Im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts traten entscheidende HolgerBoettcher Neuerungen auf dem Gebiet der Sozialgesetzgebung ein, un- Rechtsauskunft für umgänglich geworden durch die Verschärfung der sozialen Frage. Auch die gleichzeitig erstarkende Arbeiterbewegung Minderbemittelte wollte soziale Risiken für diepotentiell und bereits tatsächlich DieAuseinandersetzung Minderbemittelten abfedern. Zum Katalog der Maßnahmen zwischenBürgertum und gehörteeine Beratung indenimmer komplizierter werdenden Arbeiterbewegung am Rechtsfragen. Beispiel desLübecker Ar- Vor allem Ansprüche, die durch die o.g. Gesetzgebung ge- beitersekretariats schaffen worden waren, galt es im Einzelfall durchzusetzen. Einleitung Bürgerliche, staatskonforme Kreise machten den Anfang. 1. Während dassog. Armenrecht lediglich die durch dieFührung eines Gerichtsprozesses entstehendenfinanziellen Lasten auf- fing,hing die Wahrnehmung der vorgerichtlichen Möglichkei- ten oft vom Geldbeutel deseinzelnen ab. Erst inden neunziger Jahren des 19. Jahrhunderts entstand eine breite Bewegung, die jedermann vorbeugende und umfassende Rechtsberatung zuteil werden lassen wollte. Juristische Beratung wurdeindas Begriffssystem der sich reformierenden Wohlfahrtspflege ein- gerückt. Die ersten Rechtsauskunftsstellengingen aus gemeinnützi- gen, privaten Vereinen, konfessionellen Instanzen und der Gewerkschaftsbewegung hervor. 1890gründete der „Katholi- Schleswig-Holsteinheute sche Volksverein" in Essen die erste Auskunftsstelle.1 Kurz ' Im Rechtsauskunftswesen spielten darauf folgten die ersten gewerkschaftlichen Arbeitersekreta- die katholischen Auskunftsstelleneine riate, die Mitglieder, zum Teilauch Unorganisierte, inFragen untergeordnete Rolle. Zu den Anfän- desArbeitsrechts, derSozialgesetzgebungund sonstigen recht- gender Rechtsberatungfür Minderbe- berieten, jedoch, mittelte in Deutschland vgl. Hermann lichen Angelegenheiten dabei dem eigenen Link, Die gemeinnützige Rechtsaus- Willen nach, gewerkschafts- und parteiorientierte Agitation kunft vor dem Kriege, während des unterlassensollten.2 Kriegesund nachdem Kriege.Sonder- abdruck aus „Concordia" Nr. 11 vom Die Arbeitersekretariate erfreuten sich regen Zuspruchs, 1.6. 1916. wenn auchdie Auskünfte für gewöhnlichnicht von studierten 2Vgl. David E. Barclay, Rudolf Wis- Juristen, sondern von engagierten, erfahrenen Gewerkschaft- sen als Sozialpolitiker, 1984, lern erteilt wurden. lagen wichtigsten, von S.3Bff. Auch: Martin Martiny, Die Somit die beiden politische Bedeutung der gewerk- den Befürwortern der bald konkurrierenden kommunalen schaftlichen Arbeiter-Sekretariatevor Rechtsauskunftsstellen3 vorgebrachten Argumente auf der dem Ersten Weltkrieg. In: Heinz Os- Hand: Der Hinweis auf denMangel an juristischer Qualifika- kar Vetter (Hg.), Vom Sozialistenge- setz zur Mitbestimmung. Zum 100. tion und der Vorwurf der Vermischung von Rechtsauskunft Geburtstag Hans Böckler,Köln 4 von undpolitischer Beeinflussung. Welcher vonbeidenFaktoren, 1973, S.153-174. - Vgl. die aufgrund der Wunsch nach umfassender und fehlerfreier Beratung oder ihres quellenähnlichen Charakters sehr atmosphärisch-aussagekräftige dieForderung nach politischer Neutralität der Arbeitersekre- Darstellung vonRichard Soudek,Die täre bis hin zur antigewerkschaftlichen Reaktion bürgerlicher deutschen Arbeiter-Sekretariate, Kräfte,in DeutschlandalsMotiv für die Gründung städtischer Leipzig 1902. 3 Initiativen überwog, kann nur von Stadt zuStadt entschieden Hamm 1896, Mühlheim 1897. Vgl. das Schreiben des Bürgermeisteram- werden tesMühlheim andasLübecker Polizei- Für Lübeck scheint die Beantwortung der Frage einfach zu amt vom 13. 6. 1904;Neues Senatsar- sein, es zu chiv (NSA) VIII46/2 im Archiv der kam doch hier frühzeitig einem Konkurrenzkampf Hansestadt Lübeck. Zur weiteren zwischen dem im Jahre1900entstandenenArbeitersekretariat Entwicklung der Rechtsauskunftsstel- undder1905gegründeten Rechtsauskunftsstelledesbürgerlich lenim Reich vgl. Hermann Link,Die geprägten „Vereins öffentliche Rechtsauskunftsstelle". Am Rechtsberatung der Minderbemittel- ten. Sonderabdruck aus „Concordia" Beispiel dieser beidenLübecker StellensolleinTeilbereichder Nr.1 vom1.1. 1914 sowie Ders., Die Auseinandersetzung zwischen Bürgertum und Arbeiterbewe- gemeinnützige Rechtsauskunft vor gungaufdem Gebiet derSozialpolitik nachgezeichnet werden. dem Kriege. Das Reichsarbeitsblatt 135 2. Arbeiterbewegung, Auchim Lübeckischen Staat hattedas „Gesetz gegen die ge- meingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie" seine Arbeitersekretariat beabsichtigte Wirkung verfehlt. Die Genossen trafen sich im undbürgerliche Rahmen neuer Organisationen, als Geselligkeitsveranstaltun- Rechtsaukunftsstelle bis zurNovemberrevo- lution Auch wennLübeck bb heuteinseinem äußeren Bild keinen Eindruck ab In- dustriestadterweckt, warenauch hier dietypbchenAuswirkungender ersten Industrialbierungsphase zu spüren. Die 1866 eingeführte Gewerbefreiheit drängtedietraditionellehandelskapita- IbtbcheOrientierung der Stadtzuneh- mendzurück. DieSchaffungvonIndu- strievierteln wurde nun ab staatliche Aufgabeangesehen.1890gab esin Lü- beck bereits über 100 Fabriken. Hier ein paar Szenen und Dokumente aus dem anderen, dem proletarischen" Lübeck (Fotos: SPD-Krebverband Lübeck) Innenansicht einer Maschinen- und Schmiedewerkstatt in Lübeck, ca. 1905. Zu beachten bt der Unterschied inPoseundKleidung zwbchen Vorge- setzten (Bildmitte rechts) und Arbei- tern(amRand).

Heringsbratereiin Lübeck. Die Verar- beitung desFbches,dieinLübeck auch schon im Mittelalterz.Zt. derHanse eine große Rollespielte,hattehierauch noch zu Beginn des 20. Jahrhundert eine wichtigeBedeutung. Der Lübecker Zentralfbchmarkt auf der Wallhalbinsel. Im Hintergrund siehtmandasHobtentor.

(RArbßl.) wies für 1906 20, für 1907 45 undfür 190865kommunaleRechts- auskunftsstellen aus. 4 Z.B. Link, Rechtsberatung, S. 2.

136 ohne Kommentar (aus: Lübecker Volksbote, 15. 10. 1901).

5 Vgl.Tabelle I,zusammengestellt aus Hartmut Fuchs, Privilegien oder Gleichheit. Die Entwicklung des Wahlrechts in der freien und Hanse- stadt Lübeck 1875 bis 1920. 1971, gen getarnt. Posten schirmten geheime Zusammenkünfte in S. 285 f. sowieFranzOsterroth, Chro- denumliegenden Wälderngegen das Ausspionieren durch Po- nik der Lübecker Sozialdemokratie 1866 bis 1972,Lübeck 1973,S.33. lizeispitzelab. Seit dem Jahre1884stieg der Stimmenanteil der 6 Vgl. Peter Asmusscn, Lübeck zur 5 Lübecker Sozialdemokraten bei den Reichstagswahlen an. Zeit derSozialistengesetze1871-1891, 1890 zog mit Theodor Schwartz erstmals ein Sozialdemokrat Lübeck 1982sowie KaimanStein, The Labour movement in Lübeck, für Lübeck in den Reichstag ein. Im selben Jahr wurde das 1866-1914,New York(ColumbiaUni- Sozialistengesetz aufgehoben.6 1889 war die Gründung der versity) 1976,S.133 ff. „Lübecker Genossenschaftsbäckerei"erfolgt.Sie erwiessichin 7 Vgl. hierzu und zum folgenden den Jubiläumsband Die Lübecker Genos- der Folgezeit als ein wichtiges wirtschaftliches Standbein der m.b.H. 7 senschafts-Bäckerei c.G. in Lübecker Arbeiterbewegung. Ursprünglich imTöpferwegan- den ersten 25 Jahren ihre Bestehens sässig,kauftesie bald in der Johannisstraße (heute Dr.-Julius- 1889-1914,Lübeck 1914. 137 Leber-Straße) gelegene Grundstücke und errichtete hier das „Vereinshaus" (ab 1910 „Gewerkschaftshaus" genannt), das zur Zentrale dersozialdemokratischenundgewerkschaftlichen Bewegungheranwuchs.Esbeherbergte eine besondersfür Ar- beiter gedachte Bibliothek,die Parteidruckerei,dieParteizei- tung „Lübecker Volksbote", den Großen Saal, der, reich aus- gestattet, etwa 1500 Menschen Platz bot, das Gewerkschafts- kartellsowie das Arbeitersekretariat. Der Verlust des Reichstagsmandates 1893ließ dieIdee zur Gründung einer eigenen Zeitung entstehen.ImMärzerschien die erste Ausgabe des „Lübecker Volksboten"8, mit dessen Hilfe Theodor Schwartz, Geschäftsführer des Blattes, 1897 wieder insParlamenteinzog. Vonjetzt an war Lübeck bis1933 stets durch einen „roten" Abgeordneten vertreten. TheodorSchwanz, 1914. T. Schwanz war eine der prägendsten Persönlich- keiten derfrühen Arbeiterbewegungin Lübeck. MehrmalszumReichstagsab- geordnetengewählt,gelanges untersei- nerLeitungschon1898,in Lübeck eine absoluteMehrheitfür dieSPDzuerzie- len.1917tratSchwanzaus Protestge- genüber der Kriegspolitik der SPD zur USPD über (Foto: SPD-Krebverband Lübeck).

* Zum „Lübecker Volksboten" und seinen Vorläufern vgl. Ortwin Pelc, Die Anfänge der sozialdemokrati- schen Presse in Lübeck. In: Rainer Paetau/HolgerRudel (Hg.), Arbeiter und Arbeiterbewegung in Schleswig- Holstein im19. und20. Jahrhundert, Neumünster 1987,S.255-278.

138 Auch nachdem sich die Sozialdemokratie wieder in jeder v Polizeibericht vom 24. 9. 1893; Hinsicht legal betätigen durfte, gingen die Bespitzelungen NSAIV18,5/12. durch die Staatsgewalt bzw. deren Informanten weiter. Ein geheimer Polizeibericht an denSenat stellte das Vorherrschen einer AuffassungimVolk fest,nachderdienach wie vor „gegen die bestehende Gesellschaftsordnung gerichteten Umsturzbe- strebungen"9 erlaubt seien. DiePolizeistände mit gebundenen Händen da. Über die Arbeiterschaft hinaus erziele die SPD Erfolge bei zahlreichenBevölkerungsgruppen: „Handwerksgesellen, diekleinen Wirthe, Gewerbetreibenden undKrämer, die Unterbeamten, zum nicht kleinen Theil auch die Subalternbeamten imStaats- und Gemeindedienst, dieunte- ren Eisenbahnbeamten, namentlich untere Post- und Telegra- phenbeamte gehörenmit geringenAusnahmenderSozialdemo- kratie an" ... „Das Gruppenbild der sozialdemokratischen Reichstagsmitglieder findet sich in unendlich vielen Wohnun- Das Lübecker Gewerkschaftshaus in der Johannbstraße (heute: Dr.-Julius- Leber-Str.), gegenEndedes19. Jahr- hunderts errichtet. Hier konnten viele Aktivitäten organbiert werden und stattfinden. Links das eigentliche Ge- werkschaftshaus, in der Mitte die Bü- chereiund Lesehalle,rechbdie Druk- kerei.

139 Um vondenRäumlichkeitendes Gast- „Kinder gewerbes unabhängig zu werden, gen"... von 7-8Jahrenhörtman dieArbeitermarseil- (staatlicherseits war immer wieder laisesingen oderpfeifen".lü Druck aufprivateGaststättenausgeübt Beachtung verdientindiesemZusammenhang ein ergänzen- worden,damit dieseihre Sälenichtfür VeranstaltungenderArbeiterbewegung der Bericht desnationalliberalenSenatorsKlügmann. Erhatte zur Verfügung stellten) waren eigene zunächst bemängelt, daß die Polizei die größtenteils privat Versammlungsörtlichkeilen wichtig. organisierten Gegenmaßnahmen unerwähnt gelassen habe, Hier der .große Saal", in dem 1500 zwar PersonenPlatzfinden konnten. und „Gründung neuer Kriegervereine, Volksunterhaltungs- Nach dem Motto „BildungbtMacht' abende, Ferienkolonien, Volksküche, Bemühungen zur Be- versuchtendie Organisationender Ar- schaffung von Arbeit währendder Wintermonate, Volksbiblio- 140 thek, Kleinkinderschulen, Bau von Arbeiterwohnungen, Ein- beiterbewegung viele Bildungsmög- richtungderHebe- undMeldestelle zur Verminderung derBelä- lichkeiten anzubieten: Hier die Lese- 11 halle der Bücherei, in der ständig 37 stigungenaus derInvaliditäts-und Altersversicherung". Tageszeitungen auslagen. Der Staat, so der Senator in einem zweiten Dossier, dürfe nicht länger untätig bleiben,müsse vielmehr den Ausbau der sozialpolitischen Ansätzevorantreiben. DerErfolg der Sozial- demokratie sei damit erklärbar,daß die Lübecker Partei den sozialistischen Charakter kaum betone und sich somit, ohne allerdings mit der marxistischen ZentraleinBerlinzubrechen, geschickt der in der Hansestadt vorherrschenden konservativ- gemächlichenStimmunganpasse,„ohnedirekten Angriffgegen diepolitische Verfassung des Reiches oder des Staates", „ohne ultraradikale Forderungen". 12 Die Chance des Staates liege jetztallein inderVerbesserung der wirtschaftlichenund sozia- lenLageder Lübecker, in„Einrichtungen zur Ausgleichungder Klassengegensätze". 13 Was anderenortsals „Vergewerkschaftung" der Sozialdemo- kratie14 kritisiert wurde, bildete in Lübeck, zusammen mit zahllosen personellen Überschneidungen bei SPD und Ge- werkschaften15,dieVoraussetzung für denErfolgder Arbeiter- bewegung. Er fiel deshalb auchin einer Stadt wie Lübeck, in der die Industrialisierungvergleichsweise späteingesetzt hatte undder Anteil des Industrieproletariats an der Gesamtbevöl- kerung niedriger war als anderenorts16,überzeugend aus. Einstweilenfand SenatorKlügmann mit seinerEinschätzung der Lage kaum das Gehör seiner politischen Freunde. Der Staat reagierte zulangsam und zu verhalten, um der wachsen- - denPopularität von SPDundGewerkschaften wirksam entge- Der „Lübecker Volksbote" eine Zei- tung der Arbeiterbewegung,1894 ge- genarbeiten zukönnen. gründet, um der bürgerlichen Presse 1898 wurde die Frage der Errichtung eines Arbeitersekreta- entgegenzutreten.MitihrerHilfekonn- riats in Lübeck erstmals diskutiert, aufgeworfen von August te der Lübecker Kandidat der SPD 17 1897 wieder in den Reichstag einzie- Kasch, einem Redakteur des „Lübecker Volksboten". Weil hen.

141 die bevorstehendeReichtagswahl sowie einbereits abzusehen- der Bauarbeiterstreik die finanziellenundstrukturellenKräfte der Gewerkschaften band, stellte man das Thema erst einmal zurück. Allerdings setzte der „Lübecker Volksbote" seineBe- richterstattung über dieNeugründung von Arbeitersekretaria- teninanderenStädtenmit werbendemUntertonfort.18 ImJuli 1899 verfehlte dann ein Vorstoß in der Vollversammlung des Gewerkschaftskartells knapp die notwendige Drei-Viertel- Mehrheit. Immer noch hielten zahlreiche Mitglieder das Un- ternehmen für ein finanziellesRisiko.I9EinJahr späterreichte die Zahl der Befürworter aus: Von den 4951 abgegebenen Stimmen sprachen sich 3798 für und 1114gegen dieNeugrün- dungaus,39 warenungültig. 20EinesiebenköpfigeKommission "10 Ebd. aus Sozialdemokraten und Gewerkschaftlern wurde mit den Klügmann anBürgermeister vom3. Vorarbeiten beauftragt. Das Gremium sollte nach der Grün- 10. 1893; NSAIVIB,5/12. 12 Klügmann an Senat vom 18. 10. dung des Arbeitersekretariats fortbestehen und einen jährli- 1893;NSAIV18,5/12. chen Rechenschaftsbericht vorlegen. Dieser sollte vor allem 13 Ebd. die Verwendung der Mitgliedsbeiträge offenlegen - die im 14 Vgl. Martiny, Bedeutung, S. 153ff. 15 Hierzu ausführlich Eva-Maria Mal- Kartell zusammengefaßten Einzelgewerkschaften führten für branc, Sozialpartnerschaft oder So- jedesMitgliedmonatlich10Pfennig andas Arbeitersekretariat zialkonflikt? Arbeitskämpfe in Lü- ab -, doch war auch an Leitung und Erweiterung der bald beckan ausgewählten Beispielen1900 eingerichteten Gesetzestexten, juristischen bis 1913. Lüneburg 1986. Bibliothek aus 16 Zur Industrialisierung vgl. Luise Fachwerken,Belletristik, Zeitungen und „Arbeiter-Bildungs- Klinsmann, DieIndustrialisierung Lü- Literatur" gedacht. Zweck des Arbeitersekretariats war eben becks,Lübeck 1984 (Neuveröffentli- Erteilung von Rechtsauskünften; chung der Dissertation aus dem Jahre nicht allein die kostenlose 1922). - Zur Bevölkerungsentwick- vielmehr sollten sich die Arbeiter bilden, zur fundiertenEin- lung vgl. Uwe Kühl, Materialien zur schätzung ihrer Lage befähigt werden.21 Statistik der freienundHansestadt Lü- Im November 1900 wurde der zu dieser Zeit noch in Kiel beck vomBeginndes19. Jahrhunderts bis 1914. In: Zeitschrift für Lübecki- tätige Rudolf Wissell für ein Gehalt von 2000 Mark jährlich sche Geschichte und Altertumskunde- (ohne Zulagen) alsArbeitersekretärverpflichtet. Nachdemim 64(1984), S.177-220. Vgl. auch das Dezember eine weitere Vollversammlung des Gewerkschafts- Zahlenmaterial bei Julius Hartwig, Die Änderungen in den Kosten der kartells StatutundGeschäftsordnung des Arbeitersekretariats Lebenshaltung in Lübeck von verabschiedet hatte,nahmdie neueStelle amNeujahrstag1901 1891-1912. In: Schriften des Vereins ihren Betrieb auf. für Sozialpolitik, Abt.C, Heft 145, Teil I,S.119-136. Die Einrichtung stand prinzipiell allen Gesellschaftsschich- 17 1. Jahresbericht des Arbeitersekre- ten offen. Natürlich gehörte der Großteil der Klienten der tariats (Jb. AS), 5.75. Hier zeigt sich Arbeiterklasse an, doch nahmen vereinzelt auch Handwerks- m.E. einmal mehr, wie lohnend und anregend für die Sozialdemokratie die meister und kleine Gewerbetreibende die Dienstleistungen in Gründung dieses Organs war.Spätere Anspruch. kommunal- und reichspolitische Pro- Am Mittwochnachmittag war das Büro geschlossen, damit minenz durchlief oftmals die Station der Arbeitersekretär den Verhandlungen des Schiedsgerichts der Parteizeitung. Beispiele: Der spätere Bürgermeister Paul Löwigt, für Arbeiterversicherung beiwohnenundTermine beim Amts- Johannes Stelling (später Bürger- gericht wahrnehmen konnte. Neben Wissell gehörte der Kas- schaftsmitglied, Reichstagsabgeord- sierer, der Sozialdemokrat Paul Hoff, zuden wichtigsten Per- neter, Innenministerund Ministerprä- sident von Mecklenburg-Schwerin), sonen, hatte er doch das finanzielle Fundament tragfähig und Dr. Julius Leber (Bürgerschafts- und verfügbar zuhalten.Dabei war es anfangs um die Zahlungsdis- Reichstagsmitglied)und Dr.Fritz Sol- ziplin einzelner Gewerkschaftennicht immer gut bestellt: mitz (Bürgerschaftsmitglied). „Wenn 18 Z.B. „Lübecker Volksbote" vom unser Genosse Hoff pünktlich am Quartalsschluß 22." 9. 1898, Beilage. seine Abrechnung vorlegt, und man staunt, wie prompt die 10. Jb.AS, S. 6. Gelder eingegangen sind, so steht nicht dabei, wie viel Wege er 20 I.Jb. AS, 5.75. 21 Zur Bibliothek vgl. Die Lübecker hat machenmüssen, um säumigen die Gewerkschaftskassierern"21 Genossenschafts-Bäckerei, S.26 ff. Gelder abzuknöpfen. Hoffentlich genügt dieser Hinweis. 22 1.Jb.AS, S.76. Ergenügte. SchonnacheinemJahrkonnteein vom Gewerk- 142 Schaftskartellgewährtes Gründungsdarlehen inHöhevon1200 Mark zurückgezahlt werden. Der 1. Jahresbericht des Arbei- tersekretariats schloß mit folgender Bilanz ab:23 Einnahmen Ausgaben Beiträge vondenGewerk- Inventar 791,79Mark schaften 6869,80 Mark Bibliothek 845,40 Vergütung für Schrift- Zeitungen 77,10 stücke undPorto Miete 350,00 18,78 Reinigung 155,25 einmaligerBeitragvom Heizung 213,80 Gewerkschaftskartell Beleuchtung 77,16 1200,00 Feuerversicherung 8088,58MarkInsemte %>% Gehaltdes Sekretärs 2000,00 Sparkassenkonto 2650,00 Kommissionssitzungen 58,50 Porto,Schreibmaterial, Druckkosten 285,79 Beitrag zurAlters-,In- validen-undUnfall- versicherung 35,84 KleineAusgaben 16,35 Umzugskosten 174,30 Informationsreise nach Altona 20,00 EntschädigungdesKas- sierers 40,00 Kassenbestandam1.1. 1902 247,50 8088,58Mark

Vermögenam1.1.1902: Sparkassenkonto 2650,50Mark Zinsendavon 36,58 Portokasse 10,00 aktuellerKassenbestand 247,50 2944,08Mark

DieBildung von Rücklagen, die sich hier im Ausgabenpo- sten „Sparkassenkonto" ausdrückt, sollte sich schon bald als richtig erweisen,denndasArbeitersekretariat wurdeschnellin unerwartet intensivemMaße beansprucht: reichlichSchriftver- kehr und viele Gerichtstermine waren die Folge. Schon das erste Jahr bewies, wie „hochnothwendig es war, daß inLübeck 23 Ebd.,S.7Bf. 143 24 Ebd.,S. 76. einederartigeStelle, wo Allesich Rathholenkönnen,geschaffen 25 So Senator Neumanns Urteil über wurde".24 die Rechtsauskunftsstelle aus dem 8. Genau wieJahre später die Rechtsauskunftsstelle verstand Jahre1913;Neumann an Senat-vom 12. 1913 (NSAXII 28/2a). Der sich das Arbeitersekretariat bereits jetztals sozialer Beobach- Nürnberger Arbeitersekretär Segitz tungsposten25, doch leider, vermerkte der 1. Jahresbericht, hatte für die Arbeitersekretariate be- reits 1899 von einer „sozialen Beob- blieb aufgrund des enormen Geschäftsbetriebs wenig Zeit für achtungsstation" gesprochen; vgl. die „Untersuchung" derLebenshaltung, der Behausungsverhält- Barclay, RudolfWissell, S. 39. nisse usw. 26ImIdealfallsollte derJahresbericht ein „Spiegel- 26 1.Jb.AS, S. 5. 27 - bildder gesammten Verhältnisse der Lübecker Arbeitergemein- Ebd. DerJahresbericht des Arbei- 21 tersekretariatserschienzusammenmit schaftsein". NurdurchdieoffeneDiskussionvonMißständen den Berichten des Gewerkschaftskar- würden sich Verbesserungen für dieArbeiterergeben, „nur die tells, der Bauarbeiter-Schutzkommis- 28 sionundder Aufsichtskommission des Kritik istdas vorwärtstreibendeElement". Arbeitersekretariats. Die Seitenzah- Der 1. Jahresbericht übertrieb nicht, als er feststellte, das lung erfolgtefortlaufend.- Arbeitersekretariat sei „zu einemfesten organischen Bestand- 28 Ebd., S.6. Dieser Hinweis war teilderOrganisation derLübecker 29 geworden. ausdrücklich auch auf die innerge- Arbeiterschaft" werkschaftliche Willensbildung ge- Es war das 20. gewerkschaftliche Arbeitersekretariat im 30 münzt. Kritik und aktive Mitarbeit Reich und bildete, wie die anderen, einewichtige Instanz für galtenals Voraussetzungfür eine Ver- dasHeranwachseneiner qualifiziertenundgeschultenFunktio- ankerung des Arbeitersekretariatsin 31 der Bevölkerung,aber auch als uner- närsschicht. Rudolf Wissell berichteteJahr für Jahr von zu- läßliches Element gewerkschaftsinter- weilenunverblümter Ablehnungseiner Personundseines Am- ner Demokratie überhaupt. Nach der tesdurch dieGerichte; er stieß aufdiegleichen Schwierigkeiten Ansicht einiger Sozialwissenschaftler geriet die innere Demokratie inOrga- wie die sich gerade organisierende Lübecker Arbeiterbewe- nisationen mit deren zunehmendem gung.ImUnterschied zuderan vielenanderenOrtenüblichen Wachstum ins Hintertreffen. Der Praxis unterhieltenGewerkschaftskartellund Arbeitersekreta- deutsche Organisationssoziologe Ro- bert Michels untersuchte hauptsäch- riat inLübeck eine gemeinsame Auskunftsstelle.Es gab keine lichinder SPD, aber auchinden Ge- nennenswerten Rivalitätenzwischen SPDundGewerkschafts- werkschaften, wieviele vondenan der kartell;beide waren im „Vereinshaus" untergebracht und ar- Basis erkennbarenImpulsen undVor- beiteteneng zusammen. stellungen bis in die oberstenInstan- zengelangten. 1911formulierteerent- Typisch sowohl für die Reserviertheit der Behördengegen- täuschtsein „ehernes Gesetzder Oli- über dem Arbeitersekretariat als auch für dessen Beliebtheit garchie": beiden Arbeiternist zum einendieoft notierte Aussage: „Das „Die Organisationist die Mutter der Herrschaft der Gewählten über die Sekretariat ist doch eine nette Einrichtung, man braucht das Wähler, der Beauftragten über die Geld doch nicht gleich zum Rechtsanwalt zu tragen"32, zum Auftraggeber, der Delegierten über anderen der Fall eines Arbeiters, der sich vom Arbeitersekre- die Delegierenden. Die Bildung von OligarchienimSchöße der mannigfal- tariat seinenRentenantrag vorbereitenließ. Als er den Antrag tigen Formen der Demokratien ist ei- beim zuständigen Polizeiamt einreichte, wurde er, offensicht- neorganische, alsoeine Tendenz,der lich vorwurfsvoll, gefragt, warum er damit nicht gleich zur die sozialisti- jede Organisation,auch sagte sche,selbstdielibertäre,notwendiger- Behörde gekommen sei. Dem Arbeitersekretär der weise unterliegt" (Robert Michels, Mann: ZurSoziologiedesParteiwesensinder „Ickfreumi, dattick toSekamon bin, ümmer hättmanmitmi modernen Demokratie,- Stuttgart rümstött; nu is datt ock wedder nich recht, datt ick to Segohn 1911,S.370f.). Wennsich auchnicht nachweisenläßt, daß dieJahresberich- bün. Na!heffick seggt,datt kostgornix in deJohannisstratund te des Lübecker Arbeitersekretariats wenkmal wedder watharr, schak man wedder kamen; und" ick gerade dieser Kritik entgegenwirken seggtupt 33 wollten, so liegt dochdie Vermutung gah' ok wedder henn. Dattheffick Polizeiamt. einesderartigenZusammenhangesna- RudolfWissell stelltebeiseinenerstenpersönlichenKontak- he,fandenMichels'Forschungen doch ten mit Behördeneinen Mangel an Verständnis für die soziale keineswegs in der Abgeschiedenheit des Arbeitersekretariatsfest,mitunter „eineso kühle der Studierstube, sondern in der Öf- Aufgabe fentlichkeit allgemein zugänglicher Höflichkeit,daß dabeisogar übersehen wurde, den Stuhl uns VersammlungenundParteitagestatt. anzubieten, neben dem wir standen, und der für Besucher be- »I.Jb.AS, 5.5. stimmtschien". 34DieFrage,obauch AngehörigedesKleinbür- 30Barclay, Rudolf Wissell, S. 38. Vgl. dürften, auch: Die Tätigkeitder gewerkschaft- gertums das Arbeitersekretariat kostenlos benutzen lichen Arbeitersekretariateim Jahre löste eine innergewerkschaftliche Debatte aus. Schließlich 1904. In: RArbßl. 1905,S.603. setzte sich die Ansicht durch, daß man diese Gruppen tolerie- 144 Ren müsse, denn immerhin sei die Anzahl der Ratsuchenden, 31 Martiny, Bedeutung, S.160. -Ru- könnten, gering. dolf Wissell wechselte 1908 zum Zen- die im Grunde einen Anwalt bezahlen sehr tral-Arbcitcrsckrctariat nach Berlin, Außerdem: war nach der Novcmberrevoultion „Dasistjamit ein Zeichenjenesidealen Zuges, derdurch die Mitglied im Rat der Volksbeauftrag- deutsche Arbeiterbewegung geht, daß die große Mehrzahlder ten, Wirtschaftsminister in den Kabi- nettenScheidemann(1919) undBauer Sekretariateihre vom Groschen des einzelnenArbeiters ermög- (1919) "3S I sowie Arbeitsminister unter- lichte Thätigkeit indenDienst der Allgemeinheit stellen. Hermann Müller II(1928-1930). Spätestens hier fühlten sich die herrschenden Kreise der Martin Segitz, Leiter des ersten deut- herausgefordert, obwohl sich,lautWissell, dasAr- schen Arbeitersekretariats (Nürn- Hansestadt berg), spielteeine maßgebliche Rolle Beratungsgesprächen um beitersekretariat bei den die Aus- bei der Gründung des Deutschen- Me- klammerung parteipolitischer Bezüge erfolgreich bemühte. 36 tallarbeiterverbandes. warab 1900 Arbeitersekretär in Bald erfolgte eine Reaktion aufdenErfolg der Arbeiterbewe- . gung.Der Senat beschäftigte sich erstmals 1904 mit der Frage 32 Zit. aus: I.Jb.AS,5.7. der Einrichtung einer städtischen Rechtsauskunftsstelle , 33 Zit. ebd. jedoch von Abstand, er- 34 Ebd.,S.6. nahm dem Vorhaben als sich der 35 Ebd., S.8. wähnte private Verein zu demselben Zweck gründete. Die 36RudolfWissell, Aus meinenLebens- Wahlvereine der bürgerlichen Parteien hielten es für notwen- jahren. Mit einem Dokumenten-An- dig, dem wachsendenEinfluß der Sozialdemokratie entgegen- hanghrsg.von ErnstSchraepler, Ber- lin 1983, S.65. zutreten. Es ging ihnenum die 37 Senatsprotokoll vom 11. 5. 1904. „Rückgewinnung des Reichstagswahlkreises Lübeck für eine Erst in den Jahren 1905/06 setztedie nationaleVertretungunddieenergischeBekämpfungder verhet- Gründung kommunaler Rechtsaus- kunftsstellenauchin anderenStädten zenden Taktik und des Terrorismus der Sozialdemokratie". massiv ein; Hermann Link, Die ge- Um das Vertrauen der potentiell sozialdemokratischen meinnützigen Rechtsauskunftsstellen Wähler zu erringen, dies wurde offen zugegeben, planten sie als kommunale- Einrichtungen, Lü- dieErrichtung einer unentgeltlichen Rechtsauskunftsstelle für beck 1913. Die Lübecker Stellesetz- te sich bald an die Spitze der Bewe- Minderbemittelte. Am 10.Dezember 1904verabschiedete der gung. Verein die „Verfassung" der „Öffentlichen unentgeltlichen 38 Zit. aus den „Lübeckischen Anzei- Rechtsauskunftsstelle", aufdas gen", ZweitesBlatt, 19. 5. 1904. diemitkeinemWort Arbeiter- 39 „Verfassung": NSAVIII46/5. Sie sekretariat einging, sondern allein den wohlfahrtspolitischen war unterzeichnet von: Bürgerrechts- Aspektherausstellte.Der von denSenatorenSchönundStooß verein,Nationaler sozialerVerein Lü- bereits ausgearbeitete Entwurf wurde, wie erwähnt,imRat als beck (Ortsgruppe des Wahlvereinsder 40 Liberalen),Reichsverein,Vaterstädti- erledigt betrachtet und zurückgezogen. Der Verein,perso- scher Vereinvon 1883, Verein derBe- nell eng mit.Senat und Bürgerschaft verflochten, akzeptierte wohner des Landgebiets der freien den vom Senat unterbreiteten Vorschlag, Assessor Link mit und HansestadtLübeck sowie Verein 41 der Freisinnigen Volkspartei für Lü- der Leitung der Stelle zubeauftragen. beck.-Kurz daraufenstandder „Ver- In der Anfangszeit vermied die Rechtsauskunftsstelle,die ein Öffentliche Rechtsauskunftsstel- am 8. Mai 1905ihrenBetriebaufnahm, bemüht denEindruck, le", der jetzt als Träger der Einrich- tungfüngierte. sie genieße dasWohlwollen odergar dieFörderungvonBehör- 40 Senatsprotokoll vom 28. 12. 1904. den und Verfassungsorganen. Sie betonte die formale Tatsa- Auf dieser Sitzung wurde auch der che, eine von mehrerenParteien unterhalteneund schondes- 3.Jahresbericht des Arbeitersekreta- halb neutrale Instanz zu sein,42 was riats genau studiert. das Arbeitersekretariat 41 Senatsprotokoll vom 8. 5. 1905. natürlich völlig anders beurteilte. Ironisch vermerkt der 4. Gleichzeitiginformierte derSenatden Jahresbericht hinsichtlich der Gründungsmotive: Landgerichtspräsidenten über die „Pure, lautere war es!" „Diese neue Aufgabe Links. Offenbar sollte Arbeiterfreundlichkeit ... mitgeteilt werden, daß Link dem Ge- Heuchler! Das klingt, als obs aus warmem" vollem Herzen richt nichtlängerodernurmehringe- komme und istdoch nur Lug und Trug. 43 ringem Maße zur Verfügung stehen hätte man Lübeck werde.Dieses formaleElement-nicht Jahrzehntelang schließlich Zeit gehabt, Link,sondern der Senat unterrichtete mit einer so notwendigen Einrichtung zu bereichern. Ausge- den Gerichtspräsidenten- zeigt, wel- rechnet jetzt geschehe es, woes dasso erfolgreiche Arbeiterse- che Bedeutung der Senat dem gesam- kretariat gebe. In der Tat versetzte dieMitgliederentwicklung ten Unternehmen beimaß. Mit Link hatte maneinen überaus fä- bei SPD und Gewerkschaften die andersorientierten politi- higen und ideenreichen Mann ver- 44 schen Kreise in Alarmzustand. Zu personellen Verflechtun- pflichten können. Der spätere Kon- genzwischen den Organisationen der Arbeiterbewegung kam strukteur der Lübecker öffentlichen 145 Ein wichtiges ElementderArbeiterbe- hinzu, daß sich die finanzielleBeteiligung der Sozialdemokra- wegung: Die Produktivgenossenschaf- tie am Arbeitersekretariat mit dem Jahr 1904 institutionali- ten. Inder SPD lange Zeit umstritten, sierte: Der sozialdemokratische Verein zahlte vierteljährlich trugensie dochletztlicherheblichdazu 45 bei, die materielleLage der Arbeiter- 100Mark an das Arbeitersekretariat. Gleichfalls 1904 grün- schaft zu verbessern.DieLübecker Ge- deten Sozialdemokraten und Gewerkschaftler den Lübecker nossenschaftsbäckerei war 1889 ge- Konsumverein46, während die Genossenschaftsbäckerei wei- gründet worden.1913 hatte dieBäcke- terhin prosperierte. 1905 nahmen erstmals Sozialdemokraten reibereits über 1Million Mark Umsatz - undkonnteihrBrotin400Filialen ver- auf den Abgeordnetenstühlen im Rathaus Platz einer der kaufen. Mandatsträger war Rudolf Wissell. Im Folgejahr zogdas Ar- Gesamtansicht der Genossenschafts- beitersekretariat vom Gebäudeder Krankenkassefür gewerb- bäckerei liche Arbeiter in die Johannisstraße um, wo allerdings auch schon vorher Beratungsgespräche stattgefunden hatten.47 Von Hier wurdedas Brot hergestellt:Back- 1907 an hielten dieSekretäreihre Sprechstunden auchinande- raum mit den großen Ofenanlagen ren Stadtteilen ab, zuerst in Moisling und Schlutup.48 rechts DasLübecker Bürgertum versuchte immer wieder, den so- 146 zialdemokratischenundgewerkschaftlichen Einfluß zurückzu- i drängen. So verhängte der Senat im April 1900 ein Streikpostenver- bot, das im Juni sogar den Reichstag beschäftigte. 1905 än- derte die Bürgerschaft das Lübecker Wahlrecht, um den Ein- zugderSPD ins Rathaus zu verhindern.50 Immerhin erreichte man, daß die Parteideutlichunterrepräsentiert war:Sie erhielt bei der 1913 abgehaltenen Bürgerschaftswahl 4499 Stimmen und 4 Sitze,während die bürgerlichen Parteien zusammen auf 3451 Wähler bei 33Mandaten kamen.51 „Sehr 52 erfreulich" gestaltete sich dagegen (vorerst) das Ver- Auch das gehörte zur Arbeiterbewe- hältnisder Rechtsauskunftsstelle zuGerichten,Behördenund gung: Ausgabe von Bier aus der eige- Anwälten. Wollte derTrägerverein ursprünglich selbst für die nen Brauerei der Gewerkschaft (aus. 1901). erforderlichen Mittel aufkommen, sah sich Link bereits nach Lübecker Volksbote,15. 10. einem Jahr zur Beantragung staatlicherHilfe gezwungen, weil der Geschäftsbetrieb einen größeren Umfang als vermutet an- Fürsorge währendder Weimarer Re- genommen hatte.53 Senat und Bürgerschaft widersetzten sich publik leitete die Reichsorganisation dem Anliegen nicht und bewilligten für das Jahr 1906 1800 der Öffentlichen Rechtsauskunftsstel- 54 len.1911gründete erdie Reichs-„Zen- Mark. tralstelle zur Bekämpfung derSchwin- Mit Arbeitersekretariat und Rechtsauskunftsstelle bestan- delfirmen"(vgl.Polizeiamt 1135), aus den jetzt zweiAngebote, die sichum denselben Personenkreis dem dann der „Verein für Treu und Glauben im Geschäftslcbcn. Pro Ho- bemühten. ImerstenJahr desBestehensgab,um denAlltagzu nore" hervorging. veranschaulichen, die von Wissell geleiteteStelle zu folgenden 42 Dies teilteLink auf Anfragen aus Rechtsgebieten Auskunft:55 anderen Städten mit, z.B. am 2. 8. 1905;NSAVIII46/4. 43 4.Jb. AS,S.6. Bürgerliches Recht 994Auskünfte 44 Vgl.Tabelle 11, aus: Malbranc, So- zialpartnerschaft,S.16, ergänztdurch Sozialgesetzgebung 882Auskünfte die Jahresberichte des Arbeitersekre- Familienrecht 584Auskünfte tariats für 1915 und 1916. Gewerberecht 399Auskünfte Vgl. Tabelle 11, aus: „Lübecker Volks- Zivilprozeßordnung, Konkursordnung 316 botevom1. 4. 1919, 1.Beilage. Auskünfte Vgl. TabelleI. Gesinderecht 290Auskünfte 45 4.Jb. AS,S.71. Strafrecht 257Auskünfte 46 Vgl.25 Jahre Konsumvereinin Lü- 823A beck undUmgegend1904-1929,Ham- Verschiedenes uskünfte burg(ohne Jahresangabe,wahrschein- (Armenwesen, Steuersachen, Militärsachen, lich 1929). Polizeiverordnungen, Staatsangehörigkeit, 47 6.Jb.AS, S. 65 Seemannsordnung, Genossenschaftswesen, 48 7. Jb. AS, S. 83. 49Heraus zumKampf! Dokumentezur Organisation, Grundbesitz, Hypotheken, Be- Geschichte der Arbeiterbewegung in schwerden gegen Beamte und Verfügungen, Lübeck 1866-1949, bearb. vonIngrid Lebens- undFeuerversicherung, Agentur- und Bounin, hrsg. von der Verwaltungs- Schulwesen, Varia) stelle Lübeck der Industriegewerk- Abzahlungsgeschäfte, schaft Metall, 1987, S. 21f. sowie die QuellenNr. 21a-f. 4545 Auskünfte 50 Aufschlußreich und entlarvend zu- gleich ist die Lektüre desSitzungspro- tokolls vom 7. 8. 1905. Das Bürger- schaftsmitgliedThiele behieltschließ- Ein Fall aus dem Bereich des Gesinderechts verdeutlicht, lich recht, indemer von einer Wahl- daß das Arbeitersekretariat auch bei der Durchsetzung von rechtsänderung abriet. Sie sei nutzlos, Rechtsansprüchen halfund gesetzliche bzw. soziale Verbesse- daauch vieleNicht-Sozialdemokraten die SPD wählen würden, um so ihrer rungen fördernwollte. ZuBeginn des 20. Jahrhundertsgalten Unzufriedenheitmit den wirtschaftli- an vielenOrtenimmer nochGesindeordnungen,die „vonganz chen und sozialen Gegebenheiten mittelalterlichem Geist durchweht"56 waren und beispielsweise Ausdruck zu verleihen. Vgl. die Ste- nographischen Berichte der Bürger- Geldstrafen bei Ungehorsam gegen Anordnungen der Herr- schaft 1905, S. 412. Vgl. auch die Ar- schaft vorsahen. In Lübeck bestandenzwar, wiedas Arbeiter- beit vonFuchs, Privilegien. sekretariat einräumte,etwas fortschrittlichere Verhältnisseals 51 Osterroth,Chronik,S.20. 147 anderenorts,dochnahmsichRudolfWissellgleichnachseinem Amtsantritt vor, für das Gesinde eine Gerichtsbarkeit ähnlich der der gewerblichen Arbeiter zu erreichen. Momentan ge- langte jede Streitsache vor das Amtsgericht, wobei sich Wo- chen- und monatelanges Warten auf einen Verhandlungster- min verständlicherweise eher für die Bediensteten als für die Herrschaft untragbar auswirkte. Was etwa sollte ein Küchen- 52 Jahresbericht der Öffentlichen un- mädchen tun, wenn ihm gekündigt und persönlichesHab und entgeltlichen Rechtsauskunftsstelle Bis (ÖRA) 1905/06,S.51. Gut sowie der Restlohn kurzerhand einbehalten wurden? 53 ÖRA anSenat vom 1.5. 1906;NSA zur Etablierung vorgerichtlicher rascher und gerechter Ent- V11146/5. scheidungsmöglichkeitenführte auch für das Arbeitersekreta- 54 Senatsprotokollvom 5. 12. 1906 riat der erste Weg zum EinBeispiel: 55 1.Jb.AS, S.11f. Gericht. 5"Ebd.,5.60. „Dem Dienstmädchen B. O. war für zerbrochenes Geschirr "Ebd.,S.6l. 3,05 Mk. abgezogen, obwohlausdrücklich vereinbart war, daß "58 2. Jb. AS, S. 82. solches nicht geschehen solle, aus Rücksicht darauf, die So Robert Schmidt in der „Rund- daß schau" der „Sozialistischen Monats- B.O. eben erstaus der Schule entlassen warund von derHaus- hefte", 11.Jg. (1905), S.347: frau angelernt werden sollte. Auf einen Brief erhielten wir das „Seit einigenJahren zeichnensich die entrüstete Schreiben, daß Schreiber sich nicht genug wundern Berichtedes Lübecker Arbeitersekre- könnten, tärs Wissell durch eine besonders ge- könne, wie wir es wagen uns inseineAngelegenheiten schickte Behandlung grundlegender zumischen. UnsereAntwort war dieEinreichung" derKlageund Entscheidungen in Unfallsachen an Gerichtsstelle wurdendie 3,05Mk. bezahlt. 57 aus"... „Die Lektüre der Lübecker Noch vor der Eröffnung der Arbeitersekretariatsberichte wäre Rechtsauskunftsstelle mußte dem Staatssekretär GrafenPosadows- das Arbeitersekretariat mit W Dammer im März 1903 einen ky,derbereits so manchenunüberleg- zusätzlichenSekretäreinstellen,aufdenimJuni1904Hermann ten Angriff gegen die um die Unfall- Schneider 58 wurde, üblich, kämpfenden Arbeiter gerichtet folgte. Die Stelle wie öffentlich rente ausgeschrieben, so daß zwischen mehreren Bewerbungen, im "hat,sehr anzuempfehlen".- 10.Jb.AS,S.7. Zur Abwanderung Jahre 1903gingen 26 ein, ausgewählt werden konnte. vonSekretärenkam eswohl auchauf- Rudolf Wissell verfaßte Zeitungsartikel inengagiertem grund der unterschiedlichenGehalts- Ton- angebote in den verschiedenen Städ- fall,dieJahresberichteerlangtenbesondersunter seinerFeder- ten. 1901reichte die Spannweite von führung eine die GrenzenLübecks überschreitende Populari- 800 bis 2500 Mark Jahresgehalt (vgl. tät.59 1908schied Wissellaus;er nahmeine StellebeimZentral- Soudek,Arbeiter-Sekretariate, S. 81). 61 Vgl. TabelleIV. Quellen:Jahresbe- Arbeitersekretariat in Berlin an. Sein Nachfolger in Lübeck richte des Arbeitersekretariats und Mehrlein, - wurde Fritz derschon inBreslauals Arbeitersekre- der ÖRA. DieBesucherzahl des AS tär tätig gewesen war. Für den im Sommer 1909 nach Dort- für das Jahr 1918 entstammt dem 60 RArbßl.; in Lübecker Archivbestän- mund angewanderten H. Schneider rückte Paul Hoff nach. den findet sich keine Angabe für die- Dieses Duo führte das Arbeitersekretariat in und durch den ses Jahr (auch nicht für 1919 und Krieg; beide gehörten1919 zu den ersten SPD-Senatoren in 1920). Für 1918nennt dasRArbßl. für Lübeck. DieBerufung die ÖRA 3930Personen, der Lübek- inhöchste Ämter der Hansestadt stand ker Verwaltungsbericht nennt 4590. am Ende eines nahezuzwei Jahrzehnte dauernden Prozesses Mit Ausnahme der Kriegsjahre 1916 der Integrierung der Sozialdemokratie in den bürgerlichen und 1917 ging der Anteil der gewerk- Staat. schaftlich und/oder sozialdemokra- Das Arbeitersekretariat verschickte seineJahresberichte an tisch organisierten Besucher- des AS kontinuierlich zurück eine Entwick- Behörden,Bürgerschaftsmitglieder, Arbeitgeber, Ärzte und lung,die,betrachtetmansie vor dem viele Einzelpersonen undhalf so Abbau von Anstieg der absoluten Benutzerzah- beim Vorurteilen len,auf eine Verbreiterung der Basis gegen die moderne Arbeiterbewegung in diesen Kreisen. Die des ASinnerhalb der Lübecker Bevöl- Gewerkschaftseinrichtung wies stets höhereBesucherzahlen kerungschließen läßt. alsdieRechtsauskunftsstelleauf.61 DerRückhalt des Arbeiter- Für 1915: Die Rechtsberatung der minderbemittelten Volkskreise im sekretariats, Garant für dessen Erfolg, waren zweifellos die Jahre1915.In: RArbßl. 1917, Beilage Gewerkschaftsmitglieder, dochdieAngaben über denOrgani- zum April-Heft, S.14 undS. 17. sationsgrad der Besucherlassen erkennen,daß die Arbeitneh- Für 1916 und 1917: Die Rechtsbera- tung... In: RArbßl. 1918, Beilage mereinrichtung, entsprechendder Einschätzung SenatorKlüg- zumDezember-Heft, S. 17 undS.22. manns aus dem Jahre 1893, weit indie Gruppe der Unorgani- Für 1918: RArbßl. 1919, 5.946. siertenhineingreifen konnte.Die Anzahlder Auskunftsuchen- 148 den stieg unaufhörlichan. Im Verhältnis Einwohner- Arbei- tersekretariatsbesucher nahmLübeck einen der Spitzenplätze im Reich ein undübertraf zahlreiche Großstädte, die weitaus stärker als die Hansestadt durch Arbeiterberufe geprägt und proletarisiert waren.62 Unterdessen baute Hermann Link die Öffentliche Rechts- auskunftsstelle zum Ausgangs- und Mittelpunkt der neuen Kommunalwohlfahrtspflege aus. Ihm schwebte ein massives Eingreifen des Staates vor,und daher votierteLink, der noch bis zumEnde des ersten Jahrzehnts des 20.Jahrhundertsfest- umrissene Vorstellungen für eine Neuordnung der Fürsorge entwickelte, frühzeitig für eine Übernahme der Rechtsaus- kunftsstelle durch den Staat. Die Initiative der öffentlichen Hand sollte die Stelle aus den sozialpolitischenKlassenausein- andersetzungen herausheben. Link entfernte sich von dem 1904/05 von konservativen Kreisen formulierten Auftrag und fand zu einer Position parteipolitischer Neutralität, die ihn, nach seinem Verständnis, dazu verpflichtete, auch an angese- henen InstitutionenKritik zuüben. Sobemängelte derJahres- bericht der Rechtsauskunftsstelle von 1912 Entscheidungen, die Lübecker Richter in von ihm angestrengten Verfahren getroffen hatten. Landgerichtspräsident Demier warf der Stelle vor, sich als „oberste Wächterin desRechtsund derOrd- nung"63 aufzuspielen. Link jedochbekanntesichzuseinerKri- tik. Aufgabe derJahresberichteseinichtnur,einfachdie Tätig- keitderRechtsauskunftsstelle zuschildern,sondern auch, „Er- fahrungenmitzuteilenundsiemöglichstfür dieFortentwicklung der Rechts-undWohlfahrtspflege nutzbar zumachen"64; daher müsse auch erlaubt sein, von einem Gerichtsurteil abwei- chende Ansichtenvorzubringen, sogar im Rahmen eines Jah- resberichts. LinksPlänen kam zugute,daß die kommunalen Rechtsaus- kunftsstellen reichsweit die Arbeitersekretariate einzuholen begannen(allerdings ausgerechnet nichtamSitzdesReichsver- 62 So jedenfalls der 13.Jb.AS, S. 3. Allerdings muß berücksichtigt wer- bandes, inLübeck). Die Trendwende, der erste Rückgang in den, daß anderenorts oftmals nur an der Zahlder Arbeitersekretariate, erfolgte im Jahre 1914 : OrganisierteAuskunft erteilt wurde.- Der Rückgang der Besucherzahl für 1909 1912 1913 1914 1912 wurde mit dem Niedergang ein- Rechtsauskunftsstellen zelner Berufe aufgrund der ungünsti- gen Konjunktur erklärt; 12.Jb.AS, öffentlicher Träger 101 119 144 158 5.3. arbeitnehmereigen 283 330 361 306 63Demier andieJustizkommissiondes Senats vom 19. 9. 1913; NSAVIII46/ sämtliche Varianten 713 916 1143 1027 3. 64 Link an Demier vom 23. 9. 1913; Link wies auf die Kräftezersplitterung und den damit ver- NSAVIII46/3. 65 Die Rechtsberatung derminderbe- bundenen Mangel an Effektivität im deutschen Rechtsaus- mittelten Volkskreiseim Jahre 1913. kunftswesen hin.Die für 1912ausgewiesenen 916 Stellen setz- In: RArbßl. 1914, Beilage zum Juli- ten sich aus 14 Trägern unterschiedlicher Provenienz zusam- Heft, S.6 sowieDie Rechtsberatung men, 66 der minderbemitteltenVolkskreiseim oft bestandenbis zusechs Variantenan einem Ort. Vor Jahre1914. In:RArbßl. 1916,Beilage diesem Hintergrund erschien es Link geboten, besonders ge- zum Mai-Heft, S.5. gen von Gewerkschaften undParteien unterhalteneStellenzu 66 Die Rechtsberatungder minderbe- mittelten Volkskreiseim Jahre 1913. argumentieren. Vor allem den am häufigsten frequentierten In: RArbßl. 1914, Beilage zum Juli- Arbeitersekretariatenmüsse er eine „allgemeinpositiveBedeu- Heft. tung absprechen"61;sie seienaufgrund ihrerideologischen Ge- 67 Link, Rechtsberatung, S. 2 149 bundenheit „unvereinbar* mit dem Geisteder Rechts-und Wohl- fahrtspflege".6 Bei Kriegsbeginn konnte Link seinePosition innerhalb der Lübecker Verwaltung festigen. Allerdings fiel die Rechtsaus- kunftsstelle im Konkurrenzkampf mit dem Arbeitersekreta- riat, was die Besucherzahlen anbetraf, sogar noch weiter zu- rück. Besondere Beachtung verdient der Umstand, daß an- stelle der eingezogenen Männer nunmehr deren Ehefrauen und andere Familienmitglieder das Arbeitersekretariat auf- suchtenundauchbereit waren,sich inSPDund/oder Gewerk- schaft zu organisieren.69 Das Lübecker Arbeitersekretariat enthielt sich gerade währenddesKrieges jeglicherPartei-bzw. Gewerkschaftspropaganda. Als Ausdruck des „Burgfriedens" kannebenso das Fehlenvon kritischenBemerkungen über die deutsche Kriegspolitik gewertet werden.70 Die Jahresberichte begrüßten denAusbauderWohlfahrtspflege durchdieöffentli- cheHand-allerdings,so diewohl zutreffendeBeurteilung der Lage, lägen diehierher gehörendenMaßnahmen imInteresse des Staates selbst.71 AufdieQuantitätsunterschiede beidenBesucherzahlenkam es immer wenigeran, jeweiterderProzeß derPartizipation der Lübecker Sozialdemokratie an öffentlichenEinrichtungen, so gerade an denOrganen der Kriegsfürsorge, voranschritt.Link erhielt den Vorsitz im „Einigungsamt der Kriegshilfe"12 und wurde mit der Leitung des neu errichteten Öffentlichen Ar- beitsnachweises betraut. Die Hilfeleistung von Rechtsaus- kunftsstelle und Arbeitersekretariat bestand jetzt imwesentli- chen in der Aufklärung über alle im Zusammenhang mit der Kriegsfürsorge stehendenFragen.73

3.Die Verschmelzung Die zur Verschmelzung von Arbeitersekretariat und Rechts- von Arbeitersekretariat auskunftsstelle und zur Einbindung in das 1918 gegründete Wohlfahrtsamt führende Entwicklung kannnur unter Beach- und Öffentlicher tung zweier bereits angedeuteter Umstände verstanden wer- Rechtsauskunftsstelle den: a) Vertreter der Sozialdemokratie wurden währenddes Krie- 68 Ebd.Als weiteres Argument führte Link die Konkurrenz der gewerk- ges allmählich an der staatlichen Verwaltung beteiligt. In schaftlichen Arbeitersekretariate un- Lübeck stellte die Novemberrevolution die Position der tereinander,bedingtdurch die Unein- Staats- und Verfassungsorgane zu keinem Zeitpunkt in heitlichkeit der Gewerkschaftsbewe- Frage.74 Vielmehr gab sich die Mehrheits-SPD -die USPD gung, an. Nur die Tatsache,daß Link - indenArbeitersekretariatendiegröß- spielte hier keine erwähnenswerteRolle mit derTeilhabe te Bedrohung für denvonihm favori- an der Macht zufrieden. Unvermittelt fand man sich als sierten Konzentrationsprozeß erblick- staatstragende Kraft wieder. Die Identifizierung mit der te, erklärt,daß er die 9 vonArbeitge- bern unterhaltenen Rechtsauskunfts- Republik von Weimar wurde durch die als Erfolg gefeierte stellen nicht verurteilte (ebd., 5.5). Übernahme besonders des Amtes des Polizeiherrn be- Ihm einseitige Bevorzugung vorzu- schleunigt undvertieft. Dieshatte zur Folge,daß eine Geg- werfen, hieße, ihn mißzuverstehen und die gerade in Lübeck gegen ihn nerschaft zu ehemaligen Weggefährten, jetzt vor allem in von Arbeitgeberseite vorgebrachte der KPD zusammengeschlossen, entstand. Für das Arbei- Kritik zu ignorieren. Seitdem sich tersekretariat ergab sich fast so etwas wie eineNotwendig- Link für die Errichtung eines paritä- tisch besetzten Öffentlichen Arbeits- keit,Bereitschaft für ein Arrangement mit der neu entste- nachweises einsetzte, traten die Ar- henden Kommunalfürsorge, vor allem der Öffentlichen beitgeber entschiedengegen seine ge- Rechtsauskunftsstelle, zu demonstrieren. 150 b) Die revolutionäre und nachrevolutionäre Phase war die SamteWohlfahrtskonzeption auf-vgl. Hermann Links. Er bekleidete als Demobilma- z.B.Handelskammeran Senat vom 4. Stunde 11. 1913 (NSA XII2B/2a). Am 17. 11. chungskommissar,leitenderFachbeamter von Arbeits- und schloß sich die Gewerbekammer der Wohlfahrtsamt und Vorsitzenderdes Schlichtungsausschus- Kritik an.-Esging Linkhauptsächlich ses zur Beilegung von Arbeitskämpfen einige der wichtig- um die in eine öffentliche Fürsorge eingebettete Einheitlichkeit der stenPositionenim Lübeckischen Staat beim Übergang zur Rechtsauskunft. Republik. LinksFürsorgemodell hatte sichinder Auseinan- W 16. Jb. AS, 2. Seite dersetzungum dieNeuordnung klar gegen andersgerichtete 7,1Diese Aussage gilt nur für die Jah- resberichte des Arbeitersekretariats. Bestrebungen in Teilen der Arbeitgeberschaft und des Se- Vor allem für die letzte Phase des nats durchgesetzt. Die Einheitlichkeit aller Anstrengungen Krieges sind anderslautende Äuße- galt als oberstes Ziel,das angesichts der Vielzahl75privater, rungenLübecker Gewerkschaftenund halbstaatlicher und staatlicher Initiativen ohnehin schwer des Gesamtkartellsüberliefert. Vgl. z. B.diverseResolutionen zur Versor- erreichbarzuseinschien.Man setzte dort an, wo derErfolg gungslage 1917/18 (NSA XVIIIO/4). am wahrscheinlichstenwar. Aufgrund desVerhältnissesvon Doch insgesamt könnendie Gewerk- und zum schaften als ein Ordnungsfaktor be- Sozialdemokratie Gewerkschaften neuen Staat zeichnet werden. Selbst in Zeiten tauchteder Gedankean eine Zusammenlegung derbeiden, größter materieller Not münzten sie von der Aufgabenstellung her gesehen verwandten Instan- das zweifellos vorhandene Unzufrie- zen beinahe zwangsläufig auf. Link verkörperte vor der denheitspotentialnicht in eine politi- sche Radikalisierung der Massen um. Fusion die staatliche Seite und befand sich damit in einer So richteten sie zwar am 21. 8. 1918 äußerst günstigen Verhandlungsposition. Gewerkschafts- (EingangsstempelSenatskanzlei)eine SPD sich gut verweigern, Eingabe an den Rat bezüglich einer kartell und konnten nicht zumal Verbesserung der Ernährungslage, das Arbeitersekretariat seit einiger Zeit finanziell aus dem verwendeten jedoch Formulierungen Lübeckischen Haushalt unterstützt wurde. wie "erlauben sich, hiermit folgende Link hatteallerdingsseineBedenkengegenüber dem Arbei- Wünsche zu unterbreiten"sowie „mit - aller Hochachtung" (NSAXVIIIO/4). zu 71 tersekretariat nicht überwunden sehr hatten die ersten 15. Jb. AS,2. Seite. Jahre der Öffentlichen Rechtsauskunftsstelle im Zeichen der 72 Das seit 1913 bestehende private Rivalitätmit der Gewerkschaftseinrichtung gestanden, zu hef- Mieteinigungsamt ging 1914 im halb- tig waren die oft insPersönlicheabgleitenden Differenzen aus- staatlichen Einigungsamt auf. Hier wurden Streitigkeiten zwischen Mie- getragen worden. Spätestens beim Ausbruch des Krieges hat- tern und Vermietern sowie Gläubi- ten sich die Gemüter beruhigt. Link erkannte mittlerweile die gern und Schuldnern beigelegt. Vgl. Notwendigkeit einer breit angelegtenInteressenvertretung der die „Verordnung betr. das Einigungs- amt derKriegshilfe" vom 30. 12. 1914. Arbeitnehmer an, nachdem seine anfänglich grundsätzliche In: Sammlung der Lübeckischen Ge- Aversion in dem Maße gewichen war, wie SPD und Gewerk- setze und Verordnungen 1914,S. 270. schaftenaus ihrem Kampfgegen 1917 wurdedie Stelle dem Stadt- und orthodoxen den Staat heraus- Landamt eingegliedert und befand fanden und, in der Weimarer Republik imallgemeinen undin sich seitdem in ausschließlich öffentli- Lübeck im besonderen, eine staatstragende Rolle zu spielen cher Regie. bereitwaren Dennochrieter strengvoneinemNebeneinander 3 Vgl. Link, Die gemeinnützige . Rechtsauskunft,S.11 ff.sowiedieLü- von Öffentlicher Rechtsauskunft und Arbeitersekretariat ab. bcckischcn Verwaltungsberichte Abgesehen von der zu vermeidenden Zersplitterung der Be- 1914-1918. Daß auch das Arbeiterse- mühungen hielt er die inLübeck inzwischenübliche Förderung kretariatauf diesemGebiettätig war, weisen dessen Jahresberichte aus. desArbeitersekretariatsdurchdenStaatsetat für unerwünscht. 74 Vgl. Anna-Maria Kraus, Die No- Zwar war Link keineswegs der Überzeugung, „daß die Tätig- vemberrevolution in Lübeck, Kiel keitdesArbeitersekretariatsselbstnotwendigerweiseeineeinsei- 1974 sowie die Erinnerungen des Bür- ist, aberschondie Tatsache, germeisters: FerdinandFehling, Aus tige daß einseitiggerichteteOrgani- meinem Leben, Lübeck/Berlin/Leip- sationen die Arbeitersekretariate unterhalten, Organisationen, zig 1929, S. 185ff. die unter Umständen in schwerster Kampfstellung sich befin- 75 Vgl. Die Wohlfahrtseinrichtungen den"16,verbot, nach Links Meinung, das Engage- Lübecks. Ein Auskunftsbuch. Hrsg. finanzielle vom Wohlfahrtsamt. Lübeck 1919. ment der gegenüber Klasseninteressen zur Neutralität ver- 76 Link,Die gemeinnützige Rechtsaus pflichteten öffentlichenHand. Statt also die Mittel zubewilli- kunft,S.B3. 77 gen, wäre die Gemeindegut beraten,stelltesieeinen Arbeiter- 1909, alsdie privatrechtlichverfaßte 77 Rechtsauskunftsstelle ohne Staatszu- sekretär bei der RechtsauskunftsstellealsStaatsbeamtenein. schüsse nicht mehr arbeitsfähig war, Deren Leiter, ein zum Richteramt befähigter Jurist, könne lehnten Senat undBürgerschaft einen dann die das private und das öffentlicheRecht betreffenden Antrag auf Übernahme durch die 151 Hansestadt ab. Die Parallele zum jet- zigen Vorschlag Links: Damals wurde eralsLeiterderStelle zum Oberbeam- tenbeimStadt-undLandamternannt. Möglicherweisegab er jetzt die Anre- gungin bezug auf den Arbeitersekre- tär, weiler um ihre integrative Wir- kung, die er für wünschenswert hielt, wußte. DochmindestensdieselbeRol- le dürfte für Link das Bemühen um Zusammenfassung aller Kräfte auf dem Gebiet der Fürsorge gespielt ha- ben. 78 Link an Mehrlein vom 17. 3. 1919 (NSAVIII46/15). 79 Sogeschah esauchinHamburg. Das dortige Arbeitersekretariatschlugdie Verschmelzung mit der 1922 entstan- denen ÖRA vor, da es durch deren Gründung keinen Anlaß mehr für sei- ne Existenzsah;vgl. ArthurSchroers/ Ernst Weiß u.a.,50 Jahre Öffentliche Rechtsauskunfts- und Vergleichsstelle Hamburg, Hamburg 1973. Hieraus: Arthur Schroers,Entwicklungsphasen derRechtsfürsorge inHamburg,S.25.

Anzeige des Arbeitersekretariats:hier sollten sich z.B. streikende Arbeiter oderausgebeuteteDienstmädchenüber ihre rechtlichen Möglichkeiten infor- mieren können(aus: Lübecker Volks- bote, 1. 4. 1919). Fragen, der Arbeitersekretär dagegen Probleme im Zusam- menhang mit der Arbeits- undSozialgesetzgebungbearbeiten. Das Gewerkschaftskartell konnte gelassen in die Verhand- lungengehen, denndasArbeitersekretariat genoß immer noch eine weit größere Popularität als die Rechtsauskunftsstelle, zumal sich diese im Wohlfahrtsamt befand,das vomPublikum erst einmal angenommen werdenmußte. Zwar gab es innerge- werkschaftlicheKräfte,die für ein selbständiges Fortbestehen des Arbeitersekretariats eintraten, doch setzte sich auch hier der Integrationskurs der inLübeck nach demNovember 1918 dominierenden Mehrheitssozialdemokratie durch. Die erste Anregung zur Zusammenlegung soll sogar, schenkt man der DarstellungLinks Glauben, von den Gewerkschaften ausge- gangen sein79,und zwar während einer Sitzungim Wohlfahrts- amt imMärz 1919.Jedenfalls vereinbartenLink undMehrlein ineiner Aussprache: „Das Arbeitersekretariat wird zu einem noch zu bestimmen- denZeitpunkt aufgelöst. DieAufgaben desArbeitersekretariats 152 werden von der Öffentlichen Rechtsauskunftsstelle übernom- men. Die Rechtsauskunftsstelle, die zur Zeit noch Einrichtung des Vereinsist," ist vom Wohlfahrtsamt alsstaatlicheEinrichtung fortzuführen. m Wegen des zuerwartenden Tätigkeitsurnfangs solltenbeide Arbeitersekretäre, also zu diesem Zeitpunkt Mehrlein und Hoff, übernommen werden. Sie würden gemeinsam mit zwei Volljuristen den Geschäftsbetrieb zu bewältigen haben. Es herrschte „volle Übereinstimmung", „daß jedepolitischeBetäti- gungim Rahmen derRechtsauskunftsstelle ausgeschlossen ist; insbesondere auch Fragen danach, ob und wie die Auskunft- suchendenorganisiert sind, unterblieben."81 Eventuellerforderliche Neubesetzungen der Positionen der Arbeitersekretäre seienimEinvernehmen vonGewerkschafts- kartell und Wohlfahrtsamt vorzunehmen. Unmittelbar nach dem Bekanntwerden dieser Verständi- gung legten die Arbeitgeberverbände und die Gewerbekam- mer Protest ein: Wenn es sich bei der Öffentlichen Rechtsaus- kunftsstelle fortanumeine Kommunaleinrichtunghandle, hät- ten sie ein Recht auf Mitentscheidung.82 Daraufhin kamen Link und der am 2. April zum Senator avancierte Mehrlein83 überein, vor Neubesetzungen die Meinungen von Gewerk- schaftskartell und Gewerbekammer einzuholen.84 Am 3. Mai beantragte Bürgermeister Neumann als Vorsitzender des Wohlfahrtsamtes offiziell die „Übernahme" der Rechtsaus- kunftsstelle durch den Staat, nachdem eine „Übernahme" des Arbeitersekretariats durch die Rechtsauskunftsstelle voraus- gegangen sei. ImMai erklärtedas Gewerkschaftskartell, daß eine Mitent- m Link an Mehrlein vom 17. 3. 1919 scheidungder Arbeitgeber beider Auswahlder Arbeitersekre- (NSAV1146/15). Frage komme; Meinungsäuße- 81 BeideZitateebd. täre selbstverständlich nicht in 82 So die rückblickende Darstellung rungen würden aber entgegenkommen. Als Neumann, im Neumanns; Wohlfartsamt an Senat Sinne der Arbeitgeberverlautbarung vom März, gegen diese vom 30. 5. 1919 (NSAVIII46/15). von der Gewerkschaft vertretene Auffassung auftrat und sich 83 Vgl. Rats-Eidebuch 1671-1933 87 (NSAIII2a/lb). , 84 dieFinanzbehördeaufdenselbenStandpunkt stellte verhär- WohlfahrtsamtanSenat vom30. 5 tetensichdieFronten.DerSenat,dersichebenfallsdie Ansicht 1919 (NSAVIII46/15). 85 Neumanns zueigen gemacht hatte, verwies die Angelegenheit Wohlfahrtsamt an Senat- vom 3. 5. 88 1919 (NSAVIII46/15). In der zwei- an den Bürgerausschuß , der seinerseits eine fünfköpfige „Über- 89 ten Verwendung des Wortes Kommission zur Prüfung einsetzte. nahme" drückte sich eine gewisse, Offensichtlich verspürte niemanddas Verlangen, sichindie- auch bei anderen Gelegenheiten zu ser beobachtende Überheblichkeit der festgefahrenen Lage zu äußern, jeder hielt dies wohl auch bürgerlichen Politiker gegenüber dem für aussichtslos. Den Vorwand, das gesamte Problem auch Arbeitersekretariat aus. Außerdem formal kaltzustellen, lieferte, vielleicht ungewollt, ein Antrag sprachNeumann hierdavon,daß „bei- Neumanns aufEinrichtung einer weiteren deStellen"sicheinesregen Zuspruchs Oberbeamtenstelle erfreuen würden, ohne aufdenUnter- beim Wohlfahrtsamt; als Begründung war eine Überlastung schied in derPopularität einzugehen. 90 desmultifunktional eingesetzten Link genannt. Die Finanz- 86 Wohlfahrtsamt an Senat vom 30. 5. 1919 (NSAVIII46/15). behörderiet angesichts derHaushaltslage vonderRealisierung 87 Finanzbehördean Senat vom 16. 6 dieses Vorschlags ab;derSenat folgteihr,wobei er bestimmte, 1919 (NSAVIII46/15). daß zuerst diese Frage entschieden werden müsse, bevor die 88 Senatsprotokollvom 2. 7. 1919 Fusion von Arbeitersekretariat und Öffentlicher Rechtsaus- 89 ProtokollBürgerausschuß vom 13 8. 1919. kunftsstelle weiterbetriebenwerden könne.ImMomentsei die 90 Neumann an Senat vom16.9. 1919 91 Sache daher „nichtspruchreif' . (NSAV11146/15). Erst imSommerdesfolgenden Jahres,alsdas Arbeitersekre- 91 Senatsprotokollvom29. 11. 1919. 153 tariat erneut einen Staatszuschuß beantragte, wagte man sich wieder an das Thema heran. Wohlfahrtsamt und Gewerk- schaftskartell gaben sich nun mit nur einem Volljuristen und einem Arbeitersekretär zufrieden, was, darin war man sich 92 Wohlfahrtsamt (Link) an Gewerk- einig, den Anforderungen im Grunde nicht gerecht werde. schaftskartell vom 4. 8. 1920 (NSA- könne, Link, VIII46/15). - „Lübecker Allerdings so hoffte ein AusbaudesEinigungswe- Auch der 92 Volksbote" fand das Erreichte „kei- sens die Rechtsauskunftsstelle entlasten. Damit entfiel die neswegsbesonders befriedigend" (20. auf dieFinanzen abstellende Begründung, die im Vorjahr für 10. 1920,S.3),undzwarausdensclben ein Endeder Debatte gesorgthatte. Jetzt schien sich auch der Gründen wie Link, nicht etwa, weil 93 mansich umden Fortbestand des Ar- Stadtkämmerer gewogen gezeigt zu haben ,erteilte aber im- beitersekretariats sorgte. mer noch nicht seine Zustimmung. Der Senat erklärte sich 93Allerdings liegt hierfür keinentspre- dann auchimPrinzip mit Verschmelzung und Verstaatlichung chendes Dokument vor. 94 Senatsprotokoll vom 9. 10. 1920. einverstanden, errichtete aber ein neues Hindernis: Die 95 Wohlfahrtsamt anSenat vom13. 10. Rechtsauskunftsstelle, bislangfür Benutzerunentgeltlich tätig, 1920(NSAVIII46/15). Die Akten las- sollte Gebühren erheben.94 Link wollte sich nicht ohne wei- sen auch die folgende Auslegung zu: Link wollteein erneutesScheitern des teresvon einem derGrundsätzeder vonihm aufgebauten Stelle Projektes unbedingt vermeiden, weil verabschieden,stand aberauch unter dem Eindruckder Haus- esihm bekanntlichumdie Zusammen- haltslage. Seinenur vier Tage später vorliegende Antwort war fassung aller Initiativen auf dem Ge- bietderWohlfahrtspflege ging. Dabei, von taktischem Kalkül geprägt. Weil er die Ansicht des Ge- so könnteer gedacht haben, habe das werkschaftskartells zu dieser Frage ahnte, sie aber eigentlich Wohlfahrtsamt die Federführung zu vor der Eingliederung des Arbeitersekretariats in die Rechts- übernehmen, denn bei privaten und gewerkschaftlichenStellenseidie Ge- auskunftsstelle und der Übernahme der neuen Institution fahr einer Kräftezersplitterung nie durchden Staat erörtertwerdenmüsse, riet er zum Schweigen ganz zu bannen. und regte an, den Verwaltungsakt erst einmal zu vollziehen; 96 Senatsprotokoll vom27. 10. 1920. 95 97 danach würden sich die Dinge schonregeln lassen. Vgl. unten. Nachfolger von Mehr- lein und Hoff als Arbeitersekretäre So geschah es. Die abschließende Senatsentscheidung fiel wurden der Lübecker Alfred Dreger am 27. Oktober, die Verstaatlichung wurde rückwirkend zum und Josef Gogowski aus Posen. Go- 1. des Monats erklärt.96 Einer der beiden Arbeitersekretäre, gowski war einer der engsten Genos- senRosa Luxemburgsin derFrageder JosefGogowski,zogmit einerSchreibkraft zum 1.Januar 1921 97 sozialdemokratischen Polenpolitik vor ins Wohlfahrtsamt um. demKrieg; vgl.Peter Nettl,Rosa Lu- Als die Frage der Gebührenerhebung offen diskutiert xemburg, Köln/Berlin 1965, S. 176f. undS.184.-InLübeck war Gogowski wurde, hätten sich die Gewerkschaften im Grunde getäuscht 98 erster Vorsitzender des zur Jahres- fühlen müssen, doch die Reaktion viel verhalten aus. Go- wende 1919/20 gegründeten Mieter- gowski schrieb, die „Einrichtung des Arbeitersekretariats ging schutzvereins; vgl. „Lübecker Volks- aus, bote" vom19. 12. 1919, S. 3 sowie ei- vondem Grundsatze die Unentgeltlichkeit derRechtspflege nenRückblick aufdas ersteGeschäfts- zufördern"... „Es würde begrüßt werden, wenndieAuskunfts-"" jahr im „Lübecker Volksboten" vom erteilung nach wie vorunentgeltlich erfolgen könnte. 30. 11. 1920, S.3. 98 Der unerwartetgeringe Anstiegbei Er sei allenfalls mit der Erstattungspflicht für Briefporto den Besucherzahlen der ÖRA (vgl. sowie mit der Erhebung von30PfennigproSchriftstück einver- Tabelle IV)deutet auf einen Boykott standen.100 der ÖRA durcheinenTeil der Arbei- verrauchte rasch. Einen vor dem der terschaft, jedenfalls der Besucher der Der Ärger Tag Beginn Vorjahre,hin.Vgl. unten. gemeinsamen Tätigkeit bat der „Lübecker Volksbote" seine 99 Gogowski an Wohlfahrtsamt vom Leser, dem Arbeitersekretariat auch unter dem Dach des 27. 11. 1920 (NSAVIII46/15). Vertrauenzubeweisen. Er gab sich „der 100 Dieses quasi-unentgcltliche Ver- Wohlfahrtsamtes das fahren konnte während der folgenden Hoffnung hin, daß diesem kleinen Schritt zur Verstaatlichung 10 Jahre beibehalten werden, wasan- der Rechtspflege bald weitere auf diesem Gebiete folgen mö- gesichts dermitunterdramatischenFi- gen." xm.ParteiundGewerkschaft waren offenkundig mit dem nanzmisere derHansestadt Beachtung bereit, verdient. Erstmit dem Gesetz vom14. Erreichtenzufriedenundschienenauch alteRivalitäten 5. 1930 wurdenGebühren eingeführt; mit der Rechtsauskunftsstelle zu vergessen. Zwar waren jetzt Gesetz- und Verordnungsblatt der für schriftliche Arbeiten tatsächlich (geringe) Gebühren zu freien und Hansestadt Lübeck 1930, 5.64. entrichten, dafür hatte man aber einen Teilerfolg im Rahmen 101 „Lübecker Volksbote" vom31. 12. eines politisch hochbewerteten Kampfes erzielt. 1920,S.3. Die damals von den Befürwortern der Vereinigung erwar- 154 Tete Addition der Besucherzahlenbeider Stellenaus dem letz- ten Jahrder Selbständigkeit blieb aus. Nachdem Ergebnis für 1918hättenes nunetwa 19500seinmüssen. Alle Resultateder folgenden Jahre entsprachen nicht den Erwartungen, das Pu- blikum reagierte teilszurückhaltend, teils gereizt aufdas neue Konstrukt. Für das Ausbleiben des Anstiegs im erhofften Umfang könntenfolgende Faktoren verantwortlich sein: a) Die Erweiterung der Kompetenzen des Einigungsamtes ging zu Lasten der Rechtsauskunftsstelle (allerdings war dies von Link jagewünscht worden). b) Zahlreiche ehemalige Klienten des Arbeitersekretariats lehnten den Einzug Gogowskis ins Wohlfahrtsamt ab, wa- rengleichzeitig vonderErhebung vonGebühren, besonders aber von der Art und Weise, wie es zur Fusion gekommen war,verstimmt undboykottierten dieRechtsauskunftsstelle im Wohlfahrtsamt. c) Mit dem Neujahrstag 1921 ging nicht die gesamte Vielfalt der Tätigkeit des Arbeitersekretariats in der Rechtsaus- kunftsstelleauf,sondernnurdie AuskunftsbereicheBürger- liches Recht, Zivilrecht, Strafrecht und Sozialversiche- rungsrecht. „In den Räumen des Sekretariats verbleibt das Gewerk- schaftssekretariat, das vom Genossen Dreger geleitet wird, der über Arbeiterrechtsfragen, Betriebsrätegesetz und son- stigedieArbeiterbewegungbetreffendeAngelegenheiten Auf- schluß gibt."m Jedenfalls verfügte die Öffentliche Rechtsauskunftsstelle von nun an über zwei Leiter (und mehrere sich abwechselnde Stellvertreter), wobei der von Link eingestellte Jurist Müller allerdings als der für Verhandlungen mit städtischen Stellen einflußreichere galt. Der Volljurist (Müller) bearbeitete Fragen aus folgenden Gebieten: Bürgerliches Recht, Handels- und Wechselrecht, Strafrecht, Zivil- und StrafProzeßrecht, Staatsangehörigkeitsrecht. Der Nichtjurist (Gogowski) war für die übrigen Bereiche zuständig: Angestelltenversicherungsrecht, Armenrecht, Gewerbeordnung, Reichsversicherungsordnung, Privatversicherungsrecht, Militär-, Schul-und Steuerrecht.104 " "l2Vgl.Tabelle IV. I3„Lübecker Volksbote" vom31. 12. 1920, S. 3. Leider ist weder über Inan- spruchnahme noch Dauer dieser ge- werkschaftlichen Beratung etwas be- ""kannt. Vcrwaltungsbcricht der freien und Hansestadt Lübeck 1920, S. 390. 155 4.Zusammenfassen- Am Endedes 19. Jahrhunderts war noch unentschieden,wel- deSchlußbemerkung che der innerhalb der Arbeiterbewegung wahrnehmbaren Strömungensich durchsetzen würde und ob die vom Bürger- tumgetragenen Organisationen denMitglieder-und Stimmen- zuwachs beiGewerkschaften und SPD würden aufhaltenkön- nen. InLübeck forderteSenatorKlügmann alseiner derersten hochgestellten Politiker den Ausbau sozialer Leistungen, um denZulauf zur Arbeiterbewegung zu bremsen. Während hier von Seiten des Staates zunächst wenig ge- schah,spitztesich diesozialeLage für eine erhebliche Zahl von Lübeckern zu und sorgte so für ein weiteres Erstarken der Arbeiterbewegung.EinesihrerwichtigstenOrgane,dasArbei- tersekretariat, wollte seine Klientel helfend belehren, was durchausdemZeitgeist entsprach (der „erhobeneZeigefinger" galt noch nicht als verpönt).Die Jahresberichte beteuerten, daß im Arbeitersekretariat keine politische Agitation statt- finde. In gewisser Hinsicht traf dies zu. Platte Empfehlungen für diekommende Wahloder zumBeitritt ineine Organisation dürften schon alleinausdemGrundunterblieben sein,um dem ideologischen Gegner keine Handhabe für Eingriffe admini- strativer Art zuzuspielen. Doch die auch von Hermann Link kritisierte „einseitige Beeinflussung" lag bereits in der Natur der Sache. Wenn streikende Arbeiter oder ausgebeutete Dienstmädchenüber ihreRechteaufgeklärt wurden,trug dies, erstens,notwendigerweise klassenkämpferische Züge, führte, zweitens, der Arbeiterbewegung neue Sympathien zu bzw. festigte das Bewußtsein der bereits Aktiven und mußte, drit- tens, eineReaktiondesBürgertums hervorrufen. So war dann auch die Rechtsauskunftsstelle anfangs unverhohlen als Kampfinstrument gedacht. Auch hier ist schwer vorstellbar, daß die zum Arbeitersekretariat bestehende Konkurrenzsitua- tion während der Beratungsgespräche konsequent ausgeblen- det wordenist. Langfristig gesehen befand sich das Arbeitersekretariat ge- genüber der modernen Kommunalwohlfahrtspflege, mit der Rechtsauskunftsstelle als Keimzelle, im Werben um das Ver- trauen der Minderbemittelten auf verlorenem Posten, auch wenn ein Vergleich der Besucherzahlen das Gegenteil auszu- weisen scheint. Das Arbeitersekretariat hätte vielleicht nur dannselbständigbleibenkönnen,wennes eineunmißverständ- lichradikale Ausrichtung angenommenundseineBesucherauf einen kompromißlosen Kampf gegen den bürgerlichen Staat eingeschworen hätte. Gerade im vergleichsweise wenigprole- tarisch geprägtenLübeck wäre ein solches Vorgehen mit er- heblichen politischen Risiken verbunden gewesen. Daher setzte maninderJohannisstraße aufeinpragmatisches Arran- gement mit dem Klassengegner. „Unvereinbarmit dem Geiste der Rechts- und Wohlfahrtspflege" (Link 1914) war das Arbei- tersekretariat sicherlich nie,und Hermann Link schwächtein den Kriegsjahren, als sich Arbeitervertreter gerade innerhalb der Kriegsfürsorge engagierten, sein Urteil deutlich ab. Im- merhin blieb er bei seiner Auffassung, wonacheinNebenein- ander von Arbeitersekretariat und Öffentlicher Rechtsaus- 156 kunftsstelle eine angesichts der aktuellen Sozialprobleme un- vertretbare Kräftezersplitterung darstelle. SeineÜberzeugung erlaubte ihm, beidenFusionsverhandlungen taktierendvorzu- gehen. Teile der Arbeiterbewegung erblickten hierin einen unstatthaftenWinkelzug, meinten,dieFührung habe ohneNot auf das bewährte eigene Arbeitersekretariat verzichtet und äußerten ihr Mißfallen auf verschiedene Weise. Ob man, wasdas Aufgehen desArbeitersekretariatsimstäd- tischen Wohlfahrtsamt anbetrifft, von einem Sieg desBürger- tums und von einer Niederlage der Arbeiterbewegung spre- chenkann,war damals umstrittenundscheint heutefraglichzu sein. Die Mehrheit in Sozialdemokratie und Gewerkschaften gab sichmit einemZwischenerfolg, derTeilhabe an derMacht über den Staatsapparat, zufrieden.Darüber hinauswußte man inder Johannisstraße, daß eine Zusammenarbeit mitder staat- lichenFürsorge wohlam ehestenkonkreteVerbesserungen für die Minderbemittelten bringen würde. Daher gab man die Selbständigkeit des Arbeitersekretariats auf, behielt allerdings noch einen organisatorischen Restbe- standimGewerkschaftshaus.Möglicherweisegeschahdies, um bei einem Teil der Klientel, die vielfach die herkömmliche diskriminierende Armenfürsorge mit der neuen Kommunal- wohlfahrtspflege gleichsetzte, gegenüber dem Wohlfahrtsamt bestehende Schwellenangst abzubauen; außerdem sollte wohl wenigstensein vertrautesElement erhalten bleiben. Wie lange dieBeratungstätigkeit inder Johannisstraße fort- dauerte,läßt sichheutenicht mehr feststellen.InderMitteder zwanziger Jahre, nach schweren wirtschaftlichenundsozialen Erschütterungen, wurde 1924die Lübecker Organisation der Arbeiterwohlfahrt unter der Leitung des Sozialdemokraten Hermann Wolfradt gegründet. 1925/26 erfolgte mit der Schaf- fung derBehördefür Arbeit und Wohlfahrt einerneuter Ver- einheitlichungsschub auf dem Gebiet der öffentlichen Für- sorge. Ob das Arbeitersekretariats-Fragment in der Johannis- straße, wenn es überhaupt noch bestand, auch nach diesen Veränderungen weiterexistierte, ist ungewiß, allerdings sehr unwahrscheinlich,fehlt dochim „Lübecker Volksboten" jeder Hinweis auf eine solche Stelle. Das Arbeitersekretariat wirktebeider Popularisierung von Sozialdemokratieund Gewerkschaften mit underreichte auch Bevölkerungsgruppen,die eigentlich nichtsmit der organisier- ten Arbeiterschaft im Sinnhatten. Außerdem bildete es wäh- rend der wichtigen Vorkriegsjahre, der Konsolidierungsphase der Lübecker Arbeiterbewegung, eine notwendige Instanz or- ganisatorischer Konzentration und Effektivität. Daß viele spätere Arbeiterführer in der einen oder anderen Weise mit dem Arbeitersekretariatzutunhatten, weist aufdessenBedeu- tunghin. Die Entwicklung von Arbeitersekretariat und Öffentlicher Rechtsauskunftsstelle spiegelt ein TeilderPolitik desBürger- tums und der Arbeiterbewegung wider. Die Frage, welche Gruppe dasKräftemessen für sichentschied, kannauchausder heutigen Distanzherausnicht eindeutig beantwortet werden. 157 Daß das Arbeitersekretariat seineSelbständigkeit verlor, war Teilergebnis einer von Sozialdemokratie und Gewerkschafts- bewegung gegenüber dem politischenEstablishment vertrete- nen Kompromißstrategie und muß, betrachtet man dieinner- halb der Lübecker SPD bestehenden Machtverhältnisse, als zwangsläufig undbeabsichtigt bezeichnet werden. Zwar gehörteTheodorSchwartzimReichstagder„Sozialde- mokratischen Arbeitsgemeinschaft" und später der USPD- Fraktion an105,wohlzielte seine Kritik an der Politik der SPD auf weit mehr alsdieBefürwortung der Kriegskredite.106 Doch legte Schwartz inseinem Wahlkreis allergrößten Wert auf die 105 Vgl. Susanne Miller, Burgfrieden organisatorischeEinheit derPartei undtrat selbstnicht ausder und Klassenkampf. Die deutsche So- - zialdemokratieim Ersten Weltkrieg. Lübecker SPD aus eine Haltung, mit der er innerhalb der Düsseldorf 1974, S. 124ff. und Gruppe derabweichenden Reichstagsmitglieder eine „Sonder- S. 171f. sowie Erich Matthias/Eber- stellung"" zum Kriegsende in hard Pikart(Bearb), Die Reichstags- einnahm. Bis bestand Lübeck fraktion der deutschen Sozialdemo- kein Orts- bzw. Regionalverband der USPD, neben Theodor kratie 1898 bis 1918,Erster Teil, Düs- Schwartz sollen nur wenige Mitglieder mit der Abspaltung seldorf 1966, S.CLXXXVIIIf. und sympathisiert haben.108 Die Mehrheitssozialdemokraten ver- Eugen Prager, Geschichte der Schritte, U.S.P.D., Berlin/Bonn 1978 (Nach- zichteten auf disziplinarische Schwartz blieb Ge- druck der Ausgabe- von 1921), 5.86 schäftsführer derParteizeitung, die dennochstets für die Argu- und S. 96. Das von Max Schwarz mente der MSPD warb. Radikaloppositionelle Kräfte schlös- hrsg. Biographische Handbuch der 109 deutschen Reichstage, Hannover sen sich kaum in der USPD, die im April 1921 einging , 1965, S.245 ordnetTheodor Schwartz sondern eher inder KPD zusammen. in der betreffenden Legislaturperiode Stellungnahmender von der Mehrheitssozialdemokratieab- der „SPD/USPD" zu. 106 weichendenLinkenzumArbeitersekretariatsindnicht überlie- So wollte Schwartz, folgt man der Wiedergabe seiner Rede durch den fert. Sie befürworteten wohlkaum dessen Aufgehen im Wohl- „Lübecker Volksboten",„die fast ein fahrtsamt. Wahrscheinlich besaßen sie einfach kein Sprach- halbes Jahrhundert hindurch propa- rohr, das ihren an die getragen hätte, giertenParteigrundsätze nichtso ohne Protest Öffentlichkeit weiteresbeiseite schieben undsich für denn eine reine Reformpartei begeistern" - die Arbeiter- und Soldatenräte waren frühzeitig mehrheits- („Lübecker Volksbote" vom 7. 3. sozialdemokratischdominiert110; 1916, 5.3). 107 Miller,Burgfrieden, S.171. der SPD-Bürgerschaftsfraktion gehörten, abgesehen von 108 Ein geheimer Polizeibericht vom Theodor Schwartz, Mehrheitssozialdemokraten an; 18. 9. 1918an denSenatnennt dieZahl dieKPD war erstab November 1921,alsolange nachdemdie 25 (NSAIVIB,5/1). Ob damit der Einfluß Schwartz' auf die Lübecker Zukunft des Arbeitersekretariats entschieden war, im Rat- 111 Partei, wie die Polizeischrieb, „sehr haus vertreten ; gemindert" wurde, erscheint fraglich. der „Lübecker Volksbote" scheint über die USPD nur so Zwar zog nicht Theodor Schwartz, haben, sondernJohannes Stelling in die Na- wenig wie unbedingt erforderlich berichtet zu und tionalversammlung und später in den wenn er es tat, dann stets mit unverhüllter Ablehnung der Reichstag ein, doch gehörte Schwartz neuen Partei"2. auch nach der Novemberrevolution Daß es überhaupt Kräfte gegeben haben muß, die für ein der Bürgerschaft an, und zwar bis zu seinem Tod als Achtzigjähriger im selbständiges FortbestehendesÄrbeitersekretariats beivollem April 1922. gegen 109 Geschäftsurnfangund eine Zusammenarbeit mit derbür- „Lübecker Volksbote" vom 27. 4. gerlichen Rechtsauskunftsstelle argumentierten, läßt sich nur 1921, 5.3. 1,0 Sie gründeten schon im Dezember indirekt erschließen, beispielsweise aus dem Umstand, daß 1918 die „Republikanische Soldaten- auch nachdem Neujahrstag1921 im Gewerkschaftshaus Aus- wehr",diesowohl gegen„Putschevon künfte erteilt wurdensowie aus der daß bei der Anhängerndes altenRegimes alsauch Beobachtung, solche vonspartakistisch-bolschewisti- Öffentlichen Rechtsauskunftsstelle ein Anstieg der Besucher- schen Wirrköpfen"(„Lübecker Volks- zahlenim erwarteten Umfang ausblieb. bote"vom18. 12. 1918, S. 3) vorging. 111 Osterroth, Chronik,5.40. 112 Vgl. z.B. „Lübecker Volksbote" vom4. 12. 1918, S. 2,vom 9. 12. 1918, S.3 und vom11. 12. 1918, S.3.

158 Tabelle I:Die sozialdemokratischen Stimmenanteile bei den Reichstagswahlen 1871-1919 inLübeck

Jahr Stimmen absolut in % 1871 543 22,0 1874 2230 32,4 1877 2514 31,9 1878 1588 20,2 1880 1324 15,5 1881 877 11,5 1884 2432 22,5 1887 4254 33,4 1890 6394 45,4 1893 7389 48,4 1898 9729 55,3 1903 11155 55,1 1907 11575 50,6 1912 13353 52,4 1919** 40246 58,9 (Wahl zur Nationalversammlung)

TabelleII:MigliederzahlenderimGewerkschaftskartellzusam- mengeschlossenen Verbände1893-1916 893 : 1820 1905 : 7441 894 : 1911 1906 : 8691 895 : 1911 1907 : 10099 895 : 2034 1908 : 9956 896 : 2831 1909 : 10796 897 : 2334 1910 : 11916 898 : 3907 1911 : 12853 899 : 5314 1912 : 13842 900 : 6514 1913 : 14354 901 : 6158 1914 : 11520 902 : 6254 1915 : 10365 903 : 7022 1916 : 7925 004 " 7107

Tabelle III: Mitgliederzahlen der Lübecker Sozialdemokratie 1894-1919(Anm. 44). pnl 1894 : 500 1909 : 1899 : 1200 1910 : 3720 1900 : 1362 1911 : 4708 1901 : 1376 1912 : 5446 1902 : 1415 1913 : 5801 1903 : 1755 1914 : 8034 1904 : 1914 1915 : 7360 1905 : 1858 1916 : 6850 1906 : 2175 1917 : 5796 1907 : 3203 1918 : 6421 1908 : 3282 1919 : 9521 159 TabelleIV:BesucherzahlenvonArbeitersekretariatundRechts- auskunftsstelle 1901-1926 (Anm. 61). Arbeittersekretanat Rechtsauskunfts- stelle(absolut) absolut davonin Gewerkschaft und/oder Sozial- demokratie organisiert (in %) 901 4545 61,50 902 6052 58,35 904 7019 53,16 905 7058 51,77 3727 (8 Monate) 906 8846 50,36 6110 907 8766 53,43 6193 908 9586 51,39 7151 909 11041 54,88 910 14358 50,54 911 16122 52,06 6905 912 14937 50,67 7238 913 16617 51,25 6493 914 16080 46,71 6545 915 17392 26,04 5287 916 16780 84,75 5008 917 16672 38,11 4476 918 15530 4590 919 4931 920 4862 921 922 8432 923 9621 924 9096 925 10498 926 10133

160