Textrahmenoptionen: 16 mm Abstand oben Plenarprotokoll 18/159

Deutscher

Stenografischer Bericht

159. Sitzung

Berlin, Freitag, den 26. Februar 2016

Inhalt:

Zur Geschäftsordnung licher Bildung und Studium schlie- ßen Michael Grosse-Brömer (CDU/CSU)...... 15665 B – zu dem Antrag der Abgeordneten Beate Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/ Walter-Rosenheimer, , DIE GRÜNEN)...... 15666 A Özcan Mutlu, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Bildungszeit PLUS – Wei- Zusatztagesordnungspunkt 4: terbildung für alle ermöglichen, le- Wahl der vom Deutschen Bundestag zu be- benslanges Lernen fördern nennenden Mitglieder des Kuratoriums des Drucksachen 18/7234, 18/7239, 18/7676. . . . 15667 D Deutschen Instituts für Menschenrechte gemäß § 6 Absatz 2 Nummer 4 und 5 des Dr . (CDU/CSU)...... 15668 A Gesetzes über die Rechtsstellung und Auf- Dr . (DIE LINKE)...... 15669 A gaben des Deutschen Instituts für Men- schenrechte – DIMRG (SPD)...... 15671 A Drucksache 18/7703...... 15667 C Beate Walter-Rosenheimer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)...... 15672 B Tagesordnungspunkt 19: Dr . Johanna Wanka, Bundesministerin BMBF...... 15674 C a) – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Ent- (Peine) (SPD) ...... 15676 C wurfs eines Dritten Gesetzes zur Än- Lena Strothmann (CDU/CSU)...... 15677 D derung des Aufstiegsfortbildungsför- derungsgesetzes Dr . (SPD) ...... 15679 A Drucksachen 18/7055, 18/7676. . . . . 15667 C Dr. (CDU/CSU) ...... 15680 C – Bericht des Haushaltsausschusses ge- mäß § 96 der Geschäftsordnung Drucksache 18/7677 ...... 15667 C Tagesordnungspunkt 20: b) Beschlussempfehlung und Bericht des Antrag der Abgeordneten , Ausschusses für Bildung, Forschung , Sigrid Hupach, weiterer Abge- und Technikfolgenabschätzung ordneter und der Fraktion DIE LINKE: Finan- zierung der Wissenschaft auf eine arbeitsfä- – zu dem Antrag der Abgeordneten hige Basis stellen – Bildung und Forschung Dr . Rosemarie Hein, Sigrid Hupach, in förderbedürftigen Regionen solide aus- Matthias W . Birkwald, weiterer Abge- statten ordneter und der Fraktion DIE LINKE: Drucksache 18/7643...... 15682 A Durchlässigkeit in der Bildung si- chern, Förderlücken zwischen beruf- (DIE LINKE) ...... 15682 A II Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 159 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 26 . Februar 2016

Dr . Stefan Kaufmann (CDU/CSU)...... 15683 C (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN). . . . 15717 D Kai Gehring (BÜNDNIS 90/ Margaret Horb (CDU/CSU)...... 15719 A DIE GRÜNEN)...... 15685 D (Heidelberg) (SPD)...... 15720 B Dr . Ernst Dieter Rossmann (SPD) ...... 15687 A Alexandra Dinges-Dierig (CDU/CSU). . . . . 15688 D Tagesordnungspunkt 23: Ralph Lenkert (DIE LINKE) ...... 15690 C Erste Beratung des von den Abgeordneten Alexandra Dinges-Dierig (CDU/CSU). . . . . 15691 A Dr . , , Peter Roland Claus (DIE LINKE)...... 15691 B Meiwald, weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN einge- Dr . Simone Raatz (SPD)...... 15692 C brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ände- rung des Bundesberggesetzes zur Untersa- Katja Dörner (BÜNDNIS 90/ gung der Fracking-Technik DIE GRÜNEN)...... 15694 A Drucksache 18/7551...... 15721 B (CDU/CSU)...... 15695 A Dr . Julia Verlinden (BÜNDNIS 90/ Elfi Scho-Antwerpes (SPD) ...... 15697 A DIE GRÜNEN)...... 15721 C (CDU/CSU)...... 15698 A Dr . (CDU/CSU)...... 15722 D Martin Rabanus (SPD)...... 15699 D (DIE LINKE) ...... 15725 A (SPD)...... 15726 A Tagesordnungspunkt 21: Karsten Möring (CDU/CSU) ...... 15727 A Unterrichtung durch die Bundesregierung: (SPD)...... 15729 B Kombinierter siebter und achter Bericht (SPD)...... 15730 B der Bundesrepublik Deutschland zum Übereinkommen der Vereinten Nationen zur Beseitigung jeder Form von Diskrimi- nierung der Frau (CEDAW) Tagesordnungspunkt 24: Drucksache 18/5100...... 15701 A Erste Beratung des von der Bundesregierung Elke Ferner, Parl . Staatssekretärin eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur BMFSFJ ...... 15701 B Digitalisierung der Energiewende Drucksache 18/7555...... 15731 B Cornelia Möhring (DIE LINKE) ...... 15702 C Iris Gleicke, Parl . Staatssekretärin BMWi. . . . 15731 B Ursula Groden-Kranich (CDU/CSU)...... 15704 B Ralph Lenkert (DIE LINKE) ...... 15732 A (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)...... 15706 B (CDU/CSU)...... 15733 A Dr . Carola Reimann (SPD)...... 15707 B (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)...... 15734 C Christina Schwarzer (CDU/CSU)...... 15708 B Ralph Lenkert (DIE LINKE) ...... 15735 A Katja Dörner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)...... 15710 A (SPD) ...... 15736 A Sönke Rix (SPD)...... 15711 A Hansjörg Durz (CDU/CSU)...... 15736 D Dr . (CDU/CSU)...... 15712 B Johann Saathoff (SPD)...... 15738 B

Nächste Sitzung ...... 15739 C Tagesordnungspunkt 22: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Anlage 1 Modernisierung des Besteuerungsverfah- Liste der entschuldigten Abgeordneten. . . . . 15741 A rens Drucksache 18/7457...... 15714 A Dr . , Parl . Staatssekretär Anlage 2 BMF ...... 15714 B Neudruck: Erklärung nach § 31 GO der Ab- geordneten Petra Rode-Bosse (SPD) zu der Richard Pitterle (DIE LINKE)...... 15715 D namentlichen Abstimmung über den von den (SPD)...... 15716 C Fraktionen der CDU/CSU und SPD einge- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 159 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 26 . Februar 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 159 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 26 . Februar 2016 III

brachten Entwurf eines Gesetzes zur Einfüh- Anlage 3 rung beschleunigter Asylverfahren (158 . Sit- zung, Tagesordnungspunkt 3 a, Anlage 7) . . . . 15742 A Amtliche Mitteilungen...... 15742 C

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(A) (C) Textrahmenoptionen: 30,5 mm Abstand oben

159. Sitzung

Berlin, Freitag, den 26. Februar 2016

Beginn: 9 .01 Uhr

Präsident Dr. : gar dem Verfahren, wie wir es heute ablaufen lassen wol- Nehmen Sie bitte Platz . Die Sitzung ist eröffnet . len, vollständig zugestimmt . Sie haben dem Gesetz, auf dessen Basis wir die Wahlen heute durchführen wollen, Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich im Juni letzten Jahres zugestimmt . Das Verteilverfahren – begrüße Sie herzlich und freue mich, dass wir die heutige die inhaltliche Basis des heutigen Verfahrens – haben Debatte mit einer Geschäftsordnungskontroverse begin- Sie noch im Juni letzten Jahres völlig richtig gefunden . nen können . Nicht nur das: Sie haben zuvor selbst einen vollkommen (Heiterkeit des Abg . Michael Grosse-Brömer identischen Gesetzentwurf eingebracht . Der Name der [CDU/CSU] – [SPD]: Kollegin Haßelmann, die gleich sprechen wird, steht an Endlich mal wieder!) prominenter Stelle darauf . Sie war also dafür, es so zu machen, wie wir es heute machen wollen . Das bringt doch den Blutdruck auf den üblichen Stand . Ich freue mich auf Ihre Erwiderung gleich . Insofern (B) Die Fraktionen der CDU/CSU und SPD haben fristge- macht es wirklich Spaß, mit einer Geschäftsordnungsde- (D) recht beantragt, die heutige Tagesordnung um die Wahl batte zu beginnen . der vom Deutschen Bundestag zu benennenden Mitglie- Man kann es also kurz so zusammenfassen: Sie kri- der des Kuratoriums des Deutschen Instituts für Men- tisieren heute ein Verfahren, dem Sie nicht nur zuge- schenrechte zu erweitern und als Zusatzpunkt 4 gleich zu stimmt, sondern das Sie selber vorgeschlagen haben . Beginn der Tagesordnung aufzurufen . Peter Lustig hätte dazu gesagt: Das ist komisch von den Das Wort zur Geschäftsordnung hat der Kollege Grünen, ist aber so . Grosse-Brömer für die CDU/CSU-Fraktion . (Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU) (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- Aber so lustig ist es ja vielleicht auch nicht . In der Sa- ordneten der SPD) che sollten Sie wirklich überlegen, ob wir über Themen, bei denen Sie die verfahrensrechtliche Vorgehensweise Michael Grosse-Brömer (CDU/CSU): selbst vorschlagen und sie auch in einem eigenen Ge- Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und setzentwurf verankert haben, dann, wenn es ernst wird, Kollegen! So spannend ist das Thema ja nun nicht . Aber tatsächlich eine Geschäftsordnungsdebatte führen sollen . es ist auch nicht unwichtig; die Grünen würden ja sonst Es geht in der Tat um das Kuratorium des Deutschen nicht widersprechen . Das machen sie ja nur bei wichtigen Instituts für Menschenrechte . Wenn ich es richtig ver- Angelegenheiten . standen habe, haben Sie jetzt sogar noch nicht einmal Wer an die letzte Geschäftsordnungsdebatte zurück- irgendwelche Bedenken gegen die vorgeschlagenen Per- denkt, wird sich daran erinnern, dass die Opposition sonen – es sei denn, ich werde gleich eines Besseren be- schon damals ziemlich schlecht aussah . Ich glaube, heute lehrt . wird es noch schlimmer . Man kann letztendlich zusammenfassen: Die Perso- (Widerspruch bei Abgeordneten des BÜND- nen finden Sie richtig, das Verfahren haben Sie selbst NISSES 90/DIE GRÜNEN) vorgeschlagen, Sie haben einen entsprechenden Gesetz- entwurf eingebracht – und heute sind Sie dagegen . Ich Es ist folgendermaßen: Schon damals hatten Sie kei- bin auf Ihre Erklärung gespannt, warum das so ist . Wir nen rechtlichen, keinen inhaltlichen und keinen verfah- sagen einfach: Sie haben uns von etwas, was Sie selbst rensrechtlichen Grund, irgendetwas zu vertagen . Heute früher für richtig befunden haben, überzeugt, und wir fin- kommt es noch schlimmer: Sie können nicht nur keinen den das auch richtig . Lassen Sie uns abstimmen! Es ist der genannten Gründe anführen, Sie als Grüne haben so- gut . Es sind die richtigen Personen . Es ist das richtige 15666 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 159 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 26 . Februar 2016

Michael Grosse-Brömer (A) Verfahren . Jedenfalls haben auch Sie selbst das vor weni- das sind genug Gründe, um zu sagen: Wir widersprechen (C) gen Wochen noch so gesehen . der Aufsetzung . Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit . Schauen wir uns dann einmal die Sachlage an: Ja, das Verfahren ist so . Wir haben dem Gesetz zugestimmt . (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- Zwei Mitglieder für das Kuratorium werden aus den ordneten der SPD) Reihen der MdBs bestimmt . Dass wir als kleinste Op- positionsfraktion kein Benennungsrecht für diese beiden Präsident Dr. Norbert Lammert: MdBs haben, ist nie und an keiner Stelle von uns infrage Frau Haßelmann, bitte . gestellt worden . ( [CDU/CSU]: Weil es logisch Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): war! – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Was läuft denn jetzt falsch?) Herren Kolleginnen und Kollegen! Ja, in der Tat wider- Das ist doch sowieso klar angesichts der Verteilung der sprechen wir heute dem Aufsetzungswunsch; denn die Stimmenanteile hier im Deutschen Bundestag . rechtliche Absicherung des Deutschen Instituts für Men- schenrechte hat sehr lange gedauert . Dazu gab es hier im Dass Sie aber nicht die Größe und auch nicht das par- Parlament ein sehr langes und zum Teil sehr unwürdiges lamentarische Verständnis hatten, bei den sechs Mitglie- Verfahren . Einige in der Koalition hätten sogar fast ris- dern für das Kuratorium, die vom Parlament aus den Rei- kiert, dass dieses hoch anerkannte Institut für Menschen- hen von Wissenschaft und Zivilgesellschaft zu benennen rechte abgestuft worden wäre im internationalen Kon- sind, zu sagen: „Das macht das Parlament gemeinsam . text, indem Sie das nämlich einfach so heruntergemacht Hier kommen wir konsensual zu einem gemeinsamen und so ignoriert haben . Vorschlag, wen das deutsche Parlament in das Kurato- Deshalb haben wir gerne, Herr Grosse-Brömer, im rium als Fachexpertin oder als Fachexperten benennt“, allerletzten Moment – es war wirklich die allerletzte ( [CDU/CSU]: Aus der Wis- Möglichkeit vor Fristsetzung – dem Gesetz zugestimmt, senschaft!) damit das Deutsche Institut für Menschenrechte abge- sichert werden konnte, damit die gesetzliche Grundla- ist doch unvorstellbar angesichts der Thematik und ange- ge geschaffen wurde und wir damit als Parlament auch sichts der Breite, die abgebildet werden soll . Schließlich gemeinsam ein Zeichen setzen für Wertschätzung der soll das Deutsche Institut für Menschenrechte auch die- Arbeit des Deutschen Instituts für Menschenrechte . Und se Regierung kontrollieren . Wie ist denn jetzt das Sig- (B) (D) das war richtig und gut . Wir würden das heute jederzeit nal nach außen? Die Große Koalition, die die Regierung wieder so tun . stellt, setzt alles daran, sich nicht mit den beiden klei- neren Fraktionen im Deutschen Bundestag darauf zu ei- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – nigen, welche sechs Personen man aus Zivilgesellschaft Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Sehr und Wissenschaft benennt . gut!) (Dr .Thomas Feist [CDU/CSU]: Entweder es Nachdem das Ganze aber so lange gedauert hat, gibt eine Geschäftsordnung, oder es gibt kei- (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Soll ne!) es heute nicht entschieden werden?) Das finde ich, ehrlich gesagt, ziemlich armselig, ein solches Hin und Her bestanden hat, auch solche Dif- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) famierungen gegen die Arbeit des Deutschen Instituts für Menschenrechte erfolgten, wir nur in allerletzter Sekun- dass Sie diese Größe nicht hatten . Es ist auch nicht gut de die Kurve gekriegt haben – für das Kuratorium und für die Außenwirkung des Ku- ratoriums . (Volker Kauder [CDU/CSU]: Jetzt mal zum heutigen Tag!) (Zuruf von der CDU/CSU: Wie armselig!) wir haben ja fast ein Jahr lang darüber diskutiert –, wird Jetzt noch ein abschließender Punkt: Wenn man Ihre uns dann heute, am Dienstag, gesagt: einseitige, monothematische Besetzung ansieht, (Dr .Thomas Feist [CDU/CSU]: Heute ist (Max Straubinger [CDU/CSU]: Was?) Freitag!) dann kommt man zu der Auffassung, dass die auch nicht So, da gibt es jetzt einen Vorschlag für das Kuratorium . – gut für das Institut für Menschenrechte ist . Wo sind denn Wir haben dann gesagt: Nennen Sie uns doch bitte ein- Initiativen wie Pro Asyl, wo sind denn die Anliegen von mal die Namen . – Da hieß es: Ja, die haben wir gerade Human Rights Watch und von Amnesty International noch nicht parat, aber die haben wir, und die kriegen Sie thematisch vertreten? dann .– Am Dienstag dieser Woche! Bis dato war das Thema „Benennung der Kuratoriumsmitglieder“ noch (Max Straubinger [CDU/CSU]: Das ist wohl nicht einmal auf Wunsch der Koalitionsfraktionen auf nicht monothematisch, oder? – Zuruf des Abg . der Tagesordnung. Meine Damen und Herren, ich finde, Dr .Thomas Feist [CDU/CSU]) Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 159 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 26 . Februar 2016 15667

Britta Haßelmann (A) Und die SPD duckt sich bei der Frage am liebsten ganz Absatz 2 Nummer 4 und 5 des Gesetzes über (C) weg, weil sie genau weiß, dass wir recht haben mit un- die Rechtsstellung und Aufgaben des Deut- serer Kritik schen Instituts für Menschenrechte – DIMRG (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS- Drucksache 18/7703 SES 90/DIE GRÜNEN – Dr . Hierzu gibt es einen Wahlvorschlag der Fraktionen [SPD]: Na, na! So ist das nicht!) von CDU/CSU und SPD auf der Drucksache 18/7703 . an dieser so einseitigen Besetzung und an dieser mono- Wer stimmt für diesen Wahlvorschlag? – Wer stimmt da- thematischen Besetzung im Hinblick auf Religionsfrei- gegen? – Wer enthält sich? – Damit ist dieser Wahlvor- heit . Damit tun Sie dem Institut und dem Kuratorium schlag mit den Stimmen der Koalition gegen die Stim- keinen Gefallen . men der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen bei Enthaltung der Fraktion Die Linke angenommen . (Max Straubinger [CDU/CSU]: Es geht um Menschenrechte! Nicht um Verbandsvertre- Wir kommen zu den Tagesordnungspunkten 19 a und ter!) 19 b: Das wissen wir alle, und das wissen die Fachverbände a) – Zweite und dritte Beratung des von der Bun- ganz besonders . desregierung eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Auf- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN stiegsfortbildungsförderungsgesetzes sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Drucksache 18/7055 Unsere Ablehnung, die wir gleich bei der Wahl bekun- den werden – ich muss ja davon ausgehen, dass Sie für Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- Ihren Aufsetzungsantrag eine Mehrheit bekommen –, schusses für Bildung, Forschung und Technik- folgenabschätzung (18 . Ausschuss) (Volker Kauder [CDU/CSU]: Genau!) Drucksache 18/7676 hat allerdings nichts mit einzelnen Personen, die hier zur Wahl stehen, zu tun . – Bericht des Haushaltsausschusses (8 .Aus - schuss) gemäß § 96 der Geschäftsordnung (Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Aha!) Drucksache 18/7677 Präsident Dr. Norbert Lammert: b) Beratung der Beschlussempfehlung und (B) Frau Kollegin . des Berichts des Ausschusses für Bildung, (D) Forschung und Technikfolgenabschätzung (18 . Ausschuss) Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wir kritisieren das Verfahren . Wir halten die mono- – zu dem Antrag der Abgeordneten thematische Besetzung für falsch und auch den Weg, den Dr . Rosemarie Hein, Sigrid Hupach, Matthias Sie gewählt haben, indem Sie nicht alle Fraktionen des W . Birkwald, weiterer Abgeordneter und der Deutschen Bundestages einbezogen haben, um zu einem Fraktion DIE LINKE konsensualen Vorschlag zu kommen . Durchlässigkeit in der Bildung sichern, Danke . Förderlücken zwischen beruflicher Bildung und Studium schließen (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Noch – zu dem Antrag der Abgeordneten Beate unlogischer geht nicht!) Walter-Rosenheimer, Kai Gehring, Özcan Mutlu, weiterer Abgeordneter und der Frakti- Präsident Dr. Norbert Lammert: on BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Können wir jetzt abstimmen? – Das ist gut so . Dann Bildungszeit PLUS – Weiterbildung für alle lasse ich über den Aufsetzungsantrag der Koalitionsfrak- ermöglichen, lebenslanges Lernen fördern tionen abstimmen . Wer stimmt der Aufsetzung dieses Ta- Drucksachen 18/7234, 18/7239, 18/7676 gesordnungspunktes zu? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist dem Aufsetzungsantrag mit den Zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung liegt ein Stimmen der Koalition gegen die Stimmen der Oppositi- Änderungsantrag der Fraktion Die Linke vor . on stattgegeben worden . Nach einer interfraktionellen Vereinbarung soll die (Volker Kauder [CDU/CSU]: Also, geht Aussprache 60 Minuten dauern . – Auch dazu gibt es of- doch!) fenkundig keine Meinungsverschiedenheiten . Dann kön- nen wir so verfahren . Ich rufe damit diesen gerade aufgesetzten Zusatz- punkt 4 auf: Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort dem Kollegen Thomas Feist für die CDU/CSU-Fraktion . Wahl der vom Deutschen Bundestag zu benen- nenden Mitglieder des Kuratoriums des Deut- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- schen Instituts für Menschenrechte gemäß § 6 ordneten der SPD) 15668 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 159 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 26 . Februar 2016

(A) Dr. Thomas Feist (CDU/CSU): Wir hatten ja in dieser Woche wegen der fremden- (C) Guten Morgen, Herr Präsident! Meine sehr verehr- feindlichen Ausschreitungen die Gelegenheit, ein paar ten Kolleginnen und Kollegen! Wir beraten heute in ab- Orte in Sachsen kennenzulernen, von denen einige im schließender Lesung die Neufassung des Gesetzes zum Haus bisher gar nicht wussten, dass sie existieren . Meister-BAföG . Das Meister-BAföG ist außer an Hand- werker auch an andere adressiert, die im Rahmen der be- (Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- ruflichen Fortbildung ihren weiteren Lebensweg gehen NEN]: Bautzen zum Beispiel!) wollen, ob das Techniker, Betriebswirte oder andere sind . Diesen Orten würde ich heute gerne ein paar weitere hin- Ich möchte Ihnen, Frau Ministerin, sehr herzlich dan- zufügen, einfach um zu zeigen, dass das, was Sachsen ken, dass Sie dafür gesorgt haben, dass aus Ihrem Haus ausmacht, etwas völlig anderes ist . Die Orte, die ich Ih- schon ein sehr ambitionierter Gesetzentwurf kam, den nen heute näherbringen möchte, sind: Königswalde, Eh- wir in der parlamentarischen Beratung noch verbessern renfriedersdorf, Aue und . Den Namen der letzt- konnten . Ich möchte an dieser Stelle auch besonders un- genannten Stadt haben vielleicht die einen oder anderen seren Haushältern danken; denn die Gesetzesänderun- schon einmal gehört . gen, die wir jetzt auf den Weg bringen, werden in den nächsten Jahren über 100 Millionen Euro kosten . (Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Wir waren sogar schon da!) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) In Königswalde wurde ein junger Mann geboren, der Wahrscheinlich war es hilfreich, dass das erste Gesetz Nathanael Liebergeld heißt . Er wohnt jetzt in Aue – üb- zur Aufstiegsfortbildungsförderung die Unterschrift von rigens auch eine schöne Stadt . Er hat einen Gesellenbrief Wolfgang Schäuble trug . Insofern war er wahrscheinlich im Bereich Heizungs- und Sanitärinstallation erworben . von Anfang an nicht ganz dagegen . Also vielen Dank, Nun war das für ihn aber nicht der Endpunkt, sondern Frau Ministerin, und vielen Dank an die Haushälterin- er hat gesagt: Ich möchte mich gerne weiterqualifizieren, nen und Haushälter, dass wir heute so ein schönes Gesetz richtig gut werden im Beruf . Seine Firma hat ihn dabei vorlegen können . unterstützt . Das ist auch gar nicht so einfach . Wenn man besonders ambitionierte junge Leute hat, haben die auch (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) andere Möglichkeiten, werden vielleicht auch abgewor- ben . Deswegen ist es wichtig, dass die Wirtschaft so et- Was machen wir mit dem vielen Geld? Das ist ja schon was unterstützt . Er hat das große Glück gehabt, dass er eine ganze Menge . Obwohl: Wenn ich mir anschaue, was nicht nur sehr ambitioniert, sehr gut und fleißig in seinem wir im Bereich der Wissenschaft investieren, ist auch da Beruf war, sondern er hatte auch die Gelegenheit, einen (B) vielleicht noch Luft nach oben . Aber wir wollen ja nicht (D) Leipziger Installateurmeister kennenzulernen, dessen klagen . Es ist ein schöner Tag . Zurück also zur Frage, Name André Schnabel ist . Dieser Installateurmeister ar- was wir mit dem Geld machen . beitet ehrenamtlich als Trainer für die Berufsweltmeis- Zunächst statten wir dieses Programm besser aus . Es terschaften, die WorldSkills . Dieses Gespann hat es doch wird familienfreundlicher gestaltet . Es wird einen höhe- tatsächlich geschafft, mit Unterstützung der Firma von ren Zuschussbetrag geben . Wir werden die Grenze, bis zu Nathanael Liebergeld aus Ehrenfriedersdorf – die Unter- der die Kosten einer Maßnahme geltend gemacht werden nehmen müssen natürlich solche jungen Leute bei Wett- können, erhöhen, und wir werden auch bei der Förderung kämpfen freistellen; auch hier investieren die Unterneh- für das Meisterstück eine ganze Menge Geld drauflegen. men –, dass das Team Germany im letzten Jahr in São Paulo bei einem Bewerberfeld aus mehr als 50 Nationen Die beste Nachricht für mich ist allerdings, dass die- als bestes eine Goldmedaille errang . An solche Personen jenigen, die eine solche Aufstiegsfortbildung erfolg- wie diesen jungen Mann und auch an andere besonders reich gemeistert haben, als Belohnung einen Erlass be- begabte und fleißige junge Frauen und Männer denke ich, kommen, und zwar nicht mehr in Höhe von 25 Prozent, wenn wir heute diesen Gesetzentwurf verabschieden . wie es bisher im Gesetz stand, sondern von 40 Prozent . „Beste Förderung für die Besten in unserem Land“ – das Leistung lohnt sich, gerade im Bereich der beruflichen ist unser Motto . Genau das setzen wir auch heute um . Aus- und Fortbildung! Deswegen ist das, was wir heute beschließen, gut . (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Vielleicht noch etwas Positives über Sachsen: Dort Ich habe mich auch sehr gefreut über die konstrukti- hat die Große Koalition verabredet, einen Meisterbonus ven Beratungen, die wir dazu im Ausschuss hatten . Wir einzuführen für alle, die ein Meisterstudium erfolgreich hatten eine Anhörung, bei der die Experten alle der Mei- abgeschlossen haben . Das heißt, das wird jetzt noch viel nung waren – Herr Gehring wird mir hier zustimmen –, einfacher . Auch der junge Mann, von dem ich gerade be- dass das, was wir tun, gut ist . Deswegen, glaube ich, richtet habe, wird im August, also genau zu dem Zeit- werden Sie heute diesem Gesetzentwurf auch zustimmen punkt, wenn das Gesetz in Kraft treten soll, sein Meis- können . Ich glaube, auch die Fundamentalopposition hier terstudium beginnen . In Sachsen werden wir also einen auf der linken Seite wird heute zumindest – eventuell mit Meisterbonus einführen . Und das ist Politik, wie ich sie einer Enthaltung, wenn Sie dabei bleiben – dazu beitra- verstehe: Werbung und Unterstützung für die berufliche gen, dass wir für die berufliche Bildung etwas Wichtiges Bildung sowie für die berufliche Fort- und Aufstiegsbil- machen . dung . Das ist Politik für die Besten in unserem Land, für Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 159 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 26 . Februar 2016 15669

Dr. Thomas Feist (A) die Leistungsträger unserer Gesellschaft . Deswegen bitte sigkeit im Bildungssystem, die so sehr sinnvoll ist, nicht (C) ich Sie, unserem Gesetzentwurf zuzustimmen . zu Makulatur verkommen soll . (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- neten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Präsident Dr. Norbert Lammert: Dr .Thomas Feist [CDU/CSU]: Also, das ist ja Rosemarie Hein ist die nächste Rednerin für die Frak- nun wirklich unfassbar!) tion Die Linke . – Regen Sie sich nicht so auf! Ich habe schon recht . (Beifall bei der LINKEN) (Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE Dr. Rosemarie Hein (DIE LINKE): GRÜNEN – Lachen bei Abgeordneten der Vielen Dank, Herr Präsident . – Liebe Kolleginnen und CDU/CSU – Dr .Thomas Feist [CDU/CSU]: Kollegen! Lieber Herr Feist, ich werde einmal Ihre Ar- Das stimmt nicht, Frau Hein!) beit übernehmen und nicht über Sachsen, sondern über Das war auch der Grund, warum wir zu dem Gesetz- das Gesetz und die hier vorliegenden Anträge reden . entwurf einen Antrag gestellt haben: Uns ist es wichtig, (Beifall bei der LINKEN und dem BÜND- die Durchlässigkeit in der Bildung zu sichern und die NIS 90/DIE GRÜNEN) bestehenden Förderlücken zwischen beruflicher Bil- dung und Studium zu schließen . Das heißt eben, dass In der Tat ist dieses, kurz als Meister-BAföG bezeich- die Förderung gleichwertiger Bildungsgänge sich nicht nete Gesetz ein wichtiges Instrument für berufliches wechselseitig ausschließen darf . Das heißt auch, dass die Fortkommen, vor allen Dingen für jene Menschen, die Förderbedingungen, zum Beispiel zwischen Studieren- ihren Berufsweg im Rahmen der dualen Berufsausbil- den-BAföG und Meister-BAföG, angepasst werden müs- dung begonnen haben; sen . Studierende an einer Hochschule und Lernende an (Dr .Thomas Feist [CDU/CSU]: Habe ich Technikerschulen befinden sich doch oft in vergleichba- gesagt!) ren Lebenssituationen . Wieso sollen sie unterschiedlich behandelt werden? denn dies ist in der Regel Voraussetzung, nach diesem Gesetz gefördert zu werden . Es war hohe Zeit, die För- (Beifall bei der LINKEN) derhöhen aufzustocken und die Förderbedingungen zu verbessern . Dem wird das Gesetz allerdings, trotz der Ich will Ihnen ein Beispiel dafür nennen . Wieso ist ein Kind in beiden Systemen unterschiedlich viel (B) Nachbesserungen im Ausschuss, die wir überhaupt nicht (D) geringschätzen wollen, nur teilweise gerecht . Wie schon wert? Studierende erhalten nur einen Kinderzuschlag in der Debatte zum Studierenden-BAföG müssen wir Ih- von 130 Euro . Wer Meister-BAföG erhält, bekommt nen sagen, dass die Anpassungen einfach nicht reichen . 235 Euro Kinderzuschlag (Dr .Thomas Feist [CDU/CSU]: Ach, (Dr .Thomas Feist [CDU/CSU]: Das sind Quatsch!) zwei unterschiedliche Systeme, Frau Hein!) Sie nehmen nicht hinreichend Bezug auf die veränderten, – genau das ist ja das Problem – gestiegenen Lebenshaltungskosten, und das muss sich (Beifall bei der LINKEN) ändern . und noch 130 Euro für Betreuungskosten . Da wird mit (Beifall bei der LINKEN) zweierlei Maß gemessen, und das ist nicht richtig . Wir Mit der Gesetzesnovelle – das will ich einräumen – fordern, dass auch für Studierende mit Kind gleiche Be- haben Sie versucht, den veränderten Berufsbiografien ge- dingungen gelten . recht zu werden, und das ist auch notwendig . Berufswege verlaufen heute mitunter anders, sind nicht mehr ganz so Noch einmal etwas zur Durchlässigkeit: Wenn jemand geradlinig: Schule, Ausbildung, Beruf, eventuell später nach einer Ausbildung an einer Fachschule oder im Rah- eine Weiterbildung . Darum ist es richtig, über die For- men eines Meisterlehrgangs keine Förderung nach Stu- men der Weiterbildung auch eine Neu- oder Umorientie- dierenden-BAföG mehr bekommt – das ist im Moment rung im beruflichen Werdegang durch Aufstiegsfortbil- so –, ist ein Masterstudiengang in der Regel auch nicht dung möglich zu machen . möglich; denn da wird der Bachelor vorausgesetzt . Diese Fördersystematik ist unlogisch, und das muss sich än- Die Öffnung des Meister-BAföG für eine Ausbildung dern . nach dem Bachelorstudium ist ein solcher Weg . Aber wa- rum nur dieser eine, und warum nur in diese Richtung? (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Warum kann ein Meister für ein späteres Bachelorstudi- Die Begründung des Ministeriums, die ich kürzlich er- um in der Regel keine Förderung bekommen? Warum hielt, dass es sich hier schließlich um zwei gleichwertige können nicht auch Masterabsolventen eine Förderung Bildungsgänge handele und man nicht zwei gleichwerti- nach diesem Gesetz erhalten? Dass dies nicht möglich ge Bildungsgänge gleichzeitig oder nacheinander fördern ist, wurde auch in der Anhörung im Ausschuss kritisiert . möchte, ist eigentlich obsolet geworden; Wir brauchen viel mehr Flexibilität auch in der Bildungs- förderung, wenn der berühmte Slogan von der Durchläs- (Dr . [DIE LINKE]: Ja, genau!) 15670 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 159 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 26 . Februar 2016

Dr. Rosemarie Hein (A) denn mit diesem Gesetz öffnen Sie das . Sie schaffen bekommt dafür in der Regel auch bei integrierten Aus- (C) nämlich die Möglichkeit, Meister-BAföG nach einem bildungen kein Geld . Dort werden die Praxisabschnitte Bachelorstudium zu erhalten . nämlich in die anderen Abschnitte einbezogen . (Dr .Thomas Feist [CDU/CSU]: Das ist doch Wir haben Ihnen nun einen Vorschlag gemacht, des- auch gut!) sen Umsetzung niemandem wehgetan hätte . Damit hät- – Ja, sicher . Wir müssen es bloß auch in umgekehrter te man aber das Problem für die Auszubildenden gelöst . Richtung möglich machen . Man kann pflichtig vorgeschriebene Praktika einfach dem Vollzeitunterricht gleichstellen, und schon wäre die (Beifall bei der LINKEN) Kuh vom Eis . Ich weiß, dass diese Probleme nicht mit diesem Ge- (Beifall bei der LINKEN) setz zu lösen sind; Man muss auch keine Angst haben, dass damit irgend- (Martin Rabanus [SPD]: Voilà!) welche Lücken oder Schlupflöcher geschaffen würden, aber ich finde, wir müssen hier grundsätzlich neu nach- die andere ausnutzen . Man kann in dieser Zeit etwaige denken . Einkommen gegenrechnen . Man kann das bezahlte Prak- tikumsjahr von der Regelung ausnehmen; da braucht Dann die Sache mit der Erzieherinnen- bzw . Erzie­ man ja auch keine Unterstützung . herausbildung . Für die Erzieherinnen- bzw . Erzieheraus- bildung und im Übrigen auch für die Altenpflegeausbil- Mit den von uns vorgeschlagen Änderungen wäre dung wurde das Gesetz, über das wir heute diskutieren, eine Lösung möglich gewesen . Wir haben im Vorfeld vor einigen Jahren geöffnet . Das war durchaus sinnvoll, versucht, das mit Ihnen zu klären . Das hat leider nicht aber nicht zu Ende gedacht . Wir alle hatten die Petition geklappt . Ich gebe zu, die Gewerkschaften waren da auch eines jungen Mannes auf dem Tisch, der Erzieher wer- nicht gerade hilfreich . den wollte . Diese Ausbildung dauert drei Jahre . Anders (Dr .Thomas Feist [CDU/CSU]: Ja!) als bei den sonstigen Ausbildungen nach diesem Gesetz, gehört ein beträchtlicher Teil Praxis zur Ausbildung . Ins- Die haben nur die duale Ausbildung im Blick und wissen gesamt umfasst die praktische Ausbildung den Zeitwert offensichtlich nicht, wie eine Erzieherinnen- bzw . Erzie- eines ganzen Ausbildungsjahres, und das muss auch so herausbildung tatsächlich funktioniert. Ich finde, dass bleiben; doch diese Zeit war nicht förderfähig . Nun hoff- das ein bisschen schade und auch schwierig ist, weil wir te der Petitionsausschuss, wir würden das mit diesem gerade in diesem Bereich einen sehr hohen Fachkräfte- Gesetz ändern .– Das ist nicht geschehen . Praktika sind bedarf haben . immer noch nicht förderfähig . (B) (Dr .Thomas Feist [CDU/CSU]: Aber das kön- (D) Ich will das kurz erklären: Erziehungsfachkräfte wer- nen doch die Länder regeln, wenn sie wollen!) den für die Arbeit mit jungen Menschen im Alter von 0 bis 27 Jahren ausgebildet . Um da annähernd die nö- – Nein, sie können das nicht regeln . Sie haben es gere- tige Praxis zu erhalten, sind praktische Erfahrungen in gelt . Sie sagen: Ein Drittel der Ausbildung ist praktische mindestens zwei Tätigkeitsfeldern oder zwei Aufgaben- Ausbildung, und Punkt .– Wir aber sagen: Das ist euer gebieten oder zwei Einsatzstellen notwendig . Mit einem Pech, dann bekommen die keine Förderung .– Das ist bezahlten Anerkennungsjahr, das es in einigen Bundes- doch das Problem . ländern gibt, kann man das eigentlich nicht erreichen . (Beifall bei der LINKEN – Volker Kauder Sie haben nun das Gesetz für einen Ausbildungsweg [CDU/CSU]: Ach was!) geöffnet, für das es eigentlich nicht vorgesehen war . Nun Geben Sie endlich Ihren Tunnelblick auf! Achten Sie müssen Sie aber auch die Bedingungen so gestalten, dass darauf, was um Sie herum passiert . Wir geben Ihnen heu- die Unterschiede nicht zulasten der Auszubildenden ge- te noch einmal die Gelegenheit, das entsprechend zu kor- hen, dass sie dieses Risiko nicht alleine tragen müssen . rigieren . Wir haben einen Änderungsantrag eingebracht . (Beifall bei der LINKEN) Sie haben also noch einmal eine Chance . Stimmen Sie also unserem Antrag zu, dann sind wir fast rundum Sie machen die Tür zwar ein wenig auf, aber nicht ganz . glücklich! Sie ermöglichen die Förderung, wenn eine Ausbildungs- dichte in Vollzeitform von 70 Prozent erreicht wird, also (Beifall bei der LINKEN) 70 Prozent der Unterrichtsstunden müssen Präsenzstun- Eine abschließende Bemerkung möchte ich zum An- den sein . Das reicht aber doch nicht, wenn mindestens trag der Grünen machen: Ein Instrument, das für die be- ein Drittel der Ausbildung Praxis sein soll; das sagt uns rufliche Weiterbildung – und nur für diese – gedacht ist, die Prozentrechnung . Das können auch die Länder nicht lösen, wie Sie sich das so vorstellen . (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: So ist es!) Bei aller Unterschiedlichkeit der Ausbildungswege in kann die Probleme der allgemeinen Weiterbildung nicht den Ländern: Dort haben sie erst im vergangenen Jahr lösen, so wichtig eine Lösung wäre . Sie verweisen auf eine Vereinbarung getroffen, an die sich jedes Bundes- die Bildungszeit PLUS, aber damit lösen wir die Proble- land hält . In der Vereinbarung wurde festgehalten, dass me auch nicht . Wir brauchen ein Weiterbildungsförder- ein Drittel praktische Ausbildung sein muss . Das ist gesetz und ein umfassendes Bildungsfreistellungsgesetz . vorgeschrieben, man kann es sich nicht aussuchen . Man Beide scheitern bislang an den Grenzen der Zuständig- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 159 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 26 . Februar 2016 15671

Dr. Rosemarie Hein (A) keiten zwischen Bund und Ländern . Darum werden wir den Zuschuss zum Unterhalt auf 50 Prozent und den Zu- (C) uns bei Ihrem Antrag der Stimme enthalten . schuss zum Maßnahmebeitrag auf 40 Prozent . Wir er- höhen den Belohnerlass von 25 Prozent auf 40 Prozent . Das Meister-BAföG werden wir nicht blockieren, Es sind großartige Zahlen, die wir vorweisen können; da (Beifall des Abg . Dr . Ernst Dieter Rossmann brauchen wir uns nicht zu verstecken . [SPD] – Dr .Thomas Feist [CDU/CSU]: Das ist schön von Ihnen! Das ist sehr schön!) Wir öffnen das Meister-BAföG für Bachelorabsolven- ten . Wir modernisieren das Gesetz insgesamt . Wir ma- weil wir finden: Es ist ein kleiner Schritt in die richtige chen damit einen großen Schritt und vollziehen das nach, Richtung . Unsere Forderungen halten wir aber aufrecht . was wir in der BAföG-Novelle, deren substanzielle Teile Vielen Dank . zum Wintersemester in Kraft treten, für die Schülerinnen und Schüler sowie die Studierenden bereits beschlossen (Beifall bei der LINKEN) haben . Dazu kommt – darauf will ich in diesem Zusammen- Präsident Dr. Norbert Lammert: hang auch hinweisen – eine neue Gesetzesinitiative, Martin Rabanus erhält nun das Wort für die SPD-Frak- die im April den Deutschen Bundestag erreichen wird, tion . nämlich das Gesetz zur Weiterbildungsstärkung, das das (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Kabinett Anfang Februar beschlossen hat . Damit schließt der CDU/CSU) sich sozusagen der Kreis . Dieses Gesetz, das Frau Nahles vorgelegt hat, bezieht sich auf die Schwächeren, die Ge- ringqualifizierten, diejenigen, die älter sind und eine län- (SPD): Martin Rabanus gere Arbeitslosigkeit hinter sich haben . Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren auf den Besu- (Dr . Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Sehr gut!) chertribünen! Frau Dr . Hein, herzlichen Dank für Ihren Beitrag und für den versöhnlichen Schluss . Sie haben ja Die BAföG-Novelle haben wir bereits beschlossen . Die deutlich gemacht, dass die Neuregelungen zum Meis- Novelle zum Meister-BAföG beschließen wir heute . Da- ter-BAföG, die wir heute beschließen können, etwas mit ist der Bogen gespannt . hervorbringen, was selten passiert . Nach Lage der Din- ge werden wir den vorliegenden Gesetzentwurf hier im (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Deutschen Bundestag nämlich einstimmig – bei Ihrer der CDU/CSU) Enthaltung – beschließen . (B) Die Große Koalition schaut nicht mit einem Tunnel- (D) (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten blick – es ist interessant, wenn man den Tunnelblick der CDU/CSU – Volker Kauder [CDU/CSU], von denjenigen vorgeworfen bekommt, die gern mit an die LINKE gewandt: Ja, Mensch, was ist Scheuklappen unterwegs sind –, eine Enthaltung? Das ist nicht Fisch und nicht Fleisch!) (Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU) Das ist in der Tat ein Adelsschlag für den Gesetzentwurf, den die Regierung vorgelegt hat . Die Fraktion der Grü- sondern wir schauen auf die gesamte Bandbreite der nen wird sich sicherlich auch da einreihen können; jeden- Menschen in der beruflichen Bildung, für die wir etwas falls wenn Sie das nachvollziehen, worauf wir uns in der tun können und tun wollen . letzten Beratung im Ausschuss verständigt haben . Ich möchte gern noch auf Ihren Hinweis zu den Prak- Die AFBG-Novelle ist eine große Novelle; der Kol- tika und der Erzieherinnenausbildung eingehen, Frau lege Feist hat darauf hingewiesen . Wir können ein Vo- Dr. Hein. Ich finde, man kann sich das nicht so einfach lumen von 90 bis 100 Millionen Euro jahresbezogen für machen . Die Expertinnen und Experten in der Anhörung die Stärkung der Meisterausbildung bewegen, sozusagen haben uns gesagt: Der Bund hat seine Hausaufgaben ge- für die Stärkung des oberen Endes der beruflichen Aus- macht . – Wir haben präzise nachgefragt . Sie aber sagen bildung . Das ist ein großer, ein wichtiger Schritt in Rich- nun: Die Gewerkschaften kennen sich damit nicht aus; tung Gleichwertigkeit von beruflicher und allgemeiner ich weiß es doch besser .– Ich frage mich, wofür wir Ex- Bildung . Deswegen ist heute in der Tat ein guter Tag für pertinnen und Experten einladen und anhören, wenn wir die berufliche Bildung. ihnen anschließend erklären: Ihr wisst das sowieso nicht (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten so gut wie wir; deswegen machen wir einfach weiter wie der CDU/CSU) bisher . Wir können – das will ich schon noch einmal erwäh- Wir haben als Große Koalition gesagt: Wir prüfen nen – nicht nur die Förderung deutlich ausweiten – die das . Es ist uns ein Anliegen, an dieser Stelle Lösungen maximal förderfähigen Lehrgangs- und Prüfungsgebüh- herbeizuführen . Wir wollen es aber da machen, wo es ren steigen von rund 10 000 auf 15 000 Euro –; wir er- hingehört . Weil uns die Expertinnen und Experten gesagt höhen auch den Zuschuss für das Meisterstück deutlich . haben: „Der Bund hat seine Hausaufgaben gemacht; die Wir erhöhen die Vermögensfreibeträge deutlich . Wir Länder müssen da tätig werden“, müssen wir das freund- erhöhen die Familienkomponente deutlich . Wir erhöhen liche Angebot von Ihnen, Ihrem Änderungsantrag zuzu- 15672 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 159 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 26 . Februar 2016

Martin Rabanus (A) stimmen, leider noch einmal ausschlagen . Wir bleiben sehr geehrte Frau Ministerin, etwas ganz Bemerkenswer- (C) bei der Regelung, die wir im Gesetz angelegt haben . tes gesagt . Ich wiederhole es hier einmal . Sie haben sinn- gemäß gesagt, es sei richtig, die Weiterbildungssituation (Dr . Rosemarie Hein [DIE LINKE]: Es war und gegebenenfalls auch die Schreckensszenarien auf einen Versuch wert!) diesem Gebiet zu analysieren, entscheidend in der Politik – In der Tat . sei aber, dass man handle, dass man etwas mache . Ich finde, damit haben Sie total recht. Politik bedeutet ent- Zu den begleitenden Anträgen von Bündnis 90/Die scheiden und damit im Idealfall entschiedenes Handeln . Grünen und von der Linken will ich jetzt nichts weiter Wenn diesem politischen Handeln aber keine fundierte sagen . Analyse vorausgeht, was es zu ändern gilt, dann hat man (Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- ganz offensichtlich ein Problem; denn wer die Heraus- NEN]: Schade! Starker Antrag!) forderungen nicht kennt, handelt manchmal am Problem vorbei . Dazu habe ich schon in der ersten Lesung des Gesetzes Stellung genommen . Dem ist nichts weiter hinzuzufügen . (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ich glaube, dass wir mit dem AFBG, dem Gesetz mit Ich will mich an dieser Stelle aber gar nicht in Fun- dem etwas sperrigen Namen „Aufstiegsfortbildungsför- damentalopposition bringen . Die Reform des Meis- derungsgesetz“ ter-BAföGs ist in unseren Augen nicht der ganz große (Dr .Thomas Feist [CDU/CSU]: Es gibt Wurf – das wissen Sie inzwischen; das haben wir oft ge- schlimmere Gesetzesnamen! – Gegenruf des nug gesagt –, trotzdem finden wir – das will ich in aller Abg . Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Es gibt vor Deutlichkeit sagen –, dass das ein Schritt in die richtige allen Dingen schlimmere Gesetze! – Gegen- Richtung ist, wie man so schön sagt . Es stimmt ja auch: ruf des Abg . Dr .Thomas Feist [CDU/CSU]: Sie haben mit der Öffnung des Meister-BAföGs über- Das auch! – Gegenruf des Abg . Kai Gehring fällige Anpassungen vollzogen . Und ja, es ist höchste [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da haben Sie Zeit, dass in Zukunft auch Bachelorabsolventinnen und viel Erfahrung!) Studienabbrecher bei Aufstiegsfortbildungen gefördert werden können . Auch die Erhöhung von Leistungen und – ja, es gibt schlimmere Gesetzesnamen –, wirklich einen Freibeträgen finden wir richtig. tollen Beitrag leisten: für die berufliche Bildung, für die Chancen der Menschen in diesem Land, für diejenigen, (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die etwas leisten wollen und das auch können . sowie der Abg . Dr .Thomas Feist [CDU/CSU] und Dr . Ernst Dieter Rossmann [SPD]) (B) Es ist eine große Novelle . Ich darf allen herzlich dan- (D) ken, die daran mitgewirkt haben, etwa den Expertinnen – Herr Feist, Sie klatschen . Das ist ja gut . und Experten, die uns nicht nur in der Anhörung zur Ver- (Dr .Thomas Feist [CDU/CSU]: Ja, wenn Sie fügung standen . Ich darf natürlich auch den Haushälte- einmal etwas richtig finden! Dass ich das noch rinnen und Haushältern ganz herzlich danken, die maß- erleben darf!) geblich dieses Volumen ermöglicht haben . Sie wissen, dass wir es schade finden, dass die Reform Ich darf mit einem freundlichen Blick auf die leider nicht weiter gefasst ist . Ich denke, dass der eine oder an- verwaiste Länderbank dere Bildungsinteressierte in Zukunft ein paar Euro mehr (Volker Kauder [CDU/CSU]: Die haben Bun- in der klammen Kasse hat. Das finden wir gut, weil wir desrat!) jeden zusätzlichen Euro für Bildung richtig finden. noch einmal an die Länder appellieren, im Bundesrat die- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sem Gesetzentwurf zuzustimmen . Ich gehe davon aus, sowie bei Abgeordneten der SPD – Dr . Ernst dass sie das auch tun, damit auch sie stolz darauf sein Dieter Rossmann [SPD]: Es ist eine ganze können, einen großen und guten Beitrag zur Stärkung der Menge, was es mehr gibt!) Meisterausbildung in unserem Land geleistet zu haben . – Ja . Herzlichen Dank . Wer aber behauptet, mit diesen Anpassungen eine ech- (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) te Gleichwertigkeit von akademischer und beruflicher Bildung herzustellen, hat nicht recht . Da muss man, glau- Präsident Dr. Norbert Lammert: be ich, schon mehr bieten . Genau das haben übrigens – Die Kollegin Walter-Rosenheimer erhält nun das Wort vielleicht erinnern Sie sich daran – auch alle Experten für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen . in unserem Fachgespräch, in der Anhörung im Bildungs- ausschuss bestätigt . Diese Reform gibt eben nicht das notwendige Signal dafür, dass lebenslanges Lernen end- Beate Walter-Rosenheimer (BÜNDNIS 90/DIE lich für alle Menschen möglich wird . Daran müssen Sie GRÜNEN): etwas ändern . Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Wir haben (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – bereits vor einigen Wochen hier im Bundestag über das Dr .Thomas Feist [CDU/CSU]: Aber darum Meister-BAföG diskutiert . In dieser Debatte haben Sie, geht es bei dem Gesetz nicht!) Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 159 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 26 . Februar 2016 15673

Beate Walter-Rosenheimer (A) – Wir sprechen jetzt aber über das Thema, auch wenn es eigentlich nicht? Trauen Sie es sich doch zu, die deutsche (C) nur um dieses eine Gesetz geht . Wir kritisieren ja gerade, Weiterbildung vom Kopf auf die Füße zu stellen . dass das kein größerer Wurf ist . (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wer nimmt an Weiterbildungen nicht oder viel zu selten teil? Das sind vor allem Alleinerziehende, das Lassen Sie mich ein paar Feststellungen treffen . Sie sind vor allem Frauen in den typischen Frauenberufen, haben eine parlamentarische 80-Prozent-Mehrheit . Sie die schlechter bezahlt werden, das sind Menschen mit sind gemeinsam mit Arbeitgebern und Gewerkschaften Migrationshintergrund, das sind ausländische Menschen, Partner der großen Allianz für Aus- und Weiterbildung . das sind aber auch Menschen mit geringerer Berufsqua- Der Bund hat im Jahr 2015 einen Haushaltsüberschuss lifizierung. All denen hilft die vorgelegte Änderung beim in Höhe von 12 Milliarden Euro erwirtschaftet . Besse- Meister-BAföG herzlich wenig, aber auch für diese Men- re Voraussetzungen für eine umfassende Strukturreform schen tragen wir hier Verantwortung . von A bis Z kann es nicht geben . Diese Chance hätten Sie doch nutzen können . (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vermutlich entgegnen Sie jetzt – das haben Sie ja schon gesagt, Herr Feist –, dass es dafür andere Instru- Spätestens heute erfahren wir leider einmal mehr, dass mente gibt: die Bildungsprämie, Bildungsgutscheine, Ihrer Koalition trotz kräftigen Rückenwinds schnell ein- Bildungskredite, mal die Puste ausgeht . (Dr .Thomas Feist [CDU/CSU]: Das sind (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS- alles Renner! Tolle Sachen!) SES 90/DIE GRÜNEN – Dr . [SPD]: Nein, wir sind atemlos! – Zu- Bildungsurlaub, Weiterbildungssparen, verschiedene rufe von der SPD: Na, na!) Länderprogramme . Das gibt es alles . Es stimmt natür- – Ja .– Wie eine sozial gerechte Weiterbildungsförderung lich, dass das Meister-BAföG nicht das einzige Förder- aussehen kann, haben wir in unserem grünen Antrag zur instrument ist; aber glauben Sie denn wirklich, dass die Bildungszeit Plus vorgelegt . Menschen bei dieser Vielzahl von Programmen und an- gesichts dieser Unübersichtlichkeit noch den Überblick (Dr . Daniela De Ridder [SPD]: Atemlos behalten? Die Weiterbildungsbeteiligung ist in Deutsch- durch die Nacht!) land doch auch deshalb so gering, weil kaum jemand weiß, was für Fördermöglichkeiten es gibt . – „Atemlos durch die Nacht“? Das muss man auch als Politikerin in diesen Tagen manchmal machen . (B) (Dr .Thomas Feist [CDU/CSU]: Die Wei- (D) terbildungsprämie ist immer überbucht! Ein Wir wollen das Aufstiegsfortbildungsförderungsge- Renner!) setz so umbauen, dass es diesen Namen auch verdient . Mit einem individuellen Mix aus Zuschuss und Darle- Ich sage: Schaffen Sie doch endlich Transparenz in hen können wir echte Zugangsgerechtigkeit in der Wei- diesem undurchsichtigen Dschungel . terbildung schaffen . Dabei wollen wir die Lebens- und Einkommenssituation berücksichtigen und gerade die (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Schwächeren fördern . Vereinfachen Sie die Zugänge, damit auch die vorhin (Volker Kauder [CDU/CSU]: Genau das tun genannten Menschen am lebenslangen Lernen teilhaben wir!) können . Damit auch Berufstätige breiten Zugang zu Fort- und (Beifall des Abg . Kai Gehring [BÜND- Weiterbildung haben, müssen endlich auch die Möglich- NIS 90/DIE GRÜNEN]) keiten der Arbeitszeitreduzierung ausgebaut und verein- Dazu gehören natürlich auch transparente, niedrig- facht werden . Unser Konzept ist sozial gerecht . Denn es schwellige, qualitativ hochwertige und flächendeckende gilt der Grundsatz: Wer weniger hat, bekommt mehr – Beratungsangebote vor Ort . und umgekehrt . Sehr geehrte Damen und Herren, es ist doch kein Zu- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – fall, dass in der reichen Industrienation Deutschland so Dr .Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Das ist das wenig Menschen am lebenslangen Lernen teilnehmen . BAföG-Prinzip!) Das hat strukturelle Gründe . Ganz offensichtlich reichen Anders als beim Meister-BAföG sollen bei uns alle die derzeit bestehenden Förderinstrumente nicht aus . Menschen die Möglichkeit erhalten, beruflich aufzustei- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) gen und sich persönlich weiterzuentwickeln; denn das ist zukunftsfähig . Auch Ihnen, liebe Kolleginnen und Kolle- Es ist Ihre Aufgabe, diese Ungerechtigkeit zu beseitigen . gen von der SPD, scheint ja langsam zu dämmern, dass diese Bundesregierung zu wenig tut, um Geringqualifi- Frau Ministerin Wanka, Sie haben gesagt, das Meis- zierte zu fördern . ter-BAföG sei ein entscheidender Beitrag zur Fachkräf- tesicherung, aber es sei kein Beitrag, der die gesamte (Dr . Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Also Weiterbildungsthematik von A bis Z regle . Aber warum wirklich!) 15674 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 159 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 26 . Februar 2016

Beate Walter-Rosenheimer (A) Ich habe Ihren Artikel in der Frankfurter Rundschau Dr. Johanna Wanka, Bundesministerin für Bildung (C) vom 12 . Februar dieses Jahres gelesen, Herr Kollege und Forschung: Rossmann, in dem es darum geht, wie eine sozial gerech- Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Her- te Weiterbildungsförderung aussehen könnte. Ich finde ren! 724, das ist für mich heute die Zahl des Tages, weil die Ideen gut . Daran sieht man: Auch eine Zeitung kann das Gesetz, über das wir heute befinden, bei der Vorbe- ein guter Ort sein, eigene Ideen darzustellen und zu kom- reitung auf sage und schreibe 724 verschiedene Fortbil- mentieren . dungsziele in Anspruch genommen werden kann . Das tun (Dr . Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Aber das in dieser Republik im Moment im Schnitt 170 000 Men- kommt doch auch ins Parlament, Kollegin!) schen in jedem Jahr . Aber Sie sind Teil dieser Bundesregierung, (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Dr . Daniela De Ridder [SPD]: Hört! Hört!) (Dr .Thomas Feist [CDU/CSU]: Was? Das ist mir neu!) Das Meister-BAföG gibt es seit fast 20 Jahren, und es ist gut . Wir hatten mehrere Novellen . Mit der jetzt vor- und Sie tragen Verantwortung, die Dinge hier zu verän- liegenden Novelle sorgen wir dafür, dass es ein echtes dern; denn entscheidend ist, was hier verändert und im Aufstiegs-BAföG ist, dass es familienfreundlich, attrak- Bundestag beschlossen wird . tiv und vor allen Dingen fit für zukünftige Herausforde- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) rungen ist . Das müssen wir in diesem Parlament immer bedenken . Es tut mir leid, aber allein von Gastbeiträgen und vom Fingerzeig auf einen unwilligen Koalitionspartner wird Meine Damen und Herren, es freut mich, dass – – kein einziger Mensch mit schlechteren Startchancen bes- (Beifall des Abg . Dr . Ernst Dieter Rossmann ser gefördert werden . [SPD]) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Es freut mich – – Ich will abschließend die Seite 24 des Koalitionsver- (Beifall des Abg . Hubertus Heil [Peine] trages zitieren: [SPD] – Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Sie ha- Angesichts des demografischen Wandels ist das le- ben zwei Fans! – Heiterkeit) benslange Lernen so wichtig wie nie . Diese gesamt- gesellschaftliche Aufgabe wollen wir im Rahmen Präsident Dr. Norbert Lammert: der „Allianz für Aus- und Weiterbildung“ bewälti- Frau Ministerin, genießen Sie diese Szene in vollen (B) gen . Zügen . Es kommt ganz selten vor, dass die schlichte An- (D) (Dr .Thomas Feist [CDU/CSU]: Ja! Wir tun kündigung, dass man sich als Mitglied der Bundesregie- nichts anderes! – Martin Rabanus [SPD]: Das rung freue, zu einer solch spontanen Sympathiebekun- passiert auch!) dung führt . Liebe Kolleginnen und Kollegen, stellen Sie sich die- (Heiterkeit) ser Aufgabe! Drehen Sie nicht nur an den kleinen Stell- schrauben! Nutzen Sie die breite Allianz für Aus- und Dr. Johanna Wanka, Bundesministerin für Bildung Weiterbildung! Bei den Gewerkschaften stoßen Sie doch und Forschung: sicher auf offene Ohren . Ich freue mich sehr, dass der Präsident diese Debatte (Dr . Daniela De Ridder [SPD]: In der Tat!) leitet, weil er einmal an unserem Gesetz herumgenörgelt hat . Wir stimmen Ihrem Gesetzentwurf heute zu . Aber wir finden, bei der Weiterbildung bleibt noch einiges zu tun. (Heiterkeit) Wir geben die Hoffnung nicht auf, – Meine Damen und Herren, lachen Sie nicht so lange; (Dr . Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Wir auch das geht von meiner Zeit ab . nicht!) Ich freue mich, dass es aus den Kreisen der Koaliti- dass lebenslanges Lernen auch in der Großen Koalition onsfraktionen in Bezug auf den Gesetzentwurf Lob gibt, ankommt . dass er ihnen so gut gefallen hat und dass sie ihn noch besser gemacht haben . Auch setze ich darauf, dass die (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – zusätzlichen notwendigen Finanzmittel bereitgestellt Dr .Daniela De Ridder [SPD]: Wir haben ja werden . noch ein bisschen Zeit bis zum Ende der Le- gislaturperiode!) Schauen wir uns einmal – wir haben jetzt mehrfach darüber geredet – das Gesetz an . In ihm sind zum Bei- Präsident Dr. Norbert Lammert: spiel Leistungsverbesserungen enthalten . Sie betreffen – ich dekliniere das einmal herunter – den Zuschussanteil, Für die Bundesregierung hat nun die Bundesministe- die Familienaufschläge, den Förderbetrag für das Meis- rin Johanna Wanka das Wort . terstück und weitere Dinge . Alles wird erhöht . Es gibt (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- weniger Bürokratie . Das Problem mit der Bürokratie ordneten der SPD) spielt hier also keine Rolle . Man kann den Förderantrag Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 159 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 26 . Februar 2016 15675

Bundesministerin Dr. Johanna Wanka (A) online stellen . Vor allen Dingen wird in Bezug auf die bleiben . Es wird vieles über die Bildungsprämie und über (C) Teilnahmenachweise – das ist auch für die Länder sehr andere Maßnahmen geregelt . Das ist aber nicht Aufga- wichtig – der Bürokratieaufwand im Schnitt um die Hälf- be dieses Gesetzes . Dieses Gesetz betrifft dezidiert die te reduziert . Aufstiegsfortbildung für eine bestimmte Gruppe von Menschen aus dem dualen System oder auch – da gibt (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) es jetzt eine entsprechende Erweiterung – aus dem Hoch- Das Gesetz schafft – das sage ich jetzt auch in Rich- schulsystem . tung der Grünen – vor allen Dingen für den Einzelnen (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- mehr Transparenz . Bisher war es deutlich komplizier- ordneten der SPD) ter . Das Meister-BAföG hing bislang davon ab, wie die Klassenzusammensetzung war, wie vielen es zustand et Wir schaffen nicht nur ein attraktives Aufstiegs-BAföG cetera . Ab jetzt – mit Wirksamwerden dieses Gesetzes – für diejenigen, die wir in den Handwerksbetrieben oder hängt es nur noch von den individuellen Voraussetzun- in den großen Firmen brauchen – also für die Fach- und gen des Einzelnen ab, ob er Meister-BAföG bekommt . Führungskräfte –, sondern auch für Pflegekräfte, für Das ist, glaube ich, für ihn – er kann ja nicht über die Erzieherinnen und Erzieher . Frau Hein, wir haben hier Klassenzusammensetzung oder anderes entscheiden – schon einmal darüber diskutiert: Wir brauchen eine Re- außerordentlich wichtig . gelung bezüglich dieses Anteils von 70 Prozent . Das be- deutet aber, dass jemand, der einen entsprechenden Kurs (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) besucht, bei förderfähiger Verteilung der praktischen Jetzt etwas Prinzipielles, Frau Hein; da gibt es, glaube Zeiten noch Anspruch auf acht Wochen Urlaub im Jahr ich, einen ideologischen Unterschied . Wenn man gerecht hat. Ich finde, das ist vertretbar. Dann kann voll durchge- handeln will, muss man berücksichtigen, ob die Voraus- fördert werden . Es ist möglich, die gesamte Förderkette setzungen bei denen, die man beurteilt oder bedenkt, in Anspruch zu nehmen . Auch Praktika können eingebaut gleich oder unterschiedlich sind . Wenn quasi Äpfel und werden . Es gibt da also keine Förderlücke . Birnen gleich gefördert werden, dann ist das nach meiner Ich finde es überhaupt nicht in Ordnung, dass man vor- Auffassung nicht gerecht . Wir sagen, dass es für Allein- gebildete Kräfte als Erzieherinnen einsetzt und dann er- erziehende mit Kindern schwerer ist, eine Meisterfortbil- wartet, dass sie ihre Tätigkeit nicht im Rahmen der regu- dung zu machen . Deswegen bekommen diese dezidiert lären Praktika finanziert bekommen, sondern über einen einen besonderen Zuschlag für die Betreuungskosten – längeren Zeitraum mithilfe von Darlehen . Hier erwarte das ist mir sehr wichtig –, der jetzt 130 Euro beträgt, um ich, dass dann für sie von den Kommunen – oder wer der besonderen Lebenssituation gerecht zu werden . auch immer sie anstellt – sozialversicherungspflichtige (B) (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- Arbeitsplätze geschaffen werden . Das ist entscheidend . (D) ordneten der SPD) (Dr . Rosemarie Hein [DIE LINKE]: Das ist Wenn ich ausgerechnet an der Stelle höre, dass alle das doch gar nicht ausgeschlossen! Das kann man Gleiche bekommen müssen, kann ich nur sagen, dass doch trotzdem alles machen!) sich eine Familie mit eventuell sogar zwei Verdienern in – Nein, kann man nicht . einer anderen Situation befindet. (Dr . Rosemarie Hein [DIE LINKE]: Natür- (Dr . Rosemarie Hein [DIE LINKE]: Warum lich!) nicht auch Studierende mit Kindern? Ich rede von Studierenden an einer Hochschule!) – Nein! – Ja, klar . Ich habe es kapiert . Die dritte Novelle, über die wir heute sprechen, ist, was das Leistungsvolumen betrifft, mit Abstand die (Dr . Rosemarie Hein [DIE LINKE]: Offen- größte Novelle, die wir je hatten . sichtlich nicht!) (Beifall bei der CDU/CSU) Bei Studierenden und denen, die das Meister-BAföG Was Prozentsätze anbelangt, will ich nur ein Beispiel bekommen, gibt es denselben Zuschussanteil in Höhe eines Ehepaares anführen . Die Ehefrau, die an einem von 130 Euro für die Kinder . Das andere ist der zusätzli- Meisterkurs teilnimmt, bekommt jetzt gut 140 Euro mehr che Darlehensanteil im AFBG . Es gibt also – das war uns im Monat . Das Entscheidende ist aber: Sie bekommt wichtig – genau denselben Zuschussanteil, mit Ausnah- auch 263 Euro mehr als Zuschuss ohne Rückzahlungs- me der Alleinerziehenden . pflicht. Das ist wichtig für die Betreffenden. Meine Damen und Herren, dies ist ein sehr gutes Ge- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und setz . Es hat aber Grenzen . Zum Beispiel regelt es nicht, der SPD) wer einen Kurs zur Alphabetisierung besuchen kann und wie man einen zweiten Schulabschluss nachholt . Auch Meine Damen und Herren, ich glaube, dieser Gesetz- regelt es nicht die Anpassungsqualifizierung für Men- entwurf macht Ernst mit der Gleichwertigkeit von be- schen mit einer Qualifikation aus dem Ausland. Wei- ruflicher und akademischer Bildung, und darüber reden terhin regelt es auch nicht Dinge, die die Funktion der wir ja ständig . Jemand, der sich nach der Schule dazu allgemeinen beruflichen Weiterbildung betreffen. Das entschließt – auch mit Abitur –, eine duale Ausbildung zu wird – Gott sei Dank! – bei uns zu 70 Prozent von den machen, begibt sich nicht in eine Sackgasse . Aufgrund Betrieben geleistet . Und das soll an der Stelle auch so der praktischen Erfahrungen kann er später studieren – 15676 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 159 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 26 . Februar 2016

Bundesministerin Dr. Johanna Wanka (A) auch dann, wenn er kein Abitur hat . Wenn ihm das Stu- Danke schön . (C) dium nicht gefällt oder seine Erwartungen nicht erfüllt werden, dann kann er in die duale Ausbildung gehen und (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) sich, je nach Voraussetzung, auch zum Meister ausbilden lassen . Jemand, der einen Bachelor hat, kann jetzt nach Präsident Dr. Norbert Lammert: diesem Gesetzentwurf auch einen Handwerksbetrieb lei- Hubertus Heil von der SPD ist nun der nächste Red- ten, wenn er seinen Meister nachmacht . ner . Diese Dinge beeinflussen die Attraktivität des beruf- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten lichen Systems ganz entscheidend, und wir reden nicht der CDU/CSU) nur darüber, sondern wir handeln auch und stellen viel Geld dafür zur Verfügung . Allein in den nächsten Jah- Hubertus Heil (Peine) (SPD): ren wird dafür fast eine Viertelmilliarde Euro zusätzlich Sehr geehrter Herr Präsident! Meine lieben Kolle- ausgegeben . ginnen und Kollegen! Leistung und nicht Herkunft soll (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und zählen . Mit diesem Gesetzentwurf machen wir deutlich, der SPD) dass wir in diesem Land auch Aufstieg durch Fortbildung wollen und dass wir Menschen, die sich anstrengen, die Meine Damen und Herren, die Attraktivität des Auf- sich im Job weiterbilden und vorankommen wollen, un- stiegs-BAföG wurde bereits erwähnt, aber es ist klar: Das terstützen und Hürden aus dem Weg räumen . Deshalb ist Gesetz muss auch durch den Bundesrat . Deswegen sage das ein guter Gesetzentwurf . ich – ich glaube aber, darin bin ich mir mit den Kolle- gen von der A-Seite, die hier sind, einig –, dass wir die (Beifall des Abg . Dr . Ernst Dieter Rossmann A-Länder vielleicht noch ein Stück gemeinsam davon [SPD]) überzeugen müssen . Das reiht sich ein – die Ministerin, der Kollege Rabanus (Martin Rabanus [SPD]: Die A-Länder sind und Herr Dr . Feist haben Details des Gesetzentwurfes nicht das Problem!) schon referiert – in eine ganze Kette von Maßnahmen, die wir auf den Weg gebracht haben, um die berufliche – Die A-Länder sind das Problem an dieser Stelle . Bildung in diesem Land voranzubringen . (Martin Rabanus [SPD]: Die A-Länder sind Ich will auch noch einmal daran erinnern, was wir mit immer gut!) diesem Gesetzentwurf insgesamt auf den Weg bringen: die Öffnung der Förderung für die Bachelorabsolventen, (B) Aber wir werden sie überzeugen . Das wird nicht das Pro- die Anhebung der Unterhaltsbeträge, den einkommens- (D) blem sein . Ich denke, wir kriegen das im Bundesrat hin . unabhängigen Kinderbetreuungszuschlag für Alleiner- ziehende, das Attraktivitätspaket Meisterstück, die Er- (Dr . Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Das glau- höhung des maximalen Maßnahmenbeitrages und die be ich auch!) Erhöhung des Vermögensfreibetrages . Ich finde es interessant, dass immer wieder gefordert Daneben ist mir ganz wichtig – das ist uns im Ge- wird, der Bund müsse hier tätig werden . Vielleicht war setzgebungsverfahren gelungen –, dass wir auch dafür ich zu lange an anderer Stelle im föderalen System aktiv, gesorgt haben, dass der Zuschuss für Maßnahmen auf (Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- 40 Prozent erhöht wird . Überall wird über Gebührenfrei- NEN]: Das kann sein!) heit in der Bildung geredet. Das finden wir Sozialdemo- kraten auch richtig . Ich denke beispielsweise an die Ab- aber für mich ist Bildung immer noch in einem großen schaffung der Studiengebühren, die bundesweit gelungen Maße Ländersache, und daran wollen wir vonseiten des ist . Wir sorgen nun dafür, dass auch die Meistergebühren Bundes nichts ändern, sondern wir wollen Dinge gemein- für die betroffenen Menschen gesenkt werden . Das ist ein sam machen . Diese Änderung der Aufstiegsfortbildungs- ganz wesentlicher Schritt . förderung machen wir gemeinsam – mit einer Verteilung von 78 zu 22 Prozent . (Beifall bei der SPD) Gemeinsam haben wir als Koalitionsfraktionen aus (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) einem guten Gesetzentwurf einen noch besseren Gesetz- Auch angesichts der Redebeiträge der Oppositions- entwurf gemacht . Frau Wanka, deshalb sind wir nicht nur fraktionen glaube ich, dass wir auf dieses Gesetz, wenn diejenigen, die Sie auf diesem Weg unterstützen, sondern es im Bundesgesetzblatt steht, gemeinsam stolz sein kön- wir selbst sind ein bisschen stolz darauf, dass wir das nen, und wir sollten das auch vertreten . Wenn Sie ent- gemeinsam mit den Koalitionsfraktionen geschafft ha- sprechend abstimmen, können wir hier an dieser Stelle ben . Den Haushältern und den Berichterstattern, Herrn sagen, dass es uns in diesem Parlament gelungen ist, das Dr .Feist und Herrn Rabanus, ist zu Recht gedankt wor- erfolgreichste, wichtigste und bedeutendste Förderinstru- den . Das ist ein richtig guter Gesetzentwurf geworden . ment, das wir im Bereich der Ausbildung haben, Damit können wir uns wirklich sehen lassen . Dafür ganz herzlichen Dank! (Volker Kauder [CDU/CSU]: Genau!) (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten weiter zu stärken und zu verbessern . der CDU/CSU) Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 159 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 26 . Februar 2016 15677

Hubertus Heil (Peine) (A) Aber ich habe es schon gesagt: Das ist eine ganz dung im dualen System, aber auch im berufsfachlichen (C) zentrale Maßnahme, die wir heute mit der zweiten und Bereich im Vergleich zu anderen Ländern haben . Da sind dritten Lesung abschließen . Frau Ministerin, ich bin mir OECD-Studien falsch gelesen worden, als es die Diskus- sicher, dass das Signal, das Sie an alle Länder gegeben sion über die Akademisierung gegeben hat . Wir sind mit haben, unser gemeinsames Signal ist . Wir stehen ge- Portugal und Spanien verglichen worden . Heute wissen meinsam in der Verantwortung für das Meister-BAföG; wir: In diesen Ländern gibt es unsere Form der Ausbil- auch das sagen wir sehr deutlich . Wie gesagt: Es ist eine dung nicht . Das ist ein Grund für die hohe Jugendarbeits- zentrale Maßnahme, um Hürden tatsächlich wegzuräu- losigkeit in diesen Ländern . men und gleichzeitig für die Attraktivität der beruflichen Ausbildung in diesem Land zu sorgen . Wir geben auch Wir müssen nur ein bisschen aufpassen, dass das Pen- denjenigen eine Perspektive, die sich im Beruf fortbilden del jetzt nicht in die falsche Richtung ausschlägt . Es geht wollen . Damit sorgen wir für Durchlässigkeit . nicht an, dass wir akademische und berufliche Bildung gegeneinander ausspielen . Das Ganze reiht sich in ein größeres Maßnahmenpa- ket der gesamten Bundesregierung ein . Mit der Allianz (Dr .Thomas Feist [CDU/CSU]: Das macht für Aus- und Weiterbildung – das ist mir ganz wichtig – doch keiner!) ist es dieser Regierung gemeinsam mit den Sozialpart- Das tun einige in der öffentlichen Debatte . nern gelungen, einem Trend entgegenzuwirken, der in den letzten Jahren leider um sich gegriffen hat, dass näm- (Dr .Thomas Feist [CDU/CSU]: Wer?) lich fast alle nach Fachkräften rufen, aber die Zahl der Darunter ist auch jemand, den ich persönlich gerne mag beruflichen Ausbildungsplätze in den letzten Jahren eher und der diesen Begriff mit erfunden hat – ein Philosoph zurückgegangen ist . Wir haben im Rahmen der Allianz aus München . für Aus- und Weiterbildung – dafür hat sich federführend Minister Gabriel eingesetzt – gemeinsam mit den Sozial- Ich sage an dieser Stelle: Das ist kein Nullsummen- partnern, der Wirtschaft und den Gewerkschaften dafür spiel . Wir setzen auf Gleichwertigkeit und auf Durchläs- gesorgt, dass es eine Trendumkehr gegeben hat . Es gibt sigkeit, weil wir alle Potenziale und Talente in diesem wieder mehr Ausbildungsplätze in Deutschland . Das ist Land zur Entfaltung bringen wollen . Mit dem Meis- die erste gute Nachricht für junge Menschen . ter-BAföG öffnen wir dafür Wege . Deshalb ist das ein guter Tag für die berufliche Bildung und für das Bil- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten dungssystem insgesamt . Es ist ein guter Tag für viele der CDU/CSU) Menschen in Deutschland, die demnächst eine Chance Die zweite gute Nachricht ist, dass wir im Rahmen der haben werden, die sie bisher nicht gehabt haben . (B) Allianz für Aus- und Weiterbildung über öffentliche Un- Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit . (D) terstützung vor allen Dingen etwas für die jungen Men- schen getan haben, die es besonders schwer haben . Wir (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) unterstützen zum Beispiel benachteiligte junge Menschen mit Maßnahmen der Assistierten Ausbildung . Damit ma- Präsident Dr. Norbert Lammert: chen wir deutlich: Wir lassen kein Kind und keinen Ju- Das Wort erhält nun die Kollegin Lena Strothmann für gendlichen zurück . Wir wollen nicht länger zusehen, dass die CDU/CSU-Fraktion . noch immer 1,5 Millionen Menschen zwischen 20 und 30 Jahren ohne jede Form von beruflicher Erstausbildung (Beifall bei der CDU/CSU) dastehen . Wir können nicht über Fachkräftemangel jam- mern und diesen jungen Menschen keine zweite Chance Lena Strothmann (CDU/CSU): geben . Auch da haben wir uns auf den Weg gemacht . Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kol- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten leginnen und Kollegen! Das deutsche Handwerk begrüßt der CDU/CSU) die Verbesserungen zum Meister-BAföG sehr . Jetzt kommt, wie gesagt, das Meister-BAföG für dieje- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- nigen, die schon qualifiziert sind und nach vorne wollen. ordneten der SPD) Das hat noch einen weiteren Effekt: Wenn diese Men- Ich will jetzt nicht alle Punkte noch einmal aufzählen; schen Meister werden, sind das auch mögliche Ausbilder . vieles ist schon gesagt . Aber mir als Handwerksmeisterin Insofern ist das eine richtig gute Tat . Wir haben auch für sind drei Punkte besonders wichtig . Durchlässigkeit im Bereich des Bachelors gesorgt . Wir werden mit dem BBiG die Strukturen im Bereich der be- Der erste Punkt ist die Verbesserung der Unterhaltsför- ruflichen Bildung noch in dieser Legislaturperiode weiter derung inklusive der Förderelemente, damit auch Famili- zu modernisieren haben . enangehörige einbezogen werden können . Im Handwerk nehmen traditionell sehr viele an den Vollzeitlehrgängen Warum erwähne ich das alles? Weil mir angesichts teil . Die Absicherung des Familieneinkommens ist oft bestimmter Debatten, die unter dem Stichwort „Akade- ausschlaggebend, damit junge Menschen überhaupt an misierungswahn“ geführt werden, ein bisschen bange einem Lehrgang teilnehmen . ist . Es ist richtig: Es ist der Öffentlichkeit und uns allen in den letzten Jahren zu wenig bewusst gewesen – das Zweiter Punkt . Wichtig ist auch die Erhöhung des Zu- stand zu wenig in den Zeitungen –, welchen Wert wir in schusses zu den Unterhaltskosten auf 50 Prozent wie bei Deutschland mit unserer speziellen beruflichen Ausbil- den Studenten. Die Gleichwertigkeit der beruflichen und 15678 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 159 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 26 . Februar 2016

Lena Strothmann (A) akademischen Bildung muss eben auch gelten, wenn es Tendenz steigend . Wir rechnen damit, dass es 2020 unge- (C) um die finanzielle Förderung geht. fähr 80 Prozent sind . (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- Darum fehlen uns im Handwerk geeignete Auszu- ordneten der SPD) bildende, während die Unis unter dem großen Andrang Der dritte Punkt ist die Erhöhung des maximalen För- stöhnen . Bachelor und Meister sind auf dem Papier derbeitrages für das Meisterstück . Denn das Meisterstück gleichgestellt . Dafür haben wir hart gekämpft . Aber das ist oft nicht nur sehr teuer in seiner Anfertigung; es ist muss noch in den Köpfen von Lehrern, Eltern und Schü- auch für jeden Meister von hohem ideellen Wert . lern ankommen . (Beifall des Abg . Dr . Ernst Dieter Rossmann (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- [SPD]) ordneten der SPD) Bei so manchem Tischler steht heute noch sein Meis- Der akademische Berufsweg ist eben nicht immer terstück im Wohnzimmer . Ich muss gestehen: Auch ich der Königsweg . Gerade in den technischen Studiengän- habe mein Meisterstück voller Stolz viele Jahre getragen . gen haben wir hohe Abbrecherquoten . Zur Wahrheit ge- hört auch – und das muss auch einmal gesagt werden –, (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU dass ein Meister oder Facharbeiter oft mehr verdient als und der SPD – Volker Kauder [CDU/CSU]: manch junger Akademiker . Was mich noch mehr erschüt- Was war es denn? – Michael Grosse-Brömer tert, ist, dass viele jungen Menschen in unserem Land die [CDU/CSU]: Jetzt wird es aber spannend!) unterschiedlichen Berufsbilder und Karrieremöglichkei- – Das erzähle ich Ihnen später . ten im Handwerk nicht kennen . Meine Damen und Herren, heute ist ein guter Tag für (Dr . Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Ja, das das Handwerk . Denn wir verbessern heute nicht nur das stimmt!) Meister-BAföG; wir stärken auch die duale Ausbildung . Sie verbindet die Theorie mit der Praxis und erleichtert Das Handwerk bietet mehr als 130 Ausbildungsberu- so den jungen Menschen den Einstieg in den Arbeits- fe . Das Handwerk ist innovativ . Das Handwerk ist kre- markt . Die duale Ausbildung ist damit auch der Garant ativ, und das Handwerk ist vor allem Hightech . Da ist für unsere niedrige Jugendarbeitslosigkeit im europäi- für jeden etwas dabei . Es gibt viele individuelle Karri- schen Vergleich . eremöglichkeiten von der Ausbildung bis hin zum Stu- dium oder zu der Chance, ein eigenes Unternehmen zu (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) gründen, Stichwort: „Karriere mit Lehre“ . Hier muss die Berufsorientierung unbedingt noch mehr leisten, vor al- (B) Ich kann deswegen das Vorgehen der EU-Kommissi- (D) len Dingen an den Gymnasien . on überhaupt nicht nachvollziehen . Auf der einen Seite bewertet sie das duale System als Best Practice und emp- (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) fiehlt es den südeuropäischen Ländern zur Bekämpfung der hohen Jugendarbeitslosigkeit . Auf der anderen Seite Meine Damen und Herren, wir fördern mit den Ver- stuft sie den Meisterbrief aber als Hemmnis für den Be- besserungen beim Meister-BAföG auch den Weg in die rufszugang und für den Binnenmarkt ein . Selbstständigkeit . Das ist für das Handwerk, aber auch für die gesamte deutsche Wirtschaft von großer Bedeu- Meine Damen und Herren, zur dualen Ausbildung in tung . Denn leider ist die Neigung der jungen Menschen Deutschland gehört der Meisterbrief . zur Selbstständigkeit in den letzten Jahren stark rückläu- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- fig. ordneten der SPD) Das Handwerk braucht nicht nur Auszubildende und Er ist und bleibt die Krönung der beruflichen Ausbil- Fachkräfte, sondern auch junge Unternehmer, die zum dung . Das muss auch Brüssel begreifen . Im deutschen Beispiel einen Betrieb übernehmen . Denn sonst brechen Handwerk werden 371 000 junge Menschen von Meis- uns mit jeder Betriebsaufgabe Arbeits- und Ausbildungs- tern ausgebildet . Deswegen müssen wir auch weiterhin plätze weg . Das hat dramatische Folgen . Denn nach einer für den Meisterbrief kämpfen . Ich bin froh, dass wir uns Umfrage des Zentralverbands des Deutschen Handwerks in diesem Hohen Haus einig sind . Ich erinnere an unseren aus dem vergangenen Jahr stehen bis zum Jahr 2020 gemeinsamen Antrag zum Meisterbrief, den Antrag zur hochgerechnet 180 000 Unternehmen zur Übergabe an, Transparenzinitiative und den Antrag zur Binnenmarkt- weil die Unternehmer in den Ruhestand gehen . Deswe- strategie . gen ist es so wichtig, dass wir heute das Meister-BAföG verbessern . Wir brauchen mehr junge Menschen, die den Aber, meine Damen und Herren, wir müssen auch Schritt in die Selbstständigkeit wagen . im eigenen Land noch ein bisschen mehr für die duale Ausbildung tun. Ich finde es fatal: In Europa wird unser Mein Fazit: Wir können mit diesem Gesetz sehr zu- System hoch gelobt . Aber im eigenen Land verliert es an frieden sein . Es ist ein großer Schritt in die richtige gesellschaftlicher Akzeptanz, ganz nach dem Motto „Der Richtung, ein deutlicher Beitrag zur Gleichstellung von Prophet gilt nichts im eigenen Land“ . Denn für viele beruflicher und akademischer Bildung. Unser nächstes Schulabgänger und Eltern ist die duale Ausbildung leider gemeinsames Ziel sollte dann die vollständige finanzielle nur noch zweite Wahl . Fast 60 Prozent der jungen Men- Gleichstellung sein . Darüber sollten wir in Zukunft re- schen eines Jahrgangs streben ein Hochschulstudium an, den . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 159 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 26 . Februar 2016 15679

Lena Strothmann (A) Herzlichen Dank . Meisterausbildung absolvieren, muss erhöht werden . (C) Sonst bleibt die Lücke zu groß und haben wir nicht den (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Hintergrund für das, was wir in Europa verteidigen wol- len, nämlich den leistungsfähigen handwerklichen Mit- Präsident Dr. Norbert Lammert: telstand, der für Ausbildung, Qualität und wirtschaftliche Ich erteile das Wort dem Kollegen Ernst Dieter Entwicklung wichtig ist . Rossmann für die SPD-Fraktion . Frau Walter-Rosenheimer, Sie haben die Transparenz (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) angesprochen . Ich möchte in diesem Zusammenhang eine Aufgabe ansprechen, die wir als Parlamentarier, Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD): egal von welcher Fraktion, bei einer einstimmigen Be- Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und schlussfassung zu diesem Fördergesetz haben . Wir selber Kollegen! Kollege Feist hat aktuelle Beispiele aus Sach- müssen für dieses Gesetz werben . Wir können damit un- sen genannt . Nun müssen Sie verstehen, dass ich, der ich vergleichlich besser werben als mit dem, was wir bisher als Sozialdemokrat zum Meister-BAföG spreche, in die- hatten, allein schon von den Kerndaten her . Wie Sie wis- sem Zusammenhang auf August Bebel aus Sachsen als sen, gab es früher einen Zuschuss von 44 Prozent . Nun den Urvater aller Sozialdemokraten hinweise . 14 Jahre liegt er bei 50 Prozent . Bislang lag der Zuschuss zum alt war er, als er die Lehre zum Drechsler begann . 18 Jah- Maßnahmebeitrag bei 30,5 Prozent . Nun sind es 40 Pro- re alt war er, als er auf Wanderschaft ging . 24 Jahre alt zent . Bisher lag der Bestehenserlass, der sogenannte Er- war er, als er einen gutgehenden Drechslermeisterbetrieb folgsbonus, bei 25 Prozent . Jetzt werden es 40 Prozent gegründet hat . sein . Wir können sehr gut damit werben und allen sagen: 50, 40, 40, das ist eine klare, transparente Förderleistung . (Volker Kauder [CDU/CSU]: Da hätte er blei- Wenn du das umrechnest, dann stellst du fest, dass das ben sollen! – Gegenruf des Abg . Kai Gehring mehrere Tausend Euro mehr sind, die du als Entlastung [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Kauder- erhältst, wenn du dich auf den beschwerlichen und en- welsch!) gagierten Weg einer Aufstiegsfortbildung machst . – Das Lassen Sie uns aber nicht zu tief in die Eingeweide des müssen die Menschen wissen, damit sie es Kollegen und Parlamentarismus eintauchen . Nur noch so viel: Dem in der Verwandtschaft erzählen können . Dann kann ein ersten Reichspräsidenten Friedrich Ebert wurde von kon- Sog entstehen, sodass in Zukunft möglichst nicht nur servativ-bürgerlicher Seite immer vorgeworfen, er sei ja 50 000, sondern 70 000 oder 80 000 Menschen eine hand- nur Sattlergeselle . Hieran sieht man gut, was sich im Hin- werkliche Meisterausbildung und sogar 100 000 Men- blick auf die Gleichwertigkeit von handwerklicher und schen in der Industrie eine Technikerausbildung bzw . (B) akademischer Ausbildung verändert hat . eine Ausbildung als Fachwirt absolvieren . Auch in den (D) Pflege- und Erziehungsberufen sollte es einen ähnlichen Ich komme in die Gegenwart zurück . Frau Strothmann Anstieg geben . hat in ihrer Rede aufgezeigt, dass es aktuell wichtig ist, nicht nur diejenigen, die ihre Leistungsfähigkeit wei- (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie terentwickeln wollen, zu fördern, nicht nur Qualität zu bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE sichern und Ausbildung zu ermöglichen, sondern auch GRÜNEN) für Nachwuchs für das kleine und mittlere Gewerbe im Handwerk, aber auch für andere Bereiche zu sorgen . Da- Das Gesetz schafft eine positive Stimmung und eröffnet für brauchen wir dieses Gesetz . uns entsprechende Chancen .

Frau Strothmann, Sie haben prägnante Zahlen ge- Frau Ministerin, ein weiterer wichtiger Punkt ist im nannt . Ich möchte noch welche hinzufügen . Jedes Jahr Hinblick auf die Gleichwertigkeit von handwerklicher machen rund 540 000 Menschen einen Ausbildungsab- und akademischer Ausbildung, dass wir nun den Umstieg schluss . Aber nur rund 110 000 Menschen machen einen vom akademischen Bachelor auf den beruflichen Meister Aufstiegsabschluss . Diese Lücke zu schließen und dafür erstmals in die Förderfähigkeit einbeziehen . Das Gegen- zu sorgen, dass mehr Menschen einen Aufstiegsabschluss stück mit aufzunehmen, was die Linke hier anspricht, machen, ist wichtig; denn erst diejenigen, die einen sol- wird Aufgabe zukünftiger Reformen sein . chen Abschluss machen, können in eine Betriebsnachfol- ge eintreten . Nun hatte die Kollegin Walter-Rosenheimer die För- (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) derung der zweiten Chance angesprochen, zum Beispiel mit Blick auf solche, die bisher keinen Berufsabschluss Um noch mehr erklärende Zahlen zu nennen: Die hatten, sich aber noch in höherem Alter anstrengen, einen Frau Ministerin hat darauf hingewiesen, dass das solchen Berufsabschluss zu machen . Das ist nicht nur ein Meister-BAföG gut angenommen und mittlerweile Zeitungsartikel in der Frankfurter Rundschau gewesen, von 170 000 Menschen genutzt wird . Aber von diesen sondern viel wichtiger ist: Wir haben schon den entspre- 170 000 Menschen absolvieren nur 50 000 eine hand- chenden Kabinettsbeschluss dazu . Dies wird als Weiter- werkliche Meisterausbildung. 80 000 befinden sich in bildungsförderungsgesetz vom Kabinett der Großen Ko- einer Techniker- oder Fachwirteausbildung . Hinzu kom- alition so eingebracht . men die Restgrößen in Pflege und Erziehung. Nicht, dass Sie das falsch verstehen, aber das sind die kleinsten (Beate Walter-Rosenheimer [BÜNDNIS 90/ Gruppen . Die Zahl derjenigen, die eine handwerkliche DIE GRÜNEN]: Sehr gut!) 15680 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 159 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 26 . Februar 2016

Dr. Ernst Dieter Rossmann (A) Diejenigen, die zu einem späteren Zeitpunkt als zweite Dr. Wolfgang Stefinger (CDU/CSU): (C) Chance eine Berufsausbildung abschließen wollen, be- Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und kommen zur Zwischenprüfung 1 000 Euro und zur End- Kollegen! Deutschland ist wirtschaftlich stark . Das liegt prüfung 1 500 Euro als materielle Belohnung . Die Große auch daran, dass wir ein starkes Berufsausbildungssys- Koalition hat dies im Kabinett auf den Weg gebracht, um tem haben . Unser betriebliches Ausbildungssystem ist den Ausgleich in Bezug auf die Anstrengungen auf allen jedem anderen überlegen . Nicht Länder mit hohen Aka- Wegen zu schaffen . demikerquoten verfügen über eine hohe Wirtschaftskraft (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) und eine geringe Jugendarbeitslosigkeit, sondern Länder mit einem betrieblichen Berufsausbildungssystem wie Herr Kauder, das ist wunderbar: Frau von der Leyen die Bundesrepublik Deutschland . hat es noch abgelehnt; in der Großen Koalition kann Frau Nahles das ins Kabinett und ins Parlament einbringen . Deutschland hat die niedrigste Jugendarbeitslosigkeit Das macht uns glücklich . in Europa . Die Vorteile unseres Systems liegen auf der Hand; das ist schon gesagt worden . Die Ausbildungsin- (Beifall bei der SPD – Volker Kauder [CDU/ halte richten sich nämlich nach dem betrieblichen Bedarf . CSU]: Es freut mich, wenn Sie glücklich Das heißt: Was gebraucht wird, wird auch vermittelt . Pra- sind!) xis und Theorie stehen gleichermaßen im Mittelpunkt der Vielen ist gedankt worden, etwa der Ministerin, den Ausbildung . Haushältern und den Berichterstattern . Ich möchte einen Unser Ziel ist es, junge Menschen für eine betriebliche besonderen Dank an die Fachkräfte auf der letzten Reihe Berufsausbildung zu begeistern . Wir wollen motivieren, der Regierungsbank richten . Denn sie haben uns bis ins unterstützen und vor allem aufzeigen, dass mit einer Be- letzte Detail bei diesem Gesetzesvorhaben beraten kön- rufsausbildung alle Wege offenstehen . Bei uns gibt es nen . keinen Abschluss ohne Anschluss . Das ist die Realität in Ich will noch etwas aus dem persönlichen Bereich Deutschland . aus Schleswig-Holstein erzählen . Wir Abgeordnete aus (Beifall bei der CDU/CSU) Schleswig-Holstein haben traditionell nicht nur Wirt- schaftsjunioren und Gewerkschaftsvertreter als Prakti- Vor wenigen Wochen habe ich wieder als Gastdozent kanten im Parlament . Wir haben Jahr für Jahr gestandene an der Hochschule München ein Seminar im Studien- Handwerksmeisterinnen und -meister zu einem einwö- gang Unternehmensführung gehalten . Der Studiengang chigen Praktikum bei uns im Bundestag . Das ist wunder- ist gemeinsam mit der Handwerkskammer für München bar . Schon zwei Meister für Heizung, Sanitär, Klimatech- und Oberbayern entwickelt worden . 25 hochmotivierte (B) nik, ein Schmiedemeister und ein Maurermeister konnten Handwerker aus allen Bereichen, Techniker und Fach- (D) bei mir im Parlament auch die Gleichwertigkeit von par- wirte, bilden sich fort . Sie studieren ohne Abitur . Ich lamentarischer und handwerklicher Arbeit kennenlernen . muss Ihnen sagen: Ich finde es großartig – von der Werk- bank in den Hörsaal, in Deutschland alles möglich . Präsident Dr. Norbert Lammert: Wir sprechen von der Gleichwertigkeit der berufli- Herr Kollege . chen und akademischen Bildung . Wir haben bereits eine BAföG-Reform für Schüler und Studenten beschlossen . Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD): Jetzt ist die berufliche Bildung an der Reihe. Die Auf- Ich möchte an dieser Stelle alle ermutigen: Holen Sie stiegsfortbildungsförderung, kurz: das Meister-BAföG, sich das Handwerk, holen Sie sich die Meister in die Bü- wird verbessert, angehoben und entbürokratisiert . Wir ros . Das ist für beide Seiten wichtig . halten damit Wort: Die berufliche Aus- und Weiterbil- dung ist uns genauso wichtig wie die Hochschulbildung . (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) (Beifall bei der CDU/CSU) Ich persönlich möchte dieses Gesetz den Meistern, die Das unterstreicht nicht nur der heute vorliegende Ge- bei mir waren, widmen . Ich kann sagen: Sie haben genü- setzentwurf, sondern auch der fast parallel zu dieser De- gend Druck für ein gutes Gesetz gemacht, und sie werden batte stattfindende Besuch der Bundeskanzlerin auf der jetzt erfahren, dass dieser überzeugende Druck auch dazu Internationalen Handwerksmesse in meinem Münchener geführt hat, dass das ganze Parlament einstimmig einem Wahlkreis, auf der sich über 1 000 Aussteller aus über solchen Gesetzentwurf zustimmt . 60 Gewerken präsentieren und die nicht nur über ihre teils innovativen Produkte, sondern auch über mögliche Danke schön . Berufe und Karrierewege informieren . (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) (Beifall bei der CDU/CSU)

Präsident Dr. Norbert Lammert: Das Meister-BAföG ist eine beeindruckende Erfolgs- Wolfgang Stefinger ist der letzte Redner zu diesem Ta- geschichte . In den letzten 20 Jahren wurden 1,7 Milli- gesordnungspunkt für die CDU/CSU-Fraktion . onen Menschen mit rund 7 Milliarden Euro gefördert . Ohne diese Förderung hätten wir heute zigtausend we- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- niger Techniker und Meister in unserem Land und damit ordneten der SPD) niemanden, der unsere kleinen und mittelständischen Be- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 159 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 26 . Februar 2016 15681

Dr. Wolfgang Stefinger (A) triebe führen könnte . Wir wollen diesen Erfolg fortset- Ich bitte nun diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der (C) zen . Deshalb ist die vorliegende Reform so wichtig . Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzei- chen .– Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Bei Durch den Geburtenrückgang und die gestiegene Stu- Enthaltung der Fraktion Die Linke ist der Gesetzentwurf dienneigung kommt das Berufsausbildungssystem im- damit in zweiter Beratung mit den übrigen Stimmen des mer stärker unter Druck . Wir müssen deshalb weg von Hauses angenommen . dem Bild, dass in erster Linie akademische Abschlüsse anzustreben sind . Es muss das Motto gelten: Lieber eine Wir kommen zur ordentliche Berufsausbildung als ein schlechtes Studium . (Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: dritten Beratung Sie wollen aber nicht das Studium schlechtre- den, oder?) und Schlussabstimmung . Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben .– Das Wir erleben bereits heute, dass Ausbildungsplätze un- wird reichen . Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Auch besetzt bleiben . Unternehmen bekommen teilweise nicht das reicht . Damit ist der Gesetzentwurf mit dem gerade eine einzige Bewerbung auf ausgeschriebene Lehrstel- genannten Stimmenverhältnis, also mit Zustimmung der len . Gleichzeitig arbeitet jeder fünfte europäische Aka- Koalitionsfraktionen und der Fraktion Bündnis 90/Die demiker in einem Beruf, für den kein Studium notwendig Grünen bei Enthaltung der Fraktion Die Linke, ange- wäre . Bis 2020 fehlen bis zu 1,4 Millionen Fachkräfte nommen . Ich schließe mich den mehrfach vorgetragenen im technischen Bereich . Deswegen stärken wir mit dieser Glückwünschen an alle Beteiligten gerne an . Reform das Berufsausbildungssystem . Wir motivieren, wir setzen Anreize, wir schaffen Erleichterungen durch Unter Buchstabe b der Beschlussempfehlung des fe- Flexibilisierung, wir geben mehr Unterstützung, wir er- derführenden Ausschusses auf der Drucksache 18/7676 höhen die Förderung für das Meisterstück, und wir set- empfiehlt dieser, eine Entschließung anzunehmen. Wer zen Anreize durch einen Erfolgsbonus bei Bestehen der stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt Prüfung . dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist bei Stimment- (Beifall bei der CDU/CSU) haltung der Oppositionsfraktionen diese Beschlussemp- fehlung angenommen . Wir erhöhen auch den Unterhaltsbetrag und den Zu- schuss für die Kinderbetreuung und berücksichtigen die Wir setzen die Abstimmungen zu den Beschlussemp- Pflege von Angehörigen. fehlungen des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung auf der Drucksache 18/7676 (B) Die beruflichen Aussichten für Lehrberufe sind gut, fort und kommen unter dem Tagesordnungspunkt 19 b (D) sie sind sogar sehr gut . Tausende Betriebe suchen in den zu der Beschlussempfehlung unter Buchstabe c, die Ab- nächsten Jahren einen Nachfolger . Wenn wir die Ein- lehnung des Antrages der Fraktion Die Linke auf Druck- kommensentwicklung bei Handwerksmeistern anschau- sache 18/7234 zu beschließen; hier geht es um einen en, dann stellen wir fest, dass der alte Satz stimmt: Das Antrag mit dem Titel „Durchlässigkeit in der Bildung Handwerk hat goldenen Boden . sichern, Förderlücken zwischen beruflicher Bildung und Heute ist ein guter Tag für unser Land, ein guter Studium schließen“ . Wer stimmt dieser Beschlussemp- Tag für die berufliche Ausbildung in Deutschland. Wir fehlung zu? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – stärken die berufliche Bildung und sorgen dafür, dass Damit ist die Beschlussempfehlung mit den Stimmen der Deutschland stark bleibt . Koalition angenommen .

Vielen Dank . Schließlich empfiehlt der Ausschuss unter Buchsta- (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) be d seiner Beschlussempfehlung die Ablehnung des Antrags der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf der Drucksache 18/7239 mit dem Titel „Bildungszeit PLUS –

Präsident Dr. Norbert Lammert: Weiterbildung für alle ermöglichen, lebenslanges Lernen Ich schließe die Aussprache . fördern“ . Wer stimmt dieser Beschlussempfehlung zu? – Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bun- Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist desregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur Ände- auch diese Beschlussempfehlung mit den Stimmen der rung des Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetzes . Der Koalitionsfraktionen angenommen . Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenab- schätzung empfiehlt unter Buchstabe a seiner Beschluss- Damit kommen wir nun zum Tagesordnungspunkt 20: empfehlung auf der Drucksache 18/7676, den Gesetzent- wurf der Bundesregierung auf der Drucksache 18/7055 Beratung des Antrags der Abgeordneten Nicole in der Ausschussfassung anzunehmen . Gohlke, Roland Claus, Sigrid Hupach, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Hierzu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion Die Linke auf der Drucksache 18/7695 vor, über den wir Finanzierung der Wissenschaft auf eine ar- zuerst abstimmen . Wer stimmt für diesen Änderungsan- beitsfähige Basis stellen – Bildung und For- trag? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Damit schung in förderbedürftigen Regionen solide ist der Änderungsantrag mehrheitlich abgelehnt . ausstatten 15682 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 159 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 26 . Februar 2016

Präsident Dr. Norbert Lammert (A) Drucksache 18/7643 50 000 Studienplätze für die Ausbildung von Lehrkräften (C) Überweisungsvorschlag: mit Bundesmitteln schaffen . Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenab- (Beifall bei der LINKEN – Tankred Schipanski schätzung (f) Haushaltsausschuss [CDU/CSU]: Aber wie wollen Sie das finan- zieren?) Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für diese Aussprache 77 Minuten vorgesehen . – Auch dazu Sie von der Union reden immer gern von der Indus- sehe ich keinen Widerspruch . Also können wir so ver- trie 4 .0 . Doch Sie vergessen: Industrie 4 .0 verlangt einen fahren . höheren Anteil an bestausgebildeten Spezialisten . Wa- rum schaffen Sie nicht die notwendigen Studienplätze? Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort dem Kollegen Ralph Lenkert für die Fraktion Die Linke . Die Linke weiß, dass im Sozialbereich, in der Verwal- tung und auch bei der Integration deutlich mehr Fach- (Beifall bei der LINKEN) kräfte benötigt werden . Deshalb wollen wir zusätzliche 80 000 Studienplätze für Fachkräfte im Sozialbereich, Ralph Lenkert (DIE LINKE): für kleine und mittlere Unternehmen, für Verwaltungen, für die Wissenschaft, für die Industrie und auch für die Sehr geehrter Herr Präsident! Geehrte Kolleginnen Integration ausländischer Studentinnen und Studenten und Kollegen! Die Linke beantragt, das gesamte Wissen- schaffen . schafts- und Forschungssystem, insbesondere in förder- bedürftigen Regionen, auf solide Füße zu stellen . (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- neten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – (Beifall bei der LINKEN) Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Das ist ja Das ist erforderlich, weil die Regierung von Union und ein 20-Jahres-Plan, den Sie hier auflegen!) SPD im Exzellenzwahn feststeckt . Vor wenigen Wochen, Mitte Dezember, hatte die Ko- (Lachen bei der CDU/CSU) alition eine Verbesserung des Wissenschaftszeitvertrags- gesetzes in der Größenordnung einer homöopathischen Ja, Spitzenforschung aus Deutschland wurde weltweit Dosis beschlossen . Sie haben versagt . Der Befristungs- sichtbarer; das haben Sie erreicht . Aber dafür zehrt die wahnsinn mit sechs Einjahresverträgen eines Wissen- Forschungsbasis von ihrer Substanz, und dieser Preis ist schaftlers, der aber stets im gleichen Labor arbeitet, der zu hoch . Mangel an Dauerstellen, all das droht weiterzugehen, (Beifall bei der LINKEN) und das will die Linke verändern . (B) (D) Lehrkräfte fehlen an Schulen und Hochschulen . Bib- (Beifall bei der LINKEN – Kai Gehring liotheken können neue Technik und Literatur, auch On- [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir auch!) lineausgaben, nicht im notwendigen Umfang bereitstel- Von unseren jungen Wissenschaftlerinnen und Wis- len . Unser Wissenschafts- und Forschungsnachwuchs senschaftlern erwarten wir, dass sie die kulturelle und lernt in überfüllten Hörsälen und Laboren . Sie von der technologische Zukunft unseres Landes mitgestalten und Koalition vernachlässigen die Basis, und damit gefähr- entwickeln . Sie von der Union speisen 80 Prozent mit den Sie perspektivisch auch die Leistungen der Spitze . befristeten Verträgen ab und verhindern planbare Le- (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg . Kai benswege . Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) (Beifall bei der LINKEN und dem BÜND- Die Linke fordert in ihrem Antrag, die Wissenschafts- NIS 90/DIE GRÜNEN) und Forschungseinrichtungen insgesamt zu stärken . Ein Das ist unwürdig und gefährlich . gravierendes Problem ist die mangelnde Finanzkraft vieler Bundesländer . Das Kooperationsverbot im Bil- Wie sollen unter diesen Bedingungen unsere Hoch- dungsbereich behindert die Beteiligung des Bundes bei schulen und Forschungsinstitute die klügsten Köpfe hal- der Schulfinanzierung. Das Kooperationsverbot gehört ten gegen die verlockenden Angebote aus Wirtschaft, In- abgeschafft . dustrie und dem Ausland? (Beifall bei der LINKEN sowie der Abg . Katja (Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Dörner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – NEN]: Korrekt!) Dr . Simone Raatz [SPD]: Das stimmt!) Hunderttausende Wissenschaftlerinnen und Doktoranden warten bisher vergeblich auf eine Verbesserung ihrer Zu- Der bis 2020 befristete Hochschulpakt muss dauerhaft kunftschancen in Deutschland . Deshalb fordert die Linke fortgesetzt werden . Die für 2017 geplante Erhöhung der ein zehnjähriges Anreizprogramm mit 100 000 unbefris- Bundeszuschüsse zum Hochschulpakt begrüßt die Linke teten Stellen an Hochschulen und Forschungseinrichtun- und fordert ab 2018 eine jährliche Steigerung um 3 Pro- gen . zent . (Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU – In Thüringen werden 2016 über 800 neue Lehrerinnen Dr .Stefan Kaufmann [CDU/CSU]: Kein Pro- und Lehrer in die Schulen kommen . Bundesweit stel- blem, Herr Lenkert! Machen wir!) len die Länder Pädagogen ein . Aber es fehlt inzwischen massiv an Nachwuchskräften . Deshalb will die Linke – Schön . Ich freue mich darauf . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 159 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 26 . Februar 2016 15683

Ralph Lenkert (A) Ein weiterer Punkt . Der Hochschulbau war bis 2006 Dr. Stefan Kaufmann (CDU/CSU): (C) eine im Grundgesetz verankerte Gemeinschaftsaufgabe . Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Sie wurde 2006 mit der Föderalismusreform abgeschafft . vorliegende Antrag der Fraktion Die Linke, Herr Lenkert, In drei Jahren laufen die als Ausgleich vereinbarten ist für mich ein gutes Beispiel dafür, wie Wissenschafts- Kompensationsmittel des Bundes endgültig aus . politik nicht funktionieren kann . (Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Das woll- (Beifall bei der CDU/CSU) ten die Länder so!) Der Bund soll unendlich große Milliardensummen zah- Sollen dann die Bildungschancen von der Finanzkraft der len; aber die Länder entscheiden . Für mich ist dieser Länder abhängen? Machen wir den Hochschulbau wieder Antrag deshalb einfach nur eine dreiste Wunschliste, zur Gemeinschaftsaufgabe, verankert im Grundgesetz . nach dem Motto: Bezahlt mal alles, und wir machen das (Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Wettbe- schon . – So geht es sicherlich nicht . werbsförderalismus!) (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- Anders kommt keine Chancengleichheit zwischen den ordneten der SPD) Regionen zustande . Unter Punkt 4 wird beispielsweise – Sie haben es (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- gesagt – ein Anreizprogramm für zehn Jahre für die neten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Einrichtung von 100 000 unbefristeten Stellen an den Hochschulen gefordert . Ich habe einmal nachgerechnet: Die rot-rot-grüne Landesregierung in Thüringen hat Bei angenommenen 50 000 Euro Personalkosten pro die Hochschulausstattung bereits 2015 um 40 Millionen Stelle und pro Jahr inklusive Steuern und Sozialabgaben Euro erhöht . Im Jahr 2017 wird die Linke in Thüringen würden die Kosten bei sage und schreibe 5 Milliarden zusammen mit SPD und Grünen den Hochschuletat um Euro pro Jahr liegen . Über zehn Jahre gerechnet wür- weitere 60 Millionen Euro – das sind 10 Prozent mehr – de die Umsetzung Ihrer Forderung Kosten in Höhe von auf insgesamt 640 Millionen Euro steigern . 50 Milliarden Euro bedeuten . 50 Milliarden Euro – Herr Lenkert, ich glaube, Sie sehen selber, dass das keine seri- (Dr .Stefan Kaufmann [CDU/CSU]: Und wie öse und keine konstruktive Opposition sein kann . ist es in Brandenburg? – Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Dann geht es den Ländern doch (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- gar nicht so schlecht! Was jammern Sie denn!) neten der SPD – Dr . [CDU/ (B) CSU]: Haben die noch nie gemacht!) (D) In der Summe wachsen in Thüringen im Jahr 2017 die Bildungsausgaben um fast 300 Millionen Euro im Ich darf noch zwei andere Punkte aus Ihren Forderun- Vergleich zu den Ausgaben der letzten CDU-geführten gen herausgreifen . Landesregierung . Mehr kann der Freistaat Thüringen für Erstens . Sie fordern einmal mehr die Aufhebung des unseren Fortschritt nicht stemmen, und anderen Bundes- Kooperationsverbotes im Bildungsbereich . ländern geht es ähnlich . Deshalb: Arbeiten Sie in den Ausschüssen mit an unserem Antrag . Die Bundesregie- (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN und rung muss endlich Verhandlungen mit den Bundeslän- des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) dern starten, um die Grundfinanzierung an Hochschulen und Forschungseinrichtungen solide und dauerhaft zu Diese Forderung ist ja nun altbekannt; finanzieren. (Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- NEN]: Aber richtig!) neten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) aber sie ist mit Blick auf die Kulturhoheit der Länder so- Es geht um nicht mehr und nicht weniger als um die wie der von Ihnen selbst angestrebten einseitigen finan- Zukunft von Forschung und Wissenschaft in unserem ziellen Mehrbelastung des Bundes zugunsten der Länder Land und um eine Zukunft für den wissenschaftlichen schlicht und einfach abzulehnen . Nachwuchs in der Bundesrepublik . (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Vielen Dank . Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Eine Dekade Bildungsblockade! – Özcan (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gute neten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Forderung!) – Herr Mutlu, Sie können noch so viel schreien, daran Präsident Dr. Norbert Lammert: ändert sich nichts . Das Wort erhält nun der Kollege Stefan Kaufmann für die CDU/CSU-Fraktion . (Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Eine Dekade Bildungsblockade! – Zuruf des (Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg . Abg . Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Dr . Simone Raatz [SPD]) NEN]) 15684 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 159 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 26 . Februar 2016

(A) Präsident Dr. Norbert Lammert: schaffen . Das sind über die gesamte Laufzeit des Paktes (C) Können wir uns darauf verständigen, dass im Augen- von 2007 bis 2023 immerhin 20,2 Milliarden Euro, die blick der Kollege Kaufmann das Wort hat und die ande- der Bund hier investiert . ren nachher zu Wort kommen? Vor diesem Hintergrund möchte ich noch einmal aus- (Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- drücklich sagen: Unsere Aufgabe als Bund ist es, über NEN]: Er hat mich angesprochen, Herr Prä- den Artikel 91 b des Grundgesetzes Strukturen unserer sident!) Wissenschaftslandschaft in Deutschland zukunftsfest zu machen und nicht etwa Strukturpolitik zu betreiben und Dr. Stefan Kaufmann (CDU/CSU): strukturschwache Regionen über Bundesmittel zu för- Herr Mutlu, Herr Lenkert, zum Kooperationsverbot: dern, lieber Herr Kollege Lenkert . Wer umfassende Mitfinanzierung fordert, übersieht, dass (Beifall bei der CDU/CSU) er sich damit auch gegen die Zuordnung von Verantwort- lichkeiten stellt . Unklare Zuständigkeiten führen dazu, Sollen die Länder doch bitte erst einmal ihre Hausauf- dass die Verantwortung abgeschoben wird und am Ende gaben selber machen . Wir haben es hier schon mehrmals keiner das Problem löst, meine Damen und Herren . debattiert: Seit dem letzten Jahr entlasten wir, entlastet der Bund die Länder durch die vollständige Übernahme (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) der BAföG-Kosten jährlich und dauerhaft um immerhin Im Übrigen: Schon heute engagiert sich der Bund fi- 1,2 Milliarden Euro – Mittel, die sie gemäß der politi- nanziell in der Bildung so stark und umfassend wie nie schen Vereinbarung insbesondere auch für die Hoch- zuvor . Ich darf den Hochschulpakt, die Qualitätsoffensi- schulen einsetzen sollen . ve Lehrerausbildung, den Qualitätspakt Lehre, den Pakt für Forschung und Innovation, die Exzellenzinitiative, (Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: auch die vollständige Übernahme der BAföG-Finanzie- Selten eine so schlechte Vereinbarung gese- rung durch den Bund, das Programm für Fachhochschu- hen!) len usw . nennen Dass das nicht immer so klappt, haben wir am Beispiel (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Niedersachsen gesehen . Angesichts der aktuellen Situation engagiert sich Weitere neue Spielräume – auch das darf ich heute das BMBF in den nächsten Jahren außerdem mit rund noch einmal sagen – entstehen bei den Ländern, weil 130 Millionen Euro zusätzlich für eine schnelle Integra- der Bund seit Beginn des Jahres 2016 im Rahmen des (B) tion von Flüchtlingen durch Bildung . Ich darf die Kom- Pakts für Forschung und Innovation III den jährlichen (D) petenzfeststellungen, Lern-Apps und Lernbegleiter so- Aufwuchs in den Haushalten der außeruniversitären For- wie die Förderung von Studienkollegs an Hochschulen schungseinrichtungen allein trägt . Die Länder haben also nennen . langfristig erhebliche zusätzliche Mittel zur Verfügung, Eine Änderung des Grundgesetzes wäre im Übri- die insbesondere auch den Hochschulen zugutekommen gen auch länderseitig gar nicht mehrheitsfähig . Die müssen . KMK-Präsidentin, die Bremer SPD-Senatorin Bogedan, (Beifall bei der CDU/CSU) hat sich anlässlich des Beginns ihrer Amtszeit öffentlich skeptisch zur Aufhebung des Kooperationsverbots geäu- Gleichzeitig, meine Damen und Herren, stehen die ßert, und ein Mitregieren des Bundes in der Schulpolitik Länder finanziell so gut da wie selten zuvor. Im neuen will letztlich – das wissen Sie selber, Herr Lenkert – kein Monatsbericht des Finanzministeriums von letzter Wo- Land . che – ganz aktuell – können wir nachlesen, dass die Län- Eine Zustimmung für reine Transferaktionen von der für 2015 zwar mit einem Gesamtdefizit von 6,8 Mil- Bundessteuereinnahmen zu den Bundesländern wird es liarden Euro gerechnet haben, aber tatsächlich – und jetzt mit uns jedenfalls nicht geben . bitte genau zuhören – zu einem Haushaltsüberschuss von 2,8 Milliarden Euro gekommen sind . (Beifall bei der CDU/CSU) (Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Oi, oi!) Wenn wir Gelder für Schulen geben, dann nur, wenn wir auch die Schulpolitik mitgestalten können . Ich sehe Das heißt, wenn die Länder ihre Prioritäten richtig nicht, Herr Lenkert, dass auch nur ein einziges Bundes- setzen würden, müssten die Hochschulen eigentlich im land dazu seine Einwilligung gibt . Geld schwimmen . Das Geld jedenfalls ist da, wenn man die richtigen Prioritäten setzt, meine sehr geehrten Kolle- Ich darf auch für den Hochschulbereich noch einmal ginnen und Kollegen . klarstellen: Die Länder sind und bleiben auch nach In- krafttreten der Änderung des Artikels 91 b des Grundge- (Beifall bei der CDU/CSU) setzes zu Beginn letzten Jahres für die Grundfinanzierung der Hochschulen zuständig . Bei dieser Aufgabe werden Der zweite Punkt – das haben Sie gerade angespro- sie vom Bund bereits in erheblichem Umfang unterstützt . chen, lieber Herr Lenkert – ist: Sie fordern allen Erns- Um Ihnen einmal eine Größenordnung zu nennen: Im tes die Beendigung der erfolgreichen und international Rahmen des Hochschulpakts haben wir gemeinsam mit vielfach nachgeahmten Exzellenzinitiative . Dazu möchte den Ländern notwendige zusätzliche Studienplätze ge- ich Ihnen einmal Folgendes sagen . Die Exzellenzinitiati- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 159 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 26 . Februar 2016 15685

Dr. Stefan Kaufmann (A) ve hat – das hat jüngst ja auch der Imboden-Bericht der Sie einmal nach Brandenburg und nicht nur nach Thü- (C) internationalen Expertenkommission festgestellt – ringen . (Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- (Beifall bei der CDU/CSU) NEN]: Was machen Sie eigentlich damit?) Im Rahmen der öffentlichen Bildungsausgaben gibt in sehr erfolgreicher Art und Weise eine neue Dynamik in Brandenburg im Übrigen den geringsten Prozentsatz, das deutsche Wissenschaftssystem gebracht . nämlich nur etwa 10 Prozent, für die Hochschulen aus . Alle anderen Länder geben hier zum Teil doppelt so viel (Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- für ihre Hochschulen aus . Und vor gar nicht allzu langer NEN]: Was folgt für Sie daraus?) Zeit – auch darauf möchte ich noch einmal hinweisen – Die Weiterentwicklung der Exzellenzinitiative, über wollte die rot-rote Landesregierung in Brandenburg ihren die wir ja derzeit verhandeln – wir hoffen, dass wir sie im Hochschulen auch noch die eingesparten Rücklagen in Juni abschließen können –, soll nun die Voraussetzungen Höhe von 10 Millionen Euro wieder wegnehmen, die die dafür schaffen, ausgewählte deutsche wissenschaftliche Hochschulen mühsam aufgebaut hatten, um langfristige Spitzenzentren in der internationalen Champions League Projekte zu finanzieren. Das ist die Politik, für die Sie langfristig ganz nach vorn zu bringen . Das schaffen wir hier stehen, Herr Lenkert, und das sollten Sie auch ein- aus Sicht der Unionsfraktion eben nicht mit einer För- mal ehrlich sagen . derung nach Proporz oder gar nach dem Gießkannen- (Ralph Lenkert [DIE LINKE]: Wer hat denn prinzip – wie es andere Parteien hier im Haus ja gern die Brandenburger Hochschulen so schlecht fordern –, vorbereitet?) (Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Meine Damen und Herren, kommen Sie also von Ih- Meinen Sie die SPD? – Gegenruf des Abg . rem hohen Ross herunter, und kehren Sie erst einmal vor Dr . Karamba Diaby [SPD]: Nein, das hat er der eigenen Haustür . Das ist meine Bitte, meine Auffor- nicht gesagt!) derung an Sie . Beenden Sie Ihre Traumtänzerei, und hö- sondern nur mit einem klaren Bekenntnis zur Exzel- ren Sie endlich damit auf, zwei- oder dreistellige Milliar- lenzförderung . Selbst der von Ihnen gerne angeführte densummen hier im Haus zu fordern, die dann nach dem OECD-Bildungsdirektor Schleicher sagte in einem Inter- Gießkannenprinzip auf die Länder verteilt werden sollen . view auf die Frage: „Braucht Deutschland Elite-Univer- Meine Damen und Herren, so geht ernsthafte Opposition sitäten?“ – ich darf zitieren –: im Bund nicht . Deshalb bitte ich Sie herzlich, diesem An- trag nicht zuzustimmen . (B) Darüber kann kein Zweifel bestehen . Jeder Staat (D) braucht Spitzenleistungen, die entsprechend geför- Danke sehr . dert werden müssen . Diese werden den Erfolg der Staaten entscheidend bestimmen . Kein Industrie- (Beifall bei der CDU/CSU – Michael Grosse- staat kann sich darauf ausruhen, bei Produktion oder Brömer [CDU/CSU]: Okay! Dann machen Optimierung gut zu sein, das werden andere Staaten wir das nicht!) übernehmen . Präsident Dr. Norbert Lammert: Ich darf an dieser Stelle auch noch einmal Jan-Hendrik Olbertz, den ehemaligen Präsidenten der Humboldt-Uni- Das Wort erhält nun der Kollege Kai Gehring für die versität, zitieren . Er hat es jüngst in einer Podiumsdis- Fraktion Bündnis 90/Die Grünen . Ich vermute einmal, er kussion richtig auf den Punkt gebracht . Er hat nämlich wird jetzt vorführen, wie Opposition richtig geht . gesagt: „Exzellenz für alle wäre eine Parodie .“ Aber viel- leicht, lieber Herr Lenkert, wollen Sie ja zurück zu alten Kai Gehring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): DDR-Zeiten . Dort sagte man ja voller Überzeugung: In Mal schauen .– Danke, Herr Präsident! Liebe Kolle- der Breite sind wir Spitze .– Auch das ist letztlich eine ginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Parodie, und das machen wir nicht mit, lieber Herr Kol- Die Wissenschaftsfinanzierung in Deutschland braucht lege Lenkert . ein Upgrade für mehr Zukunfts- und Innovationsfähig- (Beifall bei der CDU/CSU) keit . Die Linke hat Vorschläge gemacht, wir Grünen ha- ben Vorschläge gemacht . Wenn Sie von Union und SPD Meine Damen und Herren, wer von den anderen damit nicht einverstanden sind, dann legen Sie doch ein- immer nur Wein fordert und selbst nur Wasser gibt, ist fach eigene Vorschläge für eine neue Gesamtarchitektur wenig glaubhaft . Deshalb habe ich mir einmal die Da- der Wissenschaftsfinanzierung in Deutschland vor. ten zu Brandenburg – nicht Thüringen, das Sie gerade als Beispiel zitiert haben, sondern Brandenburg –, einem (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Land, in dem Sie immerhin den Finanzminister stellen, und bei der LINKEN) im Bildungsfinanzbericht des Statistischen Bundesam- So lang ist die Legislatur ja nicht mehr . Langsam wird es tes angeschaut . Von allen ostdeutschen Bundesländern höchste Zeit . hat Brandenburg die geringste Grundfinanzierung pro Studierenden, nämlich nur ungefähr 5 600 Euro jähr- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – lich. Selbst das finanzschwache Sachsen-Anhalt gibt Dr .Petra Sitte [DIE LINKE]: Da fehlt denen 7 100 Euro pro Studierenden jährlich aus . Also: Schauen die Exzellenz!) 15686 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 159 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 26 . Februar 2016

Kai Gehring (A) Seit Monaten dreht sich die Wissenschaftsdebatte schulen in strukturschwachen wie in strukturstarken Re- (C) um die Frage, wie die Exzellenzinitiative weitergeht . gionen . Also: Nicht zögern, sondern machen . Vor vier Wochen hatte die Imboden-Kommission einen hervorragenden Bauplan dafür vorgelegt . Auf die zwei (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Förderlinien Exzellenzcluster und Exzellenzprämie zu und bei der LINKEN) fokussieren, ist eine wegweisende Grundlage für Bund Zweitens: Ausbau und Modernisierung der Infrastruk- und Länder; da sind wir uns mit unseren drei grünen turen des Wissens . Bröckelnde Bauten und marode Labo- Wissenschaftsministerinnen einig . Der Zeitdruck für die re passen nicht zu einer Innovationsnation Deutschland . Einigung ist groß . Heute in acht Wochen muss die Ver- einbarung stehen . Umso unverständlicher ist doch, dass (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Bundesministerin Wanka zu ihrem Exzellenzplan kom- Schon jetzt gibt es einen erheblichen Sanierungsstau an plett schweigt . den Hochschulen . Den müssen wir beheben und einem weiteren Substanzverlust vorbeugen . Wir sagen ganz (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) klar: Bauten und Ausstattung an Universitäten und Fach- Ich kann mir kaum vorstellen, dass sie keinen hat . hochschulen müssen auf die Höhe der Zeit gebracht wer- Wenn Frau Wanka den Unis das Exzellenzkrönchen den: von den Hörsälen bis zu den Bibliotheken, von den selbst aufsetzen will, anstatt die Wissenschaft entschei- digitalen Infrastrukturen über Forschungsgeräte bis hin den zu lassen, dann soll sie das doch wenigstens sagen . zu den Wohnheimplätzen . Also: Nicht zögern, sondern Aber zu schmollen, den sehr guten Imboden-Bauplan in machen . die Schublade zu legen (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) (Zuruf von der CDU/CSU: Das macht doch keiner!) Drittens: Entlastung der Länder bei der Forschungsfi- nanzierung . Wir wollen den Finanzierungsschlüssel der und zur drängenden Überbrückungsfinanzierung für die Leibniz-Gemeinschaft und der Max-Planck-Gesellschaft bisher geförderten Unis und Cluster zu schweigen, ist ändern. Statt fifty-fifty soll der Bund künftig 70 Prozent einfach ein Unding . Frau Wanka muss raus aus dem Hin- terzimmer und muss ihre Exzellenzpläne im Parlament (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) vorstellen . und das jeweilige Land 30 Prozent der Finanzierung übernehmen . (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (B) (Beifall bei der LINKEN) (D) Spitzenförderung ist aber nur ein Aspekt der Wissen- schaftsfinanzierung von Bund und Ländern. Eine neue Im Gegenzug müssen sich die Länder verbindlich ver- Architektur ist seit Jahren überfällig; denn das Verhältnis pflichten, die gewonnenen Spielräume eins zu eins für zwischen Grundfinanzierung der Hochschulen und Dritt- die Grundfinanzierung der Hochschulen zu nutzen. Hier mittelförderung ist immer weiter aus der Balance gera- wäre es angebracht, eine gute Vereinbarung zu treffen; ten . Als größter Drittmittelgeber hat der Bund daran ei- das haben sie bei den BAföG-Mitteln nicht geschafft . nen Löwenanteil . Obwohl der Bund die Hochschulen seit (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) der Verfassungsänderung zum 1 . Januar 2015 dauerhaft finanzieren könnte, setzen Union und SPD vorrangig auf Zudem müssen die Programmpauschalen im Hochschul- Wettbewerb und auf Projektförderung . Dass das nicht gut pakt und für die Forschungsförderung durch die Bun- ist, wissen Union und SPD sogar . Der Erkenntnis muss desressorts erhöht werden . Also: Nicht zögern, sondern aber auch konkretes politisches Handeln folgen . Genau machen . das verlangt die linke und grüne Opposition von Bundes- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN regierung und Koalitionsfraktionen . und bei der LINKEN) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Wir haben in Deutschland eine unheimlich vielfältige und bei der LINKEN) Forschungs- und Hochschullandschaft mit vielen groß- artigen kreativen Köpfen . Diese kreativen Köpfe wollen Worum muss es bei der neuen Wissenschaftsfinanzie- unsere Gesellschaft voranbringen . Sie wollen Lösungen rung gehen? für die großen gesellschaftlichen Herausforderungen entwickeln, und sie wollen mit Sicherheit gut forschen . Erstens um den Hochschulpakt . Die Bund-Länder-Ver- Deswegen warten die Wissenschaftler aller Generationen einbarung dazu läuft bis 2020 . Auch künftig werden vie- genauso sehnsüchtig wie wir in der Opposition auf den le junge Leute aus dem In- und Ausland in Deutschland mehrmals von Frau Wanka angekündigten Nachwuch- studieren, und das ist klasse . Deswegen wollen wir den spakt für neue Stellen an den Hochschulen . Davon hört Hochschulpakt verstetigen und die Ausgaben pro Studi- man seit Monaten nichts mehr . Man braucht ihn aber enplatz auf OECD-Durchschnitt anheben . Das stärkt die dringend; denn es braucht dringend mehr Dauerstellen, Grundfinanzierung der Hochschulen, das sichert Studi- vom Mittelbau bis zur Tenure-Track-Professur . Also: enplätze und Arbeitsplätze, das bringt bessere Lehre und Nicht zögern, sondern machen . Studienbedingungen, eine höhere Finanzierungssicher- heit und Planbarkeit für Universitäten und Fachhoch- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 159 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 26 . Februar 2016 15687

Kai Gehring (A) Bund und Länder müssen einen klugen Rahmen für jeweils 50 Prozent am Hochschulpakt beteiligt sind und (C) gute Wissenschaft setzen und eine neue schlüssige Ge- es funktioniert, samtarchitektur für die Wissenschaftsfinanzierung in Deutschland auf den Weg bringen, und das am besten (Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: noch in dieser Wahlperiode . Wo Herr Rossmann recht hat, hat er recht!) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) dass auch an anderen Stellen, zurzeit beim Gesamtkon- zept zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuch- ses, Bund und Länder zusammenkommen . Präsident Dr. Norbert Lammert: Der Kollege Ernst Dieter Rossmann hat für die Es ist ja auch nicht so, dass es keine gemeinsame SPD-Fraktion das Wort . Verantwortung von Bund und Ländern in Bezug auf den Strukturausgleich gäbe . Er ist vielleicht nicht in (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Artikel 91 b des Grundgesetzes angesiedelt; aber in Artikel 104 b des Grundgesetzes ist er ausdrücklich an- gesiedelt . Das entspricht der Linie, von der die Sozialde- Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD): mokratie Sie gerne weiter überzeugen möchte, vielleicht Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! auch in Bezug auf die aktuell und langfristig wichtige Dem Antrag der Grünen darf man nicht vorwerfen, dass Zukunftsaufgabe der Integration; hier könnte man eine er nicht sehr ausschweifend sei . neue Gemeinschaftsaufgabe schaffen . (Dr . Simone Raatz [SPD]: Der Linken!) Umgekehrt sind wir ganz bei Ihnen, wenn Sie sich – Entschuldigung, der Linken .– Er ist wirklich zu aus- dagegen wehren, vom Prinzip des Wettbewerbs abzu- schweifend . Ich glaube, Herr Kaufmann, Sie sind in Ihrer weichen . Die Linken haben irgendwie ein ungeklärtes Kritik sehr präzise auf vieles eingegangen . Wenn ich nur Verhältnis zum Prinzip des Wettbewerbs in der Wissen- mit einer Hand geklatscht habe – das ist nicht so gut zu schaft; sie haben es nicht aufgearbeitet . Die wichtigste hören –, dann nur, weil Sie an vielen anderen Stellen Po- gemeinsame Institution von Bund und Ländern in der sitionen eingenommen haben, die wir Sozialdemokraten Wissenschaft ist die Deutsche Forschungsgemeinschaft, nicht teilen können . die DFG . Aber die DFG organisiert nichts anderes als ein wettbewerbsgeleitetes Auswahlverfahren bei der Suche In Bezug auf die Grünen fällt uns auf: Ja, Opposition nach Wahrheit . Dazu müssten sich die Vertreterinnen und darf drängeln, aber Opposition muss nicht alles verdrän- Vertreter der Linken einmal im Grundsatz erklären . Sie gen; denn tatsächlich gibt es einen Hochschulpakt, müssten erklären, ob sie glauben, dass Wahrheitssuche (B) außerhalb eines wissenschaftsgeleiteten Wettbewerbs (D) (Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- zu besseren Ergebnissen führt als eine Suche nach der NEN]: Ja, bis 2020!) besten Wahrheit im Wettbewerb, im Rahmen einer Aus- einandersetzung in verschiedenen Projekten, über Peer der sehr gut dotiert ist, der von Bund und Ländern ge- Reviews und anderes. Ich finde, da müssen Sie langsam meinsam finanziert wird. Es gibt einen Beschluss der bei Ihrem eigenen Denken – bis hinein in Ihre Anträge – Koalitionsfraktionen, 1 Milliarde Euro zusätzlich für den zu einer Frontbegradigung kommen . wissenschaftlichen Nachwuchs zu mobilisieren . Wir ha- ben das Wissenschaftszeitvertragsgesetz in einer Weise (Zuruf von der LINKEN) novelliert, die viel Resonanz, auch in der jungen Wissen- schaft, findet. Denn Sie können nicht in drei Landesregierungen – frü- her Mecklenburg-Vorpommern, jetzt Thüringen und (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Brandenburg – all dies mittragen, auch das wettbewerbs- geleitete Prinzip der Deutschen Forschungsgemein- Auch die BAföG-Reform – einschließlich des zusätzlich schaft – Sie stellen es nicht infrage –, aber in Bezug auf mobilisierten Volumens – ist ja nicht die schlechteste Re- die Exzellenzinitiative Scheuklappen haben, als ob das, form gewesen . was bei der DFG gut ist, bei der Exzellenzinitiative auf Insofern möchte ich in dieser Situation mit den Kol- einmal schlecht ist . leginnen und Kollegen in einen Dialog eintreten, anstatt wechselseitig draufzuhauen, und ein paar Schwerpunkte Diese Begradigung sollten Sie erst recht vorneh- setzen . men, wenn Sie aufmerksam einer guten Anhörung zur ­Imboden-Kommission in Sachen Exzellenz gefolgt sind . Kollege Kaufmann, ja, man kann in Bezug auf die Bund-Länder-Zusammenarbeit und das Kooperations- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten verbot verschiedener Auffassung sein . Aber man muss der CDU/CSU) natürlich aufpassen, in welche Widersprüche man sich Man darf sich doch nicht selbst in der Wissenschaft in verwickeln kann, wenn man sagt, dass es doch immer am Deutschland unmöglich machen . Aber Sie sind leider auf besten ist, wenn es klare Verantwortlichkeiten gibt . Denn dem besten Weg dorthin, sich als Partner in der deutschen gleichzeitig sind wir stolz darauf, dass wir zum Beispiel Wissenschaft unmöglich zu machen . Das bekommt Ihrer bei der Absicherung der außeruniversitären Forschungs- Sache nicht gut . einrichtungen eine gemeinsame Verantwortlichkeit bis in die Finanzierung hinein haben, dass Bund und Länder zu (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) 15688 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 159 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 26 . Februar 2016

Dr. Ernst Dieter Rossmann (A) Die Exzellenzinitiative ist angesprochen worden; da- Ich darf für die Sozialdemokratie sagen: Die Struk- (C) rauf möchte ich mich konzentrieren . Die Vorbereitung turen, innerhalb derer wir uns das Ergebnis wünschen, eines gemeinsamen Pakts zwischen Bund und Ländern – haben wir immer transparent gemacht . Am Ende werden auch dort stehen wieder beide zusammen in der Verant- wir uns umso mehr freuen, wenn das Ergebnis zügig vor- wortung; es gibt dort keine geteilte Verantwortung, Herr liegen wird Kaufmann – ist jetzt in einem entscheidenden Stadium . Ich will zumindest für die sozialdemokratische Seite sa- (Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- gen, was wir den guten Ergebnissen der Imboden-Kom- NEN]: Wir verhandeln konstruktiv!) mission in Bezug auf das Instrument der Exzellenzini- und in dem Ergebnis viel von dem enthalten ist, was Pro- tiative, die mit anderen zusammen fessor Imboden vorgeschlagen hat; denn es gibt hier eine seinerzeit für Rot-Grün auf den Weg gebracht hat, ent- große Übereinstimmung mit dem, was wir vorgeschlagen nehmen . Wir entnehmen, dass es wichtig ist, ein wissen- haben . schaftsgeleitetes Verfahren beizubehalten . Wir entneh- men, dass es wichtig ist, den Wettbewerb weiterhin in Präsident Dr. Norbert Lammert: einem wissenschaftsgeleiteten Verfahren zu organisieren . Wir entnehmen, dass es wichtig ist, die Exzellenzcluster Herr Kollege . auszubauen, die das Fundament besonderer Exzellenz an den vielen Hochschulen quer durch die Republik stärken Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD): sollen . Wir entnehmen auch, dass es gut ist, wenn wir Wir können uns nicht vorstellen, dass das Ergebnis ein erkennbare Spitzenuniversitäten haben . ganz anderes sein könnte . Dabei unterscheidet sich unser Ansatz von dem, was (Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- bisher von den Grünen in die Diskussion gebracht wor- NEN]: Ach!) den ist . Auch Professor Imboden geht von einem ein- zigen Indikator aus . Dies ist aber unterkomplex . Wir Wir glauben: Wenn wir hier gemeinsam zügig zu einem können hier aus der Anhörung den hoch anerkannten Ergebnis gekommen sind, dann werden wir auch beim Vorsitzenden des Deutschen Wissenschaftsrates, Profes- Pakt für den wissenschaftlichen Nachwuchs zügig voran- sor Prenzel, zitieren, der von den Institutionen, die als kommen; denn das ist ein weiterer Baustein . Leuchttürme nach Deutschland und Europa ausstrahlen wollen, strategische Konzepte und vor allem auch eine Präsident Dr. Norbert Lammert: Perspektive geradezu einfordert, weil diese mit Blick Herr Kollege Rossmann . auf die Zukunft die Leistungsfähigkeit und die Attrak- (B) tivität der Wissenschaft an den deutschen Hochschulen (D) erhöhen . Nur aus dem Ex-post, also aus dem, was man Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD): früher an Förderung bekommen hat, leitet sich nicht au- Mein letzter Punkt an die Abgeordneten der CDU/ tomatisch eine Perspektive ab, auch wenn es natürlich CSU . Dies wird gewiss nicht die allerletzte Diskussion ein Kriterium unter mehreren sein kann, genauso wie die über das Kooperationsverbot sein . Wir werden diese aber Verankerung von Exzellenzclustern ein Kriterium wer- sehr sachlich, konstruktiv und hoffentlich sehr überzeu- den muss . Wichtig ist jedenfalls: Wir müssen in diesem gend und gewinnend weiterführen . Zusammenhang komplexer denken . Vielen Dank . Wir sollten uns auch nicht klein machen . Professor (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Imboden hat gemeinsam mit seiner hoch ehrenwerten der CDU/CSU) Kommission ausdrücklich festgestellt, dass es bei uns mehr als sehr wenige spitzenleistungsfähige Universitä- ten gibt . Deshalb sagen wir: 10 Universitäten plus x – das Präsident Dr. Norbert Lammert: ist das Maß, aus dem in Deutschland Strahlkraft gewon- Die Kollegin Alexandra Dinges-Dierig hat nun das nen werden kann, aus dem weitere Perspektiven gewon- Wort für die CDU/CSU-Fraktion . nen werden können . (Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg . Natürlich soll es Maßnahmen der Überleitung geben . Dr . Simone Raatz [SPD]) Es soll Anerkennung für diejenigen geben, die bisher in einer ersten Wettbewerbsphase waren . Wir wünschen uns Alexandra Dinges-Dierig (CDU/CSU): und wir sind uns ziemlich sicher, dass wir an dieser Stelle Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! ein sehr gutes Ergebnis erzielen werden . Verehrte Gäste auf den Tribünen! Liebe Kolleginnen und (Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Kollegen von der Linken, ich kann es Ihnen nicht erspa- Wissen Sie denn, was Frau Wanka will? – Ge- ren, dass Sie das eine oder andere jetzt noch einmal hören genruf der Abg . Dr . Simone Raatz [SPD]: Das werden . ist geheim!) Mit Blick auf die Zukunft sage ich: Das wird bestimmt – Kollege Gehring, Sie fragen danach, was die Ministerin auch nicht das letzte Mal sein . will . Man darf in jedem Fall sagen: Die Ministerin will (Ralph Lenkert [DIE LINKE]: Das sind ein sehr gutes Ergebnis . wir von Ihnen gewohnt, dass nichts Neues (Dr . Karamba Diaby [SPD]: Genau!) kommt! – Gegenruf des Abg . Michael Grosse- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 159 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 26 . Februar 2016 15689

Alexandra Dinges-Dierig (A) Brömer [CDU/CSU]: Wer nichts Neues bringt, Aber ich sage auch: Wir haben noch Luft nach oben . (C) kriegt keine neuen Antworten!) (Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Als ich Ihren Antrag gelesen habe und noch einmal NEN]: Sehr viel Luft nach oben!) gelesen habe, hat es mir ehrlich gesagt – ich sage das so – Wir nutzen sie, lieber Kollege Mutlu . salopp – fast die Schuhe ausgezogen . (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Nicht nur Hoffentlich werden Sie nicht atemlos!) Ihnen, Frau Kollegin!) Liebe Kolleginnen und Kollegen, Wettbewerb – das Ich könnte auf viele Einzelforderungen aus Ihrem An- ist auch so ein Reizwort für Sie – ist für Sie von der Lin- trag eingehen, ich könnte Ihnen gewichtige Argumente ken offensichtlich kein Anreizsystem . entgegenbringen . Herr Rossmann hat gesagt, er glaubt an eine Weiterentwicklung der Linken . Ich bin mir nicht (Dr . [DIE LINKE]: Wenn mehr ganz so sicher; denn durch Ihren gesamten Antrag es falsche Anreizsysteme sind! – Michael zieht sich – deshalb glaube ich, dass einzelne Argumen- Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das hängt mit te Sie nicht überzeugen werden – ein Staatsbild, das ich dem Sozialismus zusammen!) persönlich als zentralistisch beschreiben würde . Sie wol- len – das haben Sie nicht nur an einer Stelle deutlich ge- Sie gehen davon aus, dass Sie durch die gleiche Vertei- macht – den übermächtigen Bund, Sie wollen die schwa- lung von Finanzen in ein differenziertes Bildungs- und chen und machtlosen Länder . Wissenschaftssystem gute Perspektiven für die Genera- tion von morgen schaffen . Sie gehen zum Beispiel auch (Ralph Lenkert [DIE LINKE]: Stärken!) davon aus, dass durch die nahezu vollständige Umwand- lung befristeter Stellen in feste Stellen die Chancen für In Ihrem Antrag bezeichnen Sie die Länder – wie ha- den wissenschaftlichen Nachwuchs steigen . ben Sie es geschrieben? – als eine Art Getriebene einer (Norbert Müller [Potsdam] [DIE LINKE]: gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, die Sie nicht nur Können Sie mal etwas zu Ihrer Position sa- für das Wissenschaftssystem als schädlich ansehen . Aus gen?) eigener Erfahrung kann ich Ihnen sagen: So verstehen sich die Länder nicht, so haben sie sich nie verstanden, Das, liebe Kolleginnen und Kollegen der Linken, ist und so werden sie sich auch nie verstehen . nachweisbar falsch . Das zeigt uns nicht nur die Ge- (B) schichte . (D) (Zuruf der Abg . Dr . Kirsten Tackmann [DIE LINKE]) (Dr . Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Nur weil es nicht Ihr Weltbild ist, ist es nicht Vor circa zehn Jahren gab es sehr lange Diskussionen falsch!) über die Föderalismusreform . Gerade den Ländern war es wichtig, zwischen ihnen und dem Bund klare Rege- Ich sage Ihnen, was Sie mit der Umverteilung und der lungen zu Entscheidungsgewalt und Verantwortung zu Beseitigung von Wettbewerb schaffen: treffen; der Kollege Stefan Kaufmann hat es schon aus- geführt . Warum war ihnen das so wichtig? Das war ihnen (Zuruf von der LINKEN: Von Ihnen lassen wir uns gar nichts sagen!) so wichtig, weil sie schneller und besser eigene politische Akzente setzen wollten . Sie wollten in ihren Haushalten Statt dynamischer Spitzenentwicklung schaffen Sie über- Schwerpunkte setzen, ohne dass der Bund ihnen sagt, wo regionale Mittelmäßigkeit . die Schwerpunkte liegen sollen . Sie wollten durch kluge politische Entscheidungen in den Wettbewerb eintreten (Beifall bei der CDU/CSU) und sich dort durchsetzen, und zwar nicht nur in einen Wettbewerb mit anderen Ländern – sonst hätten wir Statt Internationalität schaffen Sie Nationalität – verbun- PISA ohnehin nicht gemacht –, sondern in einen Wettbe- den mit dem Verlust der besten Köpfe . werb mit anderen Regionen Europas und der Welt . (Dr .Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Die gu- ten Leute gehen ins Ausland! Das wissen Sie Betrachte ich die Ergebnisse der letzten zehn Jahren, doch!) kann ich sagen: Sie können sich im Durchschnitt sehen lassen . Schauen Sie sich die Ergebnisse an, die wir im Sie schaffen Starrheit im Forschungssystem; denn die Schulbereich haben, ob es nun PISA oder PISA-E ist! Stellen sind dann über 30 Jahre besetzt . Sie schaffen ei- Schauen Sie sich die internationale Sichtbarkeit unseres nen Rückgang der Innovationen . Ich kann Ihnen sagen, Wissenschaftssystems an! Schauen Sie sich die Berichte was die Folge ist: Arbeitsplatzverlust, Wohlstandsver- an: „Bildung auf einen Blick“ – selbst die OECD hat es lust, Schwächung der Gesellschaft und der Wirtschaft – inzwischen verstanden – oder den Bildungsmonitor . Im genug Material, um eine Horrorgeschichte zu schreiben . Schnitt sehen Sie überall eine dynamische, wirklich recht Ich sage Ihnen eines: Das werden Sie mit der CDU/CSU gute Entwicklung . nicht schaffen . (Beifall bei der CDU/CSU) (Beifall bei der CDU/CSU) 15690 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 159 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 26 . Februar 2016

(A) Präsident Dr. Norbert Lammert: kämpfen in den Haushaltsberatungen für die Priorität von (C) Frau Kollegin, darf der Kollege Lenkert eine Zwi- Bildung und Wissenschaft . schenfrage stellen? (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Alexandra Dinges-Dierig (CDU/CSU): Das können wir von den Ländern verlangen . Gepaart mit Heute ausnahmsweise nein, lieber Kollege . der Prioritätensetzung des Bundes wird das zu einer Aus- stattung aller Regionen führen . Sehr geehrte Damen und Herren, das Grundgesetz ist, glaube ich, überdeutlich . Aufgaben der Länder sind all Liebe Kolleginnen und Kollegen, diese Anträge bie- jene, die das Grundgesetz nicht dem Bund zuschreibt . ten immer wieder die Gelegenheit, gewisse Dinge ge- Dazu stehen wir als CDU/CSU heute und auch morgen . betsmühlenartig zu wiederholen . Deshalb sage ich es an dieser Stelle noch einmal: Wir als CDU/CSU-Fraktion Bildung und Wissenschaft sind dabei im Grundsatz wollen starke und selbstbewusste Länder; wir wollen ganz klar, so wie es die Länder wollten, Aufgabe der starke und selbstbewusste Wissenschaftseinrichtungen; Länder . Ich sage ganz eindeutig: Wer für die Verantwor- wir wollen, dass diese auch in Zukunft ihre Entscheidun- tung für Bildung und Wissenschaft gekämpft hat, muss gen eigenverantwortlich treffen, im Wettbewerb mit allen sich jetzt auch um eine auskömmliche Grundfinanzie- anderen . Wenn diese Rahmenbedingungen gegeben sind, rung kümmern . Darauf werden wir achten . dann werden wir als Bund in Zukunft immer als Partner (Beifall bei der CDU/CSU – Dr . Ernst Dieter für sie zur Verfügung stehen, und wir werden noch stär- Rossmann [SPD]: Da sind wir so froh gewe- ker werden, als wir es jetzt schon sind . sen, den Artikel 91 b geändert zu haben!) Herzlichen Dank . Meine Damen und Herren, bei ausgewählten Zielen (Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg . arbeiten und finanzieren Bund und Länder im Bewusst- Dr . Simone Raatz [SPD]) sein der klaren Verfassungslage gemeinsam . Es gibt kein Verbot der Zusammenarbeit, wie Sie uns immer glauben

machen wollen; wir haben es an vielen Stellen gehört . Vizepräsident : Ja, es knirscht manchmal in der Zusammenarbeit . Ja, wir Das Wort hat nun der Kollege Lenkert für eine Kurz- streiten uns auch . Aber sicher, ganz sicher wird die Zu- intervention . sammenarbeit an der einen oder anderen Stelle verbessert werden, auch wenn wir uns weiter vehement für gegen- Ralph Lenkert (DIE LINKE): sätzliche Positionen einsetzen . Ich halte das übrigens für Vielen Dank, Herr Präsident .– Frau Kollegin Dinges- (B) eine sehr gute Sache, wenn es darum geht, den wahren Dierig, warum wir die Länder stärken wollen, liegt auf (D) Weg zu finden. der Hand: Ihnen fehlen einfach die finanziellen Mittel, Eines aber geht nicht . Damit, denke ich, Herr Lenkert um mehr zu leisten, als sie im Moment leisten . und liebe Kolleginnen und Kollegen, werden wir uns (Dr . Karamba Diaby [SPD]: Da hat er leider vielleicht doch noch einmal viel intensiver auseinander- recht!) setzen müssen . Mir ist bis heute wirklich nicht klar, wa- rum Sie unbedingt – Sie sehen darin den Schlüssel zur Das ist so . Wenn man sich das Gefeilsche ansieht, wenn Besserung – Aufgabenbereiche der Länder in die Zustän- es um die Regionalisierungsmittel geht – das ist ein ande- digkeit des Bundes ziehen wollen . Ich sehe darin über- res Thema – und wenn es um den Bund-Länder-Finanz- haupt keinen Schritt in Richtung Fortschritt . ausgleich geht, dann sieht man ganz deutlich – das sehen auch Ihre Länder –, dass die Gelder für alle Aufgaben Gerade im Bildungs- und Wissenschaftsbereich müs- nicht reichen . Deswegen brauchen die Länder Unterstüt- sen Entscheidungen nah an den Orten gefällt werden, an zung . denen Bildung und Wissenschaft entstehen, und nicht weit weg davon . Deshalb haben die Diskussionen vor (Beifall bei der LINKEN) zehn Jahren genau dieses Ergebnis gehabt . Man wollte Warum fordern wir vehement eine Förderung in der die Dezentralisierung ganz bewusst . Das hat sich bis heu- Breite? Ich komme aus der Industrie . Kennen Sie noch te nicht geändert . Sprechen Sie mit Ihren Kollegen aus die vielen Fernsehhersteller, die es in den 60er- und Brandenburg und Thüringen! 70er-Jahren in der Bundesrepublik gab? Die sind nicht (Norbert Müller [Potsdam] [DIE LINKE]: Es mehr da . Warum? Die haben sich irgendwann festgelegt, geht um die Finanzierung! Das ist doch nicht dass sie nur noch für die Spitze produzieren wollen . so kompliziert!) (Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es ist völlig außer Frage, dass es irgendwie in eine andere Ich dachte immer, dass man im Internet Fern- Richtung geht . sehen guckt!) Jetzt schauen Sie sich doch einmal den Haushaltsplan Dann sind sie von den anderen über die Breite weggerollt des Bundes an! Was ist in den letzten zehn Jahren pas- worden . Es gibt eine Branche, die nach wie vor erfolg- siert? Es wurden Prioritäten gesetzt . Es wurden Schwer- reich ist: Das ist die Automobilindustrie . Die hat niemals punkte gebildet . Das müssen auch die Länder tun, und die Masse aufgegeben, sie hat die Basis gehalten . Damit das können sie tun . Schauen Sie sich die im Bereich Sie diesen Fehler in der Wissenschaftslandschaft nicht Bildung und Wissenschaft erfolgreichen Länder an! Die wiederholen, fordern wir von Ihnen, die Basis zu stärken, Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 159 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 26 . Februar 2016 15691

Ralph Lenkert (A) und zwar umgehend, damit wir weiterhin einen guten weil das für Werbung, für Werbung für Veränderungen (C) Forschungsstandort haben . steht . Vielen Dank . (Beifall bei der LINKEN) (Beifall bei der LINKEN) Wer Deutschland zusammenhalten will, wer ein sol- ches Auseinanderdriften nicht einfach hinnehmen kann – man kann das politisch natürlich machen und sagen: das Vizepräsident Johannes Singhammer: ist jetzt mal so –, wer das überwinden will, sollte sich Frau Kollegin Dinges-Dierig, wollen Sie darauf erwi- diesem Ansatz nicht verschließen . Das ist genau der Kern dern? unseres heutigen Antrags . (Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Weil Sie hier die Finanzierungsfrage hervorgehoben Aber bitte nicht zum Thema TV! – Tankred haben: Der Bund hat 2015 das Fünffache des Überschus- Schipanski [CDU/CSU]: Sprich zum The- ses aller Bundesländer erzielt . Diese Tatsache können Sie ma Trabant, warum der endlich weg ist vom doch nicht ausblenden . Markt!) (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abge- ordneten der SPD und des Abg . Kai Gehring Alexandra Dinges-Dierig (CDU/CSU): [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Lieber Kollege Lenkert, ich widerspreche eindeutig Es ist ganz klar: Wissenschaft und Bildung kommen Ihrer Aussage, dass die Länder nicht die finanziellen Mit- nicht ohne Leistungsvergleich und Wettbewerb aus . Eine tel haben . staatliche Wissenschaftspolitik, die nur der Konkurrenz (Lachen bei Abgeordneten der LINKEN – dient, ist unseres Erachtens aber falsch . Ein Staat, der Dr . Karamba Diaby [SPD]: Haben sie aber dem Starken hilft, gegen den Schwachen zu siegen, ist nicht, Frau Kollegin!) für uns ein schlechter Staat . Sie müssen sie nur nutzen . Ich nenne ein Stichwort: (Beifall bei der LINKEN – Dr . Simone Raatz BAföG . Wir haben gesehen, wie die Länder mit Geldern [SPD]: Das ist jetzt auch so eine Plattitüde!) umgehen, die eigentlich dem Bereich Wissenschaft und Da Sie den Wettbewerb preisen: Das Problem Ihrer Forschung gehören . Ich erwarte, dass sie in Zukunft die- Hochschulpolitik ist doch, dass Sie viele gar nicht erst se Priorität setzen . Dann werden wir sie unterstützen . an den Start zu diesem Wettbewerb lassen . Das nenne ich (Beifall bei der CDU/CSU) Zentralismus, meine Damen und Herren . (B) (Beifall bei der LINKEN – Dr . Simone Raatz (D) Vizepräsident Johannes Singhammer: [SPD]: Das stimmt nicht!) Das Wort hat jetzt der Kollege Roland Claus für die Nur wenige Fakten . Unter der Überschrift „Exzellenz- Fraktion Die Linke . initiative“ gibt die Bundesregierung den besten Unis das meiste Geld . Das Ergebnis ist dann: Ostdeutsche Univer- (Beifall bei der LINKEN) sitäten mit Ausnahme von Berlin bekommen gerade ein- mal 5 Prozent des Gesamtetats; Roland Claus (DIE LINKE): (Dr . Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Vergessen Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Sie die Dresdner nicht!) Herren! Erneut nehme ich von der Union ein Feindbild- gebaren wahr, nach dem Motto: Der Hauptfeind steht in davon entfallen 4,7 Prozent auf Sachsen und 0,3 Prozent 16 Ländern . – So geht es wohl nicht, meine Damen und auf Thüringen . Herren . (Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Das ist (Beifall bei der LINKEN) wider besseres Wissen falsch!) Die richtige Übersetzung von „Exzellenz“ aus dem Latei- Deutschland lebt sich auseinander, nicht nur im Hoch- nischen lautet im Übrigen „Erhabenheit“ oder „Herrlich- schul- und Bildungsbereich, aber in diesem ganz beson- keit“ . Und dann wundern Sie sich, wenn diese herrliche ders . Da wächst schon lange nicht mehr zusammen, was Erhabenheit bei Benachteiligten, insbesondere im Osten, zusammengehört . Die sozialen Unterschiede wachsen . zu Protest und Frust führt? Ich wundere mich da nicht . Ballungszentren und ländliche Räume erscheinen nicht mehr als Teile einer gesamten, konsistenten Entwick- (Beifall bei der LINKEN) lungslogik . Auch in der Wissenschaft driften Spitzenu- Die Deutsche Forschungsgemeinschaft ist dazu an- nis und der Fachhochschulsektor auseinander . Gerade gelegt, sogenannte Drittmittel, also private Gelder, für in förderbedürftigen Regionen sind Hochschulen aber Hochschulen einzuwerben . Auch hier sind unter den Motoren für eine positive Entwicklung . Ich nutze die 40 sogenannten Besten nur 4 ostdeutsche Universitäten . Gelegenheit, auf diesen kleinen Unterschied aufmerk- Vereinigungspolitik, sagen wir Ihnen, geht anders . sam zu machen: In der alten Tagesordnung werden diese Regionen als „strukturschwache“ Regionen bezeichnet . Zur Lage der Beschäftigten . Allgemein gilt ja der Irr- Das klingt ein bisschen nach: Nur schnell weg von dort! glaube, dass jemand mit einem Doktortitel sozial fein Wir haben jetzt den Begriff „förderbedürftig“ eingeführt, raus sei . Aber das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufs- 15692 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 159 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 26 . Februar 2016

Roland Claus (A) forschung rechnet Ihnen vor: Von 2004 bis 2014 ist der Dr. Simone Raatz (SPD): (C) Anteil befristeter Arbeitsverhältnisse in der Wissenschaft Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen von 25 auf 37 Prozent gestiegen . Im Osten ist er immer und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr noch doppelt so hoch wie im Bundesdurchschnitt . Meine Lenkert, sosehr ich Sie in manchen Bereichen fachlich Damen und Herren, das kann man doch nicht hinnehmen . schätze, Diesem Problem wird auch Ihre Gesetzesnovelle nicht im Geringsten gerecht . (Ralph Lenkert [DIE LINKE]: Nur in man- chen? Ich dachte, in vielen!) (Beifall bei der LINKEN – Dr . Karamba Diaby [SPD]: Doch!) denke ich, der Antrag, den Sie hier vorgelegt haben – er wird ja hauptsächlich aus Ihrer Feder stammen –, ist ein- Von allen Beschäftigten im wissenschaftlichen Dienst, fach nur ein buntes Potpourri von „Wünsch dir was“ . also ohne Beamte, waren 2014 49 Prozent in Befristung . Deutschland – ein Staat der Dichter und Denker? Allen- (Dr . Karamba Diaby [SPD]: Genau so ist es!) falls der Teilzeitdenker . Meine Vorredner haben das schon deutlich gemacht . Bekanntlich ist die Linke nicht nur kritisch, sondern (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) auch konstruktiv . Es fällt schwer, einen roten Faden zu erkennen . Auch (Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU – wenn Sie mit Vehemenz Themen ansprechen, bei denen Dr . Karamba Diaby [SPD]: Ach was!) wir als Koalition schon einiges geleistet und viel Gutes getan haben, fällt es mir schwer, das, was Sie hier for- Genau deshalb machen wir heute diese Vorschläge zur dern, ernst zu nehmen . besseren Hochschulfinanzierung, vor allem – ich sage es noch einmal – im Hinblick auf förderbedürftige Regio- (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der nen . CDU/CSU) (Dr .Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Aber ver- Deswegen – das nur mal so als Anregung – wäre es sehr gesst nicht Potsdam, Erfurt, Halle, Dresden schön, wenn Sie da auch noch Inhalte mit einbringen und und Greifswald!) selbst Vorschläge machen würden, wie Sie Ihre Wün- sche verwirklichen wollen . Sie haben hier ein Anreiz- In Sachsen-Anhalt gibt es die Hochschule Anhalt mit programm erwähnt – darauf ist, denke ich, mein Kollege den drei Standorten in Bernburg, Dessau und Köthen . Die Herr Kaufmann schon eingegangen –: Dabei geht es um (B) wissenschaftliche Bilanz der Ingenieurwissenschaften ist die Einrichtung von 100 000 unbefristeten Wissenschaft- (D) beeindruckend . Gleiches gilt für die Kooperation mit der lerstellen mit einem Umfang von 5 Milliarden Euro pro Stiftung Bauhaus, auch für die Agrarforschung . Noch Jahr . Dazu fällt mir jetzt nur die Frage ein: Ist das Ihrer spannender aber ist, dass der Status dieser Hochschule Ansicht nach eine realistische bzw . eine sinnvolle For- als Impulsgeber für die gesamte Region inzwischen aner- derung? kannt wurde . Die vom Campus sind Repräsentanten ihrer Städte geworden; das geht bis hin zu einer weltoffenen Ich denke, wir haben mit der Verbesserung der Stel- Charmeoffensive, die ansteckend wirkt . lensituation – allein mit dem Wissenschaftszeitvertrags- gesetz – einen ersten Schritt in die richtige Richtung Und nun? Nun besagt die Zielvereinbarung zwischen getan . Einen zweiten Schritt werden wir mit dem Hoch- dieser Hochschule und dem Land Sachsen-Anhalt: Der schulpakt machen . Darüber werden wir demnächst de- Mindestzuschuss bis 2019 bleibt gleich . Darüber kann battieren . Natürlich werden weitere Bausteine folgen . So man sich freuen und sagen: Das ist besser, als wenn er werden wir sukzessive, denke ich, auch in dem Bereich geringer ausfällt oder unsicher ist . Wir sagen: Das ist einiges hinkriegen . unzureichend, weil diese neuen Stärken nicht annähernd Ich will nun auf den zweiten Teil der Überschrift Ih- ausreichend gefördert werden . res Antrags eingehen und mich darauf konzentrieren: In unserem Antrag finden Sie viele weitere Vorschlä- Bildung und Forschung in strukturschwachen Regionen ge; sie sind Ihnen ja auch schon erläutert worden . Sie solide ausstatten .– Herr Claus sagte, „förderbedürftig“ haben jetzt zwei Möglichkeiten: ein Weiter-so mit Ihrer würde besser klingen . Ich bin mir nicht sicher, ob das verfehlten Politik oder eine zukunftsfähige Hochschul- so ist . Ich denke, bei „strukturschwach“ weiß man, um politik . Beides zusammen geht nicht . Ich denke, Sie soll- was es geht . Es ist erst einmal prinzipiell nichts dagegen ten neue Wege beschreiten . einzuwenden, dass wir Bildung und Forschung in struk- turschwachen Regionen unterstützen wollen . Dagegen (Beifall bei der LINKEN – Dr . Karamba hat keiner etwas . Diaby [SPD]: Das haben wir schon!) Ihr Ausgangspunkt dabei ist, dass das deutsche Wis- senschaftssystem seit 15 Jahren eine rasante Umstellung Vizepräsident Johannes Singhammer: erlebt . Warum es gerade 15 Jahre sein sollen, erschließt Nächste Rednerin ist die Kollegin Dr . Simone Raatz sich mir jetzt so nicht . Für mich stellt eher die Wende für die SPD . einen erheblichen Einschnitt in das Wissenschaftssystem des Ostens dar . Das ist jetzt 26 Jahre her . Man könnte da (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) jetzt also genauso gut von 26 Jahren sprechen . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 159 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 26 . Februar 2016 15693

Dr. Simone Raatz (A) Viele Wissenschaftseinrichtungen mussten sich 1990 und auch fördern wollen . Das machen wir, denke ich, als (C) schnellstens umorientieren . Sie wurden geschlossen, Koalition . wenn sie das nicht schafften . Mit zwei Beispielen aus Freiberg will ich das kurz dokumentieren bzw . klarma- (Ralph Lenkert [DIE LINKE]: Ja, „sollten“! chen: Machen Sie nicht!) Das Forschungsinstitut für Aufbereitung – es gehör- Die Deutsche Industrieforschungsgemeinschaft te damals zur Akademie der Wissenschaften der DDR – ­Konrad Zuse, die im Januar 2015 in Berlin gegrün- schaffte den Absprung nicht . 1992 wurde es abgewickelt . det wurde, hat eben gerade zum Ziel, passgenaue For- Einen Sozialplan oder etwas Ähnliches gab es damals für schungsunterstützung für den Mittelstand – hierbei geht die 400 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nicht . es insbesondere um die KMUs – zu leisten und ihn durch Dagegen hat das Forschungsinstitut Leder- und Kunst- marktvorbereitende Forschung zu unterstützen . stoffbahnen den Strukturwandel gut bewältigt . Seit 1992 (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) ist dieses Institut privatisiert . Es ist jetzt als gemeinnützi- ge GmbH erfolgreich tätig . Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Linken, Sie Ich nehme an, liebe Kolleginnen und Kollegen von sehen: Wir müssen das Rad nicht neu erfinden. Wir kön- den Linken, dass Sie mit dem Punkt 8 Ihres Antrags viel- nen auf etablierte Strukturen zurückgreifen . Aber es ist leicht auf genau solche Einrichtungen wie dieses For- natürlich wichtig, die Arbeit dieser Einrichtungen auch schungsinstitut Leder und Kunststoffbahnen fokussieren von politischer Seite aus zu unterstützen bzw . ein stabiles wollten . Es war Ihnen jedoch nur zwei Zeilen wert, dieses finanzielles Fundament dafür zur Verfügung zu stellen. Thema – ein bisschen schnell – zu beschreiben . Ich hätte Genau da setzen wir als Regierungskoalition auch an . mir dazu, muss ich sagen, ein bisschen mehr gewünscht . Uns ist das wichtig. Ich finde, es ist sehr schade, dass Ihnen das bisher entgangen ist . Sie haben in Punkt 8 Ihres Antrags geschrieben, dass Sie – jetzt zitiere ich aus Ihrem Antrag – „gemeinnützige, Darum möchte ich am Ende meines kurzen State- unabhängige Forschungseinrichtungen als Stützen von ments drei Haushaltstitel nennen, die für die struktur- Forschung und Innovation für Kleine und Mittlere Un- schwachen Regionen einfach wichtig sind: Der erste – er ternehmen (KMU)“ stärken wollen. Ja prima! Das finde steht im Haushalt des BMBF – lautet „Innovationsför- ich gut . Und wie? Wie wollen Sie die stärken? Darüber derung in den neuen Ländern“ . Hierfür stellen wir 2016 steht dort nichts . Wir als Koalition haben aber Vorschläge 159 Millionen Euro zur Verfügung . Das sind immerhin dafür . Ich werde sie jetzt ganz kurz aufführen . In einen 13 Millionen Euro mehr als 2015 . Der zweite Haushalts- solchen Antrag gehört meines Erachtens hinein, wie Sie titel lautet „Industrieforschung“ . Hier geht es um Pro- (B) solche Unternehmen stärken wollen . Dass die Unterstüt- gramme wie „Industrielle Gemeinschaftsforschung“ und (D) zung von Forschung und Entwicklung in strukturschwa- ­„INNO-KOM-Ost“ . Dafür stellen wir 2016 138,5 Milli- chen Regionen wie Ostdeutschland Sinn macht, ist unbe- onen Euro zur Verfügung . stritten . Dagegen wird keiner etwas sagen . Ich möchte drei Punkte anführen, warum das so ist: Vizepräsident Johannes Singhammer: Erstens . Die ostdeutsche Wirtschaft ist nach wie vor Frau Kollegin Raatz, Sie denken an die vereinbarte sehr kleinteilig strukturiert und wächst seit vielen Jahren Redezeit? nicht . Man muss einmal genauer hingucken, warum das so ist . Dr. Simone Raatz (SPD): Zweitens . Die Unternehmen verfügen meist nicht über Ja, einige wenige Sätze noch .– Der dritte Haushalts- eigene Forschungskapazitäten . titel lautet „Förderung des Mittelstandes“ . Dabei geht es Das führt drittens natürlich dazu, dass sie seltener auch um das ZIM . Hierfür stellen wir 2016 543,5 Milli- Produkt- und Verfahrensinnovationen einführen . Genau onen Euro zur Verfügung . an dieser Stelle setzt zum Beispiel die Deutsche Indus­ trieforschungsgemeinschaft Konrad Zuse an . Die hat mit Am Ende meines Vortrags muss ich an dieser Stelle ihren derzeit 74 gemeinnützigen außeruniversitären For- sagen: Danke an unsere Minister, Herrn Gabriel und Frau schungseinrichtungen und über 5 000 Mitarbeitern die Wanka, und natürlich auch ein Dankeschön an unsere sogenannte dritte Säule in unserer Forschungslandschaft Haushälter . kreiert . Ich glaube, es lohnt sich, darauf auch einmal ein- Liebe Kolleginnen und Kollegen der Linken, anstatt zugehen . uns hier ein buntes Potpourri auf den Tisch zu legen, (Beifall bei der SPD – Ralph Lenkert [DIE wäre es schön, wenn Sie uns demnächst etwas Aussa- LINKE]: Welche Förderung geben Sie denen? gekräftigeres präsentieren würden . Dann können wir an Genau die sollen von unserem Antrag profitie- dieser Stelle auch gerne wieder mit Ihnen ins Gespräch ren! Genau die sollen Geld kriegen!) kommen . Denn neben unseren großen Forschungsverbünden – Danke . die sind ja schon häufig erwähnt worden – und unseren Hochschulen ist es eben genau diese dritte Säule, die wir (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten in den strukturschwachen Regionen unterstützen sollten der CDU/CSU) 15694 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 159 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 26 . Februar 2016

(A) Vizepräsident Johannes Singhammer: blematik des akademischen Nachwuchses in ihrer (C) Nächste Rednerin ist die Kollegin Katja Dörner für Gesamtheit nicht lösen und sogar kontraproduktiv Bündnis 90/Die Grünen . wirken . . Ich fasse zusammen, was über den wissenschaftlichen Katja Dörner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Nachwuchs im Bericht steht: „Baustelle“, „ambivalent“, Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Lie- „kontraproduktiv“ . Hier besteht also ganz dringender be Kollegen! Liebe Gäste! Für die Lobhudelei, die wir Handlungsbedarf . Auch deshalb kann ich überhaupt nicht uns hier seitens der Regierungsfraktionen für die eigenen nachvollziehen, dass wir noch immer auf den Pakt für Leistungen anhören mussten, gibt es nun wirklich keinen den wissenschaftlichen Nachwuchs warten müssen, den Grund, und ich will Ihnen auch erklären, warum das so Ministerin Wanka schon wiederholt angekündigt hat . Es ist . ist Zeit, dass auch in dieser Frage den Worten Taten fol- gen . Seit mehr als einem Jahr ist jetzt das Kooperations- verbot im Hochschulbereich gelockert . Dafür wurde das (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Grundgesetz geändert, und das Grundgesetz ändert man sowie bei Abgeordneten der LINKEN – ja nicht einfach mal so . Uns ging das damals nicht weit Dr . Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Wird genug; das wissen Sie . Wir hätten dieses unsinnige Ko- kommen! – Gegenruf des Abg . Kai Gehring operationsverbot gerne komplett rückgängig gemacht . [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber wann?) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Insgesamt macht der Imboden-Bericht gute Vorschlä- und bei der LINKEN) ge für den Bauplan der nächsten Exzellenzinitiative . Es ist aus unserer Sicht richtig, die Spitze in der Breite des Wenigstens für den Bereich von Hochschule und Wis- deutschen Hochschulsystems zu erhalten . Wir brauchen senschaft haben wir aber gedacht: Da geht jetzt was . Da auch ganz dringend den Befreiungsschlag, wie es im Be- tut sich jetzt eine Tür auf für eine neue Zusammenarbeit richt heißt, im Sinne einer Überbrückungsfinanzierung zwischen den Bundesländern und dem Bund, für Inno- für die Geförderten der zweiten Runde . Ich muss sagen: vationen und für die eine oder andere pfiffige Idee aus Ich finde es wirklich unverantwortlich, dass die Univer- dem Wanka-Ministerium .– Das ist jetzt ein Jahr her, und sitäten und die Cluster so lange hängen gelassen wurden gekommen ist gar nichts . Das ist wirklich ein Armuts- und nicht wussten, wie sie planen sollten und konnten . zeugnis, und deshalb läuft das Eigenlob der Koalition hier auch ins Leere . (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Ich weiß auch aus Gesprächen mit dem Exzellenzclus- (B) sowie bei Abgeordneten der LINKEN) ter Mathematik an der Universität in meiner Heimatstadt (D) Bonn, wie schwierig es angesichts dieser Unsicherheit Wir diskutieren einen Antrag der Linken mit dem Ti- war, die Spitzenforscher, die dort sind, zu halten und ins- tel „Finanzierung der Wissenschaft auf eine arbeitsfähige besondere auch neue Spitzenforscher zu gewinnen . Diese Basis stellen . “. . „Eine arbeitsfähige Basis“: Das klingt Unsicherheit muss dringend ein Ende haben . für die Kolleginnen und Kollegen der Linken regelrecht bescheiden . Ja, eine arbeitsfähige Basis ist wirklich mehr (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) als überfällig . Aus unserer Sicht wäre als ein erster, sehr Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, ich will abschlie- zentraler Schritt die Aufstockung und Verstetigung des ßend diese Debatte dafür nutzen, um unserer grünen Wis- Hochschulpakts dringend nötig; denn ohne eine gesicher- senschaftsministerin aus Baden-Württemberg, Theresia te Grundfinanzierung bleibt die Hochschullandschaft in Bauer, zum Hattrick zu gratulieren . Sie wurde dreimal Deutschland Mittelmaß . Da hilft auch keine Exzellenz- in Folge zur Wissenschaftsministerin des Jahres gewählt: initiative . Frau Ministerin Wanka, wann packen Sie diese Das ist eine herausragende Leistung . Diese Auszeich- Herausforderung endlich an? nung bekommt Theresia Bauer zu Recht . (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Um es auf die Themen unserer heutigen Debatte zu und bei der LINKEN) beziehen: Theresia Bauer hat in Baden-Württemberg Wir brauchen Investitionen in Hörsäle, in moderne 1,7 Milliarden Euro für die Grundfinanzierung der Hoch- Technik und in die Infrastruktur des Wissens, aber wir schulen und den Hochschulbau zusätzlich in die Hand brauchen natürlich auch Investitionen in Köpfe . Wir ha- genommen . Damit setzt Baden-Württemberg die Emp- ben gerade den Imboden-Bericht zur Exzellenzinitiative fehlungen des Wissenschaftsrates um, die Grundfinan- bekommen, zierung der Hochschulen um 3 Prozent zu erhöhen . Ich finde, das ist eine besondere Erwähnung wert. So geht (Dr . Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Also zukunftsfähige Wissenschaftspolitik, von der sich die- doch: Exzellenzinitiative!) se Bundesregierung wirklich eine Scheibe abschneiden könnte . und ich will zur Frage des wissenschaftlichen Nach- wuchses kurz daraus zitieren . Im Bericht heißt es: Vielen Dank für die Aufmerksamkeit . Hingegen ist die Wirkung auf die Baustelle „Akade- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – mischer Nachwuchs“ nach Ansicht der Kommissi- Lachen bei der CDU/CSU – Kai Gehring on ambivalent . Die Exzellenzinitiative wurde nicht [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Präzise auf als Nachwuchsprogramm konzipiert, kann die Pro­ den Punkt!) Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 159 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 26 . Februar 2016 15695

(A) Vizepräsident Johannes Singhammer: im Zuge des neoliberalen Umbaus der Gesellschaft (C) Für die CDU/CSU spricht jetzt der Kollege Tankred eine rasante Umgestaltung . . Schipanski . (Ralph Lenkert [DIE LINKE]: Ja! Stimmen (Beifall bei der CDU/CSU) Sie zu?) Es geht weiter: (CDU/CSU): Tankred Schipanski Leidtragende dieser Situation sind die Studierenden, Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich sorge die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie mich . Ich sorge mich um die Linkspartei . die Wissenschaft selbst . Negative Auswirkungen (Dr .André Hahn [DIE LINKE]: Oh Gott! – erfährt auch die strukturelle Entwicklung der ver- Lachen bei Abgeordneten des BÜNDNIS- schiedenen Regionen und einzelnen Bundesländer . SES 90/DIE GRÜNEN) Sie können sich denken: Gemeint sind hier selbstver- Sie hat ein Stadium des Realitätsverlustes erreicht, an ständlich die neuen Bundesländer . dem nunmehr Grenzen überschritten werden . Man muss nicht lange weiterlesen: Da wird der Süd- (Beifall bei der CDU/CSU) westen Deutschlands verbal beschimpft, die Stadt Frank- furt als „Finanzplatz“ verteufelt, die Stadt München wird In der letzten Haushaltsdebatte kam der Antrag, auf den Standort für die gefährliche Versicherungswirt- 8,14 Milliarden Euro zusätzlich in den Geschäftsbereich schaft reduziert . Natürlich wird auch der Automobilbau des BMBF zu geben. Dafür schlug man eine Gegenfinan- in Stuttgart dämonisiert, und im Freistaat Bayern wird zierung von gerade einmal 600 Millionen Euro vor . ein „Trittbrettfahrerverhalten“ beobachtet . (Ralph Lenkert [DIE LINKE]: Quatsch!) (Ralph Lenkert [DIE LINKE]: Stimmt!) Es war ein Antrag, der schon damals zeigte, dass die Berlin wird nicht einfach Hauptstadt genannt, sondern Linkspartei der Wirklichkeit völlig entrückt war . Ich man spricht vom „Status der Bundeshauptstadt“ . Was je- glaubte nicht, dass eine Steigerung von so viel Irrsinn der Deutsche als Instrumente erfolgreicher Forschungs- möglich ist . Ich dachte, die Linke hätte aus der letzten politik bezeichnet, etwa die Exzellenzinitiative oder den Haushaltsdebatte etwas gelernt, aber nein . Hochschulpakt, nennt die Linke in ihrem Antrag „Steu- erungs- und Finanzierungselemente“ . Was wir „Wissen- Frau Raatz hat es angesprochen: Am Montag kam in schaftssystem“ nennen, bezeichnet die Linke in ihrem unser Büro ein Antrag der Linksfraktion mit dem vielver- Antrag als ein „Gesamtsystem wettbewerblicher Besten- sprechenden Titel: „Finanzierung der Wissenschaft auf (B) auslese“ . (D) eine arbeitsfähige Basis stellen – Bildung und Forschung in förderbedürftigen Regionen solide ausstatten“ .– Die- Liebe Kolleginnen und Kollegen, allein dieser kurze ses Ziel verfolgen wir seit vielen Jahren mit vielen För- Auszug der Wortwahl zeigt, dass es hier nicht um eine derprogrammen, nicht nur des BMBF, erfolgreich . Aber Auseinandersetzung in der Sache geht, sondern um Po- bereits die ersten Sätze und Worte dieses Antrags zeigen, pulismus . dass es bei diesem Antrag um keine sachlich-konstrukti- ve Auseinandersetzung mit nationaler Wissenschaftspo- (Beifall bei der CDU/CSU) litik geht, sondern um reine Ideologie . Der Antrag zeigt „Populismus“ ist das treffende Wort . Sie werden es kaum das ganze Dilemma der Linken, die sich von Ideologie glauben, aber es steht in einem angeblichen Antrag zur leiten lässt und eben nicht von der Sache . Wissenschaftspolitik die Forderung nach – ich zitiere – Dieses Grundproblem haben wir nicht nur im Bereich „Wiedererhebung der Vermögenssteuer“ sowie die „Aus- der Wissenschaftspolitik, sondern auch in vielen anderen schöpfung des Aufkommenspotentials der Erbschafts- Bereichen . Gestern haben wir das hier etwa zur gleichen steuer“ und natürlich die Forderung nach einer ganz Zeit zur Flüchtlingspolitik erlebt . Da hilft es auch nichts, umfassenden Steuerreform . dass die Linke ihre Galionsfigur Bodo Ramelow heute (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) nach Rom zum Papst schickt, damit er dort Geist emp- fängt . Meine Damen und Herren, das hat mit solider Wissen- schaftspolitik nichts zu tun . (Katja Dörner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Nur kein Neid! – Zurufe von der LIN- Wie perfide solche Anträge instrumentalisiert werden, KEN) um die Realpolitiker in Deutschland zu schmähen, zeigt die letzte Debatte in diesem Hohen Hause zum Koope- Ihr Geist ist und bleibt die Ideologie . Das ist auch Ihr rationsverbot . Die Linke fordert auch in diesem Antrag Problem . Daher können Sie auch keine Sachpolitik für wieder eine Verfassungsänderung, um die Kooperati- die Menschen in unserem Lande machen . onskultur zwischen dem Bund und den Ländern im Bil- dungsbereich auszubauen . Meine Damen und Herren, was müssen wir im Antrag der Linken für Propaganda und Populismus lesen? Ich (Dr .André Hahn [DIE LINKE]: Dringend zitiere das mal: notwendig!) Das deutsche Hochschul- und Wissenschaftssys- Nach der Debatte am 14 . Januar dieses Jahres hat tem erlebte in den vergangenen fünfzehn Jahren der Linken-Abgeordnete Ralph Lenkert eine Pressemit- 15696 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 159 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 26 . Februar 2016

Tankred Schipanski (A) teilung veröffentlicht, in der er die Thüringer CDU be- Vizepräsident Johannes Singhammer: (C) zichtigt, sie blockiere zusätzliche Bundesgelder für den Herr Kollege Schipanski . Freistaat . (Ralph Lenkert [DIE LINKE]: Richtig! Ha- Tankred Schipanski (CDU/CSU): ben sie gefordert!) Nein, ich gestatte es nicht . Dies unterlegte er mit dem Fakt, dass CDU/CSU hier den (Ralph Lenkert [DIE LINKE]: Weil Sie die Antrag der Linken auf eine Verfassungsänderung abge- richtigen Zahlen nicht hören wollen! Sie sind lehnt haben; Sie können das im Internet nachlesen . Herr feige!) Lenkert, populistischer geht es nicht . Es geht weiter im schönen Jena: Drei Max-Planck-In- (Dr . Rosemarie Hein [DIE LINKE]: Doch! stitute, ein Fraunhofer-Institut, drei Leibniz-Institute, Wenn Sie reden! – Gegenruf des Abg . Özcan ein Helmholtz-Institut und sechs außeruniversitäre For- Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der schungseinrichtungen gibt es in Jena. All diese profitie- war gut! – Beifall der Abg . Katja Dörner ren vom Pakt für Forschung und Innovation, dessen Auf- [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) wuchs um 3 Prozent wir selber finanzieren. Das hat System . Wahrscheinlich sind die Pressemit- (Beifall bei der CDU/CSU – Kai Gehring teilungen für diese Debatte schon geschrieben . Diesmal [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Drehen Sie haben Sie statt einem Wunsch neun Wünsche formuliert . das Mikro etwas leiser! Wir sind nicht taub! Ich sage Ihnen: Wir werden diese neun unsinnigen Wün- Aber nach Ihrer Rede sind wir es!) sche wieder ablehnen . – Es geht darum, dass es der Kollege versteht . Ich finde es unredlich, wie Sie mit solch realitätsfer- nen Anträgen politisch agieren, agitieren und die Men- Es geht noch weiter: Jeder dritte Doktorand an einer schen in unserem Land mit solchen Forderungen in die dieser Einrichtungen kommt aus dem Ausland . Wenn das Irre führen . „Irreführung“ ist der richtige Begriff für deutsche Wissenschaftssystem so furchtbar ist, dann fra- diesen Antrag . Denn schauen wir uns doch einmal ge- ge ich mich, warum diese Wissenschaftler überhaupt zu meinsam an, wie die Heimat des Linken-Abgeordneten uns kommen . Ralph Lenkert von der hier so gescholtenen deutschen Förderpolitik profitiert. Es geht um die Forschungsregion Jena hat zudem eine Graduiertenschule aus der Exzel- Jena in Thüringen . lenzinitiative sowie eine Ressortforschungseinrichtung des Bundes . In Jena haben wir mannigfache industrie- (B) Wir erinnern uns: Thüringen ist ein neues Bundesland, nahe Forschungseinrichtungen – Zuse wurde eben ange- (D) das laut dem Linken-Antrag eine Armutsregion darstellt, sprochen – mit Mitteln aus ZIM und INNO-KOM . Diese die von Erwerbslosigkeit geprägt ist und nicht von den Aufzählung ließe sich fortsetzen und auf den gesamten Förderinstrumenten der Exzellenzinitiative, des Hoch- Freistaat Thüringen ausdehnen . schulpakts oder des Pakts für Forschung und Innovation in irgendeiner Art und Weise profitiert – so die Sichtwei- Ihre so gescholtene Exzellenzinitiative hat der Frei- se der Linken . staat Thüringen sogar zum Vorbild genommen, liebe Kollegen der Linkspartei, und eine landeseigene Initia- Nun ein Blick auf die Realität in Jena: eine Arbeitslo- tive gestartet . senquote von 6,9 Prozent, Bevölkerungswachstum, die Friedrich-Schiller-Universität mit 18 400 Studenten plus (Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: eine Fachhochschule mit 4 700 Studenten . Sind Sie eigentlich Bundestagsabgeordneter oder Thüringer?) (Norbert Müller [Potsdam] [DIE LINKE]: Es gibt noch Leipzig und Dresden!) Diese wird sogar unter einem linken Ministerpräsidenten fortgesetzt und ausgebaut . Alle profitieren von dem Hochschulpakt. (Beifall bei der CDU/CSU) Was die Forschungsförderung angeht, gibt es vier DFG-Schwerpunktprogramme, neun DFG-Forscher- Das ist anscheinend Exzellenzwahn in Thüringen – ganz gruppen, vier DFG-Graduiertenkollegs, fünf DFG-Son- erstaunlich . derforschungsbereiche und ein DFG-Forschungszent- rum . (Dr .André Hahn [DIE LINKE]: Ihr habt ein- fach zu viel Redezeit!) (Beifall des Abg . Dr . Ernst Dieter Rossmann [SPD]) Herr Kollege Rossmann, noch eine Bemerkung zu Ihnen: Sie haben das Zuständigkeitsgefüge und die Aus- Von so vielen DFG-Mitteln träumen andere Regionen, führungen von Herrn Kaufmann ein Stück weit kritisiert . lieber Herr Lenkert . Ich glaube, das Grundgesetz sagt uns eines ganz deutlich: (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- Bund und Länder haben eine Verantwortung für das Ge- ordneten der SPD) samtsystem Wissenschaft . Das ist, glaube ich, ganz un- streitig . Innerhalb dieses Gesamtsystems haben wir klare Und Sie wollen uns weismachen, die neuen Länder profi- Zuständigkeiten . Wir brauchen auch klare Zuständigkei- tieren nicht von DFG-Mitteln! Das ist schlichtweg falsch . ten und Verantwortungsbereiche . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 159 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 26 . Februar 2016 15697

Tankred Schipanski (A) Das Grundgesetz und auch die Union lassen sich vom Mit dem Hochschulpakt reagieren wir auf den de- (C) Gedanken des Mehrwerts leiten . Wir sagen: Zusätzliches mografischen Wandel und stellen sicher, dass auch in Geld des Bundes muss einen zusätzlichen Nutzen stiften . Zeiten erhöhter Nachfrage nach Studienplätzen ein ent- Wir freuen uns, wenn uns die SPD-Fraktion bei diesem sprechendes Angebot vorhanden ist . Ermöglicht wird Gedanken unterstützt . das unter anderem durch zusätzliches Personal, das aus den Mitteln des Hochschulpakts finanziert wird. Wir Ich darf schließen, meine Damen und Herren . Dieser belohnen damit vor allem die Universitäten, die viel in populistische Antrag bringt unser Land nicht voran . Er die Lehre investieren . Ab 2016, in der dritten Phase des verunsichert die Menschen . Er führt in die Irre . Er ist Hochschulpakts, setzen Bund und Länder 10 Prozent der ein Spiegelbild der Ideologie der Linkspartei . Er ist ein Bundes- und Landesmittel ein, um an den Hochschulen Zeugnis ihrer Realitätsverweigerung . Von daher lehnt qualitativ wertvolle Abschlüsse für immer mehr Studie- die CDU/CSU-Fraktion diesen Antrag zum Wohle von rende sicherzustellen . Deutschland und zum Wohle von Europa ab . (Beifall des Abg . Dr . Ernst Dieter Rossmann (Beifall bei der CDU/CSU – Dr . Simone [SPD]) Raatz [SPD]: Der Welt!) Diese Mittel fließen übrigens in die gesamte Breite der deutschen Hochschullandschaft ein, wie wir eben gehört Vizepräsident Johannes Singhammer: haben . Ich weiß gar nicht, warum Sie immer auf der Ex- Das Wort hat jetzt die Kollegin Elfi Scho-Antwerpes, zellenzinitiative herumhacken . Weder ist sie der Weisheit SPD . letzter Schluss, noch ist sie die Achillesferse der deut- schen Wissenschaft . (Beifall bei der SPD) (Beifall bei der SPD) Elfi Scho-Antwerpes (SPD): Sie ist nur ein Element einer ganzheitlichen Wissen- Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und schaftspolitik, nicht mehr und nicht weniger . Ganz ab- Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich freue gesehen davon, ist Wissenschaft Motor für soziale und mich, liebe Kolleginnen und Kollegen der Linken, dass technische Innovationen, für gesellschaftliche Entwick- Sie Ihren Antrag mit der Lockerung des Kooperations- lungen und kein Programm zur Regionalförderung . verbotes im Wissenschafts- und Hochschulbereich aus Nachhaltige Wissenschaftspolitik braucht einen ver- dem Jahre 2014 einleiten . Das war eine nötige Korrektur antwortlichen Umgang mit dem wissenschaftlichen der ersten Föderalismusreform . Wenn man weiterliest, Nachwuchs . (B) wird einem allerdings angst und bange . Alles ist schlecht, (D) alles ist negativ . Der Süden ist besser als der Norden . (Beifall des Abg . Kai Gehring [BÜND- Im Osten ist es ganz schlecht . Eigentlich ist alles ganz NIS 90/DIE GRÜNEN]) schlecht . Angereichert wird Ihr Schwanengesang mit al- Wir haben hier gemeinsam das Wissenschaftszeitver- lerlei Zahlen, die Sie gleichsam kunstvoll und morbide tragsgesetz reformiert und damit unter anderem nicht hin- miteinander verbinden . nehmbaren Kurzbefristungen in den Arbeitsverhältnissen (Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD) junger Akademiker ein Ende gesetzt, Herr Lenkert, (Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Sie müssen uns nicht loben . Sie sollten sich allerdings et- NEN]: Das wird sich noch zeigen müssen!) was realitätsnäher bewegen und konstruktiv mitarbeiten . und das ist gut so . Die Menschen brauchen eine Perspek- (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) tive, und die darf nicht prekär sein . Wir haben im Koalitionsvertrag immerhin 5 Milliar- (Beifall bei der SPD sowie des Abg . Tankred den Euro zusätzlich für die Hochschulen durchgesetzt . Schipanski [CDU/CSU]) Bund und Länder haben entscheidende Impulse über den Hochschulpakt 2020 gegeben, mit dem wir nicht zuletzt Auch in den Ländern gibt es gute Ansätze und Initiati- die Zukunftsfähigkeit Deutschlands sicherstellen . ven zur Verbesserung der Beschäftigungsverhältnisse an den Hochschulen . Nehmen Sie mein Bundesland Nord- (Beifall des Abg . Dr . Ernst Dieter Rossmann rhein-Westfalen als Beispiel . Dort wurde bereits im Juni [SPD]) letzten Jahres der Rahmenkodex „Gute Beschäftigungs- bedingungen für das Hochschulpersonal“ beschlossen . Damit ist übrigens bewiesen, dass wir auch vor der Lo- ckerung des Kooperationsverbotes handlungsfähig wa- (Beifall bei Abgeordneten der SPD) ren . Bund und Länder haben über alle drei Förderphasen Wissenschaftsministerin Svenja Schulze hat damit sehr hinweg bisher Gesamtfinanzierungszusagen von über wichtige Fortschritte für die Hochschulbeschäftigten 38 Milliarden Euro für die Hochschulen gegeben . erreicht, etwa beim Abbau befristeter Verträge, bei den (Dr . Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Hört! Verbesserungen für wissenschaftliche und studentische Hört!) Hilfskräfte oder für familiengerechte und gesundheits- fördernde Arbeitsbedingungen . – Hört! Hört! (Beifall des Abg . Dr . Ernst Dieter Rossmann (Beifall bei Abgeordneten der SPD) [SPD]) 15698 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 159 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 26 . Februar 2016

Elfi Scho-Antwerpes (A) So stellen wir gute Arbeit an Wissenschaftsstandorten Diese Ergebnisse haben wir auch und insbesondere der (C) sicher . Das ist übrigens für alle Hochschulen in Nord- Unionspolitik zu verdanken . rhein-Westfalen ein nationaler und internationaler Wett- (Lachen des Abg . Kai Gehring [BÜND- bewerbsvorteil, auch für die mutmaßlich „kleinen“ . NIS 90/DIE GRÜNEN]) Apropos Wettbewerb: Sie lehnen die wettbewerbliche Liebe Fraktion Die Linke, die Erfolge im Bereich Vergabe von Fördermitteln in Ihrem Antrag ab, bieten „Forschung und Entwicklung“ in Deutschland sprechen aber keine Alternative an . Machen Sie doch einmal ei- für sich . Lassen Sie sich daher ein weiteres Mal davon nen konstruktiven Vorschlag, aus dem hervorgeht, wie überzeugen, dass unser klares Bekenntnis zur Spitzenfor- Sie Förderentscheidungen treffen wollen . Da kommt von schung in Deutschland die Forschung insgesamt deutlich Ihnen nichts . gestärkt hat und auch weiterhin stärken wird . Wissenschaft muss in ganz Deutschland solide ausge- (Zuruf von der LINKEN: So rum hat das stattet sein und nicht nur, wie Sie es formulieren, in den noch nie funktioniert!) „förderbedürftigen Regionen“ . Mit der Milliardenhilfe von Bund und Ländern und den entsprechenden Pro- – Doch, selbstverständlich . grammen schaffen wir eine arbeitsfähige Basis für die (Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hochschulen in Deutschland . Mit Ihrer Schwarzmalerei Bekenntnisse gehören an andere Orte!) schaffen wir das nicht . Nur durch Forschung über das Gewöhnliche, das Nor- Danke für Ihre Aufmerksamkeit . male, den Standard hinaus – man braucht ihn, muss aber (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) darüber hinausgehen – kommen wir wirklich zu einer ex- zellenten Forschung . Forschung funktioniert nur, wenn nicht nur in der Breite unterstützt, sondern eben auch in Vizepräsident Johannes Singhammer: der Spitze gefördert wird . Für die CDU/CSU-Fraktion spricht jetzt der Kollege Stephan Albani . (Ralph Lenkert [DIE LINKE]: Aber nicht nur in der Spitze!) (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- ordneten der SPD) – Das habe ich doch gesagt . Wiederholen Sie mich doch nicht, aber herzlichen Dank . Stephan Albani (CDU/CSU): (Dr . Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Nein! Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Was für ein Das war Konsens!) (B) Tag, was für eine Debatte! Wenn der Kollege Schipanski Wir haben in Deutschland einen langen Prozess hinter (D) sich schon lauthals Sorgen um die Linken macht, dann uns, in dem wir die Leitlinien des Wissenschaftssystems brennt, ehrlich gesagt, die Hütte . in den vergangenen Jahren deutlich weiterentwickelt ha- (Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- ben . Dies war ein langer Prozess hin zu einer höheren NEN]: Wer schreit, hat in der Regel nicht Leistungs- und Innovationskraft in der Forschung und recht!) damit auch zu einer besseren internationalen Sichtbar- keit . Seit vielen Jahren gehört zu diesem System auch 77 Minuten Haue – Sie haben es so gewollt; das wird von der Grundgedanke genau dieser Arbeitsteilung innerhalb mir aber nicht fortgesetzt, keine Sorge . Aber als ich am des Wissenschaftssystems . Der Bund stellt Mittel für un- Mittwochabend den Antrag endlich vor mir liegen hatte, terschiedliche Einrichtungen zur Verfügung . Dies sind war meine Assoziation: Mensch, das ist ja mal ein bil- im Wesentlichen Forschungseinrichtungen und Förder­ dungspolitischer Schrotschuss . organisationen, die das BMBF allein, gemeinsam oder (Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU mit anderen Partnern trägt . Nach dem Grundgesetz sind und der SPD – Beifall des Abg . Tankred die Zuständigkeiten im föderalen System der Bundesre- Schipanski [CDU/CSU]) publik Deutschland nur in begrenzten Fällen dem Bund alleine zugeordnet . Das ist wahrlich eine Gemeinschafts- Unter Punkt 9 laden wir die Flinte mit dem Geld der Ex- aufgabe aller, von Bund und Ländern, und daran halten zellenzinitiative, und unter den Punkten 1 bis 8 feuern wir fest . wir einfach so in alle Himmelsrichtungen und hoffen, dass etwas umfällt . (Dr . Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Gut!) (Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU Nicht zuletzt auch aus diesem Grund begrüßen wir und der SPD) die Arbeit der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz, die aufgrund von gemeinsamen Entscheidungen seit Mit solider Politik hat das aus meiner Sicht nicht allzu Beginn 2008 ihre Arbeit im Sinne einer ausgewogenen viel zu tun . Forschungslandschaft zwischen Bund und Ländern an- getreten hat . Wir haben in den vergangenen Jahren mit solider Poli- tik die Wissenschaft auf eine arbeitsfähige Basis gestellt (Dr . Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Auch und auch förderfähige Regionen gefördert . gut!) (Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben in Schon wieder politischer Aschermittwoch?) Deutschland eine solide Grundlage für eine angemessene Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 159 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 26 . Februar 2016 15699

Stephan Albani (A) Bund-Länder-Förderung und Grundausrichtung im Sinne liarden Euro in erheblichem Maße . Das ist eine gute Leis- (C) der Hochschulen und Wissenschaft geschaffen . Auch das tung, die Früchte getragen hat, wie hier schon ausgeführt Inkrafttreten der Änderungen von Artikel 91 b Grund- worden ist . gesetz zu Beginn des vergangenen Jahres zeigt deutlich, dass diese Gemeinschaftsaufgabe gestaltet werden muss, (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- und zwar mit genau dem Tenor, wie es dort steht, nämlich ordneten der SPD) mit überregionaler Bedeutung . Wie kommt es zum Bei- Die Leistungsfähigkeit des deutschen Forschungs- spiel, dass in Ländern wie Brandenburg die Ausgaben für und Wissenschaftssystems wird uns durch nationale wie Bildung und Forschung sogar zurückgefahren worden internationale Sichtbarkeit bestätigt . Wir geben mittler- sind, wie wir den Ergebnissen des Statistischen Bundes- weile 2,87 Prozent unseres Bruttoinlandsproduktes für amtes entnehmen dürfen? Forschung und Entwicklung aus, also fast 1 Prozent Stellen wir also fest: Unter Federführung der Union mehr als im europäischen Durchschnitt . wurde die Forschungsförderung der öffentlichen Hand (Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: kontinuierlich gesteigert . Also immer noch keine 3 Prozent! Die sollte (Beifall bei der CDU/CSU) es schon 2010 geben!) Entsprechend dem EFI-Gutachten sind wir heute mit Wir sind gut aufgestellt mit einem Weltmarktanteil an 83,6 Milliarden Euro für Forschung und Entwicklung auf forschungsintensiven Waren von ungefähr 12 Prozent, einem Höchststand angekommen . Wir lehnen eine ein- was im Zusammenhang mit China Weltspitze ist . Wir seitige Mehrbelastung des Bundes, die durch die Aufhe- sind bei den Publikationsindizes in einer führenden Posi- bung des Kooperationsverbotes gefordert wird, klar ab . tion in Europa und weltweit unter den Top fünf . Wir wol- len eine national wie international sichtbare Spitzenleis- Liebe Kolleginnen und Kollegen, nicht nur eine aus- tung in der Forschung auch zukünftig nicht dem Zufall gewogene Finanzierung der Wissenschaftslandschaft in überlassen, weder durch Förderung nach dem Gießkan- Deutschland beschäftigt uns hier; auch der strukturelle nenprinzip noch nach Proporz . Das kommt nicht infrage, Aufbau des deutschen Wissenschaftssystems mit seiner daher auch immer wieder unsere Betonung eines rein Institutslandschaft zeigt seine besondere Stärke . Er öffnet wissenschaftlich geleiteten Auswahlverfahrens innerhalb Räume für die Bearbeitung unterschiedlichster wissen- der Wettbewerber . schaftlicher Aufgaben in Form und Inhalt und ermöglicht eine Arbeitsteiligkeit und funktionale Komplementarität . (Beifall bei der CDU/CSU) Er ist also Voraussetzung für die aufs Ganze gesehen be- merkenswerte Leistungshöhe und Leistungsdichte der Um die großen Herausforderungen unserer Tage von (B) Wissenschaft in Deutschland, für ihren Ideenreichtum der Globalisierung über die Digitalisierung bis hin zur (D) sowie für ihre Innovationskraft . In diesem strukturellen Integration zu bewältigen, brauchen und haben wir eine Aufbau entfaltet sich der Weg hin zu Spitzenforschung solide, leistungsorientierte und stets dynamische For- und Exzellenz . Darin werden wir nicht erst durch das schungsförderung . Dazu gehört auch ein klares Bekennt- Evaluationsergebnis der Imboden-Kommission aus den nis zu exzellenter Forschung . vergangenen Wochen bestätigt . Ihren Antrag betreffend möchte ich frei nach Goethe In der nächsten Sitzung der Gemeinsamen Wissen- schließen: 77 Minuten getretener Quark ist breit, nicht schaftskonferenz im April wird eine neue Bund-Län- stark . der-Vereinbarung in Nachfolge der Exzellenzinitiative (Ralph Lenkert [DIE LINKE]: Meinen Sie beschlossen . Die Bundeskanzlerin und die Regierungs- Ihre eigene Rede?) chefs werden gemeinsame Signale geben; davon kön- nen wir ausgehen . Das ist eine dauerhafte Perspektive . Herzlichen Dank . Es besteht also ein breiter Konsens in Wissenschaft und Politik darüber, dass unser Weg zu Spitzenforschung und (Beifall bei der CDU/CSU) Exzellenz der richtige ist .

Nun zu Ihrer immer wiederkehrenden Forderung Vizepräsident Johannes Singhammer: nach solider Ausstattung förderbedürftiger Regionen . Abschließender Redner in dieser Aussprache ist der Seit über 25 Jahren werden auch und insbesondere die Kollege Martin Rabanus für die SPD . neuen Bundesländer mit Strukturfördermaßnahmen und (Beifall bei der SPD) Programmen unterstützt, die in der Fläche Strukturen ge- schaffen haben . In Kenntnis der Wissenschaftler, die dort arbeiten, möchte ich sagen: Wenn man dies missachtet, Martin Rabanus (SPD): tut man denen wirklich Unrecht . Vielen Dank . – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren auf (Beifall des Abg . Dr . Ernst Dieter Rossmann den Besuchertribünen! Das war jetzt eine schöne Plenar- [SPD]) debatte, die wir hier erlebt haben . Das war sicherlich kein Das BMBF fördert dies seit 1989 mit dem Inno-Re- wissenschaftliches Symposion, aber eine parlamentari- gio-Programm, seit 1999 mit der Förderfamilie „Un- sche Debatte, die davon lebt, rhetorische Stilmittel ein- ternehmen Region“ und von 1991 bis 1996 mit dem zusetzen, die ein bisschen origineller sind und die Spaß Hochschulerneuerungsprogramm mit insgesamt 3,2 Mil- und Leben in dieses Parlament bringen . 15700 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 159 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 26 . Februar 2016

Martin Rabanus (A) Es haben schon einige betont, dass wir, als wir diesen gelegentlich ein bisschen dazu hinreißen lassen, mehr zu (C) Antrag bekommen haben – ich glaube, es war am Mitt- fordern . wochabend –, ein Sammelsurium von wohlfeilen Forde- rungen vorgefunden haben . (Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie wäre es denn, wenn Sie jetzt mal zur Sub- (Dr .André Hahn [DIE LINKE]: Viele gute stanz kämen und eigene Vorschläge brächten?) Vorschläge!) Mit Verantwortung hat das allerdings nichts zu tun . Zwei Den einen oder anderen Vorschlag – das will ich gar große, die Regierung tragende Fraktionen müssen eben nicht wegdiskutieren – finde ich persönlich auch sinn- Verantwortung übernehmen; das müssen Sie in der Tat voll . Sie kennen die Position der SPD-Bundestagsfrak- nicht . tion zum Kooperationsverbot . Auch die Forderung, die Forschungsmittel für Fachhochschulen auf 100 Millio- (Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: nen Euro zu erhöhen, ist gut und richtig . Das gefällt mir Ja, da tragen Sie schwer dran! Das sieht man!) ausgesprochen . – Da tragen wir durchaus nicht schwer dran, lieber Kolle- ge Gehring, sondern wir machen das gerne, wie im Übri- (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der gen auch die Länder gerne Verantwortung für die Bildung LINKEN) in ihrem Bereich tragen . Ich will das am Beispiel Thü- Ich darf darauf hinweisen, dass wir diesen Posten in den ringen unterstreichen . Da ist ein Wissenschaftsminister, letzten zwei Jahren von 38 Millionen Euro auf inzwi- der hochkompetent ist – wir kennen ihn alle: Wolfgang schen 48 Millionen Euro aufgestockt haben; die Große Tiefensee, ehemaliger Kollege in diesem Haus – und Koalition ist also auch diesbezüglich auf einem guten eine hervorragende Wissenschaftspolitik für Thüringen Weg . macht; selbstverständlich . Der Rest allerdings ist eine Mischung zwischen (Beifall bei der SPD – Ralph Lenkert [DIE „Wünsch dir was“ und dem Negieren des Kulturfödera- LINKE]: Er hat da auch gute Unterstützung!) lismus . Letzteres tut die SPD nicht . Wir wollen zwar das Ich finde, das kann man für die meisten Länder sagen. Kooperationsverbot für den Bildungsbereich aufheben . Ich will das am Beispiel meines Nachbarlandes Rhein- Aber ebenso wollen wir, dass es beim Kulturföderalis- land-Pfalz deutlich machen – ich komme aus Hessen –, mus bleibt und die Länder ihre eigenen Aufgaben haben, das eine hervorragende Politik macht . die sie im Übrigen – ich komme später noch darauf – in hervorragender Weise wahrnehmen . Auch das muss man (Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: (B) an dieser Stelle einmal betonen . Ja, in Hessen läuft es auch super! Überall, wo (D) die Grünen mitregieren, läuft es super!) (Beifall des Abg . Dr . Ernst Dieter Rossmann [SPD]) Die Studierendenzahlen sind in den letzten zehn Jahren von 100 000 auf 120 000 gestiegen. Die Grundfinan- Man kann zu dem Sammelsurium, das Sie aufge- zierung der Hochschulen dort ist nicht um 20 Prozent, schrieben haben, noch ein paar Punkte hinzufügen . sondern um 40 Prozent gestiegen; damit liegt Rhein- land-Pfalz sogar über dem bundesdeutschen Durch- (Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- schnitt . Wir sehen, dass die BAföG-Mittel vernünftig NEN]: Muss man aber nicht!) eingesetzt werden . Das gilt übrigens ebenso für mein Herr Schipanski hat das mit einem Punkt schon getan . Bundesland Hessen und alle anderen . Das ist auch richtig Ich habe mir die Mühe gemacht, noch einmal in die und gut so . Es ist sogar festzustellen, dass, völlig gegen Haushaltsänderungsanträge hineinzuschauen, die Sie im den Trend, in Rheinland-Pfalz die Betreuungsrelationen Herbst gestellt haben . Diese komplettieren die Liste Ih- in den Hochschulen stabil bleiben und sogar besser wer- rer Vorschläge: Es kommen noch 1,3 Milliarden Euro für den . BAföG hinzu, und knapp 500 Millionen Euro haben Sie Das alles wird gemacht in den Ländern. Ich finde, das damals für den Hochschulbau beantragt . Im jetzt vorlie- muss man auch ganz klar benennen . Das ist eine Leis- genden Antrag sind es nur noch 300 Millionen Euro; da tung, die auch von der Linken in Zukunft ein bisschen muss sich die Linke erst einmal einig werden, was sie deutlicher gewürdigt werden könnte . will . Jedenfalls kann man das munter draufsummieren . Das Ganze soll dann – das ist schon gesagt worden – (Beifall bei der SPD) durch die Exzellenzinitiative bezahlt werden . In diesem Sinne, glaube ich, sind wir in der Bundes- (Ralph Lenkert [DIE LINKE]: Das stimmt so republik Deutschland bei alldem, was wir noch zu besor- nicht!) gen haben, bei alldem, was wir uns noch vornehmen, auf einem guten Weg . Das gilt für die Länder auf der einen So findet es sich in der neunten Ziffer des Antrags. Auch Seite und für diese Koalition auf der anderen Seite glei- das ist nicht unbedingt etwas, was von besonderer Soli- chermaßen . dität geprägt ist . Herzlichen Dank . Man kann das so machen . Man kann als Opposition erst einmal alles fordern . Auch die Grünen haben sich (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 159 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 26 . Februar 2016 15701

(A) Vizepräsident Johannes Singhammer: nach der Geburt ihrer Kinder früher in den Beruf zurück (C) Damit schließe ich die Aussprache . als vorher . Immer mehr Männer, gerade der jüngeren Ge- neration, möchten sich gerne Beruf und Familie partner- Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlage auf schaftlich teilen, also auch ihren Teil der Familienarbeit Drucksache 18/7643 an die in der Tagesordnung aufge- übernehmen . Das gelingt zunehmend, aber immer noch führten Ausschüsse vorgeschlagen . – Widerspruch erhebt auf zu niedrigem Niveau . Immer mehr Männer nehmen sich nicht . Dann ist die Überweisung somit beschlossen . Elterngeld in Anspruch . Ich rufe jetzt Tagesordnungspunkt 21 auf: In diesem Bereich haben wir Fortschritte erzielt, weil Beratung der Unterrichtung durch die Bundesre- die Rahmenbedingungen verändert worden sind . Wir ha- gierung ben in der letzten Großen Koalition das Elterngeld und den Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz ab dem ersten Kombinierter siebter und achter Bericht der Geburtstag eingeführt . In dieser Wahlperiode verbessern Bundesrepublik Deutschland zum Überein- wir die Rahmenbedingungen weiter . Der Bund stellt auch kommen der Vereinten Nationen zur Besei- in dieser Wahlperiode Ländern und Kommunen zusätz- tigung jeder Form von Diskriminierung der liche Mittel für den Kitaausbau zur Verfügung . Wir ha- Frau (CEDAW) ben beispielsweise das Programm „KitaPlus“ aufgelegt, Drucksache 18/5100 bei dem es darum geht, Beschäftigten mit unnormalen Arbeitszeiten, also Personen, die im Schichtdienst arbei- Überweisungsvorschlag: ten, etwa Krankenschwestern und Polizisten, die Mög- Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (f) Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz lichkeit einer guten Kinderbetreuung zu geben, auch Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft wenn sie alleinerziehend sind oder der Partner bzw . die Ausschuss für Gesundheit Partnerin die Kinderbetreuung nicht übernehmen kann . Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe Mit dem Elterngeld Plus ermöglichen wir eine bessere Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für Partnerschaftlichkeit . Wir setzen Anreize für eine frühere diese Debatte 60 Minuten vorgesehen .– Auch dagegen Rückkehr in den Beruf und haben mit dem Pflegezeit- erhebt sich kein Widerspruch . Dann ist das somit be- und dem Familienpflegezeitgesetz Verbesserungen für schlossen . die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf geschaffen. – Das alles sind erste Schritte hin zur Familienarbeitszeit . Ich Ich eröffne die Aussprache und erteile als erster Red- bin mir sicher: Wenn nicht in dieser Wahlperiode, werden nerin für die Bundesregierung der Parlamentarischen wir spätestens in der nächsten Wahlperiode gesetzgeberi- Staatssekretärin Elke Ferner das Wort . sche Maßnahmen dazu ergreifen . (B) (D) (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten (Beifall bei der SPD sowie der Abg . Ingrid der CDU/CSU) Pahlmann [CDU/CSU]) Im CEDAW-Bericht wird gewürdigt, dass wir die Elke Ferner, Parl . Staatssekretärin bei der Bundesmi- nisterin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Erwerbstätigkeit von Frauen, ihre ökonomische Unab- hängigkeit und damit ihre tatsächliche Gleichstellung Vielen Dank .– Herr Präsident! Liebe Kollegen und unterstützen . Wir sind aber noch längst nicht am Ziel . Kolleginnen! Der kombinierte siebte und achte CE- Die Frauenerwerbsquote ist zwar so hoch wie noch nie; DAW-Bericht erstreckt sich auf die Jahre 2007 bis 2014 . aber wenn man hinter die Kulissen schaut, sieht man, Angesichts der Tatsache, dass noch in keinem Land der dass mehr als die Hälfte aller erwerbstätigen Frauen in Welt die vollständige Gleichstellung von Frauen und Teilzeit beschäftigt sind, mit all den damit verbundenen Männern erreicht ist, hat dieser Bericht naturgemäß Folgen wie Lohnersatzleistungen . Die Lohnlücke von Licht, aber auch Schatten . Ich freue mich sehr, dass wir 22 Prozent führt am Ende des Erwerbslebens zu einer jetzt, gut zwei Wochen vor der nächsten Sitzung der Rentenlücke von fast 60 Prozent . Es ist daher notwendig, Frauenrechtskommission der Vereinten Nationen, die dass es auch im Bereich der Erwerbsarbeit zu einer bes- Gelegenheit haben, über diesen Bericht im Deutschen seren Gleichstellung von Frauen und Männern kommt . Bundestag zu diskutieren . Wir müssen die Lohnlücke, die Zeitlücke und die Ren- In den letzten zwei Jahren hat das Thema Gleichstel- tenlücke schließen; dann sind wir der Gleichstellung von lung wieder Fahrt aufgenommen . Auch deshalb bin ich Frauen und Männern deutlich näher gekommen . mir ganz sicher, dass im nächsten CEDAW-Bericht die (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Schatten geringer und das Licht mehr werden wird . der CDU/CSU) Für die Durchsetzung der Gleichstellung von Frauen Wir gehen in dieser Wahlperiode das Vorhaben und Männern gibt es aus meiner Sicht drei zentrale Hand- „Lohngerechtigkeit“ an . Wir werden darüber mit Sicher- lungsfelder: die Gleichstellung auf dem Arbeitsmarkt, heit nicht nur am diesjährigen Equal-Pay-Tag zu disku- die gleichberechtigte Partizipation in allen gesellschaftli- tieren haben, sondern auch im weiteren Verlauf des Jah- chen Bereichen und der Schutz von Frauen und Mädchen res . Die Lohnlücke liegt in Deutschland bei 22 Prozent . vor Gewalt, insbesondere vor sexueller Gewalt . Damit sind wir so ziemlich am unteren Ende der Skala, Wo stehen wir im Jahr 2016? Bei der Gleichstellung was die Lohngerechtigkeit angeht . Das hat viele Ursa- auf dem Arbeitsmarkt gibt es Fortschritte . Die Frauener- chen . Deshalb brauchen wir auch viele Maßnahmen, um werbsquote ist auf dem höchsten Stand . Mütter kehren der Lohnlücke beizukommen . Das geht los bei der Teil- 15702 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 159 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 26 . Februar 2016

Parl. Staatssekretärin Elke Ferner (A) zeitarbeit. Wir wissen, dass Teilzeitarbeit in der berufli- Ich glaube, dass wir auf gutem Weg sind . Es ist leider (C) chen Sackgasse endet, wenn sie dauerhaft ausgeübt wird . noch nicht alles getan . Wir werden uns auch beim nächs- Deshalb wollen wir den Rückkehranspruch auf die alte ten CEDAW-Bericht mit Sicherheit noch über ein paar Arbeitszeit noch in dieser Wahlperiode angehen . Durch Schattenseiten zu unterhalten haben . Ich bin aber sehr den Mindestlohn haben wir bereits einen Baustein zum zuversichtlich, dass wir beim nächsten Mal eine deutlich Schließen der Lohnlücke gesetzt . Laut Untersuchungen bessere Bilanz vorlegen können; denn wir akzeptieren wird die Lohnlücke allein durch den Mindestlohn um nicht, dass Frauen in unserer Gesellschaft direkte oder 2 Prozent geringer . Wenn dann auch noch von der Mög- indirekte Nachteile haben . Dafür arbeiten wir hier in lichkeit einer besseren Tarifbindung in größerem Umfang großen Teilen zusammen; das möchte ich hier auch noch Gebrauch gemacht wird, wird sie sich weiter schließen . einmal deutlich sagen . Dafür Ihnen allen ein herzliches Es geht aber auch um den Wert der Arbeit, und um mehr Dankeschön! Transparenz . Auch in dieses Thema werden wir in dieser (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Wahlperiode einsteigen .

Nächster Punkt ist das Thema „Frauen in Führungspo- Vizepräsident Johannes Singhammer: sitionen“ . Dazu haben wir bereits ein Gesetz verabschie- Nächste Rednerin ist die Kollegin Cornelia Möhring det, das seit dem 1 . Januar dieses Jahres vollständig gilt . für die Fraktion Die Linke . Wir werden hoffentlich zur Mitte des Jahres oder bis zum Herbst erste belastbare Zahlen haben, denen eine größere (Beifall bei der LINKEN) Anzahl von Unternehmen zugrunde liegt . Die Opposition hatte bei der Verabschiedung dieses Cornelia Möhring (DIE LINKE): Gesetzes gesagt, das reiche alles nicht aus . Ich möchte Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich daran erinnern, dass wir im letzten Jahr gemeinsam bei denke, es ist zu Beginn der Debatte nicht verkehrt, wenn der FRK in New York waren . Es ist doch erstaunlich, ich noch etwas zur Bedeutung dieses Übereinkommens welch positive Resonanz dieses Gesetz auf internatio- sage . Das Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form naler Ebene, sowohl bei der FRK als auch beim Global von Diskriminierung der Frau, kurz CEDAW genannt, Summit of Women, gefunden hat . Natürlich ist das noch ist das wichtigste völkerrechtliche Instrument für die steigerungsfähig Gleichstellung von Frauen . Alle Staaten, die diesen Ver- trag der Vereinten Nationen unterzeichnet haben, sind (Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- zur rechtlichen und faktischen Gleichstellung von Frauen NEN]: Ganz klar! Gut erkannt!) in allen Lebensbereichen verpflichtet. – überhaupt keine Frage –; aber der Einstieg ist gemacht . (B) Was heißt das? Das ist eigentlich ganz einfach: Ers- (D) (Beifall bei der SPD) tens darf der Staat selbst nicht gegen den Gleichbehand- lungsgrundsatz verstoßen . Zweitens muss er auch aktiv Letzter Punkt ist das Thema „Schutz von Frauen und dafür sorgen, dass Chancengleichheit nicht nur auf dem Mädchen vor Gewalt“ . Da, denke ich, gibt es mehr Licht Papier steht, sondern gesellschaftliche Realität wird . als Schatten, aber eben auch noch den einen oder anderen Schatten . Wir haben in der Bundesrepublik ein sehr gut (Beifall bei der LINKEN) ausgebautes Hilfesystem . Wir haben auch Gesetze, die Der Staat ist außerdem verpflichtet, diese Politik proak- allerdings noch verbessert werden müssen – das Sexual- tiv zu verfolgen . „Proaktiv“ bedeutet im ursprünglichen strafrecht ist nur eines –, und das nicht erst seit Köln, um Sinne übrigens „ohne abzuwarten“, sogar „unverzüglich das hier noch einmal deutlich zu sagen . und mit eigenen Initiativen“ . Daran hapert es dann schon (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten ein bisschen . der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/ Vor 30 Jahren ist dieses Übereinkommen in natio- DIE GRÜNEN) nales Recht übergegangen, und seitdem überprüft der Nach den Statistiken hat jede vierte Frau mit ihrem CEDAW-Ausschuss regelmäßig die Einhaltung dieses bisherigen oder vorherigen Partner wenigstens einmal Abkommens und gibt konkrete Empfehlungen zu allen körperliche oder sexuelle Gewalt in ihrem Leben erfah- 16 Artikeln. Deutschland hat sich mit der Ratifizierung ren, und jede siebte Frau in Deutschland hat auf die eine im Übrigen auch verpflichtet, diese Empfehlungen um- oder andere Weise sexualisierte Gewalt erfahren . Diese zusetzen und mindestens ernst zu nehmen . Zahlen sind viel zu hoch . Deshalb müssen wir an den Liebe Frau Ferner, Ihnen persönlich nehme ich das al- gesetzlichen Normen etwas verändern . les ab . Wir haben ja gemeinsam direkt bei der UN dafür (Beifall bei Abgeordneten der SPD) gestritten . Ich habe aber nicht so gute Hoffnungen in die Gesamt-GroKo wie in Sie . Auf dieser kleinen Karte, die Wir müssen uns aber auch noch einmal über den All- ich hier habe, sind alle 16 Artikel des CEDAW-Abkom- tagssexismus in unserer Gesellschaft unterhalten . Der mens verzeichnet . Vielleicht nehmen Sie die einmal mit fängt bei sexistischer Werbung an und endet am Ende und verteilen sie im Kabinett und in den Koalitionsfrak- des Tages in Rollenzuschreibungen, die nicht gut sind, tionen sozusagen als Leitschnur für die Gleichstellungs- und auch in entsprechenden Frauenbildern, die dann zu politik . Das wäre doch mal etwas . Übergriffen führen, wie wir sie in Köln, aber auch an- derswo, zum Beispiel auf dem Oktoberfest in München, (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- sehen konnten . neten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 159 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 26 . Februar 2016 15703

Cornelia Möhring (A) In dem hier vorliegenden kombinierten siebten und den-Woche bewegen, und zwar für beide Geschlechter, (C) achten Bericht der Bundesrepublik Deutschland macht es und zu einem Gehalt, von dem man auch gut leben kann . nämlich mitnichten den Eindruck, als würde die Bundes- regierung das CEDAW-Abkommen wirklich ernst neh- (Beifall bei der LINKEN) men . Der Bericht liest sich eher wie ein schlechtes Ent- Der CEDAW-Ausschuss sieht ebenfalls mit Besorg- schuldigungsheft . In weiten Teilen wird gar nicht auf die nis die seit langem bestehende Lohn- und Entgeltlücke . Empfehlungen geantwortet, sondern einfach der Status Er hat recht damit . Die Entgeltlücke zwischen den Ge- quo beschrieben, gerechtfertigt und beschönigt . Wir wis- schlechtern liegt konstant bei 22 Prozent . Falls Ihr Ge- sen schon länger – das ist, denke ich, übereinstimmende setz das Bundeskanzleramt jemals wieder verlässt, wird Meinung in diesem Haus –, dass die vorherige Bundes- das darin vorgesehene Auskunftsrecht leider weder diese regierung – Sie haben auf den langen Berichtszeitraum Lücke schließen noch die Aufwertung von Frauenarbeit hingewiesen – gleichstellungspolitisch nicht sonderlich bewirken . interessiert war . Aber der Bericht zeigt auch: Die GroKo hat keinen Plan . Auch in den Führungsetagen sind Frauen eine Sel- tenheit . Auch in den Bundesbehörden und Bundesmi- (Beifall bei der LINKEN) nisterien gibt es etliche patriarchale Hochburgen . Im Sie haben kein Konzept, um die Diskriminierung von Bundesrechnungshof sind gerade einmal miserable Frauen wirklich grundlegend und umfassend zu bekämp- 18,92 Prozent Frauen in Führungspositionen . Auch Mi- fen, und Sie verstecken Ihre Planlosigkeit lediglich hinter nister Schäuble scheint weibliches Führungsvolk eher ein paar gleichstellungspolitischen Trippelschritten . zu scheuen: Bei ihm sind von den 202 Führungskräften gerade einmal ein Fünftel weiblich . Nur im Bundesrat (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) ist jede zweite Führungskraft eine Frau . Das zeigt aber: Wenn die Hausleitung es wirklich will, dann geht es auch . Ich mache das einmal exemplarisch an Artikel 11 des Abkommens fest . Inhalt von Artikel 11 sind unter ande- (Beifall bei der LINKEN) rem die Beseitigung jeder Form von Diskriminierung im Erwerbsleben, das Recht auf Arbeit sowie das Recht auf Liebe Kolleginnen und Kollegen, Frauen in Deutsch- gleiches Entgelt und gleiche Sozialleistungen . Gleich- land bekommen weniger Geld und haben weniger Chan- stellung ist immer auch eine soziale Frage . Solange Frau- cen, aber Frauen arbeiten nicht weniger . Das stellt auch en in der Armutsfalle stecken, ist Gleichstellung nicht zu der CEDAW-Ausschuss fest und bemängelt die Folgen, erreichen, und solange Frauen ökonomisch nicht unab- zum Beispiel für die Altersversorgung von Frauen . Frau- hängig von Ehemännern oder wem auch immer sind, ist en arbeiten mit 45,5 Stunden pro Woche im Durchschnitt eine Stunde länger als Männer . Zwei Drittel dieser Zeit (B) Gleichstellung ebenfalls nicht zu erreichen . Damit sage (D) ich nicht, dass, wenn wir ökonomisch selbstständig agie- leisten sie unbezahlt; das sind immerhin 29,5 Stunden . rende Frauen haben, damit die Gleichstellung erreicht ist . Diese unbezahlte Arbeit umfasst etliches: Haushaltsfüh- rung, aber auch die Betreuung und Pflege von Kindern Der CEDAW-Ausschuss ist zu Recht besorgt über und anderen Haushaltsmitgliedern, Unterstützung für die Situation von Frauen im Erwerbsleben . Frauen sind Personen, die nicht im Haushalt leben, und noch eini- zwar vermehrt erwerbstätig – das hat Frau Ferner eben ges mehr . Frauen schaffen also den Löwenanteil der Tä- auch bestätigt; die Erwerbsquote ist gestiegen –, aber das tigkeiten weg, ohne die unsere Gesellschaft überhaupt hat nicht zu einem Anstieg des Anteils der Erwerbsar- nicht existieren könnte . Was bekommen sie dafür? Eine beit von Frauen am Gesamtarbeitsvolumen geführt . Das schlechtere Bezahlung, und wenn sie erwerbslos werden, heißt schlicht und ergreifend: Frauen sind nur stärker in haben sie nicht einmal einen eigenen Anspruch auf Sozi- Teilzeit beschäftigt, also weniger in Vollzeit . Die Quote alleistungen, weil sie in Bedarfsgemeinschaften gepresst ist also zurückgegangen, und dafür gibt es mehr Jobs in werden . Für die Alterssicherung hat das alles schwerwie- Teilzeit . Und nicht nur das: Frauen arbeiten vorwiegend gende Folgen . in befristeten und gering bezahlten Beschäftigungsver- hältnissen . Hinzu kommen die 5,3 Millionen Minijobs, (Matthias W . Birkwald [DIE LINKE]: Wohl in denen zu zwei Dritteln Frauen arbeiten . wahr!) (Matthias W . Birkwald [DIE LINKE]: Alles In Deutschland beziehen Frauen nur 60,6 Prozent der schlecht für die Rente!) Alterseinkommen der Männer, oder anders ausgedrückt 39,4 Prozent weniger . Wie antwortet die Bundesregierung im Bericht auf dieses Problem? Sie behauptet einfach, dass Frauen zum Liebe Kolleginnen und Kollegen, eine der heftigs- größten Teil in Normalarbeitsverhältnisse eingestiegen ten Diskriminierungen ist Armut . Die Schere zwischen sind . Der Trick dabei ist: Sie rechnet alles zu Normalar- Arm und Reich hat mittlerweile völlig absurde Ausmaße beitsverhältnissen, was über einer Wochenarbeitszeit von erreicht . Im Jahr 2014 waren rund 12,5 Millionen Men- 21 Stunden liegt . Ehrlich gestanden, liebe Kolleginnen schen in Deutschland arm oder armutsgefährdet . Auch und Kollegen, das grenzt an Verarschung . hier finden wir mehr Frauen als Männer. Alleinerziehen- de – das sind auch zu 90 Prozent Frauen – tragen ein (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- besonders hohes Armutsrisiko . 40 Prozent von ihnen sind neten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) einkommensarm . Ein Normalarbeitsverhältnis sollte sich perspektivisch, Wie antwortet die Bundesregierung? Sie spart Fragen meiner Meinung nach, im Rahmen einer 30-Stun- der Arbeitsteilung fast aus und meint, das Problem sei 15704 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 159 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 26 . Februar 2016

Cornelia Möhring (A) mit der Elternzeit und dem Elterngeld Plus fast erledigt . ungleichheit zwischen Männern und Frauen haben wir (C) Sie hält weiter daran fest, dass Frauen sich eine dauer- im Koalitionsvertrag gemeinsam festgeschrieben . Wie hafte und gut bezahlte Erwerbsarbeit suchen sollten, trotz Sie wissen, befindet sich derzeit ein Gesetzentwurf zur der vorgetragenen Fakten und Daten. Ich finde das gera- Umsetzung eben dieser Pläne im Bundeskanzleramt . dezu unerträglich . Also auch hier sind wir aktiv . (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- Die Entgeltlücke als eine spezielle Form der Ge- neten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) schlechterdiskriminierung scheint mir in mancher Hin- sicht symptomatisch zu sein; denn nicht nur beim Gen- Alle Frauen – wirklich alle Frauen! – haben eine eigen- der Pay Gap gilt: Das Problem, seine Ursachen und die ständige Perspektive verdient, und zwar nicht nur als möglichen Instrumente zur Behebung sind hinlänglich Sahnebonbon, sondern als Menschenrecht . bekannt, die messbaren Fortschritte aber selbst nach jah- Der gesamte Bericht zu allen Artikeln liest sich leider relangen Anstrengungen des Gesetzgebers immer noch so wie beschrieben . Entschlossenes Handeln wäre jetzt eher dürftig . aber angemessener, damit die zahlreichen Frauen nicht Woran liegt es also, dass Frauen in unserer Gesell- länger diskriminiert werden und endlich ökonomisch schaft immer noch diskriminiert werden? An einem Man- unabhängig leben können . Die Linke will gerechte und gel an Gesetzen liegt es meiner Meinung nach jedenfalls gleiche Löhne, die Aufwertung von Frauenarbeit, endlich nicht . Ich habe es an dieser Stelle schon mehrfach ge- mehr Personal in der Pflege, eine sanktionsfreie Mindest- sagt und betone es gerne nochmals: Um Diskriminierung sicherung, die Abschaffung von Bedarfsgemeinschaften nachhaltig zu bekämpfen, dürfen wir uns nicht allein auf und nicht zuletzt eine armutsfeste gesetzliche Rente . den Gesetzgeber verlassen – auf ihn natürlich auch –, (Beifall bei der LINKEN) sondern wir müssen der Diskriminierung auf allen politi- schen Ebenen und in allen gesellschaftlichen Kontexten Die Linke meint gleichstellungspolitisch und darüber entgegenwirken . hinaus: Das muss drin sein, liebe Kolleginnen und Kol- legen . (Beifall bei der CDU/CSU) Vielen Dank . Eine ganz wichtige Rolle spielt in diesem Zusammen- hang der Zugang zur Bildung, auf den meine Kollegin (Beifall bei der LINKEN und dem BÜND- Christina Schwarzer noch eingehen wird . NIS 90/DIE GRÜNEN) Ein grundsätzliches Problem beim Kampf gegen die Vizepräsident Johannes Singhammer: Diskriminierung von Frauen ist sicherlich, dass sie in so (B) unterschiedlichen Ausformungen daherkommt . Sie fängt (D) Die Kollegin Ursula Groden-Kranich spricht als bei vermeintlich harmlosen und oftmals sogar unbewuss- Nächste für die CDU/CSU . ten Verletzungen wie dem sexistischen Sprachgebrauch (Beifall bei der CDU/CSU) an, und sie reicht bis zur grauenvollen körperlichen und seelischen Verletzung der Menschenwürde in Form von Zwangsprostitution und Genitalverstümmelung . Ursula Groden-Kranich (CDU/CSU): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren, bei der Beschäftigung Meine Damen und Herren! Vor einer Woche habe ich mit den verschiedenen Formen von Diskriminierung hier zum Thema „Gleichstellung im Kulturbetrieb“ ge- stoße ich in letzter Zeit immer wieder auf eine Gruppe sprochen . Auch die heutige Unterrichtung durch die betroffener Frauen, die für meine Begriffe noch viel zu Bundesregierung zeigt, dass uns alle das Thema „Dis- wenig im Fokus unserer Aufmerksamkeit steht . Diese kriminierung von Frauen“ umtreibt; man möchte sagen: Frauen haben selbst leider oft nicht die Mittel oder die uns leider noch immer umtreibt . Die politische Arbeit an Kraft, stärker in Erscheinung zu treten: Ich denke an die dieser Thematik ist – darin sind wir uns sicherlich alle Migrantinnen in diesem Land . Damit meine ich nicht nur einig – überaus mühsam, oft kleinteilig und geht depri- die Frauen, die mit der aktuellen Flüchtlingswelle zu uns mierend langsam vonstatten . Dennoch ist es wichtig, sich kommen und hier Schutz suchen . Nein, ich denke vor al- ab und zu vor Augen zu führen, dass es in unserem Land lem an die Migrantinnen der zweiten und dritten Genera- auch gute Fortschritte im Kampf gegen Diskriminierung tion, an Frauen, die oftmals sogar einen deutschen Pass gibt . Auch wenn es an der konsequenten Anwendung der besitzen und dennoch hier, mitten unter uns, in Parallel- bestehenden Gesetze zum Teil noch aus für mich unver- gesellschaften leben, die Lichtjahre von Artikel 3 unseres ständlichen Gründen hapert, gibt es viele Gesetze, um Grundgesetzes entfernt sind . die uns Frauen anderer Nationen beneiden und auf die wir hierzulande stolz sein können; denn wir haben ein Die ganz alltägliche und von uns allen mehr oder we- Allgemeines Gleichstellungsgesetz, und wir haben ein niger stillschweigend geduldete Diskriminierung dieser Grundgesetz, das in Artikel 3 die Diskriminierung von Mädchen und Frauen aus muslimischen Familien reicht Frauen verbietet . von vermeintlich banalen Dingen wie dem Verbot der Teilnahme am Sportunterricht oder am Unterricht an Die jetzige Regierung hat in den letzten Jahren einige weiterführenden Schulen – von Universitäten ganz zu Vorhaben zum Abbau der Diskriminierung von Frauen schweigen – bis hin zur Zwangsverheiratung minderjäh- umsetzen können . Ich nenne hier exemplarisch nur das riger Mädchen, die oft noch Jahre nach ihrer Ankunft in Gesetz zur Frauenquote . Auch den Abbau von Entgelt­ Deutschland unserer Sprache kaum mächtig sind und die Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 159 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 26 . Februar 2016 15705

Ursula Groden-Kranich (A) ihren Ehemännern in jeder Hinsicht – körperlich, mora- Vorfälle wie diese lassen mich besorgt, wütend und (C) lisch und wirtschaftlich – ausgeliefert sind . auch regelrecht hilflos zurück. Denn wie soll ich meiner Tochter im Anschluss an solche Begegnungen erklären, Wenn wir ehrlich sind, müssen wir feststellen, dass dass sich Männer dieses Verhalten herausnehmen dürfen, Migrantinnen oft doppelt diskriminiert werden: einmal ohne bestraft zu werden, und Frauen dies ertragen müs- in der eigenen Community, und dann noch einmal von uns, indem wir für diese Art der Diskriminierung blind sen? Da frage ich manchmal auch, Frau Künast: Wo ist sind oder sie zumindest oft als Diskriminierung zweiter der Aufschrei der grünen Feministinnen? Klasse behandeln . (Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Übrigens ist dieses Phänomen nicht nur in Großstäd- NEN]: Ach Gott! Jetzt schlägt’s aber 13! – ten zu beobachten . Ich selber wurde in den letzten Jahren [SPD]: Deswegen wollen bei Begegnungen in meiner Heimatstadt immer wieder wir ja die Istanbul-Konvention durchsetzen!) damit konfrontiert . Bei „öffentlichen“ Terminen waren Frauen mit größter Selbstverständlichkeit einfach aus- Warum konnten über Jahrzehnte hinweg Parallelge- geschlossen . Während des Ramadans beispielsweise war sellschaften entstehen, in denen Frauen und Mädchen ich sowohl bei türkischen Familien als auch in Moscheen einem chauvinistischen Diktat unterworfen werden, das zum täglichen Fastenbrechen eingeladen . Vor Ort wurde nicht einmal ansatzweise mit unserer Rechtsordnung ver- ich jedoch fast ausschließlich von Männern empfangen; einbar ist, sondern diese bewusst und schamlos verach- die Frauen durften nicht an den Begegnungen teilneh- tet? men . (Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- (Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Wir fragen beim § 177 noch mal, NEN]: Was machen Sie eigentlich für die In- ob Sie uns unterstützen! – Renate Künast tegration? Sie machen doch nichts!) [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gleich sagen Oder: Beim Besuch von Flüchtlingseinrichtungen in Sie noch, Sie sind Feministin!) meinem Wahlkreis war ich erfreut, zu hören, dass es noch freie Plätze in Deutschkursen gibt . Ist das unsere Vorstellung von Toleranz und kultureller Freiheit? Kann sie das wirklich sein? Ich denke: nein . (Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Reden Sie doch nicht immer über „die“ Im vergangenen Jahr konnte ich an der UN-Frauen- und „wir“!) rechtskonferenz in New York teilnehmen . Die Ziele der Resolution „Peking + 20“, die unter anderem den Abbau (B) – Ach, lassen Sie es doch, Frau Schauws, ehrlich! Bei (D) dem Thema sind nämlich auch Sie auf einem Auge blind . von Diskriminierung zum Ziel hat, sind aktueller und not- wendiger denn je . In meinen Gesprächen mit Politikerin- (Beifall bei der CDU/CSU – Ulle Schauws nen und Aktivistinnen verschiedenster Herkunft hat sich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, sind ein Punkt immer wieder herauskristallisiert, den ich abso- wir nicht!) lut einleuchtend und enorm wichtig finde: Der Kampf um Vor Ort sagte mir dann aber beispielsweise eine Gleichberechtigung und gegen Diskriminierung ist eben tschetschenische Frau, ihr Mann wünsche nicht, dass sie nicht eine reine „Frauensache“ . Genau da setzen interna- an einem solchen Kurs teilnimmt, weil dort auch Männer tionale Kampagnen, zum Beispiel „HeForShe“ der UN sind . Dies trifft nicht nur Frauen in Flüchtlingsheimen, Women, an . Denn von einer aufgeklärten, emanzipierten sondern es trifft auch Frauen, die bereits seit vielen Jah- und diskriminierungsfreien Gesellschaft profitieren am ren in unserem Land sind . Ende alle: Männer und Frauen . Das haben einschlägige Untersuchungen bereits für verschiedene Länder gezeigt . (Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Auch ein Bericht der Weltbank kommt zu dem Schluss, NEN]: Es gab zwei Verabschiedungen, durch dass eine starke Wirtschaft, kulturelle Innovation und so- die die Schutzbedürftigen schlechtergestellt ziale Gerechtigkeit fast automatisch dort entstehen, wo wurden!) besonders viel für die Geschlechtergerechtigkeit getan Ich sage Ihnen ganz offen: Vorfälle wie diese lassen wird . mich besorgt, wütend und leider auch regelrecht hilflos zurück . Sie bringen mich argumentativ in Bedrängnis . Wir Frauen sollten also nicht den Fehler machen, Denn wie soll ich meiner Tochter – – Männer beim Thema Diskriminierung immer nur als po- tenzielle Gegner zu betrachten . Im Gegenteil: Wir brau- (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- chen Männer dringend als Mitstreiter der Frauen NEN]: Wer hat eigentlich die Deutschkurse, die Integrationskurse eingeführt? Wir, gegen (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- Ihren Widerstand! – Zuruf des Abg . Max ordneten der SPD – Mechthild Rawert [SPD]: Straubinger [CDU/CSU]) Wenn sie an meiner Seite sind: Ja!) – Noch gilt es, dass jeder eine eigene Meinung haben darf und diese auch hier im Bundestag frei äußern darf . und vor allem als positive Rollenvorbilder und Korrekti- Insofern hat das auch mit Diskriminierung zu tun . ve für die Generation unserer Söhne, Neffen und Enkel . (Beifall bei der CDU/CSU) (Zurufe von der LINKEN) 15706 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 159 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 26 . Februar 2016

Ursula Groden-Kranich (A) – Ich glaube, im Moment sind mehr Männer von der Was Sie hier gestern verabschiedet haben, bietet Frauen (C) CDU/CSU da als von den Linken . keinen Schutz, ganz im Gegenteil . (Beifall bei der CDU/CSU – Dr .Kirsten (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Tackmann [DIE LINKE]: Wir machen manch- NEN]: Nächstes Jahr ist Kauder Feminist!) mal auch Anmerkungen, die für alle gelten!) Ich frage mich, warum Sie vom Ministerium und auch Väter können und müssen ebenso wie Mütter dazu Sie von den Fraktionen der Großen Koalition bei der De- beitragen, dass ihre Töchter starke Persönlichkeiten wer- batte zum Internationalen Frauentag auf eine Rückschau den, die sich ihrer Rechte als Frauen bewusst sind . Oder setzen . Der Bericht weist doch klar auf die drängenden wie es kürzlich in einem Artikel auf Zeit Online so schön Aufgaben hin, zum Beispiel auf das überfällige Entgelt- auf den Punkt gebracht wurde: „Deutschland braucht gleichheitsgesetz . Der Staatenbericht kritisiert die Situ- mehr Feministen!“ ation seit Jahren . Es wäre meines Erachtens das richtige Signal gewesen, wenn Sie als Bundesregierung heute ei- Die Diskriminierung von Frauen muss geächtet wer- nen Gesetzentwurf für ein wirksames Entgeltgleichheits- den, und zwar von allen Menschen, die in diesem Land gesetz vorgelegt hätten . Ich hätte das als ein gutes Signal leben, völlig unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit, gefunden . ihrer Religion, ihrer kulturellen Herkunft und ihrer poli- tischen und privaten Überzeugung . (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Ich wäre sehr glücklich, wenn ich in einer der nächsten Reden zu dieser Thematik den Satz der US-amerikani- Aber bis auf Ankündigungen hat diese Regierung nichts schen Sozialreformerin Alice Hamilton zitieren könnte: vorzuweisen . Frauen bekommen nach wie vor 22 Pro- zent weniger Lohn . Das ist und bleibt ein Skandal! Für mich liegt die Befriedigung darin, dass die Din- Ich habe die Befürchtung – ich bin da nicht alleine –, ge jetzt besser sind und dass ich daran Anteil hatte . dass der von Ihnen angekündigte Gesetzentwurf wenig Vielen Dank . wirksam sein wird, dass er den Frauen am Ende wenig bringt . Mit Ihrer geplanten Transparenzoffensive für (Beifall bei der CDU/CSU) Unternehmen mit mehr als 500 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern werden Sie nur wenige Frauen erreichen . Ohne ein Verbandsklagerecht – das sage ich ganz klar –

Vizepräsident Johannes Singhammer: stärken Sie die Unternehmen, aber nicht die Frauen . Und (B) Für Bündnis 90/Die Grünen spricht jetzt die Kollegin was ist das bitte für ein Signal an Frauen? (D) Ulle Schauws . Der Bericht der Kommission der Antidiskriminie- (Dr .Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Ulle, rungsstelle – das war in dieser Woche Thema im Aus- erklär es noch mal! – Heiterkeit bei Abgeord- schuss – hat das sehr klar kritisiert . Ihre Koalition knickt neten der SPD und der Linken) bereits jetzt vor der Wirtschaft und vor der Industrie ein, die gegen dieses Gesetz schon Sturm laufen . Ich sage Ih- nen, meine Damen und Herren: Alle Frauen- und Sozi- Ulle Schauws (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): alverbände werden Sie daran messen, was am Ende des Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kollegin- Tages von einem Entgeltgleichheitsgesetz übrig bleibt . nen und Kollegen! Die Generalversammlung der Verein- Gegen jede Diskriminierung von Frauen ist ein Gesetz ten Nationen hat 1979 das wichtige Übereinkommen zur nur dann gut, wenn es auch Wirkung zeigt . Beseitigung jeder Form der Diskriminierung der Frau beschlossen . CEDAW gilt bis heute als wichtigstes Men- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN schenrechtsinstrument für Frauen weltweit . Das BMFSFJ sowie bei Abgeordneten der SPD und der misst dem Staatenbericht von CEDAW hohe Bedeutung LINKEN) bei . Das begrüßen meine Fraktion und ich ausdrücklich; Ich will noch auf einen weiteren Punkt eingehen . (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Beim Kampf gegen Sexismus und bei der Suche nach sowie der Abg . Mechthild Rawert [SPD]) Lösungen zur verbesserten Finanzierung von Frauen- häusern bleiben Sie im Ministerium komplett untätig . denn das war in der letzten Wahlperiode unter CDU-Füh- Erfolgreiche Regierungsarbeit, aber auch Gesetze, die rung deutlich anders . gegen die Diskriminierung von Frauen wirken, müssen Sie umsetzen . Kollegin Groden-Kranich, wenn Sie hier heute mit Verve eine Rede für die Frauenrechte halten, sage ich Meine Damen und Herren, die CEDAW-Empfehlung Ihnen ganz klar: Gestern wurde ein Asylpaket II verab- zu Prostitution kritisiert scharf – ich zitiere –, „dass die schiedet, in dem das Gewaltschutzkonzept für Frauen gesteckten Ziele durch das Gesetz nur in sehr geringem gekippt worden ist . Das ist die Wahrheit, und auch die Umfang erreicht wurden“ . Konkret heißt das: keine Ver- müssen Sie sich anhören . besserung der sozialen Lage, keine Verbesserung der Arbeitsbedingungen und keine Verringerung der Krimi- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN nalität für Prostituierte . Daran wird auch Ihr geplantes und bei der LINKEN) Prostitutionsgesetz nichts ändern . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 159 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 26 . Februar 2016 15707

Ulle Schauws (A) Ganz im Gegenteil: Mit Ihrem Gesetzesvorschlag Heute, 28 Jahre und etliche CEDAW-Berichte später, (C) treiben Sie Prostituierte geradezu in die Illegalität . Mit äußert sich der zuständige UN-Fachausschuss besorgt der Anmeldepflicht müssen sich diese für jede sexuelle über die bestehenden Lohn- und Einkommensunterschie- Dienstleistung anmelden – auch wenn sie nur gelegent- de zwischen Frauen und Männern in unserem Land . Fast lich stattfindet. Es geht Ihnen in der Union und in der SPD drei Jahrzehnte sind vergangen, und wir sind von dem nicht um den Schutz der Prostituierten . Nein, im Gegen- Ziel „gleicher Lohn für gleiche oder gleichwertige Ar- teil: Es geht um Kontrolle . Anstatt endlich die Richtlinie beit“ noch immer meilenweit entfernt . zum Schutz der Opfer von Menschenhandel umzusetzen, laufen Sie Gefahr, ein Bürokratiemonster zu schaffen, Wer immer noch glaubt, diese Lücke werde sich schon das die Länder und Kommunen nicht wollen . Da frage irgendwann irgendwie von selbst schließen, der sollte ich ganz klar: Wie wirken Ihre Gesetze eigentlich? einmal einen Blick in die Berichte der vergangenen Jahre werfen . Da steht schwarz auf weiß: Wenn wir als Gesetz- Der CEDAW-Ausschuss ist besorgt darüber, dass die geber jetzt nicht tätig werden, dann wird sich auch in den Bundesregierung Rollenstereotype nicht proaktiv be- nächsten 30 Jahren nichts bewegen . kämpft . Auch wird Besorgnis über sexistische Werbung geäußert . Ein Vorschlag des CEDAW-Ausschusses liegt Kolleginnen und Kollegen, dank der Initiativen der längst auf dem Tisch: Mit einer unabhängigen Stelle Ministerinnen Schwesig und Nahles kommen wir bei könnte sexistische Werbung wirksam geprüft werden .– der Entgeltgleichheit in dieser Legislaturperiode aber Dazu habe ich von Ihnen nichts gehört . endlich voran. Vom Mindestlohn profitieren Millionen Beschäftigte, insbesondere Frauen, vor allem Frauen im Ich bin auch gespannt, wie weit Sie am Ende des Ta- Dienstleistungssektor . ges beim Sexualstrafrecht wirklich gehen, ob wir am Ende des Tages ein Gesetz haben, nach dem das Nein (Beifall bei der SPD) auch ein Nein ist . (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Damit ist der Mindestlohn ein wichtiger Baustein zur Verringerung der bestehenden Lohnlücke . Es ist noch viel zu tun . Wenn Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, dieses Jahr 2016 zum Jahr Zu diesen Bausteinen gehören natürlich auch der wei- der Frauen ausrufen, dann dürfen wir wirklich mehr von tere Ausbau der Kindertagesbetreuung, das neue Eltern- Ihnen erwarten, nämlich Ankündigungen, die dann auch geld Plus und das geplante Pflegeberufegesetz, das zu wirklich umgesetzt werden, Gesetze, die ihren Namen einer Aufwertung der sozialen Berufe führen wird . wirklich verdienen, und Maßnahmen, die gegen Diskri- minierung von Frauen wirksam sind . Kernstück unserer Strategie zur Bekämpfung der (B) Lohnlücke ist aber das Gesetz für mehr Lohngerechtig- (D) Beherzigen Sie doch das, was schon die Vorkämp- keit; den Gesetzentwurf hat Ministerin Schwesig zurzeit ferinnen für das Frauenwahlrecht forderten . Ihr Motto in Arbeit . Es setzt auf neue Instrumente wie den indivi- hieß: „Taten statt Worte“ . duellen Auskunftsanspruch für Beschäftigte, die betrieb- lichen Verfahren und die Berichtspflichten. Vor allem In diesem Sinne wünsche ich Ihnen und uns allen ei- setzt es auf Transparenz; denn die Frage des Gehalts – nen guten Frauentag . darüber sind wir uns hier im Raum doch alle einig – ist Vielen Dank . in Deutschland eines der letzten großen Tabus . Dieses Tabu schadet vor allem den Frauen; denn viele wissen (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN schlichtweg nicht, ob sie überhaupt fair bezahlt werden . und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten Das muss sich ändern; denn nur dann können Frauen sich der SPD) auch gegen Lohnungerechtigkeit zur Wehr setzen .

Vizepräsident Johannes Singhammer: (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Nächste Rednerin ist die Kollegin Dr . Carola Reimann der CDU/CSU) für die SPD . Die Bevölkerung ist bei der Frage der Transparenz (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten und Vergleichbarkeit von Gehältern längst weiter: Knapp der CDU/CSU) 70 Prozent sind laut einer Studie des DELTA-Instituts dafür, dass Gehaltsstatistiken im Betrieb offengelegt Dr. Carola Reimann (SPD): werden . Das zeigt: Die Leute wollen Transparenz über Gehaltsfragen . Deshalb muss Schluss sein mit der Ge- Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her- heimniskrämerei auf Kosten der Frauen . ren! Für gleiche oder gleichwertige Arbeit darf nicht (Beifall bei der SPD) wegen des Geschlechts ein geringerer Lohn gezahlt werden . Kolleginnen und Kollegen, die Lohnlücke zwischen Frauen und Männern – die Staatssekretärin hat das aus- So steht es in etwas holprigem Deutsch auf Seite 35 des geführt – hat viele Ursachen . Eine ist die Position von CEDAW-Berichts aus dem Jahr 1988 . Das war der erste Frauen in der Unternehmenshierarchie . Mit der Frau- Bericht, den die Bundesregierung nach der Ratifizierung enquote haben wir nicht nur einen wichtigen, ja histo- des Übereinkommens vorgelegt hat . rischen Schritt für mehr Gleichberechtigung geschafft, 15708 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 159 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 26 . Februar 2016

Dr. Carola Reimann (A) sondern wir haben auch die Weichen für mehr Vielfalt in berechtigung von Mann und Frau gegründete An- (C) den Führungsetagen gestellt . erkennung, Inanspruchnahme oder Ausübung der Menschenrechte und Grundfreiheiten durch die (Beifall bei der SPD) Frau – ungeachtet ihres Familienstands – im po- Zugegeben, heute ist es für eine umfassende Bilanz noch litischen, wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen, zu früh . Das Gesetz ist gerade erst in Kraft getreten und staatsbürgerlichen oder jedem sonstigen Bereich wirksam . Man kann aber doch festhalten, dass durch die beeinträchtigt oder vereitelt wird . Quote einiges in Bewegung gekommen ist, nicht nur Schaue ich mir diesen Artikel Stück für Stück an, wird durch die gesetzlichen Vorgaben, sondern auch durch die zumindest deutlich: Vom gesetzlichen Standpunkt her öffentliche Debatte über Frauenanteile in Spitzengremi- haben wir in Deutschland eine Gleichberechtigung von en . Es gibt einige Unternehmen, die mit positiven Zahlen Mann und Frau . Das ist eine gute Nachricht, eine wichti- wirklich punkten können, andere müssen sich aber der ge Grundlage, aber damit allein wird absolut keine Aus- öffentlichen Kritik stellen . Wenn man immer nur hinter- sage über die tatsächliche Gleichstellung der Geschlech- herhechelt, gibt man in der Öffentlichkeit natürlich kein ter in unserem Land getroffen . gutes Bild ab . Ich kann diesen Unternehmen nur raten: Wer die Quote ignoriert, schadet am Ende vor allem sich Das Übereinkommen geht mit gutem Recht noch ei- selbst . nen Schritt weiter. Es verpflichtet die Vertragsstaaten zur Durchführung von Maßnahmen, die nicht nur die (Beifall bei der SPD) juristische, sondern auch die tatsächliche Gleichberech- Kolleginnen und Kollegen, der aktuelle CEDAW-Be- tigung von Frau und Mann herbeiführen sollen . Diese richt zeigt, dass wir bei der Gleichstellung vor allem in Zielstellung ist richtig und wichtig, macht es für den den letzten zwei Jahren ein gutes Stück vorangekom- Vertragsstaat aber selbstverständlich ungleich schwieri- men sind . Vieles baut auf Errungenschaften auf, die von ger, die gemeinsam angestrebten Ziele zu erreichen . Die Frauen, auch von Frauen hier im Haus, von allen, über Gleichberechtigung in der Wirtschaft, in den Medien, in Jahrzehnte hinweg hart erkämpft wurden, oft gegen ganz der Öffentlichkeit, ja sogar in der Familie selbst kann erhebliche Widerstände . In den letzten Wochen und Mo- durch einzelne Regelungen oder Gesetze, Projekte oder naten preisen auch diejenigen diese Errungenschaften, Kampagnen forciert und gefördert, nie jedoch gänzlich die bislang nicht als die eifrigsten Leser der CEDAW-Be- herbeigeführt werden . Auch wird eine Diskriminierung richte in Erscheinung getreten sind . Ich will an dieser im Zweifel unterschiedlich empfunden . Stelle nicht über die Beweggründe und die Motive der Der UN-Ausschuss für die Beseitigung der Diskrimi- neuen Kämpfer für Gleichstellung und Frauenrechte spe- nierung der Frau berücksichtigt diese beiden Faktoren kulieren . Ich will an dieser Stelle aber darauf hinweisen, (B) auch in seinen Stellungnahmen zum Bericht, zum Bei- (D) dass es schon bald die Gelegenheit gibt, hier im Parla- spiel, wenn es um die Geschlechtsstereotypen in der Öf- ment dafür zu sorgen, dass Gleichstellung und Frauen- fentlichkeit, vor allem in den Medien, geht . Der Bericht rechte in diesem Land weiter gestärkt werden, zum Bei- erkennt hier klar an, dass die Bundesrepublik Deutsch- spiel mit dem Gesetz für mehr Lohngerechtigkeit und mit land, in der die Unabhängigkeit der Medien ein wichtiges einer grundlegenden Reform des Sexualstrafrechts . Element der freiheitlich-demokratischen Grundordnung (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten ist, die Vermittlung eines positiven Frauenbildes nicht der CDU/CSU – Mechthild Rawert [SPD]: verlangen kann . Als Gesellschaft können wir dies einfor- Großer Beifall bei der Union!) dern – das sollten wir auch dringend tun –, und die Politik kann dies durch viele Maßnahmen unterstützen . Es sind alle herzlich eingeladen, mitzuhelfen . (Beifall bei der CDU/CSU) Danke . Die tatsächliche Gleichberechtigung von Mann und (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Frau ist ein wichtiges politisches und gesellschaftliches Mechthild Rawert [SPD]: Ich sage es ja: Gro- Ziel . Es ist in unserer Gesellschaft allgemein anerkannt, ßer Beifall!) von traurigen Ausnahmen abgesehen . Wenn wir, die wir hier sitzen, auf die Straße gehen und ein paar Menschen Vizepräsident Johannes Singhammer: fragen würden, ob sie die Gleichstellung der Geschlech- Nächste Rednerin ist die Kollegin Christina Schwarzer, ter für wichtig und richtig halten, dann – da bin ich mir CDU/CSU . sicher – würden die meisten mit Ja antworten . Ich bin aber auch von Folgendem überzeugt: Würden wir die (Beifall bei der CDU/CSU) Menschen draußen fragen, ob sie in ihrem persönlichen Umfeld Frauen diskriminieren oder sich als Frau diskri- Christina Schwarzer (CDU/CSU): miniert fühlen, würde ein nicht unbeachtlicher Teil mit Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Nein antworten . Das hat auch damit zu tun, wie wir ganz Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das persönlich die Dinge einschätzen . Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskri- Der Chef eines kleinen IT-Unternehmens, der den minierung der Frau definiert diese in Artikel 1 wie folgt: männlichen einem gleichqualifizierten weiblichen Be- . .jede . mit dem Geschlecht begründete Unterschei- werber vorzieht, tut dies nicht mit dem erklärten Ziel, dung, Ausschließung oder Beschränkung, die zur die Bewerberin zu diskriminieren, sondern vielmehr nur Folge oder zum Ziel hat, dass die auf die Gleich- aus einem gefühlten Vorteil des Mannes heraus, den der Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 159 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 26 . Februar 2016 15709

Christina Schwarzer (A) Chef gar nicht so recht erklären kann, aber so empfindet. dringlich einstufen, ist es mir wichtig, die Problematik (C) Die junge Mutter, die sich die familiären Aufgaben mit noch aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten . Der ihrem Partner so aufteilt, dass sie in den ersten Jahren Bericht bezieht eindeutig auch Deutschlands föderale die hauptsächliche Arbeit bei der Umsorgung der Kinder Struktur – seine 16 Bundesländer mit rund 11 000 Kom- trägt, fühlt sich dadurch nicht zwingend diskriminiert . munen – und die sich daraus ergebenden Aufgabenstruk- turen ein . (Zuruf der Abg . Mechthild Rawert [SPD]) Doch summieren sich viele kleine solcher Beispiele, Frau Stellen wir folgende Überlegung an: Ein nicht zu ver- Rawert, trägt dies auch dazu bei, dass der Bericht bei uns nachlässigender Faktor für die Lohnlücke ist die Berufs- in Deutschland natürlich eine strukturelle Benachteili- wahl. Wir finden Frauen häufig – Frau Dr. Reimann, Sie gung der Frauen feststellt . erwähnten das – in schlechter bezahlten Dienstleistungs- berufen in der Pflege, im Einzelhandel oder in der Kin- Hinzu kommen die wirklich schlimmen Ausnahmen derbetreuung . Männer dominieren in besser bezahlten der Benachteiligung von Frauen, wenn diese beispiels- Berufen und bei Vorstandsposten . Die Grundlage hierfür weise aufgrund ihres Geschlechts im Beruf ganz offen legen wir in der Schule, in der Ausbildung und im Stu- und gezielt benachteiligt werden oder zum Beispiel häus- dium . liche Gewalt erfahren . Dazu muss man aber auch Fol- gendes feststellen: Wenn ein Mann seine Frau verprügelt, Lassen Sie uns einen Blick in die Klassenräume und dann haben wir es nicht mit einer strukturellen oder gar die Hörsäle werfen . In Deutsch-Leistungskursen gibt es gesetzlichen Benachteiligung der Frauen zu tun, sondern mehr Mädchen, bei der Informatik als Wahlfach mehr wir haben es schlichtweg mit einem miesen Typen zu Jungen . Auch in den Klassen, in denen zum Fachinfor- tun, der eher ein Fall für den Staatsanwalt und nicht für matiker ausgebildet wird, sind die Jungen in der Über- die Gleichstellungsbeauftragte ist . zahl . Der Anteil der Frauen in Maschinenbaustudiengän- gen steigt; aber auch hier liegen die Frauen immer noch (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg . zurück . Bei den Sozialwissenschaften hingegen dominie- Sönke Rix [SPD]) ren die Frauen . Die heute schon vielfach angesprochene Lohndiskre- Dass wir im Bereich IT ein Bildungs- und Ausbil- panz zwischen Männern und Frauen – mag man nun die dungsproblem haben, stelle ich immer wieder fest, wenn unbereinigte Zahl von 22 Prozent, den bereinigten Wert ich Schülergruppen zu Besuch habe . Bei den Mädchen – von 7 bis 8 Prozent oder gar die umstrittenen 2 Prozent aber auch Jungen erzählen das oft – hält sich die Begeis- des Instituts der deutschen Wirtschaft heranziehen – ist terung für den Informatikunterricht arg in Grenzen . Es ohne Zweifel ein Thema, dessen wir uns annehmen müs- scheint, als müsse man schon eine große Begeisterung (B) sen . Wir tun dies schon seit Jahren . Viele Maßnahmen für diese vermeintlich langweiligen Dinge mitbringen, (D) wurden heute auch schon genannt, zum Beispiel das El- um eine Leidenschaft für dieses Thema zu entwickeln . terngeldPlus, die Frauenquote in der Wirtschaft oder der Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz . Was ich damit sagen will: Eine wichtige Grundlage für weniger Diskriminierung am Arbeitsmarkt – und da- Warum wirkt das ElterngeldPlus so gut? Ein Teil des mit bei den Löhnen – legen wir mit unseren Lehrplänen Gender Pay Gap lässt sich darauf zurückführen, dass bzw . mit unserem Bildungssystem . Damit sind wir beim Frauen, gesamtgesellschaftlich betrachtet, die Hauptauf- Föderalismus und bei den Ländern . gabe bei der Kinderbetreuung stemmen . Wir sind hier auf einem sehr guten Weg, die partnerschaftliche Aufteilung Wenn wir wollen, dass sich diese Form von Män- bei der Kinderbetreuung stärker den Wünschen junger ner- bzw . Frauenüberhang in bestimmten Berufsgruppen Familien anzupassen . Väter wollen nämlich mehr für ausgleicht, müssen wir unseren Kindern verschiedene ihre Kinder da sein; zahlreiche Studien belegen dies . Mit Themen von Anfang an strukturiert beibringen . Aber dem ElterngeldPlus unterstützen wir sie dabei . Das hat das allein reicht noch nicht aus . Wir müssen unseren selbstverständlich auch positive Auswirkungen für Frau- Schülern die Dinge auch richtig – soll heißen: kindge- en auf dem Arbeitsmarkt . Um es etwas salopp zu sagen: recht – beibringen . Einige Menschen müssen aufhören, Wenn der Chef nicht einschätzen kann, ob eine poten- zu verneinen, dass Mädchen und Jungen unterschiedlich zielle junge Mutter oder ein potenzieller junger Vater das lernen . Diese Tatsache wird von ihnen als unsäglich ge- Ausfallrisiko im Fall einer Familiengründung ist, wird er brandmarkt . Tatsächlich ist das aber so . Das heißt, dass womöglich bei der Besetzung eines neuen Postens kein vor allem MINT-Unterricht nicht nur kindgerechter, son- Geschlecht bevorzugen oder benachteiligen . dern auch individueller werden muss . Der Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz sowie der (Beifall bei der CDU/CSU) maßgeblich vom Bund finanzierte Ausbau der Kinderbe- Das ist nicht nur für die Jungen und Mädchen selbst, treuungsplätze sind ebenfalls dazu geeignet, eine schnel- sondern auch für die Wirtschaft wichtig . Die Studiener- le Rückkehr von Frauen ins Erwerbsleben zu fördern, so gebnisse im Rahmen des „trendence Schülerbarome- sie denn wollen . ters“ 2015 zeigen, dass sich mit knapp 30 Prozent be- Wenn wir also konstatieren, dass bereits viele Schritte sonders Jungen eine Ausbildung im technischen oder getan sind, es noch ein gutes Stück Weg hin ist bis zu ei- mechanischen Bereich wünschen und nur 11,9 Prozent ner reellen Gleichberechtigung von Mann und Frau, viele eine Ausbildung in der Informatik anstreben . Nur 2 Pro- in unserer Gesellschaft dies aber in ihrer täglichen Le- zent der befragten Mädchen interessieren sich hingegen bensrealität nicht empfinden oder zumindest als weniger für eine entsprechende Ausbildung . 15710 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 159 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 26 . Februar 2016

Christina Schwarzer (A) Auch bei angestrebten Studienrichtungen lassen sich nis, dessen Beseitigung wir wirklich umgehend in An- (C) Unterschiede bei der Beliebtheit seitens der Geschlech- griff nehmen sollten . ter feststellen . Während rund 11 Prozent der befragten (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Jungen ein Informatikstudium beginnen wollen, sind nur 0,8 Prozent der Schülerinnen daran interessiert . Klar ist: Das immer wieder angekündigte Entgeltgleichheits- Die IT-Berufsgruppen brauchen Mädchen und Frauen . gesetz liegt uns bis heute noch immer nicht vor . Da die Die reelle Gleichberechtigung am Arbeitsmarkt ist nicht Spatzen von den Dächern pfeifen, wie massiv Teile der nur ein Instrument der Frauenförderung, sondern auch Bundesregierung schon jetzt auf die Bremse drücken, der Wirtschaftsförderung . dürfen wir leider nicht viel Gutes für dieses Gesetz er- warten . Neben den heute schon vielfach angesprochenen Schritten beim Elterngeld, bei der Quote, bei der Rück- Wenn das Entgeltgleichheitsgesetz der Großen Koa- kehr von Teilzeitarbeit in Vollzeitarbeit und bei vielem lition tatsächlich nur für Betriebe mit mehr als 500 Mit- mehr ist das diesbezügliche Fitmachen unseres Bildungs- arbeitern und Mitarbeiterinnen gelten soll, wie es wohl systems meines Erachtens eine der wichtigsten Maßnah- geplant ist, dann ist der zahnlose Tiger doch schon vor- men, um das gemeinsame Ziel, die Lohnlücke zu schlie- programmiert . Wir Grüne wollen ein Entgeltgleichheits- ßen – darüber wurde heute schon vielfach gesprochen –, gesetz, das tatsächlich wirkt und seinen Namen auch zu erreichen, damit wir, liebe Ulle Schauws, den Equal verdient . Pay Day künftig auch an Silvester feiern können . (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Da ich schon einmal bei nicht umgesetzten Ankündi- gungen bin: Wo steckt eigentlich das Recht auf Rück- kehr in Vollzeit? Frau Ferner hat es heute auch wieder

Vizepräsident Johannes Singhammer: angekündigt. Ich habe das gestern einmal flott gegoogelt: Für Bündnis 90/Die Grünen spricht jetzt die Kollegin Manuela Schwesig hat es am 9 .Januar 2014 und am 7 . Ja- Katja Dörner . nuar 2015 angekündigt, hat es am 18 . De- zember 2013, am 15 .März 2014 und am 7 .Januar 2015 angekündigt . Das ist noch nicht einmal eine vollständige Katja Dörner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Auflistung. Für 2015 wurde es uns dann konkret verspro- Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Lie- chen . Wo steckt der entsprechende Gesetzentwurf? be Kollegen! Liebe Gäste! Dass wir über eine konkrete frauenpolitische Initiative dieser Bundesregierung ge- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) (B) sprochen haben, ist ziemlich genau ein Jahr her . Damals (D) wurde nämlich das „Quötchen“ verabschiedet . Das ist Das Recht auf Rückkehr in Vollzeit ist zentral, um sicherlich eine gute Sache, aber nicht wirklich der ganz Frauen den Weg aus der erzwungenen Teilzeit zu ebnen, große Wurf . aber eben auch, um Teilzeit für Männer attraktiver zu ma- chen . Deshalb muss es unbedingt kommen . Wir fordern Das war vor einem Jahr . Heute diskutieren wir über die Bundesregierung auf, endlich einen Gesetzentwurf zu den CEDAW-Bericht . Es ist klar: Der CEDAW-Bericht – diesem Thema vorzulegen . er ist das wichtigste Menschenrechtsinstrument für Frau- en – ist ohne Frage eine Debatte wert . Ich will aber doch (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN feststellen: Dass zum 8 . März, dem Internationalen Frau- und bei der LINKEN) entag, so gar keine konkrete Initiative von der Bundes- Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, die autonomen regierung ausgeht, enttäuscht mich und erschreckt mich Frauenhäuser haben vor einer Woche eine Bustour durch auch . die Bundesländer gestartet . Sie machen damit auf die (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) schwierige finanzielle Situation der Frauenhäuser auf- merksam . Ich bin der Initiative sehr dankbar, dass sie so Denn das zeigt, dass der Bundesregierung in der Frau- hartnäckig an diesem Thema dranbleibt . enpolitik die Puste ausgegangen ist, liebe Kolleginnen, Dieses Thema wird auch im CEDAW-Bericht ganz liebe Kollegen . Dabei gibt es wirklich genug zu tun, um zentral aufgegriffen . Der Ausschuss zeigt sich sehr be- das anzugehen, was CEDAW einfordert, nämlich die Be- sorgt über die fehlende nachhaltige Finanzierung der seitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau . Frauenhäuser und den mangelnden Zugang für Frauen Der aktuelle Bericht gibt auch ganz klare Hinweise, mit Behinderung, für Ausländerinnen und für einkom- was für die Bundesrepublik ansteht . Einen Punkt will ich mensschwache Frauen . hier noch einmal ganz stark betonen: – Stichwort „Ent- Hier besteht auch ganz klar Handlungsbedarf . Die Zu- geltgleichheit“ . ständigkeit für die Finanzierung der Frauenhäuser darf nicht einfach lapidar auf die Länder und auf die Kom- Deutschland besetzt seit Jahren den traurigen Spitzen- munen abgeschoben werden . Wir sehen hier den Bund platz in der Europäischen Union, wenn es um die Lohn- weiterhin in der Pflicht. lücke zwischen Frauen und Männern geht . In keinem anderen europäischen Land gilt der Leitsatz „Gleicher (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Lohn für gleiche oder gleichwertige Arbeit“ so wenig sowie des Abg . Matthias W . Birkwald [DIE wie bei uns . Das ist einfach beschämend und ein Ärger- LINKE]) Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 159 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 26 . Februar 2016 15711

Katja Dörner (A) Ich konnte nur einige Beispiele nennen, aber es gibt festgeschrieben . Wo werden denn Frauen durch welche (C) frauenpolitisch nun wirklich genug zu tun . Es wird Zeit, Maßnahmen tatsächlich benachteiligt oder diskriminiert? dass sich die Bundesregierung wieder aufrafft, hier kon- Auch hier in der Debatte hat das am Rande eine Rolle krete Initiativen vorzulegen . gespielt . Es wurde erklärt, es gebe doch so viele Geset- ze, und eigentlich brauche man doch keine gesetzlichen Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit . Regelungen mehr . Wer so etwas sagt, der redet unver- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN antwortlich angesichts dessen, was wir über Diskriminie- sowie bei Abgeordneten der LINKEN) rung von Frauen in diesem Lande wissen . (Beifall bei der SPD) Vizepräsident Johannes Singhammer: Als erster Kollege in dieser Debatte hat jetzt Sönke Der Lohnunterschied beträgt über 20 Prozent . Frauen Rix für die SPD das Wort . sind immer noch stärker von Armut betroffen als Männer . Frauen sind noch immer stärker von Gewalt betroffen als (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU ) Männer . Frauen haben noch immer schlechtere Aufstieg- schancen als Männer . Diese Liste ließe sich noch fort- Sönke Rix (SPD): führen . Wer an dieser Stelle behauptet, das sei nur ein Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! gesellschaftliches Problem, man brauche keine gesetzli- Meine Damen und Herren! Zunächst einmal zur Frage, chen Regelungen, der liegt falsch, liebe Kolleginnen und ob in der Frauenpolitik die Luft raus ist: Ich kann zu- Kollegen . mindest für den linken Lungenflügel der Koalition sagen, dass dort noch genug Luft drin ist, Frau Kollegin . (Beifall bei der SPD sowie der Abg . Dr . Silke Launert [CDU/CSU]) (Beifall bei der SPD – [CDU/ CSU]: Im rechten auch!) Wir haben in dieser Koalition schon gesetzliche Rege- lungen auf den Weg gebracht, und wir haben auch noch Gemeinsam mit dem rechten Lungenflügel werden wir weitere vor uns . Ich erinnere an die Einführung der Quo- hier auch noch zu weiteren Maßnahmen kommen . te . Und ich erinnere an die Maßnahmen, die wir, feder- (Zuruf von der LINKEN: Wann denn?) führend beim Justizressort, zur Verschärfung des Sexual- strafrechts vor uns haben . Eine weitere Vorbemerkung, weil es immer wieder auch darum geht, welche Verantwortung die Länder in (Beifall der Abg . Mechthild Rawert [SPD]) vielen Fragen haben . Es nützt ja nichts – Sie haben das (B) gerade am Beispiel der Frauenhäuser noch einmal ge- Ich erinnere an das Gesetz zur Lohngerechtigkeit . Also, (D) tan –, wenn wir uns hier immer wieder sagen, der Bund wir regeln Dinge gesetzlich . Das haben wir uns als Koali- müsse stärker Verantwortung übernehmen, tion gemeinsam auf die Fahnen geschrieben . Das sollten wir nicht kleinreden . (Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Doch!) Ein Wort zur Lohngerechtigkeit, weil auch Sie, Frau Dörner, in Ihrer Rede darauf hingewiesen haben, dass die wenn die Länder das nun einmal nicht wollen . In den Regelung hierzu kein zahnloser Tiger werden dürfe . Ich Ländern regieren auch Sie mit, liebe Grünen kann Ihnen für die SPD-Fraktion versichern: Einer Re- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – gelung, die einem zahnlosen Tiger gleicht, werden wir Cornelia Möhring [DIE LINKE]: Das ist doch nicht zustimmen . Ein Gesetz nur um des Gesetzes willen nicht so!) brauchen wir nicht . Wir brauchen ein Gesetz um der Wir- kung willen . Daran arbeiten wir, liebe Kolleginnen und – natürlich ist es so: auch dort regieren Sie mit, liebe Grü- Kollegen . nen –, und von daher: Lassen Sie uns einmal die Kirche im Dorf lassen und die Verantwortung dort belassen, wo (Beifall bei der SPD) sie gerade ist, und lassen Sie uns auch einmal unsere ei- genen Landesregierungen auffordern, dort etwas zu tun . Wir wissen, dass wir eigentlich noch viel mehr Biss haben müssten und könnten . Leider lässt uns der Koaliti- (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) onsvertrag nicht so viel Spielraum, wie wir ihn vielleicht Im Übrigen geht Schleswig-Holstein hier mit sehr gu- mit anderen Mehrheiten in diesem Hause hätten . Aber er tem Beispiel voran und ist vorbildlich . Das wird – zu- lässt uns Spielraum . Ich appelliere an die Koalitionskol- mindest im Vergleich zu den anderen Ländern – auch leginnen und -kollegen von der Union, diesen Spielraum die Kollegin Möhring zugeben müssen . Wir in Schles- zu nutzen, damit es ein wirksames Gesetz wird . wig-Holstein haben das schon schneller erkannt . (Beifall bei der SPD – (Cornelia Möhring [DIE LINKE]: Das ent- [Hamburg] [CDU/CSU]: Alles, was vernünf- lässt uns aber nicht aus der Verantwortung!) tig ist!) Gerade in der Debatte und auch insgesamt wird, wenn Lassen Sie mich noch kurz über Rollenbilder spre- man über Gleichstellungspolitik diskutiert, häufiger die chen, weil auch das ein Thema ist, an dem wir arbeiten Frage gestellt: Brauchen wir da eigentlich noch Geset- müssen . Ich habe mich vorhin an das Lied Männer, von ze? Wir haben doch die Gleichstellung im Grundgesetz Herbert Grönemeyer, erinnert gefühlt . Er singt: 15712 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 159 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 26 . Februar 2016

Sönke Rix (A) Männer haben Muskeln . mindestens 40 Prozent der in Deutschland lebenden (C) Frauen kennen und auf ihrem Handy unter „H“ wie Hil- ( [SPD]: Wenn sie mal wel- fetelefon abgespeichert haben . Denn – das zeigt auch der che hätten!) Bericht – laut Studien sind etwa 40 Prozent der Frauen Männer sind furchtbar stark . . . seit ihrem 16 .Lebensjahr mindestens einmal psychischer Männer kriegen ‚nen Herzinfarkt . und/oder sexueller Gewalt ausgesetzt gewesen . Die meisten Männer, die das auf dem Oktoberfest zur Die Nummer, die ich gerade genannt habe, ist die bayerischen Blasmusik mitgrölen, wissen gar nicht, wie Nummer des Hilfetelefons, das seit März 2013 zur Ver- ironisch dieses Lied gemeint ist . fügung steht und in dem Bericht ausdrücklich lobend an- gesprochen wird . (Beifall der Abg . Katja Dörner [BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN]) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und Nichtsdestotrotz macht es ein besonderes Männerbild der SPD) deutlich, an dem noch viele hängen . Die Bundesregierung hat damit eine wichtige Lücke im Zum Glück hat sich dieses Männerbild verändert, Hilfesystem geschlossen . Denn das Telefon ist ein kosten- auch mit Hilfe von gesetzlichen Maßnahmen, zum Bei- loses, bundesweites und anonymes Erstberatungsangebot spiel dem Elterngeld Plus . Das Elterngeld ist gerade bei allen Formen von Gewalt . Es bietet Betroffenen, An- schon erwähnt worden . Hiermit stärken wir die Partner- gehörigen oder sonstigen Personen unkomplizierte Hilfe schaftlichkeit . Wir wissen aus Studien, dass Männer noch rund um die Uhr und in 15 Sprachen . viel mehr Zeit für Familie und für Partnerschaft haben wollen . Deshalb ist es gut und richtig, dass wir beim El- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- terngeld Plus nicht stehen bleiben, sondern noch weiter ordneten der SPD) diskutieren, nämlich das Thema Familienarbeitszeit, lie- Wir brauchen Angebote wie dieses für alle, und damit be Kolleginnen und Kollegen . meine ich wirklich: für alle . Denn jedem muss klar sein, (Beifall bei der SPD) dass Gewalt gegen Frauen überall stattfindet, jederzeit und in allen Schichten . Zu Rollenbildern gehört leider immer noch ein sehr antiquiertes Frauenbild . Wenn man sich die Werbung Ich teile die hier angesprochene Ansicht, dass es einmal ansieht, ist man häufig sehr geschockt. Es gibt nichts mit Diskriminierung zu tun hat, wenn ein Mann den Spruch eines Arzneimittelherstellers: Mütter nehmen seine Frau verprügelt, leider nicht . Das zeigt nicht nur ein (B) nicht frei, Mütter nehmen XY . Gemeint ist ein bestimm- großer Teil des Berichts . Wenn Frauen körperlich oder (D) tes Medikament . Das Bild, das dahintersteckt, was also sexuell Gewalt erfahren, hat das häufig etwas mit Macht Mütter für eine Funktion haben und welche Rolle sie und mit Kleinhalten zu tun . Auch das ist für mich eine spielen sollen, wird dabei sehr deutlich . Deshalb glaube Form von Diskriminierung . ich: Auch wenn wir sehr viele gesetzliche Regelungen brauchen, so brauchen wir nichtsdestotrotz auch eine ge- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – sellschaftliche Debatte . Wir brauchen einen gesellschaft- Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- lichen Auftrieb für die Gleichstellung von Männern und NEN]: Diese Erkenntnis kommt aber spät!) Frauen . Wir brauchen beides: gesetzliche Regelungen Spätestens mit den Vorfällen in der Silvesternacht in und gesellschaftliche Debatte . Diese führen wir . Köln haben wir erlebt, dass sexuelle und körperliche Danke schön, meine Damen und Herren . Gewalt auch öffentlich passiert . Körperliche oder sexu- elle Gewalt gegen Frauen kommt überall vor: auf öffent- (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) lichen Plätzen und Straßen, am Arbeitsplatz und oft zu Hause in den eigenen vier Wänden . Es ist erschreckend, Vizepräsident Johannes Singhammer: wenn man hört, dass Frauen von häuslicher Gewalt mehr Abschließende Rednerin in dieser Aussprache ist die bedroht sind als durch andere Gewaltdelikte wie Körper- Kollegin Dr . Silke Launert für die CDU/CSU . verletzung mit Waffen, Wohnungseinbrüche oder Raub . (Beifall bei der CDU/CSU) Sexuelle oder körperliche Gewalt gegen Frauen reicht von einfachen Belästigungen wie anzüglichen Bemer- kungen oder einem Klaps auf den Po über Schläge, Dr. Silke Launert (CDU/CSU): Verprügeln, Stalking und Vergewaltigung bis hin zu Tö- Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! tungsdelikten, nicht selten innerhalb von partnerschaftli- Liebe Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! chen oder familiären Beziehungen . Diese Übergriffe stei- 0800 0116 016: gern sich dann im Hinblick auf Häufigkeit und Intensität. (Paul Lehrieder [CDU/CSU]: Frauennotruf- nummer!) Mich hat es oft erschreckt, zu erleben, dass Opfer ge- rade dem Partner gegenüber später im gerichtlichen Ver- Alles Mögliche haben wir heutzutage in unseren Smart- fahren sich selbst die Schuld gegeben und das Verhalten phones gespeichert . Aber welche Frau verfügt in ihrem des Partners entschuldigt haben . Sie haben immer mehr Telefonbuch über diese Nummer? Wer von uns kennt das Gespür dafür verloren, was man eigentlich in einer diese Nummer überhaupt? Normalerweise müssten sie Beziehung akzeptieren sollte und was nicht . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 159 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 26 . Februar 2016 15713

Dr. Silke Launert (A) So vielfältig diese Formen von Gewalt gegenüber dort gesagt wird, das sei doch nichts, und sie schließlich (C) Frauen sind – ich habe gar nicht alle Formen der Gewalt weggeschickt werden, dann spricht sich das herum . Die angesprochen –, so vielfältig sind auch die strafrechtli- Opfer nehmen das mit . Glauben Sie mir: Gerade im Be- chen Einordnungen . Sie reichen von der einfachen Belei- reich des Stalking ist es wichtig, die Täter frühzeitig zu digung bis hin zu Stalking, Körperverletzung, Vergewal- erreichen . tigung oder auch Tötungsdelikten . Leider bestehen im Strafrecht erhebliche Strafbarkeitslücken . Deshalb – das (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) haben einige Kollegen schon zu Recht gesagt – braucht Nicht wenige von ihnen haben psychische Schäden . man beides: die Debatte in der Bevölkerung wie auch in Nicht selten führen diese harmlosen Stalking-Delikte zu manchen Fällen die Änderung des Rechts . Wir als Ge- einer Steigerung, bis hin zur Tötung . setzgeber müssen genau da ansetzen . Denn als Bundes- gesetzgeber sind wir definitiv für die Reform des Straf- Ein weiterer Aspekt ist die Finanzierung . Sie haben rechts zuständig . recht: Die Finanzierung ist ein Hauptproblem . Dabei sind wir als Bund häufig nicht zuständig. Aber das Thema im (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Hinblick auf den Bericht anzusprechen, ist völlig richtig . Ein Beispiel ist die Reform der Straftatbestände bei Mir tut es in der Seele weh – dabei läuft in Bayern in Menschenhandel und Zwangsprostitution . In den nächs- diesem Bereich vieles besser als woanders –, ten Wochen und Monaten wird sicherlich ein Gesetzent- wurf eingebracht . Denn es ist kein Geheimnis, und es (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) ist auch keine Übertreibung, wenn ich sage, dass junge wenn ich erlebe, dass lokale Einrichtungen wie der Not- Mädchen und Frauen mitten in Europa wie Ware gehan- ruf der Diakonie Hochfranken oder die „Schutzhöhle“ delt werden. Sie werden wie Frischfleisch angepriesen ums Überleben kämpfen müssen und dass nur dank der und von einem Bordell ins nächste verkauft, benutzt und Medien, des Fernsehens und der Zeitungen, Gelder ak- weggeworfen . Da müssen wir tätig werden – leider hat quiriert werden, die das Überleben solcher Einrichtun- das gutgemeinte Prostitutionsgesetz zum Teil das Gegen- gen sichern . Jeden Euro, den wir an dieser Stelle sparen, teil bewirkt –; wir müssen die ersten Schritte gehen und müssen wir hinterher – genauso wie in der Jugendhilfe – werden sehen, wie praxistauglich diese sind . mehrfach wieder ausgeben . Auch im Bereich des Stalkings hat der Bundesjustiz- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und minister vergangene Woche einen Entwurf vorgelegt . Ich der SPD) freue mich sehr darüber . Denn auch das zeigen die Statis- tiken: Es wurden 25 000 Fälle zur Anzeige gebracht, und Wenn wir die Opfer gleich zu Beginn alleine lassen (B) es gab 400 Verurteilungen . Und warum? Ein erheblicher und nicht optimal betreuen, tragen viele gesundheitliche (D) Grund für dieses Missverhältnis besteht in der Fassung Schäden davon . Auch die Kosten sind enorm . Viele Op- des Straftatbestandes . Es ist nicht in Ordnung, zuerst zu fer landen in der Erwerbsunfähigkeit, weil sie mit den verlangen, dass das Opfer wegen der permanenten Be- Belastungen nicht zurechtkommen . Daher kann ich nur lästigungen seinen Arbeitsplatz wechselt oder umzieht . sagen: Auch wenn der Bund nicht zuständig ist, sollten Wir müssen hier früher ansetzen . Ich freue mich, dass wir an einem Strang ziehen und uns eine Strategie über- Justizminister Maas nun das Thema aktiv angeht . legen . Hier bin ich sofort bei Ihnen . Das ist ein Bereich, (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- den wir auch im Hinblick auf die Flüchtlingskrise nicht ordneten der SPD – Mechthild Rawert [SPD]: vernachlässigen dürfen . Ganz im Gegenteil: Wir werden Nein heißt nein!) ihn sogar ausbauen müssen . Das nächste Thema – Sie sprachen es schon an – ist (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) die Reform des Vergewaltigungstatbestandes . Hier wird Wenn wir nicht wollen, dass sich Frauen aus Scham in den nächsten Wochen ein Entwurf in die Gesetzge- nicht melden, dann müssen wir dieses Thema mitten in bung eingebracht werden . Auch hier gibt es gravierende die Gesellschaft bringen, und zwar nicht nur einmal am Schutzlücken, und zwar schon vor den Ereignissen in der 8 . März eines jeden Jahres, sondern immer wieder . Wenn Kölner Silvesternacht . wir wollen, dass Taten zur Anzeige gebracht werden und (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und dass Männer, die zu solchen Taten neigen, therapiert wer- der SPD) den, dann müssen sich mutige Nachbarn bei der Polizei melden, wenn sie hören, dass eine Frau zu Hause verprü- Es kann nicht sein, dass die Fälle, in denen sich die Frau gelt wird . Wir müssen zudem junge Mädchen ermutigen, nicht wehrt, weil der Täter überlegen ist, oder in denen sich selbst einzugestehen, dass vielleicht in der eigenen sich die Mutter nicht wehrt, wenn sie vergewaltigt wird, Beziehung eine Grenze längst überschritten ist und dass weil sie ihr Kind nicht aufwecken will, nicht bestraft man Hilfe in Anspruch nehmen sollte . werden . Die Rechtslage zu verbessern, ist das eine . Ich höre Allen Betroffenen sage ich: Das Wählen der immer wieder, dass die Gesetze nichts bringen . Manch- 0800 0116 016 kann die Eintrittskarte in ein neues Leben mal ist das so; das räume ich ein . Aber eine frühzeitig sein . eingreifende Strafbarkeit kann vieles verhindern . Ich Vielen Dank . nenne als Beispiel den Bereich des Stalking . Wenn Opfer zur Polizei oder zur Staatsanwaltschaft gehen und ihnen (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) 15714 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 159 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 26 . Februar 2016

(A) Vizepräsident Johannes Singhammer: de angefordert werden, sondern es in Zukunft nur noch (C) Damit schließe ich die Aussprache . eine Aufbewahrungspflicht für den Steuerpflichtigen ge- ben soll. Nur dann, wenn Belege benötigt werden, findet Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlage auf eine Übermittlung an die Finanzbehörde, und zwar auch Drucksache 18/5100 an die in der Tagesordnung aufge- auf elektronischem Weg, statt . Wir wollen das, was wir führten Ausschüsse vorgeschlagen .– Ich sehe keinen Wi- bei Elster können, durch ein einfacheres Authentifizie- derspruch . Dann gehe ich davon aus, dass Sie alle damit rungsverfahren ermöglichen . So wollen wir die Authen- einverstanden sind . Die Überweisung ist beschlossen . tifizierung ohne Medienbrüche durchführen; damit wird Ich rufe jetzt den Tagesordnungspunkt 22 auf: auch die elektronische Erklärung für den Steuerpflichti- gen einfacher . Erste Beratung des von der Bundesregierung ein- gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Moder- Wir glauben, dass es vor dem Hintergrund der demo- nisierung des Besteuerungsverfahrens grafischen Entwicklung und der knapper werdenden Zahl der Fachkräfte sinnvoll ist, die Mitarbeiter der Steuerver- Drucksache 18/7457 waltung effizienter zum Einsatz zu bringen, sprich: nicht Überweisungsvorschlag: in den Masseverfahren, die vollautomatisiert bearbeitet Finanzausschuss (f) werden können, sondern dort, wo es um komplexere Innenausschuss Sachverhalte oder um solche Fälle geht, die man nicht Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz vollautomatisiert erfassen kann . Wir werden deshalb ein Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft Haushaltsausschuss mitberatend und gemäß § 96 der GO Risikomanagementsystem implementieren und nach die- sem Risikomanagementsystem dafür sorgen, dass auch Für diese Aussprache sind nach einer interfraktionel- im automatisieren Verfahren der eine oder andere Fall len Vereinbarung 38 Minuten vorgesehen .– Ich sehe, dennoch einer Prüfung unterzogen wird . dass alle damit einverstanden sind . Dann ist das so be- schlossen . Insgesamt hoffen wir, dass sich die Mitarbeiter in Zu- kunft den komplexen Fällen zuwenden können und wir Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem damit dafür sorgen, dass sie zielgenauer eingesetzt wer- Redner für die Bundesregierung dem Parlamentarischen den können und die Steuerverwaltung insgesamt zielge- Staatssekretär Dr . Michael Meister das Wort . nauer wird . Ich will an dieser Stelle ausdrücklich sagen: (Beifall bei der CDU/CSU) Es ist nicht unsere Absicht, Personalabbau zu betreiben . Unser Ziel ist es vielmehr, von Massen- und Mengenak- tivitäten zu einer qualitätsorientierten Steuerverwaltung Dr. Michael Meister, Parl . Staatssekretär beim Bun- zu kommen . (B) desminister der Finanzen: (D) Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Beim Gesetzentwurf zur Modernisierung des Besteue- Was sind die wesentlichen Teile, die wir rechtsstaat- rungsverfahrens geht es darum, dass wir moderne IT nut- lich fundieren müssen? Ich will einige Stichworte nen- zen, um das Besteuerungsverfahren einfacher, schneller nen . und effizienter zu gestalten. Lassen Sie mich zu diesen drei Zielen etwas sagen . Wir wollen das Ganze so ma- Das ist zum einen die elektronische Kommunikation . chen, dass wir ein sauberes und sicheres rechtsstaatliches An der Stelle müssen natürlich die Datensicherheit und Fundament für diese Veränderung im Besteuerungsver- der Datenschutz für die Finanzverwaltung, für den Steu- fahren haben . erpflichtigen, aber auch für Dritte, die gegebenenfalls Daten zuliefern, gewährleistet sein . Schneller soll es werden, indem wir die Informati- onstechnologie nutzen, den Menschen die Möglichkeit Wir wollen die Wirtschaftlichkeit und die Zweckmä- geben, auf elektronischer Ebene mit dem Finanzamt ßigkeit des Verwaltungshandelns steigern – das habe ich zu kommunizieren, und dabei Medienbrüche vermei- beschrieben – durch die Konzentration der Mitarbeiter den . Das heißt: Wir wollen in Zukunft keine Mischung auf die komplexen Fälle und die schwierigen Fragen . mehr zwischen Informationstechnologie und Papier . Wir Wir wollen zum Dritten dazu kommen, dass die einfa- wollen auch dafür sorgen, dass nicht nur die Erklärung cheren Fälle vollständig automatisiert bearbeitet werden . selbst, sondern auch die Bearbeitung der Steuererklä- rung, die Bescheidung und möglicherweise weitere Ver- Wir wollen dazu kommen, dass die Abgabe der Steu- fahrensschritte vollautomatisiert erfolgen können . Das ererklärung für den Steuerpflichtigen erleichtert wird, ist deshalb wichtig, weil es sich um ein Massenverfahren sprich: er soll die vorausgefüllte Steuererklärung bei der handelt, bei dem Millionen von Steuererklärungen und Finanzbehörde abrufen können, damit er sozusagen ein Bescheiden zu erstellen sind . Wir gehen davon aus, dass elektronisches Formular bereits mit seinen Daten be- zukünftig die Bescheidung elektronisch erfolgt und der kommt, in das er gegebenenfalls nur Korrekturen eintra- Bescheid per Download heruntergeladen werden kann . gen muss . Ebenso wollen wir den Weg dafür öffnen, dass die vor- ausgefüllte Steuererklärung auf elektronischem Weg zum Wir haben das Thema „elektronische Datenübertra- Steuerpflichtigen kommt. gung an Dritte und von Dritten“, bei dem wir auch erheb- liche Vereinfachungen erwarten . Ich nenne als Beispiel Der Steuervollzug selbst soll einfacher werden, weil die Daten der Rentenversicherungsträger, Krankenversi- die Belege nicht mehr wie heute durch die Finanzbehör- cherungsbeiträge und ähnliche Dinge . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 159 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 26 . Februar 2016 15715

Parl. Staatssekretär Dr. Michael Meister (A) Bei den Steuererklärungsfristen werden wir in den dritte Gewalt in unsere Diskussion einbezogen und aus- (C) Fällen, in denen Steuerberater beteiligt sind, eine Aus- drücklich Finanzrichter gefragt, wie sie die gesetzlichen dehnung vornehmen . Ich glaube, dass das dazu führt, Regelungen, die wir hier vorlegen, beurteilen . Auch von dass wir zu einer gleichmäßigen Belastung der Steuer- dieser Seite war der Diskurs positiv und hat dazu geführt, verwaltung kommen . dass wir einige Hinweise bekommen haben, bei welchen Punkten wir aufpassen sollen . Das Gesetz soll nach den Beratungen am 1 . Janu- ar 2017 in Kraft treten . Allerdings muss man sich darü- Ich würde mir wünschen, dass Sie diesen Gesetzent- ber klar sein, dass anschließend die organisatorische Um- wurf entsprechend diskutieren und dass diese Diskussi- setzung innerhalb der Steuerverwaltung erfolgen muss . onen, wie vorgesehen, bis zur Sommerpause zu einem Ich weiß schon, dass Sie, Herr Pitterle, an der Stelle ein positiven Ergebnis führen, damit wir eine gesetzliche bisschen lachen . Grundlage haben, auf die sich ab 2017 alle einstellen (Richard Pitterle [DIE LINKE]: Nein, darum können . Ich glaube, das ist vor dem Hintergrund, dass ging es nicht!) wir unsere Verwaltung auf eine IT-gestützte Verwaltung umstellen wollen, ein gewaltiger Schritt in Richtung Zu- Ich bin allerdings schon der Meinung, dass man dann, kunft . wenn man den Bürger ernst nimmt – wir sind hier die Vertreter der Bürger der Bundesrepublik Deutschland –, Es ist bedauerlich, dass diese Diskussion am Freitag- mittag zu später Stunde stattfindet. Was hier geschieht, (Richard Pitterle [DIE LINKE]: Wir nehmen ist ein großer Schritt für die Verwaltung, aber auch für die auch ernst!) die Bürger unseres Landes . Dass die Diskussion zu einer den Versuch, Menschen den Umgang mit Verwaltung zu solchen Zeit hier stattfindet, finde ich ein bisschen be- erleichtern, nicht lächerlich machen, sondern ernsthaft dauerlich . Man hätte durchaus eine prominentere Zeit für diskutieren sollte . Das würde ich mir an dieser Stelle die Diskussion dieses Vorhabens finden können. Das gilt schon wünschen, meine Damen und Herren . auch für die Kollegen im Bundestag, die dies zu betreuen haben . Ich glaube, da wird die Bedeutung des Themas (Beifall bei der CDU/CSU – Richard Pitterle nicht von allen draußen wahrgenommen . Ich wünsche [DIE LINKE]: Ich habe nicht deswegen ge- mir eine gute Beratung und viel Erfolg . lacht! – Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Das war ein Missverständnis!) Danke schön . – Jeder hat sein Menschen- und Bürgerbild . Da will Ih- (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) nen gar nicht widersprechen . (B) (D) Wenn wir das Gesetz zum 1 . Januar 2017 in Kraft set- Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: zen, dann haben wir eine Grundlage für die organisato- Vielen Dank .– Als nächster Redner hat Richard rische und inhaltliche Umgestaltung . Es wird allerdings Pitterle von der Fraktion Die Linke das Wort . gemeinsam mit den Ländern Zeit brauchen, bis 2022 . Das heißt, nach heutigem Stand können wir davon aus- (Beifall des Abg . Dr .André Hahn [DIE LIN- gehen, dass nach 2022 das, was ich beschrieben habe, KE]) auch im tatsächlichen Leben ankommt . Wir haben in Vorbereitung dieses Gesetzentwurfs ver- Richard Pitterle (DIE LINKE): sucht, uns nicht einfach etwas am grünen Tisch auszu- Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und denken, sondern wir haben einen sehr intensiven Dialog Kollegen! Jeder, der schon einmal eine Steuererklärung mit den Steuerberatern und mit weiteren Verbänden, die ohne Steuerberater auszufüllen hatte, weiß: Das ist bei- mit diesen Sachfragen zu tun haben, geführt, aber auch leibe kein Spaß . Man verschiebt es gerne auf das nächste mit den Ländern . Wir sind, glaube ich, zu einem Ent- Mal, bis das Wochenende vor dem Abgabetermin doch wurf gekommen, der im ersten Durchgang im Bundesrat herhalten muss . Daher klingt es zunächst spannend, durchaus positiv von den Ländern kommentiert worden wenn das Verfahren modernisiert werden soll . ist . Natürlich gab es einige Hinweise, die sich haupt- sächlich auf technische Fragen beziehen . Wir werden die In dem über 100 Seiten starken Entwurf, auf dessen Bundesratsanliegen, bei denen es um technische Fragen Details ich hier aufgrund der Zeit, die mir zur Verfügung ging, mit Sicherheit im weiteren Gesetzgebungsverfah- steht, nicht eingehen kann, ist eine umfassende Umstel- ren prüfen . Für mich war insgesamt jedoch positiv, dass lung auf Computernutzung vorgesehen . Salopp gesagt die Länder vom Grundsatz her deutlich gemacht haben, soll also die Steuererklärung in Zukunft bequem übers dass sie hinter diesem Ansatz stehen und ihn auch mittra- Internet stattfinden und beim Finanzamt statt durch Fi- gen werden . nanzbeamte bis auf Ausnahmefälle durch Rechner ver- arbeitet werden . Was ist also unser Ziel? Wir wollen neue Technologi- en dafür nutzen, dass der Bürger einfacher, schneller und Steuerberater und Lohnsteuerhilfevereine begrüßen effizienter zu seiner steuerlichen Beurteilung kommt. das Vorhaben, und lassen Sie mich eines gleich zu Be- Wir wollen weniger Arbeit für die Steuerpflichtigen, wir ginn klarstellen: Als Linke begrüßen wir, wenn Abgabe wollen eine qualitative Steigerung in der Steuerverwal- und Verarbeitung der Steuererklärung vereinfacht wer- tung, und wir hoffen, dass wir am Ende trotzdem rechts- den . Es muss nur sinnvoll sein und die bisherigen Erfah- sichere Verfahren haben . Deshalb haben wir auch die rungen mit einbeziehen . 15716 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 159 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 26 . Februar 2016

Richard Pitterle (A) Was sind die bisherigen Erfahrungen? Vor wenigen dernisierung des Steuerverfahrens mit dem Gedanken (C) Jahren haben wir den Unternehmen vorgeschrieben, die herangehen, Personal und Geld einzusparen . Sie müssen Bilanz dürfe nur noch elektronisch beim Finanzamt ein- meines Erachtens richtig Geld in die Hand nehmen und gereicht werden . Die Frist für diese Einreichung wurde erst einmal kräftig Personal aufstocken, um diesen Plan durch den Gesetzgeber zweimal geschoben . Als die Ver- umzusetzen . pflichtung in Kraft trat, meldete sich das Finanzamt bei einem von mir betreuten Unternehmen, um ihm mitzu- Ich habe Ihnen die negativen Erfahrungen aufgezählt . teilen, dass es keine E-Bilanzen empfangen könne . Ich Auch negative Erfahrungen sind etwas wert – wenn man finde, das ist blamabel. sie denn berücksichtigt . Aber ich kann nicht erkennen, dass Sie dies tun . Wenn Sie es aber nicht tun, dann wer- Oder schauen wir auf die sogenannte ELStAM-Daten- den es nicht nur die Steuerpflichtigen, sondern auch die bank, in der die elektronischen Lohnsteuerabzugsmerk- vielen Beschäftigten in den Finanzämtern auszubaden male gespeichert sind . Letztes Jahr wurden dort aufgrund haben, und das fände ich schade . eines Softwarefehlers Zehntausende Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in eine falsche Lohnsteuerklasse ein- Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit . geordnet, mit dem Ergebnis, dass sie am Ende des Mo- (Beifall bei der LINKEN) nats deutlich weniger Lohn ausgezahlt bekamen . In ei- nigen Fällen stand sogar tatsächlich ein Minus auf dem Gehaltszettel, und die Betroffenen mussten auch noch Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Steuern nachzahlen . Das ist ebenfalls blamabel . Vielen Dank .– Als nächster Redner spricht Frank Junge von der SPD . 2013 hat der Bundestag beschlossen, allen Rechtsan- wälten zwingend elektronische Postfächer vorzuschrei- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten ben. Am 1. Januar 2016 sollte es Pflicht sein, ein elekt- der CDU/CSU) ronisches Postfach zu nutzen . Vor zwei Monaten wurde uns Rechtsanwälten mitgeteilt, dass die Einführung auf Frank Junge (SPD): unbestimmte Zeit verschoben wird . Das ist – ich wieder- hole mich – blamabel . Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Pitterle, Werfen wir zuletzt noch einen Blick über die Grenze: wenn man mit Ihrer Argumentation jedes Gesetzge- Beispiel Schweiz, wo man dem Klischee nach vermuten bungsverfahren von vornherein begleiten würde, dann würde, dass die Abläufe so reibungslos sind wie in dem würden wir nie Fortschritte erzielen, die das Leben der sprichwörtlichen Schweizer Uhrwerk . Hier hat man sich Bürgerinnen und Bürger insgesamt besser machen . (B) mit dem sogenannten Insieme-Projekt ebenfalls an einer (D) Modernisierung der IT-Systeme der Schweizer Steuer- (Zuruf von der CDU/CSU: Das ist richtig! – verwaltung versucht – und ist grandios gescheitert . Nach Dr .André Hahn [DIE LINKE]: Das stimmt ja sieben Jahren und über 100 Millionen Franken hat man nicht!) das Projekt schließlich eingestellt . Der Bund der Steuerzahler Nordrhein-Westfalen be- Wenn wir uns also die bisherigen Erfahrungen an- scheinigt den Deutschen in seiner siebten Studie zur schauen, dann komme ich zu dem Schluss – das muss Steuerkultur eine hervorragende Steuermoral . Die große ich Ihnen sagen –, dass mir ein Plan fehlt, wie Sie es Mehrheit der Bürger ist danach steuerehrlich und steht vermeiden wollen, dass sich solche Pannen wiederholen . zur Steuerpflicht. Damit rangiert die Moral der deutschen Okay, wir wissen, dass sich zumindest die Länder auf Steuerzahler auf einem selten hohen Niveau . eine gemeinsame Software geeinigt haben . Das ist schon Bei der Steuermentalität, die sich mit einer gewissen die halbe Miete; aber ausreichen tut es keinesfalls . Wie Verzögerung auf die Steuermoral auswirkt, ist es leider wollen Sie sicherstellen, dass die Länder das im gleichen anders . Sie drückt aus, welche Einstellungen der Bürger Umfang umsetzen, damit gewährleistet ist, dass wir es ganz allgemein zum Steuersystem, zur Steuerlast und zur mit gleicher Besteuerung im gesamten Bundesgebiet zu Steuergerechtigkeit hat . Hier ist das Ergebnis so schlecht tun haben? wie lange nicht . Die große Unzufriedenheit ist in ho- Ich möchte von Ihnen hören, wie Sie die Moderni- hem Maße mit darauf zurückzuführen, dass der zeitliche sierung des Besteuerungsverfahrens, und zwar mit wie und finanzielle Aufwand zur Erfüllung der steuerlichen viel Kohle und Manpower bzw . Frau-Power, bewältigen Pflichten als viel zu hoch angesehen wird. Das sehe ich wollen . Mir fehlt schlicht ein genauer Umsetzungsplan . als klares Indiz für den Wunsch der Bürger nach einem Allein das Ziel zu beschreiben, ist mir nicht genug . Wie einfacheren Steuersystem und einem viel leichteren und ist der Weg dorthin? unkomplizierteren Umgang damit . Seien wir mal ehrlich: Wenn die Bundesregierung wie Genau da, liebe Kolleginnen und Kollegen, beim Um- in dem heute von ihr vorliegenden Gesetzentwurf von gang mit dem Besteuerungsverfahren setzen wir heute Wirtschaftlichkeit und Effizienz spricht, geht es ihr doch an; denn mit dem vorliegenden Gesetzentwurf werden meist nur um Stellenabbau und Kosteneinsparung, auch wir die rechtliche Basis dafür schaffen, dass zukünftig wenn sie im Gesetzentwurf das Gegenteil behauptet . Da- neben der herkömmlichen Methode zur Erstellung und bei fehlen laut Beamtenbund in der Finanzverwaltung Bearbeitung der Steuererklärung das massenhafte vollau- bereits jetzt 15 000 Beamte . Ich denke, Sie sind schief tomatisierte Steuerverfahren stattfinden kann. Wir wer- gewickelt, wenn Sie glauben, Sie könnten an die Mo- den den Weg bereiten, dass der Einsatz der vollständig Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 159 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 26 . Februar 2016 15717

Frank Junge (A) maschinellen Bearbeitung von Steuererklärungen deut- Zweitens . Die Finanzbehörden sollen ermächtigt wer- (C) lich gesteigert wird . den, bei der Entscheidung über Art und Umfang von Er- mittlung und Prüfung – es wurde schon genannt – Wirt- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten schaftlichkeits- und Zweckmäßigkeitsgesichtspunkte zu der CDU/CSU) berücksichtigen, um damit unvertretbaren Aufwand zu Das wird – Herr Meister hat es gesagt – die Finanzverwal- vermeiden . Das ist auch grundsätzlich okay; denn daraus tung entlasten . Das wird aber auch bei den Bürgerinnen wird am Ende eine Effizienzsteigerung bei der Bearbei- und Bürgern in absehbarer Zeit zu einem unkomplizier- tung erwachsen . Gleichwohl ist zurzeit jedoch überhaupt teren und schnelleren Umgang mit ihrem Steuersystem nicht geklärt, wie präzise „wirtschaftlich und zweck- führen . mäßig“ definiert ist und wo da Grenzen liegen. Deshalb brauchen wir an dieser Stelle die nötigen Angaben . Wir Damit das gelingt, soll künftig ein wesentlich größerer brauchen mehr Transparenz, wir brauchen mehr Klarheit, Anteil der Steuererklärungen vollautomatisch bearbeitet um die Auswirkungen auf die steuerpflichtigen Bürgerin- werden; auch das kam zur Sprache . Dazu sind unter an- nen und Bürger besser beurteilen zu können . derem automationsgestützte Risikomanagementsysteme Drittens . Vollständig Nutzen aus dem Modernisie- erforderlich, die bewerten sollen, ob Steuersachverhalte rungsgesetz wird sich erst dann ziehen lassen, wenn die weiter gehender Ermittlungen und Prüfungen bedürfen Implementierung der dafür benötigten Hard- und Soft- oder ob kein Hinderungsgrund für eine vollautomatische ware abgeschlossen ist . Dieses komplexe Verfahren soll Steuerfestsetzung besteht . 2022 beendet sein . Je früher wir aber diesen Prozess um- Neben einer Beschleunigung der Abarbeitung der setzen und einen reibungslosen Betrieb in den Bundes- Standardfälle soll damit auch erreicht werden, dass sich ländern sicherstellen können, desto eher profitieren die die Finanzbehörden auf tatsächlich prüfungsbedürftige Finanzverwaltungen und die Bürgerinnen und Bürger Fälle konzentrieren können, einfach, weil sie dann mehr von den angestrebten entlastenden und erleichternden Kapazitäten dafür haben . Effekten . Darum sollten wir an dieser Stelle – Bund und Länder zusammen – nach Möglichkeiten suchen, diesen (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Prozess der Einführung der notwendigen IT zu beschleu- der CDU/CSU) nigen und früher umzusetzen, als bisher geplant . Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich will eins hervor- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten heben: Seit knapp zwei Jahren arbeiten Bund und Län- der CDU/CSU) der an diesem Gesetz Hand in Hand in einem Verfahren, Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich komme zum das man meiner Ansicht nach als beispielhaft bezeichnen Schluss . Trotz unserer kritischen Punkte halte ich den (B) kann . Herausgekommen ist ein Entwurf, der jetzt bereits (D) eingebrachten Gesetzentwurf für ausgewogen und gut . schon von einem grundsätzlich positiven öffentlichen Er beinhaltet nach meinem Dafürhalten zielführende Re- Konsens getragen wird . Meine Gespräche mit Vertretern gelungen, um gute Voraussetzungen für eine Modernisie- der Branche, wie zum Beispiel den Lohnsteuerhilfever- rung des Besteuerungsverfahrens zu schaffen . Damit si- einen, bestätigen das . chern wir insgesamt nicht nur die Zukunftsfähigkeit, wir Bei aller Zustimmung für diesen Gesetzentwurf will stärken damit in gleichem Maße die Serviceorientiertheit ich für die SPD-Fraktion jedoch deutlich machen, dass der Finanzverwaltung . Am Ende dieses Prozesses – da- wir an einigen Stellen schon noch Klärungs- und Nach- von bin ich überzeugt – wird der deutsche Steuerzahler besserungsbedarf sehen . Das will ich an drei Punkten profitieren, der zusammengefasst bald wesentlich we- erläutern . niger Aufwand damit haben wird, seinen steuerlichen Pflichten nachzukommen. Erstens: der Verspätungszuschlag . Verspätungszu- schläge sollen in Zukunft gesetzlich geregelt werden und Mit diesem Anspruch, liebe Kolleginnen und Kolle- ohne Ermessen eines Finanzbeamten definiert werden gen, lade ich Sie alle – natürlich auch Sie, Herr Pitterle – können . Das ist aus meiner Sicht völlig in Ordnung; denn dazu ein, den vorgelegten guten Entwurf zur Moder- damit werden künftig streitanfällige Ermessensentschei- nisierung des Besteuerungsverfahrens gemeinsam im dungen komplett vermieden . Allerdings sieht der Gesetz- parlamentarischen Verfahren zu einem noch besseren zu entwurf vor, dass ein Verspätungszuschlag in Höhe von machen . 50 Euro pro Monat bei pflichtigen Jahressteuererklärun- Vielen Dank . gen erhoben werden soll . Wenn wir das allen Ernstes so umsetzen, kann bei einem halben Jahr Verspätung – aus (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) welchen Gründen auch immer – nach Adam Ries ein Verspätungszuschlag in Höhe von 300 Euro entstehen . Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Für Steuerpflichtige, die beispielsweise nur eine gering- Ganz herzlichen Dank . – Als nächste Rednerin spricht fügige oder gar keine Erstattung zu erwarten haben, ist Lisa Paus von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen . eine solche Konstellation absolut unverhältnismäßig . Bei allem Verständnis demnach für Sinn und Zweck eines (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Verspätungszuschlags: Hier müssen wir nach Ansicht der Lisa Paus SPD-Fraktion dringend nachbessern . Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich teile ausdrücklich alles Positive, was bisher über diesen Ge- (Beifall bei der SPD) setzentwurf gesagt wurde . Allerdings, es gibt ein sehr 15718 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 159 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 26 . Februar 2016

Lisa Paus (A) grundsätzliches Problem mit diesem Gesetzentwurf . gebniskontrollmöglichkeiten wir neu einführen sollten . (C) Wird er so beschlossen, bedeutet das einen Wechsel weg Das schließt parlamentarische Kontrolle explizit mit ein . von der bisher geltenden Regel, dass legitimes Verwal- tungshandeln durch für jeden Fall gleiche Verfahren her- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) gestellt wird, hin zu einem Verfahren, in dem Verwaltung nach den Ergebnissen beurteilt wird – im Verhältnis zu Wir wissen, dass seit der letzten Föderalismusreform den damit entstandenen Kosten oder auch – neudeutsch – zur Gewährleistung der Gleichmäßigkeit des Steuer- zu seinem Output . Im Gesetz liest sich das dann wie folgt: vollzuges eigentlich die Pflicht zur Verabschiedung von Zielvereinbarungen zwischen Bund und Ländern exis- Bei der Entscheidung über Art und Umfang der tiert . Aber erstens sind diese Zielvereinbarungen für uns Ermittlungen können … Wirtschaftlichkeit und Parlamentarier nicht zugänglich . Zweitens zeigte eine Zweckmäßigkeit berücksichtigt werden . erste grobe Übersicht, dass es für die relevanten Berei- che, insbesondere bei den Betriebsprüfungen, mit vielen Auch meine Vorredner hatten darauf an der einen oder Bundesländern bis heute immer noch keine gemeinsa- anderen Stelle schon hingewiesen . – Und weiter: men Zielvereinbarungen gibt . Deswegen sage ich: Wir … Finanzbehörden können … automationsgestützte brauchen in dieser Frage Mitspracherechte . Zumindest Systeme einsetzen … Dabei soll auch der Grundsatz brauchen wir als Parlamentarier Kontrollrechte . der Wirtschaftlichkeit … berücksichtigt werden . (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Meine Damen und Herren, ich bin für stärkere Ergeb- nisorientierung – ganz klar –, nur: Wer Ja sagt zu Ergeb- Dieses Gesetz ist vollständig auf der Ebene der Exe­ nisorientierung, der muss auch Ja sagen zu Ergebniskon- kutive, nämlich zwischen Bundesverwaltung und Län- trolle; denn sonst wird Willkür Tür und Tor geöffnet . derverwaltungen, entstanden . Dass die ihre Kontrolle nicht automatisch mitdenken, ist nicht überraschend . (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Deswegen liegt es hier an uns, liebe Kolleginnen und Kollegen im Deutschen Bundestag, dass wir das ändern . Jemand definiert ja, jemand muss entscheiden, was „wirt- schaftlich“ bedeutet . Und in einem Rechtsstaat muss Dass es seit Längerem sogar dringenden Hand- dann diese Entscheidung nachvollziehbar und überprüf- lungsbedarf gibt, den gleichmäßigen Steuervollzug in bar sein . Ich bin überzeugt: Dieser Gesetzentwurf muss Deutschland wiederherzustellen, haben wir Grüne schon in dieser Hinsicht noch dringend überarbeitet werden . 2011 deutlich gemacht . Damals haben wir nämlich zu- Bisher kann ja anhand der Akte und der Vermerke al- sammengestellt, dass die Prüfungsquote von Einkom- mensmillionären in Deutschland zum Beispiel zwischen (B) les nachvollzogen werden; aber dieser Gesetzentwurf er- (D) laubt Risikomanagementsysteme, lässt jedoch die Frage: 38,7 Prozent in Sachsen und gerade einmal 5 Prozent in „Wer überprüft eigentlich zukünftig die Algorithmen der der Millionärshauptstadt Hamburg schwankt und dass Risikomanagementsysteme, oder wie sind sie überhaupt sich auch die Zahl der Betriebsprüfer in Deutschland überprüfbar“, bisher völlig unbeantwortet . Und das geht sehr stark unterscheidet, nämlich zum Beispiel zwischen nicht . Berlin mit acht Prüfern pro 1 Milliarde Euro Bruttoin- landsprodukt und Bayern mit lediglich vier Prüfern . Das (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) muss besser werden und nicht schlechter . Daran müssen wir etwas ändern . Das Einzige, was klar ist – das steht im Gesetzentwurf –, ist: Diese Risikomanagementsysteme dürfen nicht öf- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – fentlich werden . Damit wird aber genau dieses Verfahren Matthias W . Birkwald [DIE LINKE]: Warum zur vollständigen Blackbox . Und das geht nicht, meine wundert mich das nicht?) Damen und Herren . Wir Grüne fordern deswegen die Einführung eines (Widerspruch der Abg . Margaret Horb [CDU/ Bundesfinanzamtes für große Konzerne und Einkom- CSU]) mensmillionäre . Aber auch wenn Sie diese Forderung Es braucht die Kontrolle . Deshalb müssen wir diesen Ge- nicht teilen, da noch nicht mitgehen können: Lassen Sie setzentwurf noch ändern . uns trotzdem gemeinsam daran arbeiten . Wir brauchen konkrete, verbindliche, wirksame, nachvollziehbare und Im Übrigen verweist das Gesetz an verschiedenen vor allen Dingen überprüfbare Zielvereinbarungen, auch Stellen auch auf Urteile des Bundesverfassungsgerichts . vom Parlament, um hier etwas zu bewirken . Deshalb teile ich in dieser Frage auch die sehr harsche Kritik des Bundesrechnungshofes und auch die des Deut- Herzlichen Dank . schen Steuerberaterverbandes an der zu großen Unbe- stimmtheit des Begriffs „Wirtschaftlichkeit“ . Auch Herr (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Junge hat ja bereits darauf hingewiesen, dass es da Nach- besserungsbedarf gibt . Das stimmt . Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Ich glaube allerdings, dass es mit einer genaueren Ganz herzlichen Dank . – Als nächste Rednerin hat Begriffsbestimmung in dieser Frage nicht getan ist . Ich Margaret Horb von der CDU/CSU-Fraktion das Wort . finde, wir sollten uns als Parlamentarier noch einmal die Zeit nehmen, um zu überlegen, welche wirksamen Er- (Beifall bei der CDU/CSU) Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 159 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 26 . Februar 2016 15719

(A) Margaret Horb (CDU/CSU): Fast die Hälfte aller Steuererklärungen wird nicht von (C) Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und den Steuerpflichtigen selbst gemacht, sondern von den Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Machen wir beratenden Berufen . Es geht gerade um diese komplexen eine kleine Zeitreise ins Jahr 1919: Der Erste Weltkrieg Fälle, die auf diese Weise vorstrukturiert und professi- war gerade zu Ende gegangen, auf den Straßen gab es onell aufbereitet bei der Finanzverwaltung eingehen . mehr Pferdedroschken als Autos, und noch gab es längst Wenn wir die Lohnsteuerhilfevereine und die Steuerbe- nicht in allen Amtsstuben Telefon oder Schreibmaschine, rater nicht hätten, dann könnten wir unsere Finanzämter aber es gab schon Finanzämter . dichtmachen . Das wird sich auch in der Gesetzesbera- tung widerspiegeln . Heute beginnen wir die grundlegendste Reform der Das Bundesfinanzministerium ist hier mit sehr gutem Abgabenordnung seit 1977 . Und das ist dringend not- Beispiel vorangegangen . Länder, Kammern, Verbände, wendig; denn die Welt hat sich verändert. Demografi- Gewerkschaft und Finanzrichter sind bei der Formulie- scher Wandel, Digitalisierung und Globalisierung stellen rung mit einbezogen worden . Das Modernisierungsge- auch unsere Finanzverwaltung vor neue Herausforderun- setz ist im Dialog entstanden, und so sieht moderne Re- gen . In einer Welt, in der in Sekundenschnelle Milliarden gierungsarbeit aus . von Euro, Dollar und Yen transferiert werden, in einer Welt, in der die Steuersysteme verschiedener Länder Zuallererst sind es aber natürlich die Steuerzahler gegeneinander ausgespielt werden, in einer Welt, in der selbst, die im Fokus unserer Arbeit stehen: die Bürgerin- sozusagen Millionen von Daten aus verschiedenen Steu- nen und Bürger und die Unternehmen . Ein faires und ein ersystemen zugeordnet und ausgewertet werden müssen, einfaches Steuerrecht ist nicht nur eine Frage von Steu- in dieser Welt muss auch unsere Finanzverwaltung tech- ersätzen oder der Höhe von Pauschbeträgen, sondern es nisch auf der Höhe der Zeit sein . Die Finanzverwaltung ist auch eine Verfahrensfrage . Wir geben den Ländern des 21 .Jahrhunderts wird eine digitale sein, oder sie wird die Werkzeuge in die Hand, Steuererklärungen künftig scheitern . Wir sorgen dafür, dass sie nicht scheitert . Wir schneller zu bearbeiten . Daten, die von Versicherungen, sorgen dafür, dass sie funktioniert . Arbeitgebern und vielen mehr an die Finanzverwaltung übermittelt werden, sollen auch den Steuerpflichtigen zur (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- Verfügung stehen . ordneten der SPD) Die vorausgefüllte Steuererklärung werden wir weiter Die Abgabenordnung ist sozusagen der Werkzeug- ausbauen . Belege müssen künftig nur noch auf Anfrage kasten all derjenigen, die am Besteuerungsverfahren be- eingereicht werden . Am Ende steht auch hier die elek- teiligt sind, also der Steuerzahler, der Finanzverwaltung tronische Belegübermittlung . Das ist gut, das ist richtig (B) und der steuerberatenden Berufe . Mit dem vorliegenden und das ist wichtig . Aber das setzt voraus – das sage ich (D) Gesetzentwurf legen wir einige neue, modernere Werk- in aller Klarheit –, dass dafür die notwendige IT vorhan- zeuge in diesen Werkzeugkasten hinein . Auf die Finanz- den ist, dass sie schnell eingeführt wird und dass sie vor verwaltung übertragen heißt das zum Beispiel: Die Mil- allem funktioniert . Die Länder müssen die Entwicklung lionen Steuerbescheide der Arbeitnehmer oder Rentner der Steuer-IT mit stärkerem Tempo und mit größerer sollen künftig vollautomatisch erstellt werden können . Entschlossenheit vorantreiben . Es kann nicht sein – da gebe ich Kollegen Pitterle recht –, dass die Unterneh- Dass wir Effizienz und Wirtschaftlichkeit in den Blick men seit 2013 ihre Bilanzen detailliert aufgeschlüsselt nehmen, heißt aber nicht, dass wir Abstriche bei der elektronisch einreichen müssen, die Finanzverwaltung Rechtssicherheit, bei der Gleichmäßigkeit der Besteue- aber die Änderung nicht elektronisch zurückübermitteln rung oder bei der Steuergerechtigkeit machen . Ganz im kann . Die Unternehmen haben ein Recht auf diese Ab- Gegenteil: Die Finanzverwaltung soll sich auf die kom- weichungsanalyse . plizierten, die komplexen Fälle und auf die Bekämpfung von Steuerbetrug konzentrieren können . (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und Digitalisierung ist und darf keine Einbahnstraße sein . der SPD) Als Bund können wir die Abgabenordnung anpassen, wo es sinnvoll und notwendig ist . Aber die Länder sind für Sie soll serviceorientierter, effizienter und schneller den Steuervollzug zuständig . Wir, die CDU/CSU, wür- werden . Der Bund kann dazu neue Werkzeuge in diesen den gerne das Gesetzgebungsverfahren dazu nutzen, im Werkzeugkasten hineinlegen . Aber er ist nicht derjeni- Bereich der Steuervereinfachung noch weiter voranzu- ge, der diese Werkzeuge benutzt . Die Personalhoheit in kommen . Wir haben der SPD eine Liste mit Vereinfa- der Finanzverwaltung liegt aufseiten der Länder . Es geht chungsvorschlägen unterbreitet, die wir für finanzierbar nicht darum, Finanzpersonal zu ersetzen, sondern es geht und notwendig erachten . Wir sind koalitionsintern noch darum, Personal effektiver einzusetzen . Selbst die mo- in den Beratungen . Trotzdem möchte ich zwei der Vor- dernsten Werkzeuge nützen nichts, wenn ein gut ausge- schläge kurz vorstellen . bildeter Handwerker fehlt, der diese bedienen kann . Und wir machen dieses Gesetz auch nicht allein für die Län- Erstens . Wir wollen die verbindliche Auskunft als In­ der und für die Finanzverwaltung . Ein Steuergesetz ist strument stärken . Deshalb wollen wir in der Abgabenord- dann ein gutes Steuergesetz, wenn es die Interessen aller nung festschreiben, dass über die Anträge auf Erteilung berücksichtigt, die am Besteuerungsverfahren beteiligt einer verbindlichen Auskunft innerhalb von sechs Mo- sind . naten entschieden werden soll . Die Unternehmen sollen 15720 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 159 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 26 . Februar 2016

Margaret Horb (A) damit schneller Rechtssicherheit und Planungssicherheit sein sollen; das sind ja unsere Standardziele . Heute geht (C) erhalten . es um einen Modernisierungsschub – das ist eine andere Kategorie – durch die Einführung einer länderübergrei- Zweitens . Wir haben vorgeschlagen, den Vollverzin­ fend einheitlichen IT . Es geht um Wirtschaftlichkeit und sungssatz von derzeit 6 Prozent im Rahmen des haus- Effizienz, es geht um die Schnittstelle zwischen Finanz- halterisch Machbaren befristet abzusenken . Klar ist aber amt und Bürger . auch: Wir brauchen dafür die Zustimmung unseres Koa- litionspartners und die der Länder . Dabei geht es darum – das wurde schon gesagt –, dass man die Massenverfahren jemanden machen lässt, der Auf eine Änderung wollen wir uns in der Koalition dumm genug ist, das zu können, nämlich den Rechner . verständigen . Der Gesetzentwurf der Bundesregierung Man muss sich auf die prüfungswürdigen Fälle – da geht sieht vor, dass es künftig vollautomatische Verspätungs- es meistens um Menschen – konzentrieren; denn das, zuschläge geben soll . Wir wollen, dass es für Nullbe- was prüfungswürdig ist, beschwert den Bürger mögli- scheide und Steuererstattungen bei der bestehenden Re- cherweise besonders . Weil man durch das automatisierte gelung bleibt . Auf dieser Linie wollen wir weitermachen . Verfahren Zeit gewinnt, kann man sich verstärkt darum Ich freue mich auf die Gesetzesberatung mit dir, lieber kümmern . Dadurch wird die Veranlagung zielgenauer Frank Junge, aber auch mit den Kollegen der Oppositi- und gerechter . Möglicherweise wird dadurch auch die on im Sinne und zum Wohle der Steuerzahlerinnen und Prüfdichte in verschiedenen Ländern erhöht, die gedacht Steuerzahler . haben, sie könnten mit der Frage des Personals so oder so umgehen . Ich glaube, dass da eine gewisse Gleichmä- Herzlichen Dank . ßigkeit erreichbar ist . (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Aus Sicht der Bürger wird der Service besser . Wir erwarten mehr digitale Auskünfte . Es gibt eine elektro- Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: nische Erklärung, elektronische Belege, elektronische Ganz herzlichen Dank .– Lothar Binding von der Meldungen von Dritten – Rentenversicherung, Sozial- SPD-Fraktion hat als letzter Redner in dieser Debatte das versicherungen, Zuwendungen, steuererhebliche Mel- Wort . dungen, und das alles automatisch . Das klingt gut, und es ist auch gut, wenn es so kommt . (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Lisa Paus hat vorhin einen kritischen Punkt angespro- chen – den sehen wir auch –: Wird eigentlich der Amts- Lothar Binding (Heidelberg) (SPD): ermittlungsgrundsatz im Spannungsfeld von Wirtschaft- (B) (D) Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! lichkeit und Rechtmäßigkeit bei der Entwicklung des Sehr verehrte Damen und Herren! Margaret Horb, bei automatischen Onlinesystems ordentlich berücksichtigt? allen guten Vorschlägen machen wir mit . Das ist sicherlich eine Sache, über die wir noch sprechen müssen . Du hast von einem Kontrollerfordernis gespro- (Margaret Horb [CDU/CSU]: Super!) chen . Das sehen wir auch . Wir sind da noch nicht ganz am Ende, aber, wie gesagt, auf einem guten Weg . hat gestern Abend bei der ­Haarmann-Steuerkonferenz erklärt, dass eine Steuersen- Wir wissen auch noch nicht genau, wie das mit dem kung um 1 Prozent – bezogen auf den von ihr genannten Risikomanagement funktionieren soll und was man ei- Satz von 6 Prozent – 10 Milliarden Euro kostet . gentlich weglassen soll . Sollen wir zum Beispiel die (Antje Tillmann [CDU/CSU]: Nein, das ist Steuererklärungen von Leuten mit hohem Einkommen ein anderes Thema!) nicht mehr prüfen, weil diese Leute sowieso ehrlich sind? Oder sollen wir viele Steuererklärungen von Leuten mit Das ist schon ein besonderes Thema . kleinem Einkommen nicht mehr prüfen, weil es sowieso unerheblich ist? Wir müssen noch ein bisschen über das Richard, du hast vorhin Fehler beschrieben . Die gra- Risikomanagement nachdenken . vierenden Fehler müssen behoben werden; das ist ganz klar . Aber heute geht es um einen systemischen Wechsel . Eine Sache vermissen wir noch im Gesetz, allerdings Jetzt kommt es darauf an, das richtige System zu finden. verständlicherweise, nämlich den Aspekt der Datenho- Eines will ich garantieren: Auch im neuen System wird heit, der Hoheit über die Daten des Steuerpflichtigen. es Fehler geben . Es wird auch Pannen geben . Die Fra- Mit der Ausweitung der Nutzung von Kommunikations- ge ist, wie man damit umgeht . Wie fehlertolerant ist das technik und Datenverarbeitung müsste eigentlich auch System? Du hast gesagt, allein das Ziel zu beschreiben, eine Erweiterung der bereichsspezifischen Regelungen sei nicht genug; es komme darauf an, den Weg zu wis- zum Datenschutz und zur Datensicherheit einhergehen . sen .– Das stimmt; aber sich ohne Ziel auf den Weg zu Das fehlt jetzt hier . Allerdings gilt das allgemeine Daten- machen, ist auch schlecht . Insofern sind wir heute auf schutzrecht ja trotzdem . Wir wissen aber, warum dieser einem ganz guten Weg . Aspekt fehlt: weil die Datenschutz-Grundverordnung in (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Europa noch nicht so weit ist . Wir wissen: Wenn wir da der CDU/CSU) jetzt etwas regeln, dann müssen wir die entsprechende Regelung bald an die Datenschutz-Grundverordnung Es geht heute nicht um Steuervereinfachung . Es geht anpassen . Wir hätten dann zwei Regelungen, die sich auch nicht darum, dass die Steuern niedrig und gerecht möglicherweise widersprechen . Das bedeutet unnötige Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 159 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 26 . Februar 2016 15721

Lothar Binding (Heidelberg) (A) Arbeit . Also warten wir, bis die Verantwortlichen auf Dr. Julia Verlinden (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): (C) europäischer Ebene damit fertig sind, und passen die Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Regelungen dann an . Das allgemeine Datenschutzrecht Damen und Herren! Letzten Mai stand hier Umweltmi- gilt aber . Insofern ist die Lücke erträglich, wenn man auf nisterin Hendricks und hat den Gesetzentwurf der Bun- europäischer Ebene hinreichend schnell arbeitet und sie desregierung vorgestellt . Das war ein Fracking-Erlaub- nur kurze Zeit besteht . nis-Paket . Aber die Menschen wollen ein Verbot von Fracking . Ich habe mir überlegt: Es gibt einen Notanker für ei- nen Steuerbürger, der meint: Ich muss unbedingt an der (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Bearbeitung meiner Steuererklärung durch den Rechner NEN sowie des Abg . Hubertus Zdebel [DIE vorbeikommen und die Aufmerksamkeit eines Menschen LINKE]) wecken, der sich meine Steuererklärung genauer an- schauen soll .– Für diesen Fall gibt es ja das Freitextfeld . Ministerin Hendricks sagte damals – das können Sie Wenn man etwas in das Freitextfeld schreibt – das klingt im Protokoll nachlesen –, das Parlament könne das Ge- sehr technisch, aber immerhin ist das eine Möglichkeit –, setz ja auch noch ändern, und zwar gerne in Richtung dann erzwingt man damit, dass sich ein Mensch um die weiterer Verschärfungen . Die Vertreter der Bundesländer Steuererklärung kümmert. Ich finde, das ist ein ganz gu- im Bundesrat sahen auch noch ganz erheblichen Ände- ter Notanker für den Bürger, der sagt: Ich will mich doch rungsbedarf und wir Grüne auch . nicht nur vom Rechner veranlagen lassen . (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der LINKEN: Die Linke auch!) Um es zusammenzufassen: Insgesamt haben wir eine gute Diskussionsgrundlage geschaffen, mit der wir sehr Auch die Experten in den Anhörungen sahen noch zahl- schön weiterarbeiten können .– Frau Präsidentin zeigt reiche Probleme beim Gesetz der Bundesregierung . Sie gerade an, dass ich mit meiner Redezeit schon 43 Sekun- empfahlen uns Parlamentariern, dringend nachzubessern . den im Minus bin . Wir Grüne haben nach der Anhörung in den Ausschüs- Vielen Dank . sen unsere Hausaufgaben gemacht . Wir haben in unseren Anträgen deutlich gemacht, welche Defizite wir beim (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Regierungsentwurf sehen . Und wir haben klargemacht: Wir Grüne wollen, dass Fracking verboten wird, und wir wollen, dass neue Regeln auch die Erdgas- und Erdölför- Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: derung ohne Fracking sicherer und transparenter machen . Vielen Dank .– Liebe Kolleginnen und Kollegen, da- (B) mit schließe ich die Debatte . (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (D) Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzent- Und was ist seitdem bei Union und SPD passiert? wurfs auf Drucksache 18/7457 an die in der Tagesord- Nichts! Zumindest haben Sie nicht weiter daran gearbei- nung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen . Gibt es tet, dass wir bald über ein Gesetz abstimmen können, das anderweitige Vorschläge? – Das ist nicht der Fall . Dann dem Wunsch der Mehrheit der Bevölkerung entspricht; ist die Überweisung so beschlossen . denn mehr als zwei Drittel der Menschen wollen laut ei- ner repräsentativen Umfrage ein Fracking-Verbot, und Ich rufe Tagesordnungspunkt 23 auf: das zu Recht . Erste Beratung des von den Abgeordneten (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Dr .Julia Verlinden, Annalena Baerbock, Peter und bei der LINKEN) Meiwald, weiteren Abgeordneten und der Frak- Diese Menschen sind in bester Gesellschaft . Auch Ge- tion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrach- werkschaften, Kirchen und Wirtschaftsverbände kritisie- ten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des ren Fracking . Tausende Kommunen haben Resolutionen Bundesberggesetzes zur Untersagung der Fra- gegen Fracking verabschiedet . cking-Technik Ich kenne eigentlich nur eine Einzige, die Fracking Drucksache 18/7551 wirklich will, und das ist die Erdgasindustrie . Doch zu Überweisungsvorschlag: welchem Preis? Die Erdgasindustrie will es am liebsten Ausschuss für Wirtschaft und Energie (f) so machen, wie es leider lange Tradition in der Energie- Ausschuss für Gesundheit wirtschaft war: die Gewinne privatisieren und die Risi- Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und ken und Folgekosten der gesellschaftlichen Allgemein- Reaktorsicherheit heit überlassen . Das ist ungerecht . Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN diese Aussprache 38 Minuten vorgesehen .– Ich höre und bei der LINKEN) dazu keinen Widerspruch . Dann ist das so beschlossen, und ich kann die Aussprache eröffnen, was ich hiermit So wie beim Atommüll: Jahrzehntelang fahren die Ener- auch tue . giekonzerne Gewinne ein und schütten hohe Dividenden aus, und jetzt wollen sie am liebsten nichts mehr damit Als erste Rednerin hat Julia Verlinden von der Frakti- zu tun haben . Oder bei der Braunkohle: den Menschen on Bündnis 90/Die Grünen das Wort . die Heimat wegbaggern und das Klima auf Kosten der 15722 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 159 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 26 . Februar 2016

Dr. Julia Verlinden (A) Zukunft kaputtmachen und dann auch noch die Hand noch die letzten Reste Erdgas aus dem Boden fracken? (C) aufhalten und Geld dafür haben wollen, dass sie damit Das macht doch überhaupt keinen Sinn . aufhören . Das ist doch verrückt! (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Es wäre ein fatales Signal, wenn Deutschland nach und bei der LINKEN) Paris wieder einen Schritt rückwärts macht, anstatt auf Ständig lesen wir neue Hiobsbotschaften, die auf Risi- die Zukunft zu setzen . Die Zukunft heißt: zuverlässige ken für Umwelt und Gesundheit bei der Fracking-Tech- und umweltfreundliche Energie . Jetzt heißt es, Alterna- nik und Erdgasförderung hinweisen, und das nicht nur in tiven für unsere Energieversorgung voranzutreiben und den USA, wo massiv gefrackt wird . Dort kam es letzte Investitionen entsprechend zu lenken: in Richtung Ener- Woche im Fracking-Bundesstaat Oklahoma zu einem giesparen, Energieeffizienz, erneuerbare Energien, auch der stärksten Erdbeben überhaupt in der Region . Dieses im Wärmemarkt . Erdbeben steht unter dringendem Verdacht, von Fracking (Dr . Philipp Lengsfeld [CDU/CSU]: Phra- verursacht worden zu sein . sendrescherei!) (Bernd Westphal [SPD]: Nur im Verdacht!) Fracking widerspricht dem Klimaschutz . Es wider- Aber wir müssen gar nicht so weit gucken . Auch hier spricht einer klugen Energiepolitik, weil es das fossile in Deutschland gibt es am laufenden Band Meldungen Zeitalter verlängert . über mögliche schädliche Folgen der Erdgasförderung . (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Auch rund um Förderstätten, insbesondere in Nieder- sowie bei Abgeordneten der LINKEN) sachsen, gibt es regelmäßig neue Erdbeben, wie etwa letzte Woche im Heidekreis . Die Liste der Gegenden, in Deswegen sollte die Politik endlich Rechtssicherheit denen Erdöl- und Erdgas gefördert werden und signifi- schaffen, und Rechtssicherheit bedeutet: Fracking ver- kant erhöhte Krebsraten bei Kindern und Erwachsenen bieten . gemeldet werden, wird immer länger . Hinzu kommt der In ihren Wahlkreisen haben im letzten Jahr viele Ab- hohe Wasser- und Flächenverbrauch beim Fracking und geordnete Besuch bekommen . Viele Abgeordnete haben die ungeklärte Frage der Entsorgung giftiger Abwässer . auf öffentlichen Veranstaltungen oder in der Zeitung er- Zu Recht sind die betroffenen Bürgerinnen und Bürger zählt, dass sie ja irgendwie auch ziemlich gegen Fracking besorgt, und sie erwarten, dass Sie als Regierungsfrakti- seien . Aber warum machen Sie dann nicht endlich ein onen endlich handeln . richtiges Gesetz, das Fracking verbietet? Sie haben doch (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Mehrheit im Parlament und stellen die Regierung . (B) sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Das heißt, es ist Ihre Verantwortung . (D) Erdgas ist kein sauberer und klimafreundlicher fossiler (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Brennstoff, wie es manche Befürworter gerne behaupten; sowie bei Abgeordneten der LINKEN) denn bei der Erdgasförderung und beim Transport ent- Es ist doch keine Lösung, wenn Sie den Kopf in den Sand weicht regelmäßig unkontrolliert Methan, und Methan ist stecken und hoffen, dass diese Legislaturperiode schnell klimaschädlicher als CO2 – nicht nur ein bisschen schäd- vorbeigeht . licher, sondern 20-mal mehr als CO2 Dabei geht es ganz einfach: Sie schreiben ein Fra- Ich will Generationengerechtigkeit . Ich will, dass die- cking-Verbot in einen neuen § 49 a des Bundesbergge- jenigen zahlen, die Schäden verursacht haben . Ich will, setzes . Das präsentieren wir Grünen Ihnen hier heute in dass die Politik nach dem Vorsorgeprinzip Entscheidun- unserem Gesetzentwurf noch mal auf dem Silbertablett . gen trifft, dass Alternativen gewählt werden, die die Ri- Wir werden das in den Ausschüssen beraten, und bei der siken minimieren . Abstimmung in ein paar Wochen erwarte ich, dass Sie (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ernst machen mit dem, was Sie zu Hause in den Wahl- kreisen erzählen . Stimmen Sie unserem Fracking-Verbot Von diesen besseren Alternativen haben wir in der Ener- zu! giepolitik zahlreiche . (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Die internationale Gemeinschaft hat im Dezember in sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Paris beschlossen, dass wir rauswollen aus den fossilen Energieträgern: Weg vom Öl! Raus aus der Kohle! Und Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: wenn wir sagen „Dekarbonisierung“, dann heißt das na- türlich auch: perspektivisch ein Ausstieg aus der Erdgas- Als nächste Rednerin spricht Herlind Gundelach von nutzung; denn wir können für Strom, Wärme und Mo- der CDU/CSU-Fraktion . bilität auf erneuerbare Energien umsteigen und Energie (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- effizienter einsetzen. ordneten der SPD) Das geht nicht von heute auf morgen; klar . Aber wenn wir jetzt schon wissen, dass wir mindestens zwei Drittel Dr. Herlind Gundelach (CDU/CSU): der fossilen Rohstoffe eben nicht verbrennen dürfen, dass Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! diese Menge unter der Erde bleiben muss, wenn wir das Ich freue mich, dass wir heute wieder einmal über Fra- Klima retten wollen – ja, warum sollen wir denn dann cking sprechen; denn seit nunmehr fünf Jahren wurde Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 159 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 26 . Februar 2016 15723

Dr. Herlind Gundelach (A) in Deutschland kein Antrag auf konventionelle Gasför- möglichkeiten haben, könnten wir zwar rechnerisch aus- (C) derung mit Anwendung der Fracking-Technologie mehr reichend Strom produzieren, aber deswegen noch lange beschieden . nicht die Versorgung sicherstellen . Die Gasförderung in unserem Land geht kontinuier- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) lich zurück, und ganze angegliederte Wirtschaftszweige Laut der Energieeffizienzstrategie Gebäude, die wir fallen in Deutschland weg . Dadurch verlieren wir Ar- am Mittwoch im Ausschuss behandelt haben, gibt es beitsplätze in ganz erheblichem Umfang, und qualifi- in Deutschland derzeit 21,3 Millionen Wärmeerzeuger . zierte Fachkräfte wandern ab . Solche Prozesse können in Davon werden gut 10,5 Millionen mit Gas befeuert . Das einer Marktwirtschaft zwar unvermeidlich sein, aber sie bedeutet, dass immer noch die Hälfte aller Heizungen sind es nur, wenn ein Produkt nicht mehr konkurrenzfä- in Deutschland gasbasiert ist . Ein großes Problem im hig ist, und das ist hier ganz entschieden nicht der Fall . Wärmebereich ist, dass Alternativen wie Biomasse, Geo- Es gibt in der Bevölkerung Bedenken zur Fra- thermie, Solarthermie und Photovoltaik nicht für jedes cking-Technologie – das haben Sie sehr richtig erkannt, Gebäude umsetzbar sind bzw . die Umsetzung mit großen Frau Verlinden –, Kosten verbunden ist . Bei Gebäuden mit klassischen Ra- diatorheizungen zum Beispiel sind Wärmepumpen weni- (Heiterkeit bei Abgeordneten des BÜNDNIS- ger effizient als in Gebäuden mit Flächenheizungen. Bei SES 90/DIE GRÜNEN) der Solarthermie gibt es durch die Größe und Ausrich- und die nehmen wir auch sehr ernst . Wir haben daher in tung der Dachflächen Hemmnisse. Solarthermieanlagen dieser Legislaturperiode an einem Gesetz gearbeitet, das sind übrigens eine ausgeprägte Konkurrenz für Photo- einen neuen ordnungsrechtlichen Rahmen für eine Tech- voltaikanlagen, die nicht zur Wärmegewinnung genutzt nologie schafft, die wir 50 Jahre ohne größere Zwischen- werden können . Bei der Geothermie haben wir zum Teil fälle angewendet haben . Zwischen 1961 und 2011 fanden dasselbe Problem wie beim Erdgas: Auch hier muss ge- nämlich rund 300 Fracks im Rahmen der konventionel- frackt werden . len Förderung statt . Jetzt werden viele von den Kolleginnen und Kolle- Bei unserem Gesetzentwurf – genauso haben wir es gen der Grünen sagen: Wir müssen mit Zwang auf die im Koalitionsvertrag festgehalten – stehen der Schutz des Nutzung von erneuerbaren Energien im Bereich Wärme Menschen und seiner Gesundheit sowie die Belange der umrüsten – siehe Ihr zuletzt vorgelegter Gesetzentwurf –, Umwelt im Vordergrund . kostet es, was es wolle . (Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg . (Dr .Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE Hiltrud Lotze [SPD]) GRÜNEN]: Wir wollen den Planeten retten! (B) Sie vielleicht nicht!) (D) Wir – das unterscheidet uns ganz massiv von Ihnen – wollen einen Gesetzesrahmen, in dem wir Erdgas in Wenn ich einen ersten Blick in die Unterlagen für den Deutschland unter ökologisch verantwortbaren und wirt- Klimaschutzplan 2050 werfe, der von Ihnen nahestehen- schaftlich vertretbaren Voraussetzungen fördern können . den Einrichtungen entworfen wurde, denke ich, dass das Wir wollen auch international einen Beitrag leisten, in- genau der von Ihnen präferierte Weg ist . dem wir zeigen, dass die Förderung von Rohstoffen auch Ich sagte soeben, dass wir in Deutschland immer noch unter strengen Umweltauflagen wirtschaftlich ist. sehr viele Gasheizungen haben . In den letzten Jahren (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und wurden circa 600 000 bis 700 000 entsprechende Wär- der SPD) meerzeuger pro Jahr installiert . Im Neubaubereich ist Gas – auch das müssen wir zur Kenntnis nehmen – noch Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich denke, wir sind immer der bedeutendste Energieträger . uns einigermaßen einig – zumindest die meisten unter uns –, dass wir bis 2050 in diesem Land nicht ohne fos- (Dr .Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE sile Brennstoffe auskommen werden . Anders lautende GRÜNEN]: Haben Sie schon einmal etwas Aussagen sind meines Erachtens Wunschvorstellungen . von Power-to-X gehört?) (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- – Davon habe ich durchaus schon gehört, ja . Eine solche NEN]: Die Umweltministerin hat in Paris et- Anlage werde ich übermorgen wieder besuchen . was anderes unterschrieben!) (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- – Da täuschen Sie sich . Das müssen Sie etwas genauer NEN]: Am heiligen Sonntag?) lesen . Wenn wir in Deutschland kein Erdgas mehr fördern, (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- können wir nur importieren . Wir machen uns dann gänz- NEN]: 1,5 Grad wird schwierig!) lich von ausländischen Lieferanten abhängig, die gege- benenfalls unter schlechten ökologischen und übrigens Unter Umständen können wir vielleicht in nicht allzu auch schlechten arbeitsrechtlichen Bedingungen fördern . weiter Ferne Strom ohne fossile Energieträger herstel- Dass es unter Umständen auch aus außenpolitischer Sicht len, was aber immer noch nicht heißt, dass das für ein Vorbehalte und Probleme mit der innerstaatlichen De- Industrieland wie Deutschland ausreichend ist; denn wir mokratie in diesen Förderländern geben kann, will ich brauchen verlässlich 365 Tage im Jahr und 24 Stunden in diesem Zusammenhang nur kurz ansprechen und gar am Tag Strom . Solange wir nicht ausreichend Speicher- nicht weiter ausführen . 15724 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 159 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 26 . Februar 2016

Dr. Herlind Gundelach (A) Ein Verbot hätte daher aus meiner Sicht mindestens Ferner wollen wir die Pflichten im Rahmen der Um- (C) zur Folge, dass wir kein eigenes Gas für die Verstromung weltverträglichkeitsprüfungen massiv ausweiten, so- hätten, obwohl Gas unter den grundlastfähigen Energie- dass beispielsweise schon vor der Aufsuchung – also trägern noch immer die beste CO2-Bilanz hat . Wir müss- beim allerersten Schritt, noch vor der Förderung – eine ten für die Hälfte der Heizungen in Deutschland Erdgas UVP-Prüfung durchgeführt werden muss . So würde der aus dem Ausland importieren . Wir würden einem ganzen gesamte Prozess der Förderung überwacht . Zu den was- Wirtschaftszweig die Arbeit verbieten, und das, nachdem serrechtlichen Implikationen wird, denke ich, der Kolle- er über 50 Jahre in Deutschland eine gute Arbeit geleistet ge Möring nachher sicher noch Stellung nehmen . hat . Wir würden indirekt schlechte Arbeitsbedingungen und eine unter ökologischen Aspekten auch nicht nach- Deutschland ist in den Augen vieler unserer Nach- haltige Förderung im Ausland unterstützen . Ich weise barn – auch das möchte ich betonen – inzwischen ein zum Beispiel auf die Leckagen im Rahmen der Öl- und Land geworden, das offensichtlich Innovationen scheut Gasförderung in Russland hin . und überall nur noch unbeherrschbare Risiken sieht . (Dr . Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- GRÜNEN]: Nicht nur da!) NEN]: Ui, ui, ui!) – Aber dort ganz besonders . – Experten sagen, dass bei Das, meine Damen und Herren, ist aber nicht der Geist, bis zu 10 Prozent der Förderungen das von Ihnen zu mit dem unser Land großgeworden ist, und das ist mit Recht kritisierte Methan in großen Mengen in die Luft Sicherheit auch nicht der Geist, mit dem wir unsere Spit- entweicht . Wir könnten sagen: Das berührt uns nicht; das zenstellung als Industrieland in der Welt halten können . ist ja nicht unsere CO2-Bilanz . Deshalb trete ich nach wie vor für die Anwendung inno- vativer Techniken in Deutschland ein . (Dr .Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein! Wir können auf Energieef- (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- fizienz setzen!) NEN]: Zum Beispiel?) Ich nenne ein solches Verhalten absolut pharisäerhaft . Dazu gehört für mich auch Fracking, (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und (Lachen der Abg . Dr . Julia Verlinden der SPD) [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Wie gesagt, das alles wollen wir uns leisten, obwohl Erd- gas in Deutschland unter marktwirtschaftlichen Aspekten und zwar – das betone ich noch einmal – unter strengen konkurrenzfähig ist . Umweltauflagen. (B) (D) Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir in der CDU/ (Beifall der Abg . Marie-Luise Dött [CDU/ CSU-Bundestagsfraktion nehmen die Sorgen der Bürge- CSU] – Dr . Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/ rinnen und Bürger bezüglich der Fracking-Technologie DIE GRÜNEN]: Das ist nicht Ihr Ernst! Das sehr ernst . soll eine innovative Technik sein?) (Dr .Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Gestatten Sie mir zum Schluss noch eine Bemerkung . NEN]: Aber es gibt kein Gesetz von Ihnen!) Der Zeitpunkt, zu dem Sie Ihren Gesetzentwurf vorle- gen, riecht ein bisschen arg nach Wahlkampf . Uns in der Es gibt aber nur wenige Themen, die politisch und emo- Koalition ist aber an einer sachlichen Diskussion und an tional derart aufgeladen sind – das merkt man auch an guten, praktikablen Lösungen gelegen . Ihren Reaktionen –, dass eine sachliche Diskussion kaum noch möglich ist . Das Produkt Erdgas ist unter strengen (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Auflagen in Deutschland förderbar und auch konkurrenz- NEN]: Sie haben doch auch etwas einge- fähig . Deshalb wäre es nach unserer Auffassung falsch, bracht! – Dr .Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/ Fracking zu verbieten . DIE GRÜNEN]: Wir warten ja auf Ihren Ge- Ich werbe daher für einen guten gesetzlichen Rahmen setzentwurf!) mit sinnvollen Regelungen . – Den bekommen Sie . Sie müssen nur noch ein bisschen (Dr . Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE warten . GRÜNEN]: Wo ist der denn?) Danke . – Dazu hören Sie gleich noch etwas . – Daher haben wir in unserem Vorschlag nach intensiven Beratungen, auch (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- mit durchaus kritischen Geistern in unseren eigenen Rei- ordneten der SPD – Oliver Krischer [BÜND- hen, wie Sie wissen, festgelegt, dass zum Beispiel nur NIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber Sie haben doch noch solche Frackfluide zugelassen werden – sie beste- auch etwas eingebracht!) hen heute ohnedies schon zu fast 97 Prozent nur noch aus Wasser und Sand –, die die Wassergefährdungsklasse 1 Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: haben . Die meisten Shampoos, mit denen wir uns täglich Vielen Dank . – Als nächster Redner hat Hubertus die Haare waschen, sind schon in Wassergefährdungs- Zdebel von der Fraktion Die Linke das Wort . klasse 2 . Die Gefährlichkeit ist aus meiner Sicht also überschaubar . (Beifall bei der LINKEN) Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 159 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 26 . Februar 2016 15725

(A) Hubertus Zdebel (DIE LINKE): und Erdgasgewinnung, WEG, nach . Der WEG hat in sei- (C) Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! ner Pressemitteilung vom vergangenen Dienstag die Ver- Fracking ist eine unbeherrschbare Risikotechnik . abschiedung des Regelungspakets zu Fracking gefordert . Dadurch ist auch die Legende von Umweltministerin (Matthias W . Birkwald [DIE LINKE]: So ist Hendricks geplatzt, das geplante Fracking-Recht würde es!) Fracking verhindern . Das Gegenteil ist der Fall: Die Gas- Diese Gasfördermethode ist eine Gefahr für Mensch und und Öllobby benötigt die Rechtsänderungen, um mit dem Natur . Grundwasserverseuchungen, Erdbeben wie in gefährlichen Gasbohren beginnen zu können . Nicht an- Niedersachsen, Mondlandschaften, wie sie sich in den ders ist die Lage . USA besichtigen lassen, eine miserable Klimabilanz und Doch es gibt zwingende Gründe, den Vorhaben der eine ungelöste Entsorgungsproblematik sind die Folgen . Konzerne einen Riegel vorzuschieben . So hat die Bun- Der Einsatz der Fracking-Technik ist nicht zu verantwor- desanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe, BGR, ten . im Januar ihre überarbeitete Potenzialstudie vorgelegt . (Beifall bei der LINKEN und dem BÜND- Darin musste sie zugeben, dass Erdbeben durch Fracking NIS 90/DIE GRÜNEN) in geologischen Störungszonen im Vergleich zu anderen geologischen Formationen deutlich stärker sein können . Die Fraktion Die Linke hat daher bereits im Mai letz- Kleine Störungszonen können aber in der Regel nicht ten Jahres einen Antrag eingebracht, mit dem sie die im Vorfeld ermittelt werden . Damit wird erneut deut- Bundesregierung aufgefordert hat, einen Gesetzentwurf lich: Fracking ist gerade hinsichtlich der Erdbebengefahr für ein Fracking-Verbot ohne Ausnahmen vorzulegen . nicht beherrschbar . Wir begrüßen es, dass die Grünen nun ebenfalls auf die Position der Anti-Fracking-Bewegung einschwenken (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- neten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) (Lachen des Abg . Oliver Krischer [BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN]) Der Bundesverband Erneuerbare Energie hat gerade zu den aktuellen Szenarien der deutschen Energieversor- und sich dieses Thema zu eigen machen . gung eine Kurzstudie vorgelegt . Ihr Ergebnis: Deutsch- land wird seine selbstgesteckten Klimaschutzziele bis (Beifall bei der LINKEN – Dr .Julia Verlinden 2020 deutlich verfehlen . Statt einer Reduktion der Treib- [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Schon lan- hausgase um 40 Prozent werden nur 32 Prozent erreicht ge! – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE werden . Auch vor diesem Hintergrund auf den fossilen GRÜNEN]: Da muss er ja selber lachen!) Energieträger gefracktes Gas zu setzen, ist verantwor- (B) Allerdings muss sich auch das Verhalten der Bundes- tungslos; (D) länder mit grüner Regierungsbeteiligung ändern; das will (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- ich zumindest kurz andeuten . Ein Landesentwicklungs- neten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) plan, der, wie in NRW, die Tür für Fracking weit offen lässt, denn es kommt dabei zu relevanten Emissionen von Treibhausgasen . In diesem Zusammenhang sei nur das (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Methangas erwähnt . NEN]: Was? Wer lässt denn da Fracking zu? Hallo?!) Gerade nach Paris muss aber gelten: Statt die Kli- makrise zu verschärfen, muss der Ausbau der erneuer- zum Beispiel für Erdöl-Fracking, oder das Abtauchen baren Energien forciert werden . Die BGR hat ferner das des niedersächsischen Umweltministers Wenzel in der Schiefergaspotenzial in Deutschland deutlich nach unten Fracking-Frage – die Vorgänge in Niedersachsen sind ja korrigieren müssen . Im Vergleich zur Potenzialstudie aus gerade angesprochen worden – stehen im Widerspruch dem Jahr 2012 wurden die Gasmengen in der Tiefe zwi- zu dem heute vorliegenden Gesetzentwurf . Da muss sich schen 1 000 Metern und 5 000 Metern auf etwa die Hälfte auch in den Ländern sicherlich noch das eine oder andere reduziert . Gefracktes Gas hat damit – im Gegensatz zu ändern . den Behauptungen von Frau Gundelach – bezüglich der (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN – Energieversorgung keine Bedeutung . Dr .Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Lassen Sie mich daraus die Konsequenz ziehen: Es NEN]: Nein, nein! Der Bundesrat hat Ver- gibt lediglich ein betriebswirtschaftliches Interesse der schärfungen beim Fracking gefordert!) Gasindustrie an Fracking, aber kein gesellschaftliches . Aber die Große Koalition beharrt offensichtlich stur Auch wegen der katastrophalen Klimabilanz hat Fra- auf ihrem Fracking-freundlichen Kurs . Insbesondere die cking nichts mit einer nachhaltigen Energieversorgung CDU will eine neue Bombe in Sachen fossiler Energie- zu tun . Fracking ist ein Roll-back zu fossilen Brennstof- gewinnung zünden . Nach Berichten der Bürgerinitia- fen . Wir fordern stattdessen eine Energiepolitik, die den tiven gegen Fracking wollen SPD und CDU/CSU nach Weg für erneuerbare Energien ebnet . den Landtagswahlen im März einen neuen Anlauf für ein (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- Pro-Fracking-Gesetz nehmen . Die Mitte letzten Jahres neten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) gescheiterten Verhandlungen sollen so wiederbelebt wer- den . Damit gibt die Regierungskoalition den Interessen Die Linke ruft daher dazu auf, sich in den nächsten Wo- von Lobbygruppen wie dem Wirtschaftsverband Erdöl- chen an den Aktionen der Antifracking-Initiativen zu be- 15726 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 159 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 26 . Februar 2016

Hubertus Zdebel (A) teiligen . Die Bürgerinnen und Bürger fordern wie wir ein tergrund der Pariser Klimaabkommen? Das (C) Fracking-Verbot ohne Ausnahmen . macht überhaupt keinen Sinn!) (Beifall bei der LINKEN und dem BÜND- Dies wollen wir aber nur unter weltweit strengsten Rah- NIS 90/DIE GRÜNEN) menbedingungen machen . Deshalb sind die Beispiele aus dem Ausland, die immer angeführt werden, auch nicht Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: tragfähig . Vielen Dank .– Als nächster Redner spricht Bernd Ich erzähle Ihnen auch kein Geheimnis, wenn ich Ih- Westphal von der SPD-Fraktion . nen sage, dass wir als SPD in der Feinabstimmung die Details sehr verantwortungsvoll mit unserem Koalitions- (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) partner diskutieren . Deshalb kann das ruhig ein bisschen länger dauern . Bernd Westphal (SPD): Bitte hören Sie auch damit auf, in der Debatte zu be- Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und haupten, dass Erdgas- und Erdölförderung den Ausbau Kollegen! Meine lieben Kollegen von den Grünen, Sie erneuerbarer Energien behindern . Genau das Gegenteil kritisieren in Ihrem Gesetzentwurf, dass in diesem Par- ist der Fall . Wir brauchen für die Brücke in das Erneuer- lament über die von der Bundesregierung vorgelegten bare-Energien-Zeitalter genau diese umweltfreundlichen Gesetzentwürfe – es sind übrigens zwei – zum Fracking Energieträger wie Erdgas, damit die Energiewende ge- noch keine Entscheidung getroffen wurde . Ich kann dazu lingt . Außerdem ist Erdgas auch für die chemische Indus- nur sagen: Es gibt Themen, bei denen man sich die De- trie ein wichtiger Rohstoff . tails genau anschauen muss . (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der (Dr .Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- CDU/CSU – Dr .Julia Verlinden [BÜND- NEN]: Aber die Anhörung ist eine Weile her!) NIS 90/DIE GRÜNEN]: Man kann jeden Euro Es sind ja eben von meinen Vorgängern durchaus Risiken nur einmal ausgeben!) skizziert worden, die man im Rahmen einer verantwor- Es liegen diverse Gutachten vor – einige sind hier tungsvollen Politik beobachten muss . Nur – wie in Ihrem eben schon zitiert worden –, die sich mit dem Thema Fra- Gesetzentwurf gefordert – platt abzulehnen, ist nicht der cking beschäftigen . Keines der Gutachten – auch nicht Anspruch verantwortungsvoller Politik der SPD . die beiden vom Umweltbundesamt – kommt zu dem Er- (Beifall bei der SPD – Dr . Julia Verlinden gebnis, dass wir Fracking verbieten sollten . Jedes dieser [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Doch! Wenn Gutachten kommt zu der Überzeugung, dass es sicherlich (B) die Risiken groß genug sind, muss man das so Risiken gibt, die aber nach heutigen Erkenntnissen be- (D) machen!) herrschbar sind . Die Bundesregierung hat, wie ich finde, ein sehr gutes (Dr . Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE Regelwerk vorgelegt, mit dem die Anforderungen an das GRÜNEN]: Aber energiepolitisch unsinnig!) konventionelle Fracking deutlich verschärft werden . Es Das gilt auch für die aktuelle Studie der Bundesanstalt sollen Regelungen geschaffen werden, nach denen das für Geowissenschaften und Rohstoffe aus Hannover, der unkonventionelle Fracking erforscht werden soll . BGR, die mein Vorredner eben einige Male zitiert hat . (Dr . Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE Ich zitiere: GRÜNEN]: Fracking ist Fracking!) Es erscheint angebracht, dass in einem ersten Schritt – Nein, das ist es eben nicht . Pilotprojekte durchgeführt werden . Dadurch können Unternehmen und Wissenschaft genauere Aussagen (Dr . Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE zu den Vorkommen und zur Wirtschaftlichkeit ei- GRÜNEN]: Doch!) ner möglichen Förderung treffen . Gleichzeitig kann – Das ist genau das, Frau Verlinden, was Sie nicht ver- Fragen zur Umweltverträglichkeit nachgegangen stehen . und Wissen über den Aufbau und Zustand des geo- logischen Untergrunds vermittelt werden . Oberstes Ziel ist und bleibt es, eben genau die höchs- ten Standards zu setzen, um Trinkwasser, Umwelt, Tiere Und weiter kommt die BGR zu dem Schluss: Aus und Menschen zu schützen . Deshalb ist das genau die geowissenschaftlicher Sicht kann daher grundsätzlich, Überschrift, die über diesem Gesetzentwurf steht . Und unter Einhaltung der gesetzlichen Regelungen und der darum ist das auch ein Punkt, über den wir weiter disku- erforderlichen technischen Standards, der Einsatz der tieren werden . Fracking-Technologie kontrolliert und sicher erfolgen .– Das ist eine Aussage im BGR-Gutachten, die Sie, glau- Wir sprechen uns aber auch – und da unterscheiden wir be ich, überlesen haben . Ich empfehle Ihnen das einfach uns von den Grünen – für eine technologische Weiterent- noch einmal zur Lektüre . wicklung und Forschung aus . Wir wollen erforschen, ob unkonventionelles Fracking irgendwann überhaupt eine Ja, Technologie im Allgemeinen birgt immer Risi- Option sein kann . ken, aber wir werden bei der Fracking-Technologie, die in Niedersachsen im konventionellen Bereich übrigens (Dr .Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE schon seit den 60er-Jahren angewandt wird, sicherlich GRÜNEN]: Aber wie denn vor dem Hin- auch eine Weiterentwicklung haben . Auch im unkonven- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 159 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 26 . Februar 2016 15727

Bernd Westphal (A) tionellen Bereich geht es nicht um Fracking um jeden und zwar ganz einfach aus folgendem Grund: Sie sagen, (C) Preis, sondern ganz im Gegenteil: Wir wollen strenge Sie folgen den Hauptempfehlungen der Ausschüsse des Auflagen und größtmögliche Transparenz, und wir wer- Bundesrates, und die verlangen ein Fracking-Verbot . den jetzt Probebohrungen, die durch eine Expertenkom- mission begleitet werden, auf den Weg bringen . Erst auf (Dr . Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE der Grundlage der Ergebnisse dieser Probebohrungen GRÜNEN]: Das habe ich nicht gesagt!) kann dann eine Entscheidung für oder gegen eine kom- Der Bundesrat verlangt das aber gar nicht . Er hat dif- merzielle Anwendung dieser Technologie gefällt werden . ferenziert Stellung genommen und gesagt, welche Ver- besserungen er sich vorstellen kann . Das werden wir zu Diese Offenheit gegenüber der Wirtschaft, der Um- einem erheblichen Teil auch berücksichtigen und in den welt und auch der sozialen Verantwortung unterscheidet Gesetzentwurf schreiben . uns von den Grünen, und deshalb lehnen wir Ihren Ge- setzentwurf ab . (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Das läuft aber auf ein Fracking-Verbot Herzlichen Dank und Glück auf! hinaus!) (Beifall bei der SPD der CDU/CSU – Dr . Julia Wir werden aber kein Verbot regeln . Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: (Dr .Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE Sie erzählen den Wählern also Märchen!) GRÜNEN]: Wo sehen Sie dann die Änderun- gen im Gesetzentwurf von Ihnen? Das, was Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Sie vorhaben, erzählen Sie den Wählern erst nach der Landtagswahl!) Vielen Dank .– Als nächster Redner spricht Karsten Möring von der CDU/CSU-Fraktion . Sie haben dann gesagt, es gebe sehr viele Fragen, die beantwortet werden müssen . Und dann schaffen Sie mit (Beifall bei der CDU/CSU – Oliver Krischer drei wenigen Zeilen alle Probleme aus der Welt! [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt kommt wieder die Nase aus dem Rheinland!) Schauen wir uns das doch einmal genauer an: Erster Punkt . Sie sagen, Sie wollen kein Fracken Karsten Möring (CDU/CSU): zur Förderung von Kohlenwasserstoffen, weil Fracken schlimm ist . Fracken für Geothermie kommt bei Ihnen Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! aber nicht vor . Es gibt also gutes und schlechtes Fracken . (B) Frau Verlinden, ich verstehe nicht, weshalb Sie es so Das scheint mir nicht besonders konsequent zu sein . (D) bemängeln, dass wir noch keinen Gesetzentwurf verab- schiedet haben, obwohl Sie doch genau wissen, dass wir Zweiter Punkt . Wenn wir Ihrem Gesetzentwurf zu- aufgrund von Vereinbarungen mit den Unternehmen, die stimmen würden, dann wäre die Folge, dass die Nie- fördern, und aufgrund von Vereinbarungen mit den ver- dersächsische Landesregierung, an der Ihre grünen Par­ schiedenen Landesregierungen de facto seit Jahren nicht teifreunde beteiligt sind, im Bundesrat dagegenstimmen fracken . müsste;

(Dr .Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- GRÜNEN]: Ja, aber eine Rechtssicherheit NEN]: Das wollen wir dann erst einmal se- nützt allen!) hen!) denn die Niedersächsische Landesregierung legt größten Noch viel mehr wundert mich Folgendes: Sie haben Wert darauf, dass wir so bald wie möglich wieder mit vorhin sehr ausführlich dargelegt, welche schrecklichen der bisherigen Form des Frackings – wenn auch unter Ereignisse es in der jüngeren Vergangenheit – sprich: in verschärften Bedingungen – beginnen können, damit den letzten ein, zwei Jahren – alles gegeben hat, die auf die Förderung von Gas nicht mehr auf das halbe Niveau das Fracking zurückzuführen sind . Da frage ich mich: zurückfallen kann, wie das vor ein paar Jahren gesche- Wie geht das? Seit Jahren wird nicht gefrackt, hen ist, und damit der niedersächsische Haushalt einige 100 Millionen Euro mehr an Konzessionsabgaben ver- (Dr . Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE einnahmen kann . Verkaufen die Grünen in Niedersach- GRÜNEN]: Oh man!) sen ihre Vorstellungen für höhere Haushaltseinnahmen? aber aktuell soll es lauter Probleme geben, die durch das (Dr . Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE Fracken zustande gekommen sind . GRÜNEN]: Das ist doch Quatsch!) (Dr .Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Oder sind sie wie wir der Meinung, dass die Risiken bei NEN]: Manche Folgen kommen erst später!) diesem Fracken beherrschbar sind? Ich glaube, das zwei- te ist der Fall . – Nein . Liebe Frau Verlinden, es geht um etwas ganz anderes . Mit diesem Gesetzentwurf betreiben Sie, um es (Beifall bei der CDU/CSU – Dr . Julia einmal deutlich zu sagen, absoluten Etikettenschwindel, Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Lesen Sie mal die Aussagen der Grünen aus (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Niedersachsen zu diesem Thema!) 15728 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 159 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 26 . Februar 2016

Karsten Möring (A) Ansonsten müssten Sie Ihren Parteifreunden sagen, dass gerstättenwasser herleiten, wenn Sie wollen, oder ein (C) sie eine unverantwortliche Politik machen . Das tun Sie Verbot der Förderung schlechthin . aber nicht . (Dr . Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- GRÜNEN]: Wo sind denn Ihre Vorschläge?) NEN]: Sie machen gar keine Politik! Das ist Aber mit Fracken hat das nichts zu tun . der Unterschied! Wo ist denn der Gesetzent- wurf?) (Hubertus Zdebel [DIE LINKE]: Sicher hat das mit Fracken zu tun!) – Auch wir machen Politik, Herr Krischer . Warten Sie es ab . Nächster Punkt: Lagerstättenwasser . Es gibt belastetes Lagerstättenwasser . Das kommt aber bei jeder Förderung Der nächste Punkt in diesem Zusammenhang . Sie hoch und hat ebenfalls mit Fracken nichts zu tun . schreiben von zahlreichen Übeln und Problemen . Gehen wir sie einmal der Reihe nach durch: Krebsgefahr . In (Dr .Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE epidemiologischen Studien ist das Krebsrisiko statistisch GRÜNEN]: Das wissen wir doch! Das wollten erfasst . Keiner kann sagen: Gibt es einen Kausalzusam- Sie aber alles letztes Jahr regeln!) menhang, oder woher kommt dieses Risiko? Warum sagen Sie denn, Sie wollen Fracken verbieten, ( [DIE LINKE]: Können Sie wenn das, was Sie hier als Schäden anführen, nichts an- das Gegenteil beweisen?) deres als das ist, was bei der Förderung schlechthin pas- siert? Welche Konsequenz ergibt sich daraus? Das ist genau das, was die niedersächsische Regierung und das Bun- (Dr .Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE desgesundheitsministerium machen . Sie gehen der Fra- GRÜNEN]: Wo sind denn Ihre Vorschläge? – ge nach: Gibt es einen Zusammenhang, oder wo ist die Hubertus Zdebel [DIE LINKE]: Quatsch!) Quelle einer solchen statistischen Häufung? Dazu kann Dann sagen Sie doch gleich: Wir wollen die Gasförde- man sagen, dass bei den Beschäftigten, die in der Öl- und rung einstellen .– Das wäre doch wesentlich ehrlicher . Gasförderung tätig sind, solche Erkrankungen nicht auf- Aber auch das funktioniert nicht . Deswegen stürzen Sie getreten sind . sich auf so etwas . (Herbert Behrens [DIE LINKE]: Weil sie Letzter Punkt in diesem Zusammenhang: Verunrei- nicht untersucht werden!) nigung von Grundwasser . Frack-Fluid wird in Zukunft nicht giftig sein . (B) – Hören Sie auf! Natürlich wird das untersucht . (D) (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- (Herbert Behrens [DIE LINKE]: Nein!) NEN]: Das höre ich schon seit fünf Jahren!) Glauben Sie nicht, dass jemand, der in diesem Bereich Das haben wir schon mehrfach gesagt, auch bei früheren gearbeitet hat und bei dem Krebs diagnostiziert wird, Diskussionen . Die Problematik der Grundwasserverun- auf die Idee kommt, einen Zusammenhang herzustellen, reinigung entsteht, wenn überhaupt, durch belastetes La- wenn das in der Öffentlichkeit diskutiert wird? Pardon, gerstättenwasser . Wie wir damit umgehen, werden wir in aber das ist blauäugig . unserem Gesetzentwurf – das ist einer der schwierigsten Punkte – vernünftig regeln . (Dr . Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Da klat- schen noch nicht mal Ihre eigenen Kollegen! – (Dr . Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) GRÜNEN]: Wann sehen wir den denn mal?) Der Witz ist aber nur: Das hat im Zweifelsfall mit der – Warten Sie doch noch ein bisschen . Ich will ja nicht den Gasförderung zu tun, aber nicht mit Fracken . Sie aber alten Satz bemühen, dass Gründlichkeit vor Schnelligkeit sagen: Fracken ist das Übel . geht . Aber Sie als Opposition haben einen Vorteil . Sie le- gen einen Antrag mit drei Sätzen vor . Wir aber werden Seismische Erschütterungen . Alle seismischen Er- einen Gesetzentwurf mit 20 oder 30 Seiten vorlegen, mit schütterungen, die nennenswerte Bedeutung haben, sind denen Sie sich auseinandersetzen müssen . Darin werden entweder aufgetreten, ohne dass ein Frack-Vorgang vor- dann nämlich Dinge geregelt, die Sie völlig ausblenden . lag, zum Beispiel aufgrund von Druckentlastung in der Lagerstätte, oder weil beim Verpressen von Lagerstätten- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Ab- wasser mit zu hohem Druck gearbeitet worden ist oder geordneten der SPD – Dr . Julia Verlinden Schwachstellen aufgetreten sind . [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, die blenden wir nicht aus! Die stehen in unserem (Dr .Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE Entschließungsantrag, den wir letztes Jahr GRÜNEN]: Was wollen Sie jetzt dagegen pünktlich fertig hatten!) tun? – Herbert Behrens [DIE LINKE]: Fragen Sie mal Ihre Kollegen!) Sie benutzen das Thema Fracken, weil das so schön praktisch ist . Darunter subsumieren Sie auch alles ande- Daraus aber wollen Sie ein Fracking-Verbot herleiten . re; denn Fracken passt so gut zu Schrecken . Damit kann Daraus können Sie ein Verbot der Verpressung von La- man in der Öffentlichkeit richtig Aufregung produzieren . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 159 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 26 . Februar 2016 15729

Karsten Möring (A) Das tun Sie . Aber die sachlichen Punkte, um die es wirk- digend . Das sage ich als Umweltpolitikerin ganz deut- (C) lich geht, kommen bei Ihnen nicht vor . lich . (Dr .Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der LIN- NEN]: Die stehen in dem Entschließungsan- KEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ- trag vom letzten Jahr!) NEN – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Endlich sagt mal jemand Wollen Sie vielleicht auch die Gefahrstofftransporte was! Endlich kommt mal ein klarer Satz! – auf den Straßen verbieten? Was ist denn mit einem Tank- Dr . [CDU/CSU]: Ihr müsst schiff auf dem Rhein oder auf der Elbe, in dem Tausende einfach nur zustimmen!) von Litern problematischer Flüssigkeiten transportiert werden, die bei einem Unfall ins Grundwasser geraten Es gibt dafür Gründe, aber trotzdem ist es bedauerlich . könnten? Was ist mit Tankwagenunfällen auf der Auto- Denn hätten wir das Gesetz so, wie es im Entwurf vor- bahn? liegt, schon, dann hätten wir bei Fracking-Vorhaben Um- weltverträglichkeitsprüfungen vorgeschrieben, und es (Dr .Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE gäbe eine ausreichende und gute Beteiligung von Kom- GRÜNEN]: Sie ignorieren die Probleme, die munen, Wasserbehörden und vor allen Dingen der Bevöl- gerade existieren!) kerung . Das fehlt nämlich im Moment . Bei diesen Risiken sagen Sie: Okay, das ist Alltag . Das (Beifall bei Abgeordneten der SPD) müssen wir hinnehmen . Diese Transporte haben ja auch In meiner Heimatregion Lüchow-Dannenberg/Lüne- Vorteile .– Aber beim Thema Fracken heißt es bei Ihnen: burg sind bergrechtliche Aufsuchungserlaubnisse erteilt, Daumen runter . Fracken müssen wir verbieten .– Das ist und die Menschen dort machen sich natürlich Sorgen, ob zu einfach . Das können wir uns als Industrieland über- nicht eines Tages vor ihrer Haustür gebohrt oder gefrackt haupt nicht leisten . wird . Ich muss ganz deutlich sagen: Dort sind keine Fra- (Beifall bei der CDU/CSU – Dr . Julia cking-Genehmigungen erteilt . Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es ist zwar in Niedersachsen seit 2011 nicht mehr ge- Sie sollen sich endlich um die Herausforde- frackt worden, aber in der Region liegt auch Gorleben . rungen kümmern! Sie sind an der Regierung!) Dort sind die Menschen einfach misstrauisch, was neue Technologien angeht . Sie schreiben am Schluss Ihres Gesetzentwurfs unter Alternativen: „Beibehaltung des unsicheren Zustandes ( [SPD]: Ja, das stimmt!) . “,. was Sie natürlich nicht wollen . Da haben Sie recht . (B) Deswegen brauchen wir ein Gesetz, das Fracking streng (D) Aber Ihre Alternative ist falsch . Denn die Alternative zu reguliert oder, wie ich persönlich sage, am besten un- Ihrem Gesetzentwurf ist ganz einfach ein ordentliches möglich macht . Gesetz, sorgfältig abgewogen und mit genauen Rege- lungen, wie wir die Risiken minimieren oder verhindern, (Bernd Westphal [SPD]: Was?) und zwar gemäß dem, was wir im Koalitionsvertrag ver- Mit dem vom Umwelt- und Wirtschaftsministerium einbart haben . Darin heißt es nämlich: vorgelegten Gesetzentwurf soll genau das kommen: eine Trinkwasser und Gesundheit haben für uns absolu- sehr strenge Regulierung . Das ist auch längst überfällig; ten Vorrang … Den Einsatz umwelttoxischer Sub­ denn für uns als SPD steht der Schutz von Mensch und stanzen … lehnen wir ab . Natur natürlich im Vordergrund . Genau so werden wir den Gesetzentwurf machen, und (Beifall bei der SPD – Marie-Luise Dött das werden Sie dann auch lesen müssen, von der ersten [CDU/CSU]: Für uns auch!) bis zur letzten Seite . Der Schutz unseres Trinkwassers muss absoluten Vor- rang vor wirtschaftlichen Interessen haben . Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende . (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- der CDU/CSU und der LINKEN – Marie- ordneten der SPD) Luise Dött [CDU/CSU]: Das stellen wir im- mer in den Vordergrund!) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Für mich als niedersächsische Abgeordnete ist es Vielen Dank . – Als nächste Rednerin hat Hiltrud Lotze wichtig, dass die seit Jahrzehnten in unserem Bundes- von der SPD-Fraktion das Wort . land praktizierte Förderung von Erdöl und Erdgas künf- tig rechtlich streng reguliert wird und unter modernen (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten und hohen Umweltstandards erfolgt . Die vorliegenden der CDU/CSU) Gesetzentwürfe aus den Häusern Hendricks und Gabriel werden diesen Anforderungen gerecht . Hiltrud Lotze (SPD): Fracking bei der sogenannten unkonventionellen Erd- Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! gasförderung ist aber mit entsprechenden Risiken ver- Meine Damen und Herren! Dass der Gesetzentwurf zur bunden . Deswegen ist es aktuell, ohne dass wir mehr Regelung der Fracking-Technologie hängt, ist unbefrie- darüber wissen, nicht zu verantworten . Deswegen ist un- 15730 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 159 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 26 . Februar 2016

Hiltrud Lotze (A) sere Meinung, dass unkonventionelles Fracking zu wirt- len, dass Erdgasförderung für Gemeinden und damit (C) schaftlichen Zwecken in Deutschland auf absehbare Zeit auch für die Gemeinschaft gewisse finanzielle Vorteile nicht stattfinden soll. hat . Diese sollen aber in der heutigen Debatte nicht im Zentrum stehen . (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Auch aus energiepolitischer Sicht ist Fracking nicht der Von der konventionellen Förderung zu unterscheiden richtige Weg . ist die unkonventionelle Förderung; darüber haben wir heute schon gesprochen . Ich kann verstehen, dass Sie (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Beifall mit Ihrem Gesetzentwurf rein ökologische Lösungen bei der LINKEN) anbieten . Aber die Welt ist leider nicht so monokausal . Wir haben als SPD-Fraktion und als niedersächsische Wir hingegen betrachten immer auch die Lage der Be- Landesgruppe noch Änderungsbedarf in den vorliegen- schäftigten und die notwendige Versorgung . Das bedeu- den Gesetzentwürfen gesehen und entsprechende For- tet nicht, dass die Sorgen der Menschen nicht ernst ge- derungen formuliert, unter anderem, dass der Deutsche nommen werden . Im Gegenteil: Weil wir die Sorgen um Bundestag als demokratisch legitimiertes Organ über den Umwelt und Trinkwasser, aber auch die Sorgen um Ver- kommerziellen Einsatz der Fracking-Technologie ent- sorgungssicherheit und Versorgungsunabhängigkeit so- scheiden muss statt eine Expertenkommission . Deswe- wie die Sorgen um die Umweltauswirkungen in anderen gen, liebe Kolleginnen und Kollegen aus der Union, leh- Ländern ernst nehmen, sieht unsere Lösung nicht einfach nen wir diese Expertenkommission ab . Das ist bekannt . aus . Aber sie wird eher den Menschen im Land gerecht . (Beifall bei Abgeordneten der SPD) (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Weg zu einer Wir wollen durch höhere Standards und entsprechen- Energieversorgung aus erneuerbaren Energien ist vor- den technischen Fortschritt zum Beispiel bei der Lager- gezeichnet . Wir wollen diesen Weg konsequent gehen, stättenwasserproblematik und bei der Entwicklung von aber nicht holterdiepolter, wie Sie es mit Ihrem vorlie- Frack-Fluiden ohne Auswirkungen auf die Umwelt die genden Gesetzesvorschlag vorhaben, sondern wir wollen Risiken der weltweiten Erdgasförderung verringern . Bei das planvoll und strukturiert machen und Strukturbrüche uns sagt man: De een Tied betahlt de anner ut .– Das in den Regionen vermeiden . Diese würde Ihr Gesetzent- bedeutet, dass wir heute Grundlagen schaffen können, wurf nämlich auslösen . von denen unsere Kinder und Enkel profitieren sollen. Meine Zeit ist um . Ich wünsche allen ein schönes Wo- Das gilt für die Energiewende generell; denn selbst wenn chenende . wir Fracking in Deutschland verbieten würden, wird in (B) anderen Teilen der Welt gefrackt, auch wenn es sich mo- (D) Vielen Dank . mentan vielleicht wirtschaftlich nicht lohnt . (Heiterkeit und Beifall bei der SPD sowie bei (Dr .Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Abgeordneten der CDU/CSU – Matthias W . NEN]: In Frankreich ist es schon verboten!) Birkwald [DIE LINKE]: Ich hoffe, es ist nur Ihre Redezeit, Frau Kollegin!) Das so geförderte Gas kommt auch nach Deutschland . Man kann nicht auf Erdgas setzen, für Deutschland un- Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: konventionelles Fracking verbieten und sich nicht darum scheren, wie das importierte Gas produziert wurde . Dass Die Redezeit war um, genau .– Als nächster Redner wir noch einige Jahrzehnte auf Erdgas angewiesen sein hat jetzt Johann Saathoff von der SPD-Fraktion das Wort . werden, ist kein Geheimnis . Gas ist bei vielen hier im (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Hause die bevorzugte fossile Energiequelle, wenn es um den Übergang in das Zeitalter der erneuerbaren Energi- Johann Saathoff (SPD): en geht . Es geht also nicht nur um die Gewinnung von Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Erdgas in Deutschland oder Europa, sondern weltweit . Kollegen! Sehr verehrte Damen und Herren! Als Nie- Wir wollen absolut keinen Freibrief für unkonven- dersachse ist mir wichtig, zu betonen, dass wir seit Jahr- tionelle Erdgasförderung . Wir wollen zunächst genau zehnten in unserem Bundesland die Förderung von Erdöl untersuchen . Wir wollen Probebohrungen, bei denen und Erdgas erfolgreich praktizieren und dass sie künftig wissenschaftliche Begleitung notwendig ist . Dabei kön- mit modernen und hohen Umweltstandards sowie einer nen Erkenntnisse gewonnen werden, die weltweit von transparenten Bürgerbeteiligung weiterhin erfolgen soll . Bedeutung sind . Um es klar zu sagen: Fracking darf es (Beifall der Abg . Marie-Luise Dött [CDU/ nur geben, wenn Risiken ausgeschlossen werden können . CSU]) Somit ist klar, dass es wegen der vorgelagerten Verfahren in den nächsten Jahren kein Fracking geben wird . Ob es Bei uns wird seit über 40 Jahren Erdgas gefördert, und irgendwann kommerzielles Fracking geben wird, kann das wollen wir auch weiterhin tun, allerdings unter den man heute noch nicht verbindlich sagen . Am Ende muss verschärften Bedingungen der Umweltverträglichkeits- sichergestellt sein, dass der Deutsche Bundestag über prüfung und sicherlich nicht in Wasserschutz- und Trink- den kommerziellen Einsatz der unkonventionellen För- wasserschutzgebieten . Als ehemaliger Bürgermeister ei- derung entscheidet . ner Gemeinde, in der Erdgas gefördert wird – allerdings konventionell, ohne Fracking –, kann ich nicht verheh- (Beifall bei der SPD) Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 159 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 26 . Februar 2016 15731

Johann Saathoff (A) Wir wollen also mit einem Gesetz einen Prozess vor- Mit dem Gesetzentwurf zur Digitalisierung der Ener- (C) geben, an dessen Ende hier im Deutschen Bundestag giewende werden wir verlässliche Rahmenbedingungen aufgrund wissenschaftlicher Erkenntnisse eine fundierte für den Aufbau einer Kommunikationsinfrastruktur der Entscheidung getroffen werden kann . Zukunft schaffen . Wir wollen standardisierte Kommuni- kation, und zwar überall dort, wo sie erforderlich ist . (Dr . Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Fragen Sie die Klimaforscher!) Den Datenschutz haben wir dabei konsequent von Beginn an mitgedacht . Zusammen mit dem Bundesamt Dafür brauchen wir ein Gesetz, das einen strengen Rah- für Sicherheit in der Informationstechnik hat das Wirt- men vorgibt . Das ist nicht die einfache Antwort, die Sie schaftsministerium in jahrelanger Arbeit und unter Ein- gerne haben möchten, liebe Kolleginnen und Kollegen bindung aller Akteure sehr hohe technische Standards von den Grünen . Aber eine einfache Antwort ist manch- und Vorgaben für Smart Meter Gateways entwickelt . mal nicht diejenige, die man in der Regierungsverant- Denn nur über ein Privacy-by-Design-Konzept, wie es wortung tatsächlich verantworten kann . jetzt im Gesetzentwurf vorgesehen ist, kann man die not- Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit . wendige Akzeptanz bei Bürgern und Unternehmen errei- chen . (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) (Ralph Lenkert [DIE LINKE]: Na!) Nur über echte Standards kann die Digitalisierung der Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Energiewende zum Treiber für Innovationen werden . Vielen Dank . – Damit schließe ich die Debatte . Meine Damen und Herren, Kern des Gesetzentwurfs Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzent- ist ein klares, transparentes Rollout-Konzept . Dabei geht wurfs auf Drucksache 18/7551 an die in der Tagesord- es um den Aufbau einer Infrastruktur und nicht um punk- nung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen . Gibt es tuelle Lösungen . Gesetzlich verankerte strikte Preisober- anderweitige Vorschläge? – Das ist nicht der Fall . Dann grenzen sorgen dafür, dass die Kosten beim Verbraucher ist das so beschlossen . nicht den Nutzen der neuen Technik übersteigen . Auch Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 24: das ist ein ganz entscheidender Punkt für uns . Auch das hat etwas mit der Akzeptanz zu tun . Erste Beratung des von der Bundesregierung ein- gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Digita- Wir nehmen den Datenschutz ernst . lisierung der Energiewende (Widerspruch des Abg . Oliver Krischer (B) (D) Drucksache 18/7555 [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Überweisungsvorschlag: Hier werden keine Daten nur zum Spaß gesammelt . Da- Ausschuss für Wirtschaft und Energie (f) ten erhalten nur ausdrücklich Berechtigte und nur so weit Innenausschuss es erforderlich ist, damit das System funktioniert . Das Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur Recht, Daten zu erhalten, folgt der energiewirtschaftli- Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und chen Aufgabe – und nicht umgekehrt . Reaktorsicherheit Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgen­ Das neue System ist effizient und datensparsam, weil abschätzung es Daten direkt an Berechtigte verteilt . Auf direktem Weg Ausschuss Digitale Agenda erhalten in Zukunft Verteilnetzbetreiber und Übertra- Haushaltsausschuss gungsnetzbetreiber alle notwendigen Daten, und sie wer- Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für den bei allen wichtigen Aufgaben in der Energiewende die Aussprache 38 Minuten vorgesehen . Gibt es dazu unterstützt . Widerspruch? – Das ist nicht der Fall . Dann ist das so Daher trifft der Gesetzentwurf keine strukturpoliti- beschlossen . schen Weichenstellungen zugunsten bestimmter Netz- Ich eröffne die Aussprache . Als erste Rednerin in der betreiber . Im Gegenteil: Der Gesetzentwurf verhält sich Aussprache hat die Parlamentarische Staatssekretärin Iris gegenüber großen und kleinen Verteilnetzbetreibern glei- Gleicke für die Bundesregierung das Wort . chermaßen neutral . Für den Gesetzentwurf gibt es also keine Netzbetreiber erster und zweiter Klasse . (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Liebe Kolleginnen und Kollegen, im Kern geht es da- rum, die Prozesse und Dienstleistungen weiterzuentwi- ckeln und die Möglichkeiten der Digitalisierung im Inte- Iris Gleicke, Parl . Staatssekretärin beim Bundesmi- nister für Wirtschaft und Energie: resse der Bürgerinnen und Bürger sowie im Interesse der Energiewende zu nutzen . Vielen Dank, Frau Präsidentin .– Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Unsere Ener- Lassen Sie uns dieses Gesetzesvorhaben deshalb zü- giewirtschaft befindet sich in einem beispiellosen Wan- gig und intensiv diskutieren und möglichst noch vor der del . Neben der Reform des Strommarkts und dem Aus- Sommerpause durch das parlamentarische Verfahren bau der erneuerbaren Energien wollen wir rechtzeitig für bringen . Denn damit entsteht baldmöglichst Planungssi- den Ausbau der notwendigen Infrastruktur sorgen . cherheit für alle . 15732 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 159 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 26 . Februar 2016

Parl. Staatssekretärin Iris Gleicke (A) Ich darf mich herzlich für die Zusammenarbeit bedan- vorschau für die nächsten Stunden . Ihr Zähler schaltet (C) ken, freue mich auf die Beratungen und wünsche auch dann entsprechend der Programmierung Ihre Geräte so Ihnen ein gutes Wochenende . zu, dass sie den günstigsten Strompreis nutzen können . Das spart wirklich, und vor allem werden keine zusätz- (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) lichen Daten von Ihnen erfasst . Solch ein System würde die Linke unterstützen . Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Vielen Dank .– Ralph Lenkert von der Fraktion Die (Beifall bei der LINKEN) Linke hat als nächster Redner das Wort . Übrigens, liebe Bürgerinnen und Bürger, irgendwie (Beifall bei der LINKEN) müssen die Daten natürlich aus den Kellern, aus den Technikräumen und aus den Schaltschränken transpor- tiert werden . Da gibt es drei Varianten: erstens eine neue Ralph Lenkert (DIE LINKE): Funkstation in Ihren vier Wänden . Zweitens . Die Signale Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geehrte Kolleginnen werden dem Stromnetz aufmoduliert . Beides erhöht die und Kollegen! Der heute diskutierte Gesetzentwurf zur Belastung durch elektromagnetische Wellen; gesund ist Digitalisierung der Energiewende hat nichts, aber auch das nicht . Oder sollen wir uns – drittens –, liebe Koali- gar nichts mit der Umstellung auf erneuerbare Energien tion, unsere private Übertragungsrate des Internets mit zu tun . dem Messstellenbetreiber teilen? (Zuruf von der SPD: Das ist Unsinn!) Sie schweigen zu diesem Thema . Die Union argu- Konkret sollen in den nächsten Jahren bei allen Haus- mentiert, wir brauchten jetzt Smart Meter, damit die halten intelligente Zähler, Smart Meter genannt, einge- Versorgungssicherheit gewährleistet bleibe . Wann, liebe baut werden – zunächst bei denen mit einem Jahresver- Zuhörerinnen und Zuhörer, hatten Sie den letzten Strom- brauch von über 6 000 Kilowattstunden, später dann auch ausfall? Durchschnittlich nur 2,2 Minuten fiel im Jahr bei Haushalten mit geringerem Strombedarf . Diese Zäh- 2015 bei lokalen, meist kommunalen Netzbetreibern der ler erfassen dann 24 Stunden, also rund um die Uhr, wann Strom aus . Das ist Weltklasse . Das schafften die Stadt- und wie viel Strom Sie verbrauchen und übermitteln dies werke ganz ohne Smart Meter bei ihren Kunden . sofort dem Netzbetreiber . Wann Sie den PC einschalten, sich Kaffee kochen, den Wecker stellen, den Kühlschrank Warum behauptet dann diese Bundesregierung, nur öffnen – all dies wird übertragen . mit Messen bei Endkunden und nur bei zentraler Erfas- sung all unserer Daten durch die Übertragungsnetzbetrei- (Widerspruch bei Abgeordneten der CDU/ ber würde das Stromnetz stabil bleiben? Netzstabilität ist (B) (D) CSU) der Vorwand, mit dem diese Koalition den Herstellern Die Mehrkosten für die Geräte sollen bei 60 Euro liegen . dieser Geräte ein neues Geschäft vermittelt . Diese Fir- 20 Euro zahlen Sie jährlich für die Datenauswertung . men äußern sich bereits zuversichtlich . Über 4 Millionen zusätzlich zu verkaufende Smart Meter pro Jahr brin- Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, Sie können dann gen einen Umsatz von 240 Millionen Euro zulasten der vielleicht eine momentane Verbrauchsanzeige an Ihrem Stromkunden . Zähler bewundern, oder Sie erhalten auf Antrag inner- halb von 24 Stunden vom Netzbetreiber eine Mitteilung Ganz nebenbei nimmt die Koalition den kommuna- über Ihren Stromverbrauch vom vorgestrigen Tag . Genau len Stadtwerken das Geschäft mit der Stromabrechnung das soll Sie motivieren, weniger Strom zu verbrauchen . weg und schiebt es den großen privaten Netzbetreibern Übrigens, direkt live auf Ihren PC oder Ihr Smartphone zu . Dass diese Koalition damit den Kommunen dringend erhalten Sie die Verbrauchsdaten nicht . Das ist wohl aus benötigtes Geld für Kitas und Infrastruktur stiehlt, ist un- Datenschutzgründen nicht vorgesehen . gehörig . Wie bei allen Datenerfassungen besteht die Gefahr, (Beifall bei der LINKEN – Zurufe von der dass mit Ihren Daten Schindluder getrieben wird . Neue SPD: Oh!) Geschäftsmodelle werden bereits für Ihre zukünftigen Daten entwickelt, und legaler bis illegaler Datenexport Ich fasse zusammen . Dieser Gesetzentwurf bringt wird explodieren . Zum Beispiel besteht ein gewisses In- nichts für die Energiewende, aber alles für neue Profite teresse bei Lebensversicherungen: Da läuft Ihr Fernseher für Firmen und private Netzbetreiber . Dieser Gesetzent- am Samstag zwölf Stunden, und außer den Stromspitzen wurf ist ein weiterer Schritt hin zu gläsernen Bürgerinnen vom Kühlschrank ändert sich nichts . Schlussfolgerung: und Bürgern . Die Linke schlägt Ihnen folgerichtig vor: Dieser Kunde sitzt essend und trinkend vor dem Fern- Vergessen Sie es . seher; das gibt höhere Beiträge . Alle, die behaupten, die Daten seien sicher, seien daran erinnert: Das Intranet des (Beifall bei der LINKEN) Bundestages war zertifiziert, galt als sehr sicher, aber 2015 kamen die Hacker . Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Es ginge auch anders . In der Schweiz entwickelte man Als nächster Redner hat Jens Koeppen von der CDU/ ein besseres System . Da gibt es variable Preise, je nach CSU-Fraktion das Wort . Stromangebot und -nachfrage . Diese Preise sendet der Stromlieferant an Ihren Zähler zusammen mit der Preis- (Beifall bei der CDU/CSU) Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 159 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 26 . Februar 2016 15733

(A) Jens Koeppen (CDU/CSU): der intelligente Zähler sagt: Der Strom ist jetzt 20 Pro- (C) Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! zent günstiger; also ist es jetzt sinnvoll, dass das Haus Dass dieses Thema sehr ambivalent angegangen wird, geheizt wird oder der Supermarkt seine Klimaanlage an- war klar . Die Staatssekretärin hat versucht, auf Vortei- schaltet, was auch immer . Das ist immerhin besser, als le und Nachteile hinzuweisen . Aber dass bei Ihnen alles den Strom abzuschalten und trotzdem zu vergüten, wie falsch war, ist wieder bezeichnend . Ich will einmal versu- es zurzeit bei Redispatch möglich ist . Das wollen wir er- chen, mich der Sache realistisch zu nähern . reichen, meine Damen und Herren . Man fragt immer: Können intelligente Systeme alle (Beifall bei der CDU/CSU) Probleme lösen? Natürlich können sie nicht alle Proble- Und es ist auch möglich, Überproduktion bei einer gerin- me lösen . Für die einen ist die Digitalisierung Teufels- gen Nachfrage in nutzbare Energie zu verwandeln . zeug, und für die anderen ist sie der Heilsbringer . Natürlich ist die Direktvermarktung von erneuerbaren (Matthias W . Birkwald [DIE LINKE]: Beides Energien auch ein Thema bei Smart Metern, bei diesen ist falsch!) intelligenten Systemen . Wir bekommen die Volatilität, die wir bei erneuerbaren Energien nun einmal haben, da- Ich muss sagen: Nicht nur null und eins zählen oder durch ein bisschen besser in den Griff, dass der Strom schwarz und weiß, sondern wir brauchen die entspre- dann, wenn er – bei großer Windstärke oder starker Son- chenden Graustufen . Das ist doch ganz klar . Die einen neneinstrahlung – verfügbar ist, angebotsbezogen an die sagen: Das ist für uns das Thema, um die Energiewen- Kunden geleitet wird . Und ich erreiche durch die Span- de voranzubringen .– Die anderen sagen: Damit ist dem nungsstabilität eine entsprechende Netzstabilität und Datenmissbrauch Tür und Tor geöffnet . Die einen sagen, auch eine bessere Auslastung des Netzes . Wenn wir das es ist transparent und verbraucherfreundlich; die ande- flächendeckend haben, können wir eventuell sogar auf ren sagen, es können Profile erstellt werden. Dann wird das eine oder andere Netz verzichten . natürlich gesagt: Es wird eine neue kritische Infrastruk- tur aufgebaut . Aber es ist nicht wie bei Marc Elsberg in Aber wo es Licht gibt, gibt es auch Schatten, und da- Blackout, sondern hier geht es um eine Technologie, die rauf muss man ganz klar eingehen . Die Staatssekretärin beherrschbar ist und die kommen soll . hat völlig zu Recht gesagt: Wir haben den weltweit kon- sequentesten Ansatz bei dieser Technologie; denn wir sa- Eins muss man auch sagen: Es geht um eine europä- gen: Wir lassen nur intelligente Zähler zu, die ein ganz ische Richtlinie, die vereinbart wurde und in nationales klares Schutzprofil haben, vom Bundesamt für Sicherheit Recht umgesetzt werden muss . Jetzt müssen wir schau- in der Informationstechnik zertifiziert. Ohne dieses Zerti- en: Wie bekommen wir das am besten hin, mit allen be- fikat darf es keinen Zähler geben. Dieser Schutz der Ver- (B) stehenden Vorteilen? Ich möchte einmal versuchen, mich braucherdaten steht für uns an oberster Stelle . Das sehen (D) den Möglichkeiten, den Chancen und dem Nutzen zu Sie auch an den Papieren vom Ministerium; erst danach nähern, um zu zeigen, was wir von dieser Technologie kommen die Vorteile . Ich glaube, das ist der richtige An- haben . satz . Zunächst denke ich, dass – da sind wir uns mit allen (Beifall bei der CDU/CSU) in der Branche einig, auch mit den Verbraucherschutz- verbänden – ein transparenter Energieverbrauch möglich Eins muss man auch klar sagen: Bis 10 000 Kilowatt- ist, dass eine transparente Abrechnung möglich ist, dass stunden – der Durchschnitt liegt bei 3 500 bis 4 000 – eine Visualisierung – da haben Sie vollkommen unrecht, passiert überhaupt nichts . Da bekommen Sie wie bisher Herr Lenkert – möglich ist . Dadurch entsteht mehr Ener- einmal im Jahr eine Abrechnung; einmal im Jahr werden gieeffizienz. Ich kann in meinem Haushalt Stromfresser die Daten übermittelt, ausfindig machen und dementsprechend ausschalten. (Dr .Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE Und natürlich habe ich dadurch einen variablen GRÜNEN]: Außer der Messstellenbetreiber Stromverbrauch . Natürlich habe ich variable Tarife . Na- will das!) türlich kann kundenbezogen, angebotsbezogen gearbei- wenn man nicht einen anderen Tarif haben möchte . Wenn tet werden . Das ist alles nachgewiesen . Ich darf nur daran man bei dem Tarif bleiben möchte, gibt es eine einmalige erinnern: Wir hatten ja früher die Nachtspeicherheizung; Übertragung im Jahr, und damit ist es gut . Das können Sie werden sich daran erinnern, wir haben sie eigentlich Sie selbst entscheiden . Es gibt das Opt-in, es gibt das immer noch . Opt-out; man kann sagen, ob man das möchte oder nicht . (Zuruf von der SPD: Ich habe die immer Es gibt ganz klare und ganz strenge Löschvorschrif- noch!) ten. Es gibt keine detaillierten Nutzerprofile. Sie können keine Profile auslesen. Sie können keine Lebensgewohn- Da gab es eine analoge Uhr . Die hat man von 22 Uhr heiten, wie es eben gesagt wurde, auslesen . Sie werden bis 6 Uhr morgens eingeschaltet, und dann hat man das nicht von Ihrem Kühlschrank ausspioniert . Denn die Da- Nachttal aufgefüllt . Die neue Technologie bietet dem- ten werden aggregatisiert und anonymisiert abgegeben . gegenüber eine große Chance . In der Uckermark und in Ich glaube, es ist wichtig, zu wissen, dass man, wenn Barnim zum Beispiel stehen 700 Windkraftanlagen . Aber man keinen anderen Tarif wählt, das nutzen kann . es gibt nicht genügend Netze, die den Strom angebotsbe- zogen zum Verbraucher schaffen . Es könnte doch eine Es gibt – das ist ganz klar – natürlich keinen hundert- Möglichkeit sein, dass, während ich hier mit Ihnen rede, prozentigen Schutz; den gibt es nirgendwo in der Welt . 15734 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 159 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 26 . Februar 2016

Jens Koeppen (A) Aber sich daher zu verstecken und zu sagen: „Wir müs- stehenden Anhörung, können wir zu einem guten Ergeb- (C) sen das Ganze so lange regulieren, dass dieses Geschäfts- nis kommen . Das wünsche ich mir . modell und die damit verbundenen Chancen nicht mehr möglich sind“, halte ich für falsch . Danke . Ich möchte, auch mit Blick auf das Ministerium, noch (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- auf einige Punkte in diesem Gesetzentwurf eingehen . ordneten der SPD) Ich persönlich denke, dass das Rollout in Deutschland Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: zu lange dauert . Der Großteil des Rollouts besteht darin, dass wir erst 2020 mit der Installation der Zähler anfan- Vielen Dank . – Als nächster Redner hat Oliver gen . Schon zuvor müssen bei einigen Großverbrauchern Krischer von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das die neuen Zähler installiert werden; aber erst ab 2020 Wort . geht es so richtig los . Dann werden viele Länder in Eu- ropa mit der Installation schon fertig sein . Wir hingegen Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): werden dann erst mit der Installation von 80 Prozent die- Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! ser Anlagen beginnen . Ich weiß nicht, ob das so gut und Vielleicht sollten wir bei der Debatte über diesen Gesetz- ob das dann noch wirtschaftlich ist . Wenn andere Länder entwurf feststellen: Es wäre angemessen gewesen, den besser sind, verlieren wir auch hier den Anschluss und Titel eine Nummer kleiner ausfallen zu lassen . Es geht können das, was wichtig und notwendig ist, nicht nutzen . nämlich nicht um die Digitalisierung der Energiewende . Vielleicht sollten wir da ein bisschen zügiger vorange- Sie findet seit langem statt – trotz dieser Bundesregie- hen . rung, trotz einer problematischen Gesetzgebung . Da tun Ein weiterer Punkt ist – er bereitet mir ein bisschen sich Unternehmen zusammen, verbinden Anlagen, schaf- Bauchschmerzen –: Im Gesetzentwurf steht, dass die fen virtuelle Kraftwerke . Das läuft alles . Datenauswertung und die gesamte Bilanzierung bei den Was Sie hier vorlegen, ist der Entwurf eines Gesetzes, vier großen Übertragungsnetzbetreibern angesiedelt sein das die rechtlichen Grundlagen dafür schafft, dass die sollen . Das sollten wir überdenken . durch einen Stromzähler zu einem bestimmten Zeitpunkt (Beifall des Abg . Oliver Krischer [BÜND- erfassten Daten über den Stromverbrauch übermittelt NIS 90/DIE GRÜNEN]) werden . Das ist keineswegs trivial; aber es ist auch kei- ne Weltrevolution. Dergleichen findet in vielen anderen Ich meine, dass es besser wäre, wenn die Daten ein Stadt- Ländern schon statt . werk auswertet und nicht die vier großen Netzbetreiber . (B) Ich glaube, das Vertrauen der Menschen in die Verteil- Schon die letzte Große Koalition – ihre Regierungs- (D) netzbetreiber ist größer als das in die Übertragungsnetz- zeit ist schon länger her – hatte sich vorgenommen, einen betreiber . Ich stelle einfach einmal zur Überlegung, dass solchen Gesetzentwurf zu verabschieden . Das ist dann ir- wir in der zweiten und dritten Lesung dieses Gesetzent- gendwie gescheitert . Schwarz-Gelb hatte die Verabschie- wurfs da noch eine Änderung zustande bringen . Ich hiel- dung eines solchen Gesetzentwurfs großtönend im Koa- te das für besser, insbesondere was die Akzeptanz durch litionsvertrag angekündigt . Auch das ist gescheitert . Jetzt die Menschen angeht . ist auch diese Koalition schon eher in der Endphase der Wahlperiode, und nun kommt dieser Gesetzentwurf auf (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und den Tisch . Wir haben ja eben in der Debatte über die Fra- der SPD) cking-Technik gesehen: Gesetzentwürfe, die das Licht Bei der Auskömmlichkeit sollten wir vielleicht der Welt erblicken, können irgendwie im Bundestag ver- noch ein paar Gedanken darüber verschwenden, ob die sacken . Insofern ist der vorliegende Gesetzentwurf alles Preisobergrenzen den Brutto- oder den Nettowert ange- andere als eine Revolution . ben . Es geht dabei um all das, was eingepreist werden Kollege Lenkert, Ihre Position habe ich, ehrlich ge- muss. Ich bin für flexible Preisobergrenzen. Viele An- sagt, ebenfalls nicht verstanden . Dass wir die Technik bieter sagen nämlich: Es ist möglich, Preise unter den von vor 100 Jahren beibehalten und an dieser Stelle ein- Preisobergrenzen, die jetzt gesetzt wurden, festzulegen . fach keine Innovationen wollen, kann auch keine Per- Vielleicht kann man das Ganze flexibler gestalten. Aber spektive sein . wir müssen überlegen – es wäre gut, bis zur nächsten Le- sung diesbezüglich noch ein paar Berechnungen zu be- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, kommen –: Geben die Preisobergrenzen den Brutto- oder bei der CDU/CSU und der SPD) den Nettowert an? Wie gestalten sich die Preisobergren- Man darf jetzt auch nicht so tun, als werde alles am zen ganz genau? Darüber sollten wir in der Anhörung Ende automatisch gut; denn ein Grundproblem, das die noch einmal miteinander beraten . Kollegen hier angesprochen haben, lösen Sie mit diesem Meine Damen und Herren, Smart Meter, das ist kein Gesetzentwurf nicht . Sie wollen den Menschen diesen Selbstzweck . Das ist eine große Innovationskraft, die Zähler vorschreiben, aber Sie können den Menschen kei- Deutschland nutzen sollte . Wir sind bei der Digitalisie- nen wirklichen Benefit bieten. Das liegt einfach daran, rung oft Vorreiter gewesen . Mittlerweile sind wir aus dass Sie diesen Gesetzentwurf nicht mit Ihrer sonstigen Angst vor der eigenen Courage aber selbst ein bisschen Gesetzgebung verknüpfen . Wir diskutieren hier auch Bremser . Wenn wir die Fragen offen angehen und letzt- über ein Strommarktgesetz, aber die Verbindung dieses endlich miteinander gut beraten, auch bei unserer bevor- Gesetzentwurfs zum Strommarktgesetz finde ich über- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 159 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 26 . Februar 2016 15735

Oliver Krischer (A) haupt nicht . Ich habe das Gefühl, Frau Gleicke, dass bei hinein! Deshalb führt das am Ende dazu, dass Sie alle (C) Ihnen im Ministerium unterschiedliche Abteilungen da- herausnehmen, die unter 6 000 Kilowattstunden verbrau- ran geschrieben haben, die gar nicht wussten, dass andere chen – das finden wir im Prinzip richtig –, womit Sie auch daran arbeiten . Da sehe ich ein Riesenproblem, für Ausnahmen von der Ausnahme machen . dessen Lösung wir hoffentlich in der weiteren Debatte Herr Koeppen, das, was Sie gesagt haben, stimmt ein- die Verknüpfungen hinkriegen . fach nicht . Der Oliver Krischer als Eigenheimbesitzer (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) im Rheinland braucht nach Ihrem Gesetzentwurf keinen Smart Meter zu nehmen – der kann darauf verzichten; der könnte ihn freiwillig nehmen –, der Oliver Krischer Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: in einer Mietwohnung in Berlin muss den Smart Meter Jetzt haben Sie Atem geholt . Ich möchte nämlich die aber nehmen, wenn der Vermieter das will . Frage an Sie stellen, ob Sie eine Zwischenfrage zulassen . Das Gleiche gilt, wenn der Netzbetreiber den Smart Me- ter vorschreibt .– Das ist eine Ungleichbehandlung und Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): eine Zwangsbeglückung . Aber gern . Ich sage Ihnen: Gerade mit Blick auf den Datenschutz (Zuruf von der SPD: Wir wollen nach Hause!) wird das nicht funktionieren . Wenn Sie eine Zwangsbe- glückung vornehmen, können Sie nicht gleichzeitig auch Ralph Lenkert (DIE LINKE): noch eine Ungleichbehandlung machen . Meine Damen Kollege Krischer, vielen Dank, dass Sie die Zwischen- und Herren, das zerstört die Akzeptanz, und dann werden frage gestatten .– Ich möchte Sie fragen, ob Ihnen be- Sie mit diesem Gesetzentwurf scheitern . Das sollten Sie kannt ist, dass in der Schweiz das System Swiss Meter sich im weiteren Verfahren einmal sehr genau überlegen . entwickelt wird, das die heutigen Stromzähler ablösen (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) kann? Diesem intelligenten System werden die Daten der Netzbetreiber und die Strompreise zur Verfügung gestellt . Dann gibt es ein weiteres Problem, auf das man hin- Ihnen wird die Information zur Verfügung gestellt, wie weisen muss . Das sind Eigenerzeuger, das sind Leute, die Preisentwicklung in den nächsten Tagen und Stunden die Photovoltaik- oder Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen sein wird . Das habe ich vorhin explizit erklärt und habe haben . Die müssen dann ab 7 Kilowatt Leistung einen gesagt, dass wir als Linke dieses System als technischen Smart Meter zwangsweise nehmen . Fortschritt durchaus begrüßen, weil es energiewirtschaft- Also ganz offen gesagt: Darunter sind viele, die das lich sinnvoll ist und Datenschutz berücksichtigt . eher als Minusgeschäft betreiben, die daran überhaupt (B) (D) (Beifall bei der LINKEN) nichts verdienen, die das aus Engagement für die Ener- giewende machen . Jetzt bürden wir denen wieder eine Last auf, ohne dass sie nur irgendetwas davon haben . Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ja, Herr Kollege Lenkert, das ist ja schön . Aber dann (Dr . Joachim Pfeiffer [CDU/CSU]: Mir kom- erwarte ich von Ihnen, dass Sie ein solches System vor- men ja die Tränen!) schlagen und sagen, wie man den vorliegenden Gesetz- Meine Damen und Herren, das gefährdet die Akzep- entwurf an der Stelle tatsächlich verbessern kann . Ich tanz . So kommen wir bei der Photovoltaik und bei der erwarte, dass Sie sich mit den Fragen konkret auseinan- Kraft-Wärme-Kopplung – beides wollen wir ja; Herr dersetzen, damit das, was Sie da vielleicht richtigerweise Pfeiffer sicherlich nicht, aber viele andere hier im Haus – wollen, entsprechend umgesetzt werden kann . Einfach nicht voran, dabei wollen wir sie ausbauen . nur zu sagen: „So ist es Mist, aber es gibt da irgendet- was anderes, das wollen wir dann vielleicht irgendwie Dann der letzte Punkt – da bin ich froh, dass die Kol- machen“, ohne zu erklären, wie es gehen soll, das finde legen von der Union ihn angesprochen haben –: Ich ver- ich – ehrlich gesagt – ein bisschen dünn . Da muss man stehe überhaupt nicht, warum diese Daten an die Übertra- dann schon etwas konkreter werden . gungsnetzbetreiber geschickt werden sollen . Die gehören in den Verteilnetzbetreiber . Denn wenn das Ganze einen (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Sinn machen soll, dann brauchen wir Regelungen auf der sowie bei Abgeordneten der SPD) möglichst niedrigsten Ebene . Wir wollen, dass Verbrauch Aber ich will noch einmal auf den Benefit zurückkom- und Erzeugung im Stadtteilbereich, im Bereich der Stra- men . Sie können den Verbrauchern einfach keinen Bene- ße intelligent gesteuert werden können . Wenn die Daten fit anbieten, weil es überhaupt keine lastabhängigen Tari- ein Verteilnetzbetreiber wie Tennet bekommt, der ein fe gibt, von denen die Verbraucher einen Nutzen hätten . Netz von Flensburg bis Oberammergau hat, ist es mir ein völliges Rätsel, wie das dezentral gesteuert werden soll . (Jens Koeppen [CDU/CSU]: Selbstverständ- Ich finde also, da gibt es noch einiges nachzuarbeiten. lich gibt es die! Das ist doch Voraussetzung dafür!) Zusammenfassend: Sie legen einen Gesetzentwurf vor, der vom Thema her seit langem überfällig ist, der – Nein, die gibt es nicht . Denn Ihr Gesetzentwurf regelt aber an vielen Stellen Probleme aufweist, der viele Da- nicht, dass dieser lastabhängige Tarif an den Smart Meter tenschutzfragen nicht beantwortet, der eine Ungleichbe- gesendet werden kann . Da schaffen Sie überhaupt keine handlung einführt, der in Teilen eine Zwangsbeglückung Regelung . Gucken Sie in Ihren eigenen Gesetzentwurf zur Folge hat . Ich hoffe, dass wir die Beratungen nutzen 15736 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 159 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 26 . Februar 2016

Oliver Krischer (A) können, um diesen Gesetzentwurf – ich habe auch bei len, gerade auch das Spannungsfeld Verteilnetzbetreiber/ (C) Ihnen ja die eine oder andere Kritik gehört – insgesamt Übertragungsnetzbetreiber, zu berücksichtigen zu verbessern, damit nachher etwas Gutes für die Ener- giewende herauskommt, damit der Verbraucher etwas Der vorliegende Gesetzentwurf soll die Marktrollen davon hat und damit die Fragen des Datenschutzes, die zwischen Verteilnetzbetreibern und Übertragungsnetz- ganz wichtig sind, auch vernünftig geklärt werden . betreibern verändern . In Zukunft soll demnach für die Datenaggregation nicht mehr der Verteilnetzbetreiber Herzlichen Dank, meine Damen und Herren . zuständig sein, sondern der Übertragungsnetzbetreiber, der dann auch für die Bilanzierung dieser Daten zustän- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN dig wäre . Das würde in der Tat eine Zentralisierung der sowie bei Abgeordneten der SPD) Datenhoheit bedeuten . Hier muss man sich ganz genau anschauen, ob die Verteilnetzbetreiber in Zukunft die Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Systemaufgaben, die sie bisher schon haben, überhaupt Als nächster Redner hat Florian Post von der noch erfüllen können, ob sie auf die Daten, die sie benö- SPD-Fraktion das Wort . tigen, auch tatsächlich zugreifen können und ob sie ihrer Systemverantwortung in einem zunehmend dezentral or- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten ganisierten Markt gerecht werden können . der CDU/CSU) Vor diesem Hintergrund bin ich der Meinung – Kol- lege Koeppen hat es ja angesprochen –, dass wir uns die Florian Post (SPD): Vor- und Nachteile, die mit einer solchen Verlagerung Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen vom Verteilnetzbetreiber zum Übertragungsnetzbetreiber und Kollegen! Zu Beginn meiner Rede möchte ich dich, verbunden sind, noch einmal in Ruhe anschauen und uns lieber Oliver Krischer, zu der Erkenntnis beglückwün- fragen sollten, ob das wirklich so stattfinden soll. In der schen, dass die Energiewende trotzdem stattfindet – mit Tat – Sie haben das Thema Akzeptanz angesprochen – dieser Koalition, mit dieser Bundesregierung . ist es ja doch so, dass die Bürger vor Ort ihrem lokalen (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Energieversorger bzw . Verteilnetzbetreiber eine höhere NEN]: Worte machen das!) Akzeptanz entgegenbringen als einem anonymen Über- tragungsnetzbetreiber . Daher ist es der richtige Weg, wie – Da haben wir ja schon ganz andere Worte und Aussa- von Staatssekretärin Gleicke aufgezeigt wurde, wenn gen hier im Plenum gehört . in Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Sicherheit (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- in der Informationstechnik und der Bundesnetzagentur hier Schutzstandards formuliert werden, die dem hohen (B) NEN]: Da habe ich was falsch gemacht!) (D) Datenschutzanspruch der Bürger gerecht werden . Das ist Das ist aber schon einmal ein Fortschritt . Da muss ich auch ein Weg hin zu mehr Akzeptanz, und dieser Weg ist also ausdrücklich zustimmen . von unserer Seite her zu begrüßen . Digitalisierung betrifft mittlerweile immer mehr Le- Die anderen Punkte werden wir in den nächsten Wo- bensbereiche, geht vom Musikhören über das Einkaufen, chen und Monaten sicherlich noch ausgiebig miteinander Kommunizieren bis hin zum Sport . Daten sind also längst diskutieren . In diesem Zusammenhang wünsche ich auch ein Rohstoff für ganze Industrien geworden . Der Fort- von meiner Seite ein schönes und erholsames Wochen- schritt bei der digitalen Speicherung und Verarbeitung ende . von Daten birgt auch erhebliche Chancen für die Ener- giewirtschaft . Da unser Stromsystem zunehmend dezen­ Danke schön . tral und volatil wird, wird natürlich auch eine intelligente (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Netzsteuerung immer wichtiger, die einen Beitrag zur Versorgungssicherheit und Stabilität dieser Netze leisten kann . Der Einbau von Smart Metern wird hier ein erster Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Schritt sein . Dabei kann natürlich dann auch der Netz- Hansjörg Durz hat als Nächster das Wort für die CDU/ ausbau auf Verteilnetzebene reduziert werden . Es gibt CSU-Fraktion . aber auch weitere Effekte: Es wird mehr Transparenz (Beifall bei der CDU/CSU) auf Verbraucherseite geschaffen und dadurch wiederum die Möglichkeit zum Einsparen eröffnet . In Verbindung mit variablen Tarifen kann darüber hinaus eine Steuerung Hansjörg Durz (CDU/CSU): bzw. Beeinflussung des Verbraucherverhaltens erfolgen. Vielen Dank .– Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen Das mit dem Gesetz geplante Rollout intelligenter und Herren! Verschiedene Redner haben unterschiedli- Messsysteme ist ein erster Schritt . Wir legen hiermit also che Stellen im Gesetzesentwurf kritisiert und Verbesse- lediglich den Grundstein für tiefgreifende Veränderun- rungen vorgeschlagen . Das ist auch absolut nachvollzieh- gen in der Prozessorganisation der Energieversorgung . bar . Herr Lenkert hat gemeint, dass das Thema insgesamt Es gibt allerdings auch Spannungsfelder, die vom Kolle- überhaupt nichts mit der Energiewende zu tun hat . Das gen Koeppen, aber auch vom Kollegen Oliver Krischer verwundert mich schon ein klein wenig . zu Recht angesprochen wurden . Wir haben Probleme oder Diskussionspunkte beim Verbraucherschutz, bei Wir sind uns bei der Digitalen Agenda insgesamt ab- den Kosten und auch bei der Definition von Marktrol- solut einig, dass die Digitalisierung ein ganz zentraler Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 159 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 26 . Februar 2016 15737

Hansjörg Durz (A) Baustein der Energiewende sein wird . Demnach sind wir bringt auch große Vorteile für die Bürger, was gelegent- (C) uns bei der Digitalen Agenda über alle Fraktionen hin- lich ein bisschen angezweifelt wird . weg einig, dass wir diesen Bereich voranbringen müssen . Ich werde versuchen, einmal zu erläutern, warum es doch Zum einen wandelt sich die Rolle des Verbrauchers einen Zusammenhang zwischen Energiewende und Digi- grundlegend . Der ehemals inaktive Konsument kann sich talisierung gibt . mit Unterstützung von digitaler Infrastruktur zum – neu- deutsch – Prosumer entwickeln . Dieser partizipiert aktiv Bei der Energiewende, beim Ausbau der erneuerbaren am Energieversorgungssystem . Im einen Moment kann Energien kommen wir stetig voran . Im Jahr 2015 lag der der Haushaltskunde Konsument sein und Strom von Anteil der Erzeugung – das wissen Sie alle sehr gut – bei seinem Anbieter beziehen, im nächsten Moment kann etwa einem Drittel des Stromverbrauchs . Wir sind damit er als Produzent von Strom auftreten, indem er durch über Plan . Damit erreichen die Erneuerbaren im Vergleich seine PV-Anlage oder seine Wärmepumpe seine eige- zum Jahr 2000, wo es noch ein Anteil von 7 Prozent war, ne Energie umwandelt und diese in das Netz einspeist . mittlerweile einen Anteil von 33 Prozent . Während der Dies ist einer der Vorteile, der mit der Digitalisierung der Anteil der konventionellen Erzeugung stetig gesunken Energiewende verbunden ist . Er schafft die technische ist, hat sich der Anteil der Erneuerbaren mehr als ver- Voraussetzung, dass der Bürger zum aktiven Akteur der achtfacht. Ausfluss dessen ist, dass in Deutschland mitt- Energiewende werden kann . lerweile über 1,5 Millionen EEG-Anlagen in das Netz (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) einspeisen . Das zeigt sehr deutlich, dass die Transfor- mation des Energiesektors mit großen Schritten voran- Zum Zweiten kann es durch die intelligente Nutzung kommt. Wir befinden uns in einer gigantischen Umbau- von Daten außerdem gelingen, über Marktsignale Anrei- maßnahme des kompletten Energieversorgungssystems . ze zu schaffen . Für den Stromkunden wäre es dank inno- Während in der alten Welt nur in eine Richtung Energie vativer, flexibler Tarife möglich, genau dann Strom nach- floss, nämlich vom Erzeuger hin zum Verbraucher, ist das zufragen, wenn dieser besonders reichlich zur Verfügung dezentrale Energieversorgungssystem der Zukunft durch steht und entsprechend günstig zu erwerben ist . bilaterale Energie- und damit auch Informationsflüsse (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- gekennzeichnet . NEN]: Aber genau dafür schaffen Sie mit dem Mit der Zunahme der Zahl kleiner und dezentraler Gesetz keine Grundlage! Das ist doch das Pro- Stromerzeuger nimmt auch der Anteil von Erzeugungs- blem!) einheiten zu, die fluktuierend in das Netz einspeisen. Andererseits besteht für Erzeuger die Möglichkeit, ihre Sonne und Wind stehen im Jahresverlauf nicht immer Anlagen in Verbindung mit einem Speicher zum Beispiel (B) planbar und verlässlich zur Verfügung . Zudem erfolgt die so zu steuern, dass sie ihren Strom dann anbieten, wenn (D) Einspeisung zumeist regional unterschiedlich und selten dieser besonders gefragt und entsprechend teuer ist . über das ganze Land verteilt einheitlich . Diese Volatilität stellt uns vor enorme Herausforderungen . Diesen begeg- Gleichzeitig erhält der Verbraucher eine weitaus bes- nen wir unter anderem durch den Ausbau der Netze, der sere Verbrauchsanalyse als heute, mit der er auf Grund- Übertragungs- und der Verteilnetze . Wir brauchen aber lage präziser Informationen sein Verbrauchsverhalten nicht nur mehr Netze, sondern insbesondere intelligente- auswerten kann . Praxiserfahrungen zeigen, dass bereits re Netze . Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf bietet uns Verbrauchstransparenz zu Verbrauchsreduktion führen die Digitalisierung hier enorme Chancen . kann . Bei allen Vorteilen, die mit der Digitalisierung der (Beifall bei der CDU/CSU) Energiewende verbunden sind, werden wir bei der Aus- Bei den Netzverbrauchern, den Netzbetreibern und gestaltung auch die Risiken genauer in den Blick neh- den Erzeugern fallen riesige Mengen von Daten an, die men . Im Zuge der Digitalisierung müssen wir uns im- bislang weitgehend brachliegen . Ziel des Gesetzentwurfs mer auch die Frage stellen: Was passiert mit den Daten? ist, die Letztverbraucher in Deutschland mit sogenannten Mit der zunehmenden Vernetzung müssen die Fragen intelligenten Messsystemen auszustatten, die zukünftig des Datenschutzes sowie der Datensicherheit mitge- als Kommunikationsplattform im intelligenten Energie- dacht werden . Wir brauchen eine hochsichere Kommu- netz dienen . Die intelligenten Messsysteme sind damit nikationsinfrastruktur für unser Energiesystem . Das vom ein zentraler Baustein der Energiewende . So werden Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik Stromerzeuger und Verbraucher intelligent miteinander entwickelte Schutzprofil sowie die technischen Richtli- verknüpft, damit Informationen über Erzeugung und Ver- nien versprechen ein enorm hohes Schutzniveau; das ist brauch ausgetauscht werden können . Damit stehen den bereits mehrfach bei Kollegen angeklungen . Übrigens Netzbetreibern genauere Daten zur Verfügung, die ihnen sprechen Experten sogar davon, dass wir hier ein Schutz- helfen, das Netz zu optimieren und den Ausbaubedarf ex- niveau erreichen, das über dem des Onlinebankings liegt . akter bewerten zu können . Das erhöht die Versorgungssi- Daran sieht man auch: Sicherheit hat höchste Priorität . cherheit und spart auch Kosten . (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- ordneten der SPD) Die Digitalisierung der Energiewende hat aber nicht nur Vorteile für die Integration der Erneuerbaren, sie ist Dennoch: Aufgrund des erhöhten Anfalls von Daten, nicht nur für die Netzentwicklung von entscheidender die Aufschluss über das Verbrauchsverhalten von Haus- Bedeutung, für die Energiewende insgesamt, sondern sie halten geben können, ist der Einbau datenrechtlich sensi- 15738 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 159 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 26 . Februar 2016

Hansjörg Durz (A) bel . Daher werden wir Wert darauf legen, dass der Kunde diesem Gesetz entscheiden, wer die Daten wann bekom- (C) Herr über seine Daten bleibt und der notwendige Schutz men soll . sowie die erforderliche Sicherheit bei der Übermittlung (Ralph Lenkert [DIE LINKE]: Lesen! Eige- der Daten gewährleistet werden . Zudem werden wir ein- nes Gesetz lesen!) gehend beraten, welcher Akteur wann auf welche Da- ten Zugriff haben muss . Hier geht es um das Verhältnis Zweitens . Ehrlich gesagt, weiß ich auch nicht, wie ein zwischen Verteilnetzbetreibern und Übertragungsnetz- Kühlschrank aussieht, der in einem Haushalt plötzlich betreibern, das bereits mehrfach angesprochen wurde . solch eine Last erzeugt, wenn man ihn öffnet . Wenn man Ein weiteres Argument, darüber zu reden, ist, dass keine 200-Watt-Birnen in seinem Kühlschrank hat, dann sollte Parallelstrukturen aufgebaut werden sollen . Da nicht alle man zunächst einmal über die Energiewende im eigenen zum Umstieg auf neue Messinstrumente gezwungen wer- Kühlschrank nachdenken und erst anschließend über den sollen, gibt es auch noch die alte Welt, und sie liegt eine Energiewende im ganzen Haus . in der Zuständigkeit der Verteilnetzbetreiber . Hier muss (Heiterkeit und Beifall bei der SPD, der CDU/ man aufpassen, dass keine Parallelstrukturen entstehen . CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zudem unterstützen wir nachdrücklich den Ansatz, [SPD]: Wir machen mal einen den Rollout zu angemessenen Kosten voranzutreiben, Hausbesuch in Thüringen! – Ralph Lenkert aber eben keinen Rollout um jeden Preis zu erzwingen . [DIE LINKE]: Da stellen Sie Ihren eigenen Im Gesetzentwurf ist deshalb vorgeschlagen, dass es bei Messstellen ein ganz schlechtes Zeugnis aus! einem Jahresverbrauch von weniger als 6 000 Kilowatt- Keine Ahnung von Messtechnik!) stunden keine Einbaupflicht geben wird. Auf freiwilliger Worum geht es, meine Damen und Herren? Es geht Basis kann aber ein Einbau erfolgen, wenn der Verbrauch darum, dass in der Energiewende nicht nur in der Pro- darunterliegt; auch das ist bereits angeklungen . duktion, sondern in der ganzen Welt dieser Energiewende Der mit intelligenten Messsystemen verbundene grundlegende Veränderungen notwendig sind, also auch Nutzen wird von Verbraucherschützern gelegentlich in bei den Nutzern, beim Verbraucherverhalten . Früher hat- Zweifel gezogen . Hier bedarf es einer noch besseren ten wir die Situation, dass man die Produktionskurve an Kommunikation der vielfältigen Vorteile, die mit der die Verbrauchskurve angepasst hat . Künftig werden wir Digitalisierung einhergehen: Die Digitalisierung schafft es so einfach nicht mehr regeln können; denn die Pro- bessere und effizientere Netze. Die Digitalisierung duktion ist im Bereich der erneuerbaren Energien kaum schafft mehr Transparenz für Verbraucher . Die Digita- regelbar . Das heißt, wir müssen ein Stück weit anstreben, lisierung schafft die Voraussetzung dafür, dass der Bür- die Verbrauchskurve an die Produktionskurve anzupas- ger zum aktiven Akteur der Energiewende werden kann . sen . Darum geht es heute . (B) Lassen Sie uns in den nächsten Wochen darüber disku- (D) Ich will an dieser Stelle nur andeuten, dass wir allein tieren, wie wir einen guten Gesetzentwurf im parlamen- im letzten Jahr Redispatch-Kosten in Höhe von 1 Mil- tarischen Verfahren noch besser machen und somit die liarde Euro hatten . Das hat damit zu tun, dass wir die Energiewende durch sichere Digitalisierung wieder ein Verbrauchskurve eben nicht an die Produktionskurve ganzes Stück voranbringen können . anpassen können . Um das zu können, reicht der über (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- 70 Jahre alte Ferraris-Zähler, der zu Hause hängt, längst NEN]: Er ist noch mit Defiziten behaftet!) nicht mehr aus . Dafür brauchen wir Smart Meter . Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit . Auch ich wün- Zunächst geht um die Abnehmer großer Strommen- sche Ihnen ein schönes Wochenende . gen, also um die „low hanging fruits“ ab 6 000 Kilo- wattstunden . Damit man versteht, wer eigentlich davon (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) betroffen ist: Ein durchschnittlicher Haushalt verbraucht 3 500 Kilowattstunden . Die Regelung gilt übrigens auch Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: für Mieter; denn meines Wissens gehört der Zähler zur Als nächster Redner hat Johann Saathoff von der Wohnung und nicht zum Haus . SPD-Fraktion das Wort . (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten NEN]: Nein, aber wenn der Besitzer ihn ein- der CDU/CSU) bauen will, dann muss man ihn nehmen!) – Darüber reden wir noch einmal miteinander . Johann Saathoff (SPD): Es geht um Daten, und es geht um Datenschutz . Wie Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und man in Ostfriesland sagt: „Up’n holten Ambold kannst Kollegen! Lieber Ralph Lenkert, ich weiß nicht, wo im du keen lesen schkarpen“, mit anderen Worten: Man Gesetzentwurf stehen soll, dass Nutzer von Smartphones braucht ein vernünftiges Werkzeug, um hier vorzugehen . künftig keine Daten bekommen sollen . Drei Jahre lang hat es eine Projektierung des Daten- (Ralph Lenkert [DIE LINKE]: Nicht online! schutzkonzeptes mit dem BSI gegeben . Das ist eine lan- Zuhören!) ge Zeit – finde ich auch –, viele in der Branche finden: Selbstverständlich bekommen sie diese Daten – das ist viel zu lange . Aber das jetzt vorliegende Konzept ist überhaupt keine Frage –, und sie bekommen sie auch on- einmalig in Europa . Die Kritik der Verbraucherschützer, line . Denn sie sind Herr ihrer Daten und können nach die wir gerade in diesen Tagen den Medien entnehmen Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 159 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 26 . Februar 2016 15739

Johann Saathoff (A) können, ist für mich völlig unverständlich . Denn, – grob Gesetzentwurf steht: Beide sollen die Daten bekom- (C) skizziert, – wird Folgendes geregelt: Die Daten bleiben men . – Darüber werden wir noch Gespräche zu führen generell beim Verbraucher . Er entscheidet, wer die Daten haben, und zwar mit folgenden Zielen: Erstes Ziel: Klei- bekommt . Nur wer sie unbedingt benötigt, bekommt die ne VNBs sollen nicht vom Markt gedrängt oder benach- Daten automatisch: Das sind die Netzbetreiber, der Ener- teiligt werden . Zweites Ziel: ÜNBs und VNBs sollen ihr gieversorger und der Handel, für den sich der Verbrau- Netz optimal betreuen können . Das dritte Ziel ist: Die cher entschieden hat . Netzentgelte sollen gesenkt werden . Das Recht, Daten zu erhalten – das hat Frau Staats- Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende und be- sekretärin Gleicke schon gesagt –, folgt der energiewirt- danke mich für die Aufmerksamkeit . schaftlichen Aufgabe, und nur dafür dürfen die Daten (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) auch tatsächlich verwendet werden; also nicht, um ne- benbei noch Eis zu verkaufen . Der Kunde entscheidet am Ende, wer die Daten zusätzlich bekommen soll; und wir Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: wissen, wie sich Kunden manchmal verhalten . Der Kö- Ich schließe die Aussprache .– Liebe Kolleginnen und nig beim Wettbewerb um die Daten ist also der Kunde, Kollegen, Sie können jetzt noch nicht ins Wochenende und gemäß diesem Konzept bleibt er das auch . gehen, wir müssen nämlich noch die Überweisung be- schließen . Zur Kritik, dass es keine variablen Tarife gibt . Das ist Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzent- doch eine klare Henne-Ei-Problematik; denn wenn wir wurfs auf Drucksache 18/7555 an die in der Tagesord- die Infrastruktur nicht haben, haben wir auch die Tarife nung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen . Gibt es nicht . Wir brauchen also zunächst erst einmal die Infra- dazu anderweitige Vorschläge? – Das ist nicht der Fall . struktur . Dann haben wir das beschlossen . Insgesamt profitieren alle Verbraucher in Deutschland Wir sind damit am Schluss der heutigen Tagesord- davon, wenn die Netzbetreiber ihr Netz exakter steuern nung . können, und genau darum geht es . Die Besitzer von Smart Metern mit variablen Tarifen würden doppelt profitieren, Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundes- und die Kosten für Smart Meter sind klar begrenzt . tages auf Mittwoch, den 16 . März 2016, 13 Uhr, ein . Die Sitzung ist geschlossen . Jetzt kann auch ich Ihnen Es gibt eine Diskussion darüber, ob die Verteilnetz- ein schönes Wochenende wünschen . betreiber oder die Übertragungsnetzbetreiber oder beide anschließend die Smart-Meter-Daten haben sollen . Im (Schluss: 15 .08 Uhr) (B) (D)

Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 159 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 26 . Februar 2016 15741

(A) Anlagen zum Stenografischen Bericht (C)

Anlage 1

Liste der entschuldigten Abgeordneten

entschuldigt bis entschuldigt bis Abgeordnete(r) einschließlich Abgeordnete(r) einschließlich

Aken, Jan van DIE LINKE 26 .02 .2016 Kömpel, Birgit SPD 26 .02 .2016

Albsteiger, Katrin CDU/CSU 26 .02 .2016 Mast, Katja SPD 26 .02 .2016

Bartol, Sören SPD 26 .02 .2016 Merkel, Dr . Angela CDU/CSU 26 .02 .2016

Beckmeyer, Uwe SPD 26 .02 .2016 Müller, Dr . Gerd CDU/CSU 26 .02 .2016

Bergner, Dr . Christoph CDU/CSU 26 .02 .2016 Nahles, Andrea SPD 26 .02 .2016

Bilger, Steffen CDU/CSU 26 .02 .2016 Nouripour, Omid BÜNDNIS 90/ 26 .02 .2016 DIE GRÜNEN Binder, Karin DIE LINKE 26 .02 .2016 Özoğuz, Aydan SPD 26 .02 .2016 Brantner, Dr . Franziska BÜNDNIS 90/ 26 .02 .2016 DIE GRÜNEN Pantel, Sylvia CDU/CSU 26 .02 .2016

De Ridder, Dr . Daniela SPD 26 .02 .2016 Schäuble, Dr . Wolfgang CDU/CSU 26 .02 .2016

Dörmann, Martin SPD 26 .02 .2016 Scheer, Dr . Nina SPD 26 .02 .2016 (B) (D) Drobinski-Weiß, Elvira SPD 26 .02 .2016 Schlecht, Michael DIE LINKE 26 .02 .2016

Eberl, Iris CDU/CSU 26 .02 .2016 Schmidt (Aachen), Ulla SPD 26 .02 .2016

Engelmeier, Michaela SPD 26 .02 .2016 Schmidt, Dr . Frithjof BÜNDNIS 90/ 26 .02 .2016 DIE GRÜNEN Fabritius, Dr . Bernd CDU/CSU 26 .02 .2016 Steffel, Dr . Frank CDU/CSU 26 .02 .2016

Gabriel, Sigmar SPD 26 .02 .2016 Steinbach, Erika CDU/CSU 26 .02 .2016

Grindel, Reinhard CDU/CSU 26 .02 .2016 Tank, Azize DIE LINKE 26 .02 .2016

Gröhe, Hermann CDU/CSU 26 .02 .2016 Terpe, Dr . Harald BÜNDNIS 90/ 26 .02 .2016 DIE GRÜNEN Gutting, Olav CDU/CSU 26 .02 .2016 Thönnes, Franz SPD 26 .02 .2016 Höger, Inge DIE LINKE 26 .02 .2016 Ulrich, Alexander DIE LINKE 26 .02 .2016 Holzenkamp, Franz- CDU/CSU 26 .02 .2016 Josef Veit, Rüdiger SPD 26 .02 .2016

Jüttner, Dr . Egon CDU/CSU 26 .02 .2016 Wagenknecht, Dr . Sahra DIE LINKE 26 .02 .2016

Kaczmarek, Oliver SPD 26 .02 .2016 Weinberg, Harald DIE LINKE 26 .02 .2016

Karawanskij, Susanna DIE LINKE 26 .02 .2016 Werner, Katrin DIE LINKE 26 .02 .2016

Kindler, Sven-Christian BÜNDNIS 90/ 26 .02 .2016 Wicklein, Andrea SPD 26 .02 .2016 DIE GRÜNEN Zimmermann DIE LINKE 26 .02 .2016 Klare, Arno SPD 26 .02 .2016 (Zwickau), Sabine 15742 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 159 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 26 . Februar 2016

(A) Anlage 2 schafft soziale Teilhabe und sorgt dafür, dass die Men- (C) schen, die zu uns geflohen sind, so schnell wie möglich Neudruck: Erklärung nach § 31 GO ihren Lebensunterhalt selbst verdienen können . der Abgeordneten Petra Rode-Bosse (SPD) zu Die Stellungnahmen von Verbänden, Hilfswerken, der namentlichen Abstimmung über den von den Kirchen und vielen weiteren Organisationen sind in mei- Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten ne Entscheidung mit eingeflossen. Trotz der oben ge- Entwurf eines Gesetzes zur Einführung beschleu- nannten Bedenken werde ich dem Gesetz zur Einführung nigter Asylverfahren beschleunigter Asylverfahren – auch unter Einbeziehung (158. Sitzung, Tagesordnungspunkt 3 a, Anlage 7) meiner politischen Gesamteinschätzung – zustimmen, denn was wir jetzt brauchen, sind schnellere und bessere Mit dem Gesetz werden verschiedene Maßnahmen zu Verfahren zur Unterbringung und Anerkennung . Verfahren der Anerkennung, Unterbringung von Flüchtlin- gen und Asylbewerbern sowie deren Lebensbedingungen Zu guter Letzt: Mein besonderer Dank gilt den geregelt . Auch wenn ich die Zielsetzung des Gesetzes in hauptamtlichen und ehrenamtlichen Kräften, die sich mit wesentlichen Bereichen unterstütze und darin das Ergeb- großem Engagement in den Unterkünften, in Sprachkur- nis eines Kompromisses sehe, der weitergehende Ver- sen, bei der Begleitung zu Ämtern, in Integrationsmaß- schärfungen wie etwa die Einrichtung von Transitzonen nahmen und in unzähligen weiteren Bereichen betätigen . verhindert hat, kommt es jetzt darauf an, dass die Regis- trierung zügig vorangeht, dass Asylverfahren beschleunigt werden und dass Verfahren optimiert werden . Schnellere Anlage 3 Verfahren sind auch Voraussetzung für gute Integration, damit diejenigen, die hier bleiben können, schnell durch Amtliche Mitteilungen ohne Verlesung Sprachkurse, Bildungsmöglichkeiten und Integration in Die folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, dass sie den Arbeitsmarkt unterstützt werden können . Hier wird gemäß § 80 Absatz 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von Handlungsfähigkeit des Staates erwartet, und darauf haben einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen die Bürgerinnen und Bürger ein Anrecht . absehen: In dem vorliegenden „Asylpaket II“ kann ich deshalb den Punkten zustimmen, die die Verfahren beschleuni- Innenausschuss gen und die Registrierung verbessern sowie den Kin- – Unterrichtung durch die Bundesregierung derschutz in den Einrichtungen durch die Pflicht eines erweiterten Führungszeugnisses für Helfer und Helferin- Bericht der Bundesregierung über den Stand der (B) nen vorsehen . Insbesondere begrüße ich, dass dadurch Abwicklung des Fonds für Wiedergutmachungs- (D) der unsinnige und inhumane Vorschlag von Transitzonen leistungen an jüdische Verfolgte an den Grenzen vom Tisch ist . – Stand 30 . Juni 2015 – Allerdings habe ich erhebliche Bedenken gegen die Drucksachen 18/6735, 18/6847 Nr. 4 Wirksamkeit einzelner Regelungen des Gesetzentwurfes . Dies gilt vor allem für die deutliche Verschärfung der medizinischen Gründe, die einer Abschiebung entgegen- Ausschuss für Wirtschaft und Energie stehen, sowie die zweijährige Aussetzung des Familien- – Unterrichtung durch die Bundesregierung nachzugs für subsidiär Schutzbedürftige . Sorgen bereitet mir, dass die Regelung zum Familiennachzug auch für Strategie Intelligente Vernetzung unbegleitete minderjährige Flüchtlinge gelten soll . Drucksachen 18/6022, 18/6236 Ich befürchte, dass durch die Aussetzung des Fami- – Unterrichtung durch die Bundesregierung liennachzuges die Lebensbedingungen dieser Jugendli- chen verschärft werden, Integration erschwert wird und Energieeffizienzstrategie Gebäude – Wege zu ei- nachziehende Angehörige auf unsichere Wege gedrängt nem nahezu klimaneutralen Gebäudebestand werden . Drucksachen 18/6782, 18/6933 Nr. 1.4 Auch wenn in der Realität insgesamt nur sehr wenige Personen davon betroffen sein werden – 2015 erhielten Ausschuss für Kultur und Medien nur 0,6 Prozent der Antragssteller, über die entschieden wurde, subsidiären Schutz, und nur 105 Fälle von Famili- – Unterrichtung durch die Deutsche Welle ennachzug fanden statt –, ist das ein Zeichen, das ich aus Entwurf der Fortschreibung der Aufgabenplanung humanitären Gründen nicht für richtig halte . Ich begrü- 2014 bis 2017 der Deutschen Welle ße deshalb, dass vereinbart wurde, dass für unbegleitete Minderjährige im subsidiären Schutz eine Einzelfallprü- Drucksachen 18/7124, 18/7276 Nr. 8 fung zum Familiennachzug stattfinden soll. Statt weiterer Verschärfungen beim Asylrecht müssen Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben wir jetzt vorrangig ein Integrationsgesetz zur Verbesse- mitgeteilt, dass der Ausschuss die nachstehenden Uni- rung des Zugangs zu Sprachkursen, Bildung, Ausbildung onsdokumente zur Kenntnis genommen oder von einer und Arbeit für Asylsuchende auf den Weg bringen . Das Beratung abgesehen hat . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 159 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 26 . Februar 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 159 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 26 . Februar 2016 15743

(A) Innenausschuss Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft (C) Drucksache 18/5982 Nr . A .8 Drucksache 18/7422 Nr . A .19 Ratsdokument 10321/15 EP P8_TA-PROV(2015)0456 Drucksache 18/7422 Nr . A .20 Ausschuss für Wirtschaft und Energie Ratsdokument 13694/15 Drucksache 18/5165 Nr . A .9 Drucksache 18/7422 Nr . A .21 Ratsdokument 8672/15 Ratsdokument 15262/15

(B) (D) Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333