag verpflichteten die beiden Partner Ort, der für die Vorwerks besonders wichtig sich unter anderem, „möglichste Vorsicht, werden sollte –, daneben in zahlreichen wei- Solidität und Sparsamkeit zu beobachten“; teren Städten Geschäfte abgewickelt.28 Chi- die Tugend der Sparsamkeit galt als Leitwert le, das 1818 von Spanien unabhängig gewor- auch für die private Lebensführung. Solange den war, „wurde wie ganz Lateinamerika die beiden Geschäftspartner unverheiratet zum Lieferanten von Rohstoffen und zum waren, sollte jeder pro Jahr höchstens 4.000 Abnehmer von Fertigprodukten. Als inter- Bancomark verbrauchen – ein immerhin nationaler Umschlagplatz für den Pazifik- recht ansehnlicher Betrag.24 (Neben der handel gewann die Hafenstadt Valparaíso an Bancomark, der Rechnungseinheit im kauf- Bedeutung.“29 Die Verbindung nach Chile männischen Zahlungsverkehr, gab es bis blieb der Vorwerk-Familie bis in die Gegen- 1871 als geprägtes, umlaufendes Geld die wart hinein erhalten. Courantmark; welchem Wert diese Geld- ··································································· mittel nach heutiger Rechnung entspre- In Hamburg wurden Kontor und Woh- chen, ist, wie Hauschild-Thiessen schreibt, nung 1829 von der Katharinenstraße 38 in „schwer zu sagen“.)25 Hochgreve brachte in die Große Reichenstraße 30, danach in die die neugegründete Firma insgesamt 20.000 Admiralitätsstraße und schließlich im Herbst Bancomark ein, Vorwerks „eingeschossenes 1834 in die Katharinenstraße 25 verlegt.30 Kapital wurde mit 7.831 Bancomark und 2 Die letztgenannte Adresse wurde mehr als Schillingen veranschlagt“, wobei dieses Ka- dreißig Jahre lang für Georg Friedrich zum pital zum Teil aus zuvor angekauften Waren geschäftlichen und privaten Mittelpunkt. bestand. In der Hauptsache handelte man Der Partner H. M. C. Hochgreve zog sich zunächst mit Textilwaren.26 wegen angegriffener Gesundheit nach eini- ··································································· ger Zeit aus dem Geschäft zurück; zum 31. Die Geschäfte, die sich bald ausweiteten Dezember 1835 schied er aus der Firma weit- und keineswegs nur auf den Textilhandel gehend, zum 1. März 1846 vollständig aus.31 beschränkt blieben, entwickelten sich von Was Georg Friedrich nun allein leisten Anfang an vorteilhaft. Machte man anfangs, musste, wurde ihm bei allen Erfolgen, die er im Jahr 1823, einen Gewinn von fast 7.000 hatte, oft genug auch zur „Quälerei“, zum Bancomark, so lagen ab 1827 „die Durch- einen deshalb, weil er in den Geschäften

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wachsendem Konkurrenzdruck ausgesetzt ··································································· war,32 zum anderen aber auch, weil er zu- Die Beziehungen zu Forsmann, einem für sätzliche Aufgaben und Pflichten über- die Hamburger Region des 19. Jahrhunderts nahm. Nachdem er im September 1823 das neben Carl Ludwig Wimmel bedeutenden Hamburger Bürgerrecht erworben hatte, Baumeister aus dem Einflussfeld Karl Fried- wurde er knapp zehn Jahre später, am 9. Fe- rich Schinkels,37 müssen sich so zufrieden- bruar 1833, zum Handelsrichter gewählt. stellend entwickelt haben, dass Georg Fried- „Die Annahme des Amtes war Pflicht. Die rich ihn beauftragte, eine „stattliche Villa“38 Sitzungen des Handelsgerichts fanden zwei- als Sommerhaus für ein großes Grundstück mal wöchentlich statt und waren mit einem an der zu entwerfen. Am 13. November erheblichen Zeitaufwand verbunden.“33 1840 hatte Vorwerk die sogenannte Mühlen- Drei Jahre später, am 4. Juni 1836, wurde fläche an der Anlegestelle Teufelsbrück in Georg Friedrich in die Commerzdeputation Klein Flottbek erworben, ein ansteigendes gewählt; „sie war die Vorläuferin der (seit Gelände, das einen freien Blick auf einen 1867 so genannten) Handelskammer.“ Zu- Ausschnitt der Elbe gewährte. An exponier- sätzlich übernahm er 1839, zusammen mit ter Stelle, nämlich fast am höchsten Punkt dem Präses der Commerzdeputation, die dieses Geländes – „von der Straße abge- Aufsicht über die Ratswaage. Ein Jahr spä- rückt, ferne, hoch, besonnt über weitem ter wurde er selbst Präses. Dabei war er im- Rasenvorland“39 – entstand von 1841 bis mer wieder, so Hauschild-Thiessen, mit 1843 ein einfacher Bau in klassizistischem „Materien beschäftigt, die nicht in seine Weiß, an welchem auf der elbzugewandten Spezialgebiete fielen.“34 Seite vor allem ein über alle Etagen reichen- ··································································· der, mittig angeordneter, gewölbter Vorbau Die verschiedenartigen Projekte und Ziele, charakteristisch ist.40 Die Villa, die sich bis für die sich Georg Friedrich während seiner heute im Besitz von Vorwerk-Nachfahren politischen Tätigkeit in Hamburg einsetzte, befindet, wurde als „Haupthaus“ bezeichnet sollen hier nicht im Einzelnen benannt wer- und konnte für lange Zeit als räumlich-sym- den.35 Erwähnt sei lediglich, dass er der im bolisches Zentrum der Familie Vorwerk Sommer 1837 gebildeten Börsenbau-Kom- gelten. mission angehörte, die den seit langem ge- ··································································· fassten Plan, am Adolphsplatz hinter dem Überblickt man die letzten zwanzig Le- Rathaus einen Neubau zu errichten, in die bensjahre Georg Friedrichs vor seinem Tod Tat umsetzte. Vorwerk verfolgte das Neu- 1867, so sind folgende Ereignisse berichtens- bauprojekt mit besonderer Aufmerksamkeit wert: und besonderem Nachdruck, er kümmerte — Am 1. November 1847 schied er vor Ab- sich um alle Einzelheiten, wobei es vor al- lauf seiner zweiten Amtszeit aus der Com- lem zu einer Zusammenarbeit mit dem merzdeputation aus und übernahm das Architekten Franz Gustav Forsmann (1795– braunschweigische Konsulat; damit war er 1878) kam. Letzterer entwarf ein „spätklas- „in die Dienste ‚einer fremden Macht‘ getre- sizistisches Meisterwerk“, das auch heute ten, was mit der Ausübung eines hamburgi- noch als Zierde der Hamburger Stadtarchi- schen Ehrenamtes nicht vereinbar war.“ Er tektur gelten kann.36 vollzog diesen Schritt nicht zuletzt, um seine

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Das „Haupthaus“ in Klein Flottbek, Lithographie aus der Werkstatt von Otto Speckter (1844)

Kräfte zu schonen; als Kaufmann hatte er Entwurf von Friedrich Overbeck wurde wichtige Entscheidungen zu fällen, und während der Bombenangriffe auf Hamburg zwar alleinverantwortlich, da sein Partner 1943 zerstört.43 der Firma nicht mehr angehörte und die — Am 23. August 1854 gründete Vorwerk möglichen Nachfolger noch Kinder wa- zur Unterstützung bedürftiger Eltern, deren ren.41 Kinder eine gute Schulbildung erhalten soll- — Ende März, Anfang April 1848 zählte er ten, die „Georg-Friedrich-Vorwerk-Stif- zu den sieben Hamburger Vertretern, die in tung“.44 das Vorparlament nach Frankfurt a. M. ent- — Im Jahre 1862 gehörte er dem „Comité sandt wurden. Beraten wurde ein Bundes- für die Erbauung einer Kunsthalle“ in Ham- reformprogramm, dem letztlich aber kein burg an. Ein mit zunehmendem Alter wach- Erfolg beschieden war.42 sendes Interesse an der Kunst, die Liebe zur — Zu seinen vielseitigen Tätigkeiten ge- Stadt Hamburg, die wie andere Städte über hörte neben den Verpflichtungen als Kauf- ein repräsentatives Museum verfügen sollte, mann und Konsul auch das Engagement dazu „ein pädagogisches Anliegen im auf- auf kulturellem Sektor. Am 27. Oktober klärerischen Sinne“ veranlassten ihn, die Er- 1852 stiftete er eine hohe Summe für ein richtung einer Kunsthalle – deren Fertigstel- gemaltes Chorfenster an der Nordseite der lung er nicht mehr erlebte – zu unterstüt- Katharinenkirche. Das Fenster nach einem zen.45

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— Nachdem er mit seiner großen Familie sonders kennzeichnend gewesen sind, so dreißig Jahre lang im Wohn- und Kontor- liegt es nahe, eine Charakterisierung des En- haus Katharinenstraße 25 gewohnt hatte, kels Alfred zu zitieren; allerdings ist dabei erwarb er am 27. Februar 1865 auf dem wohl zu berücksichtigen, dass „wir heute Grundstück Alsterglacis 8 ein wenige Jahre manches“, wie Renate Hauschild-Thiessen zuvor erbautes Stadthaus, „das sich durch es ausdrückt, „in etwas weniger hellem Licht seine äußerlich imposante und innerlich sehen“:48 Die „vielen Freundschaften und vornehme Bauart vor anderen auszeich- das hohe Ansehen, welches Fritz allgemein nete.“ Das Haus blieb bis 1885 im Besitz der genoß, erklären sich aus der Lauterkeit sei- Vorwerks; Georg Friedrich selbst hat es nur nes Charakters, seiner Gewandtheit im Ver- noch gut zwei Jahre lang nutzen können.46 kehr mit Menschen, seiner hohen Begabung — Fast genau ein Jahr nach dem Erwerb und seiner vielseitigen Bildung. Seine riesi- des neuen Stadthauses, am 28. Februar 1866, gen Erfolge hat er sozusagen aus dem Nichts bat er den Hamburger Senat „um kosten- geschaffen, nur durch eminentes Geistes- freie Ausweisung eines Platzes zur Errich- vermögen und eine schier unglaubliche tung eines Stiftes für Freiwohnungen“. Das Arbeitskraft, die nicht das Geringste dem „Asyl Vorwerk“, dann „Vorwerk-Stift“, an Zufall oder der Spekulation überließ. Unge- der (später so benannten) Vorwerkstraße ge- achtet einiger kleiner Schwächen, von de- legen, diente einige Jahrzehnte lang bedürf- nen niemand ganz frei ist, war er ein Mann tigen Näherinnen, Wäscherinnen, Boten von den besten Eigenschaften, stets das usw. als mietfreie Unterkunft. Heute beher- Rechte und Gute wollend.“49 Auf den Por- bergt das Gebäude, dessen Fertigstellung träts, die von Georg Friedrich erhalten sind, Georg Friedrich nicht mehr erlebte, Künst- erscheint er als eine ernste, strenge, fast sor- ler.47 genvoll dreinblickende Persönlichkeit; wie- ··································································· weit er lustig, fröhlich und entspannt sein Fragt man abschließend, welche Eigen- konnte, ist nicht überliefert.50 schaften für Georg Friedrich Vorwerk be-

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·············································································································································· 11 Vgl. Schröder, Mutzenbecher, S. 7. 12 Dazu Näheres bei Vorwerk, Kaufmann, S. 15 f., 24. 13 Hamburgisches Adress-Buch 1811, S. 312. Der vollständige Eintrag ebd. lautet: „Vorwerck et Hövener, Tuch und div. Waaren, Speersort, Ecke an der Paulstr. no. 62 P. 5.“ 14 Vorwerk, Kaufmann, S. 13. 15 Ebd., S. 17. 16 Ebd., S. 13, 36. 17 Ebd., wie Anm. 15. 18 Ebd., S. 17 f. Vgl. Hauschild-Thiessen, Hamburg und Chile, S. 15 f.; Walloch, Elbchaussee, S. 144. 19 Vorwerk, Kaufmann, S. 18. Hauschild-Thiessen stellt die Frage (Hamburg und Chile, S. 16), ob Georg Fried- rich sich in der Franzosenzeit möglicherweise gar nicht in Hamburg aufhielt, da er in einem späteren Lebensrück- blick die Besetzung durch die Franzosen unerwähnt lässt. 20 Ebd., S. 14, 17. 21 Vorwerk, Kaufmann, S. 21. 22 Ebd., S. 36. 23 Hauschild-Thiessen, Hamburg und Chile, S. 23. 24 Ebd., S. 17, 19. 25 Ebd., S. 17. 26 Ebd., S. 19. 27 Ebd., S. 22. 28 Ebd., S. 21. 29 Rinke, Geschichte, S. 34. 30 Vorwerk, Kaufmann, S. 48. 31 Hauschild-Thiessen, Hamburg und Chile, S. 32. 32 Ebd., S. 32, 34. 33 Ebd., S. 46, 53. 34 Ebd., S. 54. 35 Siehe dazu Hauschild-Thiessen, Vorwerk, S. 328; dies, Hamburg und Chile, S. 53‒67. 36 Hauschild-Thiessen, Hamburg und Chile, S. 62. Dazu Berger; Hedinger, Forsmann, S. 107‒117. 37 Vgl. ebd., S. 14. 38 Vorwerk, Kaufmann, S. 50. 39 Merck, Hamburg, S. 92. 40 Dazu Berger; Hedinger, Forsmann, S. 120‒126. 41 Hauschild-Thiessen, Hamburg und Chile, S. 67. 42 Ebd., S. 69 f. 43 Ebd., S. 46, 48 f. 44 Ebd., S. 48, 50. 45 Ebd., S. 50 ff. Der jetzige Altbau der Kunsthalle wurde 1869 fertig. 46 Vorwerk, Kaufmann, S. 76 f. 47 Hauschild-Thiessen, Hamburg und Chile, S. 52 f. 48 Vorwerk, Kaufmann, S. 6 (Vorbemerkung von Renate Hauschild-Thiessen). 49 Ebd., S. 69. 50 Jungclaussen (Risse, S. 50) erklärt, Georg Friedrich Vorwerk „war ein Mann voller Energie und Ehrgeiz, der seiner Arbeit mit protestantischer Ernsthaftigkeit und Freudlosigkeit nachging.“ ··············································································································································

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Zur Kindheit und Jugend der Vorwerk-Brüder

In den Jahren zwischen 1828 und 1852 kann man davon ausgehen, dass Friedrich in brachte Georg Friedrichs Ehefrau Chri- der Katharinenstraße 25 zur Welt kam.52 stiane dreizehn Kinder zur Welt. Zwei Von seinem nächstjüngeren Bruder Gustav Söhne starben im frühesten Kindesalter; um Adolph, der am 18. September 1839 in dem zu ermessen, was das für den Vater bedeu- de Vossschen Landhaus in Bahrenfeld (also tete, kann – was im Folgenden noch öfters im Sommerhaus von Georg Friedrichs geschehen wird – auf die Erzählungen von Schwiegereltern) geboren wurde,53 trennte Elisabeth Hoehne zurückgegriffen werden, ihn ein Altersabstand von knapp zwei Jah- eine 1912 geborene Urenkelin Georg Fried- ren. richs. In einem Gespräch, das sie am 2. Juni ··································································· 2008 mit dem Verfasser führte,51 erinnert sie Für das Leben der beiden Brüder, das in sich: Mein Urgroßvater „hat wohl gedacht, vieler Hinsicht einen bemerkenswerten er würde nie Kinder kriegen. Er heiratete Gleichklang aufweist, ist die geringe Alters- erst eine de Voss, die sehr hübsch war. Sie differenz zweifellos von einiger Bedeutung. erwartete ein Kind, bekam ein hitziges Fie- Friedrich und Adolph sind keine Zwillinge, ber und starb, als sie im sechsten Monat doch sie haben sicherlich eine sehr ähnliche schwanger war. Eine der Schwestern der Kindheit erlebt, sie sind auf „parallele“ Verstorbenen tröstete den Witwer, und bald Weise erzogen worden, mit praktisch iden- darauf hat er sie geheiratet. In der zweiten tischen Wertmaßstäben aufgewachsen, sie Ehe starben nacheinander zwei Söhne, das sind beide später als Lehrlinge und ange- erste und dritte Kind. Aber dann brachte hende Kaufleute in die Firma ihres Vaters Urgroßmama de Voss noch zehn Kinder zur eingetreten – woraus man selbstverständ- Welt.“ lich nicht schließen darf, die Biographie der ··································································· beiden sei quasi austauschbar; wohl aber Nach vier Töchtern wurde am 28. Novem- kann man in vieler Beziehung so etwas wie ber 1837 als sechstes Kind der Sohn Augu- „grundsätzliche Übereinstimmungen“ ver- stus Friedrich geboren. Seinen Namen er- muten. Tatsächlich ist in den Quellen nir- hielt er, wie Friedrichs Sohn Alfred schreibt, gends ein Hinweis darauf zu finden, dass es „zu Ehren seines Onkels und Gevatters zwischen den Brüdern zeitweise auffallende Friedrich August Philipp Wilhelm“. Da sich Unterschiede etwa in den Meinungen oder die Eltern Ende November mit Sicherheit in der Lebens- und Berufsauffassung gege- nicht in ihrem Sommerdomizil aufhielten, ben hätte. Was es an Unterschieden ohne

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hat man doch einen hervorragenden Ersatz geschaffen; das künstliche Auge (links) ist so geschickt eingesetzt worden, dass es auf Fo- tos nur zu erkennen ist, sofern man von dem Eingriff etwas weiß. ··································································· Wie bereits erläutert, ist über das Leben des jüngeren Bruders Adolph erheblich mehr bekannt als über dasjenige Friedrichs. Es ist nicht zu vermeiden, dass aufgrund der Quellenlage stärker auf Adolph als auf Friedrich Bezug genommen wird. Was den Erziehungsstil des Vaters und mit ihm über- einstimmend den der Mutter angeht, so kann man zunächst einige Sätze aufgreifen, die Alfred Vorwerk der oben zitierten Cha- rakterisierung seines Großvaters unmittel- Augustus Friedrich Vorwerk (1837‒1921) bar folgen lässt: „Kraft seiner bedeutenden Persönlichkeit und seines umfassenden Wis- Zweifel gab, hinterließ zumindest in der sens beherrschte“ Georg Friedrich, „ohne es Überlieferung keine Spuren, im Gegensatz zu wollen, seine Umgebung. Die Unterhal- etwa zu dem, was über andere Brüderpaare tung führte er meist allein oder leitete sie zu erfahren ist, die als Erwachsene in ihren unmerklich nach seinem Willen, so daß es Geschäften ebenfalls ein Gespann bilde- nur selten jemand wagte, ihn zu unterbre- ten.54 chen.“55 Bei dieser Kennzeichnung ist die ··································································· Aussage Jungclaussens einleuchtend, Georg Elisabeth Hoehne, eine Enkeltochter von Friedrich sei „streng patriarchalischen Vor- Adolph, macht allerdings auf einen Unter- stellungen von Familienführung“ gefolgt.56 schied zwischen den beiden Brüdern auf- Nach allem, was man über Erziehungsmaß- merksam, den manche für kaum erwäh- stäbe um die Mitte des neunzehnten Jahr- nenswert halten mögen, der aber für Fried- hunderts weiß, folgten die Vorwerk-Eltern rich keineswegs unerheblich gewesen sein einem üblichen Muster, indem sie ihre Kin- kann: Er „hatte als Kind geschielt. Das Auge der überaus streng erzogen. Was sich freilich wurde operiert, und dabei hat er, glaube ich, realiter in der Beziehung zwischen Eltern das Auge verloren. Er hatte, glaube ich, ein und Kindern abspielte, welche Freiräume Glasauge.“ Das doppelt eingefügte „glaube den Kindern trotz allem blieben, muss of- ich“ verweist auf einen Erinnerungsvorbe- fenbleiben. Leider fehlen für die beherzten halt – doch wenn man sich, durch diese Er- Schlussfolgerungen Jungclaussens die Be- klärungen aufmerksam gemacht, Fotogra- lege, wenn er zu wesentlichen Merkmalen fien von Friedrich ansieht, so findet man der Brüder, die als junge Erwachsene die den Hinweis aus der Enkelgeneration bestä- Firma ihres Vaters übernahmen, erklärt: Mit tigt. Wenn auch die Operation misslang, so großer Leichtigkeit konnte Friedrich „die

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Rolle des Thronfolgers […] nie besetzen. Er Hauptsache darauf, in gedrängter Form die besaß eine natürliche Schüchternheit, die er verschiedenen personellen Wechsel in der unter der strengen Aufmerksamkeit seines Leitung der Firmen in Hamburg und Val- Vaters nie überwand und die sich unter den paraíso zu referieren. Sodann wird auf Fami- hohen Anforderungen eher noch stärker liengeschichtliches eingegangen mit Hin- ausprägte. Adolph blühte dagegen im weisen darauf, welche Geschwister wen Windschatten seines älteren Bruders voll auf geheiratet haben. Nur wenige Passagen be- und entwickelte sich zu einem attraktiven treffen das persönliche Erleben Friedrichs; Mann, dessen ‚einnehmendes Wesen und die Quelle kann als Bestätigung dafür gele- wirtschaftlicher Weitblick’ ihm zu ungeheu- sen werden, dass es deutliche Vorbehalte da- rer Beliebtheit verhalfen.“57 Wieweit diese gegen gab, die eigene Person zum Thema zu Kennzeichnungen zutreffend sind, die im- machen. merhin über die Grundhaltung oder das ··································································· Grundverhalten der Brüder Entscheidendes Zwei Erfahrungskomplexe sollen im Fol- aussagen, muss wiederum in vieler Hinsicht genden, teilweise mit ausführlichen Zitaten, offenbleiben. näher beachtet werden: Einmal Beschrei- ··································································· bungen zu den Lebensmittelpunkten im Größere Ausschnitte einer besonders Zentrum und im näheren Umkreis Ham- wichtigen Quelle zum Leben Adolphs sind burgs, sodann Beschreibungen zur Schul- in einem 1991 erschienenen Buch mit dem ausbildung. In seinem Lebensüberblick er- Titel „Ein Hamburger Ambiente“ abge- wähnt Adolph auch den großen Hamburger druckt; Verfasser des Buchs ist G. Adolph Brand vom Mai 1842, doch kann er an die- Vorwerk (1918–2002), ein Enkel Adolphs, ses einschneidende, vielbeschriebene Ereig- der aus naheliegenden Gründen seinen nis als Zweieinhalbjähriger – Friedrich war Großvater stärker beachtet als seinen Groß- gut vier Jahre alt – keine persönliche Erin- onkel Friedrich. Im Abschnitt „Aus den nerung haben. So genügt es festzuhalten, Aufzeichnungen meines Großvaters Adolph dass die für den Vater drei „wichtigsten Vorwerk“ ist Verschiedenes zur Kindheit Häuser, seine [Katharinen-]Kirche, sein und Jugendzeit vor allem Adolphs, daneben Wohnhaus und die [neu errichtete] Börse, auch Friedrichs zu finden.58 vor dem Ruin bewahrt“ blieben.60 ··································································· ··································································· Neben den vergleichsweise ausführlichen Zu seinem Geburtsjahr 1839 schreibt Adolph Aufzeichnungen Adolphs gibt es als Typo- in den „Aufzeichnungen“: „Meine Eltern skript einen gut sechs Seiten umfassenden bewohnten in den Sommermonaten ein Lebensabriss, den Friedrich im Sommer Nebenhaus im Garten meiner Großmutter 1905 verfasst hat – eher widerstrebend, so de Voss in Bahrenfeld und im Winter das scheint es; auf Wunsch seiner Söhne, so eigene Haus in der Catharinenstraße 25; Friedrich, stelle er einige Daten zusammen, Parterre war eine große Waren-Diele, das „welche sich im Wesentlichen auf die Fort- Comptoir von Hochgreve & Vorwerk im führung des Geschäfts der Firma Hochgreve ersten Stock eines Anbaues längs des Hofes & Vorwerk in Hamburg beziehen.“59 Tat- und dahinter ein großer Speicher mit 4 Bö- sächlich beschränkt der Bericht sich in der den am Catharinen-Fleeth.“61 Die Erklä-

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rungen zum Kauf der Mühlenfläche in ten und indirekt spricht – ist es aber, bezo- Klein Flottbek und zum Bau des „Haupt- gen auf die Sommermonate der ersten neun hauses“ können an dieser Stelle beiseite blei- Lebensjahre, kennzeichnend, dass sie in ben. Aufschlussreich ist eine im „Hambur- Bahrenfeld um einiges märchenhafter war ger Ambiente“ fehlende, im Original-Typo- als in Flottbek. skript62 zum Jahr 1843 festgehaltene Er- ··································································· gänzung: „Erster Sommeraufenthalt im Die Umgebungen, in denen die Kinder neuen Flottbeker Landhaus und Garten. Friedrich und Adolph sich tummeln konn- […] Anfangs [war] die Aussicht auf die Elbe ten, bescherten ihnen eine „glückliche Kind- nur durch wenige Haeuser und Baeume un- heit“. Allemal privilegiert lebten die Kinder terbrochen.“ Dazu heißt es weiter, zum Jahr auch in der Katharinenstraße, und privile- 1848: „Juni 22. starb Großmutter de Voss. giert war gleichermaßen der Schulunter- Damit hörten die früheren Sonntagsfahrten richt, den sie genossen. Dazu schreibt unserer ganzen Familie in einer zweispänni- Adolph im Blick auf das Jahr 1847: „Sept. gen Chaise mit Dienersitz von Klein Flott- Michaelis. Meine Aufnahme in die Schule bek nach Bahrenfeld auf und die Spiele im von Dr. Heinrich Schleiden, Glockengies- dortigen alterthümlichen Garten mit hohen serwall (Haus gebaut von Archtitekt Bülau Bäumen, Lusthaus, den landwirtschaftli- im gothischen Backsteinstyl ebenso wie das chen Gebäuden und Pferde-, Schweine- von Bülau erbaute Patriotische Gebaeude an und Kuh-Ställen und Milchdiele. Es war al- der Trostbruecke). Ich war 8 Jahre alt, hatte les so ganz verschieden von dem modernen Lesen und Schreiben im Hause bei unserer Flottbeker Hause und dem neu angelegten Gouvernante Fraeulein Emilie Puhst gelernt schattenlosen Garten.“63 und wurde in Classe iva gesetzt, Classenleh- ··································································· rer Oelrichs.“64 – Der Bruder Friedrich fasst Adolph, der spätere, zu Recht stolze Besit- sich, was seine Schulzeit angeht, noch etwas zer des „Haupthauses“, lässt in diesem kürzer: „Ich besuchte die Schule von Dr. H. Rückblick auf seine Kindheit bei aller vor- Schleiden, bei der Michaeliskirche gelegen, herrschenden Sachlichkeit deutlich durch- dieselbe wurde 1844/45 nach dem Glocken- blicken, dass die Umgebung in Bahrenfeld giesserwall in das von dem Architekten Bü- für ihn als Kind sehr viel schöner, geheim- lau nach dem Brande von 1842 neuerbaute nisvoller und abenteuerlicher war als dieje- Schulhaus verlegt.“65 nige im „modernen“ Flottbek. Der Unter- ··································································· schied zwischen der „Altertümlichkeit“ dort Auch Friedrich hatte zunächst bei Emilie und der „Schattenlosigkeit“ hier, als Unter- Puhst Unterricht gehabt; dass zwischen ihm schied zwischen romantischer Idylle und und seiner Gouvernante eine besonders enge, kühler Übersichtlichkeit, ist naheliegend liebevolle Beziehung entstanden war, geht und, zumal für Kinder, leicht begreiflich. Im aus einem Brief hervor, den Emilie Puhst am Erwachsenenalter, das wird sich noch zei- 5. April 1854 ihrem inzwischen sechzehn gen, wird der möglichst freie Blick auf die Jahre alten Schutzbefohlenen schrieb: „Mein Elbe für Adolph zu einem zentralen Anlie- lieber, lieber Friedrich, Nun ist er gekom- gen. Für seine Erinnerung an die Kindheit men der Zeitabschnitt, den ich lange im – von der er bezeichnenderweise nur verhal- Stillen gefürchtet, weil er zwischen Dir und

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lich machen, mit welcher Akkuratesse um 1850 in der Schleidenschen Schule gearbei- tet wurde. In gestochener Form, abwech- selnd in deutscher und lateinischer Schrift, wurde Schönschrift geübt. In einem Auf- satzheft aus dem Jahr 1854 wurde als erstes das Thema „Die zwölf wichtigsten Scenen aus dem Nibelungenlied in Bildern darge- stellt“ abgehandelt. Zwei Hefte zur Stereo- metrie und Geometrie enthalten zahlreiche überaus exakte, in hauchzarten Strichen aus- geführte Zeichnungen. Überhaupt scheint Adolph ein recht begabter Zeichner gewesen zu sein, wie mehrere klar konturierte, sorg- fältig schattierte Bleistiftzeichnungen be- weisen. – Für den Zeitraum von 1847 bis Anfang 1855 sind schmale, grün eingebun- dene Zeugnishefte erhalten, in denen, was aus heutiger Sicht bemerkenswert ist, in je- weiligen Rubriken wöchentlich die Eigen- schaften „Fleiß im Hause“, „Fleiß in der Schule“, „Betragen“ und „Ordnung“ bewer- Die Gouvernante Emilie Puhst tet wurden. Jede Woche trug der Lehrer in die Rubriken, meistens in abgekürzter Form, mir eine Scheidewand zieht. Ich kann Dir, ein „zufr.“, „recht zufrieden“ oder „sehr zu- dem erwachsenen Jüngling, nun das nicht frieden“ ein. Adolph muss demnach ein mehr sein, was ich dem schüchternen, guter, zuverlässiger, folgsamer Schüler gewe- kränklichen Knaben war. Ich kenne diese sen sein. Jede Woche wurden die Bewertun- meine Grenzen sehr wohl, und werde sie gen vom Vater gegengezeichnet, meistens nicht überschreiten. Aber eine Bitte muß ich mit dem Kürzel „G. F.V.“. Dir heut noch recht dringend, recht flehent- ··································································· lich an das Herz legen: Vergiß es nie, wie un- In Adolphs Abgangszeugnis vom 30. März endlich, wie unaussprechlich lieb ich Dich 1855 schreibt Heinrich Schleiden: „Aufge- gehabt habe, und laß mir den Trost, daß ich nommen: Michaelis 1847; seit Ostern 1854 Deinem Herzen nie fremd werden kann. Schüler der 1 Kl. verließ die Anstalt als ein Zwischen Dir und mir muß etwas bestehen, reifer Schüler; hat ohne einen erheblichen was die Welt mit ihren verschiedenen Lebens- Anstoß […] die Laufbahn durch unsere verhältnissen nicht vertilgen kann. […]“66 Klassen vollendet u. durch sein offenes, ··································································· munteres u. frisches Wesen sich Freunde bei In dem vom Hamburger Staatsarchiv auf- Mitschülern und Lehrern erworben. Kamen bewahrten Vorwerk-Nachlass sind einige Zeiten, in denen er sich einmal etwas mehr Schulhefte Adolphs erhalten, die anschau- gehen ließ, hat er sich doch immer wieder

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zusammenzufassen gewußt und namentlich dieser. – Besonders erinnernswert ist für in diesem letzten Jahre mit lobenswerther Adolph ein – wohl teils vergnüglicher, teils Treue u. Gewissenhaftigkeit gearbeitet und anstrengender – Alltagsaspekt seiner Schul- durch verständiges u. zuverläßiges Betragen zeit. Auf den Beginn seines Schulbesuchs bei das volle Vertrauen seiner Lehrer zu erhal- Dr. Schleiden zurückkommend, möchte er ten gewußt.“ Im Lesen und Aufsatzschrei- erwähnen, dass er nun im Sommer täglich ben erhielt Adolph die Note 1, im „Reciti- mit seinem Vater und Bruder Friedrich so- ren“, in Geschichte, Geographie, Mathema- wie gelegentlich auch einigen Schwestern tik und Rechnen sowie Spanisch die Note 2, von Flottbek aus „im Wagen zur Stadt fah- in den Fächern Orthographie, Grammatik, ren mußte, morgens kurz vor 8 Uhr und zu- Schreiben, Französisch und Englisch die rück um etwa 4 Uhr nachmittags, mit Aus- Note 3. Gefehlt hatte er im letzten Schuljahr nahme der Dienstage und Freitage, an de- einen Tag; er war der „Zweitbeste (vorher nen mein Vater die Post nach England der Beste) in der Klasse.“67 abfertigte und wir im Stadthause, Cathari- ··································································· nenstraße 25 zu Mittag aßen, mithin erst um Leider sind Schulhefte oder Schulzeug- 7 oder 8 Uhr nach Flottbek zurückfuhren, nisse des Bruders Friedrich nicht erhalten, im Herbst also nach Eintritt der Hambur- doch kann man annehmen, dass er ein min- ger Torsperre. An Wagen und Pferde wur- destens ebenso gewissenhafter, zuverlässiger den damals große Ansprüche gestellt, denn Schüler war wie sein jüngerer Bruder, so außer den Wochentags-Fahrten nach Ham- dass er mit einem ähnlich erfreulichen Ab- burg unternahmen die Eltern mit einer An- gangszeugnis die Schule verlassen hat wie zahl Kinder an jedem Sonntag eine Ausfahrt

Gustav Adolph Vorwerk (1839‒1919) in der Victoria vor dem „Haupthaus“

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Die Bark „Christiane“, Ölbild von Lorenz Petersen (1850)

nach Bahrenfeld zum Besuch der Großmut- son’schen Omnibus nach Altona und gingen ter de Voss“.68 von dort zu Fuss.“69 Die Berichte Adolphs ··································································· und Friedrichs unterscheiden sich in Einzel- Es ist bemerkenswert, dass die Umstände heiten, ergänzen sich gegenseitig, zugleich des Hin- und Herfahrens zwischen der sind Parallelen unverkennbar und geradezu Hamburger Innenstadt und Flottbek auch verblüffend: Unter dem wenigen, was in dem spröden, auffällig gedrängten Le- Adolph und insbesondere Friedrich über- bensabriss Friedrichs eine relativ ausführli- haupt zu ihrer Kindheit und Jugend mittei- che Erwähnung finden: „Im Sommer fuh- len, halten beide es einmal für wichtig, auf ren wir morgens per Wagen zur Stadt, und den Architekten Bülau des neuen Schlei- des Nachmittags wieder hinaus; wenn mein denschen Schulgebäudes hinzuweisen, zum Vater erst Abends fuhr, nahm der Wein- anderen gehen beide näher auf ihren Alltag händler J. G. F. Goering, welcher auch in als „Fahrschüler“ ein. Flottbek wohnte, meinen Bruder Adolph ··································································· und mich in seinem Wagen mit. Später, als Das Unterwegssein ist sowohl für Friedrich wir Beide am Comptoir lernten, kochte uns als auch für Adolph von Kindheit an eine im Sommer die Einhüterin unser Essen und prägende Erfahrung gewesen, sei es im Um- fuhren wir dann Abends mit dem Bas- kreis Hamburgs, sei es während größerer

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Reisen. Vieles, was dazu beschrieben werden bauen ließ, kann man, ähnlich wie das könnte, muss hier unberücksichtigt bleiben. „Haupthaus“ in Flottbek, als ein zweites Bedeutsam ist zunächst nur ein Erlebnis, das, zentrales Symbol der Familie Vorwerk anse- wiederum von Adolph festgehalten, ins heu- hen, das, auf den Vornamen von Georg tige Dänemark führt: „Im Sommer pflegte Friedrichs Frau getauft, insbesondere die mein Vater mit uns Kindern seinen Bruder unauflösliche Verbundenheit mit den Welt- Wilhelm in Holzminden und spaeter in meeren, d. h. dem Welthandel verkörpert. Wolfenbuettel oder seine Heimath im Harz, Die „Christiane“, eine Bark von 118 Com- Langelsheim, Goslar und Ocker zu besu- merzlasten (CL), blieb bis 1865 in Vorwerk- chen. Solche Reisen waehrend der Schulfe- schem Besitz. (In CL wurde damals die rien machten uns stets grosse Freude, beson- Ladungs- oder Tragfähigkeit von Schiffen ders mein allererster Ausflug nach Apenrade gemessen; eine Hamburger CL betrug 6000 im Sommer 1847 zum Stapellauf der Segler- Pfund.71) Auf zwei Büchern zur Geschichte Bark ‚Christiane‘ […].“70 In Apenrade (heu- der Vorwerks erscheint die „Christiane“ auf te Aabenraa), das bis 1864 zum Herzogtum dem Einband bzw. Buchumschlag, als Ab- Schleswig gehörte, zählte der Schiffbau zu bildung eines Gemäldes von Lorenz Peter- den wichtigsten Wirtschaftszweigen der sen, das heute im Museum für Hamburgi- Stadt. Den Segler, den Georg Friedrich dort sche Geschichte (hamburgmuseum) hängt.

·············································································································································· 51 Das Gespräch mit Elisabeth Hoehne wurde ebenso wie das mit Jutta Bohlen (siehe unten) auf Kassettenre- corder festgehalten und weitgehend wörtlich transkribiert. 52 Im Deutschen Geschlechterbuch 200, S. 656, ist Hamburg als Geburtsort Friedrich Vorwerks angegeben. 53 Vorwerk, Kaufmann, S. 49 f. 54 Vgl. Schröder, Mutzenbecher, S. 32 f. 55 Vorwerk, Kaufmann, S. 69. 56 Jungclaussen, Risse, S. 57. 57 Ebd., S. 69 f. 58 Adolph hat seine Aufzeichnungen im Alter verfasst; letzte Eintragungen im Original-Typoskript (Staats- archiv Hamburg, 622-1 ⁄510 Vorwerk, Ablage 25.7.88) reichen bis ins Jahr 1909. 59 Privatarchiv G. Volkert Vorwerk. Der Kurzbericht, im Folgenden als „Lebensabriss“ zitiert, trägt keine Über- schrift, ist aber am Schluss mit dem handschriftlichen Vermerk „Hamburg d. 1 August 1905. Friedr. Vorwerk“ ver- sehen. 60 Vorwerk, Kaufmann, S. 62. (Zusätze in eckigen Klammern von H. J. Schröder.) 61 Vorwerk, Ambiente, S. 189. 62 Staatsarchiv Hamburg, 622-1 ⁄510 Vorwerk, Ablage 25.7.88. 63 Vorwerk, Ambiente, S. 189 f. 64 Wie Anm. 62. 65 Vorwerk, [Lebensabriss], S. 5. 66 Privatarchiv G. Volkert Vorwerk. 67 Wie Anm. 62. 68 Vorwerk, Ambiente, S. 190. 69 Wie Anm. 65. 70 Wie Anm. 62. 71 Dabei galt ab 1815: „1 hamburg Pfund = 484,6 Gramm“ (Hauschild-Thiessen, Hamburg und Chile, S. 277). ··············································································································································

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Eine Reise von Augustus Friedrich nach Nordamerika und Kuba

Wie wichtig das Unterwegssein gerade auch kann sicherlich zum einen auf die Schulung für Friedrich war, soll in diesem Kapitel do- zurückgeführt werden, die Friedrich bei kumentiert werden im Rekurs auf einen Heinrich Schleiden im Aufsatzschreiben er- umfangreichen Reisebericht, der 1860 ver- fahren hat; zum anderen muss er aber auch fasst wurde. Im Alter von 22 Jahren unter- zusätzliche Reiseführer herangezogen ha- nahm Friedrich eine fünfmonatige Reise – ben, da ihm viele Details nicht aus eigener genau: vom 10. Februar bis 15. Juli –, zu der Anschauung bekannt sein konnten. er eine Beschreibung ausgearbeitet hat, von ··································································· der als hier verwendete Zitiergrundlage eine Insgesamt beweist das Lebenszeugnis, maschinenschriftliche Fassung im Umfang dass die Nordamerika-Kuba-Reise für Fried- von 102 Seiten vorliegt.72 Ihr präziser Titel rich ein singuläres Ereignis gewesen ist, eine lautet: „1860. Reise nach Nordamerika und einmalige Erfahrung, die in vergleichbarer Westindien.“ Der Name des Verfassers ist Form zu wiederholen ihm sein späteres Le- nicht angegeben, aber dass es sich zweifels- ben als Kaufmann keinen Spielraum gelas- frei um Friedrich handelt, geht gleich aus sen hat. Die Anforderungen, die Beruf und dem ersten Absatz hervor, wo von „meine[r] Familie nach 1860 an ihn stellten, ließen Schwester Anne“ die Rede ist, also von der ihm nicht mehr die Freiheit, sich als Schrift- 1834 geborenen Anna, die den ebenfalls an steller, im Besonderen als Reiseschriftsteller dieser Stelle erwähnten „Schwager Johs. zu betätigen. Mooyer“ geheiratet hatte.73 ··································································· ··································································· Zunächst ist nachzutragen, dass Fried- Der Reisebericht ist als Tagebuch abgefasst, rich nach Beendigung seiner Schulzeit eine mit meistens umfangreichen Schilderun- dreijährige Lehre in der Firma seines Vaters gen, die in der Hauptsache Tag für Tag, teil- machte, vom 11. April 1854 bis zum Frühjahr weise auch in Zusammenfassungen nieder- 1857. Ein viertes Lehrjahr absolvierte er in geschrieben sind. Der Stil lässt dabei England, „nämlich bei du Fay & Co. in deutlich erkennen, dass es sich um eine Manchester und bei Ed. Schlüter & Co. in nachträgliche Ausarbeitung handelt, in der London“.74 Danach wurde er in der Ham- die ursprünglichen Tagebuchnotizen oft- burger Firma Commis, und seit Mitte Juni mals gründlich verbessert und ergänzt wor- 1859 Prokurist.75 Nach der kurzen Zeit als den sind. Die Gewandtheit vieler bemer- Prokurist wurde er am 1. Januar 1861 – und kenswert anschaulicher Beschreibungen das bis zu seinem Tode am 27. November

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1921 – Teilhaber des Hamburger Vorwerk- Unternehmens. – Friedrich war also Proku- rist seiner Firma, als er im Februar 1860 seine große Reise nach Amerika antrat. Wel- che immer wieder interessanten, detailliert beschriebenen Erfahrungen er während die- ser Zeit machte, kann hier lediglich am Bei- spiel dreier längerer Zitate veranschaulicht werden. ··································································· An Bord des Dampfers „Neptune“ verließ er in der Nacht vom 10. auf den 11. Februar den Hamburger Hafen und kam nach einer Fahrt, die viele Passagiere seekrank machte, am 13. Februar in London an. Zunächst reis- te er weiter nach Southampton, kehrte von dort aber bald zu Geschäftsbesuchen nach London zurück, um sich anschließend, am 16. Februar, nach Liverpool zu begeben. Dort fuhr er auf dem „Steamer Africa“ zwei Tage später um 8.30 Uhr Richtung New Friedrich Vorwerk York ab. Die Überfahrt über den Atlantik dauerte bis zum 3. März. „Fast 12 ganze Tage lebhafte Getriebe anzusehen. New York bie- hatten wir scharfen kontrairen Wind (West tet, wenn man so die Strassen durchwan- oder W.N. W.) sodass wir durchschnittlich dert, einen ganz anderen Anblick dar, als die nur 7 Knoten pro Stunde machten. Das europäischen Städte; man merkt gleich, dass Schiff schaukelte und ächzte tagelang sehr man in einer amerikanischen Stadt ist. Da stark; an solchen Tagen hatte leider unser sind die schönsten palastartigen Häuser, Freund Gossler auch viel zu leiden, während und gleich daneben ein kleiner erbärmlicher ich glücklicherweise ganz von der unange- Shop, eine Etage hoch. Einer kehrt sich nehmen Seekrankheit verschont blieb.“76 nicht an den anderen und tut, was ihm ge- Nach einer Schilderung der Einfahrt in den rade gefällt. Die Nebenstrassen, die von New Yorker Hafen folgt unter dem Datum Broadway abgehen, sind meistens eng und des 5. März eine Beschreibung der ersten schlecht gepflastert, und nicht selten sieht Eindrücke, die Friedrich von der Weltstadt man vor einem grossen, schönen Hause gewinnt: einen Schutthaufen in der Straße liegen. Je ··································································· weiter ich nach unten kam (d. h. dem Hafen „Heute morgen, nachdem ich meine Pa- und der Geschäftsgegend zu), desto mehr piere geordnet, machte ich mich auf den fällt es einem auf, wie wenig Schönheitssinn Weg zu Amsinck’s Comptoir in Pearl Street. die Yankees haben; nur Geld machen und Ich hatte den ganzen, langen Broadway hin- nichts mehr verstehen sie. Die Annoncen unterzugehen und also Gelegenheit, mir das und Anschläge sind hier womöglich noch

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grösser als in London, und alles überhaupt Bord des Dampfers „Isabel“ und fuhr am nur auf Show berechnet; von aussen sehen Nachmittag des 19. März Richtung Havan- die Läden alle sehr reich und gross aus, vor na ab. Als er am nächsten Morgen an Deck den Fenstern liegen die Sachen aufgetürmt, kam, „fanden wir, dass wir bei dem schöns- und man meint wunder, was das für ein ten Sonnenschein und herrlicher ruhiger grosser Laden ist; doch wenn man mal ein- See an der Küste von Florida hinunter- tritt, findet man, dass es eine kleine, elende dampften“. Die Ankunft in Havanna am 21. Ecke ist, und wenn man etwas verlangt, so März schildert Friedrich auf besonders le- wird es vom Fenster hergeholt, denn dieses bendige Weise nur noch stichwortartig, von ist beinahe der ganze Vorrat, der existiert. – der Fülle der Eindrücke gleichsam überwäl- ··································································· tigt; davon kann hier nur ein Ausschnitt Beim Zurückkommen um Mittag wogte wiedergegeben werden: der fashionable Teil von Broadway von Da- ··································································· men zu Fuss und zu Wagen, die shopping „Die Strassen so eng und die Häuser so nah gingen. Das schöne Frühlingswetter hatte aufeinander, dass es fast unmöglich scheint, die reichsten Toiletten ans Tageslicht ge- dass zwei Wagen sich ausbiegen können; bracht. Auch hier fiel mir gleich der Unter- nur mit großer Mühe. Hauptstrassen so ein- schied des Benehmens der New Yorker und gerichtet, dass eine für das Herkommen, die deutschen Damen auf. Wie herausgeputzt andere für das Weggehen der Wagen be- und teilweise wie geschmacklos gekleidet gingen die Damen; da waren einige, die alle Regenbogenfarben in ihrem Anzuge herum- trugen, und wie ungeniert sahen sie sich nach allen Seiten um und betrachteten die ihnen begegnenden Herren!“77 ··································································· Es darf wohl nicht verwundern, wenn sich hier in der spontanen Schilderung erster Eindrücke genaue Beobachtungen wieder- holt mit verallgemeinernden Vorstellungen verbinden, die auf ein aus Deutschland mit- gebrachtes Amerikabild zurückzuführen sind. Wieweit in den Stereotypen jeweils „etwas Wahres“ enthalten sein mochte (oder mag), sei dahingestellt. Jedenfalls kann man der Darstellung des 22-jährigen Friedrich eine urteilsfreudige, jugendliche Unbekümmert- heit nicht absprechen. ··································································· Nach Aufenthalten in Philadelphia, Balti- more, Washington (District of Columbia) und Richmond ging er in Charleston an Friedrich Vorwerk

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stimmt ist. – Zelte von einem Haus zum an- Nebensache. Antonio, schmutziger Cuba- deren über die Strasse. – Privat-Volantes ner, spricht wenig französisch. Zimmer al- reich mit Silber beschlagen und Postillon in leine. Ca. zweimal so hoch wie gewöhnlich. Livree, einige mit zwei Pferden, reiches Sil- Ein großes Fenster bis unter den Boden. Bo- ber, Livree und grossen Troddeln. Postillon den aus Mauersteinen gepflastert. Eine reitet auf einem Pferde neben der Deichsel. Treppe hoch. Elender Waschtisch (schmut- Pferd mit dem Schwanz bewickelt und vorn zig und zerbrechlich), Bett auf ausgespann- angebunden am Sattel. Kleine Creolen- ten Leinen, ohne Matratze. Mosquito-Netz. Pferde. Neger-Postillione mit grossen Stie- Keine Glocken im Hause. Kein Wasser und feln, langen Sporen und hellen Jacken. An- kein Handtuch. Antonio, einziger Mann, genehmes Fahren, aber schwer für das Pferd. der sich mit der Wirtschaft abgibt, geht end- – Ein Herr liegend mit einer Zigarre, im an- lich langsam, um es zu holen. –“78 deren eine Dame mit einem breiten Kleid ··································································· von hellen facconet über beide Seiten des Auf der Insel Kuba blieb Friedrich bis zum Wagens hängend mit einem Fächer. – Calle 9. April; die Zeit vom 21. März bis 9. April de los Oficios, del Obispo, Hauptstrassen ist als Zusammenfassung protokolliert. Am von dem Plaza de Armas nach dem Tore ‚Pu- 12. April kam er, wiederum mit einem erta de Monserrate‘. Jeder Laden hat seinen Dampfschiff, in New Orleans an. Dort hielt Namen, sehr hochtrabend, aber keinen Na- er sich bis zum 21. April auf, um anschlie- men des Herrn und immer pormayory me- ßend langsam und mit Unterbrechungen nor. Keine Damen in den Strassen gehend, auf dem Mississippi immer weiter nach nur Negerinnen. Soldaten in leichten, blau- Norden zu reisen. Die vielen Stationen, die en Kostümen, Strohhüten und roten Kokar- er per Schiff und per Bahn erreichte und die den. Zigarrenrauchen. Jeder dritte Mann ihm oftmals gründliche Einblicke in das oder Frau raucht Zigarren oder Zigaretten. Land und das Leben der Nordamerikaner – Feuer geben. – Grünes Schilf und Stroh verschafften, können hier nicht im Einzel- etc. in Bündeln auf Pferden, auf jeder Seite nen aufgezählt werden. Besonderen Ein- zwei, Pferd ganz bedeckt bis auf die Augen, druck machten ihm die Niagara-Fälle, wo- den Schwanz und die Hufe, für Fütterung bei es überrascht, wie sich plötzlich in den der Pferde und Maulesel in der Stadt. Schilderungen literarische Einflüsse mit Pferde, Esel und Maulesel mit Körben bis schwärmerischem Pathos bemerkbar ma- zur Erde hängend mit Früchten, wie Bana- chen. Friedrich lernte unter anderem auch nen, Plantains, Apfelsinen etc. – Plaza de Chicago sowie in Kanada Montreal und Armas mit 4 Palmen real und Bäumen und Quebec kennen. Am 8. Juni, so schreibt er, Sträuchern in Blüte. Governos Palace. Co- landeten wir „wieder in New York, dem lumbus-Kapelle. Erste Messe. – Dann bei ei- Endplatz meiner grossen Rundtour.“ Ein ner Kirche, traurig aussehend, vorbei. Schwenk zurück mit der Beschreibung einer Durch das Tor, durch einen breiten Wall. Fahrt ins Innere der USA soll dieses Kapitel Wache von Soldaten nach dem Paseo de Isa- abschließen: bel Segunda. Estra Muros Le Grands Hotel. ··································································· Trauriger Empfang; niemand bekümmert „14. Mai. Um 10 Uhr per Eisenbahn nach sich um einen. Restauration; Hotel mehr St. Joseph am Missouri, zusammen mit

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Cornforth und Hinckle. – Erster Teil bewal- Pferde, Kühe und Ochsen auf den Prärien. det und teilweise bebaute Gegend, dann in Die Eisenbahnen sind hier nie eingehegt, die unermesslichen Prairien. Gras jetzt ca. 1 daher kann das Vieh sehr leicht auf den Fuss hoch, seit 8 Monaten fast keinen Re- Schienen sein. Das passiert hier sehr oft; gen hier gehabt, daher war der Boden fast dann pfeifen die Lokomotiven. Wir muss- vertrocknet. Hügelige Rasenflächen, so weit ten dreimal anhalten und das Vieh herun- man sehen konnte, kein Baum, keine terjagen. Cowcatcher vor den Lokomotiven. Hecke, kein Haus und kein Vieh, nur Gras, Zuweilen kleine Bäche in den Prärien und wie ein bewegtes und plötzlich erstarrtes an den Seiten des Baches kleine Gehölze, Meer. Diese Eisenbahn ist gebaut worden, sieht wunderhübsch aus, wie englische Parks. als hier noch keine Farm war, und hat von Prärien nicht abgegrenzt, daher laufen die der Regierung einen grossen Teil des umlie- verschiedenen Viehherden manchmal inein- genden Landes bekommen. […] Das Gras ander. Strenge Gesetze gegen Viehdiebstahl auf der Prairie wird 4 bis 6 Fuss hoch, nötig. Pferde- oder Kuhdiebe werden ohne manchmal 10 Fuss., brennt Ende Herbst gerichtliche Verurteilung von den Farmern oder Anfang Frühjahr ab, wird, wenn es ste- für schuldig erklärt und gehängt (Lynchlaw hen bleibt, mit Willen angesteckt, damit das nach Lynch in Californien). – Wir sahen neue Gras aufkommen kann. Wir sahen ei- mehrere Prairie-chickens (gross wie Hüh- nen sehr starken Präriebrand, ein feuriger ner, in grosser Menge, fliegen sehr gut) und Kranz, der auf uns zu trieb. Schwarze Stel- Quails, Wachteln; sonst nicht viel Wild in len, wo es eben abgebrannt. Grosse Herden Missouri.“79

·············································································································································· 72 Privatarchiv G. Volkert Vorwerk. Im Folgenden als „Vorwerk, Reisebericht“ zitiert. 73 Zusätzlich findet sich in Friedrichs Lebensabriss (S. 2) ein Hinweis auf seine „Reise nach Havana und den Vereinigten Staaten“. 74 Ebd., S. 1 f. Hauschild-Thiessen (Hamburg und Chile, S. 45) gibt an, Friedrich Vorwerks Lehrzeit dauerte vom 11. April 1854 bis zum 5. März 1858. 75 Ebd. Friedrich, so heißt es hier, sei vom 14.⁄16. Juni 1859 bis zum 1. Januar 1861 Prokurist gewesen. Die An- gabe „seit Ostern 1860“ ebd. ist offensichtlich fehlerhaft. 76 Vorwerk, Reisebericht, S. 7. 77 Ebd., S. 10 f. 78 Ebd., S. 27 ff. 79 Ebd., S. 54 ff. ··············································································································································

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Die Firmen in Chile und Hamburg

Zur selben Zeit, als Friedrich in Nord- und zubereiten“. Ein Jahr lang, von Frühjahr Mittelamerika unterwegs war, ergab sich 1859 bis Frühjahr 1860, war Adolph in der eine wichtige Weichenstellung für seinen väterlichen Firma Commis, und während jüngeren Bruder Adolph: Am 6. April 1860 dieser Zeit begleitete er Hüniken verschie- wurde er „als Zwanzigjähriger Partner des dentlich auf Geschäftsreisen. Mitte Mai 1861 Valparaiso-Unternehmens“. Mit dem ge- reiste er dann nach Valparaíso.81 nannten Tag war durch ein Zirkular be- ··································································· kannt gemacht worden, dass ein seit dem 6. Was hier zur Entwicklung der Firmen in April 1847 gültiger „Societäts-Contract“ ab- Chile, verbunden damit zum Leben Adolphs gelaufen war, so dass an die Stelle des vor- in wenigen Sätzen zusammengefasst ist, ge- maligen Handelshauses Hünicken, Bahr & staltete sich in den Jahren 1847 bis 1861 rea- Co. nunmehr die Firma Vorwerk & Co. liter sehr viel verwickelter. Vor allem in dem trat. Der Teilhaber Bahr zog sich aus dem Buch „Zwischen Hamburg und Chile“ von Geschäft zurück, sein Nachfolger wurde ge- Renate Hauschild-Thiessen kann im Detail wissermaßen Gustav Adolph Vorwerk.80 nachgelesen werden, welche Hauptperso- Zwischen der Hüni(c)ken-Firma – Julius nen neben Adolph Vorwerk – bzw. neben Hüniken (1824–1891) war ein Schwager von Georg Friedrich – und Julius Hüniken an Friedrich und Adolph – und der Vorwerk- den Geschäften in Valparaíso beteiligt wa- Firma in Hamburg bestanden seit 1847 enge ren. Der Name der Firma Hünicken, Bahr Verbindungen, wobei letztere stets eine ver- & Co. hatte vor 1860 mehrfach gewechselt; traglich geregelte Vorrangstellung besaß. Bis aus Otto Uhde & Hünicken war Uhde, Hü- 1860 und auch darüber hinaus bedeutete nicken & Bahr sowie schließlich Hünicken dies, dass der Vater Georg Friedrich letztlich Bahr & Co. geworden.82 Je nachdem, wer in immer die Fäden in der Hand behielt. die Firma hauptverantwortlich eintrat oder ··································································· oder sie später verließ, änderte sich die Fir- Adolph, das ist nachzutragen, machte nach menbezeichnung. Für die Mehrzahl der Be- dem Verlassen der Schule eine knapp drei- teiligten ist es charakteristisch, dass sie, vor jährige Lehre in der Hamburger Firma C. A. allem herbeigeführt durch Eheschließun- Wulff & Baasch. Anschließend „nahm gen, miteinander verwandt waren, so dass Georg Friedrich Vorwerk seinen zweiten sich ein enges Netzwerk bildete, in dem Be- Sohn zu sich in die Firma, um ihn systema- rufliches und Familiäres zu einer Einheit tisch auf das Valparaiso-Unternehmen vor- verschmolz.83 Die Verbindung aus Kauf-

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mannsberuf und Familie, die für viele Bür- gerfamilien in Hamburg offensichtlich eine Art Conditio sine qua non war, schuf jene Vertrautheit und Verlässlichkeit, die ein er- folgreiches Vorankommen sowohl in der Führung der Geschäfte als auch in der Füh- rung der Familien sicherten. ··································································· Es würde zu weit führen, die Biografien der Hauptbeteiligten und ihre verwandtschaft- lichen Beziehungen untereinander hier im Einzelnen zu kennzeichnen. Erwähnt sei lediglich, dass neben Friedrich und Adolph für längere Zeit noch ein dritter Bruder eine Rolle spielte, nämlich der am 4. März 1845 in Hamburg geborene Wilhelm. Nach drei- jähriger Lehre bei Hochgreve & Vorwerk ging er nach England, wo er im November Wilhelm Vorwerk (1845‒1916) 1864 mit seinem Bruder Adolph zusammen- traf. Letzterer schrieb Ende Juli 1865 seinem kenswert höflicher Form wurde bei ihm an- Geschäftspartner Wilhelm Lehmann – seit gefragt, ob er mit dem Kommen Wilhelm 1870 verheiratet mit Alida, einer Halb- Vorwerks einverstanden wäre. Letzterer schwester von Hermann Franz Matthias gelangte dann allerdings erst nach dem Tode Mutzenbecher84 – nach Valparaíso einen des Vaters Georg Friedrich (1867) nach Brief, worin er mitteilte, sein Bruder Wil- Chile, nachdem er zuvor in der Hamburger helm sei „ein sehr eifriger, tüchtiger, lebhaf- Firma Vorwerk Gebr. & Co. – der Nachfol- ter und liebenswürdiger Mensch“, der, gefirma von Hochgreve & Vorwerk – neben nachdem er für anderthalb Jahre in London seinem älteren Bruder Friedrich (und einem „als Volontair und später als Commis“ tätig Dritten) Teilhaber geworden war.86 gewesen sei, nun sehr gern nach Valparaíso ··································································· zu gehen wünsche. „[M]ein Vater bittet Sie Die Veränderungen, die sich mit dem Tod daher, ihm Ihre Meinung mitzutheilen, ob Georg Friedrichs in der Geschäftsleitung der er Ihnen willkommen sein wird, und Sie es Firmen ergaben, können an dieser Stelle et- von Nutzen halten, daß er etwa ein Jahr sich was näher beschrieben werden. Dabei ist es dort umsieht und vor allem arbeitet.“85 Wil- wichtig, im Blick zu behalten, dass die helm Lehmann (1830–1887), seit 1859 zwei- Hamburger Firma Hochgreve & Vorwerk ter Prokurist in der Firma Hünicken, Bahr im Jahre 1867 in Vorwerk Gebr. & Co. um- & Co., ein Jahr später Prokurist der Nach- benannt wurde – einer Vereinbarung ent- folgefirma Vorwerk & Co. und seit dem sprechend wurde mit dem Tod Georg Fried- 6. April 1865 ebendort Teilhaber, war in Val- richs der Name Hochgreve gelöscht –, paraíso neben einem weiteren Teilhaber der während die Firma Hünicken, Bahr & Co. maßgebende Geschäftsführer; in bemer- bereits 1860 in Vorwerk & Co. umbenannt

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Friedrich Vorwerk

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Adolph Vorwerk

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worden war; die Firmen Vorwerk Gebr. & ter zur Bedingung gemacht hatte, jederzeit Co. (Hamburg) und Vorwerk & Co. (Val- und auf Dauer gehalten haben, ist nicht paraíso) sind von ihren Namen her leicht zu festzustellen. Zweifellos ist es in den Jahr- verwechseln. zehnten bis 1919 – dem Jahr, in dem Adolph ··································································· starb – zu manchen Meinungsverschieden- Am 3. November 1860 war von Georg Fried- heiten, Spannungen und Konflikten ge- rich in einer Verfügung festgelegt worden, kommen, doch möglicherweise haben die auf welche Weise und in welchem Sinne die Brüder es immer verstanden, bei allen auf- Geschäfte von den Söhnen Friedrich und tauchenden Schwierigkeiten Kompromisse Adolph fortgeführt werden sollten. Die bei- zu schließen, einvernehmliche Lösungen zu den erhielten als „Mitgift“, die der Vater we- finden, die Basis einer grundsätzlichen nige Monate zuvor in Höhe von 50.000 Übereinstimmung und Verständigung nicht Peso in das Valparaíso-Unternehmen einge- ernsthaft zu gefährden. Der harmonische schossen hatte, jeweils einen Betrag von „Gleichklang“, den es vielleicht zwischen 24.000 Peso; 48.000 Peso entsprachen ei- den Brüdern zeitlebens gegeben hat, deutet nem Wert von 120.000 Bancomark. 2.000 sich, wenn man will, nicht allein darin an, Peso blieben Eigentum von Georg Friedrich. dass sie fast zu gleicher Zeit geboren wur- Der Sohn Friedrich war seit dem 1. Januar den, sondern auch darin, dass sie fast zu glei- 1860 mit 10 Prozent am Gewinn und Verlust cher Zeit starben.88 der Hamburger Firma beteiligt, wofür sein ··································································· Vater von ihm „die größte Sorgfalt und un- Im Jahre 1864 erhielt Friedrich außerdem ermüdeten Eifer zu Gunsten des hiesigen von seinem Vater eine weitere „Mitgift“ in Handlungs-Geschäftes“ erwartete. Weitere Höhe von 40.000 Bancomark – ein Um- Regelungen betrafen das Geschäft in Valpa- stand, der sich durch veränderte Gewinnbe- raíso. Am Schluss der Vereinbarung heißt es, teiligungen für Adolph nicht unmittelbar beide Söhne erklären „durch ihre Unter- nachteilig auswirkte, der aber doch, wie schrift ihre vollkommene Zufriedenheit und Hauschild-Thiessen schreibt, als unverkenn- dankbare Annahme dieser Verfügungen und bare Bevorzugung Friedrichs angesehen wer- sehen die Zahlungen als empfangen an. Sie den kann. Da er der Ältere war und die Ham- werden ihre sämtlichen Privatausgaben seit burger Stammfirma leiten sollte, da es außer- Anfang des Jahres (1860) selbst tragen und dem notwendig wurde, ein neues Stadthaus sich auch ferner einer vernünftigen Oeko- mit Platz für ein erweitertes Kontor zu erwer- nomie befleißigen. Sie werden, was die El- ben, gab es offensichtlich hinreichende tern zur Bedingung machen, stets in brüder- Gründe für die Förderung durch den Vater. licher Liebe und Eintracht leben“.87 Friedrich kaufte 1866 für 99.300 Bancomark ··································································· das Haus Neuer Jungfernstieg 9, ein Ge- Vor allem der letzte Satz kann für das Ver- bäude, das heute Bestandteil des Hotels „Vier hältnis der Brüder zueinander von weitrei- Jahreszeiten“ ist. Hier war auch das Kontor chender Bedeutung gewesen sein. Wieweit untergebracht; der Vater Georg Friedrich war er freilich bindend und verpflichtend in die zu gleicher Zeit, wie schon erwähnt, in das Praxis ihres Lebensalltags hineingewirkt hat, Haus Alsterglacis 8 umgezogen.89 wieweit die Brüder sich an das, was ihr Va- ···································································

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Adolph war 1861 nach Chile in eine Ha- 7. Dezember 1869 die Ehefrau von Adolph fenstadt gereist, die sich seit der Gründung Vorwerk. 90 der Vorwerk-Firma 1847 enorm verändert ··································································· hatte; Valparaíso hatte sich von einem unat- Was das Heiraten angeht, waren Friedrich traktiven Hafen zu einer für damalige Ver- und Adolph nicht ganz im Gleichschritt ge- hältnisse modernen Metropole entwickelt. blieben; Friedrich hatte bereits am 24. Au- Der Anteil der deutschen Bevölkerung war gust 1864 im niedersächsischen Ahlden groß. Adolph lernte die Familie Osthaus Ottilie Amalie Josepha91 Klée geheiratet, die kennen, deren Mittelpunkt die aus Ham- am 13. Februar 1845 geborene Tochter des burg stammende Luise (1819–1915) bildete, Oberamtsrichters Otto August Wilhelm eine Tochter des Hauptpastors Justus Wolff Klée (1802–1865) und seiner Ehefrau Mari- an St. Katharinen. Luise sei ohne Zweifel anne Emilie Biancone (1805–1882) aus Ham- „die Nummer eins“ unter den deutschen burg. Sowohl Friedrich als auch Adolph Damen der Stadt, schrieb ein nahestehender gründeten – ähnlich wie ihr Vater, wenn Bekannter und späterer Verwandter, der sich auch etwas bescheidener – eine vielköpfige vorübergehend in Valparaíso aufhielt. Sie Familie, deren Verzweigungen bis in die hatte neun Kinder; eine dritte Tochter, Car- Gegenwart hineinreichen. Josepha brachte lota, geboren am 25. Februar 1851, wurde am acht, Carlota sechs Kinder zur Welt.

Valparaíso, Haus auf dem Cerro Alegre, wo Adolph Vorwerk – im Bild oben auf der Treppe – von 1868 bis 1870 wohnte

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Adolph Vorwerk in Valparaíso (um 1869) Carlota Vorwerk, geb. Osthaus (1851‒1940), in Valparaíso (um 1869)

··································································· mittlerposition. „Gegenüber seinem immer Wenige Monate nach seiner Heirat, im etwas skeptischen Vater mußte er die Inter- April 1870, trat Adolph mit Carlota zusam- essen des Valparaiso-Hauses vertreten; wäh- men von Valparaíso aus die Rückreise nach rend er gleichzeitig vor seinen Partnern in Hamburg an. Wie Elisabeth Hoehne be- Chile den Standpunkt des Vaters zu erklä- richtet, war die dreiwöchige Schiffsreise, die ren und häufig auch zu rechtfertigen sich um die Südspitze Südamerikas herumführ- bemühte.“93 Nach dem Tod Georg Fried- te, für Carlota eine Tortur: „Sie war drei Wo- richs und dem Ausscheiden Wilhelm Leh- chen lang seekrank, vertrug die Reise über- manns sowie eines weiteren chilenischen haupt nicht. Deshalb ist sie nie wieder Teilhabers wirkte Adolph darauf hin, dass zurück nach Chile gefahren, obwohl Chile seiner ungünstigen Zwischenstellung ein in ihren Erzählungen immer das Paradies Ende gemacht wurde; er wollte entweder war.“92 das Unternehmen in Valparaíso „selbständig ··································································· und unabhängig fortführen oder gleichbe- Zu Lebzeiten seines Vaters befand Adolph rechtigt neben seinen Brüdern die Hambur- sich zwischen den Firmen in Chile und ger Stammfirma mitleiten“. Man entschied Hamburg oftmals in einer schwierigen Ver- sich für die zweite Möglichkeit, so dass

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Adolph am 5. April 1875 „als aktiver und mit der Vorwerk-Firmen ausbreitet. Wer Ge- seinem ganzen Vermögen verantwortlicher naueres wissen will, muss allemal zu ihrer Associé in die Firma Vorwerk Gebr. & Co. Ausarbeitung greifen. in Hamburg“ eintrat. ··································································· ··································································· Es war schon angedeutet worden, dass Ge- Ende 1888 schied Wilhelm Vorwerk im org Friedrich anfangs vorwiegend mit Tex- Alter von 43 Jahren aus der Firma seiner tilwaren, genauer: in erster Linie mit Leinen Brüder aus. Da er, wie Elisabeth Hoehne er- handelte; Leinen war um 1840 in Hamburg klärt, an Melancholie litt, sah er sich nicht der wichtigste Industrie-Artikel für den in der Lage, die Geschäfte mit der erforder- deutschen Export.96 Mit der Ausweitung des lichen Konsequenz dauerhaft fortzuführen. Handels – der keineswegs nur auf den Lei- Die Brüder legten ihm nahe, er könnte nicht nenhandel und keineswegs nur auf die Dé- in Hamburg leben, ohne zu arbeiten. So zog pendance Valparaíso beschränkt war – ging er sich, nicht zuletzt durch Aktienanteile Georg Friedrich allmählich auch zur Eigen- verschiedenster Unternehmen abgesichert, finanzierung seiner Warentransaktionen mit seiner Familie nach Wiesbaden zurück. über. Durch den Einstieg ins Reedereige- ··································································· schäft entwickelte er sich zum Merchant Um eine Vorstellung von den Vermögens- Banker:97 „Es war die Kombination von verhältnissen der Hamburger Vorwerk-Fir- Handel, Schiffahrt und Bank, die Vereini- ma zu gewinnen, sei wiederum Renate Hau- schild-Thiessen zitiert: „Durch die Auszah- lung an Wilhelm Vorwerk verringerte sich das Firmenkapital von 14.324.871 Mark im Jahre 1888 auf 12.506.999 Mark im Jahre 1889. Die Fortsetzung der Geschäfte wurde dadurch offensichtlich nicht beeinträch- tigt.“94 Zusammenfassend ist festzuhalten, dass vom 1. Januar 1889 bis zu den Jahren 1919 bzw. 1921, also bis zum Tod von Adolph und Friedrich, die Leitung der Firma Vor- werk Gebr. & Co. in Händen der beiden Brüder lag.95 ··································································· Über das Spektrum der Geschäfte, die von den Vorwerk-Firmen zu Zeiten einmal des Vaters Georg Friedrich, dann der Brüder Friedrich und Adolph (sowie Wilhelm) ge- tätigt wurden, kann hier nur ein sehr lü- ckenhaftes Bild gezeichnet werden. Es dürf- te nicht übermäßig sinnvoll sein, die vielen kaufmännischen Details zu rekapitulieren, die Hauschild-Thiessen in ihrer Geschichte Josepha Vorwerk, geb. Klée (1845‒1932)

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gung dieser uralten und daher als klassisch die Geschäfte. Nach 1870 stieg jedoch in zu bezeichnenden Zweige kommerzieller Deutschland mit dem Ausbau vor allem der Betätigung, die […] von einer Reihe von Elektroindustrie der Bedarf an Kupfer, so englischen und hanseatischen Kaufleuten zu dass der Handel damit Gewinn brachte, großer Blüte geführt wurde, ehe diese drei allerdings immer wieder schwankend. Mit Zweige sich trennten und jeder seiner eige- dem Handel von Kupfererzen verband sich nen Spezialisierung zustrebte.“98 Zu dem derjenige mit Silbererzen. 1847 angeschafften Segelschiff „Christiane“ ··································································· – im selben Jahr war die Hamburg-Ame- Für Chile wichtiger noch als der Export rikanische Packetfahrt-Actien-Gesellschaft von Metallrohstoffen war der Export von (HAPAG) gegründet worden – kam drei Salpeter, der nach 1883 aus großen Lager- Jahre später ein zweites Schiff hinzu, die stätten in der nordchilenischen Atacama- Brigg „Las tres Hermanas“, 90 CL groß; Wüste gewonnen wurde. Kamen 1884 noch dieses Schiff wurde 1852 bereits wieder ver- 238.000 Tonnen Salpeter zur Verschiffung kauft. Stattdessen kam das mit 110 CL grö- nach Hamburg, waren es 1911 über 700.000 ßere Schiff „Andador“ für einige Jahre an Tonnen. An diesem Handel war Vorwerk & der Westküste Südamerikas zum Einsatz. Co. in Chile als führendes Haus beteiligt. (Für den Warentransport benutzte man zu Die chilenische Regierung übertrug der dieser Zeit weiterhin Segelschiffe, während Firma in Konsignation (Kommission) „die ansonsten zunehmend Dampfschiffe den gesamten Verschiffungen nach Europa – im Seeverkehr dominierten.99) ganzen 81 Ladungen, die in den Jahren 1880 ··································································· bis 1881 ohne Beanstandungen abgewickelt Neben den Schiffen, die im Besitz der Vor- wurden, was angesichts der damaligen Ver- werks waren, konnte auch auf Schiffe ehe- hältnisse gar nicht so einfach war“. Salpeter maliger Partner zurückgegriffen werden. wurde für die Herstellung von Schießpulver Dies war günstig und notwendig, da der und Sprengmitteln, vor allem seit Justus v. Handel insbesondere zwischen Südamerika Liebig (1803–1873) für die Mineraldüngung und Hamburg sich stetig ausweitete. Der in der Landwirtschaft gebraucht.100 Handel bestand, das galt bereits für die frü- ··································································· hen Aktivitäten Georg Friedrichs, zu we- Ein Fazit aus den Jahren 1901/03 dürfte im sentlichen Teilen aus Kommissionsgeschäf- ganzen auch für die Jahrzehnte zuvor und ten; so wurden immer wieder zahlreiche die Jahre danach gegolten haben: die Vor- Waren nicht auf eigene Rechnung der Vor- werk-Firmen handelten „mit sämtlichen werk-Firmen, sondern im Auftrag anderer Artikeln“, sei es mit Packpapier, Kronenkor- Firmen über die Weltmeere transportiert. ken, Siegellack, sei es sogar mit Kanarienvö- Im Kupferhandel verfolgte Georg Friedrich geln. Letztere „wurden im Harz gezüchtet ehrgeizige Pläne, die er aber nur teilweise (,Harzer Roller‘) und fanden Liebhaber in realisieren konnte. Neben Chile, das um aller Welt. Ihr Transport war allerdings 1865 der größte Kupfer-Produzent der Welt schwierig; sie seien ,sehr der Sterblichkeit war, entstand vor allem aus Nordamerika ausgesetzt‘, wie Adolph Vorwerk am 30. Ok- wachsende Konkurrenz, außerdem er- tober 1872 nach Valparaiso schrieb“. – schwerten konkurrierende Firmen in Chile Neben diesen Artikeln von eher marginaler

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Von links nach rechts: Die Brüder Friedrich, Wilhelm, Gustav und Adolph Vorwerk (um 1870) (Gustav Vorwerk, 1852‒1909, war Landwirt auf Gut Kastorf)

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Die Bucht von Valparaíso (um 1910)

Bedeutung wurden technische Erzeugnisse trauen, welches die Firma damals in Chile wichtig: „Mühlen und Mahlscheiben, Bohr- genoß. stahl, Steinbrecher, diverse Maschinen und ··································································· deren Ersatzteile und schließlich ganze Darüber hinaus kam es ab 1865 auch zu Werkausrüstungen.“101 Hieran anschlie- einer Zusammenarbeit mit der Londoner ßend und zeitlich vorgreifend muss erwähnt Bank J. Henry Schröder & Co. sowie mit werden, dass neben dem eigentlichen Wa- der Norddeutschen Bank. Im Jahre 1864 rengeschäft über Vertretungen Gewinne er- hatte Friedrich Vorwerk in Hamburg zu den zielt wurden: Als Vertreter von Krupp ge- ersten „Controllirenden Directoren“ der lang es Vorwerk & Co., „mehrere Verträge Neuen Sparcasse gehört, einem Institut, das über Lieferung von Feld- und Gebirgsge- mit der Hamburger Sparcasse von 1827 in schützen abzuschließen“. Im Anschluss da- Konkurrenz trat, bis beide Sparkassen im ran kam es zu Kooperationen mit Krupp Jahr 1972 fusionierten.103 Vom Engagement auch auf anderen Gebieten. Außerdem der Vorwerks als Merchant Banker war be- wurde die chilenische Armee, die in Regle- reits die Rede im Zusammenhang mit den ment, Uniformierung und Ausrüstung nach Reedereigeschäften, die sie tätigten. Im 1891 dem deutschen Vorbild folgte, im Auf- Bankgeschäft kam es zu sog. Meinungskäu- trag einer Berliner Firma mit Mauser-Ge- fen und -verkäufen sowie zu Eisenbahn- wehren beliefert.102 Aus heutiger Sicht mag Finanzierungen, zu teilweise verlustreichen der Abschluss solcher Geschäfte bei vielen Finanzaktionen, auf die hier nicht eingegan- Unbehagen auslösen. Er zeigt aber das Ver- gen werden kann.104

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··································································· Personen- und Frachtverkehr, konnten be- Ein Nachfolgeschiff der 1865 verkauften reits um 1880 in vierzehntägigem Rhythmus „Christiane“, das ebenfalls den Namen abfahren, wobei die Pünktlichkeit gelobt „Christiane“ trug, wurde 1873 verkauft; da- wurde. Nach der Fusion mit einer anderen mit besaßen die Vorwerks kein eigenes Schifffahrtslinie expandierte der Linienbe- Schiff mehr. Sie blieben aber weiter im Ree- trieb weiter, hatte aber auch mit wachsender dereigeschäft engagiert, indem sie – ein für Konkurrenz zu kämpfen, so dass die Kos- die Gesamtheit ihrer kaufmännischen Akti- mos-Linie 1901 eine Betriebsgemeinschaft vitäten wichtiger Vorgang – zu Mitbegrün- mit der HAPAG einging. Damit gewann dern und Aktionären der „Dampfschiff- Albert Ballin, „der allmächtige Generaldi- fahrts-Gesellschaft Kosmos“ und deren rektor der HAPAG“, bald beherrschenden Nachfolgerin „Deutsche Dampfschifffahrts- Einfluss auf die Kosmos-Linie.106 Gesellschaft Kosmos“ wurden. Die Erst- ··································································· gründung erfolgte, in Absprache mit ande- An dieser Stelle sei der Hinweis eingescho- ren Geschäftspartnern, am 10. Mai 1872, ben, dass nach und nach vier Enkelsöhne und zwar mit einer Kapitalausstattung von von Georg Friedrich als Juniorpartner in die 800.000 Reichstalern (2.4000.000 Mark). Vorwerk-Firmen eintraten, und zwar: „Vorwerk Gebr. & Co. und Adolph Vor- — 1893 Oscar Vorwerk (1865–1933), Sohn werk zeichneten je 100.000 Reichstaler, also von Friedrich; ein Viertel der Gesamtsumme.“ Die Ausrüs- — 1900 Walter Vorwerk (1873–1933), Sohn tung der Dampfer, die auf englischen Werf- von Adolph; ten gebaut wurden, „entsprach dem neues- — 1904 Carl Vorwerk (1875–1949), Sohn ten Stand der Technik“. Zweiter Vorsitzender von Adolph; des Verwaltungsrates war Adolph Vor- — 1909 Edgar Vorwerk (1874–1949), Sohn werk.105 von Friedrich. ··································································· ··································································· Nachdem sich die Kapitalbasis der zuerst In Verbindung damit kann auch ein kurzer gegründeten Gesellschaft als zu schmal er- Blick auf die Vermögensverhältnisse der Fir- wiesen hatte, wurde ein halbes Jahr später, men geworfen werden. Im Jahr 1907 er- am 28. November 1872, die Folgegesellschaft reichte das Vermögen mit 23.401.707 Mark gegründet, nunmehr in Form einer moder- einen Höhepunkt. „1913 belief es sich auf nen Aktien-Gesellschaft. Doch auch dieses 10.621.938 Mark. Das Mittel in den Jahren zweite Unternehmen wollte nicht florieren; 1898 bis 1913 einschließlich lag bei 9.097.350 dass es nicht zur Liquidation kam, war, so Mark.“ Unter den Hamburger Firmen stan- Hauschild-Thiessen, „in nicht unerhebli- den die Vorwerks demnach mit ihrem Ver- chem Maße Adolph Vorwerk zu verdan- mögen an fünfter Stelle.107 ken“. – Die Geschichte der Kosmos-Linie ··································································· kann hier nicht im Einzelnen rekapituliert Im Aufsichtsrat der Kosmos-Linie hatte seit werden. Sie wendete sich zum Besseren, als längerem Adolph Vorwerk den Vorsitz inne; die Zahl der einzusetzenden Schiffe vor al- neben ihm gehörte Ballin dem Gremium lem in den 1880er Jahren vergrößert werden an. Als die Linie mit dem schweren Erdbe- konnte. Die Dampfer, ausgerüstet für den ben, das im August 1906 Valparaíso verwüs-

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Werbeplakat der Kosmos-Linie

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tete, in Schwierigkeiten geriet, wusste Bal- Nur kurz und allgemein soll auf die Situa- lin die Situation zu seinem Vorteil zu nut- tion der Firmen während des Ersten Welt- zen und eine Revision im Aufsichtsrat kriegs eingegangen werden. Ein Großteil durchzusetzen. In handschriftlichen Auf- der Hamburger Angestellten wurde Soldat, zeichnungen erklärt Walter Vorwerk dazu: die Juniorchefs Oscar, Walter und Edgar Ballin griff den „Gedanken auf, wonach den Vorwerk kamen zum Einsatz in der Etappe; Verladern oder gar der Gesellschaft nicht da- Carl war wegen eines Ischiasleidens dienst- mit gedient sei, daß einer der bedeutendsten untauglich, wurde aber in einer Berliner Verlader (– wir –) auch den Vorsitzenden halbstaatlichen Organisation zum Einkauf des Aufsichtsrats u. die Vertreter für die und zur Verteilung der bald knapper wer- ganze Westküste Süd Amerikas stellte. Die denden Lebensmittel tätig. Im neutralen Entgegnungen machten nicht viel Ein- Chile konnte England seinen Einfluss gel- druck, u. mein Vater trat vom Aufsichtsrat tend machen, so dass die Geschäfte für die zurück. Ballin wurde zum Vorsitzenden ge- Deutschen komplizierter wurden; jedoch wählt, u. mein Bruder Carl trat in den Auf- wusste die Firma Vorwerk und Co. sich trotz sichtsrat ein.“108 Allenfalls in der verhalten aller Probleme immer wieder zu helfen. Bei bitteren Formulierung „Die Entgegnungen Kriegsende war allerdings, wie Hauschild- machten nicht viel Eindruck“ klingt an, dass Thiessen schreibt, das Geschäft „fast voll- es sich hier um einen dramatischen Wechsel ständig zum Erliegen gekommen, sowohl in handelte, der nicht nur den Einfluss Hamburg als auch in Valparaiso; und es er- Adolphs, sondern auch die Wirkungsmög- holte sich auch nach dem Waffenstillstand lichkeiten der Kosmos-Linie beschnitt. im November 1918 zunächst nicht“.110 Die Dennoch, so Hauschild-Thiessen, wurde in Brüder Friedrich und Adolph Vorwerk star- der Schifffahrts-Abteilung der Vorwerks gut ben 1921 und 1919; wie sehr ihr Leben sich verdient.109 durch die Kriegsereignisse verdüsterte, ist ··································································· schwer zu ermessen.

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·············································································································································· 80 Hauschild-Thiessen, Hamburg und Chile, S. 96 f. 81 Ebd., S. 45 (statt „1869“ muss es bei den Angaben zu Adolph „1859“ heißen), 98. 82 Vgl. im Überblick Vorwerk, Ambiente, S. 191. 83 Vgl. Schröder, Mutzenbecher, S. 10, 12. 84 Hauschild-Thiessen, Hamburg und Chile, S. 105. Von Lehmann heißt es ebd., er „verfügte über sehr gute Verbindungen in Hamburg. Er kannte sich aus; er wußte, wer mit wem verwandt war, was für die Anbahnung von Geschäftsabschlüssen eine wesentliche Erleichterung bedeutete.“ – Dazu Schröder, Mutzenbecher. 85 Hauschild-Thiessen, Hamburg und Chile, S. 126. 86 Ebd., S. 85, 96 f., 127. 87 Ebd., S. 119. 88 Vgl. ebd., S. 209. 89 Ebd., S. 119, 122. 90 Ebd., S. 98 ff. 91 Der Name Josepha wird in vielen Quellen auch mit „f“ geschrieben; im Folgenden bleibt es bei der „ph“- Schreibung. 92 Vgl. Vorwerk, Ambiente, S. 143. 93 Hauschild-Thiessen, Hamburg und Chile, S. 134. Ebd. auch die folgenden Zitate. 94 Ebd., S. 135. 95 Ebd., S. 138 96 Ebd., S. 37. 97 Ebd., S. 39. 98 Vorwerk, Ambiente, S. 114. Vgl. Andresen, Stehpult, S. 142. 99 Hauschild-Thiessen, Hamburg und Chile, S. 41 f. 100 Ebd., S. 171, 173. 101 Ebd., S. 160 f. Vgl. Wasmuth, Dynastien, S. 212. 102 Hauschild-Thiessen, Hamburg und Chile, S. 162. 103 Ebd., S. 142, 163. Dazu Albrecht, Sparen, S. 37. [Thöns], 175 Jahre, S. 23, 40. 104 Hauschild-Thiessen, Hamburg und Chile, S. 167 f. 105 Ebd., S. 188. 106 Ebd., S. 190 ff., 197. Im Deutschen Geschlechterbuch 200, S. 674 wird Adolph Vorwerk fälschlicherweise als „Mitbegründer der HAPAG“ bezeichnet. 107 Hauschild-Thiessen, Hamburg und Chile, S. 143 ff. 108 Staatsarchiv Hamburg, 622-1 ⁄510 Vorwerk, Ablage 25.7.88. 109 Hauschild-Thiessen, Hamburg und Chile, S. 200. 110 Ebd., S. 204‒208. ··············································································································································

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Die Söhne von Friedrich Vorwerk (um 1900). Von links nach rechts, stehend: Augustus (1871‒1961), Edgar (1874‒1949), Arthur (1884‒1959); sitzend: Oscar (1865‒1933), Alfred (1869‒1949). Zwischen ihnen das Foto mit den Söhnen des Großvaters Georg Friedrich Vorwerk

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Friedrich, Adolph und deren Ehefrauen in den Erinnerungen dreier Enkel

Bevor zu den Lebensumständen und auch „einer freundschaftlichen Vereinigung von zu weiteren Merkmalen der beiden Brüder Männern verschiedener Berufsstellung, de- sowie zu ihren Ehefrauen Näheres gesagt nen daran liegt, nach des Tages Last und wird, soll auf die Ehrenämter hingewiesen Mühen in gemütlichem Zusammensein ei- werden, die Friedrich und Adolph ähnlich nige Stunden angeregter Unterhaltung im wie ihr Vater, wenn auch nicht mehr im sel- Kreise Gleichgesinnter zu verbringen“.112 ben Umfang, übernommen hatten. Wie- Adolph war 1887 in die „Einigkeit“ aufge- derum können Angaben dazu der Studie nommen worden; seit dem 5. Dezember von Hauschild-Thiessen entnommen wer- 1904 war er Deputierter dieser Gesellschaft. den: „Friedrich Vorwerk wurde 1867 in die Friedrich wurde im selben Club am 6. Ja- Polizeiwachen-Deputation gewählt; 1882 nuar 1902 Mitglied.113 wurde er Steuerschätzungsbürger; von 1886 ··································································· bis 1891 war er Kirchenvorsteher von St. Pet- Dem bereits erwähnten kurzen Lebensab- ri. Adolph Vorwerk wurde 1877 Mitglied riss, den Friedrich im August 1905 verfasst der Handelskammer und wirkte von 1877 hatte, ist nur mancherlei über seine Ge- bis 1884 als Finanzdeputierter.“ Außerdem schäfte und sein Lebensumfeld, nichts je- gehörte Friedrich „zum Vorstand der von doch über ihn selbst zu entnehmen. Das be- seinem Vater ins Leben gerufenen Stiftun- deutet, von den spärlichen Andeutungen gen: der Georg Friedrich Vorwerk-Stiftung abgesehen, die im Vorangegangenen zur und dem ‚Asyl Vorwerk‘. Adolph gründete Sprache kamen, ist über ihn persönlich mit 100.000 Mark 1901 die Dr. Adolph Vor- buchstäblich nichts weiter zu erfahren. Nur werk-Stiftung“, zur Erinnerung an seinen indirekt, durch seine Schilderungen zur Sohn Adolph, der 1900 im frühen Alter von Amerika-Reise – siehe Kapitel 4 –, ferner 29 Jahren gestorben war.111 durch Hinweise auf seine Wohnumgebung ··································································· – dazu Näheres im Folgekapitel –, außer- Erwähnt sei außerdem, dass sowohl Fried- dem durch Beschreibungen, die es zu seiner rich als auch Adolph der exklusiven Gesell- Ehefrau Josepha gibt, können gewisse Auf- schaft „Einigkeit“ angehörten. Dieser 1761 schlüsse gewonnen werden, die auf Friedrich gegründete Herrenclub, der – jedenfalls frü- zurückverweisen. Elisabeth Hoehne, die 1912 her – in mancher Hinsicht Ähnlichkeit mit geborene Enkeltochter von Adolph, kann der noch heute bestehenden Gesellschaft sich in dem 2008 geführten Gespräch zu ih- „Harmonie“ aufweist, sieht seinen Sinn in rer Kindheit an ihren Großonkel Friedrich

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lebte. Letztere war eine mittelgroße Dame, die sowohl streng als auch liebevoll war. „Wenn wir im Garten oder auf dem Spiel- platz zu sehr tobten, kam sie – damals ging sie mit dem Stock, und wenn sie etwas nicht mochte, stieß sie energisch mit dem Stock auf den Boden. Dieses Bild habe ich noch genau vor Augen.“ Jutta – sie war die jüng- ste Enkeltochter – wurde von Josepha „Lütt- sche Kröt“ genannt, eine etwas herbe Kenn- zeichnung, die die Angeredete gar nicht lustig fand. Ende der zwanziger Jahre beglei- tete die Enkelin ihre Großmutter, wenn sie durch den großen Garten ihres Sommer- hauses zu einem Stall ging, um Hühner zu füttern. Josepha brauchte Bewegung und frische Luft, bei ihren Gängen hatte sie stets einen kleinen Hund dabei. Eine ihrer her- vorstechenden Eigenschaften war die Spar- samkeit. „Es wurden immer erst all die an- gestoßenen Obstsachen gegessen. Sparsam- keit war groß geschrieben. Obwohl alles im Josepha Vorwerk, geb. Klée (um 1905) Grunde genommen da war. Aber man muss bedenken, sie hatte viele Kinder, die Fami- nicht erinnern, obwohl sie mit Sicherheit lie war groß.“ Manchmal ging Jutta zu ihrer wiederholt bei ihm im Haus zu Besuch ge- Großmutter und bat um Schokolade. wesen ist. Auch Jutta Bohlen, 1923 geboren „Dann hatte sie in ihrem Schreibtisch die und als Enkelin direkt von ihrem Großvater Feodora-Schokolade, und davon wurde ein Friedrich abstammend, kann in einem Ge- kleines Stück für mich abgebrochen. Ob sie spräch, das am 30. April 2008 zustande kam, selbst ein Stück aß, weiß ich gar nicht. Das keine näheren Auskünfte geben. Da Fried- erinnere ich nicht.“ Einem anderen Nach- rich bereits 1921 gestorben war, hätte sie nur fahren Josephas, dem Urenkel G. Volkert aus Erzählungen etwas über ihn erfahren Vorwerk (geb. 1942), ist ein Ausspruch sei- können. Sich an ihre Kindheit erinnernd, ner Urgroßmutter im Gedächtnis, dessen meint sie jedoch, es wurde wohl über den Pointe sich wiederum erschließt, wenn man Großvater Friedrich wenig gesprochen, da bedenkt, dass „alles im Grunde genommen sein Tod, als sie selbst ihr Umfeld bewusst da war“; nach Hamburger Art das „sp“ mit wahrzunehmen begann, schon verhältnismä- s-pitzer Zunge aussprechend, hatte Josepha ßig weit in die Vergangenheit abgerückt war. gesagt: „Ich spar und spar, und Friedrich ··································································· gibt das Geld mit beiden Händen aus!“114 Jutta Bohlen hat aber noch Erinnerungen ··································································· an ihre Großmutter Josepha, die bis 1932 Sehr viel deutlichere Bilder können von

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Friedrich (stehend, zweiter von links) und Adolph (sitzend, fünfter von rechts) in der Gesellschaft „Einigkeit“ (1906)

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Adolph und seiner Frau Carlota gezeichnet ··································································· werden. Adolphs Enkelsohn G. Adolph, 1918 Gegen Ende des Ersten Weltkriegs wohnte geboren, beschreibt in seinem Buch „Ein die kleine Elisabeth eine Zeitlang bei ihren Hamburger Ambiente“ seinen Großvater als Großeltern im „Haupthaus“. „Da aßen wir „sehr dynamisch“, als einen Mann, der „schon auch mit ihnen zusammen. Sie mochten es in jungen Jahren erstaunlich viel Weitblick dann überhaupt nicht, dass die Söhne mei- und Urteilsfähigkeit gehabt hat. […] Von ner Tante Helene, meine Vettern, bei jedem denjenigen, die ihn noch kannten, habe ich großen Dampfer, der auf der Elbe vorüber- verschiedentlich gehört, daß er von aufrech- fuhr, vom Tisch aufstanden, nach draußen ter Haltung, sehr gutaussehend und liebens- rannten und guckten, woher und wohin.“ würdig im Umgang war, dazu überlegt und Zusammenfassend erklärt Elisabeth Hoeh- bestimmt sich durchzusetzen verstand und ne: „Der Großvater hielt sehr auf Ordnung, über eine für sich einnehmende Art der per- und selbstverständlich auf Respekt. Zu- sönlichen Ausstrahlung verfügte. Auf Fotos gleich war er auch sehr liebevoll.“ sieht er bedeutend und sympathisch zugleich ··································································· aus.“ Ein etwas fernerstehender Verwandter Das Buch „Ein Hamburger Ambiente“ erinnerte sich im Jahr 1942 an Adolph als an widmete G. Adolph Vorwerk seiner Groß- „einen besonders liebenswerten, klugen und mutter Carlota, die 1940 in Flottbek starb. sehr vornehmen alten Herrn“.115 Zunächst erklärt er – und dies zeugt von sei- ··································································· ner großen Verehrung: „Die wichtigste Aus- Die Gegenüberstellung von Strenge einer- sage, die ich von Großmama machen kann, seits und liebevoller Freundlichkeit oder ist, daß sie für uns alle, als letzte Besitzerin Güte andererseits findet sich auch in den des gesamten Gartens, absolute Autorität Kennzeichnungen Elisabeth Hoehnes. Groß- war. Darüber hinaus aber habe ich sie aus vater Adolph „war sehr gütig und freundlich tiefstem Herzen geliebt und mich ihr in und liebenswürdig. Ich weiß noch, wie er zu ebenso großer Loyalität verbunden gefühlt.“ meiner acht Jahre älteren Schwester sagte: Weiter schreibt er: „Von Statur war Groß- ‚Du bist ja so geschickt, kannst du mir bitte mama eher klein, jedoch ohne daß es ins mal eben ein Taschentuch holen?‘ Mit einer Auge fiel, da sie sich sehr aufrecht hielt. freundlichen Bemerkung leitete er die Bitte Dazu war sie klug und eine so starke Persön- ein, aber in Wirklichkeit war es ein absolu- lichkeit, daß sie von innen heraus groß ter Befehl. Er war auch streng. Zum Beispiel wirkte oder Größe ausstrahlte. So kam es, durften wir zwar auf der Einfahrt zum daß sie für ganz Flottbek in erster Linie Res- ‚Haupthaus‘ spielen. Wir waren viele Vet- pektsperson war, obwohl meiner Ansicht tern und Cousinen und spielten oft Gesell- nach ihre Strenge nur als Schutzschild schaftsspiele. Mit der Hacke machten wir diente, hinter dem sich ein liebevolles Herz dann Striche auf die Erde. Die mussten im- verbarg“.116 mer weggewischt werden, bevor Großpapa ··································································· vom Kontor zurückkam. Er fuhr mit Pferd Die Strenge Carlota Vorwerks richtete sich und Wagen in die Stadt und kam so auch nicht nur gegen andere, sondern auch gegen zurück. Vor der Veranda durften wir über- die eigene Person. Sie ging so weit, dass es haupt keine Striche machen.“ heute manch einem Mühe bereiten mag,

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Adolph Vorwerk

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ihre Haltung zu verstehen. Es gibt einen menbinden konnten. Das fanden wir im- Ausspruch Carlotas, von dem G. Adolph mer schrecklich langweilig. Jeden Sonntag meint, er sei eine „für sie kennzeichnende für die Gäste Sträuße binden! Das hat mir und noch heute oft kommentierte Bemer- die Freude am Blumenpflücken völlig ge- kung“ gewesen: „Schlimm genug, daß wir nommen.“ Gefühle haben – wir wollen sie doch nicht ··································································· auch noch zeigen.“117 Offensichtlich hatte Die Familien Friedrichs und Adolphs mit- Carlota dies geäußert aus Anlass eines als einander vergleichend, resümiert Elisabeth sehr schmerzhaft empfundenen Todesfalls; Hoehne: „Im ganzen waren die Friedrichs trotzdem wirken die Versuche G. Adolphs, viel lebendiger; die [Adolphschen] Vorwerks dieser bemerkenswerten Äußerung die waren sehr steif und zurückhaltend. Fried- Schärfe zu nehmen, ein wenig bemüht. richs Kinder und Enkel waren irgendwie Selbstbeherrschung um jeden Preis ist frei- frecher und offener, lebhafter als die lang- lich für viele aus der Generation Carlota weiligen Kinder von Adolph.“118 Für die Vorwerks ein unverbrüchliches Gesetz ge- Familie im ganzen sei im Übrigen ein aus- wesen. geprägter Sinn für Humor, zuweilen mit ··································································· spöttischem Unterton, kennzeichnend ge- Elisabeth Hoehne leitet die Erinnerun- wesen. Wenn etwa in größerer Runde eine gen, die sie an ihre Großmutter hat, mit spaßige Bemerkung gemacht wurde, und je- ähnlichen Worten ein wie ihr Vetter G. mand hatte die Pointe nicht verstanden, Adolph: „Großmama war die Herrscherin.“ wurde ihm gesagt: „Das ist ein Vorwerkscher Sie fährt dann fort: „Wir Kinder hatten Witz, da mußt du lachen!“ immer ein schlechtes Gewissen, weil wir ··································································· Früchte genascht hatten oder auf Beete ge- Zum Tod von Adolph, der am 19. Juli 1919 treten waren.“ Carlota duldete Nachlässig- starb – zwei Jahre und vier Monate vor sei- keit noch weniger als Adolph: „Vielleicht nem Bruder –, erklärt Elisabeth Hoehne: verbot er mehr, aber sie war strenger. Ande- „Ich war acht Jahre alt, als er starb. Und rerseits war sie aber auch wieder gütig. Ich mein Vater war schon dabei, etwas zu dich- bin als Kind sehr viel krank gewesen. Stän- ten, was wir dann aufführen sollten zu sei- dig kriegte ich Bronchialkatarrh und lag oft nem achtzigsten Geburtstag. Da wurde er zu im Bett. Dann kam Großmutter. Erst ein- einer Autotour wohl in einem offenen Auto mal schalt sie: ‚Bist du schon wieder krank! – Autos waren noch eine Seltenheit – einge- Ich bin nie krank gewesen.‘ Danach setzte laden und fuhr mit. Bei dieser Fahrt hat er sie sich hin und las mir vor. Sie kümmerte sich eine Erkältung mit Mandelentzündung sich sehr um alle.“ Die Kinder hatten beson- geholt; das ging aufs Herz, und er starb. Vor dere Pflichten: „Wenn Gäste da waren zum seinem Geburtstag. Zur Aufführung – wir Tee, wurden wir immer losgeschickt: ‚Pflückt sollten die Früchte des Gartens darstellen – mal eben einen Blumenstrauß für die kam es nicht mehr.“ Es ist aufschlussreich zu Gäste!‘ Früher wuchsen die Blumen zum lesen, dass der Vetter G. Adolph den Tod sei- Schneiden im Gemüsegarten am großen nes Großvaters etwas anders beschreibt (wo- Weg. Im Treibhaus hing ein Bündel Bast- bei er wiederum der Erzählung eines ferner- fäden, mit denen wir die Blumen zusam- stehendenVerwandten folgt): Der Groß-

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··································································· Die Umstände, die – laut Geschlechter- buch121 – am 27. November 1921 zum Tode von Friedrich Vorwerk führten, sind nicht bekannt. Immerhin ist aber die Ansprache überliefert, die Pastor Ch. Chalybaeus am 30. November 1921 während der Trauerfeier in der Kirche zu hielt. (Auf dem Friedhof Nienstedten sind u. a. Georg Friedrich mit seinen Söhnen Friedrich und Adolph beigesetzt – wobei sich die Verbun- denheit der beiden Brüder gleichsam bis über den Tod hinaus zeigt, indem ihre Grab- stätten nebeneinander liegen.122) Da Chaly- baeus ganz dem Gebot „de mortuis nil nisi bene“ folgt, da seine Rede auch nicht frei ist von zeittypischem Pathos und Über- schwang, muss man seinen Ausführungen gewiss mit Zurückhaltung begegnen. Seine Charakteristik ist aber geeignet, dieses Ka- pitel würdig abzuschließen: „Gemüt und Charakter, körperliche Gesundheit und Ver- Carlota Vorwerk standeskraft – alles war dem Entschlafenen in besonders hohem Maße geschenkt, alles vater wollte einen ihm wohlbekannten Herrn war bis in das hohe Alter hinein in solcher „mit der zweispännigen Victoria direkt vom Frische in ihm lebendig, daß er bis zuletzt Schiff im Hafen“ abholen. „Auf dieser unter euch stand wie ein blühender und zu- Fahrt, bei der das Wetter anfangs sonnig gleich mit reichen Früchten behangener warm war, dann aber zu eisigem Nebel um- Baum. Die äußere Gesundheit hatte in den schlug, habe er sich im offenen Wagen er- letzten Jahren zwar Schaden gelitten. Aber kältet, um kurz darauf, am 14. Juli 1919, an die Zähigkeit seines Willens, die lange Ge- einer Lungenentzündung zu sterben.“119 wöhnung, nicht an sich zu denken sondern Wie man sieht, kann man Überlieferungen ganz dem Beruf und der Arbeit zu leben, keinen blinden Glauben schenken. Ob überwand diese Schwachheit immer wieder. Adolph am 14. oder am 19. Juli 1919 starb, Vorbildlich steht er vor euch da in dieser wäre wohl zu klären,120 doch ob Mitte Juli Art. Was hat der Entschlafene durch seine das Wetter „zu eisigem Nebel“ umschlagen Willenszähigkeit und durch diese Hingabe konnte, erscheint recht sonderbar. Darüber an Arbeit und Beruf gearbeitet und geschaf- hinaus bleibt ungewiss, ob Adolph in einer fen in seinem Leben! Wenn das Haus Vor- Kutsche oder in einem Auto unterwegs war, werk im Laufe der Jahrzehnte Weltruf er- und ob er an Herzversagen oder an einer langte und sich der allerweitesten Achtung Lungenentzündung gestorben ist. – erfreute, so war das sein und seines entschla-

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Friedrich Vorwerk

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fenen Bruders Lebenswerk. Er stand unter euch als ein lebendiges Beispiel dafür, daß Tüchtigkeit und Charakter zusammenkom- men muß, wenn Ganzes und Dauerhaftes geschaffen werden soll.“123

·············································································································································· 111 Ebd., S. 139. 112 Goverts, Mitgliederliste, S. 3. Vgl. Wasmuth, Dynastien, S. 92 ff. 113 Goverts, ebd., S. 111, 116. 114 Auskunft von G. Volkert Vorwerk am 2. August 2008. 115 Vorwerk, Ambiente, S. 125 f., 128. 116 Ebd., S. 140. 117 Ebd. Vgl. Jungclaussen, Risse, S. 158. 118 Vgl. Vorwerk, Ambiente, S. 195. 119 Ebd., S. 127 f. 120 Im Deutschen Geschlechterbuch 200, S. 674, ist angegeben, Adolph Vorwerk sei am 19. Juli 1919 in Altona- Klein Flottbek gestorben. 121 Siehe ebd., S. 656. 122 Dazu Näheres bei Johannsen, Wer sie waren, S. 244‒249. 123 Staatsarchiv Hamburg, 622-1 ⁄510 Vorwerk, Ablage 25.7.88. ··············································································································································

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„Villa Josepha“ und „Haupthaus“

Dass Augustus Friedrich Vorwerk „Ganzes mit weiteren Häusern gehörte es zu dem und Dauerhaftes geschaffen“ hat, lässt sich großen Anwesen der Vorwerks in Flottbek, auch an den Bauwerken ablesen, die er zwar mit dem „Haupthaus“ als Zentrum. nicht selbst hat errichten lassen, für deren ··································································· Erhaltung er aber jahrzehntelang gesorgt Friedrich bewohnte also von 1883 bis zu hat. Mit der „Villa Josepha“, die von 1883 bis seinem Tode 1921 während der Sommermo- etwa 1938 im Besitz Friedrichs und seiner nate ein großes Haus in Nienstedten, und nächsten Angehörigen war – Josepha lebte zwar an der Elbchaussee mit der heute gül- bis Anfang 1932 –, hat es eine besondere Be- tigen Nummer 386. Danach blieb dieses wandtnis. Auf die Bedeutung der Villa, die wohl bereits seit 1883 als „Villa Josepha“ be- eigentlich ein Sommer- und Landhaus war, zeichnete Haus knapp weitere zwei Jahr- soll hier näher eingegangen werden. zehnte im Besitz der Friedrichschen Vor- ··································································· werks, bis es verkauft wurde. Den Nachfah- Die ersten Sommer nach seiner Verheira- ren der Vorwerks, etwa Elisabeth Hoehne tung 1864, so schreibt Friedrich in seinem und Jutta Bohlen, ist die „Villa Josepha“ Lebensabriss, wohnte er – Näheres wird bestens im Gedächtnis – doch wer es erbaut nicht gesagt – „in einem Landhause an der hatte, war in Vergessenheit geraten, obwohl Elbe“.124 Auch die weiteren Angaben zu den Adolph Vorwerk in seinem – freilich erst Sommersitzen bleiben summarisch – doch 1987 als Privatdruck herausgebrachten – Bruder Adolph liefert in seinem Buch mit Buch „Flottbek“ klipp und klar auf den dem Titel „Flottbek“ genaue Hinweise: „Im Architekten Martin Haller verweist. Aller- Frühjahr 1870 bezog mein Bruder Friedrich dings spricht Adolph nicht von der „Villa mit seiner Familie das Eichberg-Haus und Josepha“; dieser kleine Umstand kann ein wohnte dort vierzehn Sommer, bis er nach Grund dafür sein, dass eine Überlieferungs- Nienstedten übersiedelte, wo er sich am 10. lücke entstand, mit der das Wissen um den Mai 1883 das ehemals Ludwig Lippert gehö- Erbauer der Villa verlorenging. rige, vom Architekten Martin Haller er- ··································································· baute schöne Landhaus mit großem Garten Die Überlieferungslücke kann zusätzlich für M 220.000 gekauft hatte.“125 Das nörd- durch die Angaben von Paul Th. Hoffmann lich vom „Haupthaus“ gelegene Eichberg- verursacht worden sein, den Autor des be- Haus war 1857 in den Besitz von Georg kannten, in vielen Auflagen erschienenen Friedrich Vorwerk gelangt.126 Zusammen Buchs „Die Elbchaussee“. Hoffmann wid-

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Villa Josepha

met dem Hause „Elbchaussee 386“, das er Villa, die im Geschmack der damaligen immerhin als „Villa Josepha“ identifiziert, Jahre durch ihr leeres Pathos sich nicht ge- nur einen kurzen Absatz, wobei er es auf rade erfreulich von den schönen benachbar- eine Weise kritisiert, die, überaus typisch, ten Besitzungen abhebt.“127 einer förmlichen Stigmatisierung gleich- ··································································· kommt: „Es handelt sich um eine geräu- Hoffmanns Charakterisierung kann als mige, mit äußerem Zierart [sic] prunkende Musterbeispiel für die bis heute nachwir-

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kende, seit vielen Jahrzehnten verbreitete als Ganzes. „Binnen weniger Jahre wurde er Geringschätzung des Historismus gelten, ei- zum erfolgreichsten Privatarchitekten der nes Kunst- und Baustils, der gerade die Stadt Stadt.“130 Hamburg in besonderem Maß geprägt hat. ··································································· Das Hamburger Museum für Kunst und In seinen aus elf handgeschriebenen Bän- Gewerbe hat sich besondere Verdienste da- den bestehenden „Lebenserinnerungen“ rum erworben, die Eigenwertigkeit und Ei- nennt Haller das genaue Entstehungsdatum genart dieses Stils wiederzuentdecken und des zunächst für Ludwig Lippert entworfe- anzuerkennen. Im Vorwort eines voluminö- nen, später „Villa Josepha“ bezeichneten sen Ausstellungskatalogs zur Kunst des His- Hauses: Erbaut wurde es 1875. Mit der Er- torismus schreibt Axel von Saldern 1977: richtung des Hauses verbindet sich eine „Mit großem Engagement haben viele besondere Geschichte, indem es zwischen Hamburger Bürger in den letzten Jahren Lippert und Haller zu Streitigkeiten kam, Hausfassaden des 19. Jahrhunderts sorgsam die schließlich zu einem Gerichtsverfahren restaurieren lassen […]. Wer einst achtlos führten, mit ungünstigem Ausgang für den durch manche Stadtviertel ging, bemerkt Architekten. Lippert wurde dadurch für jetzt, welche Vielfalt an Formen und Gestal- Haller zum schikanösesten, unangenehms- tungsmöglichkeiten jene Epoche hervor- ten Bauherrn, dem er je begegnet war.131 – brachte, die in vielen kunstwissenschaftli- Friedrich Vorwerk erwarb 1883 ein Haus, das chen Publikationen […] schlichtweg über- praktisch als Neubau gelten konnte. Im Jahr gangen wurde.“128 Vor wenigen Jahren 1909 kaufte er das auf dem Nachbargrund- wurde auch die Villa Josepha innen und au- stück (Elbchaussee 388) stehende „Roosen- ßen vorzüglich restauriert, so dass man die haus“ hinzu132 und vereinigte beide Areale Schönheit des Baus, wenn man nicht Scheu- zu einem großen Parkgelände. Zu dem gan- klappen trägt, uneingeschränkt bewundern zen Anwesen gehörte außerdem ein kleine- kann. res, direkt an der Straße gelegenes Haus, das ··································································· wegen der davorstehenden Linden den Die Villa Josepha verdient im Übrigen be- Namen „Lindenhof“ trug. Zusätzlich gab es sonderes Interesse, weil sie tatsächlich von im Norden, an der heutigen Georg-Bonne- keinem Geringeren als Martin Haller ent- Straße, ein um 1900 erbautes (um 1958 ab- worfen worden ist. Von ihm heißt es in ei- gerissenes) „Wirtschaftsgebäude“ mit Wohn- ner umfangreichen Dissertation über den räumen für Kutscher und Gärtner im Ober- Baumeister: „Kein Architekt vor Fritz Schu- geschoss; im Erdgeschoss befanden sich macher hat das Bild Hamburgs so stark be- Pferdeställe und Remisen.133 Ferner befand stimmt wie Martin Emil Ferdinand Haller sich an der Jürgensallee ein kleiner Wirt- (1835–1925).“129 Nicht nur hat er im Bund schaftshof, „Palomas“ genannt, wo Vieh- mit anderen Architekten das Hamburger zeug für den täglichen Bedarf gehalten Rathaus entworfen und ausgeführt, nicht wurde, unter anderem eine Kuh mit dem nur ist er zusammen mit Emil Meerwein der Namen „Esmeralda“.134 Jedenfalls verfügte Erbauer der Laeiszhalle (Musikhalle), son- Friedrich Vorwerk während der letzten dern durch die Vielzahl der Häuser, die er zwölf Jahre seines Lebens über einen Besitz, entwarf, prägte er das Hamburger Stadtbild der sich in seiner Opulenz von dem Besitz,

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welcher sich um das „Haupthaus“ herum renommierten Architekten entworfen wor- gebildet hatte, durch nichts unterschied. den, von Baukünstlern, deren herausra- ··································································· gende Bedeutung für Hamburg mittlerweile Bei alldem muss betont werden, dass das außer Zweifel steht. Merkmal der Opulenz vor allem eine ästhe- ··································································· tische Qualität aufweist; es geht weniger um Der bereits mehrfach angesprochene die Anzahl der Häuser auf den beiden Besit- „Gleichklang“, der zwischen den Brüdern zungen oder um die Größe der Parks, also Friedrich und Adolph bestand, spiegelt sich um Quantitäten, als vielmehr darum, dass auch im Nebeneinander der Sommerhäuser, beidemal im Zentrum der jeweiligen Um- also im Nebeneinander von „Haupthaus“ gebung ein Repräsentationsbau von archi- und „Villa Josepha“. „Gleichklang“ kann tekturgeschichtlicher Relevanz steht. Ne- dabei ohne weiteres, ob unterschwellig oder ben dem von Forsmann 1841/42 erbauten offen, auch „Konkurrenz“ bedeuten. Es ist „Haupthaus“, das nach dem Tod der Mut- nicht ausgeschlossen, dass es zwischen den ter 1885 in den Besitz von Adolph über- Brüdern bei aller Harmonie zugleich eine ging,135 kann sich die ungefähr zu gleicher Rivalität gab, die es beiden verbot, jeweils Zeit von Friedrich erworbene „Villa Jose- hinter dem anderen zurückzustehen. Diese pha“, auch wenn sie 35 Jahre später entstan- „stille Rivalität“ könnte unter Umständen, den ist und damit einer anderen, „neuen“ bei aller Wohlerzogenheit, auch unter den Stilepoche angehört, unangefochten be- Kindern und Enkeln von Friedrich und haupten. Beidemal sind die Häuser von Adolph wirksam geblieben sein. Die Mög-

Villa Josepha

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Das „Haupthaus“ in Klein-Flottbek, 1841‒1843 erbaut nach Plänen von Franz Gustav Forsmann (um 1880)

lichkeit der stillen Rivalität ist dabei durch- ersten Stock des Hauses aus dem Fenster aus nichts Bemerkenswertes; in weitver- blickt. Das „Haupthaus“ liegt demgegen- zweigten Familien gibt es bekanntlich im- über ein erhebliches Stück von der Chaus- mer Spannungen und Differenzen, auch see entfernt auf einer Anhöhe. – Davon ab- wenn zugleich nach außen hin stets für ein gesehen besaß aber die „Villa Josepha“ für „stimmiges Bild“ gesorgt wird. Elisabeth Hoehne während ihrer Kindheit ··································································· auch besondere Vorzüge: „Die hatten so Durch Vergleiche werden im Gleichge- einen herrlichen Spielplatz. Eine Schaukel, lagerten Unterschiede sichtbar. Elisabeth wie ich sie nie wieder erlebt habe. Da gab es Hoehne meint z. B., wie oben zitiert, die zwei Bäume, die weit auseinander standen, Verwandten der Friedrich-Linie seien „le- dazwischen ein Seil gespannt. In der Mitte bendiger“ gewesen als die „steifen“ Verwand- des Seils hing eine Schaukel. Das Seil oben ten der Adolph-Linie. Zwischen „Haupt- schwang mit, und so konnte man ganz weite haus“ und „Villa Josepha“ sieht sie „große Schwünge schaukeln.“ Auch Jutta Bohlen Unterschiede“: „Wir fanden immer, dass die hat den Garten und Spielplatz der „Villa Jo- ‚Villa Josepha‘ längst nicht so schön lag [wie sepha“ deutlich vor Augen: „Für uns war es das ‚Haupthaus‘]. Die hatten im Parterre ja der große Garten. Heutzutage würde man gar keinen Blick auf die Elbe.“ In der Tat sagen, es war ein Park, weil es ein großes Ge- kann man von der verhältnismäßig dicht an biet war. Der Rasen wurde mit der Sense ge- der Elbchaussee gelegenen „Villa Josepha“ mäht, vom Gärtner. Zwei Gärtner gab es be- aus den Strom nur sehen, wenn man vom stimmt, wie ich es erinnere, dazu vielleicht

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Frauen, die im Sommer kamen, um Ge- nem Querast von einer Linde herunterhing; müse zu ernten. Blumen wurden gepflückt zum Klettern. Dazu gab es ein kleines Pup- im Garten, Obst und Gemüse war sehr viel penhaus und eine riesengroße Sandkiste. da – was wir als Kinder reichlich genossen Das hatte alles Großpapa schon angelegt für haben. Außerdem gab es den Spielplatz, rie- seine Kinder. Wir haben dort mit den Jun- sengroß. Da waren lauter Turngeräte aufge- gen zusammen viel geturnt und gespielt. Im stellt: Ringe, Schaukel, Reck, Barren, und großen Garten mit den vielen Bäumen war ein ganz langes dickes Tau, was oben von ei- Versteckspielen die Hauptsache.“

·············································································································································· 124 Vorwerk, Lebensabriss, S. 6. 125 Vorwerk, Flottbek, S. 41. Friedrich Vorwerk schreibt im „Lebensabriss“, er habe „etwa 10 Sommer in dem, meiner Mutter gehörigen Landhause Eichberg in Flottbek“ gewohnt, „bis ich mir im Jahre 1883 das Gartenhaus von Lud. Lippert in Nienstedten kaufte.“ 126 Vgl. Vorwerk, Ambiente, S. 22 f. Dazu Vorwerk, Flottbek, S. 36. 127 Hoffmann, Elbchaussee, S. 189 f. 128 Saldern, Vorwort, S. XI. 129 Mühlfried, Baukunst, S. 7. 130 Hornbostel; Klemm, Haller, S. 8. 131 Staatsarchiv-Hamburg, 622-1 ⁄33 Familie Martin Haller, 49, Lebenserinnerungen [verfasst zwischen 1913 und 1920], Band 2, S. 47, Anhang; Band 3, S. 33, 48. Dazu Behr, Epoque, S. 41. 132 Vorwerk, Ambiente, S. 21. Dazu: Gerhardt, Bau- und Kunstdenkmale, S. 216 ff., mit Abb. 218. 133 Der Heimatbote, S. 1, 12. Dazu das Gespräch mit Jutta Bohlen. 134 Auskünfte von G. Volkert Vorwerk. 135 Vorwerk, Flottbek, S. 44, 52. ··············································································································································

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Gustav Adolph als Bau- und Gartengestalter

Nachdem im vorangegangenen haupt- burtsdaten der Enkel handschriftlich mit sächlich von der „Villa Josepha“ und damit Sorgfalt angegeben; eigens hingewiesen sei indirekt von Friedrich Vorwerk die Rede auf die mit „8.“ bezeichnete Enkeltochter, war, soll in diesem Kapitel etwas näher auf die vier Jahre alte Elisabeth, später verheira- das „Haupthaus“ und seine Umgebung ein- tet mit Hermann Hoehne. Direkt über Eli- gegangen werden – und damit in einem di- sabeth sieht man den Großvater Adolph, rekten Sinn auf den jüngeren Bruder, denn mit einem Gesichtsausdruck „voll heiterer Adolph hat mit seinen im Jahr 1916 abge- Gelassenheit“ – eine Miene, die sich von schlossenen, „Flottbek“ betitelten Aufzeich- derjenigen seines Vaters, der immer ernst nungen, die sein Urenkel Holger Termer und sorgenvoll blickte, deutlich unterschei- 1987 (wie schon erwähnt) als Privatdruck det. veröffentlicht hat, ein Zeugnis hinterlassen, ··································································· das über einige seiner Haupteigenschaften Das „Haupthaus“, in dem Adolph seit 1886 und -interessen detaillierten Aufschluss gibt. wohnte,136 war für die wachsende Familie Es versteht sich, dass dabei wiederum, wie nach zehn Jahren zu klein geworden. Im Ab- im Blick auf die kaufmännischen Aktivitä- schnitt „Vorwerks Garten seit 1885“ werden ten, nur wenige Merkmale bzw. Projekte ge- die Gründe, die eine Erweiterung des Hau- kennzeichnet werden können; die näheren ses notwendig machten, im Einzelnen be- Einzelheiten sind in der „Flottbek“-Schrift nannt: Der Notwendigkeit, das Gebäude in zu finden. seiner mittlerweile 55 Jahre alten Gestalt ··································································· möglichst unverändert zu bewahren, stand Sieht man vom Geschäfts- und Berufsle- u. a. der Wunsch gegenüber, den heran- ben Adolphs ab, so galt seine ganze Liebe wachsenden Kindern „mehr und geräumi- und Leidenschaft zum einen seiner Familie, gere Schlaf- und Wohnzimmer“ zur Verfü- zum anderen der Pflege sowie der Ausgestal- gung zu stellen. So entschloss Adolph sich tung seiner Wohnumgebung mit Häusern, 1895 „zu einer ansehnlichen Erweiterung des Parks und Gärten. Zu seiner großen Fami- Hauses.“137 Diese Erweiterung verdient, was lie sei hier nur soviel gesagt, dass es ein be- die architektonische Lösung angeht, beson- sonders schönes Foto aus dem Jahr 1916 gibt deres Lob, da sie überaus geschickt und mit Carlota und Adolph Vorwerk in der überzeugend bewerkstelligt worden ist. Auf Mitte, umgeben von zwölf Enkelkindern. der elbabgewandten Nordseite wurde das Unter dem Foto sind die Namen und Ge- Haus um viereinhalb Meter nach hinten,

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Adolph und Carlota Vorwerk im Flottbeker Garten im Kreise ihrer Enkel (1916)

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also nach Norden erweitert, und zwar nicht mögensreserven. Adolph war sich des Geld- über die volle Breite der Nordfront, sondern werts seiner vielen Bauvorhaben wohl be- so, dass die Ost- und Westseite des Anbaus wusst; in dieser Hinsicht blieb er immer knapp anderthalb Meter hinter die Fluchten Kaufmann. Im „Flottbek“-Buch ist es auf- der Seitenfronten vom Hauptbau zurück- schlussreich zu lesen, wie zu allen Unterneh- springen. Diese „Einziehung“ fällt über- mungen stets die Kosten angegeben werden. haupt nicht auf; in keiner Weise stört sie das So heißt es zur Erweiterung des „Haupthau- Erscheinungsbild des Gesamtbaus. Sie ist ses“: „Der Kontrakt vom 28. September 1895 andererseits „markiert“, d. h. der Umbau mit dem Bauunternehmer Ferd. Müller be- wird nicht kaschiert; dem Eingeweihten lief sich auf M 34.500, verschiedene Ände- bleibt er ohne weiteres erkennbar.138 rungen und Extra-Arbeiten auf M 8.750, ··································································· das Architekten-Honorar und Gratifikatio- Im Inneren wurden mit dem Erweiterungs- nen auf M 3.000, die Malerarbeiten, Öfen, bau nicht nur zahlreiche Räume hinzuge- Badeeinrichtung u. a. m. auf M 5.600, so wonnen, es kam auch, neben der repräsen- daß der Gesamtan- und umbau mich M tativen Treppe im Hauptbau, eine zweite, 51.850 kostete.“139 kleinere Treppe hinzu. Für die Enkelkinder ··································································· entstand durch die Verschiedenartigkeit der Nicht nur die fortgesetzte Bauplanung Treppen ein besonderer Reiz, wie Elisabeth und -gestaltung lag Adolph besonders am Hoehne sich erinnert: „Wir Kinder sollten Herzen, mindestens ebenso wichtig war ihm immer die Treppe hinten benutzen. Aber alles das, was man zusammenfassend den wenn niemand guckte, legten wir uns über „Umgang mit Landschaft und Pflanzen“ das breite Geländer der Vordertreppe und nennen kann, also als den Umgang mit dem rutschten von oben bis unten hinunter. Das Park, den Gärten, den Gewächshäusern und war natürlich verboten.“ den Blumen-, Obst- und Gemüsesorten, die ··································································· dort gezüchtet wurden. Was das Parkge- Der Umbau des Haupthauses war nur ei- lände angeht, so erklärt Elisabeth Hoehne, ne von zahlreichen Baumaßnahmen, die der Urgroßvater Georg Friedrich habe sei- Adolph ergriff. Welche Häuser – neben dem nerzeit einen nicht sehr fruchtbaren Acker erwähnten Eichberg-Haus – zum großen gekauft, „aber Gras wächst überall“.140 Da- Flottbeker Anwesen gehörten, wer sie be- raus hätten er und sein Sohn Adolph einen wohnte, was mit den Bauten jeweils ge- schönen Park gemacht, und nicht nur das, schah, was hinzugekauft, abgerissen und letzterer „hatte auch einen großen Gemüse- neu erbaut wurde, kann hier nicht erläutert garten“. werden. Adolph gehörte offensichtlich zu ··································································· den Menschen, denen es ein elementares Von kaum zu überschätzender Bedeutung Bedürfnis ist, ihre Umgebung durch ständi- für den Park südlich vom „Haupthaus“ war ges Planen und Organisieren umzugestal- – wie in Kapitel 2 schon angedeutet – der ten, d. h. zu erweitern und nach eigenen Be- freie Blick auf die Elbe. Wenn das „Haupt- dürfnissen zu verschönern; ein Stillehalten haus“ bis heute ein räumlich-symbolisches gab es nicht. Voraussetzung für eine solche Zentrum der Familie Vorwerk bildet, so ge- Form der Selbstentfaltung sind große Ver- hört zu diesem Symbolgehalt unverzichtbar

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Bauzeichnungen für den Anbau des „Haupthauses“ (1895)

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der ungehinderte Blick auf die Elbe. Das beobachten als bei einer frontalen Sicht auf weitläufige Grundstück um das „Haupt- den Strom. haus“ herum mag inzwischen durch Teilver- ··································································· käufe um einiges kleiner geworden sein, Als Adolph im Frühjahr 1886 das „Haupt- doch nach wie vor bleibt am unteren Ende haus“ bezog, war es, wie er schreibt, sein er- des abfallenden, spitz zulaufenden Parkge- stes, den Garten umzugestalten. „Es machte ländes in der Ferne, unterhalb des Hori- mir von je her eine besondere Freude, Gar- zonts, der freie Ausblick auf die Elbe erhal- tenverschönerungen auszudenken und sol- ten. Im „Flottbek“-Buch ist an verschiede- che vermeintlichen Verbesserungen dann nen Stellen nachzulesen, wie sehr darauf gelegentlich zur Ausführung zu bringen“.142 geachtet wurde, dass dieser freie Ausblick Im Einzelnen beschreibt er, welche Verände- nicht verloren ging.141 rungen vorgenommen wurden, wobei auch ··································································· die verschiedenen Gärtner, denen die Pflege Die Verbundenheit mit dem Elbstrom äu- der Anlagen oblag, stets namentlich ge- ßerte sich dabei nicht nur in ästhetischen nannt werden, einschließlich der Dauer, die oder sentimentalen Ansprüchen, sie hatte sie bei Vorwerks arbeiteten. „Der Gärtner vielmehr durchaus einen praktisch-realen Gerhardt“, heißt es zum Beispiel, „den ich Hintergrund: Über die Elbe waren die Vor- mit dem elterlichen Garten übernommen werks nach Osten hin mit dem Zentrum hatte, feierte im August 1892 sein fünfund- Hamburgs, also mit der Firmenzentrale ver- zwanzigjähriges Dienstjubiläum; er arbei- bunden, und nach Westen hin mit der wei- tete treu und eifrig weiter, bis er nach ei- ten Welt, wo sie ihre Geschäfte tätigten. ner schweren Krankheit im Januar 1901 „Wenn jemand geschäftlich nach Chile ging,“ starb.“143 Elisabeth Hoehne erinnert sich, so wiederum Elisabeth Hoehne, „dann war dass es in ihrer Kindheit einen Gärtner und das nicht wie heutzutage für fünf Tage, son- fünf Gartenarbeiter gab, die „alle ständig tä- dern man ging zwei Jahre. Dann standen wir tig“ waren. Ergänzend berichtet sie: „Mein alle vor dem ‚Haupthaus‘ auf dem Rasen mit Großvater hatte noch, glaube ich, zwei großen Tüchern und winkten, wenn das Frauen, die knieten auf einem Sack und fin- Schiff auf der Elbe vorbeifuhr. Man wartete gen am unteren Ende der Rasenfläche an, meistens stundenlang, bis das Schiff kam; es mit einem Messer das Unkraut herauszuste- kam immer später, als man dachte. Mein chen. Meine Großmutter fand es schreck- Großvater war im Aufsichtsrat der Kosmos- lich, wenn sie spazierenging und die Frauen Reederei. Und wenn ein Kosmos-Dampfer auf den Knien liegend arbeiten sah. Nach am ‚Haupthaus‘ vorbeikam, tutete er. Es dem Tod des Großvaters schaffte sie diese war alles noch sehr viel persönlicher als heu- Art der Rasenpflege ab.“ te. Die riesigen Containerschiffe, die heute ··································································· auf der Elbe sind, wirken dagegen unper- Zum Ensemble der Garten- und Parkanla- sönlich.“ Dabei ist es nicht ganz unerheblich gen gehörten als fester Bestandteil Gewächs- zu bedenken, dass der Blick vom vor dem häuser. „Nach sechzigjähriger Benutzung“, „Haupthaus“ gelegenen Park „schräg elb- erklärt Adolph, „waren die beiden Weinhäu- aufwärts“ gerichtet ist; dadurch konnte und ser und die Orangerie recht baufällig gewor- kann man vorüberfahrende Schiffe länger den, die Weinstöcke gediehen nicht mehr

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Im Park vor dem „Haupthaus“ winken Vorwerk-Kinder einem auf der Elbe vorüberziehenden Passagierdampfer zu (1925)

gut, und für das große Überwinterungshaus häuser. Damals war die Umwälzpumpe fehlte mir eine Verwendung. […] Ich ent- noch nicht erfunden. Eine Treppe tiefer als schloß mich deshalb im Herbst 1901 zu ei- alle Heizkörper befand sich die Zentralhei- ner Erneuerung“. Von dem „Treibhaus-Spe- zung für die Treibhäuser. Es wurde den gan- zialisten Zimmermann“ wurde ein neues zen Winter durch geheizt. Ganz seltene Weinhaus gebaut, das „mit der Heizanlage Pflanzen wurden gezüchtet. Victoria regia von Rud. Otto Meyer und Schauer“ 4.876 hieß eine Pflanze. Eine Wasserpflanze, die Mark kostete. Die Neubauten sind, so nur eine Nacht voll blüht, mit so großen Adolph, „zu meiner vollen Zufriedenheit Blättern, dass kleine Kinder darauf sitzen ausgefallen und bewähren sich in der Benut- können. Das eine Treibhaus war für die Blu- zung; […] im Weinhaus haben die jungen menpflanzen, das andere für Pfirsiche.“ Die Reben besonders schöne Trauben gelie- Beschreibung vermittelt auf anschauliche fert.“144 Im Vorwort zum „Flottbek“-Buch Weise, mit welchem Aufwand sich Adolph merkt Holger Termer an, Adolph „küm- zu einem Pflanzenkenner und Gartenlieb- merte sich persönlich um das Gedeihen des haber entwickelte, der nicht nur Obst und Obstes in den vier Treibhäusern.“145 Detail- Gemüse, sondern neben Riesenseerosen lierte Erinnerungen besitzt auch Elisabeth wahrscheinlich auch Orchideen146 und viele Hoehne: „Es gab mehrere geheizte Treib- andere Blumen züchtete.

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··································································· kräftig zu erhalten“.147 Auch im Blick auf So sehr Adolph bereit war, für seinen Besitz diese Notlage sind Elisabeth Hoehne Einzel- in Flottbek viel Geld auszugeben, so sehr heiten im Gedächtnis geblieben: „Die letzte war er auch in der Lage, sich einzuschrän- Zeit des Ersten Weltkriegs erinnere ich ken, wenn äußere Umstände es erforderlich noch. Es wurden zwei Kühe gehalten, damit machten. Im Ersten Weltkrieg ließ er einen wir mit Milch versorgt waren. Außerdem Teil der Wiesen auf seinem Flottbeker Grund- gab es große Nussbäume, und wir sammel- stück „umpflügen und mit Kartoffeln, Kohl, ten die Nüsse. Sie wurden sorgfältig gesäu- Steckrüben und Buchweizen bestellen, um bert, in Kartons ausgebreitet und auf einen bei der entstandenen allgemeinen Nahrungs- Schrank gestellt. Im Winter kriegten wir auf mittelknappheit meine Familie, besonders eine Scheibe Brot eine Nuss. So knapp war die heranwachsende Jugend, gesund und die Verpflegung.“148

·············································································································································· 136 Ebd., S. 54. 137 Ebd., S. 55. 138 Vgl. ebd., S. 56 die Grundrisszeichnung. 139 Ebd., S. 55, 57. 140 Vgl. dazu ebd., S. 23, ferner S. 8 (Einleitung Termer). 141 Vgl. etwa ebd., S. 28 f., 32, 34, 41 f., 65 f. 142 Wie Anm. 136. 143 Ebd., S. 58; vgl. ebd., S. 31. 144 Ebd., S. 57. 145 Ebd., S. 7. 146 Vgl. dazu Merck, Hamburg, S. 64. 147 Vorwerk, Flottbek, S. 67 f. 148 Vgl. Vorwerk, Ambiente, S. 146. ··············································································································································

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Entwicklungen nach dem Tod der Brüder

Fragt man, was nach dem Tod der Brüder schen Umbrüchen, vor allem mit der Infla- Friedrich und Adolph aus der Vorwerkschen tion in Deutschland, die 1923 ihren Höhe- Familie und ihren Firmen geworden ist, so punkt erreichte, in eine Zeit der größten könnte man im Rückgriff auf Bücher wie wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Immer- „Ein Hamburger Ambiente“ und „Zwi- hin waren, wie erwähnt, seit 1893 zwei Söh- schen Hamburg und Chile“ sowie durch die ne Friedrichs und zwei Söhne Adolphs seit Befragung von Nachkommen der Familie langem in der Geschäftsleitung der deut- sehr detaillierte Informationen gewinnen. schen und chilenischen Firma tätig, doch Hier kann jedoch nur ein summarischer Edgar, einer der vier Söhne, war Ende 1919 Ausblick geliefert werden. Die Familie, das auf eigenen Wunsch aus den Firmengeschäf- war wiederholt angedeutet worden, hatte ten ausgeschieden.149 Drei der vier Söhne durch die vielen Kinder, die zuerst Georg konnten bei allen Rückschlägen immer wie- Friedrich, danach in der Folgegeneration der auch Gewinne erwirtschaften, allerdings Friedrich und Adolph hatten, einen beacht- blieb das Geschäft aus vielerlei Gründen lichen Umfang angenommen. Für den Zu- mühevoll. Die „goldenen Zeiten“ der Jahre sammenhalt sorgten nach dem Tod des zwischen 1871 und 1913 waren endgültig vor- „Dreigestirns“ in entschiedener, konsequen- bei. So muss Renate Hauschild-Thiessen in ter Weise jeweils die Ehefrauen Christiane, ihrer Firmengeschichte die angeblichen „gol- Josepha und Carlota. Mit dem Tod Carlotas denen zwanziger Jahre“ des 20. Jahrhunderts im Jahre 1940 ging dieser Zusammenhalt im Blick auf die Entwicklung der Vorwerk- keineswegs völlig, aber doch in spürbarem Firmen „mit einem Fragezeichen versehen“. Maß verloren; die Wirkungen des Zweiten Das Salpetergeschäft beispielsweise, vor dem Weltkriegs mögen mit dazu beigetragen ha- Ersten Weltkrieg ein „Hauptbetätigungsfeld“ ben, dass die engen Verbindungen, für die der Firmen, belebte sich nach 1918 „nur in Carlota noch in den dreißiger Jahren regel- bescheidenem Maße“.150 Für Chile muss so- mäßig gesorgt hatte, sich lockerten. Hinzu gar von einem „Zusammenbruch des Salpe- kamen die gravierenden Veränderungen auf tergeschäftes“ nach 1918 gesprochen werden. dem kaufmännischen Sektor. Wie in Deutschland, so waren auch in Chile ··································································· „die Verhältnisse durch Arbeitslosigkeit, Der Tod Friedrichs und Adolphs um das Streiks und soziale Unruhen gekennzeich- Jahr 1920 herum fiel mit dem Ende des Ers- net“. Ein schweres Erdbeben im November ten Weltkriegs, mit tiefgreifenden politi- 1922 und Grenzstreitigkeiten mit Peru stei-

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gerten die Misere. So konnte Vorwerk & nisse in Deutschland“. Damit war das Ende Co. nur noch geringe Gewinne erzielen.151 der Firma Vorwerk Gebr. & Co. besiegelt: ··································································· „Anfang 1934 kam Hans Walter Vorwerk zu- In diesen Jahren erhielten die Brüder Oscar, sammen mit seinem Onkel Carl Vorwerk Walter und Carl Vorwerk Unterstützung nach Hamburg, um die Firma Vorwerk Gebr. durch Arthur (1884–1959), einen weiteren & Co. nach 110-jährigem Bestehen aufzulö- Sohn von Friedrich. Von 1900 bis 1903 war sen. Im Handelsregister blieb sie weiter ein- Arthur Lehrling in der Stammfirma Vor- getragen und wurde erst am 6. 10. 1960 ge- werk Gebr. & Co. gewesen; später arbeitete löscht.“156 Mit einer gewissen Bitterkeit er in der Assekuranzfirma H. F.M. Mutzen- konstatierte ein Angestellter das „,gewisser- becher,152 und am 1. Januar 1924 trat er bei maßen tragische und schnelle Ende‘ der einst Vorwerk & Co. in Valparaíso ein.153 Er ‚so großen und bedeutenden Firma‘“.157 sorgte mit dafür, daß die chilenische Firma ··································································· wieder Gewinne erwirtschaften konnte.154 Der Familie blieben bei alldem erhebli- Einen schwerwiegenden Einbruch erzeugte che Vermögenswerte erhalten, so etwa das jedoch die Weltwirtschaftskrise 1929. Zwar „Haupthaus“, das nach dem Tod Carlotas machten sich die Auswirkungen dieser Krise 1940 in den Besitz von Helene Burchard, in Chile „erst verhältnismäßig spät, in der geb. Vorwerk (1880–1973), gelangte.157 Bis zweiten Hälfte des Jahres 1930 bemerk- heute ist das „Haupthaus“ im Besitz der bar“,155 – doch praktisch zur gleichen Zeit Nachkommen aus der Gustav Adolphschen kam es zu folgenschweren Veränderungen in Linie geblieben, während die „Villa Jose- der Leitung sowohl der chilenischen als pha“, wie bereits angedeutet, Ende der drei- auch der deutschen Firma. Carl Vorwerk, ßiger Jahre verkauft wurde. Dass es sich bei einer der Geschäftsführer der dritten Gene- dem letztgenannten, von Martin Haller ent- ration, zog sich 1931 weitgehend aus allen worfenen Bau um ein bemerkenswertes Geschäften zurück. „Die maßgeblichen Zeugnis repräsentativer Architektur han- Gründe hierfür waren die von ihm schon delt, zeigt nicht zuletzt die spätere Nutzung frühzeitig als aussichtslos beurteilte politi- des Gebäudes. Jahrelang wurde es von Al- sche Lage in Deutschland und die Weltwirt- fred Hentzen bewohnt, der von 1956 bis schaftskrise. […] 1933 starben dann in Ham- 1969 Direktor der Hamburger Kunsthalle burg kurz hintereinander die beiden ver- war, und heute befindet sich in dem Haus bliebenen Inhaber: am 17. Februar Oscar die renommierte Kunsthandlung Thomas Vorwerk, fast 68 Jahre alt; und am 23. No- le Claire, eine Galerie mit weltweiten Ver- vember Walter Vorwerk, 60 1/2 Jahre alt.“ bindungen. Die Beziehungen der Vorwerks Walters Sohn Hans Walter Vorwerk (1901– zu dem stattlichen Anwesen von Augustus 1968), der 1932 „als erster Angehöriger der Friedrich sind im Übrigen bis in die jüngste vierten Generation Teilhaber von Vorwerk Zeit hinein nicht abgerissen. Der zur „Villa & Co.“ geworden war, sollte zwar laut Tes- Josepha“ gehörende „Lindenhof“ blieb bis tament und Gesellschaftsvertrag die Firma 1996 Eigentum der Vorwerks, und das „Pa- übernehmen, doch lehnte er die Weiterfüh- lomas“ genannte Gebäude (vgl. S. 56) wurde rung ab, wiederum „hauptsächlich wegen erst 2005 verkauft. der wenig erfreulichen politischen Verhält- ···································································

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Die Vorwerk-Firma in Chile konnte bis Cía. S. A. und mit der 1951 erfolgten Verle- zum Beginn des Zweiten Weltkriegs weiter- gung des Firmensitzes von Valparaíso nach geführt werden, doch der Kriegsausbruch Santiago ein Neuanfang gemacht werden.158 „bedeutete für Vorwerk & Co praktisch das Mit einer verzweigten Geschäftstätigkeit in Ende.“ Im Jahr 1942 kam es zur Auflösung verschiedensten Bereichen ist die chileni- der Firma. Allerdings konnte 1949 unter der sche Firma – mittlerweile aufgeteilt in zwei veränderten Firmenbezeichnung Vorwerk y Firmen – bis in die Gegenwart hinein aktiv.

·············································································································································· 149 Hauschild-Thiessen, Hamburg und Chile, S. 211. 150 Ebd., S. 220 f. 151 Ebd., S. 223, 225. 152 Vgl. Schröder, Mutzenbecher. Im Jahr 1909 heiratete Arthur Vorwerk Margaretha Mutzenbecher (1887‒ 1928), eine Tochter von Hermann Franz Matthias Mutzenbecher (1855‒1932). 153 Hauschild-Thiessen, Hamburg und Chile, S. 211. 154 Ebd., S. 232. 155 Ebd., S. 233. 156 Ebd., S. 237. 157 Ebd., S. 223. 158 Vorwerk, Ambiente, S. 108. 159 Hauschild-Thiessen, Hamburg und Chile, S. 246 ff. ··············································································································································

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Anhänge

·············································································································································· Stammtafel (Auszug160) ··············································································································································

Georg Friedrich Vorwerk (1793–1867) OO Christiane de Voss (1809–1885) 13 Kinder, darunter

Augustus Friedrich Vorwerk Gustav Adolph Vorwerk Wilhelm Vorwerk (1837–1921) OO Josepha Klée (1839–1919) OO Carlota (1845–1916) OO Susanne (1845–1932) Osthaus (1851–1940) Godeffroy (1849–1928) 8 Kinder, darunter 6 Kinder, darunter 5 Kinder

Oscar Vorwerk (1865–1933) Walter Vorwerk (1873–1933) OO Gertrud Volckens OO Margarita Arnolds (1882–1913) (1878–1962) 2 Kinder 7 Kinder Alfred Vorwerk (1869–1949) Carl Vorwerk (1875–1949) OO Gertrud Bourjeau ledig (1882–1946) 3 Kinder Edgar Vorwerk (1874–1949) OO Anneke Volckens (1887–1963) 2 Kinder ·············································································· Arthur Vorwerk (1884–1959) 160 Detailliertere Übersichten sind zu finden in: OO Anna Margaretha Vorwerk, Kaufmann, S. 125‒135; Vorwerk, Ambiente, Mutzenbecher (1887–1928) Beilage, Tafel IV; Hauschild-Thiessen, ebd., S. 271 ff.; 4 Kinder Deutsches Geschlechterbuch 200, S. 633‒717. ··············································································

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·············································································································································· Firmen der Vorwerks seit 1823 ·············································································································································· 1823 Gründung der Firma Hochgreve & Vorwerk, Hamburg 1847 Gründung der Firma Otto Uhde & Hünicken, Valparaíso (Chile). Im selben Jahr Gründung der HAPAG, unter Beteiligung der Firma Hochgreve & Vorwerk 1852 Umbenennung des Valparaíso-Unternehmens in Uhde, Hünicken & Bahr 1853 Weitere Umbenennung des Valparaíso-Unternehmens in Hünicken, Bahr & Co. 1860 Aus der Firma Hünicken, Bahr & Co. wird die Firma Vorwerk & Co., Valparaíso 1867 Die Firma Hochgreve & Vorwerk wird umbenannt in Vorwerk Gebr. & Co., Hamburg 1872 Mitbegründung der Dampfschiffahrts-Gesellschaft Kosmos durch Vorwerk Gebr. & Co. sowie Adolph Vorwerk. Im selben Jahr Erweiterung der Gesellschaft zur Deutschen Dampfschiffahrts-Gesellschaft Kosmos 1901 Die Kosmos-Linie bildet eine Betriebsgemeinschaft mit der HAPAG 1934 Auflösung von Vorwerk Gebr. & Co. als Familienfirma, Hamburg. Fortführung unter „Abteilung Vorwerk“ beim Bankhaus Conrad Hinrich Donner 1942 Löschung der Firma Vorwerk & Co. Fortführung unter Lavadora de Lanas S. A., Valparaíso 1945 Umgründung der Lavadora de Lanas S.A. in die Firma Vorwerk y Cia. S. A. 1951 Ver- legung des Firmensitzes von Valparaíso nach Santiago de Chile 1952 Gründung der Schiffahrts-Agentur Ultramar Agencia Marítima Ltda., seit 1964 im Alleinbesitz von Vorwerk y Cia. S. A. und Albert von Appen 1960 Löschung der Firma Vorwerk Gebr. & Co. im Handelsregister, Hamburg 1998 Firmenteilung in Vorwerk y Cia. S. A. und M. Vorwerk Comercio Global Ltda., Santiago de Chile

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Literatur

Zur Quellenlage; Danksagung: Der Heimatbote, hg. v. Bürger- und Heimat- Von gedruckten Schriften zur Familie Vorwerk ab- verein Nienstedten, Hamburg, 35, 2 (1986), S. 1, 12 gesehen konnte vor allem auf den im Staatsarchiv Deutsches Geschlechterbuch, Genealogi- Hamburg aufbewahrten Nachlass der Familie Vor- sches Handbuch bürgerlicher Familien, Band 200 werk (Bestand 622-1/510 Vorwerk, Ablage 25.7.88) (Hamburgisches Geschlechterbuch, Band 13), Lim- zurückgegriffen werden. Ganz besonders danke ich burg a. d. Lahn 1996 G. Volkert Vorwerk dafür, dass er mir nicht nur auf Gerhardt, Joachim (Hg.): Die Bau- und großzügige Weise Zugang zu seinem Privatarchiv ge- Kunstdenkmale der Freien und Hansestadt Ham- währte, sondern sich darüber hinaus engagiert für burg, Band 2: Altona, Elbvororte. Bearbeitet von die Veröffentlichung dieses Buches einsetzte. Durch Renata Klée Gobert unter Mitarbeit von Heinz Gespräche haben mir Jutta Bohlen und Elisabeth Ramm, Hamburg 1959 Hoehne entscheidende Hilfe geleistet. Außerdem Gerhardt, Johannes: Die Begründer der Ham- danke ich Thomas le Claire, Marietta von Jankó und burgischen Wissenschaftlichen Stiftung, Hamburg Klaus Mühlfried vielmals für ihre Unterstützung. 2007 (Mäzene für Wissenschaft) ··································································· Goverts, Ernst F. (Bearbeiter): Die Mitglieder- Quellen und Sekundärliteratur: liste der Gesellschaft „Einigkeit“ in Hamburg (ge- Albrecht, Günther: Vom Sparen in Hamburg. gründet 1761). Eine Jubiläumsausgabe zur Feier des Hundert Jahre Neue Sparcasse von 1864, Hamburg 150jährigen Bestehens der Gesellschaft, Hamburg 1964 1911 Andresen, Bruno W. F.: Mit Stehpult und Tin- Hamburgisches Adress-Buch für das Jahr tenfaß. Erinnerungen aus dem Kontor einer Ham- 1811, Hamburg burger Merchant-Bank, Hamburg 1984 Hauschild-Thiessen, Renate: Zwischen Ham- Asendorf, Manfred: [Rezension] John F. Jung- burg und Chile. Hochgreve & Vorwerk, Hamburg. claussen, Risse in weißen Fassaden, in: Zeitschrift Vorwerk & Co., Chile. Vorwerk Gebr. & Co., Ham- des Vereins für Hamburgische Geschichte 92 (2006), burg. Vorwerk y Cía. S. A., Chile, Hamburg 1995 S. 177–180 Dies.: Vorwerk, Georg Friedrich, in: Hamburgische Behr, Karin von: Belle Epoque an der Alster. Biographie 1. Personenlexikon, hg. v. Franklin Ko- Weniger Kunst- aber Börsenkenner: Bauherren und pitzsch, Dirk Brietzke, Hamburg 2001, S. 328–330 Baufrauen, in: Hornbostel, Wilhelm; Klemm, Da- Hoffmann, Paul T.: Die Elbchaussee. Ihre Land- vid (Hg.): Martin Haller. Leben und Werk 1835– sitze, Menschen und Schicksale, Hamburg 91982 1925, Hamburg: Museum für Kunst und Gewerbe Hornbostel,Wilhelm; Klemm, David (Hg.): 1997 (Schriftenreihe des Hamburgischen Architek- Martin Haller. Leben und Werk 1835–1925, Ham- turarchivs), S. 33–42 burg: Museum für Kunst und Gewerbe 1997 Berger, Julia; Hedinger, Bärbel (Hg.): Franz Johannsen, Werner: Wer sie waren … wo sie Gustav Forsmann. 1795–1878. Eine Hamburger Ar- ruhen. Ein Wegweiser zu bemerkenswerten Grab- chitektenkarriere, Hamburg: Altonaer Museum stätten auf dem Friedhof Nienstedten, Hamburg 2006 1992

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Jungclaussen, John F.: Risse in weißen Fassa- Vorwerk, Gustav Adolph: Flottbek, [Ham- den. Der Verfall des hanseatischen Bürgeradels, burg] 1987 [Privatdruck] München 2006 Walloch, Karl-H.: Die Elbchaussee. Geschichte Lübbren, Friedrich: 45 Jahre Hamburgische und Geschichten von Hamburgs schönster Straße, Wissenschaftliche Stiftung 1907–1952, Hamburg Hamburg 1998 1952 [vervielfältigtes Manuskript] Wasmuth, Arne C.: Hanseatische Dynastien. Melle, Werner von: Dreißig Jahre Hamburger Alte Hamburger Familien öffnen ihre Alben, Ham- Wissenschaft 1891–1921. Rückblicke und persönli- burg 2001 che Erinnerungen, Band 1, Hamburg 1923 Merck, Heinrich: Vom gewesenen Hamburg. Nach eigenen Erinnerungen aufgezeichnet, Ham- burg 1953 ··································································· Mühlfried, Klaus: Baukunst als Ausdruck Trotz sorgfältiger Nachforschungen konnten nicht politischer Gesinnung – Martin Haller und sein für alle Abbildungen die Rechteinhaber ermittelt Wirken in Hamburg, Band 1, Hamburg 2005 werden. Sollte jemand in urheberrechtlicher Bezie- Rinke, Stefan: Kleine Geschichte Chiles, Mün- hung Rechte geltend machen, so möge er sich an chen 2007 (Beck’sche Reihe; 1776) die Hamburgische Wissenschaftliche Stiftung wen- Saldern, Axel von: Vorwort, in: Jedding, Her- den. mann und Mitarbeiter: Hohe Kunst zwischen Bie- ··································································· dermeier und Jugendstil: Historismus in Hamburg Bildnachweis: und Norddeutschland. Hamburg: Museum für Privatarchiv Thomas le Claire Kunst und Gewerbe 1977, S. xi–xii Privatarchiv G. Volkert Vorwerk Schröder, Hans J.: Versuch, das Exemplarische Goverts, Ernst F. (Bearbeiter): Die Mitgliederliste eines Lebens zu verstehen. Ein Nachwort, in: Carl der Gesellschaft „Einigkeit“ in Hamburg (gegrün- August Schröder: Lebensansichten eines Verlegers. det 1761). Eine Jubiläumsausgabe zur Feier des Eine Biographie. Aufgezeichnet von Hans Joachim 150jährigen Bestehens der Gesellschaft, Hamburg Schröder, Köln u. a. 2005, S. 237–251 1911 Ders.: Hermann Franz Matthias Mutzenbecher. Hauschild-Thiessen, Renate: Zwischen Hamburg Ein Hamburger Versicherungsunternehmer, Ham- und Chile. Hochgreve & Vorwerk, Hamburg. Vor- burg 2008 (Mäzene für Wissenschaft) werk & Co., Chile. Vorwerk Gebr. & Co., Ham- Straub, Eberhard: Flotte Flotte fischt frische burg. Vorwerk y Cía. S. A., Chile, Hamburg 1995 Fische. Verplapperte Popgeschichte: John Jung- Vorwerk, Alfred: Der Kaufmann Georg Friedrich claussen steht vor dem Verfall des hanseatischen Vorwerk (1793–1867) und seine Ehefrau Christiane Bürgertums, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung geb. de Voß (1809–1885). Bearb. v. Renate Hau- (4. September 2006), S. 37 schild-Thiessen, Hamburg 1991 (Hamburgische [Thöns, Heinrich]: 175 Jahre Haspa – Für Ihre Lebensbilder; 5) Zukunft. Haspa Hamburger Sparkasse, Hamburg Vorwerk, G. Adolph: Ein Hamburger Ambiente, [2002] Hamburg 1991 Vorwerk, Alfred: Der Kaufmann Georg Fried- Vorwerk, Gustav Adolph: Flottbek, [Hamburg] rich Vorwerk (1793–1867) und seine Ehefrau Chris- 1987 [Privatdruck] tiane geb. de Voß (1809–1885). Bearb. v. Renate Hauschild-Thiessen, Hamburg 1991 (Hamburgi- sche Lebensbilder; 5) Vorwerk, Friedrich: [Lebensabriss], Hamburg 1905 [Typoskript, Fotokopie, 7 Seiten] Ders.: [Reisebericht] 1860. Reise nach Nordame- rika und Westindien [Typoskript, 102 Seiten] Vorwerk, G. Adolph: Ein Hamburger Ambien- te, Hamburg 1991

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Namensregister

Verzeichnet sind die Namen von Personen, Fami- ··································································· lien und Firmen, die in den Kapiteln 1 bis 9 genannt Fay & Co., Manchester 23 werden. Anmerkungen bleiben unberücksichtigt, Forsmann, Franz Gustav 11, 57, 58* ebenso die Namen Augustus Friedrich und Gustav Framhein, Charlotte, geb. Vorwerk 61* Adolph Vorwerk. Ein * verweist darauf, dass auf der ··································································· angegebenen Seite (auch) ein Bild der jeweiligen Gerhardt, Gärtner 64 Person bzw. der Name eines Malers erscheint. Godeffroy, Johann Cesar 47* ··································································· Goering, J. G. F., Weinhändler 21 Amsinck, Comptoir, New York 24 Gossler, Freund von Augustus Friedrich Vorwerk Amsinck, Familie 5 24 Antonio, kubanischer Hotelangestellter 26 Goverts, Ernst Friedrich 46* ··································································· ··································································· Bahr, Julius 28 HAPAG, Hamburg-Amerikanische Packetfahrt- Ballin, Albert 39, 41 Actien-Gesellschaft 36, 39 Barckhan, Johann Hieronymus 7 Haller, Martin Emil Ferdinand 54, 56, 68 Binder, Christiane, geb. Vorwerk 61* Hauschild-Thiessen, Renate 4–6, 10 f., 13, 28, 32, Bohlen, Jutta 45, 54, 58 35, 39, 41, 44, 67 Bülau, Architekt 18, 21 Hentzen, Alfred 68 Burchard, Familie 5 Hertz, Feliza, geb. Vorwerk 61* Burchard-Motz, Ditmar 61* Hinckle, Reisebegleiter von Augustus Friedrich Burchard-Motz, Heinrich 61* Vorwerk 27 Burchard-Motz, Helene, geb. Vorwerk 48, 68 Hochgreve, Hermann Michael Christopher 7, 10, Burchard-Motz, Wilhelm 61* 29 ··································································· Hochgreve & Vorwerk, Hamburg 7, 10, 17, 23 f., 29 C. A. Wulff & Baasch, Hamburg 28 Hoehne, Elisabeth, geb. Witt 15 f., 34 f., 44, 48, Chalybaeus, Ch., Pastor 51 50, 54, 58, 60, 61*, 62 f., 65 f. Claire, Thomas le 68 Hoehne, Hermann 60 Cornforth, Reisebegleiter von Augustus Friedrich Hoffmann, Paul Th. 54 f. Vorwerk 27 Hollen, Levin Heinrich von 6 f. Crasemann, Hildegard, geb. Vorwerk 61* Hünicken, Bahr & Co., Valparaíso 28 f. Crasemann, Gustav August Rudolph 47* Hüniken, Julius 28 ··································································· ··································································· Dampfschifffahrts-Gesellschaft Kosmos 39 J. Henry Schröder & Co., London 38 Deutsche Dampfschifffahrts-Gesellschaft Kosmos Jungclaussen, John F. 5, 16 39 ··································································· ··································································· Klée, Marianne Emilie, geb. Biancone 33 Ed. Schlüter & Co., London 23 Klée, Otto August Wilhelm 33

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Krupp, Firma 38 Termer, Nora, geb. Witt 61* ··································································· Tettenborn, Friedrich Karl Baron von 7 Lehmann, Alida, geb. Mutzenbecher 29 ··································································· Lehmann, Wilhelm 29, 34 Uhde, Hünicken & Bahr, Valparaíso 28 Levin Heinrich von Hollen, Hamburg 6 Usslar, Marianne von, geb. Burchard-Motz 61* Liebig, Justus von 36 ··································································· Lippert, Ludwig 54, 56 Vorwerck et Hövener, Hamburg 6 Löhmann, Richard August Gustav Wilhelm 47* Vorwerck, Georg Heinrich 6 Lynch, Charles 27 Vorwerck, Henriette, geb. Fricke 6 ··································································· Vorwerck, Johann Heinrich Wilhelm 6 Meerwein, Emil 56 Vorwerk, Adolf, Sohn von Gustav Adolph Vorwerk Melle, Werner von 4 44 Merck, Carl Heinrich Freiherr von 46* Vorwerk, Alfred 4, 6, 13, 15 f., 43* Moller, Ulrich Philipp 47* Vorwerk, Amalie Josepha, geb. Klée 33, 35*, 44, Mooyer, Anna, geb. Vorwerk 23 45*, 54, 67 Mooyer, Johannes 23 Vorwerk, Arthur 43*, 68 Müller, Ferdinand, Bauunternehmer 62 Vorwerk, Augustus 43* Münchmeyer, Familie 5 Vorwerk, Carl 39, 41, 68 Mutzenbecher, Hermann Franz Matthias 6, 29, Vorwerk, Carlota, geb. Osthaus 33, 34*, 48, 51*, 47*, 68 60, 61*, 64, 67 f. ··································································· Vorwerk, Christiane, geb. de Voss 8*, 10, 15, 22, 67 Napoleon 7 Vorwerk, Dorothea, geb. de Voss 7*, 10, 15 ··································································· Vorwerk, Edgar 39, 41, 43*, 67 Oelrichs, Lehrer 18 Vorwerk, Friedrich August Philipp Wilhelm 15 Osthaus, Familie 33 Vorwerk, G. Adolph 17, 48, 50. Osthaus, Luise, geb. Wolff 33 Vorwerk Gebr. & Co., Hamburg 29, 32, 35, 39, 68 Otto Uhde & Hünicken, Valparaíso 28 Vorwerk, Georg Friedrich 4, 6–8, 9*, 10–13, 15 f., Overbeck, Friedrich 12 19, 22, 28 f., 32, 34–36, 43*, 44, 54, 62, 67 ··································································· Vorwerk, Gustav 37* Petersen, Lorenz 21*, 22 Vorwerk, G. Volkert 45 Poelchau, Martin Eduard Warner 47* Vorwerk, Hans Walter 61*, 68 Puhst, Emilie 18, 19* Vorwerk, Oscar 39, 41, 43*, 68 ··································································· Vorwerk & Co., Valparaíso 28 f., 32, 37 f., 41, 68 Rud. Otto Meyer und Schauer 65 Vorwerk, Walter 39, 41, 68 Ruperti, Oscar 47* Vorwerk, Wilhelm, Bruder von A. Friedrich und ··································································· G. Adolph Vorwerk 29, 35, 37* Saldern, Axel von 56 Vorwerk, Wilhelm, Bruder von Georg Friedrich Schinckel, Maximilian (Max) Heinrich von 46* Vorwerk 22 Schinkel, Karl Friedrich 11 Vorwerk y Cía. S. A., Valparaíso und Santiago de Schleiden, Heinrich 18–21, 23 Chile 68 Schröder, Carl August 46* Voss, Anna Margaretha de, Großmutter von Schröder, Carl (Charles) Heinrich Freiherr von A. Friedrich und G. Adolph Vorwerk 17 f., 21 46 f.* ··································································· Schumacher, Fritz 56 Wimmel, Carl Ludwig 11 Speckter, Otto 12* Witt, Johann 47* Stammann, Johann Otto 47* Witt, Johannes 61* Sthamer, Gustav Friedrich Carl Johann 47* Wolff, Justus 33 ··································································· ··································································· Termer, Holger 60, 65 Zimmermann, Treibhaus-Spezialist 65

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Impressum Hamburgische Wissenschaftliche Stiftung Bibliografische Information der Deutschen Natio- Edmund-Siemers-Allee 1, Raum 113 nalbibliothek 20146 Hamburg Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese http://hmb-wiss-stift.de Publikation in der Deutschen Nationalbiografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Die Online-Version dieser Publikation ist auf der Verlagswebsite frei verfügbar (open access). Die Deutsche Nationalbibliothek hat die Netzpublika- tion archiviert. Diese ist dauerhaft auf dem Archiv- server der Deutschen Nationalbibliothek verfügbar.

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Die Brüder Augustus Friedrich und Gustav Adolph Vorwerk: Zwei Hamburger Kaufleute Zwei Hamburger Kaufleute und Gustav Adolph Vorwerk Die Brüder Augustus Friedrich Hamburgs zählen. Bautente zudenbeachtenswerten richten, stattliche Villen, diebisheu- Haller (1835–1925)Sommerhäuser er- Forsmann (1795–1878 deutenden Architekten Franz Gustav beiden Söhne Vorwerk von denbe- stedten ließensichder Vater unddie Stadtteilen KleinFlottbek undNien- ßem Umfang ausgeweitet.In den durch vielfältige Aktivitäteningro- den Jahrzehnten derGründerzeit beiteten, weiterentwickelt undin Söhnen, diezeitlebens zusammenar- de von dennahezugleichaltrigen der Vater ins Werk gesetzthatte,wur- beispielhafte Weisevoranbrachte. Was auch diechilenische Wirtschaft auf allem diehamburgische,ebensoaber lebten, einDreiergespann, dasvor Söhne, diezwischen1837 Chile gründete,bildetendiebeiden der Firmen erstinHamburg, dannin rich Vorwerk(1793–1867) zusammen, werden. Mit ihrem Vater Georg Fried- phien näherindenBlick genommen Adolph Vorwerk, dassihre Biogra- Augustus Friedrich undGustav aufrückten, verdienen dieBrüder einer dererstenFamilien Hamburgs schen Tüchtigkeit, mitdersiezu dern auchwegen ihrer kaufmänni- burger Universität förderten, son- und damitdieGründung derHam- schaftliche Stiftung unterstützten 1907 Großzügigkeit, mitdersieimJahre Nicht nurwegen ihrer besonderen die Hamburgische Wissen- ) undMartin und 1921