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Zoologisch-Botanische Datenbank/Zoological-Botanical Database

Digitale Literatur/Digital Literature

Zeitschrift/Journal: Mitteilungen der Zoologischen Gesellschaft Braunau

Jahr/Year: 2000

Band/Volume: 7

Autor(en)/Author(s): Reichholf Josef, Sage Walter

Artikel/Article: Nachtkerzenschwärmer proserpina (PALLAS, 1772) am unteren Inn 321-325 © Mitt. Zool. Ges. Braunau/; download unter www.biologiezentrum.at

MITT. ZOOL. GES. BRAUNAU Bd. 7, Nr. 4: 321 -325 Braunau a.l., Oktober 2000 ISSN 0250-3603

Nachtkerzenschwärmer Proserpinus proserpina (PALLAS, 1772) am unteren Inn

von JOSEF H. REICHHOLF & WALTER SAGE

Am 5. Mai 1997 konnte erstmals Alle Falter waren frisch bis maxi- ein Nachtkerzenschwärmer, auch mal leicht abgeflogen und zeigten Kleiner Oleanderschwärmer ge- kaum Spuren von Abnutzung an nannt, Proserpinus proserpina für den Flügeln oder am Körper. Ein das niederbayerische Inntal nach- Zuflug über eine größere Strecke, gewiesen werden. Wie uns erst vor wie etwa dem Mittelmeergebiet, kurzem mitgeteilt wurde flog ein erscheint daher ziemlich unwahr- Nachtkerzenschwärmer in der Däm- scheinlich, zumal der Nachtkerzen- merung an der Terrasse von Herrn schwärmer nicht zu den klassischen HAUTZ in Hitzenau Lkr. Rottal/Inn und Wanderfaltern gerechnet wird. Die- konnte gefangen werden. Etwa ein ser, auf den ersten Blick wie ein zu Jahr später, am 31. Mai 1998 flog klein geratener Lindenschwärmer einer in die Lichtfalle im Garten von wirkende Falter, ist von keinem der Klosterstraße 24 in Aigen am Inn, Lkr. im niederbayerischen Inntal seit et- Passau. Am 27. Juli 1999 konnte wa 30 Jahren aktiven Lepidoptero- nach gezielter Suche an Rosmarin- logen zuvor nachgewiesen worden. Weidenröschen dodo- Er fehlt daher auch in der Zusam- naei im Bereich der "ÖBK-Kies- menstellung der Großschmetterlinge deponie" in Gstettea Lkr. Rottal/Inn, im Inn-Salzach-Gebiet (SAGE 1996). eine fast erwachsene Raupe vom Da die Art als "sehr mobil und je- Nachtkerzenschwärmer gefunden derzeit in der Lage, neue Populatio- werden. nen zu gründen" gilt (EBERT 1994), Eine intensive Nachsuche an den scheinen diese Funde tatsächlich folgenden Tagen blieb jedoch er- auf die Bildung eines neuen Vor- folglos. Die Raupe wurde zu Hause kommens in Südostbayern hinzuwei- weitergefüttert und ergab am 13. sen. Die Befunde aus Baden-Würt- April 2000 einen männlichen Falter. temberg, wo die Art vor allem das Im Mai 2000 konnten schließlich klimatisch begünstigte Oberrheintal vergleichsweise zahlreich Nachtker- und einige andere "Wärmeinseln" zenschwärmer im Inntal beobach- besiedelt (EBERT I.e.), weisen in die- tet werden (Tabelle). selbe Richtung.

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Geeignete Futterpflanzen für die mern häufig vorkommen, die eben- Raupen, die meistens an Weiden- falls bis in die Dämmerung hinein röschen (Epilobium-Arten) und an fliegen, wird er womöglich für ein Nachtkerzen (Oenothero sp.j leben, solches gehalten und übersehen. sind im Nahbereich reichlich vor- Deshalb ist ein Vorkommen (oder handen. So etwa Nachtkerzen-Vor- zeitweises Vorkommen) von Proser- kommen an den (neueren) Straßen- pinus proserpino seit Anfang der rändern im B 12 - Bereich sowie an 80er-Jahre des 20. Jahrhunderts im den locker bewachsenen Abschnit- Bereich der Stauseen am unteren ten der Inn-Dämme und vor allem Inn durchaus nicht unwahrschein- große Bestände von Weiden- lich. röschen () an Sehr ausgedehnte Weiden- den Schlickrändern der Inseln und röschen-Bestände auf den Inseln Sandbänke in den Innstauseen. gibt es dort schon seit gut 40 Jahren; Auch die Kiesdeponie der ÖBK bei genug Zeit, um zu einer Ansiedlung Gstetten, Lkr. Rottal/Inn, mit sehr ho- zu kommen. Denn die Art ist von hem Bestand des Rosmarin-Weiden- Spanien bis zum Himalaja in einem röschen, wo die Raupe bereits 1999 500 bis 1000 km breiten Streifen nachgewiesen wurde, trifft genau (nord)randmediterran und pontisch die in der Literatur angegebenen verbreitet und von der Art ihrer Rau- Habitatsansprüche. pennahrung auf rasches Kolonisie- Auf der großen Insel im Stausee ren neuer, günstiger Vorkommen Egglfing-Obernberg bei Kalzenberg von Weidenröschen und Nachtker- gab es im sehr warmen Sommer zen, die beide zur selben Pflanzen- 1983 Scr^wärmerraupen in großer familie der Onagraceen gehören, Zahl, die in der für den Nachtkerzen- angewiesen. Sie sind, zumal bei der schwärmer typischen Weise kein Entwicklung größerer Bestände, ty- "Hörn" auf dem vorletzten Segment pische Pionierpflanzen, die nicht des Körpers trugen. Leider wurde langfristig über viele Jahre kontinu- damals keine genaue Bestimmung ierlich denselben Ort besiedeln durchgeführt. (können). Anhand der nun vorliegenden Sicherlich hat auch die Witte- Nachweise erscheinen diese Funde rungsentwicklung ihren (positiven) jedoch in anderem Licht, zumal die Beitrag zu leisten. Denn eine Reihe Biotopverhältnisse wie auch die überdurchschnittlich bis extrem war- Raupen selbst nahezu identisch aus- mer ("günstiger") Sommer gab es sehen, wie sie für die Art im Baden- Anfang der 80er-Jahre (mit dem Württembergischen Handbuch, heißesten Sommer 1983), dann wie- Band 4 Nachtfalter II (Seite 171) von der in den 90er-Jahren und zuletzt in EBERT (I.e.) dargestellt sind. dem sehr trockenwarmen und Der Nachtkerzenschwärmer ist "Nachtkerzenschwärmerreichen" ein Dämmerungsflieger und gerät Frühjahr 2000. deshalb nicht so leicht in die Licht- Somit empfiehlt es sich die weite- fallen, zumal sich die mit Dämme- re Entwicklung, insbesondere durch rungsschalter versehenen Geräte gezielte Suche nach Raupen, da meist erst einschalten, wenn sich die größere Vorkommen von Nachtker- Aktivität der Falter bereits dem Ende zen und Weidenröschen leicht zu zuneigt. lokalisieren sind, zu verfolgen. Wo, wie am unteren Inn, Tauben- schwänzchen in den meisten Som-

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Abb. 1: Fast erwachsene Raupe vom Nachtkerzenschwärmer am Rosmarin- Weidenröschen. 27. Juli 1999 an der "Kiesdeponie" der ÖBK in Gstetten, Lkr. Rottal/Inn. Foto: Sage Walter.

Abb. 2: Nachtkerzenschwärmer (Variarion mit mehr grauer Grundtarbe; vor. grisea Rbl.) an Taglichtnelke. 15. Mai 2000 in Ramerding, Lkr. Rottal/Inn. Foto: Sage Walter.

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Tabelle

Datum Nachweis: ; Ort | Erbracht von Beobachtet seit

05.05.97 Imago in der Dämmerung Hitzenau Lkr. Rottal/Inn ' Hautz Walter ! 1979 31.05.98 Weibchen in Lichtfalle Aigen am Inn Lkr. Passau Reichholf Josef' 1969 27.07.99 Raupe an Weidenröschen Gstetten Lkr Rottal/Inn Sage Walter ? 1976 13.05.00 Imago durch Lichtfang Buch am Inn Lkr. Rottal/Inn Werther Heino . 1982 14.05.00 Imago in Lichtfalle Ramerding Lkr. Rottal/Inn Sage Walter 15.05.00 Imago an Taglichtnelke Ramerding \ Sage Walter 16.05.00 Imago an Taglichtnelke Ramerding • Sage Walter . 17.05.00 Imago durch Lichtfang Buch am Inn, Lkr. Rottal/Inn Werther Heino : - kein Nachweis - Untere Alz Lkr. Altöfting Karl Gerhard 1963 - kein Nachweis - • Umg, Burghausen OBB Werdan Manfred 1970

Zusammenfassung V Mit Erstnachweis 1997 sowie ein- im Egglfing-Obemberger Innstausee zelnen Beobachtungen von' Faltern an -Zottigen Weidenröschen gefun- und Raupen 1998 und 1999, konnte den worden, die höchstwahrschein- der Nachtkerzenschwärmer im Früh- lich' Nachtkerzenschwärmer-Rau- jahr 2000 in mehreren Exemplaren pen waren. Die dämmerungsflie- tür das niederbayerische Irintal als gende Art kann daher schon seit neue (?) Art nachgewiesen werden. rund 2 Jahrzehnten pm unteren Inn Das wirft die Frage der tatsächli- bodenständig sein öder sich immer chen Besiedelung auf. Im Sommer wieder in günstigen Jahren tür eini- 1983 waren zahlreiche Raupen ge Zeit ansiedeln. ! ("ohne Hörn") auf der großen Insel

Summary

Willowherb Hawkmoth Proserpinus proserpina (PALLAS, 1772) Occurrence in the Valley of the Lower River Inn, Bavaria

A tirst record of the Willowherb where this species has not been Hawkmoth in the valley of the lower found before in about 30 years of Inn river, Southeastem Bavaria, research on , was ob-

324 © Mitt. Zool. Ges. Braunau/Austria; download unter www.biologiezentrum.at tained on May 5th, 1997. From 1998 But this hawkmoth may be present to 2000 several other specimens already since the warm summers of could be recorded as well as ca- the early Eighties of the 20th centu- terpillars (cf table and figs.) which ry. It is dusk-active and thus may makes a local occurrence of an have been confounded with flying established population quite likely. Hummingbird Hawkmoths formerly.

Literatur

EBERT, G. Herausg. (1994): Die Schmetterlinge Baden-Württembergs. Band 4: Nachtfalter II. - Verlag Eugen Ulmer, Stuttgart. SAGE, W. (1996): Die Großschmetterlinge (Macrolepidoptera) im Inn-Salzach- Gebiet, Südostbayern. - Mitt. Zool. Ges. Braunau 6:323 - 434.

Verfasser:

Prof. Dr. Josef H. Reichholf Walter Sage Zoologische Staatssammlung Seibersdorfer Str. 88a Münchhausenstr. 21 D-84375 Kirchdorf / Inn D-81247 München

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