INTELLEKTUELLE, LITERAT.UR,UND HEIDI BEUTIN: DIE TÖCHTER ROBERT SLUMS FRAUEN IN DER REVOLUTION VON 1848/49 · D WOLFGANG BEUTIN: "EIN RAUSCH DES ENTZÜCKENS WAR IN ALLER HERZEN". DIE DEUTSCHE REVOLU­ TION VON 1848/49: ÖFFENTLICH­ KEIT UND LITERATUR D JOHANN DVORAK: DIE PARISER REVOLU­ TION IM FEBRUAR UND JUNI 1848 UND DIE NOTWENDIGKEIT DER POLITISCHEN ORGANI­ SATION IN DEN SCHRIFTEN CHARLES BAUDELAIRES D ALAIN RUIZ: DEUTSCHE POLITISCHE EMIGRANTEN IN PARIS ZUR ZEIT DER REVOLUTION VON 1848 REVOLUTION IN EUROPA: 1848 INTELLEKTUELLE, LITERATUR UND REVOLUTION IN EUROPA 1848

EINLEITUNG ...... 2

Wolfgang Beutin "Ein Rausch des Entzückens war in aller Herzen." DIE DEUTSCHE REVOLUTION VON 1848/49: ÖFFENTLICHKEIT UND LITERATUR ...... 2

Alain Ruiz DEUTSCHE POLITISCHE EMIGRANTEN IN PARIS ZUR ZEIT DER REVOLUTION VON 1848 ...... 9

Heidi Beutin DIE TÖCHTER ROBERT SLUMS. FRAUEN IN DER REVOLUTION VON 1848/49 ...... 21

Johann Dvofak DIE PARISER REVOLUTION IM FEBRUAR UND JUNI 1848 UND DIE NOTWENDIGKEIT DER POLITISCHEN ORGANISATION IN DEN SCHRIFTEN VON CHARLES BAUDELAIRE ...... 28

DIE AUTOREN I DIE AUTORIN ...... 35

BÜCHER AUS DER IWK-BIBLIOTHEK ...... 36

ISSN: 0020- 2320 MITTEILUNGEN DES INSTITUTS FÜR WISSENSCHAFT UND KUNST 53. JAHRGANG 1998, NR. 3, öS 75,-

Linie des Blattes: Verständigung der Öffentlichkeit über die Arbeit des Instituts für Wissenschaft und Kunst sowie Veröffentlichungen von wissenschaftlichen Arbeiten, die damit in Zusammenhang stehen. Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben die Meinung der Autorinnen wieder und müssen nicht mit der redaktionellen Auffassung übereinstimmen. Eigentümer, Herausgeber und Verleger: Institut für Wissenschaft und Kunst. Redaktion, Umbruch, Layout: Dr. Helga Kasch!. Lektorat: Mag. Eva Waniek. Alle: 1090 Wien, Berggasse 17/1, Telefon I Fax: (1) 317 43 42. Druck: Glanz & Hofbauer Ges.m.b.H., 1200 Wien, Treustraße 5, Telefon: (1) 330 73 67. IWK-MITTEILUNGEN 3/1998

EINLEITUNG

Gegenstand dieser Beiträge, die Inhalt eines im Oktober 1998 im Institut für Wissenschaft und Kunst stattgefundenen Symposiums waren, ist das Revolutionsjahr 1848 im Spiegel literarischer Zeugnisse, geschriebener Texte aller Art: Gedichte, fiktionale und nicht-fiktio­ nale Prosa, Zeitungsartikel, Aufzeichnungen und Briefe. Diese literarischen Zeugnisse geben historische Erfahrungen wieder und gelegentlich auch daraus abzuleitende Veränderungen der politischen Einstellungen und Verhaltens­ weisen; zum Teil sind sie aber darüber hinaus Ausdruck neuer und ausgeweiteter Formen öffentliche Kommunikation - einer neuen Qualität des Pressewesens in Deutschland und Österreich.

WOLFGANG BEUTIN "Ein Rausch des Entzückens war in aller Herzen." DIE DEUTSCHE REVOLUTION VON 1848149: ÖFFENTLICHKEIT UND LITERATUR

"Der Mangel eines öffentlichen Lebens übertragen hat; daß auch hier, wo in raschem Flu ge bedrückte die ernstesten, tiefsten Geister." der Geist von Ort zu Ort fliegt und ein Eigentum aller wird, wo die Individuen der verschiedensten Völker VORMÄRZ sich mischen und so den Weg anbahnen zum Aufhö• ren der Nationalitäten und zum Einswerden der Men­ Im Revolutionsfrühling reiste die Schriftstellerin Mal­ schen zur Menschheit, daß auch hier wieder der Be­ wida von Meysenbug (1816- 1903) auf der erst kurz sitzende ein so großes Vorrecht habe .. ." zuvor ein gerichteten Kö ln- Mindener Eisenbahn­ Dagegen setzte der Kondukteur se ine Hoffnung auf strecke nach Hamm. Dabei hatte sie eine Unterre­ den "Früh li ng 1848" und "die Regungen des öffent­ dung mit dem Schaffner des Zuges, deren Inhalt sie lichen Lebens". in einer Skizze verarbeitete. Auf schmalem Raum Die Skizze zeigt aus demokratischer Perspektive verband sie darin in Gedanken das neue Ver­ die Zustände und Aussichten zu Beginn der Revo­ kehrsmittel, ein zeitgenössisches Symbol des tech­ lution, samt Andeutung einer Miniatur-Utopie mit nischen Fortschritts, mit der Klassengesellschaft, Merkmalen wie Klassen losigkeit, Gemeineigentum, dem März 1848 und der Öffnung des politischen Internationalismus, grenzenloser Öffentlichkeit und Lebens. Sie schrieb: Die "mancherlei Gestalten, die Humanität. Der Text spiegelt im Kern die zwei pri­ das Panoramaleben der Eisenbahn an ihm vo rüber­ mären Komponenten der historischen Großperiode führte", ließen dem "scharfen Blick" des "Eisen­ von 1789- 1871. Sie erzwang in Europa den Über­ bahnkondukteurs" gang vom Feudalismus, von den mittelalterlichen "vieles erkennen, was seinen Schmerz über die Un­ und frühneuzeitlichen ökonomischen Machtverhält­ gerechtigkeit der sozialen Verhältnisse vermehrte nissen zum Kapitalismus, einer von der Industrie und ihn oft tief seufze n machte, wenn er von der vor­ dominierten Produktionsweise und politischen Herr­ nehmen Verwöhnung der ersten Klasse hinabglitt ... schaft des Bürgertums. Was auf dem Wege war, zu den offenen Wagen der vi erten, wo der fleißige heißt in der Sozialgeschichte daher die "Doppel­ Handwerker und Landmann mit dem zerarbeiteten revo lution", die ökonomische und bürgerliche Um­ Ges icht und der ärmlichen Kleidung dem scharfen wälzung im Junktim, mit zwei Antriebskräften am Winde preisgegeben stand ." Grunde: der industriellen Entwicklung und den he­ Die Eisenbahn diente ih r als Chiffre des sozialen gemonialen Ambitionen der Bourgeoisie. Steht in Kosmos. Wirklich empörend sei, kommentierte sie, dem Text die Eisenbahn für den ökonomischen "daß man auf dieses demokratische Institut der Ei­ Aspekt des Gesamtvorgangs, so der "Frühling senbahnen die strenge Rangordnung der alten Weit 1848" für den politischen.

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1848 bedeutete die Fortführung des Kampfs um derten das öffentliche Leben mit dem Instrument die Macht mit anderen Mitteln, die Anwendung von der "Karlsbader Beschlüsse" (1819), u. a. durch revolutionärer Gewalt. Was damals geschah, nah­ Überwachung der Universitäten, Verhängung von men die Augen einfacher Menschen verklärend als Berufsverboten, selbst gegen die anerkanntesten Stufe auf dem Wege zur Emanzipation des Volkes akademischen Lehrer (z. B. E. M. Arndt), und die wahr. Emanzipation lautete der allgemeine Kon­ rigorose präventive Zensur. Wie grotesk diese ein­ sens, und daß sie das Ziel aller Bemühungen sein griff, konstatierte die Autorin Fanny Lewald (1811- müsse, war die Grundüberzeugung vieler. Die Op­ 1889): "selbst die Leichensteine und Grabinschrif­ position war sehr breit, aber erzielte niemals Einig­ ten unterlagen vor dem 18. März ihrer Aufsicht". keit darüber, wie weit die Emanzipation gehen Zwar hatten einige Fürsten in ihren Ländern durfte: Die Bourgeoisie erstrebte in Deutschland wirklich eine Verfassung und ein Parlament einge­ zunächst nicht mehr als die Beteiligung an der führt, so in Baden. Es gab zündende Debatten. Macht, bei Weiterbestehen der Fürstenthrone. Ihr Zeitungen durften erscheinen. Preßvereine wurden Ideal hieß: konstitutionelle Monarchie. Auf das Mili­ gegründet. Doch schien es für eine Weile eher, als tär der Herrscher gedachte sie keinesfalls zu ver­ bilde fast allein die politische Lyrik und Publizistik zichten, da ihr kein anderer Faktor geeigneter er­ von Heine, Börne, Herwegh, Freiligrath die ent­ schien, die ,Ordnung' zu garantieren. Hingegen schiedene Opposition gegen die lastenden Zustän• verfolgten die Demokraten ein abweichendes Ziel: de und die Verantwortlichen, an der Spitze die den Übergang zur Republik, nämlich den Sturz der Machthaber in Wien und Berlin. Wohl erregten eini­ Dynastien und die Einsetzung einer Volksregierung. ge politische Aktionen Aufsehen: z. B. das Attentat Den Frühling 1848 hatten in dem Dritteljahrhun­ des Burschenschaftiers Sand, der 1819 den als dert von 1813 bis zum März 1848, in den Freiheits­ Reaktionär und Agenten verdächtigten Schriftsteller kriegen (1813-1815) und im Vormärz (1815-1848), Kotzebue ermordete, und der "Frankfurter Wachen­ wichtige Vorboten angekündigt. Erstmalig 1813/15, sturm", die Einnahme der Polizeiwachen durch eini­ so der nationalliberale Geschichtsschreiber Treit­ ge entschlossene Revolutionäre. Doch bestimmen schke, tauchte "eine neue Größe der deutschen heute das Bild des Vormärz vor allem die literari­ Geschichte" auf, "das Volk in Waffen". Zum Unglück schen Dokumente des Widerstands: etwa Georg war es von seiner Obrigkeit rasch wieder nach Büchners grandiose Flugschrift Der hessische Hause geschickt worden, um ans Gängelband des Landbote (1834), die Protestation der "Göttinger Mettemichsehen Systems gelegt zu werden. Unzu­ Sieben" (1837, den Verfassungsbruch des Königs friedenheit löste besonders die Nichteinhaltung der von Hannover anprangernd); dazu Heines soziale Zusage konstitutioneller Regierungsformen aus, am Anklage Die schlesischen Weber (1844). ln diese meisten das gebrochene Verfassungsversprechen Reihe gehört auch das unmittelbar vor der Märzre• des preußischen Königs. Er hatte es fünfmal gege­ volution veröffentlichte Manifest der Kommunisti­ ben, aber nicht gehalten. So kam es (mit Fritz schen Partei, das zwei philosophisch gebildete jun­ Reuters plattdeutschem Ausdruck) zu dem neuen ge Leute, 30 und 28 Jahre alt, verfaßten: "Upbreken" seit 1815. Nicht weniger als dreimal und . Der politische Dichter Georg erhoben sich Teile der Bevölkerung im Protest. Die Herwegh (1817-1875) forderte das entschlossene erste Bewegung (1817/19) trugen hauptsächlich die Aufbrechen bereits 1845 in seinem Gedicht: 0 wag Burschenschaften; Höhepunkt: das "Wartburgfest" es doch nur einen Tag!; bewußt nahm er eine Vers­ (1817). Die Juli-Revolution der Franzosen (1830) zeile Theodor Körners wieder auf, so daß man die stimulierte in Deutschland eine oppositionelle Strö• genaue Verbindung mit dem ersten "Upbreken" mung bereits ansehnlichen Umfangs; Höhepunkt: 1813 sieht: "Frisch auf, mein Volk! Die Flammen­ das "Hambacher Fest" (1832), aus dynastischer Per­ zeichen rauchen". Herwegh variierte: spektive eine Art Vorspiel zu einem neuen 1789. Eine "Frisch auf, mein Volk, mit Trommelschlag dritte Unruhephase begann 1840. Ihren Gipfel be­ Im Zorneswetterschein! zeichnete der schlesische Weberaufstand von 1844. 0 wag es doch, nur einen Tag, Die Feste und Volksversammlungen, von denen Nur einen, frei zu sein!" in den Jahren 1817 und 1832 nur die bekanntesten stattfanden - ungezählte regionale mit unterschied­ DIE MÄRZ-REVOLUTION UND IHRE RESULTATE licher Beteiligung kamen hinzu -, bildeten ein­ drucksvolle Versuche, Öffentlichkeit im größeren Drei Jahre später brach der Tag an. Es wurden fast Maßstab herzustellen. Sie lag im Interesse aller, die fünfhundert Tage daraus. Sie begannen im März auf politische Veränderung drängten. Der Schrift­ mit den Revolutionen in Wien (13.-15.) und Berlin steller Willibald Alexis ( 1798-1871) beobachtete (18.-19.), hielten an bis in den Sommer des Folge­ 1842, der "Mangel eines öffentlichen Lebens" be­ jahres und endeten mit der Kapitulation von Rastatt drücke "die ernstesten, tiefsten Geister"; am 23. Juli 1849. Insgesamt war es ein Versuch "sie waren sich dieses fehlenden Lebensprincips bedeutender Teile der Bevölkerungen deutscher nicht klar bewußt, aber das dunkle Gefühl des Ent­ Einzelstaaten, von Männern und Frauen, Kleinadli­ behrens war da." gen, Bürgern, Handwerkern, Arbeitern, Soldaten, Die despotischen deutschen Regierungen verhin- Intellektuellen, Studenten und Künstlern, auf revolu- IWK-MITTEILUNGEN 3/1998

tionärem Wege die Ziele der Opposition zu verwirk­ (14. Juni 1848) legte er eine realistische Analyse lichen: Freiheit und Einheit, d. h. die Umwandlung der Gegenwartsereignisse vor: Deutschlands in einen einheitlichen parlamentari­ "Die Revolution hatte also zwei Reihen von Resulta­ schen Verfassungsstaat Die Revolution in Deutsch­ ten, die notwendig auseinandergehen mußten. Das land - eingerechnet das österreichische Kaiserreich Volk hatte gesiegt, es hatte sich Freiheiten entschie­ - stand dabei in einem doppelten Bezug, einem den demokratischer Natur erobert; aber die unmittel­ zeitgeschichtlichen (synchronischen) sowie einem bare Herrschaft ging über nicht in seine Hände, son­ historischen (diachronischen). dern in die der großen Bourgeoisie." Sie bildete einen Teil der politischen Gesamtbe­ Die Revolution bis dahin sei somit "nur eine halbe wegung auf dem ganzen Kontinent, einen Aus­ Revolution", d. h. eine politische Halbheit; schon gar schnitt aus einer europäischen Erhebung, die ihren nicht die soziale Revolution. Anfang in der Schweiz (1847) sowie im Folgejahr in Malwida von Meysenbug schilderte die allge­ Italien und Frankreich genommen hatte und weite meine Stimmung zu Beginn des Aufbruchs im Teile Europas ergriff. Der Aufstand in Paris wirkte in Rückblick: Deutschland als mächtiger Anstoß, vorhandene "Ein Rausch des Entzückens war in aller Herzen. Die Erregung energisch steigernd. Diese spürt man in Natur selbst feierte dies Fest der Wiedergeburt. Der dem Gedicht Die Republik (26. 2. 1848) von Ferdi­ Frühling war ausserordentlich früh und schön." nand Freiligrath (1810-1876): Begeisterung, vermerkte sie, weckten vor allem "d ie "Die Republik, die Republik! Regungen des öffentlichen Lebens". Es entstand Herr Gott, das war ein Schlagen! wie auf einen Schlag, von den Menschen mit dem Das war ein Sieg aus einem Stück! freudigsten Jubel begrüßt. Fanny Lewaids Verwun­ Das war ein Wurf! die Republik! Und alles in drei Tagen!" derung im April 1848 in Berlin stieg aufs höchste, als sie die Veränderungen beobachtete, die seit den ln Deutschland lagen die Schwerpunkte in Berlin, Märztagen eingetreten waren; so z. B. wurden ,.an Frankfurt, Schleswig-Holstein (Bildung einer Revo­ allen Ecken unzensierte Zeitungsblätter und Plakate lutionsregierung in Kiel, 24. März 1848), Dresden, ... verkauft". Baden sowie in der Donaumonarchie, darunter ne­ ben Italien, dessen reichste Teile damals zu Oster­ "Männer und Frauen der arbeitenden Stände stehen an den Straßenecken, an den Brunnen, um die an­ reich gehörten, besonders die Hauptstadt Wien, gehefteten Plakate zu lesen, fordern Erklärungen und Böhmen, Ungarn und das zerstückelte Polen. verstehen alles, was man ihnen sagen kann, auf hal­ Die Erhebung bildete außerdem ein Glied in der bem Wege ." Kette deutscher antifeudaler Freiheitsbewegungen. Und Malwida von Meysenbug erzählte: Diese begann mit der Reformation und Luthers Thesenanschlag (1517), der Siekingen-Revolte (1523) "Oft stand ich bei den Gruppen der Arbeiter, welche und dem Bauernkrieg im Reich (1524/26) und sich vor den Schaufenstern der Bilderläden versam­ melten, an denen die Porträts der Männer der provi­ schloß erst fast genau vierhundert Jahre später mit sorischen Regierung in Paris, der ersten Liberalen der deutschen Revolution von 1918/19 ab. Deutschlands, der Häupter der grossen französi­ Den Zeitgenossen oblag es , sich über die März­ schen Revolution u.s.w. ausgestellt waren ." Ereignisse zu verständigen. Kluge Beobachter ver­ wiesen darauf, daß z. B. die Revolution in Berlin weder am 18. März ausgebrochen war noch mit der DIE ÖFFENTLICHKEIT Barrikaden-Nacht vom 18. zum 19. März in eins fiel. Der Kommentator der Vossischen Zeitung wider­ Jetzt gab es in Deutschland eine Öffentlichkeit, zum legte am 14. Juni den Irrtum, die Revolution wäre ersten Male eine bürgerliche. Die zweite überhaupt, keine, sondern eine bloße Reform im Einklang mit will man mit Herder die Frühphase der Reformation dem Willen der Staatsgewalt, von der die Hauptfor­ bis 1526 als erste (geistlich-reformatorische) Öf­ derungen bereits zuvor bewilligt worden seien. Was fentlichkeit zählen. ln ihrem "Offenburger Pro­ sollten danach die Barrikaden noch? Der Journalist gramm" forderten die südwestdeutschen Demokra­ argumentierte: ten bereits am 12. September 1847 die Lossagung "Der Barrikadenkampf ist weder der Anfang noch das von den Karlsbader Beschlü ssen (Artikel 1 ), im Ar­ Ende der Revolution. Der Revolutionskampf beginnt tikel 2: Pressefreiheit. Am 3. März 1848 verlautbarte aber bereits mit dem 13. März als dem Tage, an wel­ die Bundesversammlung des Deutschen Bundes chem die bewaffnete Heeresmacht den Volksbewe­ (die aus den Beauftragten der Fürsten und freien gungen zuerst entgegengestellt wird." Städte bestand), sie stelle den Staaten die Aufhe­ Einen der Zukunft weit vorgreifenden Revolutions­ bung der ,.Censur" anheim , zudem die Einführung Begriff besaß das Redakteurs-Team der Neuen der "Preßfreiheit". Sie übergipfelte ihren Beschluß Rheinischen Zeitung. Engels sprach in der Retro­ am 2. April sogar noch , als sie die "Ausnahms­ spektive (1852) davon, daß einige "Gesellschaften" gesetze" von 1819 allesamt auch förmlich aufhob. (,politische Vereinigungen') bestanden, die gewußt Die Zeitgenossen konnten sie nicht genug prei­ hätten, daß der politischen Revolution die soziale sen: ,.d ie große, schöne Öffentlichkeit" (so ein folgen müsse. ln der Anfangsphase der Revolution Hamburger Flugblatt, November 1848). ln seiner

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Revolutionskomödie Freiheit in Krähwinkel (1848) Artikel 1: "Ganz Deutschland wird zu einer einigen, läßt Johann Nepomuk Nestroy seinen Protagoni­ untheilbaren Republik erklärt." sten Ultra über das Wesen der Öffentlichkeit reflek­ Insgesamt bildete die Linke in der Nationalver­ tieren. Der Ratsdiener Klaus hat ans Haustor ge­ sammlung, die seit dem 18. Mai in der Paulskirche schrieben: "Heilig sei das Eigentum!" (3, 18) Ultra tagte, die Minorität. Es gab eine deutliche Mehrheit kritisiert diese Parole doppelt, erstens als Albern­ rechts aus Konservativen und Liberalen. Nach heit: "Oh, ihr Kapitalisten, wie albern seid ihr!" (3, 19) schwierigen Auseinandersetzungen billigten diese Und zweitens als Materialvergeudung: "Ah, diese im Spätsommer 1848 den Waffenstillstand von Mal­ Kreideverschwendung, das ist zu stark!" (3,22) Und mö. Darin verzichtete Preußen darauf, die revolu­ mit dieser Kritik verbindet sich Ultras Reflexion: tionäre schleswig-holsteinische Republik mit Waf­ "Wer hätt sich aber jemals dieses regsame, bewegte fengewalt zu unterstützen, was in der Bevölkerung Leben in dem friedlichen Krähwinkel als möglich ge­ als Preisgabe nationaler Interessen verstanden dacht? Wir haben jetzt halt überall die zweite Auflag wurde, als Auslieferung Schleswig-Holsteins an von der vor vierzehn Jahrhunderten erschienenen Dänemark. Daher unternahm eine aufgebrachte Völkerwanderung. Nur mit dem Unterschied, daß jetzt Menschenmenge Mitte September in Frankfurt ei­ die Völker nicht wandern, sich aber desto stärker in nen Angriff auf die Nationalversammlung. Die äu• ihren stabilen Wohnsitzen bewegen." ßerste Linke, eine Minorität in der Minorität, ver­ Der Dichter setzte also eine historische Metapher langte nun, daß sich die Gesamtlinke als einzig ein, die das Jahr 1848 mit der Geschichte der Völ• legitime parlamentarische Vertretung der Revolution kerwanderung verbindet, wobei als tertium compa­ konstituiere. Doch die Majorität der Linken, deren rationis der übergeordnete Begriff erscheint: "dieses Hauptsprecher Robert Blum war, einer der be­ regsame, bewegte Leben". Daraus ergibt sich eine kanntesten Abgeordneten in der Paulskirche, er­ Bestimmung von Öffentlichkeit, die lautet: Öffent• teilte dem Vorschlag eine Absage. Ein Abgeordne­ lichkeit ist regsames, bewegtes Leben der Völker, ter der äußersten Linken, der renommierte Dichter ihre Mobilität, bei Stabilität ihrer Wohnsitze. Moritz Hartmann, sah hierin "die tragische Schuld Was sich jedenfalls im Sturmlauf entwickelte, Robert BI ums". Blum wurde zwei Monate später, war eine alle Zeitgenossen selber überraschende am 9. November 1848, auf Befehl des Komman­ Vielfalt von Gestaltungsweisen der Öffentlichkeit, in deurs der konterrevolutionären kaiserlichen Trup­ der Politik, in Presse, Publizistik und den Künsten. pen in der Wiener Brigittenau erschossen, weil er Parteien existierten zwar noch keine. Aber nun während des Kampfs um die Hauptstadt auf Seiten wurden sie dem Wesen nach in ersten Konturen der Verteidiger die Waffen ergriffen hatte. sichtbar, einige nicht gleich so benannt, andere Trotz aller berechtigter Kritik am Wirken der doch schon mit den späteren Namen: Konservative, Paulskirche muß eine Leistung als ihr großes histo­ Liberale, Linksliberale, Demokraten, Sozialdemo­ risches Verdienst anerkannt werden: die Verfas­ kraten, Kommunisten. Die Konservativen und Libe­ sung, die von den Abgeordneten ausgearbeitet ralen zögerten, die Revolution voranzutreiben. Sie wurde, die erste in Deutschland, die einen Grund­ wollten nicht weitergehen, als mit den regierenden rechte-Katalog enthielt. Vorausgesetzt, sie wäre für Fürsten eine Verfassung zu "vereinbaren". "Verein­ dauernd in Kraft gesetzt worden, hätte sie die de­ barung" lautete das Schlüsselwort. Marx spottete, mokratische Entwicklung erheblich gefördert. Ein es gebe zwei Mächte, die auf Souveränität pochten, Beispiel: Die Französische Revolution proklamierte den König und die (preußische) Nationalversamm­ 1791 die uneingeschränkte politische und bürgerli• lung: "Zwei Souveräne!" Als Mittelglied: die Verein­ che Gleichstellung der Juden. ln Preußen gewährte barungstheorie. Klappte es nicht damit, "verwandeln das letzte Reformgesetz Hardenbergs 1812 ihnen sie sich in zwei feindliche Souveräne" und es siege: die Emanzipation, freilich lediglich in beschränktem die Macht. Die Demokraten, damals allgemein als Maße (nach wie vor Ausschluß von allen Staats­ ,die Linke' bezeichnet (Erkennungsfarbe: rot), schwo­ ämtern; Gültigkeit nur für vier preußische Provin­ ren auf die Republik und erstrebten die Verwirkli­ zen). Zudem nahm die Regierung das Edikt wäh• chung der Volkssouveränität. Ihr Programm faßte rend der Restauration großenteils wieder zurück. Malwida von Meysenbug im Rückblick zusammen: Eine wirkliche rechtliche Gleichstellung der Juden in "Die radikale, republikanische Partei wollte entschei­ Deutschland durch Gesetz geschah zweimal: zuerst dende Massregeln: die Erklärung der Grundrechte durch das Paulskirchenparlament (Grundrechts­ des deutschen Volks, die unmittelbare Bewaffnung katalog, 21. Dezember 1848); zweitens durch den aller waffenfähigen Männer und die Permanenz des Norddeutschen Bund (3. Juli 1869). Dennoch führte Vorparlaments, bis ein definitives Parlament vom der Weg Preußen-Deutschlands und Osterreichs Volke erwählt sei. Dies war ein revolutionäres Pro­ die jüdische Bevölkerung in den Holocaust des 20. gramm, die Erklärung der Souveränität des Volks." Jahrhunderts. Weshalb? Marx, Engels und ihre "Neue Rheinische Zeitung" Ludwig Philippson beobachtete 1848: unterstützten in der Revolution die Demokraten und "Wo die Revolution sich zur Anerkennung gebracht stellten aktuelle "Forderungen der Kommunistischen hat, ist die Gleichstellung der Juden sofort erfolgt, ... Partei in Deutschland" auf, die gedacht waren, die wo hingegen die Revolution nur halb durchgedrungen, Entwicklung zur Demokratie zu beschleunigen; so blieb auch die Anerkennung des Prinzips in suspenso."

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Das traf auf Deutschland zu. Die Errungenschaften Posa für die unterdrückten Niederlande Freiheit er­ der nur halb durchgedrungenen Revolution annu l­ bittet und mit dem Zauber se iner schönen Seele so­ lierte die Konterrevolution nach dem Sommer 1849 gar des Despoten Herz bewegt, brach der Jubel in wieder, und mit der Reichsverfassung auch die unbändiger Weise aus." Judenemanzipation. Selbst nach 1869 blieb diese Fanny Lewald blieb skeptisch: Würde sich das ständ ig "in suspenso", in der Schwebe- ungesichert, "öffentliche Leben" in Deutschland wirklich bestän• weil fundamentlos; gefährdet, weil dekretiert wäh ­ dig entwickeln? Feh lte hier doch die Erfahrung der rend einer neuerlichen halben Umwälzung, der von Französischen Revolution von 1789, wodurch die Bismarck geleiteten Revolution "von oben". Dieses Sprache zum "Gemeingut" einer ganzen Nation ge­ Manko gehörte dann in der ersten Hälfte des 20. worden sei. Der radika le Demokrat Fried rich Hecker, Jahrhunderts zu den Voraussetzungen des Geno­ gewiß kein Verächter der Öffentlichkeit, spürte doch, zids, dessen Nachwirkung bis zum heutigen Zeit­ daß eine Öffentlichkeit, die sich in sich selbst er­ punkt anhält. Der Historiker Walter Grab (Tel Aviv) schöpfte, ohne die voranbringende Tat zu erzeu­ resümierte: gen, nicht genügte. So schrieb er in seinem Ab­ "So konnte die Judenemanzipation, die nicht von schied vom deutschen Volke, der als Flugblatt ver­ unten erkämpft, sondern von oben gnädig gewährt breitet wurde, 1848: worden war, von den Nazis zwei Generationen später "Die Menschen machen die Ereignisse, sie fallen ungnädig zurückgenommen werden." nicht vom Himmel; hilf dir selbst, so wird dir Gott hel­ Neben die Nationalversammlung in der Paulskirche fen; helfen kann nur die gewaltige That, die revolutio­ traten überall die regionalen Parlamente (unter Be­ naire Volksthat, nicht das Hoffen und Harren, nicht zeichnungen wie z. B.: "Konstituante"), trat vor al­ papierene Adressen und Petitionen, nicht Fest­ schmause und Toaste, nicht das Singen von Hecker­ lem die unübersehbare Fülle der Vereine und Clubs. liedern und anderen Gesängen, mit bitterem Schmer­ Darunter erstmalig viele Frauenvereine, so in einer ze um Volk, Vaterland und Freiheit, habe ich seit einzigen Stadt wie Harnburg allein circa fünfzehn. Monden am Strande der Verbannung gelegen, und Formen der demokratischen Betätigung in der Öf• zurückgeblickt auf ein bewegtes, thätiges, arbeitsa­ fentlichkeit waren: Banketts, Aufmärsche, Demon­ mes, öffentliches Leben, auf den Strom der Revoluti­ strationen, Freuden- und Trauerfeiern, Protestver­ on, auf welchem ich mit am Ruder gesessen, sehn­ sammlungen, "Wallfahrten" (im Sinne politischer süchtig geharrt auf den Tag, der aus dem verzehren­ Züge zu den Gräbern Gefallener) usw. Zeitungen den Siechthum des Exils mich rufe und Bahn eröffne und Zeitschriften wurden gegründet, darunter man­ schöpferischer Wirksamkeit für die deutsche Repu­ blik. Ich muß ein Feld der schöpferischen Wirksam­ che längst vergessene und einige berühmte wie die keit, der Thätigkeit bauen, ich kann nicht müßig lie­ Neue Rheinische Zeitung, in der einige der renom­ gen, versiechen , verkümmern; ich kann nicht zehren miertesten politischen Dichter wie Ferdinand Freilig­ und glücklich sein in der Feier meines Namens, ich rath und Georg Weerth schrieben. Die Textsürten­ bin von jeher ein Feind von Personalhuldigungen ge­ Mannigfaltigkeit überschritt jedes vorher gekannte wesen, das Volk soll sich nicht an Namen hängen, es Maß. Die Druckerzeugnisse konnten heißen: Pro­ soll sich begeistern, erg lühen für die That der Befrei­ gramm, (Liste mit) Forderungen (Forderungs-Kata­ ung, es sol l handeln, handeln, dann können auch die loge), Öffentliches ,Sendschreiben' , Bekanntma­ Geächteten wieder unter euch treten, wieder mitar­ chung, Proklamation, Rede, Brief, Erklärung, Mani­ beiten zur Errichtung des Freistaats, zur Gründung der deutschen Republik." fest, Aufruf, Resolution, Adresse, Bericht, Statut, Appell, Protest; die gewöhnliche Verbreitungs-Art Die Erinnerung an sein "bewegtes .. . öffentliches geschah durch das Flugblatt und die Zeitung. Es Leben" ist die Erinnerung an seine individuelle Akti­ erschienen Karikaturen in bisher nie gesehener vität vor und während der Revo lution, nicht an das Menge, Bilderbögen, Porträts, gern auch mit den landesweite öffentliche Leben, und doch legte er historischen Größen der Revolution von 1789, in hier nahe, sich die Öffentlichkeit konstituiert zu den­ deren Trad ition man sich sah, Stiche mit Abbildung ken als eine Bündelung aus dem bewegten öffentli• der wichtigsten Vorkommnisse der Revolution, be­ chen Leben der Vielen . sonders der Kämpfe und Fe ldzüge, darunter bis Diese Öffentlichkeit, war sie mit der Niederlage heute oft nachgedruckt: die realistische Graphik von der Revolution 1849 vernichtet? Der Schriftsteller Theodor Hosemann. Schauspiele wurden täglich Georg Ebers hielt im Wilhelminismus, 1893, fest: auf der Bühne gegeben wie in Wien Johann Nestroys "E rst in reiferen Jahren lernte ich erkennen, daß die­ Freiheit in Krähwinkel, das mit dem Kampfruf gegen se Kämpfe, die ich noch sehr viel später von gewis­ die Reaktion endet, vor der man sich nicht fürchten sen Seiten fluchwürdig und einen Schandflecken der dürfe, um sie zu besiegen. Man bejauchzte das preußischen Geschichte nennen härte, vielmehr des Freiheits-Pathos in den Stücken Schillers, wie sie reichsten Dankes der Nation würdig sind. Sie waren jeder Intendant ei lends inszenierte. Malwida von das den Himmel des Völkerglücks klärende Gewitter. ln jenen herrlichen Frühlingstagen ward, gleichviel Meysenbug schrieb: von welchen Händen - und es waren auch die edel­ "Auch im Theater erschienen die Schillersehen Dra­ sten und reinsten darunter - die Würde und Freiheit men wieder, die lange von den deutschen Bühnen des öffentlichen Lebens gesät, deren wir uns jetzt er­ verbannt gewesen waren. Ich wohnte der ersten freuen." Aufführung von Don Carlos bei. ... ln der Scene, wo

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"Das ist noch lang die Freiheit nicht ... . " "Wir sind geschlagen, nicht besiegt, POLITISCHE DICHTUNG DER REVOLUTION in solcher Schlacht erliegt man nicht."

Die politische Dichtung begleitete, wie schon den KONTERREVOLUTION UND Vormärz, so die ganze Revolution von ihren an­ ERLIEGEN DER REVOLUTION fänglichen Höhepunkten bis zu ihren Niederlagen am Ende. Düsteren Ingrimm verrät das Gedicht Geschlagen war die Revolution nicht allein im deut­ Rache! von Ludwig Seeger (1810-1864), worin er schen, sondern im europäischen Maßstab. Die den Zug der Revolution schilderte, die in Berlin ihre Konterrevolution behauptete das Feld mit vornehm­ fast zweihundert Toten der Barrikadennacht auf den lich militärischen Mitteln: ln Frankreich warf im Juni Bahren vor das Angesicht des Königs trug, des 1848 der General der Bourgeoisie, Cavaignac, die "blutigen Tyrannen". aufständischen Arbeiter von Paris nieder, was man An den Vorgang erinnerte noch ein Nachfahre allgemein als Peripetie der europäischen Gesamt­ jenes Blutigen, Kaiser Wilhelm II. Er ging 1905 be­ bewegung bewertete. Mit Heeresmacht beendeten kanntlich mit der Idee um (wörtlich): "die Sozialisten die Armeen der Habsburger die Revolutionen in Ita­ abschießen, köpfen und unschädlich machen". Ein lien, Ungarn, Böhmen, Polen und in der eigenen Jahr zuvor, 1904, hatte er exaltiert ausgerufen: "Ich Hauptstadt, während sie es den Hohenzollern über• habe Rache zu nehmen für 48- Rache!" Dur-Töne ließen, im engeren Reich die ,Ordnung' wiederher­ gebrauchte Ferdinand Freiligrath in seinem Gedicht zustellen (Berlin, Sachsen, Baden). Dabei erwies Schwarz-Rot-Gold (17. 3. 1848): sich Prinz Wilhelm, der spätere Kaiser Willleim 1., "in Kümmernis und Dunkelheit, als erbarmungsloser Henker vieler der tapfersten Da mußten wir sie bergen! Revolutionäre. Nun haben wir sie doch befreit, Und die Ursachen für die Niederlage, die bei der Befreit aus ihren Särgen!" Revolution selber lagen? Sie stellte keine oder zu ("Sie" ist die Fahne.) Doch mischte sich selbst in schwache Armeen ins Feld. Sie blieb politisch zer­ das Dur, einen Tag vor dem Ausbruch in Berlin, ein spalten: die Liberalen fürchteten mehr die Demo­ Moll-Klang, wenn fünfmal der Strophenanfang wie­ kratie als den FürstenklüngeL Sie investierte nicht derkehrte: "Das ist noch lang die Freiheit nicht .... " genügende Energie in ihre Aktivitäten, vor allem Und Fanny Lewaids Optimismus sollte alsbald Lü• weil sie die Gefährlichkeit der Konterrevolution un­ gen gestraft werden. Sie triumphierte (Brief vom terschätzte. 11. April1848): Es ist Ausdruck der oft erörterten Besonderheit "Dennoch ist viel, man möchte sagen, alles gewon­ der deutschen Geschichte, daß es niemals, weder nen, denn wir haben das Assoziationsrecht des Vol­ vor dem März 1848 noch danach, einer einheimi­ kes und die freie Presse." schen Erhebung gelang, als "Revolution von unten" Im Juni 1848 hörte es sich in dem neuen Gedicht die Verhältnisse demokratisch umzugestalten. So von Freiligrath "Trotz alledem" schon bedenklicher verliefen gerade die ausgedehntesten unter diesen an: Bewegungen -der Bauernkrieg, die 48er Revoluti­ on sowie die Revolution von 1918/19 - glücklos. "Ein schnöder, scharfer Winterwind Durchfröstelt uns trotz alledem! Dem Bauernkrieg folgte das Erstarken des fürstli• Das ist der Wind der Reaktion ... " chen Absolutismus, der eine Hauptursache der nationalen Tragödie des 30jährigen Krieges wurde. Dennoch wagte er der Resignation zu widerspre­ Der 48er Revolution folgten eine Reaktionsperiode chen - mit vier Wörtern am Versanfang, die unver­ sowie danach die "Revolution von oben", d. h. die gessen blieben (so daß sie 1989 zitiert wurden ... ): von Bismarck gelenkte preußische Politik der "Wir sind das Volk, die Menschheit wir, Reichseinigung durch "Eisen und Blut", die wieder­ Sind ewig drum, trotz alledem!" um dem 1. Weltkrieg den Weg bereitete. Auf die Groß in ihrer Pathetik waren besonders die anony­ Defizite der Revolution von 1918 geht es zurück, men Lieder, wie sie vielfach zu Ehren der angese­ daß die "Weimarer Republik" sich nie ausreichend hensten Revolutionäre gedichtet wurden, z. B. Fried­ stabilisieren konnte und mit der Abtretung der rich Heckers. Auch zum Andenken an die Opfer, so Macht an den Nationalsozialismus endete. als die Konterrevolution Robert Blum mordete. ln Den Niederlagen der Demokratiebewegung in dem Volkslied: Was zieht dort zur Brigittenau? heißt Deutschland entspricht es, daß die stufenweise der Tote "der Freiheit Fahnenträger". ln Gegensatz Auflösung des Feudalismus - außerdem zuletzt zu den Revolutionären, die man feierte, parodierte ( 1945) die Beendigung der NS-Diktatur- nicht ohne man die parlamentarische Arbeit gern (Herwegh, geistige Ansehübe und kriegerische Intervention als 1848): "Rettung von außen" geschah. (ln der "Rettung von "Im Paria - Paria - Parlament außen" sah Franz Mehring einen Grundvorgang der Das Reden nimmt kein End!" neueren deutschen Geschichte.) Dem Herüber• Der alte Ernst Moritz Arndt (1769-1860), von dem strahlen der Revolutionsideen aus Frankreich seit Geschehenen enttäuscht, dichtete im Mai 1849 1789 und den Erfolgen der französischen Armeen seinen Protest: Aus Frankfurt weg!: antwortete im "Reichsdeputationshauptschluß" (1803) IWK-MITIEILUNGEN 3/1998 die Aufhebung der mittelalterlichen Reichsverfas­ der Revolutionäre nie in Vergessenheit geriet, sorg­ sung. Der Katastrophe Preußens in der Schlacht ten last but not least die Schriftsteller. Zur 25. Wie­ bei Jena (1806) durch die Waffen Napoleons ant­ derkehr der Revolution verfaßte Georg Herwegh worteten die ,Preußischen Reformen'. Den Forde­ sein Gedicht: Achtzehnter März und erinnerte dar­ rungen der Kriegsgegner im 1. Weltkrieg, insbeson­ an, daß die Epoche der Revolutionen noch nicht dere des US-Präsidenten Wilson, antworteten die vorüber sein mußte: Revolution von 1918 und die Weimarer Republik, "Achtzehnhundertsiebzig und drei, das zweite Demokratie-Experiment auf deutschem Reich der Reichen, da stehst du, juchhei! Boden, nach dem ersten 1848/49. Und ohne den Aber wir Armen, verkauft und verraten, Sieg der alliierten Truppen im 2. Weltkrieg wäre die Denken der Proletariertaten - Errichtung der demokratischen Ordnung seit 1945 Noch sind nicht alle Märze vorbei, unmöglich gewesen. Achtzehnhundertsiebzig und drei." Die nachrevolutionäre Periode nach 1849, der "Nachmärz", zeigt jedoch auch deutlich: Das Kon­ LITERATUR: fliktpotential bestand fort. Das Ende der Erhebung war nicht zugleich das Fertigwerden mit den öko• Ebers, Georg: Die Geschichte meines Lebens. Vom Kind nomischen, politischen und ideologischen Tenden­ zum Manne (1893). ln: Ausgewählte Werke. Band 10. zen der umfassenderen Doppelrevolution. Sie wur­ Stuttgart den von einzelnen Trägern und Trägergruppen wei­ Feudel, Werner (Hg.): Morgenruf Vormärzlyrik 1840- tergeführt: Konservative a Ia Bismarck sowie der 1850. Leipzig 1974 liberale Deutsche National-Verein (1859-1867) er­ Grab, Waller: Der deutsche Weg der Judenemanzipation 1789-1938. München 1991 strebten die Lösung des Problems der deutschen Hartmann, Moritz, in: Bayer, H. (Hg.): Das Jahr 48. Ein Einheit (drei Einigungskriege, 1864-1871 ). Die de­ Buch der Erinnerung. Gütersloh 1948 mokratischen Bestrebungen, zunächst äußerst Kaiser, Bruno (Hg.): Die Achtundvierziger. Ein Lesebuch geschwächt, traten erneut auf, in Form neu gegrün• für unsere Zeit. 11 Berlin 1973 deter Parteien, ferner in der Bewegung der Arbeiter Lewald, Fanny: Erinnerungen aus dem Jahre 1848. Her­ (Ferdinand Lassalle; Gründung des Allgemeinen ausgegeben von Dietrich Schaefer. Frankfurt/M. 1969 Deutschen Arbeitervereins, 1863) und der Frauen Meysenbug, Malwida von: Memoiren einer ldealistin. (Louise Otto-Peters; Gründung des Allgemeinen 3 Bände. Berlin-Leipzig, o. J. Deutschen Frauenvereins, 1865). Bereits in den diess.: Gesammelte Werke (1 922) Nestroys Werke in 2 Bänden. Ausgewählt von P. Rei­ Personen bestand die Verbindung zur Revolution mann, 3Berlin 1969 von 1848 fort, hatten Lassalle und Louise Otto­ Philippson, Ludwig, in: Grab, Waller Peters sich doch, vorwiegend journalistisch oder Steinitz, Wolfgang (Hg.): Deutsche Volkslieder demokra­ agitatorisch, an ihr beteiligt. tischen Charakters aus sechs Jahrhunderten. 2 Bän• Dafür, daß das Andenken der Revolution und de. Berlin 1979

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ALAIN RUIZ DEUTSCHE POLITISCHE EMIGRANTEN IN PARIS ZUR ZEIT DER REVOLUTION VON 1848

Am Vorabend der Revolution, die im Februar 1848 ler Friedrich Wilhelm Martensteig, der seit 1838 das in Paris ausbrach, bildeten die Deutschen die bei Pariser Atelier des erfolgreichen Historienmalers weitem bedeutendste Ausländerkolonie innerhalb Paul Deiaraehe besuchte, auf der Leinwand festge­ der dortigen Bevölkerung, die rund eine Million halten. Augenzeuge der Pariser Straßenkämpfe war Seelen zählte. Ihre Zahl, die seit 1830 ständig ge­ auch der durch Illustrationen der romantischen Lite­ stiegen war, belief sich damals auf rund 60.000. ratur bekannte deutsche Künstler Tony Johannot. Dabei handelte es sich zumeist um politische Ihm verdankt man ebenfalls ein Gemälde, auf dem Flüchtlinge wie auch um Intellektuelle, Journalisten ein junger Aufständischer zu sehen ist, der schwer und Schriftsteller, die das Vormärz-Deutschland verletzt auf dem Bürgersteig hinter einer Barrikade verlassen hatten, weil sie ihre Arbeit nicht mehr mit liegt und mit seinem Blut das letztlich nicht eingelö• den dortigen politischen Zuständen, insbesondere ste Ideal der 1848er Revolution an die Mauer mit der Zensur, vereinbaren konnten. Die überwälti• schreibt, an der er halb lehnt: ,,Vive Ia Republique gende Mehrheit dieser Emigranten (über 95%) bil­ democratique et sociale, Ia famille ... " deten aber Handwerker und Arbeiter, die in Frank­ Ein literarisches Pendant zu diesen Barrikaden­ reich die wirtschaftliche Existenzbasis aufzubauen bildern von Martensteig und Johannot bildet der suchten, die ihre Heimat ihnen verweigerte. Unter Augenzeugenbericht des viel berühmteren Paris­ ihnen befanden sich viele Schuhmacher, Flickschu­ Deutschen Heinrich Heine, der dem Ruf der in der ster, Schneider, Tischler, Druckergesellen sowie Julirevolution von 1830 neugeborenen französi• auch Tagelöhner, die alle wie ihre französischen schen Freiheit gefolgt war und seitdem an den Kollegen zumeist in mehr oder weniger ärmlichen Ufern der Seine im Exil lebte. Der Dichter, der An­ Verhältnissen lebten und deshalb der triumphieren­ fang 1848, gesundheitlich schon schwer angegrif­ den Bourgeoisie der Juli-Monarchie gegenüber ein fen, in einer Heilanstalt in Behandlung war, befand Klassenbewußtsein entfalteten, aus dem eben da­ sich am 23. Februar auf dem Weg zum Abendes­ mals die erste internationale proletarische Bewe­ sen mit seinem Arzt, als seine Kutsche von Auf­ gung entstand. ständischen angehalten wurde, und er aussteigen Wie in der Schweiz, Belgien und England waren mußte. viele dieser Frankreich-Deutschen Mitglieder links­ "Ich hatte einen guten Platz, um der Vorstellung bei­ orientierter Geheimbünde, die die Polizei zu Recht zuwohnen, ich hatte gleichsam einen Sperrsitz, da als politisch gefährlich betrachtete. Aus diesen Ver­ die Straße, wo ich mich zufällig befand, von beiden einigungen, deren erste zu Beginn der 30er Jahre Seiten durch Barrikaden gesperrt wurde. Nur mit Mü• gegründet wurde, ging schließlich um die Mitte der he konnte man mich wieder nach meiner Behausung 40er Jahre der "Bund der Kommunisten" hervor, bringen", den Karl Marx und Friedrich Engels von Belgien berichtete Heine einige Tage später in einem Artikel beziehungsweise England aus leiteten. Bei der an die Augsburger Allgemeine Zeitung. "Die Todes­ Kampfstimmung, die in diesen Kreisen herrschte, ist verachtung, womit die französischen Ouvriers ge­ es nicht verwunderlich, daß sich manche Paris­ fochten hatten", ihre "Heldentaten" erfüllten ihn mit Deutsche nachweislich an den revolutionären Vor­ um so größerem Erstaunen, als der "Tapferkeit" die gängen vom 22., 23. und 24. Februar 1848 betei­ "Ehrlichkeit" gleichkam, "wodurch jene armen Leute ligten, die den Bürgerkönig Louis-Philippe vom in Kittel und Lumpen sich auszeichneten". Heine Throne fegten. schreibt: ln der anonymen Masse der Akteure jener histo­ "Die Reichen waren nicht wenig darüber erstaunt, rischen Tage ist zumindest eine deutsche Gestalt daß die armen Hungerleider, die während drei Tagen identifizierbar, nämlich Eduard Rauch, ein aus in Paris herrschten, sich doch nie an fremdem Ei­ Mühlhausen gebürtiger Malergeselle, der in deut­ gentum vergriffen .. . Zerstört ward vieles von der schen Polizeiakten auch als Schriftsetzer aus Of­ Volkswut, zumal im Palais-Royal und in den Tuileri­ fenburg bezeichnet wird. Seit Mitte der 30er Jahre en. Geplündert ward nirgends. Nur Waffen nahm Mitglied des Pariser "Deutschen Volksvereins" und man, wo man sie fand, und in jenen königlichen des "Bundes der Geächteten", starb er am 27. Fe­ Paliästen ward auch dem Volk erlaubt, die vorgefun­ bruar 1848 in Paris an den Folgen einer Lungen­ denen Lebensmittel sich zuzueignen." entzündung, die er sich während des Aufstandes Rund zehn Tage nach diesen Ereignissen war dem zugezogen hatte. kranken Dichter der Kopf noch ganz "betäubt" vom ln der Nacht vom 23. zum 24. waren auf den Revolutionslärm. Wie er schreib: Straßen von Paris jene Barrikaden errichtet worden, "Beständig Getrommel, Schießen und Marseillaise. die zum Symbol des Sturmjahres 1848 wurden. Letztere, das unaufhörliche Lied, sprengte mir fast Eine von ihnen hat der aus Sachsen gebürtige Ma- das Gehirn."

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Indessen war aber für den aufmerksamen Beob­ Hauptinitiator Adalbert von Bornstedt ein e äußerst achter des politischen Lebens in Frankreich , der er fragwürdige Gestalt war. Dieser Sproß eines alten seit beinahe zwei Jahrzehnten war, der Zeitpunkt altmärkischen Adelsgeschlechts, der wahrschein­ gekommen, die erste Bilanz der "drei großen Fe­ lich wegen einer Sittenaffäre aus der preußischen bruartage" zu ziehen. Armee, dann zu Beginn der 30er Jahre wegen einer Am 24. hatte das Pa ri ser Volk die Abdankung Geld affäre aus der französischen Fremdenlegion in des Königs Lo uis-Philippe erzwungen, der sich noch Algerien entlassen worden war, hatte sich in Paris auf der Flu cht nach Eng land befand, als die Repu­ niedergelassen und als Informant für den österrei• blik gleich am Nachmittag jenes denkwürdigen Ta­ ch ischen, französischen und preußischen Geheim­ ges im Pariser Rathaus ausgerufen und ein e provi­ dienst gearbeitet. 1844 gehörte er neben Karl Marx, sorische Reg ierung gleichsam improvisiert wurde, Friedrich Engels, Heine, Arnold Ruge und noch bestehend aus gemäßigten Rep ublikanern wie La­ anderen zu den Mitarbeitern des VonNärts, des martine und Soziali sten wie Louis Blanc und Ledru­ ersten Organs der deutschen Frühkommun isten, Ro llin. Heine bemerkt: das im Winter 1844/45 von der französischen Re­ "Die Wahl der provisorischen Regierung war ... ein gierung verboten wurde. Wie Marx suchte von Werk des Zufall s. Für Frankreichs Heil ist aber diese Bornstedt nach se in er Ausweisung aus Frankreich Wahl sehr gut ausgefallen. Das Volk, das große Wai­ in Belgien Zuflucht, gründete dort im März 1845 die senkin d, hat dieses Mal sehr gute Nummern aus dem Deutsche Brüsse/er Zeitung, die Marx und Engels Glückstopf gezogen. Lauter Treffer! Welch ein schö• für die Interessen der sich organisierenden interna­ ner Verein von wackern un d begabten Männern, alle tionalen Demokraten- und Arbeiterbewegungen ein ­ durchglüht von weltbürgerlicher Menschenliebe! setzten, und wandte sich nach seiner Ausweisung Tapfere Pa ladine des Friedens, wahre Ritter der Hu­ aus Belgien im März 1848 wieder nach Paris, wo er, manität, ein e Tafelrunde, als deren lorbeergekröntes wie schon gesagt, jene "Deutsche demokratische Haupt Herr de Lamartine zu betrachten ist." Gesell schaft" ins Leben rief, zu deren Vorsitzendem Trotzdem war Heine nicht mit grenzenlosem Opti­ und Sprecher der schwäbische Dichter Georg Her­ mismus erfüllt. Zu Recht warf er der neuen franzö­ wegh von einigen Hunderten von Landsleuten ge­ sischen Reg ierung "Mangel an Homogenität" vor wählt wurde. und glaubte nicht, daß sie in der Lage se in werde, Herwegh, der seit dem Herbst 1843 als politi­ die schwierigen politischen und sozialen Probleme scher Emigrant in Paris lebte, war 1841 als Autor Frankreichs zu bewältigen. Wie konnte vor allem der von Freiheitsbegeisterung überschäumenden der Gegensatz überwunden werden zwischen der Gedichte ein es Lebendigen, die ihm von Heine den unter der Julimonarchie in ihren wirtschaftlichen und Eh rennamen "eiserne Lerche" einbrachten, schlag­ ideologischen Positionen erstarkten Bourgeoisie artig berühmt geworden. Mit dem ihm eigenen Pa­ und dem Proletariat, das zum ersten Mal in der thos verfaßte er im Namen se iner Landsleute in Februarrevolution mit selbständigen Forderungen Paris ein e flammende Grußadresse an die proviso­ aufgetreten war? rische Reg ierung der französischen Republik, die ln den Tagen nach dem Sieg des Pariser Volkes die Stimmung der Mehrza hl der deutschen Emi­ wiegten sich jedoch viele progressive Deutsche in granten wiedergab und in einer Versammlung, die der Illusion, es wäre nun der "Völkerfrühling" ange­ an die viertausend Teiln ehmer zä hlte, gutgeheißen brochen, den der bereits elf Jahre zuvor im Pariser wurde. Es hieß darin: Exil verstorbene demokratische Pub lizist Ludwig "Der Sieg der Demokratie für ganz Europa ist ent­ Börne schon 1818 prophezeit hatte. Bestätigt hatten schieden. Gruß und Dank vor allem Dir, französi­ sich im Februar 1848 die Worte, mit denen er den sches Vo lk! ln drei großen Tagen hast Du mit der al­ berühmten Aufstand der Lyoner Seidenweber von ten Zeit gebrochen und das Banner der neuen auf­ 1832 kommentiert hatte: gepflanzt für alle Völker der Erde. Du hast endlich den Funken der Freiheit zur Flamme angefacht, die "Es ist wahr, der Krieg der Armen gegen die Reichen Licht und Wärme bis in die letzte Hütte verbreiten hat begonnen, und wehe jenen Staatsmännern, die so ll. Die Stimme des Volkes hat zu den Völkern ge­ zu dumm oder zu schlecht sind, zu begreifen, daß sprochen und die Völker sehen der Zukunft freudig man nicht gegen die Armen, sondern gegen die Ar­ entgegen. Vereint auf einem Schlachtfeld treffen sie mut zu Felde ziehen müsse." zusammen , zu kämpfen den letzten unerbittlichen Aber verständlich ist die Euphorie, in der nicht zu­ Kampf für die unveräußerlichen Rechte jedes Men­ letzt die meisten deutschen Frankreich-Emigranten schen ." nach dem Sturz des bourgeoisen Ju li königtums Daraufhin fand am 8. März, wie die Baseler Natio­ schwelgten und dabei die von Ludwig Börne vor­ nal-Zeitung in einer ausführlichen Schilderung be­ hergesagten schwarzen Wolken, die Heine nun sich richtete, ein e "wahrhaft erhebende und imposante deutlich am Himmel abzeichnen sah, aus den Au­ Manifestation der deutschen Bevölkerung von Pa­ gen verloren. ris" statt. Wie auch der Schriftstell er Georg Weerth, Anfang März 1848 entstand in der von der ge­ der ins Komitee der deutschen demokratischen lungenen Revolution erzeugten Aufbruchsstimmung Gesell schaft gewählt worden war, erzählt: erfü llten französischen Hauptstadt die sogenannte "Am Mittwoch versammelten sich nun all e deutschen "Deutsche demokratische Gesellschaft", deren Demokraten auf dem Caroussei-Piatz. 7000 Mann

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trafen ein, zu vier und vier bildeten sie einen Zug, die auch tausend Schwierigkeiten zu übersteigen sind - schwarzrotgoldene Fahne und die Trikolore wehten alles vereinigt sich, um den Triumph zu sichern. vornan, und so schritten wir den Quai der Seine hin­ Ich sitze jetzt im Palais de Ia Liberte (früher Palais­ ab nach dem Hotel de ville [Rathaus], um dem provi­ Royal) im Cabinet Valois, ein Zwanzig Zeitungs­ sorischen Gouvernement unsere Adresse zu überrei• schreiber um mich herum. Von der Tätigkeit, die jetzt chen. 500 Sänger an der Spitze unsres Zuges san­ hier herrscht, macht man sich keinen Begriff. gen französische und deutsche Lieder. Das Komitee Lies die Zeitungen genau - sie sind jetzt des Lesens verließ nun vor dem Hotel de ville die Masse, und wir wert. Glaube aber den deutschen Verdächtigungen wurden von [den französischen Ministern] Ledru­ nicht. Diese Revolution wird die Gestalt der Erde än• Rollin, Cremieux und Dupont de I'Eure im großen dern- und das ist auch nötig. Vive Ia Republique!" Saale empfangen. Herwegh las unsre Adresse vor, Trunken von diesem Freiheitsenthusiasmus schloß und Cremieux antwortete in wahrhaft ergreifender sich Weerth als einer der ersten den Vorbereitun­ Weise. Man bat sich dann unsre Fahnen als Ge­ schenk zum Andenken aus, um sie gleich den ameri­ gen für die abenteuerliche Unternehmung an, mit kanischen und andern Flaggen im Heiligtum der Re­ der der Name Georg Herweghs verknüpft geblieben publik aufzuhängen, und wir schieden dann von je­ ist, nämlich die Bildung einer deutschen Legion, die nen großen Revolutionshelden mit herzlichem Hän• sich die bewaffnete Hilfe für die Schaffung einer dedruck, während eine zahllose Masse Menschen deutschen Republik zum Ziel setzte. Wie viele an­ uns auf unserm Heimweg mit Jubel begleitete und dere Emigranten glaubte der heißblütige Dichter, ,Vive I'AIIemagne! Vive Ia Republique!' rief. Gegen der seit Jahren von den deutschen Realitäten ab­ Abend trafen wir an der [1840 zum Andenken an die geschnitten lebte, für diese Aufgabe genüge eine Revolution von 1830 auf dem Bastilleplatz errichte­ Handvoll entschlossener Männer. Eine Illusion, die ten] Julisäule ein und feierten dort den Schluß eines um so größer war, als der revolutionäre Funke von der schönsten Tage, welche ich je erlebt habe." Frankreich auf Deutschland übergesprungen war. Der Pfarrerssohn Georg Weerth, den Friedrich En­ Seit Ende Februar war es tatsächlich überall in gels den .,ersten und bedeutendsten Schriftsteller den Mittel- und Kleinstaaten des Deutschen Bundes des deutschen Proletariats" nannte, hatte in Eng­ zu Volksdemonstrationen gekommen, die die Für• land, wo er seit 1843 in einem Textilunternehmen stenregierungen zu Konzessionen zwangen - so in als kaufmännischer Angestellter arbeitete, das Elend Sachsen, Hannover, Hessen, Württemberg und Ba­ der Arbeiter kennen gelernt und sich unter diesem den. Am 13. März brach die Revolution in Wien aus, Eindruck zum sozialkritischen Schriftsteller entwik­ am 18. in Berlin. An allen Orten gärte es mehr denn kelt. Schon 1845, wo er an der Deutschen Brüsse• je, kurz, die allgemeine Lage Deutschlands konnte, /er Zeitung mitzuarbeiten anfing, schrieb er: aus der Ferne gesehen, um so reifer für einen de­ .,Ich gehöre zu den Lumpen-Kommunisten, welche mokratischen Umbruch erscheinen, als das Wiener man so sehr mit Kot bewirft und dessen einziges Volk den verhaßten Staatskanzler Metternich - Verbrechen ist, daß sie für Arme und Unterdrückte zu .. Fürst Mitternacht", wie ihn Heine nannte-, der seit Felde ziehen und den Kampf auf Leben und Tod füh• 1815 über ganz Mitteleuropa den unheimlichen ren." Schatten der Reaktion gebreitet hatte, zur Flucht ge­ Als am 24. Februar 1848 die Revolution in Paris zwungen hatte. Dem Rechtsanwalt Friedrich Heckert, ausbrach, weilte Weerth in Brüssel, wo er mit Marx der Anfang April den republikanischen Aufstand in freundschaftlich verkehrte. Auf die ersten Nachrich­ Baden auslösen sollte, schrieb Herwegh Mitte März ten hin eilte er in die französische Hauptstadt. Von von Paris aus: dort schrieb er am 11. März an seine Mutter in Det­ .. Die hiesigen Deutschen fangen an, sich zu organi­ mold: sieren und zu bewaffnen, und es ist Hoffnung vor­ .,Nach einer mühseligen, oft unterbrochenen Tour handen, in kurzer Zeit ein Korps von 4-5000 Mann langte ich in der Nacht hier an, es war am Mittwoch in eingeübt und mit Offizieren versehen zur Disposition Deutschlands bereit zu haben, welches auf das erste den letzten Tagen des Februars. Alle Barrikaden standen noch, die Wachtfeuer brannten, und die Na­ Signal von draußen, daß die Hilfe einer disziplinierten tionalgarde marschierte an allen Ecken." deutschen Armee nötig oder gewünscht wird, an den bezeichneten Ort marschiert." Voller Begeisterung stürzte sich Weerth sofort in So entstand also an den Ufern der Seine jene den Trubel der Ereignisse und beteiligte sich eifrig .. Deutsche demokratische Legion", deren Leitung an den Aktivitäten der .. Deutschen demokratischen Herwegh mit den Worten übernahm: Gesellschaft". Er schrieb an seine Mutter: .. Wir verlangen die schleunigste Abschaffung der .,0 liebe Mutter! Ich kann Dir nicht sagen, was ich hier Monarchie für ganz Deutschland .... Die Republik ist seit vierzehn Tagen gesehen und gehört habe! So für uns eine Gewissenssache, eine religiöse Angele­ etwas läßt sich nicht wiedererzählen, man muß dabei genheit." gewesen sein, um zu begreifen, wie man auf offener Oder auch, wie er in einem Aufruf vom 23. März in Straße vor Freude weinen kann! Eines der schönsten Völker der Weit hat sich in drei Tagen seine Freiheit einer Schweizer Zeitung nicht minder großspurig wieder erobert und den niederträchtigsten aller ge­ erklärte: krönten Schufte, samt seiner Clique, mit Stumpf und .. Mit Wort und Tat werden wir wirken, und wenn die Stiel vernichtet. Was bedarf es weiter der Worte Zeit des Handeins da ist, und sie ist bald da, handeln, noch? Ganz Frankreich ist für die Republik, und ob handeln, mit den Waffen in der Hand!"

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Neben Herwegh nahmen zwei andere Männer Deutschlands eine Invasion hineinzutragen, die die maßgeblichen Anteil an der Organisierung der Le­ Revolution zwangsmäßig von außen importieren soll­ gion, nämlich der ehemalige preußische Offizier te, das hieß, der Revolution in Deutschland selbst ein Adalbert von Bornstedt, von dessen dubioser Lauf­ Bein stellen, die Regierungen stärken und die Legio­ bahn schon die Rede war, und der nicht weniger näre selbst ... den deutschen Truppen wehrlos in die Hände liefern." zwielichtige Hamburger Karl Börnstein. Zusammen mit seinem Bruder Heinrich, einem Abenteurer Tatsächlich machte ein e von Marx, Engels, Schap­ schweren Kalibers, der abwechselnd als Korporal in per, Bauer, Moll und Wolff gezeichnete Erklärung der österreichischen Armee, Schauspieler, Regis­ offiziell bekannt, daß die kommunistische Arbeiter­ seur und Journalist Europa durchzogen hatte, hatte organisation nichts mit der Gesellschaft gemein Karl Börnstein im Jahre 1843 das sogenannte "Cen­ habe, tralbureau für Commission und Publicität, commer­ "d ie sich Deutsche Demokratische Gesell schaft in ciellen und geselligen Verkehr zwischen Deutsch­ Paris nennt und unter der Leitung der Herren Her­ land und Frankreich" - die erste deutsche Pressea­ weghundvon Bornstedt steht." gentur - und ein Jahr später die frühkommunisti­ Diese klare öffentliche Stellungnahme trug nicht sche Zeitung Vorwärts in Paris gegründet. Von ihm, wenig dazu bei, den Zu lauf, den die sich organisie­ Herwegh und Bornstedt eifrig propagiert, fand der rende Legion erhielt, weitgehend einzuschränken. Gedanke eines demonstrativen Kriegszuges nach Sogar Männer, die sich zuerst für den geplanten Deutschland nicht nur unter den deutschen Emi­ Zug nach Deutschland entflammt hatten, kehrten ihr granten in Paris großen Zuspruch. Auch aus ande­ nun den Rücken . So Georg Weerth und Ernst Dron­ ren Ecken eilten deutsche Demokraten herbei, um ke, ein anderes Mitglied des Kommunistenbundes, sich der Expedition anzusch ließen. So der spätere der zusammen mit Engels aus Brüssel, wo er nach prominente Sozialistenführer Wilhelm Liebknecht seiner Flucht aus preußischer Festungshaft Zu­ Damals erst 22-jährig, aber schon ein überzeugter flucht gefunden hatte, in den ersten Märztagen Kommunist, der eben deswegen in die Schweiz nach Paris gekommen war und anfangs den Orga­ hatte emigrieren müssen, kam er aus Zürich nach nisatoren der Legion tatkräftig zur Seite gestanden Paris und meldete sich bei der Herweghschen Le­ hatte. gion, der er jedoch wegen Krankheit nicht folgen Herwegh hatte ursprünglich auf vier- bis fünftau• können sollte. Die gleiche Begeisterung teilte an­ send Mann gerechnet; nur rund siebenhundert fangs, wie bereits erwähnt, Georg Weerth , der sich überschritten schließlich am 24 . April den Rhein bei ebenfalls schließlich, wenn auch aus anderen Straßburg, um den aufständischen Republikanern Gründen, nicht an der Exped ition beteiligen sollte. in Baden Hilfe zu bringen. Mochten manche von Zwar hielt es Weerth noch Ende März, wie er ihnen auch auf den Pariser Februarbarrikaden ge­ schrieb, kämpft haben, ihre militärische Erfahrung war nicht "für ein e wahre Schande, jetzt gesund zu Hause zu viel größer als die ihres Führers Herwegh. Die Ex­ sitzen, während sich andere für das Heil der Weit pedition war daher von vornherein zum Scheitern sch lagen müssen". verurteilt. Als die Legion am 27. April bei Dossen­ Indessen aber waren aus Brüssel, von wo sie aus­ bach auf eine Kompanie württembergischer Regie­ gewiesen worden waren, beziehungsweise aus rungstruppen stieß, fielen etwa ze hn ihrer Angehö­ Eng land seine Freunde Marx, Engels und mehrere rigen, an die vierhundert gerieten in Gefangen­ andere Mitglieder des Bundes der Kommunisten in schaft, der Rest floh. Herwegh und seine Frau Em­ Paris eingetroffen. ma, die in Samthosen und -jacke, mit einem Hirsch­ Ganz anders beurteilten sie Herweghs Vorha­ fänger im Gürtel, ihren Mann begleitet und Kund­ ben, wenn auch dem künftigen Autor des Kapitals schafterdienste geleistet hatte, konnten in Verklei­ der Gedanke, daß Revolutionen die "Lokomotive dung in die Schweiz entkommen. der Geschichte" seien, schon mehr als vertraut war. So bestätigte der kläg li che Ausgang des Feld­ Für ihn stand aber eben so fest, daß die der kapita­ zuges die Diagnose von Marx, der gleich nach sei­ listischen Gesell schaft innewohnenden Widersprü­ ner Ankunft in Paris Anfang März sich zusammen che zum "Eklat" führen müßten , d. h. zur po litischen mit seinen Kampfgefährten daran gemacht hatte, Revolutio n, die zwangsläufig die "Diktatur des Pro­ den Bund der Kommun isten zu reorganisieren, von letariats" als Voraussetzung für die Geburt der dem Friedrich Engels damals sagte: "klassenlosen Gesellschaft" nach sich ziehen wer­ "Mit dem Bund geht's hier miserabel. Solche Schlaf­ de. Indessen schienen ihm die deutschen Massen mützigkeit und kle inliche Eifersucht der Kerls unter­ für die totale Mobilmachung, die eine solche Um­ einander ist mir nie vorgekommen .... Die einen sind wälzung erforderte, noch nicht reif genug. Deshalb echte Straubinger, alternde Knoten, die anderen an­ trat er mit seinen Gesinnungsgenossen Herweghs gehende Kleinbürger." Vorhaben, das, wie er meinte, die rea len Verhält­ Um dem Übel abzuhelfen, wurde eine neue Zen­ nisse verkannte, entschlossen entgegen. Wie En­ tralbehörde des Kommunistenbundes gebildet, de­ gels später schrieb: ren leitender Ausschuß sich aus Marx, Engels und "Wir widersetzten uns dieser Revolutionsspielere i vier anderen Sch lü sselfiguren in ihrer Bewegung aufs entschiedenste. Mitten in die damalige Gärung zusammensetzte. Auch diese vier Männer lebten

12 IWK-MITTEILUNGEN 3/1998 seit mehr oder weniger langer Zeit im Exil und wa­ 1848/49 lieferte er der Neuen Rheinischen Zeitung ren wie Marx und Engels unter dem Eindruck der über 170 Artikel, die die politischen Entwicklungen Februarrevolution entweder aus Belgien oder aus in Frankreich höchst informativ schildern. England nach Paris gekommen. Es waren dies der "Der rote Wolff' war eng liiert mit dem Danziger schlesische Bauernsohn und ehemalige Burschen­ Arzt Hermann Ewerbeck, der seit Anfang der 40er schafter Wilhelm Wolff, dem Karl Marx das Kapital Jahre die wichtigste Figur im deutschen "Bund der widmen sollte, der Hesse Carl Schapper, der be­ Gerechten" in Paris gewesen, 184 7 dem Bund der reits mit 21 Jahren ein bewegtes Wanderleben als Kommunisten beigetreten und im März 1848 Schrift­ Handwerker und politischer Flüchtling hatte führen führer der von Herwegh präsidierten "Deutschen müssen, der aus Köln gebürtige Uhrmachergeselle demokratischen Gesellschaft" geworden war. Auch Joseph Moll, der neben Schapper der Führer des er wirkte von Paris aus an der Neuen Rheinischen Bundes in England war, und der Schuhmacherge­ Zeitung mit. selle Heinrich Bauer, der sich nach seiner Verhaf­ Die Februarrevolution, die Ewerbeck wie so tung durch die Pariser Polizei im März 1842 zu zahlreiche andere Deutsche also an Ort und Stelle Schapperund Moll in London gesellt hatte. unmittelbar miterlebte, hatte in Paris, wie wir gese­ Diese sechs Männer sind es, die unter Mithilfe hen haben, eine deutsch-französische Verbrüde• des aus Mainz stammenden Schriftsetzers Karl rungsbewegung ausgelöst, die die provisorische Wallau, der zu den wichtigsten Mitgliedern des Regierung der französischen Republik dazu bewog, Bundes in Brüssel zählte, die berühmten "17 Forde­ die Situation einer ganzen Reihe von Emigranten, rungen der kommunistischen Partei" ausarbeiteten die bis dahin in Frankreich nur geduldet worden und am 5. April 1848 gemeinsam unterzeichneten. waren beziehungsweise im Untergrund gelebt hat­ Die wesentlichsten Forderungen, von denen viele ten, zu legalisieren. So erwarb Ewerbeck am 19. später Allgemeingut der sozialistischen Programme April 1848 die französische Staatsbürgerschaft; wurden, waren: Staatliche Einheit in einer unteilba­ ebenso der Mainzer Karl Ludwig Bernays, der seine ren deutschen Republik, allgemeine Volksbewaff­ Vornamen in Charles-Louis umänderte, die endgül• nung und unentgeltliche Volkserziehung, entschä• tig seinen ursprünglichen Vornamen Lazarus er­ digungslose Abschaffung der Feudallasten, starke setzten, den er bei dem Übertritt seiner Familie vom Progressivsteuern, Besoldung der Volksbeamten Judentum zum Christentum aufgegeben hatte. Die­ sowie Verstaatlichung aller Transportmittel, Berg­ ser brillante Publizist, der am Vorwärts und an der werke und fürstlichen und feudalen Landgüter. Als Deutschen Brüsse/er Zeitung mitgewirkt hatte, Motto diente die berühmte Parole: "Proletarier aller stellte sich nun in den Dienst des französischen Länder vereinigt euch!", die dem von Marx und Außenministeriums, und es war ein Zeichen des Engels verfaßten Manifest der kommunistischen von Heine gerühmten weitherzigen Kosmopolitis­ Partei entlehnt war. Tausend Exemplare davon wa­ mus der provisorischen Regierung, daß sie ihn als ren gleichzeitig mit ihnen aus London, wo die Schrift außerordentlichen Kommissar der französischen Ende Februar erschienen war, in Paris eingetroffen. Republik von April bis Oktober nach Frankfurt und Auf dieser Grundlage war also nun das revolutionä• Wien schickte. Auch Heinrich Börnstein, der am 6. re Aktionsprogramm klar definiert, das Marx und Mai 1848 die französischen Staatsbürgerschaft seine Genossen nach ihrem Weggang von Paris erhielt, trat in den Dienst des Französischen Au­ Anfang April mit Hilfe der von ihnen in Köln gegrün• ßenministeriums, dem er von Juni bis Dezember deten Neuen Rheinischen Zeitung, deren erste über die Ereignisse in Deutschland in seinem hand­ Nummer am 1. Juni herauskam, in Deutschland zu geschriebene Bulletin des nouvelles d'AIIemagne propagieren suchten. berichtete. Dieses "Organ der Demokratie", wie der Unter­ Seit Anfang März herrschte jenseits des Rheins titel lautete, brachte selbstverständlich viele Artikel größte Unruhe. Mit höchster Spannung verfolgten über das politische Geschehen in Deutschland, das die Deutschen aber auch die Vorgänge in Frank­ damals im Zeichen der am 18. Mai eröffneten De­ reich. Diese Spannung war von Anfang an so groß, batten der Nationalversammlung in der Frankfurter daß manche liberal gesinnte Deutsche dem Drang Paulskirche stand. Es bot aber auch dem Lesepu­ nicht widerstehen konnten, sich an Ort und Stelle zu blikum viele Berichte aus erster Hand über die Vor­ begeben, um die Resultate und Weiterentwicklung gänge in Frankreich. Das Kölner Redaktionskomi­ der Februarrevolution aus nächster Nähe zu beob­ tee, dem Georg Weerth als Leiter des feuilletonisti­ achten. So tauchten wie schon zur Zeit der Revolu­ schen Teils angehörte, verfügte nämlich über einen tionen von 1789 und 1830 in Paris deutsche "Frei­ ständigen Pariser Korrespondenten, Ferdinand heitspilger" auf, unter denen die Romanschriftstelle­ Wolff, den "Roten" oder "Lupus" genannt, einen rin Fanny Lewald, eine konvertierte Jüdin aus einer Kölner Juden, der sich 1836 als Sprachlehrer und angesehenen Königsberger Kaufmannsfamilie, her­ Übersetzer in der französischen Hauptstadt nieder­ vorragt. gelassen hatte und im Herbst 1846 nach Brüssel Diese überzeugte Liberale, deren Feminismus gezogen war, um Anfang März 1848 zusammen mit von den Werken des "Jungen Deutschland" stark Marx, mit dem er sich dort befreundet hatte, nach geprägt war, weilte in Oldenburg, als sie die ersten Paris zurückzukehren. Von Juni bis zum Winter Nachrichten von der französischen Februarrevoluti- IWK-MITTEILUNGEN 3/1998 on erreichten. Sofort machte sie sich zusammen mit einher; das muß wohl in den Deutschen liegen . Sie ihrer ebenfalls schriftstellernden Freundin Therese quälten sich ängstlich, im Schritt zu gehen und ban­ von Bacheracht auf den Weg nach Paris, "diesem den ihre junge Freiheit gleich vorsichtig an Richtung ewig klopfenden Herzen Europas", wie sie schrieb, und Führung. Das ist den jungen Ouvriers neulich gar nicht eingefa llen; da ging jeder, wie es ihm gefiel, und "um das größte Ereignis der Zeit an dem Orte kennen doch machte der Zug einen so würdigen Eindruck." zu lernen, wo es zum Ausbruch kam , wo es begann ." So herzerhebend sie für alle, die den politischen Denn, fügte sie hinzu, Umschwung in Frankreich begrüßten, auch sein "dies kann nur der Anfang sein jener sozialen Revo­ mochten , konnten solche Straßenszenen doch die lution, die uns seit Jahren als unabweisbare Notwen­ schwierigen Probleme, denen sich die am 24. Fe­ digkeit vor dem inneren Auge stand und die wir her­ bruar improvisierte, provisorische Regierung ge­ beisehnten, wie man das Frühjahr ersehnt mit Ban­ gen vor den Stürmen und Nöten des wahrscheinli­ genübergestellt sah, unmöglich verschleiern. Nicht chen Eisgangs." zu Unrecht fand Fanny Lewald die neuen Minister zu "gemäßigt". Für sie verriet insbesondere das Für sie war also die Februarrevolution gleichzeitig idealistische Friedensmanifest, das Lamartine als der Abschluß einer langen Gärungszeit und der Außenminister an die fremden Mächte gerichtet Anfang besserer Zeiten. Sie schrieb: hatte, "die Marklosigkeit des Theoretikers", wie denn "E ine neue Ära beginnt ... Mehr als je zieht es mich überhaupt, so schrieb sie: nach Paris. Ich möchte sehen, wie das Volk sich ein­ richtet, wie es sich den Staat gestaltet, nachdem es "Das Gouvernement provisoire sitzt wie ein heiliger sich reif erklärt hat zu freier Selbstbestimmung." Paradiesvogel auf dem schwankenden Blatt der Palmbäume des Friedens und müßte wie ein Son­ Die Reisende traf mit ihrer Freundin am 10. März in nenadler horsten auf dem Felsgestein, den Blitz des Paris ein, wo sie sich zwei Wochen aufhielt und Genius unter seinen Füßen ." eine Reihe ursprünglich nicht für die Publikation ge­ Noch größer waren die Befürchtungen der Schrift­ dachter Briefe schrieb, die etwas später unter dem stellerin in bezug auf die Fähigkeit der neuen fran­ Titel Erinnerungen aus dem Jahr 1848 veröffentlicht zösischen Regierung, vor allem die soziale Frage wurden und aufgrund der Lebendigkeit und Ge­ zu lösen, d. h. die politischen Revolution im Sinne nauigkeit der Darstellung sowie der unersättlichen der Gese ll schaftsumgestaltung, die sie selbst für Neugier der Betrachterin ein überaus interessantes unerläßlich hielt, weiterzuführen. Sie schrieb: Zeitdokument bilden. "Dieser Kampf der Nichtbesitzenden gegen die Besit­ Am 17. März wurde Fanny Lewald Zeugin eines zenden war es, der mir als eine unausbleibliche Ge­ riesigen Demonstrationszuges, den sie folgender­ wißheit vor der Seele schwebte, lang ehe diese jetzi­ maßen geschildert hat: ge Revolutionszeit in unseren Gesichtskreis getreten "Man kann sich den Eindruck dieser Volksmassen war. Nun ist er hereingebrochen, und man weiß ihm nicht überwältigend genug denken, hunderttausend nicht anders zu begegnen, als mit der Macht der Ba­ Männer, größtenteils Arbeiter; vor jedem Gewerk die jonette, mit den Kugeln der Kanonen . Kann man dreifarbige Fahne mit der Inschrift: ,Message de Ia denn die Hälfte der Menschheit totschießen? Kann Nation!'. Zu zehn gingen sie, mit den Armen ineinan­ man die Menschen zwingen wol len, schweigend die dergreifend. Die meisten trugen Blousen, manche Not zu ertragen, die ihnen unerträglich geworden Gewerke bürgerliche Kleidung, Väter hatten ihre ist?" Knaben an den Händen oder auf dem Armen; einzel­ Heinrich Heine, den Fanny Lewald mehrmals in ne Frauen gingen mit den Männern Arm in Arm . An vielen Blousen schimmerten militärische Ehrenzei­ seiner Matratzengruft besuchte, hegte dieselben chen . Schüler der Polytechnischen Schule, Mari­ Befürchtungen. Heinrich Börnstein, der den Dichter nesoldaten und Offiziere, zahlreiche Priester, beson­ Anfang Mai im Palais-Royal traf, berichtet: ders irische, befanden sich in dem Zuge unter dem "Wir kamen auf die politische Lage zu sprechen, die Volke. Sie sangen die Marseillaise, die Carmagnole, er für sehr bedenklich hielt. Die Republik gab er ver­ die Parisienne, die neuen Volkshymnen durcheinan­ loren, war überhaupt Pessimist und prophezeite eine der .. . Alle Fenster waren voll Menschen; aus vielen Revolution , die auch in den Junitagen eintrat." schwenkte man begrüßend die dreifarbige Fahne, Tatsächlich erhoben sich am 23 . Juni die Pariser oder band rote, blaue und weiße Taschentücher zu­ sammen, die man hinausflattern li eß. Auf den Bal­ Arbeiter, die die Revolution im Sinne ihrer Forde­ kons der Restaurants standen die Männer zusam­ rungen vorantreiben wollten , wegen der Schließung mengedrängt, die Hüte schwenkend, mit den Händen der von der provisorischen Regierung eingerichte­ grüßend, zuwinkend, und den Anruf Vive Ia Republi­ ten Nationalwerkstätten, und sie wurden in ein em que! mit einem Gegenruf erwidernd." blutigen viertägigen Barrikadenkampf vom Militär Interessant ist es, der Schild erung dieser - wie unter General Cavaignac zusammengeschossen. Fanny Lewald meinte - für den gleichzeitig gutmüti­ Unter dem Ein druck der soeben in Köln eingetroffe­ gen und edlen französischen Volkscharakter typi­ nen Nachricht von der grausamen Niederschlagung schen Massenkundgebung die des Aufmarsches dieses proletarischen Hungeraufstandes schrieb der Paris-Deutschen gegenüberzustellen, den sie Marx am 29 . Juni in der Neuen Rheinischen Zei­ auch miterlebte: tung: "Die Zugführer und Fahnenträger schritten trotz des "Die Pariser Arbeiter sind erdrückt worden von der Prinzips der Gleichheit mit wahrer Offizierseitelkeit Übermacht, sie sind ihr nicht erlegen. Sie sind ge-

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schlagen, aber illre Gegner sind besiegt. Der augen­ Marx und Engels der Kölner Jakob Venedey, ein blickliche Triumph der brutalen Gewalt ist erkauft mit linksrepublikanischer Publizist, der aus der Bur­ der Vernichtung aller Täuschungen und Einbildun­ schenschaftsbewegung kam und, aus einem Münch• gen, ... mit der Zerklüftung der französischen Nation ner Gefängnis entflohen, seit 1832 in Paris lebte. in zwei Nationen, die Nation der Besitzer und die Na­ tion der Arbeiter." Mit Ludwig Börne befreundet, war er dort aktives Mitglied des Geheimbundes der Geächteten und Daraus schloß Marx, daß der nächste Arbeiterauf­ ließ von 1839 an nationalistische Töne hören, die stand nur durch eine "Diktatur des Proletariats" dem Weltbürger und Frankreichfreund Heine höchst erfolgreich abgeschlossen werden könne. zuwider waren. "Zebra - schwarzrotgold gestreift", Nicht so optimistisch war Heine, dessen unheil­ wie Heine ihn nannte, kehrte 1848 nach Deutsch­ bares Rückenmarksleiden sich infolge der politi­ land zurück, wurde zum Abgeordneten der Pauls­ schen Aufregungen verschlimmerte. Am 26. Juni, kirche gewählt, forderte dort Elsaß und Lothringen zur Stunde, da die Straßenkämpfe in Paris soeben von Frankreich zurück und erbitterte dadurch aufs aufgehört hatten, meinte er: "Die Weit ist voll Un­ höchste Heine, der, um ihn der Lächerlichkeit preis­ glück, und man vergißt sogar sich selbst." Dabei zugeben, in einem beißenden Spottgedicht vor­ dachte er nicht nur an die -wie er sich ausdrückte schlug, ihn, den "dummen Kobes aus Cölln", zum - "große Suppenfrage", über die er bis zu seinem deutschen Kaiser zu erheben. Tod intensiver denn je nachdenken sollte, um letzt­ Ende Juni 1848 wurde vom Frankfurter Parla­ lich seine schon früh geäußerte Ansicht bestätigt zu ment anstelle eines Kaisers ein Reichsverweser mit finden, daß, wie es in einem seiner letzten sozialpo­ einem Reichsministerium gewählt, das Friedrich litischen Gedichte heißt, weder "Kanonen, viel von Raumer als diplomatischen Vertreter nach Pa­ "Hundertpfünder" noch "Glockengeläute", "Pfaffen­ ris schickte. Dieser renommierte Historiker, der in gebete" und "hochwohlweisliche Senatsdekrete" der Nationalversammlung dem rechten Zentrum den nun offen gewordenen Konflikt zwischen "hung­ angehörte, war schon zur Zeit der Julirevolution von rigen" und "satten Ratten" aus der Weit schaffen 1830 in Paris gewesen, und die ausführlichen Brie­ könnten. Heine dachte auch an die politische Ent­ fe, die er 1848 wie schon das. erste Mal von dort wicklung in Frankreich und Deutschland. aus schrieb, bilden wie die von Fanny Lewald ein Hatte er sich schon früh über die Februarrevolu­ überaus informationsreiches Zeitdokument. tion, die er "das Februarmärchen von Paris" nannte, Für von Raumer war der "blutige Ausgang" der skeptisch geäußert, so war er noch weniger erbaut Junitage für Frankreich, wie er schrieb, "noch kein von den seiner Ansicht nach verfrühten Revolutio­ Zeugnis, keine Bürgschaft für zurückgekehrte Ge­ nen, die am 13. und 18. März respektive in Wien sundheit". Nichtsdestoweniger hoffte er auf die Mit­ und Berlin ausgebrochen waren. Diese - wie er wirkung des westlichen Nachbarstaates bei der schrieb - "unmöglichen, von übelgesinnten Toll­ politischen Neugestaltung Deutschlands: häuslern ausgeheckten Zauber-Revolutionen, die "Daß ich nach Paris gelle, um die Wiedergeburt des an den stillen Ufern der Donau und der Spree statt­ deutschen Reiches namens des von einem Volks­ gefunden [hatten]", hielt er für unerhörte Geschich­ parlament erwählten Reichsverwesers der französi• ten aus Tausendundeiner Nacht. schen Republik anzumelden, diplomatische Verbin­ Indessen ging von dieser Fata Morgana eine dungen anzuknüpfen, deutsche Verhältnisse zu er­ starke Anziehungskraft für viele deutsche Emi­ läutern, deutsche Beschlüsse zu rechtfertigen und granten aus. Der Lockung konnten, wie schon er­ womöglich das Auftreten Deutschlands als europäi• wähnt, Herwegh und seine Legionäre nicht wider­ sche Großmacht anzubahnen, das wäre kein stehen. Auch Marx, Engels, Weerth und andere Traum?" Kommunisten kehrten mit anderen Revolutionsplä• Wie weit entfernt aber dieser Wunschtraum von der nen im Kopf nach Deutschland zurück. Ebenso eine Verwirklichung war, mußte Raumer nur allzu bald ganze Menge ideologisch anders orientierter Fort­ erkennen. schrittsfreunde, die entweder bei der erhofften Wie­ General Cavaignac, der nach dem von ihm bru­ dergeburt Deutschlandes mitwirken oder einfach tal niedergeschlagenen Juniaufstand zum Chef der deren Zeugen sein wollten, und zahlreiche andere Exekutive ernannt worden war, hörte den deut­ weniger oder überhaupt nicht politisierte Emigran­ schen Reichsgesandten zwar an, hielt ihn aber hin. ten, die nun auf bessere Lebensverhältnisse in der Auch der Außenminister Bastide ließ in seinen Ge­ Heimat hofften. So dezimierten die politische und sprächen mit Raumer durchblicken, daß Frankreich wirtschaftliche Krise in Frankreich und die Märzre• nicht daran interessiert war, ein einiges Deutsch­ volutionen in Deutschland in kurzer Zeit die deut­ land als Partner zu haben, zumal, wie Raumer no­ schen Kolonien in Frankreich wie in anderen tierte, "die äußerste Linke in Frankfurt den Franzo­ Exilländern. Bei der Volkszählung von 1851 wurden sen ihre Freundschaft anbot" und nur noch 57.000 Deutsche in Frankreich registriert, "diese Linke ... beim General Cavaignac gerade so darunter nur 13.500 in Paris, anstelle der 60.000, beliebt [war], wie die roten Republikaner, welche er die am Vorabend der Februarrevolution dort ansäs• im Junius [hatte] totschießen [lassen]". sig waren. Daher die riesige Enttäuschung des Reichsge­ Zu den markantesten Heimkehrern zählte neben sandten, dessen offizieller Charakter von der fran-

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zösischen Regierung nicht einmal anerkannt wurde eine heftige Kampagne gegen Marx führte, dem er und der unverrichteter Sache nach Deutschland vorwarf, "nicht an die Permanenz der Revolution zu zurückkehrte, mit dem Eindruck, daß die Tage der glauben". Um die gleiche Zeit kam auch aus Wien, jungen französischen Republik gezählt seien wie wo er wegen Beteiligung an dem Oktoberaufstand die der Freiheitsbäume, die in der Euphorie der in den Reihen der Studentenlegion zum Tode ver­ siegreichen Februarrevolution überall in Paris ge­ urteilt worden war, der ursprünglich zum Rabbiner pflanzt worden waren. "Im Frühjahr wird kaum einer bestimmte Simon Deutsch nach Paris. Dort wurde mehr am Leben bleiben", schrieb Raumer, "und so er Kaufmann, dann Bankier, war aber bekannt als ist man fast gezwungen, an die Hinfälligkeit und "Roter" und verkehrte mit Proudhon und deutschen Vergänglichkeit der neuen Freiheit zu denken." Emigranten, darunter Moses Heß, Ewerbeck und Tatsächlich war seit der Niederwerfung des Pa­ Herwegh, der ständig von seiner Frau Emma be­ riser Juniaufstands durch Cavaignac, der den Bela­ gleitet, die Schweiz verlassen hatte, wo er nach der gerungszustand bis zum Winter bestehen ließ, die mißglückten Expedition seiner Deutschen Legion Reaktion in Frankreich im Vormarsch, eine von Zuflucht gefunden hatte und sich nach seinem er­ einer ganzen Reihe repressiver Maßnahmen mar­ neuten Aufenthalt in Paris im Winter 1848/49 end­ kierte Entwicklung, an deren Ende die Präsiden• gültig niederlassen sollte. tenwahl im Dezember 1848 stand, bei der Prinz Zu den markantesten deutschen Emigranten, die Louis-Napoleon, der starke Mann, der drei Jahre in besagter Periode zum ersten und zweiten Mal an später die Republik stürzen und sich als Napole­ den Ufern der Seine erschienen, gehört neben den on 111. zum Kaiser aufwerfen sollte, den Sieg da­ schon genannten auch der jüdische Mediziner Al­ vontrug. Trotzdem blieb Frankreich für Demokraten fred Meißner aus Prag, der damals der bedeutend­ noch immer ein gastlicherer Aufenthaltsort als ste Dichter deutscher Zunge in Böhmen und der Deutschland, wo die reaktionären Kräfte seit den Hauptvertreter des sogenannten "wahren Sozialis­ Märzrevolutionen allmählich wieder die Oberhand mus" in den Staaten der Donaumonarchie war. "Ich gewannen. gestehe's, ich bin krank an Österreich", schrieb er So konnte noch im Sommer 1848 in Paris ein 1845 unter dem Eindruck der Schikanen der Met­ "Deutscher Arbeiterverein" gegründet werden, des­ ternichschen Zensur und Polizei, die ihn zwei Jahre sen zeitweiliger Vorsitzender der berühmte neuhe­ später zum Exil nach Frankreich zwangen, wo er gelianische Philosoph Moses Heß war. Dieser Sohn nicht nur mit Heine, Herwegh und anderen deut­ des in der napoleonischen Zeit von den alten Fes­ schen Emigranten, sondern auch mit französischen seln befreiten Bonner Judenghettos und früher Berühmtheiten wie Balzac, Beranger, Alexandre Weggefährte von Marx, mit dem er Anfang 1848 Dumas und Michelet verkehrte. Heimlich nach Prag brach, war Zeuge der Märzrevolution in Berlin und zurückgekehrt, um seine kranke Mutter wiederzu­ wandte sich, als die königliche Regierung dort wie­ sehen, begrüßte er dort mit Begeisterung die Pari­ der zum Zug kam, nach Paris, wohin er sich bereits ser Februarrevolution und erlebte dann in Frankfurt, zu Beginn der 40er Jahre geflüchtet hatte, um sich wo er acht Monate als Zeitungskorrespondent am dem Zugriff der Polizei zu entziehen. So tauchte im Sitz der Nationalversammlung tätig war, das Deba­ September 1848 auch der in Köln wegen antipreu­ kel der Paulskirche. Dort hielt er von Anfang an zu ßischer Presseartikel verfolgte Friedrich Engels in den Mitgliedern der äußersten Linksfraktion und Paris wieder auf, von wo er bald die Schweiz ge­ gewann unter dem Eindruck der fruchtlosen De­ wann. Im gleichen Monat erschien sein kommuni­ batten die Überzeugung, daß der entscheidende stischer Kampfgenosse Ernst Dronke ebenfalls in Anstoß für einen Neuaufschwung der revolutionä• Paris wieder, nachdem er aus ähnlichen Gründen ren Bewegung nur von einer erneuten Aktion der aus Köln hatte fliehen müssen. Ebenso- zu Beginn französischen Arbeiterschaft ausgehen könnte. des Winters - der preußische Offizier Friedrich von Eben um die Entwicklung der sozialistischen Bewe­ Beust, der, als Mitglied des Kölner Arbeitervereins gung zu studieren, kam er im Januar 1849 nach und Führer der dortigen Volksmilizen des Hochver­ Paris, im Auftrag des Frankfurter Rütten-Verlags, rats angeklagt, in der französischen Hauptstadt der im Frühsommer des Jahres die Ereignisse sei­ Zuflucht fand und dort mit Moses Heß, dem Soziali­ ner Beobachtungen unter dem Titel Revolutionäre sten Proudhon und dem radikalen Revolutionär Studien aus Paris in zwei umfangreichen Bänden Blanqui verkehrte, bevor er nach Deutschland zu­ herausbringen sollte. rückkehrte, um von Mai bis Juni 1849 an den letz­ Meißner sah in dem Juniaufstand des Pariser ten Kämpfen der badischen Republikaner gegen die Proletariats "das größte und großartigste Ereignis Preußischen Truppen teilzunehmen. der neuern Zeit" und in den Arbeitern, die von den Ferner ist im gleichen Zusammenhang der mit Regierungstruppen massenweise niedergemetzelt Heß befreundete Mediziner Andreas Gottschalk, worden waren, die "Erneuerer der Weit und ihrer der Sohn eines Düsseldorfer Schächters, zu nen­ Ordnung". ln pathetischem Ton schrieb er: nen, der sich im Dezember 1848 der Verhaftung in "Ihr aber, bleiche Märtyrer, seid ihr nicht unnütz ge­ Köln entzog und nach Paris kam, von wo aus er fallen. Eure erste Erhebung, ohne Plan, ohne Führer, unter dem wachsenden Einfluß von Blanqui bis zu das Vorspiel eines Kampfes, der nur zu bald wieder seiner Rückkehr nach Deutschland im März 1849 in Frankreich erwachen und das ganze übrige Euro-

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pa ob früher, ob später durchbrausen wird, ist der Diese Vorhersage sollte sich als richtig erweisen. letzte, der verwegenste Ausdruck dieser Zeit und gibt Trotzdem bot sich Paris noch in der ersten Hälfte ihr erst ihren wahren Charakter." des Jahres 1849 manchen aus Deutschland Ver­ Mit tiefster Ergriffenheit sah Meißner gleich nach triebenen vorübergehend als Zufluchtsort an. So seiner Ankunft in Paris am frühen Morgen die Stät• nach dem Prozeß gegen die Neue Rheinischen ten, die noch viele Spuren der wütenden Barrika­ Zeitung am 11. Mai dem aus Köln ausgewiesenen denkämpfe des Juniaufstandes zeigten. in den Marx und seinen Kampfgenossen Georg Weerth, nächsten Tagen suchte er als andächtiger "Frei­ dem "roten Wolff' u. a. Zur gleichen Emigrations­ heitspilger" auch die Schauplätze der Februarrevo­ welle, die das endgültige Scheitern der revolutionä• lution auf, deren schöne Versprechungen sich nicht ren Bewegung in Deutschland signalisierte, gehör• erfüllt hatten. Symbole der getäuschten Hoffnungen ten zwei berühmte Männer, die zwar nicht die glei­ gab es in den Straßen und auf den Plätzen von che ideologische Richtung vertraten, nichtsdesto­ Paris genug. "Dort steht ein Freiheitsbaum" schreibt weniger aber sich für eine gründliche Umgestaltung Meißner. der deutschen Verhältnisse im demokratischen Sin­ ,.Freilich sind die Tage ferne, da er grünte und in sei­ ne einsetzten, nämlich Arnold Ruge und Richard nem Wipfel die Freiheitsmütze und die trikolore Fah­ Wagner. ne trug. Der Baum ... ist schlecht fortgekommen. Er Der ehemalige Burschenschafter und Junghege­ kränkelt wie die Republik selbst, seine Farben sind lianer Ruge, der in den 20er Jahren in preußischen mißfarbene Fetzen, kahl und lautlos streckt er die Gefängnissen gesessen hatte, war bereits 1843 als Äste in den winterbleichen Himmel." politischer Flüchtling nach Paris gekommen, wo er Ein anderes beunruhigendes Zeichen der dunklen zusammen mit Marx die revolutionär-demokrati• Periode, die mit der Präsidentenwahl am 10. De­ schen Deutsch-französischen Jahrbücher veröffent• zember 1848 für die Republik begonnen hatte, war lichte, die die Idee einer Allianz zwischen den bei­ das allgegenwärtige Bildnis des neuen "starken den Nachbarvölkern als Voraussetzung für die Mannes" Frankreichs, des Neffen Napoleons I. Emanzipation der Menschheit propagierte. Auch an Meißner schreibt: der frühkommunistischen Zeitung VonNärts hatte ,.Ein unermüdlicher Begleiter auf Schritt und Tritt war Ruge 1844 mitgearbeitet, um sich jedoch bald von mir Herr Louis-Napoleon. Von allen Schaufenstern Marx zu distanzieren, dessen radikale Ansichten der Buch- und Bilderhandlungen sah die schon ver­ über die Rolle des Proletariats in der Umgestaltung witterte Maske des Weltmannes mit den stark ge­ der Gesellschaft er nicht teilte. Nach Deutschland steiften Schnurrbartspitzen heraus, ein Gesicht, an zurückgekehrt, wurde er 1848 in die Frankfurter welchem alle Schmeichelei der Retouche scheiterte. Nationalversammlung gewählt, in der er zur äußer• Daneben der Totenkopf Cavaignacs und - welche sten Linken gehörte und einen europäischen Völ• Überraschung! - die große Österreichische Trias: Jellacic, Radetzky und Windischgrätz [d. h. die drei kerkongreß zur allgemeinen Abrüstung forderte. Im Feldherren, die, wie Cavaignac in Paris, die revolu­ Oktober schied er aus Protest gegen die gemäßigte tionäre Bewegung in den Staaten der Donaumonar­ Haltung der Mehrheit aus der Paulskirche, wandte chie niedergeschlagen hatten]." sich nach Berlin, mußte aber nach dem Verbot der Aber auch leibhaftig sah Meißner den künftigen Reform, des von ihm herausgegebenen Parteior­ Totengräber der französischen Republik bei einer gans der demokratischen Organisationen in der von dessen gewohnten Ausfahrten zum Are de preußischen Hauptstadt, nach Leipzig übersiedeln, triomphe de I'Etoile auf den Champs Elysees: von wo aus er im Mai 1849 den Dresdener Aufstand unterstützte, bis ihn die Niederlage der Revolution "Da kommt er, er sitzt in einem offenen zweispänni• zur Flucht zwang. Noch immer fest davon über• gen Kutschierwagen . . . . Er sieht leichenblaß und kränklich aus, kein Zug seines Gesichts bewegt sich, zeugt, daß alle Eindämmungsversuche in Frank­ indes die Hand, mechanisch grüßend, den Hut lüftet." reich die "unverwüstliche Volkskraft" nicht brechen könnten und daß, wie er schrieb, "unser Schicksal Einem so scharfblickenden Beobachter wie Meißner [d. h. Deutschlands Schicksal] wieder einmal in und konnte die Entwicklung, die schließlich zu Louis­ durch Paris entschieden werden wird", reiste er Napoleons Staatsstreich am 2. Dezember 1851 und dorthin. zur Errichtung des Zweiten Kaiserreiches in Frank­ Genau zur gleichen Zeit erschien in der franzö• reich führen sollte, nicht verborgen bleiben. Ebenso sischen Hauptstadt Richard Wagner, der wie Ruge, wenig dem kranken Heine, den Meißner wiederholt nach dem Scheitern des Dresdener Maiaufstandes in seiner Matratzengruft besuchte, und der ihm aus Deutschland hatte fliehen müssen. Wie er in einmal sagte, "bitter lächelnd": seiner Autobiographie berichtet, hatte ihn schon die "Es wird nicht mehr lange so bleiben. Ein Staats­ französische Revolution von 1830 zum Revolutionär streich ist ein öffentliches Geheimnis. Man plaudert gewandelt, der davon träumte, durch seine Kunst so viel von ihm, daß man gar nicht mehr daran Deutschland zu regenerieren. Bereits von Mitte glaubt. Der Präsident arbeitet nach der Schablone seines Onkels und geht auf den 18. Brumaire los. September 1839 bis zum Frühjahr 1842 hatte der Nur zu! Nur zu! ... Verzichten Sie auf die Republik, Musiker in Paris geweilt, nicht direkt - wie Ruge denn es gibt keine Republikaner!" kurz darauf- als politischer Flüchtling, sondern als junger ehrgeiziger Künstler, der das Publikum der

17 IWK-MITTEILUNGEN 3/1998 ersten Metropole der Weit für seine Musik erobern zu haben und die "eigentliche Quelle unseres wollte. Enttäuscht in diesen hochgespannten Hoff­ Elends" zu sein. nungen, hatte er sich als königlich sächsischer Hof­ Auch in einem Brief von Georg Weerth, der nach kapellmeister in Dresden trösten können, bis ihn dem Prozeß gegen die Neue Rheinische Zeitung im das Revolutionsfieber von 1848/49 ergriff. Wegen Mai zusammen mit Marx Köln hatte verlassen müs• Beteiligung am Maiaufstand verfolgt, floh er aus der sen, spiegeln sich erschütternde Eindrücke vom 13. sächsischen Residenz über die Schweiz nach Pa­ Juni 1849 unmittelbar wider. Weerth schrieb kurz ris, wo er am 2. Juni 1849 eintraf und den Archi­ danach an seinen Bruder: tekten Gottfried Semper wiedersah, der den Barri­ "Die Polizei zog dann den ganzen Abend durch die kadenbau in Dresden organisiert hatte und deshalb, Straßen und nahm Verhaftungen vor; der reaktionäre wie auch sein berühmter Landsmann Wagner, im Teil der Nationalgarde fraternisierte mit dem Militär Deutschland steckbrieflich gesucht wurde. und überließ sich der bestialischen Freude seines Für den mittellosen Flüchtling Wagner galt es, leichten Sieges, indem er die Pressen der revolutio­ schnellstens das Nötige zum Lebensunterhalt zu nären Journale zerbrach und ähnliche Heldentaten finden. Er wandte sich an Giacomo Meyerbeer, den verübte, zu denen sich das Volk selbst in furchtbar­ sten Augenblicken seiner Siege nie verleiten ließ. Mit seit 1825 in Paris zum allmächtigen Opernkönig dem Hereinbrechen der Nacht war fast jede Spur ei­ empor gestiegenen Berliner Komponisten, der ihn ner geschlagenen Insurrektion verschwunden, Paris mit den Worten abwies: "Was erhoffen Sie sich leuchtete von Millionen Lichtern; mit Singen und La­ denn von der Revolution? Wollen Sie Musik für die chen trieb man sich durch die Straßen, so tanzt man Barrikaden schreiben?" Eine Antwort, die Wagner auf Gräbern - nur in der Stille der Wohnungen gleich klarmachte, daß ihm Paris, wo das Geld der knirschte die halbe Bevölkerung vor Wut, eine Wut Bourgeoisie die Weit der Politik wie die der Kunst die sich immer wieder Luft macht und die zuletzt beherrschte, keine Zukunftsperspektiven bieten dennoch siegt, trotz aller Anstrengungen jener mo­ konnte. Da außerdem eine Choleraepidemie in der mentan Mächtigen, die in solchen Insurrektionen nur Stadt grassierte, entschloß er sich nach einer Wo­ das Spiel einiger Unzufriedenen sehen und nicht be­ greifen wollen, daß eine Zeit herangebrochen ist, wo che, sich aufs Land zurückzuziehen, nach der nahe die alte Gesellschaft sich löst und zwei Klassen ein­ bei Paris gelegenen Ortschaft Rueil, wo sein da­ ander gegenübertreten im Todeskampf: die Bour­ mals abwesender Freund Franz Liszt ein Haus geoisie und das Proletariat .... besaß. Dort wohnte er zusammen mit dessen Pri­ Das Schlimmste bei dem Sieg der ministeriellen Seite vatsekretär, las Proudhons Werke, Lamartines Ge­ ist der Rückschlag, den er auf ... Deutschland haben schichte der Girondisten und konzipierte den Trak­ wird. An eine Intervention zugunsten der Freiheit ist tat über Die Kunst und die Revolution, der einige jetzt nicht mehr zu denken. Deutschland, unser ar­ Monate später in Leipzig erscheinen sollte. Da er in mes Deutschland, wird den Preußen anheimfallen - Paris nichts mehr zu suchen hatte, kehrte er schon wie lange?" Anfang Juli in die Schweiz zurück. Weerths und Ruges Befürchtungen waren nur allzu Inzwischen war ein für die Zukunft Frankreichs begründet. Der letzte Aufstandsversuch der Pariser entscheidendes Ereignis eingetreten. Am 13. Juni Arbeiterschaft am 13. Juni 1849 markierte einen war die von den "Roten" veranstaltete große Pro­ entscheidenden Augenblick auf dem Marsch der testkundgebung gegen die Regierung total ge­ französischen Republik in den Tod. Gleichzeitig zog scheitert. Konnte Wagner in Rueil nur ein fernes die harte antidemokratische Repression, die darauf Echo der Barrikadenkämpfe vernehmen und sich folgte, den Schlußstrich unter die Tradition, die seit mit seinen Freunden über die unbarmherzige Nie­ der Revolution von 1789 so viele deutsche Frei­ derschlagung des Aufstandes entrüsten, so war es heitsfreunde nach dem "Mutterland der Menschen­ dagegen Ruge gegeben, von dem Pariser Stadtteil rechte" geführt hatte. Passy aus, wo er bei seinem Freund Ribbentropp Karl Marx, der am 3. Juni in Paris angekommen wohnte, den Ablauf der Ereignisse aus der Nähe zu war, erhielt am 16. August vom französischen In­ verfolgen. Gleich am Abend des tragischen Tages nenministerium einen Ausweisungsbefehl und ging, schrieb er: sich endgültig vom Festland verabschiedend, mit "Unsere Fenster liegen so hoch, daß wir einen gro­ seiner Familie nach London. Ebenso- unter seinen ßen Teil von Paris übersehen. Das Volk ist gedemü• Gesinnungsfreunden - der Schlesier Sebastian tigt, die mächtige Stadt, das Herz Europas, liegt un­ Seiler, der seit der Februarrevolution von 1848 Ste­ bewegt in ihren Fesseln. Es ist umsonst noch auf ei­ nograph in der französischen Nationalversammlung nen Kampf zu hoffen: dieser Tag ist ein verhängnis• war und seiner Marx gewidmeten Schrift Das Com­ voller Wendepunkt in der Geschichte." plott vom 13. Juni 1849, oder der letzte Sieg der Und die ganze Enttäuschung Ruges wandte sich in Bourgeoisie in Frankreich französische Revoluti­ eine Anklage gegen Frankreich, das seine Frei­ onslieder, die er als vorübergehender Insasse des heitssendung in Europa nicht erkannt und den Sieg La Force-Gefängnisses in Paris gesammelt hatte, von 1848 preisgegeben habe. Er klagte das franzö• als Anhang beifügte. Auch andere Kommunisten sische Volk, von dessen Allianz mit Deutschland er und Nichtkommunisten wurden von der gleichen sich so viel für das Glück der Menschheit verspro­ Maßnahme getroffen. So Karl Blind, den die auf­ chen hatte, an, die Deutschen "im Stich" gelassen ständischen Republikaner in Baden und der Pfalz

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während der sogenannten "Reichsverfassungs­ LITERATUR: kampagne" als Gesandten nach Paris geschickt hatten. QUELLEN: Andere Emigranten wieder, die von Auswei­ Begegnungen mit Heine. Berichte der Zeitgenossen. sungsbefehlen verschont geblieben waren, zogen Herausgegeben von Michael Werner, in Fortführung es in der Folge vor, das für Demokraten zu heiß von H. H. Houbens "Gespräche mit Heine". 2 Bände, gewordene Pariser Pflaster zu verlassen. Moses Hamburg 1973 Heß ging in die Schweiz, dann nach Belgien; Georg Börne, Ludwig: Gesammelte Schriften. Herausgegeben Weerth kehrte nach Deutschland zurück, verbüßte von Alfred Klaar. 8 Bände, Leipzig o. J. Heine, Heinrich: Sämtliche Werke. Herausgegeben von in Köln eine dreimonatige Gefängnisstrafe, unter­ Ernst Elster. Kritisch durchgesehene und erläuterte nahm danach Geschäftsreisen mit gelegentlichen Ausgabe. 7 Bände, Leipzig und Wien o. J. politischen Kurierdiensten, die ihn bis nach Süd• Herwegh, Emma: Zur Geschichte der deutschen demo­ und Mittelamerika führten, und starb 1856 an einem kratischen Legion aus Paris. Grünberg 1849 Tropenfieber in Havanna. Wie eine ganze Reihe Herwegh, Georg: Werke in drei Teilen. Herausgegeben anderer Emigranten schon vor ihm und auch nach von Hermann Tardel. Berlin, Leipzig, Wien, Stuttgart ihm wanderte der junge, aus Schleswig gebürtige 1909 Dichter Adolf Strodtmann, der wegen seiner revolu­ Lewald, Fanny: Erinnerungen aus dem Jahre 1848. 2 tionär-demokratischen Gesinnung von der Banner Bände, Braunschweig 1850 Marx, Karl I Engels, Friedrich: Werke. Herausgegeben Universität relegiert, nach Paris gekommen war und vom Institut für Marxismus-Leninismus auf Grund der dort Heine kennen lernte, nach den Vereinigten zweiten Ausgabe der Socinenija, 40 Bände, Berlin Staaten aus, wo ziemlich viele seinesgleichen 1957-1968 ebenfalls ihre Tätigkeit im Dienst des politischen Meissner, Alfred: Ich traf auch Heine in Paris. Unter und sozialen Fortschritts fortsetzten und im Sezes­ Kiinst!em und Revolutionären in den Metropolen Eu­ sionskrieg von 1861 bis 1865 auf der Seite der Nor­ ropas. Herausgegeben von Rolf Weber. 2. Auflage, disten gegen die sklavenhaltenden Südstaaten Berlin 1982 kämpften. Mit einem Wort, in der Zeit nach dem ders.: Revolutionäre Studien aus Paris. 2 Bände, Frank­ verhängnisvollen 13. Juni 1849 wandten sich die furt/M. 1849 Raumer, Friedrich von: Briefe aus Frankfurt und Paris deutschen politischen Emigranten immer mehr von 1848149. 2 Teile, Leipzig 1849 Frankreich ab, das sich nach der Errichtung des Ruge, Arnold: Zwei Jahre in Paris. Studien und Erinne­ autoritären Zweiten Kaiserreichs Ende 1851 für rungen. 2 Bände, Leipzig 1846 zwanzig Jahre den politischen Flüchtlingen ver­ ders.: Briefwechsel und Tagebuchblätter aus den Jahren schloß und ihnen höchstens als erste Durchgangs­ 1825-1880. Herausgegeben von Paul Nerrlich. 2 Bän• station auf dem Weg nach gastlicheren Exilländern de, Berlin 1886 in Westeuropa und jenseits des Atlantiks diente. Seiler, Sebastian: Das Camploft vom 13. Juni 1849, oder Die Tradition der deutschen Frankreich-Emigra­ der letzte Sieg der Bourgeoisie in Frankreich. 1850 tion liberal-demokratischer Couleur, die in der Zeit Wagner, Richard: Mein Leben. Herausgegeben von Martin Gregor-Dellin. München 1976 der großen Revolution von 1789 ihren Anfang nahm ders.: Sämtliche Briefe. Herausgegeben von Gertrud und in den Jahren von Heines Exil in Paris sich Strobel und Werner Wolf. Bände 1-3, Leipzig und fortsetzte, endete nicht mit der gescheiterten Re­ Mainz 1967-1975 volution von 1848. Nach einer fast hundertjährigen Weerth, Georg: Sämtliche Werke. Herausgegeben von Unterbrechung lebte sie kräftig wieder auf, als viele Bruno Kaiser. 5 Bände, Berlin 1956-1957 Vertreter des "besseren Deutschland" ihr von der "braunen Flut" überschwemmtes Vaterland verlas­ LEXIKA, GESAMTDARSTELLUNGEN sen mußten und sich von 1933 bis zum Vorabend UND EINZELSTUDIEN, AUSWAHL des Zweiten Weltkrieges nach Frankreich wandten. Agulhon, Maurice: 1848 au l'apprentissage de Ia Repu­ Anno 1836 nannte Heine die deutschen "Jakobi­ blique (1848-1852), Paris 1992 ner", die am revolutionären Ausgang des 18. Jahr­ Büttner, Wolfgang: Georg Herwegh. Ein Sänger des Proletariats. Der Weg eines bOrgerlieh-demokra­ hunderts im "Land der Menschenrechte" Asyl tischen Poeten zum Streiter fiir die Arbeiterbewegung. suchten, "unsere armen Vorgänger". Ganz im glei­ 2., überarbeitete Auflage, Berlin 1976 chen Geist bezeichnete der Frankreich-Emigrant Claudin, Fernando: Marx, Engels et Ia revolution de Heinrich Mann, der als der vornehmste Exponent 1848, Paris 1980 der geistigen Exil-Opposition gegen das Dritte Cornu, Auguste: Kar! Marx et Friedrich Engels. Leur vie Reich erschien, Heine, Marx und ihresgleichen etleuroeuvre. 4 Bände, Paris 1955-1970 ebenfalls die "Vorgänger" der von der NS-Diktatur Dictionnaire biographique du mouvement ouvrier inter­ zum Exil gezwungenen Deutschen: national. L'AI/emagne. Sous Ia direction de Jacques Droz. Paris 1990 "Die deutschen Emigranten von 1933 erweisen sich Dresch, Joseph: Heine et Ia revolution de 1848. in: Etu­ als die Nachkommen des ,Jungen Deutschland', die des germaniques, 1949, Nr. 1, S. 39-47 ebenso aus ihrem Land vertrieben durch die ewige Reaktion, die das ganze Jahrhundert hindurch dort Espagne, Michel: Les juifs allemands de Paris a /'epoque grassierte, sich in Paris sammelten und damit den de Heine. La translation ashkenaze. Paris 1996 Opfern Hitlers als Beispiel dienten. Die Geschichte Förder, Herwig u. a.: Der Bund der Kommunisten. Do­ wiederholt sich." kumente und Materialien. 3 Bände, Berlin 1970-1984 IWK-MITTEILUNGEN 3/1998

Friedenthal, Richard: Kar! Marx. Sein Leben und seine Mommsen, Wolfgang J.; 1848. Die ungewollte Revoluti­ Zeit. München-Zürich 1981 on. FrankfurtiM. 1998 Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung. Biographi­ Mortier, Roland: Une romaneiere spectatrice de Ia revo­ sches Lexikon. Berlin 1970 lution franc;:aise de 1846. ln: Goffin, Roger u. a. (Hg.): Grab, Walter: Heinrich Heine als politischer Dichter. Litterature et cu/ture allemande. Hommages a Henri FrankfurtiM. 1992 Plard. Brüssel1985, S. 147-169 Grab, Walter I Schoeps, Julius (Hg.): Juden im Vormärz Neher, W.: Arnold Ruge als Politiker und politischer und in der Revolution von 1848. StuttgartiBonn 1983 Schriftsteller~ Ein Beitrag zur Geschichte des 19. Grandjonc, Jacques: Les etrangers a Paris de 1830 a Jahrhunderts. Heidelberg 1933 1851. ln: Populations, März 1874, Paris, S. 61-88 Rieder, Heinz: Die Völker läuten Sturm. Die europäische Ders.: Die deutschen Emigranten in Paris. Ihr Verhältnis Revolution 1848149. Gensbach 1997 zu Heinrich Heine. ln: Internationaler Heine-Kongreß Schieder, Wolfgang: Die Anfänge der deutschen Arbei­ 1972, Hamburg 1973, S. 165-177 terbewegung. Die Auslandsvereine im Jahrzehnt nach Ders.: "Vorwärts!" 1844. Marx und die deutschen Kom­ der Julirevolution 1830. Stuttgart 1963 munisten in Paris. Beitrag zur Entstehung des Mar­ Schmidt, Walter: Wilhelm Wolff, Kampfgefährte und xismus. Berlin, Bonn-Bad Godesberg 1974 Freund von Marx und Engels 1846-1864. Berlin 1979 Grandjonc, Jacques I Werner, Michael: Deutsche Aus­ Ders.: Ferdinand Wolff. Zur Biographie eines kommuni­ wanderungsbewegungeil im 19. Jahrhundert. ln: stischen Journalisten an der Seite von Marx und En­ Deutsche Emigranten in Frankreich. Französische gels 1848149. Berlin 1983 Emigranten in Deutschland. Ausstellungskatalog. 2., Schneider, Gabriele: Fanny Lewald. Reinbek bei H,am­ verbesserte Auflage, Paris 1984, S. 82-115 burg 1996 Gregor-Dellin, Martin: Richard Wagner. Sein Leben. Sein Silberner, Edmund: Moses Heß. Geschichte seines Le­ Werk. Sein Jahrhundert. München-Zürich 1980 bens. Leiden 1966 Kuhnigk, Arnim M.: Karl Schapper. Ein Vater der euro­ Tschubinski, W.: Wilhelm Liebknecht. Eine Biographie. päischen Arbeiterbewegung. Camberg 1980 Berlin 1973 Lewis, Hanna B.: Fanny Lewald and the Revolution of Vassen, Florian: Georg Weerth. Ein politischer Dichter 1848. ln: Mundt, Hannelore u. a. (Hg.): Horizonte. des Vormärz und der Revolution von 184811849. Festschrift für Herbert Lehnert zum 65. Geburtstag. Stuttgart 1974 Tübingen 1990, S. 80-91 Venedey, Hermann: Jakob Venedey. Darstellung seines Männer der Revolution von 1848. 2 Bände, Berlin 1970- Lebens und seiner politischen Entwicklung bis zur 1987 Auflösung der ersten deutschen Nationalversammlung Marianne und Germania 1789-1889. Frankreich und 1849. Stockach 1930 Deutschland. Zwei Weften. Eine Revue. Herausgege­ Werner, Michael: Junges Deutschland im jungen Europa. ben von Marie-Louise von Plessen. Eine Ausstellung Die deutschen Emigranten in Paris. ln: Marianna und der Berliner Festspiele GmbH 1996 Germania 1789-1889. Frankreich und Deutschland. Mayer, Gustav: Friedrich Engels. Eine Biographie. 2 Zwei Weften. Eine Revue. Herausgegeben von Marie­ Bände, Den Haag 1934 Louise von Plessen. Eine Ausstellung der Berliner Mieck llja I Möller, Horst (Hg.): Paris und Berlin in der Festspiele GmbH 1996, S. 297-304 Revolution 1848. Sigmaringen 1995

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HEIDI BEUTIN DIE TÖCHTER ROBERT SLUMS. FRAUEN IN DER REVOLUTION VON 1848/49

PROKLAMATION AN DIE FRAUEN ... Ich habe mich von jeher an die Frauen gehalten, für Männer interessiere ich mich selten. An Euch, Ihr schönen Frauen, wende ich mich daher mit diesem Abschiedsstrauß, indem ich alle Ro­ sen und Disteln meiner unerforschlichen Seele zusammenband. Die Rosen sind natürlich für Euch, die Disteln für Eure allenfallsigen Männer. Treffliche Männer habt Ihr. Seht nur, was aus Euren Männem geworden ist! Aus jenen großen Staatsmännern, mit denen man nicht einmal mehr die kleinen Kinder bange macht; aus jenen berühmten Gelehrten, von denen nicht einmal die tollen Hunde die Wasserscheu bekommen; aus jenen gefeierten Bänkelsängern, die durch alle ihre patriotische Begeisterung nur zu einer roten Nase gelangten, und aus jenen stillen Schwärmern Urdeutschlands, die, gleich melancholischen Heidschnucken, mit verhängten Schwänzen über die Lüneburger Heide der Gegenwart der Sahara der Zukunft entgegenwedeln. Es tut mir leid, Frau Regierungsrätin, daß Sie sich in Ihrem Herrn Gemahle so geirrt haben. Sie hielten ihn für einen So/on, und da kommt er aus der Berliner Nationalversammlung nach Hause zurück, und es findet sich, daß er ein rechter Gimpel ist. Ich bedaure dies, Frau Regierungsrätin. Trösten Sie Ihren Mann damit, daß er ein verkanntes Genie sei, aber vor allen Dingen: Schaffen Sie sich diesen Menschen vom Halse. Ja, ihr Frauen, gebt Euren Männem den Abschied, sie sind keinen Schuß Pulver wert. Wer möchte ein Kamel umarmen! Wunderlich haben uns die Familienväter in den Berliner und Frankfurter Nationalversammlungen mit­ gespielt. Wärt Ihr Frauen am Ruder gewesen, wahrlich, alles wäre anders gekommen. Lachend hättet Ihr Eure ambrosischen Locken geschüttelt und nach kurzen Debatten hättet Ihr irgendeinen Adonis zum deutschen Kaiser gemacht, und nach drei Tagen hättet Ihr ihn geköpft, und aus seinem Blute wären blut­ rote Rosen gewachsen, die Blumen der Liebe und der Republik. Aber das ganze Unheil ist nur deshalb über Deutschland gekommen, weil man die deutsche Politik bisher für eine ernste, wichtige und nicht für eine Herzenssache hielt. Ihr Frauen seid dazu berufen, die­ sem Mißverständnis ein für allemal abzuhelfen. Fragt nicht nach dem Wie. Ihr wißt es selbst am besten. Laßt Eure alten Männer laufen, nehmt neue Männer, revolutionäre Männer- voi/a taut! Wenn es vor vierzig oder fünfundvierzig Jahren hieß: »Die Franzosen kommen!«, da liefen alle jungen Mädchen und Frauen eilig ans Fenster und schoben die Gardinen beiseite und schauten in die Straße hinaus, halb lüstern, halb verschämt, bis der Tambourmajor kam mit seinem großen Stock und hinten­ drein die lustigen kleinen Kerle, die ohne weiteres in die Stadt und in jedes Herz hineinmarschierten. Niemals hat es hübschere Kinder gegeben als nach jenen gesegneten Feldzügen! ... Von Anbeginn seid Ihr Frauen gescheiter gewesen als alle Schriftgelehrten und Pharisäer, aber von Anbeginn wart Ihr auch leidenschaftlicher als alle Schriftgelehrten und Pharisäer. So fahrt denn heraus mit Eurer flammenden Leidenschaft und ergreift Eure zahmen Männer bei ihren liederlichen Zöpfen und hängt sie als Vogelscheuchen wohin Ihr wollt- nur fort mit ihnen! Die Guillotine wird uns retten und die Leidenschaft der Weiber. Im übrigen empfehle ich mich Euch von ganzem Herzen. Die Nachtigallen singen in den Büschen, die Kugeln pfeifen und meine Proklamation ist zu Ende. Georg Weerth*

Im Herbst 1848 nahm Fanny Lewald einen Kontrast dern, die von der Revolution erfaßt waren, beteilig­ wahr. Es gebe "deutsche hochgelehrte Professo­ ten sich Frauen in erheblicher Zahl an den Ausein­ ren, alte Staatsmänner", die dicke Bücher über Re­ andersetzungen, an Kämpfen und Siegen, und sie volution und Verfassungen schrieben, aber über wurden vielfach zum .,Opfer" in den Niederlagen. tatsächlich geschehende Revolutionen eiferten und Marion Freund schrieb in einem 1998 erschienenen darüber, "daß Kampf und Sieg Opfer erheischen". Aufsatz: Im Gegensatz dazu sei "jede junge Frau, die mit "Es gab 1848/49 eine große Bewegung von Frauen dem Blick auf ihre Mutter und Großmutter in ihr für den Kampf um demokratische Ideale und für ihre Wochenbett geht, mutiger und verständiger als die­ eigenen Rechte."2 se Männer." 1 Mutiger und verständiger - diesen Allerdings steckt in dem Wort .,und" eine Problema­ Schluß legte sie nahe - gingen die Frauen, junge tik. Hatte die Bewegung der Frauen in der Revoluti­ und alte, wohl auch durch die Zeiten der Revolution, on zwei gleichrangige Ziele, die hießen: Demokratie ohne Furcht, "daß Kampf und Sieg Opfer er­ und Emanzipation? Oder begriff sie das zweite als heischen". ln Deutschland und den übrigen Län- Moment des ersten? War der Kampf um Frauen-

21 IWK-MITTEILUNGEN 3/1998 rechte ein Teil der Ereignisse? Das wäre eine Neu­ Aston, Malvida von Meysenbug, Jenny Marx, Emma erung gewesen gegenüber der großen Französi• Herwegh, Amalie Struve und Marie Kurz (Mutter schen Revolution. Diese sah zwar einen Aufbruch von lsolde Kurz). 7 Neueste Beiträge, 1998 erschie­ der Frauen, jedoch kaum "im Sinne eines Kampfes nen, bevorzugen wiederum die schreibenden und 3 um die Gleichstellung des weiblichen Geschlechts" , sogar in der Dichtung auftretenden Frauen. Marion und der bekannte Versuch der Olympe de Gouges, Freund resümierte die Aktivitäten der Schriftstelle­ ihn zu initiieren, endete für sie auf dem Schafott. rinnen in der Revolution. Das hieß: die politische Richtig ist, daß in einem weiteren Sinne die Frauen­ Journalistik, die Erfahrungsberichte sowie politische emanzipation dennoch aus den Revolutionen der Belletristik von Autorinnen. Kerstin Wilhelms unter­ Neuzeit hervorging. Jutta Menschik schrieb dazu: suchte "Phantastische Frauen in Romanen der Re­ 8 "Die Gleichberechtigungsbewegung ist das Kind der volution von 1848/49". Hier ging es um das be­ bürgerlichen Revolutionen und Freiheitsbewegungen liebte ,Amazonenmotiv', die als Mann verkleidete, sowie der kapitalistischen Produktionsweise."4 kämpfende Frau, jetzt in der Fiktion. Ulrike Baureit­ Gilt das auch für die Frauenbefreiung in den hel schlug für die in den Männerkampf ziehenden deutschsprachigen Territorien, stand auch sie im Streiterinnen den Terminus "Ausnahmefrauen" vor: "Kind"-schaftsverhältnis zu den Revolutionen, be­ "Daß diese ,Ausnahmefrauen', die sichtbar aus ihren sonders zu derjenigen von 1848? War sie ihr Pro­ weiblichen Rollen ausbrachen, lange Zeit die Phan­ dukt? Oder traten beide, Demokratie und Emanzi­ tasie vieler Historikerinnen beflügelten, mag kaum pationsbestrebung, gleichzeitig auf und vor allem, verwundern." 9 aus Sicht der Frauen, gleichrangig? Um Licht in die­ Das Jahr der 150. Wiederkehr des Revolutionsda­ se Frage zu bringen, müßte erstens Art und Um­ tums erlebt offensichtlich ein weiteres Mal die Be­ fang der Beteiligung von Frauen an der Revolution vorzugung der schon stets bevorzugten Frauen der von 1848 ermittelt werden, und zweitens, inwieweit Revolution. Aber: Wo bleiben die Nicht-Ausnahmen, in ihr eine spezifische Frauenrechtsbewegung er­ die weder als Autorinnen noch als Amazonen her­ schien, in Ansätzen oder voll ausgebildet. ausragten noch gar als beides - wie Anneke und Daß auch die Frauen sich freier bewegen und es Aston? Was kann über die ,normalen' Frauen in der sich nicht nehmen lassen, in die Politik einzutreten, Revolution ermittelt werden, über die namenlosen, wenn verkrustete Verhältnisse aufbrechen und die weil seitdem namenlos gewordenen Beteiligten aus Menschen sich ihre Freiheit erobern, zeigte sich in den unteren wie oberen Ständen, junge Frauen und allen Revolutionen der Neuzeit. Eindrucksvoll be­ alte? Um dies zu beantworten, darf dir:; Forschung schrieb es Jules Michelet in seinem Werk Die Frau­ wiederum die Ausnahmefrauen nicht außer Acht en der Revolution, gemeint: die französische von lassen, schon gar nicht die Autorinnen. Nicht zuletzt 1789. Der Verfasser merkt an, daß es unter dem sind es ja sie, von denen wertvolle Quellen stam­ Eindruck der Revolution von 1848 entstanden sei men, die es erlauben, den Frauenanteil an der Re­ (1854). Doch haftete dem Werk ein Mangel an, den volution zu erforschen. seitdem viele Publikationen über die Frauen in den Inzwischen gibt es Werke, deren Verfasserinnen Revolutionen aufwiesen. Die Kritik formulierte Mi­ eine Beschränkung auf die Ausnahmefrauen zwar chelet selber: nicht völlig vermeiden, doch partiell. Helga Grebing "Der Hauptfehler dieses Buches ist, daß es seinen hielt in ihrer kleinen Schrift Frauen in der deutschen Titel nicht erfüllt. Es handelt nicht über die ,Frauen Revolution 1918/19 fest, daß aus diesem Zeitpunkt der Revolution', sondern über einige Heidinnen, eini­ wohl keine andere Frau in der Erinnerung der 5 ge mehr oder weniger berühmte Frauen." Nachlebenden so dominiere wie Rosa Luxemburg. Die Bevorzugung der Namhaften ist der Ausweg, Doch erhob sie selber zur Forschungsmaxime: der häufig gewählt wurde, weil die Frage Mühe be­ "Genug der großen Namen ... .'' 10 Im Anschluß dar­ reitet: Wie groß war der Anteil aller Frauen an den an untersuchte Grebing den Anteil sowohl der Ar­ Revolutionen, aller Frauen an einer einzigen von beiterinnenbewegung als auch der bürgerlichen ihnen? Heraushebung der Heidinnen, der berühm• Frauenbewegung, und darin eingeschlossen den ten Frauen bedeutete, den Blick auf eine Handvoll Anteil der vielen Frauen, teils mit wenig bekanntem besonderer Frauen zu lenken. Die Methodik, die Namen, teils mit unbekanntem, in beiden Kollekti·­ sich dann anbot, war die biographische, mit Beto­ ven und sogar außerhalb ihrer. 11 ln breitem Maße nung des Revolutionserlebnisses. Daher stehen berücksichtigte Gerlinde Hummei-Haasis den Anteil auch in den deutschsprachigen Werken über Frau­ der einfachen Frauen an der 48er Revolution in ih­ 12 en der 48er Revolution die Namhaften im Zentrum, rer Anthologie Schwestern, zerreißt eure Ketten . immer wieder dieselben. ln acht Abschnitten sammelte sie nicht weniger als So eröffnete Fanny Lewald ihre Zwölf Bilder 267 Dokumente, die alles in allem die erstaunlich nach dem Leben mit Würdigungen der Dichtergattin breite und intensive Partizipation von Frauen bele­ Johanna Kinkel sowie der Schauspielerin Wilhelmi­ gen, Frauen aller Alter, Frauen der meisten Stände, ne Schröder-Devrient. 6 Über dieselben informierte besonders der unteren, dazu aus einigen oberen, auch Anna Blos in ihrer Schrift Frauen der deut­ und Frauen in unterschiedlichen Berufen. Nur ein schen Revolution 1848. Sie fügte noch hinzu: Loui­ einziger Abschnitt der insgesamt acht gehört dabei se Otto-Peters, Mathilde Franziska Anneke, Louise vier Ausnahmen, den "Amazonen": Emma Her-

22 IWK-MITTEILUNGEN 3/1998 wegh, Amalie Struve, Mathilde Franziska Anneke bar würden und daß jedenfalls und ,Madame Blenker'. "auch die Frauen aus der Teilnahmslosigkeit, mit wel­ ln meinen aus Gründen des Raums und der Zeit cher sie bisher bei den politischen Vorgängen und notwendigerweise knappen Ausführungen werde den sozialen Fragen der Gegenwart verharrten, sich ich versuchen, die Frage zu beantworten: Kann bei emporheben können". Ermittlung des Frauenanteils an der Revolution von Als Ursache hierfür nominierte sie: "Die politische 1848 die individuelle Biographik in der Forschung Poesie hat die deutschen Frauen aufgeweckt." 17 Ih­ ergänzt werden durch eine Methodik der systemati­ re Feststellung, falls richtig, erweist, daß ein allge­ sierenden Betrachtung? Eine solche Systematik mein-politisches Interesse, zumindest einer weibli­ würde gebildet durch die Kombination einer Reihe chen Elite, im Zuge der Zeit lag, also nicht erst 1848 von Aspekten, worunter elf als grundlegend er­ erweckt wurde. Historisch korrekt ist die Erweckung scheinen: übergeordnet das Junktim von Frauen­ nicht allein der politischen Dichtung zuzuschreiben. frage und Revolutionsgeschichte; ferner: der chro­ Denn drei wichtige Phänomene: die Aktivierung der nologische Aspekt, der stadiale, der regionale, der Frauen, die politische Poesie und sogar die Revolu­ soziale, der Geschlechterrollenaspekt, der Publizi­ tion selber sind allesamt auf die großen Wand­ tätsaspekt, der berufliche Aspekt, der Aspekt des lungsprozesse der Epoche zurückzuführen, daher 13 Frauenrechts , die Frage: Frauen als Opfer? sowie Symptome der Doppelrevolution im umfassenden der Aspekt der politischen Zuordnung. Sinne, wie sie seit dem 18. Jahrhundert auf der Ta­ gesordnung stand. Es waren: die ökonomische - 1. Ein Hauptunterschied gegenüber der Revolution das heißt die industrielle Revolution - sowie die po­ von 1918 war im Jahre 1848, daß die großen Kol­ litische - das heißt die bürgerliche, gegen den feu­ lektivbewegungen noch nicht auf dem Schauplatz dal-absolutistischen Staat gerichtete- Revolution. erschienen waren, also weder die Arbeiterinnen­ noch die ,bürgerliche' Frauenbewegung, weder die 2. Bei der Beurteilung der Äußerungen und Aktivi­ Parteien noch die Gewerkschaften, so daß ein ge­ täten von Frauen ist niemals die genaue Zeitbe­ meinsames Beraten und gemeinsames Vorgehen stimmung zu vergessen; so gilt es primär zu erfra­ lediglich die Gestalt von Klubs und Frauenvereinen gen, ob sie vor der Revolution, im Vormärz, oder in annehmen konnten. Daneben die von spontanen der Revolution, oder nach der Revolution, im Nach­ Massen, z. B. in Form von Demonstrationszügen, märz. stattfanden. Die Äußerung von Otto-Peters die aber ihrer Natur nach unstet blieben und aus­ über das Verhältnis von Fraueninteresse und politi­ schließlich temporär einzugreifen vermochten. scher Dichtung gehört erkennbar in den Vormärz. Die Anfänge der Frauenbewegung als kollektive Eines von dessen Kennzeichen bildete die emi­ Bemühung um Frauenrechte sind nur im größeren nente Hochschätzung literarischer Äußerungen. Ei­ geschichtlichen Kontext des 19. Jahrhunderts ver­ ne andere Aussage derselben Autorin lautet: "Die ständlich. Dessen Verlauf wiederum bleibt unver­ jetzige Politik berührt die Frauen nicht wie diejenige 18 ständlich ohne die Geschichte der Revolutionen seit der kürzlich vergangenen Jahre." Der resignative 1789. Otto Voßler bezeichnete als den eigentlichen Satz erweist sich klar als Nachmärz-Statement und Erfolg von 1848: bezeichnet die Distanz von Frauen zur Politik der Reaktionsperiode, dazu die Zurückdrängung der "Das Eindringen des neuen Freiheitsglaubens ins Volk und das Eindringen des Volkes in die Politik". 14 Frauen aus der Politik, im Unterschied zu ihrem In­ teresse und Anteil während der Revolution. Bereits ein Zeitgenosse des Ereignisses, Adolph Streckfuß, hatte dasselbe durch eine Romanfigur 3. Sekundär, aber niemals zu vernachlässigen, ist aussagen lassen: Der 18. März habe der stadiale Aspekt, die Fragestellung: Welchem "keine andere historische Bedeutung, als daß es Stadium der Revolution entstammt eine Äußerung durch diesen Sieg überhaupt möglich wurde, der Idee oder Aktivität von Frauen? der Demokratie im Volke einen fruchtbaren Boden zu schaffen, dieselbe zu säen und für ihr Aufgehen zu sorgen ... "15 . 4. Mit dem stadialen verbindet sich meist der regio­ nale Aspekt, die Fragestellung: ln welcher Region Wenn Resonanz im Volke, dann ebenso unter den geschah welches bedeutende Ereignis mit Frauen­ Frauen und mit dem Eindringen des Volkes in die beteiligung, in welcher wurde eine bezeichnende Politik auch dasjenige der Frauen. Ähnlich sah es Äußerung getan? Das im folgenden geschilderte Er­ der damalige Rezensent von Louise Astans Roman eignis konnte nur in einer großen Stadt mit Arbeiter­ Lydia (1848). Etwas mißmutig räumte er ein: anteil und Universität stattfinden, in der die Studenten "Wir leben in einer Zeit der Revolution, und diese wegen ihrer Beteiligung an der Revolution große mag sich wohl auch unter den Frauen geltend ma­ Sympathien im Volke genossen: in Wien. Der Text chen."16 berichtet von einem Vorkommnis am 27. Mai 1848: Bereits vor 1848, im Jahre 1844, vertrat Louise Ot­ "Der originellste Besuch an diesem Tage, wo viel­ to-Peters die Auffassung, daß ein "neuer Geist ... leicht 100.000 Menschen durch die Universität wan­ sich unter dem weiblichen Geschlecht geltend" ma­ delten, mag wohl jener von 200 Arbeiterinnen gewe­ che; daß darüber "die Klagen der Alten" vernehm- sen sein, welche mit Stangen und Haken bewaffnet,

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sich die Auszeichnung erbaten, durch die Aula zie­ den. So bewertet man die karitativen Werke kon­ hen zu dürfen. Ein ältliches Weib führte sie an kom­ v~ntionel~ als ,weiblich'. Beispielsweise engagierten mandierte in der Aula: ,Halt! Front! Präsentiert! Bei s1ch Berliner Frauen in Hilfsdiensten für Hinterblie­ Fuß!', bestieg die Tribüne und sprach wenige, aber bene der Opfer der Märzkämpfe und darüber hin­ treuherzige Worte, daß sie alle bereit seien, wieder­ aus bei der Verwundetenpflege. 24 überall im Lande zukommen, wenn es Not tue, und wie sie alle ihre nähte~ Frauen Kleidung "für die Streiter der Frei­ Freunde dazu aufmuntern würden, den Studenten zu 20 helfen."19 heit". War es mehr als eine Minderheit von Frauen d!e so klar wie Amalie Struve dachte? Diese sprach Und wo fand die folgende Manifestation statt? in ei­ s1ch ausdrücklich dagegen aus, nem kollektiven Schritt forderten viele Frauen näm• lich 5.356 in einer Stadtgemeinde von über 5o.ooo "daß die Pflicht der Frau bloß darin bestehe, dem Einwohnern, die Rücknahme der Suspension eines Gatten für seine häuslichen Bedürfnisse Sorge zu tragen und die Kinder gut zu erziehen".26 Führers der Demokratie. Es müßte sich also etwa jede fünfte Frau dem Protest gegen die Amtsenthe­ Und welche Arten der Beteiligung wären unter dem bung angeschlossen haben. Es geschah in Bremen Gesichtspunkt der Geschlechtsrollen als unspezi­ zu einem so späten Zeitpunkt wie dem März 185220 fisch zu rubrizieren? Z. B. das Aufnehmen und Ver­ stecken verfolgter Freiheitskämpfer, Hilfe für sie auf ihrem Fluchtweg. Besonderes Aufsehen erregten 5. Den sozialen Aspekt heranziehen, muß heißen: Frauen in der Revolution stets mit Aktivitäten, die die Zugehörigkeit der Frauen, die sich in der Revo­ herkömmlich allein den Männern zugestanden wur­ lution betätigten - sogar auch derer, die sich viel­ den. Die zeitgenössischen Berichte melden aber ei­ leicht gegen sie aussprachen - zu den vorhande­ ne unübersehbare Fülle gerade solcher Taten. nen Ständen untersuchen. Die Quellen erweisen Während der Kämpfe in den Städten waren Städter• daß es unter den Frauen der Zeit nicht lediglich de~ innen am Barrikadenbau beteiligt, und sie versorg­ prorevolutionären Enthusiasmus gab - der aller­ ten die Streiter mit Lebensmitteln, Waffen und Mu­ dings auffällig, manchmal spektakulär in Erschei­ nition. Eine vielumrätselte "Barrikadenkönigin", eine nung trat -, sondern ebenso auch Desinteresse "Barrikadenbraut" und eine "Fahnenkönigin" mit sowie emotionale und rationale Ablehnung. Deutlich hochroter Fahne, dem Erkennungszeichen der De­ wird, daß sich keineswegs Frauen aller Stände mokraten, gingen in Wien von Barrikade zu Barri­ gleichmäßig an der Revolution beteiligten. Sicher­ kade, um die Kämpfer zu ermutigen. Eine Meldung lich war die Zahl derjenigen, die sich für die Zeit­ aus Wien, datiert 30. Mai 1848, lautet: ereignisse interessierten, insgesamt beträchtlich. Doch Interesse dafür konnte eben auch bedeuten: "Ein Weib von hoher, edler Gestalt, mit blassen, ed­ Stellungnahme gegen die Revolution. lngeborg l~n Zügen, zog mit der Flinte am Arme an der Spitze Weber-Kellermann teilte die Frauen in vier vonein­ emes Trupps. Ihre glänzenden Augen sprachen star­ ander abgesetzte Gruppen ein: Damen des Adels ren Todesmut, ihre zusammengepreßten Lippen bar­ gen Flüche über die Verräter des Vaterlandes. Ein und des Großbürgertums; die bürgerlichen Haus­ weißer Schleier floß über ihr nächtiges Haar herab, frauen; Dienstmägde und Arbeiterinnen; die Land­ und sie schritt in stolzer Haltung zu allen Barrikaden frauen.21 Bei Aktionen der Aufständischen mit den wo sie mit Jubel begrüßt [wurde]. Das war ein Weib Höhepunkten der Barrikadenkämpfe und Feldzüge der Revolution am 26. Mai, und solche Weiber gab waren am ehesten Frauen der Gruppen zwei und es viele." 27 drei beteiligt, sehr sichtbar an den zentralen Plätzen Nicht wenige Frauen fochten selber mit. So in Berlin der Vorgänge: Wien, Berlin, Dresden, Baden. Frau­ die berühmt gewordene Lucie Lenz; in Dresden en des Adels fanden sich sicherlich selten auf Sei­ Pauline Wunderlich, die deshalb nach der Niederla­ ten der Revolutionäre ein. ge der Revolution "lebenslänglich Zuchthaus" er­ Zu den prorevolutionär gesinnten Frauen aus hielt.28 August Röcke! berichtete aus Dresden über dem Adel zählte z. B. Malwida von Meysenbug. Sie "eine nicht mehr junge Dame, die im ersten Stock­ mußte jedoch erkennen, daß sie im eigenen Famili­ 22 werk eines vom Zwingerwall aus lebhaft mit Kanonen enkreis vollkommen isoliert war. Auf Seiten der beschossenen Eckhauses, im Verein mit ihren Diene­ Konterrevolution zeigten sich zuweilen recht offen rinnen, nicht nur höchst geschäftig Speise und Trank Damen des Adels und der Bourgeoisie. So be­ für die zahlreiche Besatzung ihrer Wohnung besorg­ grüßten einmal Wienerinnen höherer Schichten die te, sondern auch als Tochter oder Witwe eines spa­ der Verfasser eines Berichts über die Vorgäng~ als nischen Offiziers, die ,schon viel Derartiges erlebt "Damen" klassifizierte, die "Sicherheitswache" mit und das Ding versteht', gleichsam das Kommando Vivats und Tücherschwenken, als sie mit erbeute­ über die Volksstreiter führte, jetzt zu den Töpfen in ten Arbeiterfahnen, in den Händen blutige Säbel, in der Küche, von da an wieder in die Zimmer eilend die Männer anweisend, wie sie sich zu stellen haben' der Leopoldstadt eintraf. 23 um mit Sicherheit zielen zu können und doch gege~ feindliche Kugeln gedeckt zu sein. Wie ich später 6. Unter dem Geschlechterrollenaspekt wird ermit­ vernahm, hat sie auch das tödliche Blei mitten in ihrer 29 telt, welche spezifischen Aktivitäten der an der Re­ eifrigsten Tätigkeit erreicht." volution beteiligten Frauen bekannt sind, welche in einer Adresse an den Frauenklub in Wien for­ unspezifischen, und welche als rollenwidrig gelten- derte eine Schreiberin, ein "Amazonenkorps" zu bil-

24 IWK-MITTEILUNGEN 3/1998 den. 30 Als Amazonen bezeichnete man solche schiedliche Empfindungen aus. Als im Juni 1848 in Frauen, die sich in den Kampagnen den revolutio­ Berlin die Frauen und Töchter der Mitglieder des nären Truppen anschlossen, in Männerkleidung und Demokratischen Klubs gemeinsam mit den Män• bewaffnet. Als Amazonen galten die Schriftstellerin­ nern im Zuge gingen, erweckte dies im Volke Be­ nen und Journalistinnen Louise Aston und Mathilde fremden. Franziska Anneke. Aston zog mit den Berliner Frei­ Fanny Lewald kommentierte: schärlern zur Unterstützung Schleswig-Holsteins .,Mag man die geistige Berechtigung der Frauen noch ins Feld, beschäftigte sich in der Verwundetenpfle­ so sehr anerkennen, ihr persönliches Auftreten in der ge und wurde in Altenhof selber verletzt. Anneke ritt Volksmasse liegt außerhalb des deutschen Charak­ während der Reichsverfassungskampagne 1849 an ters. Es sollte deshalb nicht absichtlich hervorgerufen der Seite ihres Mannes, Fritz Anneke. Sie wußte, werden, weil damit weder für die wirkliche Erhebung daß eine Frau wie sie eine Provokation darstellte: der Frauen noch die des Volkes ein Wesentliches gewonnen, wohl aber verloren werden kann." 36 ,,Viele von Euch im fremden wie im Heimatlande wer­ den mich schmähen, daß ich, ein Weib, dem Kriegs­ Es war eine Sensation, als in einer Sitzung des Si­ rufe gefolgt zu sein scheine." cherheitsausschusses des Österreichischen Reichs­ 37 Sie lehnte es ausdrücklich ab, als "Amazone" zu tags eine Frau sprach, Anna Maria Bachmann. gelten, zumal sie in weiblicher Tracht, die einzig durch Leinenhosen ergänzt wurde, ihren Militär• 8. Die beteiligten Frauen erscheinen in den Quellen dienst als Ordonnanzoffizier (heute würde man sa­ vielfach ohne Hinweis auf ihren Beruf, lediglich mit gen: Adjutantin) versah, und zwar unbewaffnet. 31 Nennung ihres Standes: Bürgersfrauen, Bäuerin• Andere Frauen hingegen verzichteten keinesfalls nen, Arbeiterinnen, Dienstmädchen, Ehefrauen oder auf Waffen und Waffengebrauch, so eine junge Witwen, Greisinnen oder Mädchen. Hier stechen Frau vom Lande, wohl die Tochter eines Schmieds, die Angaben über die Beteiligung der Künstlerinnen die eine zur Waffe umgeschmiedete Sense trug. und vor allem der intellektuellen Frauen hervor: Folgendes ist wieder eine Meldung aus Wien: Schauspielerinnen und Autorinnen (meist auch gleichzeitig Journalistinnen). Amalie Struve war .,Auf der Barrikade am Lugeck brachte ein sech­ 38 Lehrerin . Selbst die intellektuellen Frauen rangen zehnjähriges Mädchen, die Tochter eines höheren oft mit dem Problem ihrer ökonomischen Unabhän• Staatsbeamten, drei Tage und drei Nächte als Stu­ dent verkleidet zu. Mitteist eines falschen Schnurr­ gigkeit, die Lebensnot bedrängte sie. Malwida von bartes hatte sie sich ein martialisches Aussehen ge­ Meysenbug gab für das Jahr 1848 an, sie habe geben und vor Erkennung geschützt."32 "betroffen" vor der Frage gestanden: "Was tun, um mir mein Brot selbst zu erwerben?" 39 7. Der Revolution von 1848 entsprach wie schon 1789 die Herstellung einer revolutionären Öffent• 9. Gab es ausgesprochen frauenrechtlerische Be­ lichkeit. Wie beteiligten sich die Frauen an ihr? Sie strebungen in der Revolution, konnten diese als verfertigten Flugblätter und halfen bei ihrer Vertei­ gleich wichtig erscheinen wie die konstitutionellen lung, gaben Zeitungen und Zeitschriften heraus und und demokratischen? G. Hummei-Haasis vermerk­ schrieben Artikel. 33 Claire von Glümer wirkte in te, das Thema Frauenemanzipation sei damals kein Frankfurt als Parlamentsberichterstatterin. Frauen zentrales gewesen. 40 Auf der anderen Seite nannten verfaßten Darstellungen und Bücher. Fanny Lewald manche Frauen, besonders die Wortführerinnen notierte, daß das "öffentliche Leben" in Revolutio­ des Fortschritts, die Interessen der Frauen in einem nen "die Sprache zum Gemeingut" machen kann, Atemzuge mit der Demokratie. So Fanny Lewald, in was in Deutschland aber noch nicht Realität sei. 34 dem obigen Zitat, worin sie fast formelhaft verband: Bekanntlich erlaubte die Revolution der weiblichen "die wirkliche Erhebung der Frauen" und "die des Bevölkerung keine Beteiligung an den Wahlen, ge­ Volkes" (man darf den Doppelsinn von "Erhebung" schweige einer Frau einen Abgeordnetensitz in der durchaus mithören!). Nationalversammlung und den territorialstaatlichen Als spezifisch frauenrechtlerisch können in der Volksvertretungen. in den meisten waren sie nicht Revolutionszeit vor allem drei Arten von Bestrebun­ einmal als Beobachterinnen zugelassen, so im gen gelten: Frankfurter Vorparlament a. Die Forderung nach Frauenemanzipation gene­ Ganz anders in der Paulskirche; hier durften sie rell, im Konnex mit der Forderung nach der Zulas­ Zeuginnen der Verhandlungen werden. Ihr Platz sung der Frauen zur Politik, so in dem Artikel von wurde ihnen auf der Linken zugewiesen, was als Otto-Peters Die Teilnahme der weiblichen Weft am "Omen" galt, denn die Sympathien der Frauen ge­ Staatsleben (1847); hörten, wie sämtliche Berichte bezeugen, in der Regel der Linken. Einen Journalisten bewog das b. Die Bemühungen, die Bildung der Frauen zu ver­ bessern oder ihnen überhaupt einmal eine solche zur Bewertung "Unvorsichtigkeit von der Palastver­ 41 waltung des hohen Parlaments" sowie zu der Fra­ zu verschaffen ; ge: "Haben unsere Frauen und Mädchen nicht oh­ c. Die Gründung von Frauenvereinen, die während nehin genug Emanzipationsgedanken?"35 Bei De­ der Revolution und in den Folgejahren eine sehr monstrationen mitziehende Frauen lösten unter- reiche Tätigkeit entfalteten. So konstituierte sich in

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Wien der erste Wiener demokratische Frauenverein Die Stimmung der Frauen im Revolutions-Frühling am 28. August 1848. 42 war eine grundlegend andere gewesen, und cha­ Es war zwar konsequent, daß die siegreiche rakteristisch hierfür ist z. B. die Radikalität Malwidas Konterrevolution mit der Revolution auch die frau­ von Meysenbug. Sie resümierte in ihrem Kapitel enrechtlerischen Bestrebungen unterdrückte, doch "1848" die Forderungen der Demokratie, der sie gelang ihr dies nicht ein für allemal. Als in den ebenso anhing wie die meisten der hier erwähnten sechziger Jahren die erste Frauenbewegung ge­ Frauen. Es war in der Ära des Vorparlaments. Sie gründet wurde, in den USA wie in Deutschland, schrieb: befanden sich dort wie hier bewährte 48erinnen an "Die radikale, republikanische Partei wollte entschei­ der Spitze, Anneke, Otto-Peters, Marie Mindermann dende Massregeln; die Erklärung der Grundrechte und andere. des deutschen Volks, die unmittelbare Bewaffnung aller waffenfähigen Männer und die Permanenz des 10. War die Entstehung der Frauenbewegung im­ Vorparlaments, bis ein definitives Parlament vom Volke erwählt sei. Dies war ein revolutionäres Pro­ merhin ein - wenn auch verspäteter - Erfolg, so 45 gehörten zu den bittersten Erfahrungen der Frauen gramm, die Erklärung der Souveränität des Volks." der Revolution unmittelbar nach der Niederlage die Für die politische Einstellung mancher Frauen in Verfolgung durch die Armeen der Konterrevolution, den Unterschichten gibt es ein sehr bewegendes durch Gerichte und Behörden. Die Opfer hatten zu Zeugnis von Mathilde Franziska Anneke. Als diese erdulden: Vergewaltigung, Folter und Ermordung, während des badischen Feldzugs in dem Dörfchen den Tod in der Haft- sie fügten sich zuweilen auch Ubstadt rastete, suchten Frauen in nicht weniger als selber den Tod zu -, rigoroseste Zuchthaus- und vier Kolonnen sie in ihrem Quartier auf, von der äl• Gefängnisstrafen, dazu auch leichtere dieser Art, testen Bäuerin bis hin zum jungen Mädchen. Sie ferner Maßnahmen wie Verbannung und Auswei­ huldigten ihr mit dem Ruf: "Wir sind gekommen, die sung oder Entziehung der ökonomischen Basis Tochter Robert Blums zu sehen." 46 Die Gefeierte (Rente). Viele Frauen emigrierten, mit ihren Män• widersprach und lehnte die Bezeichnung ab, sei sie nern zusammen oder allein, und nahmen das müh• doch nicht das Tochterkind des berühmten Volks­ selige Leben im Exil auf sich. manns, des Opfers der Siegerjustiz. Wie im großen, so bewiesen Frauen auch im Wirklich war sie es nicht in einem engeren Sin­ kleinen ihren Mut. Als in Bremen die Schriftstellerin ne, aber in einem weiteren, übertragenen sehr Marie Mindermann (1808-1882) in ihren Veröffent• wohl. lichungen den Führer der Demokraten, Dulon, ver­ teidigt hatte, wurde sie verhaftet und zu acht Tagen Gefängnis oder zwanzig Talern Geldstrafe verurteilt ANMERKUNGEN: (1852). Sie weigerte sich, die Summe zu erlegen, und wählte die Haft. Danach ungebrochen wie zu­ * Neue Rheinische Zeitung (Titelblatt), Köln, 19. Mai 1849, Nr. 301. Zit. in: Gerlinde Hummei-Haasis (Hg.): vor, kritisierte sie in einer weiteren Veröffentlichung Schwestern zereißt eure Ketten. Zeugnisse zur Ge­ die Justizpraktiken und Zustände im bremischen schichte der Frauen in der Revolution von 1848149. Gefängnis. Das Gericht wollte ihr die Urheberschaft München 1982, S. 35 f. nicht zutrauen, sondern bezichtigte Dulon der Auto­ renschaft. Die Kritikerin aber verspottete ihre Geg­ 1 Fanny Lewald: Erinnerungen aus dem Jahre 1848. ner, die ihr, einer Frau, die Verfasserschaft abspra­ Herausgegeben von Dietrich Schaefer. Frankfurt/M. chen, und schrieb: 1969, S.110 (F. L.lebte 1811-1889.) "Wie wäre es auch überall nur möglich, daß es unter 2 "Wenn die Zeiten gewaltsam laut werden ... so kann Frauenzimmern ein bißchen Verstand geben könn• es niemals fehlen, daß auch die Frauen ihre Stimme te?"43 vernehmen und ihr gehorchen." Marion Freund: Schriftstellerinnen und die Revolution von 1848/49; in: FVF/Forum Vormärz Forschung (Hg.): 1848 und 11. Die Quellen ermöglichen es nicht immer, die po­ der deutsche Vormärz. Jahrbuch 1997 I 3. Jahrgang, litischen Auffassungen der Frauen in der Revolution Sielefeld 1998, S. 141 zu rekonstruieren. Doch wird es denkwürdig blei­ 3 Susanne Petersen: Marktweiber und Amazonen. ben, wie groß die Hinneigung vieler von ihnen zur Frauen in der Französischen Revolution. Dokumente, Demokratie und zu den radikalen Formen der Re­ Kommentare, Bilder. Köln 1987, S. 243 volution war. Gelegentlich verband sich eine solche 4 Jutta Menschik: Feminismus. Geschichte, Theorie, Neigung mit Resignation und Illusion, wie in einer Praxis. 3Köln 1985, S. 19 Äußerung Fanny Lewaids vom 20. Januar 1849 in 5 Jules Michelet: Oie Frauen der Revolution. Heraus­ einem Brief an den Prinzen Karl Alexander von gegeben von Gisela Etzel. Frankfurt!M. 1984, S. 264 6 Fanny Lewald: Zwölf Bilder nach dem Leben. Erinne­ Sachsen-Weimar: rungen. Berlin 1888; Johanna Kinkel: S. 1-34, Wil­ "Alle meine Hoffnungen für die nächste Zeit be­ helmine Schröder-Devrient: S. 35-63. - Ähnliche schränken sich jetzt auf ,gute Fürsten', denn ich Verfahrensweise in dem Sammelwerk von Susan weiß, daß jetzt die Republik unmöglich ist in Freitag (Hg.): Oie 48er. München 1997 (enthält zwei Deutschland; daß sie in Frankreich noch unmöglich Porträts von Frauen: Mathilde Franziska Anneke und ist."44 Malwida von Meysenbug)

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7 Anna Blas: Frauen der deutschen Revolution 1848. 22 Malwida von Meysenbug: Memoiren einer !dea/istin, (bezeichnender Untertitel:] Zehn Lebensbilder und 3 Bände. Berlin-Leipzig, o. J., Bd. 1, S. 217-229. - ein Vorwort. Dresden 1928 (richtig: Mal~ida) Teilausgabe: herausgegeben von Renale Wiggers­ 8 Kerstin Wilhelms: Sie schien ein Mann geworden ... ; haus, FrankfurtiM. 1985, S. 115-134. - Vgl. auch in: FVFIForum Vormärz Forschung (Hg.): 1848 und Gunther Tietz (Hg.): Malwida von Meysenbug. Ein derdeutsche Vormärz,. a. a. 0., S. 143-160. Porträt. Frankfurt/M. 1985 (M. v. M. lebte 1816-1903.) 9 Ulrike Baureithel: Weiberkrawalle mit Katzenmusik; 23 Hummei-Haasis: Schwestern zerreißt eure Ketten, in: taz 29./30. 11. 1997, S. X (Frauen). (Nicht vor al­ a. a. 0., S. 183 lem einmal die Phantasie der Männer?) 24 a. a. 0., S. 44 10 Helga Grebing: Frauen in der deutschen Revolution 25 a. a. 0., S. 91 1918119, Reihe: Kleine Schriften I Stiftung Reichs­ 26 a. a. 0., S. 205 präsident Friedrich-Ebert-Gedenkstätte, Nr. 17, Hei­ 27 a. a. 0., 101 u. 113 f. delberg 1994, S. 6. - Im Rahmen der Reihe: Politik­ 28 a. a. 0., S. 14 u. 104 und Gesellschaftsgeschichte (Bd. 48) brachte das 29 a. a. 0., S. 108 Forschungsinstitut der Friedrich-Ebert-Stiftung zum 30 a. a. 0., S. 151. -Man darf allerdings nie vergessen, Jubliläumsjahr 1998 eine Anthologie mit neuen For­ daß von Seiten konterrevolutionärer Publizisten schungsbeiträgen heraus: Dieter Dowe u. a. (Hg.): Texte in Umlauf gebracht wurden, die den revolutio­ Europa 1848. Revolution und Reform. Bann 1998. ln nären Eifer dadurch verhöhnten, daß den Frauen frei diesem Werk befindet sich auch eine Arbeit über die erfundene, übertrieben radikale Äußerungen in den Frauen der Revolution: Gabriella Hauch: Frauen­ Mund gelegt wurden! (Zahlreiche Belege bei Hum­ Räume in der Männer-Revolution 1848, S. 841-900 mei-Haasis usw.) (mit wichtigen Literaturangaben in den Fußnoten). 31 a. a. 0., S. 223 u. 225 11 Im Ergebnis meinte sie, es habe sich "der Katalog 32 a. a. 0., S. 224 u. 119 der in der Revolutionszeit aufgestellten und zum Teil 33 Louise Aston (1814-1871 ): "Der Freischärler"; Ma­ auch durchgesetzten, zum mindesten in den Prozeß thilde Franziska Anneke (1817-1884): "Neue Kölni• der Durchsetzung eingebrachten Frauenforderungen sche Zeitung" und "Frauen-Zeitung"; Louise Otto­ recht stattlich" ausgenommen (Grebing, Frauen in der Peters: "Frauenzeitung"; Louise Dittmar (1807-1884): deutschen Revolution, a. a. 0., S. 22). Jedoch sei "Soziale Reform" (Zs.-Titel). Zu allen diesen- und zu einzuräumen, "daß die Beteiligung der Frauen an der Malwida von Meysenbug - vgl. jetzt die entsprechen­ Revolution im engeren Sinne gering geblieben ist und den Lexikon-Einträge in: Mary Asendorf I Ralf v. Bok­ daß viele Frauen die neugewonnenen Möglichkeiten kel (Hg.): Demokratische Wege. Deutsche Lebens­ und Handlungsspielräume eher als eine Bedrohung läufe aus fünf Jahrhunderten. Stuttgart 1997 empfanden denn als eine emanzipatorische Chance 34 Lewald: Erinnerungen, a. a. 0., S. 35 begriffen ... " (a. a. 0., S. 25). 35 Zit. bei Hummei-Haasis, Schwestern zerreißt eure 12 Hummei-Haasis: Schwestern zereißt eure Ketten, a.a. 0. Ketten, a. a. 0., S. 38 13 Ich wähle bewußt diesen Terminus als den präzise• 36 Lewald: Erinnerungen, a. a. 0., S. 92. - Also keine ren, um mich von dem Terminus "feministisch" abzu­ prinzipielle, sondern eine taktische Erörterung! -Zur grenzen. fast gegenteiligen Einstellung eines Mannes, Ludwig 14 Otto Voßler: Die Revolution von 1848 in Deutschland. Bamberger, vgl.: Hummei-Haasis, a. a. 0., S. 17 f. 2 FrankfurtiM. 1969, S. 152 37 Hummei-Haasis, Schwestern zerreißt eure Ketten, 15 Adolph Streckfuß: Die Demokraten. Politischer Ro­ a. a. 0., S. 42 f. man in Bildern aus dem Sommer 1848. Herausgege­ 38 a. a. 0., S. 206 ben von Hartmut Boger und Helmut G. Haasis. Gie­ 39 Meysenbug, Memoiren, a. a. 0., Bd. 1, S. 218 ßen 1977, S. 291 40 Hummei-Haasis, Schwestern zerreißt eure Ketten, 16 Abgedruckt in Germaine Goetzinger: Für die Selbst­ a. a. 0., S. 8 u. 144 vetwirk/ichung der Frau: Louise Aston. in Selbstzeug­ 41 Boetcher Joeres: Die Anfänge der deutschen Frau­ nissen und Dokumenten. FrankfurtiM. 1983, S. 117 enbewegung, a. a. 0., S. 57. - Manche der an der 17 Ruth-EIIen Boetcher Joeres: Die Anfänge der deut­ Revolution beteiligten Frauen betätigten sich als Leh­ schen Frauenbewegung: Louise Otto-Peters. Frank­ rerinnen in der Mädchenerziehung und Frauenbil­ furt!M. 1983, S. 81 (L. 0.-P. lebte 1819-1895.) dung oder gründeten Erziehungsinstitute: Anneke, 18 a. a. 0., S. 109 Meysenbug u. a. 19 Abgedruckt bei Hummei-Haasis: Schwestern zerreißt 42 Vgl. Hummei-Haasis, Schwestern zerreißt eure Ket­ eure Ketten, a. a. 0., S. 122 ten, a. a. 0., S. 240-327, mit außerordentlich instruk­ 20 Der suspendierte Geistliche war Dulon. - Vgl. dazu: tiven Dokumenten zum Wiener demokratischen Werner Biebusch: Revolution und Staatsstreich. Frauenverein und Karoline Perin sowie zum Mainzer Verfassungskämpfe in Bremen von 1848 bis 1854. Frauenverein "Humania" und der Wirksamkeit von Veröffentlichung aus dem Staatsarchiv der Freien Kathinka Zitz! Hansestadt Bremen, Bd. 40. 2 Bremen 1974, S. 264. 43 Der Vorfall ist skizziert bei Biebusch, Revolution und Die stadial-regionalen Unterschiedlichkeilen waren Staatsstreich, a. a. 0, S. 268 f. bereits in der Revolution von 1789 außerordentlich, 44 Fritz Böttger (Hg.): Frauen im Aufbruch. Frauenbriefe so etwa zwischen den Pariserinnen und den Frauen aus dem Vormärz und der Revolution von 1848. Ber­ in der Vendee 1790 f. (Michelet: Die Frauen der Re­ lin 1977, S. 391 volution, a. a. 0., S. 104-121) 45 Meysenbug, Memoiren, a. a. 0., S. 228 21 lngeborg Weber-Kellermann: Frauenleben im 19. 46 Zit. bei Hummei-Haasis, Schwestern zerreißt eure Jahrhundert. Empire und Romantik, Biedermeier, Ketten, a. a. 0., S. 227 Gründerzeit. 2München 1988, S. 9 IWK-MITTEILUNGEN 3/1998

JOHANN DVORAK: DIE PARISER REVOLUTION IM FEBRUAR UND IM JUNI1848 UND DIE NOTWENDIGKEIT DER POLITISCHEN ORGANISATION IN DEN SCHRIFTEN VON CHARLES BAUDELAIRE

"Baudelaire's philosophy of Revolution: bitter, illiberal, absolutely anti-utopian; scorning the dre­ ams of February, smelling not so much of Cabet and Proudhon as of c/ass warfare and the dictatorship ofthe proletariat. " 1 T. J. Clark

EINIGES ÜBER DEN SCHRIFTSTELLER sen von (in Broschüren-Form publizierten) Bespre­ CHARLES BAUDELAIRE chungen der einmal jährlich stattfindenden großen Kunstausstellungen im Pariser Louvre, den Salons. "Es ist außerordentlich wichtig ... daß Baudelaire auf Schon in der Einführung zu seiner ersten derartigen das Konkurrenzverhältnis in der poetischen Produkti­ Schrift - ,Der Salon 184' - hatte Baudelaire von on stieß. Natürlich sind persönliche Rivalitäten zwi­ jenen "so nützlichen Eselsbrücken" geschrieben, schen Dichtern uralt. Hier handelt es sich aber gera­ "die man Salon-Besprechungen nennt". 7 Es geht de um die Transponierung der Rivalität in die Sphäre darum, dem - bürgerlichen - Publikum überhaupt der Konkurrenz auf dem offnen Markt. Dieser, nicht die Protektion eines Fürsten ist zu erobern. ln diesem erst einmal zu vermitteln, welche Kunstwerke aus Sinne aber war es eine wirkliche Entdeckung von welchen Gründen geschätzt werden sollten. Baudelaire, daß er Individuen gegenüber stehe. Die Die Künstler arbeiten nicht länger für reiche und Desorganisation der poetischen Schule, der »Sti­ aristokratische Mäzene, für Fürstenhöfe und deren le« ist das Komplement des offnen Marktes, der sich Verschönerung, für die Vermehrung des Ruhmes als Publikum vor dem Dichter öffnet. Das Publikum ihrer Gönner; sie produzieren für einen Markt, auf als solches tritt bei Baudelaire zum ersten Mal ins dem sie ihre Werke feilbieten; die Art und Weise, Blickfeld - das ist die Voraussetzung dafür, daß er wie sie in der Öffentlichkeit - für das Publikum, die dem »Schein« poetischer Schulen nicht mehr zum potentiellen Käufer - präsentiert werden, oder sich Opfer fiel. Und umgekehrt: weil die »Schule« sich in seinen Augen als bloßes Oberflächen-Gebilde dar­ selbst präsentieren können, entscheidet wesentlich stellte, trat das Publikum eine stichhaltigere über ihren künstlerischen und kommerziellen Erfolg. Realität ihm vor Augen."2 Gerade jene Künstler, die Neues schaffen, die "... die eminente sinnliche Verfeinerung eines wahrhaft moderne Werke produzieren, laufen Ge­ Baudelaire hält sich gänzlich frei von Gemütlichkeit. fahr, von der Unkenntnis und/oder der absichts­ Diese grundsätzliche Inkompatibilität des sinnlichen vollen Verständnislosigkeit der Feuilletonschreiber, Genusses mit der Gemütlichkeit ist das entschei­ der journalistischen Kunst-Kritiker verkannt, igno­ dende Merkmal wirklicher Sinneskultur. Der Snobis­ riert oder den möglichen Käufern falsch dargestellt mus Baudelaires ist die exzentrische Formel dieser zu werden. unverbrüchlichen Absage an die Gemütlichkeit und Besonders die modernen Künstler sind daher sein »Satanismus« nichts als die stete Bereitschaft, stets daran interessiert gewesen, den Kunstver­ sie zu stören, wo und wann immer sie auftreten sollte."3 stand des Publikums auszubilden, die Sinne der Betrachter, Zuschauer, Hörer, Leser zu schulen, die "Der Chock als poetisches Prinzip bei Baudelaire: die fantasque escrime der Stadt der tableaux parisiens theoretische Erziehung der Kunstrezipienten - und ist nicht mehr Heimat. Sie ist Schauplatz und möglichen Käufer- voranzutreiben. Fremde."4 Die Modernen unter den Künstlern - ob Schrift­ Waller Benjamin steller, Maler, Bildhauer, Musiker - haben immer wieder danach gestrebt, den Zugang zu der großen "Die Zeit ist nicht mehr fern, wo man begreifen wird, Zahl, zu den Massen, zu erreichen; vor allem in den daß jede Literatur, die sich weigert, mit Wissenschaft Gesellschaften, in denen die kapitalistischen Ver­ und Philosophie in brüderlicher Gemeinschaft zu le­ hältnisse nicht sehr entwickelt waren (etwa im ben, eine menschenmörderische und selbstmörderi• Deutschen Reich und in der Habsburger-Monar­ sche Literatur ist. "5 chie) wurde die Einsamkeit des elitären Künstlers, Charles Baudelaire des ,verkannten' Genies besonders gepriesen und ln seinen biographischen Aufzeichnungen hatte gepflegt; dort, wo ein auch zahlenmäßig bedeu­ Charles Baudelaire einmal notiert: tendes, bürgerliches Publikum existierte, mochten "Dauerndes Wohlgefallen, seit der Kindheit, an allen Künstler anti-bourgeoisen Attitüden huldigen, sie Bildern und allen plastischen Darstellungen. Gleich­ hatten jedenfalls ihre Leser, Betrachter, Hörer, zeitige Beschäftigung mit der Philosophie wie mit der Käufer ... und mußten versuchen, ihren Unterhalt Schönheit in Prosa und Poesie."6 durch Verkauf ihrer Arbeitskraft und/oder ihrer Sein literarisches Ansehen begründete Baudelaire Werke auf dem Markt zu verdienen. Daher heißt es zunächst mit Schriften zur Kunst, mit dem Verfas- auch bei Baudelaire:

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"Wir werden von allem sprechen, was die Blicke der Eugene Delacroix sagte einmal zu mir: ,Die Kunst ist Menge und der Künstler auf sich zieht. ... Was gefällt, so g~istig und so flüchtig, daß das Werkzeug nie gefällt niemals ohne Grund, und die Ansammlung t~.ugl1ch, genug, d!e Mitt~l nie geschwind genug sein derer zu verachten, die in die Irre gehen, ist nicht das konnen. Das Gleiche g1lt von der Literatur· - darum rechte Mittel, sie dorthin zurückzuführen, wo sie ei­ bin ich kein Freund des Streichens; es 'trübt den gentlich sein sollten.''8 Spiegel des Geistes. Die moderne Kunst und di~ ihr notwendigerweise EiniQe sehr angesehene und höchst gewissenhafte eng verbundene moderne Asthetik und Kritik sind Sehnfisteller ... beginnen damit, viel Papier zu be­ decken; sie nennen das: die Leinwand ausfüllen. - von daher (zumindest tendentiell) demokratisch ori­ Dieses verworrene Geschäft soll verhüten, daß etwas entiert; und zwar nicht deswegen, weil sie ,einfache' verloren geht. Bei jeder neuen Niederschrift besch­ Werke für einfältige Gemüter schaffen sondern - neiden und verkürzen sie ihren Text. Das Ergebnis im Gegenteil - weil moderne Kunst i~mer wieder mag vortrefflich sein, dennoch mißbraucht, wer derart der kritischen theoretischen Auseindersetzung be­ vorgeht, so Zeit wie Begabung. Eine Leinwand aus­ dar!; w~il sie ni.cht nur vom Publikum auf vielfältige füllen heißt nicht, sie mit Farben vollschmieren heißt We1se 1nterpret1ert und so zu Ende produziert wird, vielmehr, mit wenig Farbe das Bild andeute~ die sondern weil immer wieder die Frage nach der Massen in leichten und durchscheinenden TÖnen wahren Qualität, nach der wahren Modernität eines anordnen. - Die Leinwand soll bereits - im Geist - ausgefüllt sein, wenn der Schriftsteller zur Feder Kunstwerkes zu stellen ist und beantwortet werden greift, um die Überschrift niederzuschreiben."9 muß. All das erfordert die Ausbildung der sinnlichen Wahrnehmungsfähigkeit, Nachdenken, das Suchen Die Kunst-Kritik hat die Wahrnehmungs- und Beur­ nach Argumenten, die Diskussion, die Entwicklung teilungsfähigkeit des Publikums zu unterstützen und von Maßstäben zur ästhetischen Beurteilung. Und ausbilden zu helfen; dabei soll sie - nach Baude­ dies - wirklich betrieben - bedeutete das Untergra­ laire - keinesfalls einer vorgeblichen Objektivität ben aller ewigen Werte, aller angestammten Au­ huldigen: torität, aller Selbstverständlichkeiten und der im "um gerecht zu sein, das heißt, um ihre Daseins­ dumpfen Glauben akzeptierten Überlieferung; es b~rechtigung zu haben, muß die Kritik parteiisch, bedeutete aber gleichzeitig auch das Einüben von leidenschaftlich, politisch sein, das heißt, sie muß selbständigem Denken und Handeln bei den Indi­ unter ei~em ausschließlichen Gesichtspunkt erfolgen, unter emem Gesichtspunkt jedoch, der möglichst viduen und von Kollektivität in der Diskussion. viele Horizonte eröffnet.'' 10 Demokratisches Verhalten und Handeln ist zu charakterisieren durch die Verbindung von intellek­ Charles Baudelaire ist ein höchst eigentümlicher - tueller Autonomie der Individuen, kollektiver Dis­ und zugleich typischer Vertreter der Moderne. Ein kussion und bewußter individueller wie kollektiver durchaus erfolgreicher Autor, dessen Texte nach (gesellschaftlicher) Lebensgestaltung. Die Ausei­ wie vor erfolgreich, also gewinnträchtig, immer wie­ nandersetzung mit moderner Kunst vermag in her­ der neu aufgelegt und verkauft werden. Ein Ver­ vorragender Weise dem Erwerb der dafür notwen­ treter des l'art-pour-l'art-Gedankens und ein emi­ digen Fähigkeiten dienen. nent politischer Schriftsteller; ein ,Klassiker' und ein . Di.e Ästhetik der Moderne muß Beurteilungs­ Revolutionär; einer, der sich selbst als modernen kntenen für Modernität entwickeln, diskutieren und Schriftsteller begriff und sowohl einen Vorläufer (E. dem breiten Publikum vermitteln: die theoretische A. Poe) entdeckte und propagierte als auch über• Bildung des breiten Publikums ist die einzige Si­ haupt eine ,Tradition' der Moderne begründete. cherung gegen die Willkür des Feuilletons, gegen Charles Baudelaire selbst hat in seinen Texten den Traditionalismus journalistischer und akade­ auch gelehrt, wie eine große Stadt und ihre Bewoh­ mischer Kritik. So sehr Kunstwerke für sich selbst ner, wie eine neue kapitalistische Lebensweit zu zu sprechen haben, sie bedürfen auch der Unter­ sehen wären; er hat Ansprüche an Leser und Le­ stützung der theoretisch fundierten Kritik. serinnen gestellt und zugleich Voraussetzungen für Charles Baudelaire hat seine Maßstäbe für die die Realisierung dieser Ansprüche geschaffen. Eigentümlichkeiten der modernen Literatur im Zu­ Charles Baudelaire war ein Konstrukteur; einer, sammenhang mit der Auseinandersetzung mit den d~r seine ~exte planvoll gestaltete; kein Anhänger Werken der zeitgenössischen Malerei und der Her­ e1ner Poes1e des Zufalls, des Rausches, der Einge­ vorhebungjener zu der Moderne zu zählenden Ma­ bung. Er vermittelt Eindrücke: Eindrücke von der le.rn gewonnen und dargestellt; die Qualität der großen S~adt Paris, des urbanen Lebens, der ge­ Bilder sehen zu lehren, wird verknüpft mit der Ver­ sellschaftlichen Prozesse (wie sie ihren Nieder­ mittlung von Einsichten in die Produktion moderner schlag, ihr Andenken, in den steinernen Zeugen, in Literatur. den Gebäuden und Plätzen und Straßen von Paris gefunden haben), der Revolutionen und Konter­ "Heutzutage muß einer eine Menge schreiben· - er revolutionen in Frankreich. muß sich also beeilen; - Eile mit Weile ist de~nach geboten; jeder Stoß muß sitzen, kein Hieb darf ver­ Baudelaire lebt weiter als Verfasser von Ge­ geblich sein. Um rasch zu schreiben, muß man viel dichten. Er selbst schrieb - gerade auch in seinen nachgedacht haben - muß man einen Stoff mit sich Gedichten - gegen das gesellschaftliche Verges­ herumgeschleift haben, auf dem Spaziergang, im sen, Verdrängen, Unterdrücken von Ereignissen Bad, im Restaurant, ja selbst bei seiner Geliebten. (insbesondere jenen des Juni 1848).

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Bemerkenswert ist, daß Baudelaire kein Anhän• zentration auf seine Lektüre hat, abgelenkt wird ger eines mechanischen Fortschrittsgedankens war ebenso durch die Mühseligkeiten wie durch die (er war dies ebenso wenig wie Heine, wie Darwin zahlreichen Zerstreuungen des Alltags) gewidmet oder wie Kar! Marx), doch er formulierte anläßlich hatte, so nahm er auch im ,Spleen de Paris' Rück• der Pariser Weltausstellung 1855 einige Maßstäbe sicht auf seine Leser und ihre Lektüremöglichkeiten. für das, was als Fortschritt zu begreifen wäre: Das fragmentarische Schreiben und Lesen ist ein "Wenn eine Nation heute das Moralische in einem charakteristisches Moment der modernen Literatm. zarteren Sinne begreift, als das vorangegangene Baudelaire war es auch, der das Bild vom ,Bad Jahrhundert es begriff, dann hat ein Fortschritt statt­ in der Menge' prägte und der die großen Städte, die gefunden; das ist klar. Wenn ein Künstler dieses Jahr in ihnen angesammelten Menschen-Massen sowie ein Werk hervorbringt, das von größerem Wissen die Möglichkeiten der Anonymität geradezu ver­ oder einer höheren Einbildungskraft zeugt, als er im herrlichte und nicht als abscheuliche Phänomene Vorjahr gezeigt hat, so ist dies ein untrügliches Zei­ denunzierte. chen seines Fortschreitens. Wenn die Lebensmittel heute von besserer Qualität "Es ist nicht jedem gegeben, im Meer der großen und preiswerter sind als gestern, so stellt dies im Masse ein Bad zu nehmen: Sich der Menge ge­ materiellen Bereich einen unbestreitbaren Fortschritt nießend zu erfreuen, ist eine Kunst; und der allein dar. Wo aber, ich bitte euch, ist die Garantie dieses kann, auf Kosten der Menschheit in Lebenskraft Fortschritts für morgen? Denn so verstehen es die schwelgen, dem eine Fee, in seiner Wiege, die Lust Schüler der Philosophen der Dampfkraft und der zur Verkleidung und zur Maske, den Haß des Zu­ chemischen Zündhölzer: der Fortschritt erscheint ih­ hause und die Leidenschaft des Reisens eingeblasen nen nur in Gestalt einer unendlichen Reihe. Wo ist hat. Masse, Einsamkeit: gleichwertige Ausdrücke, die diese Garantie? Nirgendwo anders, sage ich, als in der tätige und fruchtbare Dichter miteinander ver­ eurer Leichtgläubigkeit und eurem Dünkel." 11 tauschen kann. Wer seine Einsamkeit nicht zu bevölkern versteht, versteht auch nicht allein zu sein Charles Baudelaire, der Ahnherr der Moderne, der in einer geschäftigen Menge. Der Dichter genießt das Poet der großen Städte, der Beschreiber des mo­ unvergleichliche Vorrecht, nach seinem Belieben er dernen Lebens, hat in seinen Prosa-Gedichten ,Le selbst und ein anderer sein zu können." 15 spleen de Paris' abermals (nach den ,Blumen des Charles Baudelaire hat sich· immer wieder mit Bösen') Bilder von Paris - der "Haupstadt des 19. Fragen der Produktion und Konsumption von Kunst­ Jahrhunderts" wie Walter Benjamin sie nannte - werken beschäftigt; die dabei entfaltete ästhetische gemalt. Und dabei auch versucht, Theorie in Fragmenten betont stets die Notwen·­ "die Beschreibung des modernen Lebens, oder viel­ digkeit des planvollen Handelns, der kontinuier­ mehr einer Seite des modernen und mehr mit dem lichen Arbeit, der Selbstdisziplin und der Organi­ Gedanken ergriffenen Lebens" 12 sation als Bedingungen der künstlerischen Produk­ zu veranschaulichen. tion. Baudelaire bedarf des Lesens zusammen mit "Wen gibt es unter uns, der nicht, in seinen ehrgeizi­ dem Bedenken der historischen Umstände der Pro­ gen Stunden, von dem Wunder einer poetischen duktion seiner Texte; er ist kein schlichter Verbreiter Prosa geträumt hat, die musikalisch wäre ohne politischer Doktrinen und ist doch ein Radikaler Rhythmus und ohne Reim, biegsam und eigenwillig genug, um sich den lyrischen Regungen der Seele, gewesen und geblieben (auch dann, als es nicht den Wellenbewegungen der Träumerei, den Er­ mehr opportun -wir würden heute sagen: zeitgeis­ schütterungen des Bewußtseins anzupassen? Es ist tig - erschien); Baudelaire ist ein Autor der unab­ hauptsächlich das Leben in den Riesenstädten, das geschlossenen, der erst zu vollendenden Moderne Durcheinander ihrer zahllosen Beziehungen, das die­ - und daher ein durchaus aktueller Autor. ses quälende Ideal erstehen läßt." 13 in seiner Einleitung zu dem Zyklus von Prosa­ DIE SCHÖNHEIT DES FEBRUAR Gedichten, den er ,Le sp/een de Paris' betitelte, UND DAS TRAUMA DES JUNI 1848 weist Baudelaire auf die besondere Qualität dieser Texte hin, nämlich: sie bruchstückweise lesen zu "Die Februarrevolution war die schöne Revolution, können. die Revolution der allgemeinen Sympathie, weil die Gegensätze, die in ihr gegen das Königtum eklatier­ "Wir können abbrechen, wo wir wollen; ich meine ten, unentwickelt, einträchtig nebeneinander schlum­ Träumerei, Sie das Manuskript, der Leser seine merten, weil der soziale Kampf, der ihren Hintergrund Lektüre; denn ich halte seinen widerspenstigen Wil­ bildete, nur eine luftige Existenz gewonnen hatte, die len nicht an dem endlosen Faden einer überflüssigen Existenz der Phrase, des Worts. Die Junirevolution Verwicklung fest. Nehmen Sie einen Wirbelknochen ist die häßliche Revolution, die abstoßende Revo­ weg, und die beiden Glieder dieses launisch gewun­ lution, weil an die Stelle der Phrase die Sache ge­ denen Gebildes fügen sich mühelos wieder zusam­ treten ist ... " men. Zerhacken Sie es in zahlreiche kleine Teile, und Sie werden sehen, daß jeder für sich bestehen "Die Fraternite, die Brüderlichkeit der entgegenge­ kann." 14 setzten Klassen, von denen die eine die andere ex­ ploitiert, diese Fraternite, im Februar proklamiert, mit So wie Baudelaire die ,Blumen des Bösen' dem großen Buchstaben auf die Stirne von Paris ge­ modernen Leser (der Schwierigkeiten mit der Kon- schrieben, auf jedes Gefängnis, auf jede Kaserne -

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ihr wahrer, unverfälschter, prosaischer Ausdruck, das zen, indem ich mich von der Inspiration des Tages ist der - Bürgerkrieg, der Bürgerkrieg in seiner für• und der Gelegenheit leiten lasse, vorausgesetzt daß chterlichsten Gestalt, der Krieg der Arbeit und des die Inspiration lebhaft genug ist."21 Kapitals. Diese Brüderlichkeit flammte vor allen Fen­ Immer wieder werden diese Äußerungen Baudelai­ stern von Paris am Abend des 25. Juni, als das Paris der Bourgeoisie illuminierte, während das Paris des res als eine Summe seiner abschließenden Urteile Proletariats verbrannte, verblutete, verächzte." 16 und Bewertungen früherer Denk- und Handlungs­ Karl Marx weisen interpretiert; als Absagen an die revolutionä• re Frühzeit, als Äußerungen eines doch katholi­ "ln politics - though it may seem strange to say it - schen Dichters; aber auch als Ausdruck der Krank­ Baudelaire was a man of empirical temper. He was heit und des Elends. ln diesen bruchstückhaften not much interested in abstractions like .... Aufzeichnungen finden wir nachträgliche Reflexio­ But he was interested in revolution, and remained so all his life." 17 nen der Geschehnisse von 1848 angefangen bis T. J. Clark hin zum Staatsstreich von Louis Napoleon. "Nun ja, dieses so sehr erträumte Buch wird ein Buch "Mein Begeisterungstaumel 1848. der Rachsucht sein. Selbstverständlich werden mei­ Welcher Art war dieser Taumel? ne Mutter und sogar mein Stiefvater verschont blei­ Rachegelüste. Natürliches Vergnügen an der Zer­ ben. Aber während ich meine Erziehung erzähle, die trümmerung. Art und Weise, wie meine Gedanken und Gefühle Literarische Begeisterung; Erinnerungen an Gelese­ sich entwickelt haben, möchte ich unablässig merken nes. Der 15. Mai. - Immer wieder die Lust an der lassen, daß ich mich in der Weit und angesichts des­ Zerstörung. Ein berechtigtes Gelüst, wenn alles, was sen, was sie verehrt, wie ein Fremder empfinde. Ich natürlich ist, auch berechtigt ist. werde ganz Frankreich meine wirkliche Begabung Die Juni-Greuel. Das Volk war verrückt, das Bürger• zur Unverschämtheit spüren lassen. Ich habe ein tum war verrückt. Natürliche Liebe zum Verbrechen. Bedürfnis nach Rache, wie ein erschöpfter Mensch Meine Wut beim Staatsstreich! Wieviel Schüssen war eines Bades bedarf." 17 Charles Baudelaire [in einem ich nicht ausgesetzt! Wieder ein Bonaparte! Welche Brief an seine Mutter, 5. Juni 1863) Schmach! "Zwanzigmal habe ich mir eingeredet, daß ich mich Und dennoch hat sich alles beruhigt. Hat der Präsi• nicht mehr für Politik interessiere, und bei jeder ern­ dent nicht ein Recht den Himmel anzurufen? steren Gelegenheit verfalle ich wieder der Neugier Kaiser Napoleon 111., was ist er? Was ist er wert? 18 Sein Wesen ist zu deuten, und seine Rolle im Plan und der Leidenschaft." Charles Baudelaire (in 22 einem Brief an Nadar, 16. Mai 1859) der Vorsehung." "Ich habe keine Überzeugungen, wenigstens nicht im Die Niederlagen der Revolution, die Triumphe der Sinne meiner Zeitgenossen, weil ich ohne Ehrgeiz Konterrevolution, lösen bei den Unterlegenen eine bin." Summe von Empfindungen und Stimmungslagen "Trotzdem habe ich einige Überzeugungen, in einem aus: von der dumpfen Resignation, Verzweiflung höheren Sinne, den meine Zeitgenossen nicht be­ und Hoffnungslosigkeit über die Überzeugung von greifen können.'o20 der Sinnlosigkeit jeglicher politischer Betätigung bis Charles Baudelaire hin zur hilflosen Wut. Dadurch, daß der Dichter Das Jahr 1848 hatte für Frankreich im Februar die Baudelaire die Erinnerung an die vergangenen alle sozialen Klassen umfassende Volksrevolution Niederlagen wieder in Erinnerung ruft, macht er es mit sich gebracht; im Juni wurde dann der Schein für sich, aber auch für andere möglich, aus der An­ der Klassenlosigkeit der Revolution ein für alle Mal triebslosigkeit heraus zurückzufinden zu neuerli­ zerstört, da die französische Bourgeoisie die arbei­ chem politischen Denken und Handeln. Was insge­ tenden Klassen mit Waffengewalt niederzwang. samt auffällt, ist die Kontinuität des Baudelaire­ Die Juniereignisse waren ein soziales Trauma, schen Denkens: der Dandy und Flaneur voll des das - bei aller Verdrängung - durchaus in der Lite­ Hasses auf die bestehende Gesellschaftsordnung ratur seinen Niederschlag gefunden hat, wenn auch und stets bereit, sie mit Gewalt zu zerstören. oft in seltsam verschlüsselter Form. (Die Barbarei Charles Baudelaire, der Revolutionär von 1848, der Bourgeoisie wird etwa in Gustave Flauberts hatte in der Zeit der Konterrevolution und des Roman ,Sa/ammb6' in exotische Fernen gerückt.) Zweiten Kaiserreiches weiterzuleben; er war keiner, Charles Baudelaire hat in seinem Nachlaß eine der seinen Frieden mit den Herrschenden gemacht Anzahl loser Blätter in verschiedenen Formaten mit hatte; seine Äußerungen gegen Demokratie und Notizen hinterlassen, die entweder mit der Auf­ Fortschritt bedeuten kein Arrangement mit dem schrift ,Fusees' (,Raketen') oder ,Mon Coeur mis a Establishment - sie entspringen dem Zorn und der nu' (,Mein entblößtes Herz') versehen waren. Es Enttäuschung über die Niederlage; noch gegen Le­ handelt sich um ,Tagebücher', Notizen zum Tage, bensende schrieb er von Revolution, Republikanis­ die eine bunte Folge von Gedanken und Gedan­ mus und Demokratie als einer dauerhaften Bedro­ kenbruchstücken enthalten. Sie stammen durch­ hung für die Herrschenden und er erklärte sich für wegs aus der Zeit von 1855 bis 1866. Baudelaire die Gewalttätigkeit der Revolution. schrieb: Wir können das politische Denken Baudelaires "Ich kann ,Mein entblößtes Herz' irgendwo und ir­ nur mühselig und oft in indirekter Weise aus seinen gendwie beginnen und es dann Tag um Tag fortset- veröffentlichten Werken und Aufzeichnungen re-

31 IWK-MITTEILUNGEN 3/1998 konstruieren. Dies soll in der Folge an Hand einiger Klassen gegen die Bourgeoisie, die Grundbesitzer, charakteristischer Texte geschehen, insbesondere Fabriksherren, Spekulanten, Rentiers, all jene, die am Beispiel des Artikels über Wein und Haschisch, über ein arbeitsloses Einkommen verfügten. sowie des erst posthum veröffentlichten Gedichtes Die Hervorhebung von Willenskraft und Arbeit in Prosa Verprügeln wir die Armen. bei Baudelaire mag also noch eine besondere Be­ deutung gehabt haben. Er selbst schreibt: "Der Einfall, in dem gleichen Artikel von Wein und "Wein und Haschisch ... ". Haschisch zu sprechen, entsprang dem Umstand, ODER: VON DER NOTWENDIGKEIT DES daß beiden in der Tat etwas gemeinsam ist: eine ORGANISIERTEN POLITISCHEN HANDELNS außerordentliche Entwicklung der poetischen Kräfte des Menschen. Das nicht zu zügelnde Verlangen des Im März 1851 veröffentlichte Charles Baudelaire ei­ Menschen nach allen Substanzen, gesunden oder nen Text mit dem Titel "Wein und Haschisch vergli­ gefährlichen, die seine Persönlichkeit steigern, zeugt chen als Mittel zur Vervielfältigung der lndividuali­ von seiner Größe. Sein Trachten ist allzeit darauf tät".23 Er preist darin zunächst die Vorzüge des gerichtet, seine Hoffnungen mit neuer Glut zu be­ Weines. Dann schreibt er: seelen und sich aufzuschwingen in die Unendlichkeit. Doch man betrachte, was dabei herauskommt. Da "Anschließend soll nun von einer Substanz die Rede haben wir ein Getränk, das die Verdauung fördert, sein, die seit einigen Jahren in Mode gekommen ist, die Muskeln kräftigt und das Blut bereichert. Selbst in eine Art köstlicher Droge für eine gewisse Sorte von großen Mengen eingenommen, verursacht es nur Dilettanten, deren Wirkungen die des Weines an vorübergehende Störungen. Und hier haben wir eine durchschlagender Gewalt bei weitem übertreffen. Ich Substanz, welche die Verdauungsfunktionen unter­ werde alle diese Wirkungen sorgfältig beschreiben, bricht, die Glieder schwächt und die einen Rausch dann die Schilderung der unterschiedlichen Auswir­ von vierundzwanzig Stunden bewirken kann. kungen des Weines wieder aufnehmen und einen Der Wein steigert die Willenskraft, das Haschisch Vergleich ziehen zwischen diesen beiden künstlichen vernichtet sie. Der Wein ist eine Stütze für den Kör• Mitteln, durch welche der Mensch, indem er seine per, das Haschisch liefert uns die Waffe zum Persönlichkeit aufs äußerste steigert, in sich gleich­ Selbstmord. Der Wein macht wohlwollend und gesel­ sam eine Art Gottheit schafft. lig. Das Haschisch vereinzelt. Der eine ist sozusagen Ich werde die Nachteile des Haschisch zeigen, deren arbeitsam, das andere seinem Wesen nach träge. geringster, trotz der unerwarteten Schätze von Warum auch sollte einer arbeiten, ackern, schreiben, Wohlwollen, die es scheinbar in dem Herzen oder etwas herstellen, wenn man sich des Paradieses auf vielmehr in dem Gehirn des Menschen zur Entfaltung einen Schlag bemächtigen kann? bringt, - dessen geringster Fehler, sage ich, darin Schließlich ist der Wein für das Volk da, welches ar­ besteht, daß es asozial ist, während der Wein zutiefst beitet und ihn zu trinken verdient. Das Haschisch ge­ menschlich, ja, fast möchte ich sagen, tatfreudig ist."24 hört in die Klasse der einsamen Freuden; es ist für die elenden Müßiggänger gemacht. Die Gegenüberstellung von "tatfreudig" und "aso­ Der Wein ist nützlich, er bringt Ergebnisse hervor, die zial" ist merkwürdig, denn eigentlich wäre an dieser ihre Früchte tragen. Das Haschisch ist unnütz und Stelle ,Geselligkeit' zu betonen. Später, gegen Ende gefährlich. "26 des Artikels, meint Baudelaire über Haschisch: Die geradezu klassenspezifische Differenzierung "Man sagt zwar, diese Substanz verursache keinerlei des Gebrauchs von Genußmitteln und Drogen und körperliche Schädigungen. Das trifft zu, bis jetzt die wiederkehrende Betonung von Arbeit, Wil­ wenigstens. Denn ich weiß nicht, bis zu welchem lenskraft, Wiederbelebung von Hoffnungen deuten Punkt sich sagen läßt, ein Mensch, der nichts tut als auf Intentionen hin, die über den Text hinausgehen. träumen und der zu handeln unfähig wäre, befinde (Bedenken wir, daß z. B. nach den Niederlagen der sich, auch wenn keines seiner Glieder beschädigt Studenten- und Jugendrevolten in den 70er Jahren wäre, bei guter Gesundheit. Aber der Wille ist ange­ griffen, und dieser ist das kostbarste Organ. Nie wird verstärkt der Hang zur Innerlichkeit und zu ,bewußt• ein Mensch, der sich mit einem Löffel voll Konfitüre seinserweiternden' Drogen aufgekommen ist.) augenblicklich alle Güter des Himmels und der Erde Baudelaire plädiert gegen Resignation, gegen verschaffen kann, sich auch nur den tausendsten Teil das Versinken in den Rausch, für Willensstärke, davon durch Arbeit erwerben. Wir sollen aber leben d. h. für Organisationsfähigkeit und bewußtes Han­ 25 und arbeiten, das ist die Hauptsache." deln, für produktive Arbeit- und dazu mag auch die Die Betonung des Willens und der Notwendigkeit Arbeit für die künftige Republik gehören. (Der von Arbeit im Zusammenhang mit Leben ist schon Staatsstreich des Louis Napoleon im Dezember wieder eigenartig. Bei der Erklärung dieser Eigen­ 1851 machte allen derartigen Hoffnungen - vor­ artigkeit hilft ein Blick auf die historische Situation. läufig- ein Ende.) Baudelaire beschließt seinen Ar­ Nach der Niederlage in Paris im Juni 1848 agitierte tikel übrigens mit einem Zitat eines befreundeten die Linke in den Provinzen unter den unzufriedenen Philosophen: Bauern, und es entstand der Traum und die Hoff­ "Ich begreife nicht, warum der Mensch, dieses Ver­ nung eines Sturzes des Regimes der Bourgeoisie in nunft- und Geistwesen, sich künstlicher Mittel bedi­ den kommenden Wahlen von 1852, die Hoffnung ent, um der Seligkeit eines poetischen Zustands teil­ auf die Errichtung einer Republique Democratique haftig zu werden, da doch die Begeisterung und der et Sociale; Arbeiter und Bauern, die arbeitenden Wille genügen, ihn in ein übernatürliches Dasein em-

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porzutragen. Die großen Dichter, die Philosophen, "Vierzehn Tage lang hatte ich mich in mein Zimmer die Propheten sind Wesen, die durch bloße, freie eingeschlossen und mich mit Büchern umgeben, wie Betätigung des Willens einen Zustand erreichen, in sie damals (das ist nun schon sechzehn oder dem sie gleichzeitig Ursache und Wirkung, SubJekt siebzehn Jahre her) in Mode waren; ich meine solche und Objekt, Magnetiseur und Somnambule sind."2 Bücher, die von der Kunst handeln, die Völker binnen Und er fügt als letzten Satz hinzu: "Ich denke genau vierundzwanzig Stunden glücklich, weise und reich zu machen. Ich hatte das alles verdaut - verschlun­ wie er." 28 gen, wollte ich sagen- , - all diese Elukubrationen all Die Fähigkeit, sich gegenüber allen Widrigkeiten dieser Betörderer der öffentlichen Wohlfahrt, - derer, und allen Anfechtungen selbst zu organisieren, die allen Armen predigen, sich in die Sklaverei zu seine Arbeitsfähigkeit zu bewahren, ja zu stärken, begeben, und derer, die ihnen einreden, sie seien ist eine Fähigkeit, derer der Künstler bedarf, aber allesamt entthronte Könige. - Niemand wird es dem­ derer auch alle anderen Menschen bedürfen, die nach verwunderlich finden, daß meine damalige ihre Arbeitskraft zu Markte tragen; und erst recht Geistesverfassung an Schwindel oder Verblödung 31 jene, die die bestehenden gesellschaftlichen Ver­ grenzte." hältnisse zum Besseren verändern wollen. Da hilft Der Erzähler beschließt, sein Zimmer zu verlassen weder in der Kunst, noch im sonstigen Leben das und begegnet auf dem Weg in eine Schenke einem Sichselbstverlieren in der Weltabgeschiedenheit Bettler. oder im Rausch und auch nicht das Setzen auf " ... ein Dämon der Tat, ein Dämon des Kampfes ... automatisch erfolgende Entwicklungen und Fort­ flüsterte mir zu: »Nur der ist einem andern ebenbür• schritte. tig, der es ihm beweist, und nur der ist der Freiheit würdig, der sie zu erobern versteht.«" 32 Daraufhin stürzt sich der Erzähler auf den Bettler "Verprügeln wir die Armen" und beginnt, ihn heftig zu verprügeln; nach einer ODER: VON PROUDHON ZU BLANQUI Weile setzt sich der alte Bettler voller Wut zur Wehr "An die Stelle der großen historischen Bewegung, die und fügt dem Angreifer einige Verletzungen zu, was aus dem Konflikt zwischen den bereits erworbenen diesen wiederum bewegt zu erklären: Produktivkräften der Menschen und ihren ge­ »Mein Herr, Sie sind meinesgleichen! Erweisen Sie sellschaftlichen Verhältnissen hervorgeht, die diesen mir die Ehre, den Inhalt meiner Börse mit mir zu Produktivkräften nichtmehr entsprechen; an die Stelle teilen; und sollte künftig einer Ihrer Mitbrüder Sie um der furchtbaren Kriege, die sich zwischen den ver­ ein Almosen angehen, so vergessen Sie nicht, falls schiedenen Klassen einer Nation, zwischen den ver­ Sie wirklich ein Philanthrop sind, in jedem Fall die schiedenen Nationen vorbereiten; an die Stelle der Theorie anzuwenden, die auf Ihrem Rücken zu er­ praktischen und gewaltsamen Aktion der Massen, die proben ich das schmerzliche Vergnügen hatte.« allein die Lösung dieser Kaliissionen bringen kann: an die Stelle dieser umfassenden, fortgesetzten und Die Geschichte endet mit dem Satz: komplizierten Bewegung setzt Herr Proudhon die Ent­ "Er hat mir geschworen, daß er diese Theorie be­ leerungsbewegung . . . seines Kopfes. Die Gelehrten griffen habe, und daß er meinen Rat befolgen also, die Menschen, die Gott seine intimen Gedanken werde."33 zu entreißen verstehen, machen die Geschichte. Das Im Manuskript allerdings befand sich ursprünglich niedere Volk hat bloß ihre Offenbarungen anzu­ wenden. -Sie verstehen jetzt, warum Herr Proudhon noch die Frage: »Und was sagst du dazu, Bürger der erklärte Feind jeder politischen Bewegung ist. Die Proudhon?« Lösung der gegenwärtigen Probleme liegt für ihn Baudelaire, der ursprünglich begeistert war von nicht in der öffentlichen Aktion, sondern in den der Februar-Revolution und ihrem ,klassenlosen' dialektischen Kreisbewegungen innerhalb seines Charakter und auch begeistert war von Proudhon Kopfes. Da für ihn die Kategorien die treibenden und seinen Lehren (soweit er sie kannte), kam im­ Kräfte sind, braucht man nicht das praktische Leben mer mehr zu der Überzeugung, daß die politische zu ändern. Ganz im Gegenteil: Man muß die Katego­ Aktion nicht durch Ideen ersetzbar war: organisier­ rien ändern, und daß wird die Änderung der wirkli­ tes, wohlüberlegtes, aber auch gewalttätiges Han­ chen Gesellschaft zur Folge haben."29 Kar! Marx [in deln erschien ihm notwendig zur wirklichen Ver­ einem Brief vom 28. Dezember 1846] besserung der bestehenden Verhältnisse. "Baudelaire nimmt in einer berühmten Zeile leichten Herzens Abschied von einer Weit, »in der die Tat Gerade das oben angeführte Prosagedicht zeigt nicht die Schwester des Traumes ist«. Seiner war durch die mehrfache Verwendung des Begriffes nicht so verlassen, als es ihm schien. Blanquis Tat ist ,Theorie', daß Baudelaire keineswegs für einen die Schwester von Baudelaires Traum gewesen. blindwütigen Aktionismus eintrat, sondern auf theo­ Beide sind ineinander verschlungen. Es sind die inei­ retische Fundierung der politischen Praxis in­ nander verschlungenen Hände auf einem Stein, unter sistierte. dem Napoleon 111. die Hoffnungen der Junikämpfer ln Baudelaires Gedichten wird aufbewahrt, wer­ 30 begraben hatte." den Spuren gesichert, kann erinnert, kann assozi­ Waller Benjamin iert und weitergedacht (und in der Folge auch ent­ Baudelaire erzählt in einem seiner Gedichte in Pro­ sprechend gehandelt) werden. ,Les Fleurs du Mal' sa, in Verprügeln wir die Armen!, eine merkwürdige ebenso wie die ,Gedichte in Prosa' von ,Le Spieen Geschichte. Sie beginnt damit: de Paris' sind Gedenkstätten, Ruinen-Landschaften IWK-MITTEILUNGEN 3/1998 und Toten-Felder der Geschichte; sie können aber 4 Benjamin, a. a. 0., S. 671 auch Auslöser für ein erneuertes revolutionäres 5 Charles Baudelaire: Sämtliche Werke/ Briefe. Band 2. Denken und Handeln sein. Hanser, Wien-München, 1983, S. 195 ln dem Victor Hugo gewidmeten Gedicht Der 6 Baudelaire: Sämtliche Werke/ Briefe. Band 6, a a 0., Schwan heißt es z. B. in der letzten Strophe: 1991, S.267 7 Charles Baudelaire: Sämtliche Werke/ Briefe. Band 1. "Den Wald, den sich mein Geist als Zuflucht auserko-­ Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1977, ren, S. 127 Durchzieht wie Hörnerklang alter Erinnerung Hauch. 8 Baudelaire: Sämtliche Werke. Band 1, a. a. 0., S. 128 Ich denk' der Schiffer, die auf fernem Riff verloren, 9 Baudelaire, a. a. 0., S. 120 f. 34 Besiegter, Fallender, undallder andern auch." 10 Baudelaire, a. a. 0., S. 197 ln Baudelaires Texten ist eine ungeheure Wut, ein 11 Charles Baudelaire: Die Weltausstellung 1855. in: Haß gegen die Barbarei der Herrschenden ge­ ders.: Sämtliche Werke. Band 2, aa.O., 1983, S.233f. speichert, ein radikaler, revolutionärer Republika­ 12 Charles Baudelaire: Die Tänzerin Fanfar!o und Der nismus, der - angesichts momentaner Niederlagen Spleen von Paris. Aus dem Französischen von Wal­ ther Küchler. Diogenes, Zürich 1977, S. 66 (mögen sie noch so katastrophal gewesen sein) - 13 ebenda nicht in Resignation und halbherziger Zufriedenheit 14 Baudelaire, a. a. 0., S. 65 mit den bestehenden Verhältnissen verfällt, der sich 15 Baudelaire, a. a. 0., S. 91 f. nicht mit der Friedhofsruhe zufrieden gibt. 16 Karl Marx: Die Junirevolution [29. Juni 1848]. ln: Karl "Wenn man den Belgiern zumutet, den Gedanken an Marx I Friedrich Engels: Werke. Band 5. Dietz, Berlin eine Revolution ernsthaft in Erwägung zu ziehen, 1959, S. 134 sind sie entsetzt. Tugendsame alte Jüngferlein. 17 Clark, a. a. 0., S. 173 f. Wenn ICH bereit bin, als Republikaner zu handeln, 18 Charles Baudelaire in einßm Brief an seine Mutter dann tue ich wissentlich das Böse. vom 5. Juni 1863. ln: Baudelaire: Sämtliche Werke I Ja! Es lebe die Revolution! Briefe. Band 8. Hanser, München-Wien 1985, S. 28 jederzeit! allem zum Trotz! 19 Charles Baudelairein einem Brief an Nadar vom 16. Ich aber mache mir nichts vor! ich habe mir niemals Mai 1859. ln: Baudelaire: Sämtliche Werke. Band 6, etwas vorgemacht! Ich sage: Es lebe die Revolution! a. a. 0., S. 23 wie ich sagen würde: 20 Charles Baudelaire: Mein entblößtes Herz. Tagebü• Es lebe die Zerstörung! Es lebe die Sühne! Es lebe cher. Deutsch von Friedhelm Kemp. Insel, Insel­ die Strafe! Bücherei Nr. 854, Frankfurt/M. 1986, S. 47 Es lebe der Tod! 21 Baudelaire, a. a. 0., S. 43 Nicht nur wäre ich glücklich, Opfer zu sein, es wäre 22 Baudelaire, a. a. 0., S. 46 mir auch nicht zuwider, Henker zu sein - um die Re­ 23 Charles Baudelaire: Wein und Haschisch verglichen volution auf die eine oder andere Weise zu empfin­ als Mittel zur Vervielfältigung der Individualität. in: den! ders.: Sämtliche Werke, Band 2, a. a. 0., S. 117-142 Wir haben alle den republikanischen Geist in den 24 ebenda, S. 130 f. Adern, wie die Syphilis in den Knochen. Wir sind alle 25 ebenda, S. 140 infiziert: Demokraten und Syphilitiker."35 26 ebenda, S. 140 f. 27 ebenda, S. 141 f. Noch in seinen spätesten Texten erklärt sich so der 28 ebenda, S. 142 Syphilitiker Baudelaire für die Revolution und droht 29 Karl Marx: Brief an P. W. Annenkow vom 28. Dezem­ den Herrschenden mit dem alle infizierenden repu­ ber 1846. ln: Marx I Engels: Werke. Band 4, a. a. 0., blikanischen Geist, gegen den es, so wie gegen die S. 555 Syphilis, kein Mittel gibt. 30 Walter Benjamin: Das Paris des Second Empire bei Baudelaire. ln: Benjamin, a. a. 0., S. 604 31 Charles Baudelaire: Verprügeln wir die Armen! ln: ANMERKUNGEN: ders.: Sämtliche Werke. Band 8, a. a. 0., S. 297 32 Baudelaire, a. a. 0., S. 299 1 T. J. Clark: The Absolute Bourgeois. Artistsand Poli­ 33 Baudelaire, a. a. 0., S. 301 tics in France 1848-1851. Thames & Hudson, Lon­ 34 Charles Baudelaire: Oie Blumen des Bösen. Deutsch don 1988, S. 177 von Terese Robinson. Diogenes, Zürich 1982, S. 150 2 Walter Benjamin: Zentralpark. in: Walter Benjamin: 35 Charles Baudelaire: Armes Belgien! ln: ders.: Sämt• Gesammelte Schriften. Band 1.2. Suhrkamp, werk­ liche Werke. Band 7. Hanser, München-Wien 1992, ausgabe edition suhrkamp, Frankfurt/M. 1980, S. 688 S. 369 3 Benjamin, a. a. 0., S. 675

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DIE AUTOREN I DIE AUTORIN:

HEIDI BEUTIN: und Agrarpolitik während der Englischen Revolution Geboren in Hamburg. Studium der Germanistik und 1642-1653"; Lehraufträge an den Universitäten Politologie; lebt in Stormarn (Stadtrandkreis von Wien, Linz, Graz und Klagenfurt, Gastdozentur an Hamburg). der Universität Bremen. Veröffentlichungen: Nach Rückschlägen vorwärts. Veröffentlichungen: Edgar Zilsel und die Einheit der Lorenz Knorr - im Streit für eine humane Weit Erkenntnis (Wien 1981 ); Politik und Kultur der Mo­ (gern. mit Wolfgang Beutin, Harnburg 1991 ), Der derne in der späten Habsburgermonarchie (lnns­ Löwenritter in den Zeiten der Aufklärung. Gerhard bruck-Wien 1997). Herausgeber von "Edgar Zilsel: Anton von Halems lwein-Version "Ritter lwein". Ein Die Geniereligion" (Frankfurt/M. 1990), Mitheraus­ Beitrag zur dichterischen Mittelalter-Rezeption des geber gem. mit Manfred Jochum und Gitta Stagl von 18. Jahrhunderts (gern. mit Wolfgang Beutin, Göp• "Literatur/Lektüre/Literarität. Vom Umgang mit Lesen pingen 1994 ); Als eine Frau lesen lernte, trat die und Schreiben" (Wien 1991) und von "Akustisches/ Frauenfrage in die Weit. Beiträge zum Verhältnis Visuelles/Literarisches" (Wien 1993) sowie gern. mit von Feminismus und Literatur eHamburg 1995). Manfred Jochum, Gitta Stagl und Renate Volst von Veröffentlichungen in Anthologien, Sammel- und "Texte/Bilder/Töne" (Wien 1996). Diverse Aufsätze Nachschlagwerken zu Themen aus dem Mittelalter in Zeitschriften und Sammelbänden zu politikwis­ sowie aus dem 18. bis 20. Jahrhundert, überwie• senschaftlichen Themen, zu Bildungsfragen, zur Ge­ gend unter dem Aspekt des Frauenrechts. schichte von Erziehung und Wissenschaft und zur ästhetischen Theorie. Derzeit Arbeiten über Bildung, WOLFGANG BEUTIN: Politik und Literatur im neuzeitlichen England und 1934 in Harnburg geboren. 1953 bis 1961 Studium Theodor W. Adorno und die Wiener Moderne. der Germanistik und Geschichte in Harnburg und Saarbrücken: Danach "freier" Schriftsteller in Harn­ ALAIN RUIZ: burg. 1963 Dr. phil, 1996 PD. Seit 1971 Dozent für 1938 in Algier geboren. 1956 bis 1959 Studium der Linguistik und Mediävistik an der Universität Harn­ Germanistik an der Universität Aix-en-Provence, burg. 1956 und 1957 Kurt Tucholsky-Preis für Studienaufenthalte an den Universitäten Sonn, Kurzgeschichte und Lyrik; 1960 Arbeitsstipendium München, Assistent der französischen Sprache in der FH Bremen und 1977 der FH Hamburg; 1977 Detmold; 1959 Staatsexamen; 1960 Agregation; Vorsitzender des Vereins zur Förderung zeitgenös• 1961/62 Stipendiat der Humboldt-Stiftung und Lek­ sischer Literatur "Nordbuch", Kiel. torat an der Universität Köln; 1964 bis 1979 As­ Veröffentlichungen u. a.: Vom Mittelalter zur Moder­ sistent der Germanistik, dann Charge d' une mal­ ne: Zur Literaturgeschichte des Mittelalters, der Re­ trise de conferences an der Universität Aix-en-Pro­ naissance und des Barocks I Von der Aufklärung bis vence; 1979 Habilitation (Sorbonne Paris). Seither zum 19. Jahrhundert (Hamburg 1994 ); Eros, Eris. Professor für deutsche Literatur und Kulturge­ Beiträge zur Literaturpsychologie, zur Sprach- und schichte: 1980 bis 1994 Universität Aix-en-Proven­ Ideologiekritik (Stuttgart 1994); Barlach oder der Zu­ ce; seit 1994 an der Universität Michel de Montaig­ gang zum Unbewußten (Würzburg 1994); Gottfried ne-Bordeaux 111 tätig. 1993 Preisträger der "Aca­ August Bürger. 1741-1794 (gern. mit Th. Bütow, demie nationale des Sciences, Belles-Lettres et 1994); Freiheit durch Aufklärung: Johann Heinrich Arts" in Bordeaux. Forschungsschwerpunkte: Ideo­ Voß. 1751-1826 (gem. mit K. Lüders, 1995); Bar­ logisch-politische Wechselbeziehungen und Kultur­ lach-Studien. Dichter, Mystiker, Theologe (gern. mit transfer zwischen Frankreich und Deutschland seit Th. Bütow, Mecklenburger Profile, Bd. 1, 1995); Der dem Zeitalter der Aufklärung. Demokrat Fritz Reuter (Mecklenburger Profile, Bd. 2, Veröffentlichungen: Zahlreiche Studien über die 1995); Hommage a Kant. Kants Schrift "Zum ewigen Auswirkungen der Franz. Revolution auf Deutsch­ Frieden" (Sammelband, 1996); Zur Geschichte des land, die liberalen und demokratischen Strömungen Friedensgedankens seit lmmanuel Kant (1996); in Deutschland (insb. den deutschen Jakobinis­ ANIMA. Untersuchungen zur Frauenmystik des Mit­ mus), die Rezeption des Kantianismus in Frank­ telalters 1 (1997); Franz Mehring. 1846-1919 (gem. reich, die deutschen Reisenden und Emigranten in mit W. Hoppe, 1997). Zahlreiche Beiträge in Antho­ Frankreich vom Ende des Ancien Regime bis zum logien und Sammelwerken; Hörspiele und Features. Dritten Reich. Letzte wichtige Publikationen: Johan­ na et Arthur Schopenhauer. Souvenirs d' un voyage JOHANN DVORAK: a Bordeaux en 1804 (Lorment 1992); Presence de Dr. phil., wissenschaftlicher Beamter am Institut für I'AIIemagne a Bordeaux du siecle de Montaigne a Ia Politikwissenschaft der Grund- und lntegrativwis­ veille de Ia Seconde Guerre mondiale (Bordeaux senschaftlichen Fakultät der Universität Wien. Stu­ 1997). Mitwirkung an historischen Ausstellungen. dium der Politikwissenschaft und Geschichte an der Autor historischer Rundfunksendungen (Radio Bre­ Universität Wien; Dissertation über "Staat, Recht men).

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BÜCHER ZUM THEMA AUS DER IWK-BIBLIOTHEK

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Eine »ächt weibliche Emancipation« Wilhelm Blos: Die Deutsche Revoluti­ Böttger, Fritz (Hg.): Frauen im Auf­ Die Diskussion der Geschlechterbezie­ on. Geschichte der Deutschen Bewe­ bruch. Frauenbriefe aus dem Vormärz hungen um 1848. Ariadne, Almanach gung von 1848 und 1849. und der Revolution von 1848. Mit zahl­ des Archivs der deutschen Frauenbe­ Illustriert von E. Tau reichen zeitgenössischen Illustrationen wegung, Heft 33, März 1998, Kassel I. H. W. Dietz Nachf., Berlin 1923 Verlag der Nation, ~erlin 1977

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Helga Grubitzsch I Hannelore Cyrus I Gabriella Hauch: Frau Biedermeier auf Carola Lipp (Hg.): Schimpfende Weiber Elke Haarbusch (Hg.): Grenzgängerin• den Barrikaden. Frauenleben in der und patriotische Jungfrauen. Frauen im nen. Revolutionäre Frauen im 18. und Wiener Revolution 1848. Vormärz und in der Revolution 1848149 19. Jahrhundert. Weibliche Wirklichkeit Österreichische Texte zur Gesell­ Elster Verlag, Moos & Baden-Baden und männliche Phanatsien schaftskritik, Band 49. Verlag für Ge­ 1986 Pädagogischer Verlag Schwann-Bagel, sellschaftskritik, Wien 1990 Düsseldorf 1985

BIBUOTHEKSÖFFNUNGSZEITEN: MONTAG- FREITAG, 10.00 UHR -16.00 UHR

36 MITTEILUNGEN .DES INSTITUTS FÜR WISSENSCHAFT UND KUNST 3/1998, öS 75,-

~ bm:wv STADTPLANUNG WIEN

P.b.b. 135750W73E Erscheinungsort Wien Verlagspostamt 1090 Wien