Plenarprotokoll 19/180

Deutscher

Stenografischer Bericht

180. Sitzung

Berlin, Donnerstag, den 1. Oktober 2020

Inhalt:

Glückwünsche zum Geburtstag der Abgeord- Dr. (CDU/CSU) ...... 22631 A neten , Dr. Kirsten Marcus Bühl (AfD) ...... 22631 B Tackmann, und ...... 22619 A (SPD) ...... 22632 A Erweiterung und Abwicklung der Tagesord- (FDP) ...... 22633 C nung ...... 22619 B Dr. Mathias Middelberg (CDU/CSU) ...... 22633 D Absetzung des Tagesordnungspunktes 3 e . . . . 22620 D Dr. André Hahn (DIE LINKE) ...... 22635 A Nachträgliche Ausschussüberweisung ...... 22620 D Christian Kühn (Tübingen) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) ...... 22636 A Tagesordnungspunkt 1 (Fortsetzung): (SPD) ...... 22636 B (CDU/CSU) ...... 22638 B a) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- Jörn König (AfD) ...... 22639 B zes über die Feststellung des Bundes- (SPD) ...... 22640 A haushaltsplans für das Haushaltsjahr 2021 (Haushaltsge- Michael Kießling (CDU/CSU) ...... 22640 D setz 2021) (FDP) ...... 22642 A Drucksache 19/22600 ...... 22621 A Dr. Jens Zimmermann (SPD) ...... 22642 D b) Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und Klaus-Dieter Gröhler (CDU/CSU) ...... 22643 C SPD: Beschluss des Bundestages gemäß Artikel 115 Absatz 2 Satz 6 und 7 des (DIE LINKE) ...... 22644 C Grundgesetzes Klaus-Dieter Gröhler (CDU/CSU) ...... 22645 A Drucksache 19/22887 ...... 22621 A Einzelplan 07 Einzelplan 06 Bundesministerium der Justiz und für Ver- Bundesministerium des Innern, für Bau braucherschutz und Heimat , Bundesministerin Horst Seehofer, Bundesminister BMI ...... 22621 B BMJV ...... 22645 C Dr. (AfD) ...... 22624 A (AfD) ...... 22647 C (SPD) ...... 22625 A (CDU/CSU) ...... 22648 B (FDP) ...... 22626 A (FDP) ...... 22649 C (DIE LINKE) ...... 22627 A Victor Perli (DIE LINKE) ...... 22650 B Dr. (BÜNDNIS 90/ Dr. (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) ...... 22628 A DIE GRÜNEN) ...... 22651 B Dr. Mathias Middelberg (CDU/CSU) ...... 22629 B (SPD) ...... 22652 B René Springer (AfD) ...... 22630 D (AfD) ...... 22653 C II Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Oktober 2020

Sebastian Steineke (CDU/CSU) ...... 22654 D in Verbindung mit (FDP) ...... 22656 A (DIE LINKE) ...... 22656 D (BÜNDNIS 90/ Zusatzpunkt 1: DIE GRÜNEN) ...... 22657 D a) Antrag der Abgeordneten Roman Müller- Dr. (SPD) ...... 22658 C Böhm, Stephan Thomae, , wei- Hans-Jürgen Thies (CDU/CSU) ...... 22659 D terer Abgeordneter und der Fraktion der (FDP) ...... 22660 C FDP: Behördenfehler durch Software vermeiden Alexander Hoffmann (CDU/CSU) ...... 22661 B Drucksache 19/22891 ...... 22664 C (CDU/CSU) ...... 22662 C b) Antrag der Abgeordneten Roman Müller- Böhm, Stephan Thomae, Renata Alt, wei- Tagesordnungspunkt 3: terer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Adjudikation in Zeiten der a) Erste Beratung des von den Abgeordneten COVID-19-Pandemie , Tobias Matthias Peterka, Drucksache 19/22892 ...... 22664 C , weiteren Abgeordneten und der Fraktion der AfD eingebrachten Ent- c) Antrag der Abgeordneten Dr. h. c. Thomas wurfs eines … Gesetzes zur Änderung Sattelberger, , Michael des Bundeswahlgesetzes Theurer, weiterer Abgeordneter und der Drucksache 19/22894 ...... 22663 D Fraktion der FDP: Forschungsfertigung Batteriezelle – Bundesministerium für b) Antrag der Abgeordneten , Bildung und Forschung muss Klarheit Armin-Paulus Hampel, Markus schaffen Frohnmaier, und der Fraktion Drucksache 19/22893 ...... 22664 C der AfD: Verifikationsregime des Bio- waffenübereinkommens vorantreiben d) Antrag der Abgeordneten Renate Künast, Drucksache 19/22820 ...... 22664 A Dr. , Tabea Rößner, c) Antrag der Abgeordneten , weiterer Abgeordneter und der Fraktion Sebastian Münzenmaier, Dr. Robby BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Gesetz Schlund, weiterer Abgeordneter und der zur Bekämpfung von Rechtsextremis- Fraktion der AfD: Einsetzung eines 4. Un- mus und Hasskriminalität unverzüglich tersuchungsausschusses der 19. Wahlpe- verfassungskonform ausgestalten riode (Sars-CoV-2-Pandemie) Drucksache 19/22888 ...... 22664 D Drucksache 19/22832 ...... 22664 A e) Antrag der Abgeordneten Claudia Müller, f) Antrag der Abgeordneten René Springer, , Katrin Göring- , , weiterer Eckardt, weiterer Abgeordneter und der Abgeordneter und der Fraktion der AfD: Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Mehr Redlichkeit in der Fleischwirt- Vielfältig, offen, gerecht – Eine gemein- schaft und faire Löhne für Leiharbeiter same Geschichte und Vision für Drucksache 19/22923 ...... 22664 A Deutschland 30 Jahre nach der Wieder- g) Antrag der Abgeordneten Peter vereinigung Boehringer, Marcus Bühl, Martin Drucksache 19/22890 ...... 22664 D Hohmann, weiterer Abgeordneter und der f) Antrag der Abgeordneten , Fraktion der AfD: Antrag auf Abstrakte René Springer, Jürgen Pohl, weiterer Normenkontrolle beim Bundesverfas- Abgeordneter und der Fraktion der AfD: sungsgericht gemäß Artikel 93 Absatz 1 Keine Ratifikation des Fakultativproto- Nummer 2 des Grundgesetzes wegen des kolls zum VN-Sozialpakt Gesetzes über die Feststellung eines Drucksache 19/22927 ...... 22665 A Zweiten Nachtrags zum Bundeshaus- haltsplan für das Haushaltsjahr 2020 g) Antrag der Abgeordneten Ulrike Schielke- (Zweites Nachtragshaushaltsgesetz Ziesing, René Springer, , Martin 2020) Sichert und der Fraktion der AfD: Gesetz- Drucksache 19/22926 ...... 22664 B liche Rentenversicherung stabilisieren – Klarheit zu den nicht beitragsgedeckten h) Antrag der Abgeordneten Jochen Haug, Leistungen Dr. Gottfried Curio, , weiterer Drucksache 19/22928 ...... 22665 A Abgeordneter und der Fraktion der AfD: Versammlungen zur Aufstellung von h) Antrag der Abgeordneten Uwe Witt, René Kandidaten für die Bundestagswahl Springer, Ulrike Schielke-Ziesing, weite- trotz Corona ermöglichen rer Abgeordneter und der Fraktion der Drucksache 19/22925 ...... 22664 B AfD: Kein Ausschluss der Teilhabe von Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Oktober 2020 III

Menschen mit geistiger oder mehrfa- (CDU/CSU) ...... 22668 A cher Behinderung in Krankenhäusern oder Reha-Einrichtungen in Verbindung mit Drucksache 19/22929 ...... 22665 B in Verbindung mit Zusatzpunkt 2: a) Beschlussempfehlung und Bericht des Tagesordnungspunkt 3: Ausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe d) Antrag der Abgeordneten Martin Hess, – zu dem Antrag der Abgeordneten Gyde Dr. , Dr. Gottfried Curio, Jensen, Alexander Graf Lambsdorff, weiterer Abgeordneter und der Fraktion , weiterer Abgeordneter der AfD: Kein pauschales Verbot be- und der Fraktion der FDP: 25. Jahrestag stimmter Munitionsarten durch die des Genozids in Ruanda – Krisenprä- Hintertür – Spielräume zur weiteren vention stärken Verwendung rechtzeitig schaffen sowie – zu dem Antrag der Abgeordneten Freiwilligkeit und Eigenverantwortung , Kordula Schulz- stärken Asche, , weiterer Abgeord- Drucksache 19/22924 ...... 22665 B neter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Ab- Tagesordnungspunkt 4: geordneten , Heike Hänsel, , weiterer Abge- a) Beschlussempfehlung und Bericht des ordneter und der Fraktion DIE LINKE: Haushaltsausschusses 25 Jahre Völkermord in Ruanda – – zu dem Antrag des Bundesministeriums Unabhängige historische Aufarbei- der Finanzen: Entlastung der Bundes- tung in Deutschland regierung für das Haushalts- Drucksachen 19/8958, 19/8978, 19/13173 . 22668 C jahr 2018 – Haushalts- und Vermö- gensrechnung des Bundes für das b) Beschlussempfehlung und Bericht des Haushaltsjahr 2018 – Ausschusses für Inneres und Heimat zu – zu der Unterrichtung durch den Bundes- dem Antrag der Abgeordneten Pascal rechnungshof: Bemerkungen des Bun- Kober, , Stephan Thomae, desrechnungshofes 2019 zur Haus- weiterer Abgeordneter und der Fraktion halts- und Wirtschaftsführung des der FDP: Au-pair-Programme stärken – Bundes (einschließlich der Feststellun- Einreisen ermöglichen, Familien entlas- gen zur Haushaltsrechnung und zur Ver- ten mögensrechnung 2018) Drucksachen 19/22115, 19/22654 ...... 22668 D – zu der Unterrichtung durch den Bundes- c) Beschlussempfehlung und Bericht des rechnungshof: Bemerkungen des Bun- Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität desrechnungshofes 2019 zur Haus- und Geschäftsordnung zu dem Antrag der halts- und Wirtschaftsführung des Abgeordneten , Renata Bundes – Ergänzungsband – Alt, Christine Aschenberg-Dugnus, weite- Drucksachen 19/11040, 19/15700, rer Abgeordneter und der Fraktion der 19/16194 Nr. 1, 19/18300, 19/18779 FDP, der Abgeordneten , Nr. 1.11, 19/20804 ...... 22665 D Jörg Cezanne, Stefan Liebich, weitere b) Beschlussempfehlung und Bericht des Abgeordneter und der Fraktion DIE LIN- Haushaltsausschusses zu dem Antrag des KE, der Abgeordneten Dr. , Präsidenten des Bundesrechnungshofes: , Stefan Schmidt, weiterer Abge- Rechnung des Bundesrechnungshofes ordneter und der Fraktion BÜND- für das Haushaltsjahr 2019 – Einzel- NIS 90/DIE GRÜNEN: Einsetzung des plan 20 – 3. Untersuchungsausschusses der Drucksachen 19/19847, 19/20805 ...... 22666 B 19. Wahlperiode (Wirecard) Drucksachen 19/22240, 19/22996 ...... 22669 A c)–r) Beratung der Beschlussempfehlungen des Petitionsausschusses: Sammelüber- sichten 617, 618, 619, 620, 621, 622, 623, 624, 625, 626, 627, 628, 629, 630, Tagesordnungspunkt 1 (Fortsetzung): 631 und 632 zu Petitionen Einzelplan 09 Drucksachen 19/22617, 19/22618, Bundesministerium für Wirtschaft und 19/22619, 19/22620, 19/22621, 19/22622, Energie 19/22623, 19/22624, 19/22625, 19/22626, 19/22627, 19/22628, 19/22629, 19/22630, , Bundesminister BMWi ...... 22669 B 19/22631, 19/22632 ...... 22666 B Dr. (AfD) ...... 22670 A IV Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Oktober 2020

Volker Münz (AfD) ...... 22671 C (FDP) ...... 22713 B (SPD) ...... 22672 C Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE) ...... 22714 B Karsten Klein (FDP) ...... 22673 C (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . 22715 C -Förster (DIE LINKE) ...... 22674 C (CDU/CSU) ...... 22717 A Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . 22675 D Dr. Birgit Malsack-Winkemann (AfD) ...... 22718 A Dr. (CDU/CSU) ...... 22676 D Sonja Amalie Steffen (SPD) ...... 22719 C (AfD) ...... 22678 A Katrin Helling-Plahr (FDP) ...... 22721 A (SPD) ...... 22678 D (DIE LINKE) ...... 22722 B (FDP) ...... 22679 D Maria Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) ...... 22723 B (DIE LINKE) ...... 22680 C Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU) ...... 22724 A (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) ...... 22681 B Dr. (SPD) ...... 22725 B Andreas G. Lämmel (CDU/CSU) ...... 22682 C Dr. Roy Kühne (CDU/CSU) ...... 22726 C Leif-Erik Holm (AfD) ...... 22683 D (CDU/CSU) ...... 22727 D (SPD) ...... 22684 D Einzelplan 30 Dr. (FDP) ...... 22685 D Bundesministerium für Bildung und For- Hansjörg Durz (CDU/CSU) ...... 22686 C schung (SPD) ...... 22687 C , Bundesministerin BMBF . . . . 22728 D (CDU/CSU) ...... 22688 C Dr. Götz Frömming (AfD) ...... 22730 C (SPD) ...... 22731 C Einzelplan 17 Bettina Stark-Watzinger (FDP) ...... 22732 D Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE) ...... 22734 A Dr. Franziska Giffey, Bundesministerin Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) 22735 A BMFSFJ ...... 22689 D (CDU/CSU) ...... 22736 B Volker Münz (AfD) ...... 22691 C Marcus Bühl (AfD) ...... 22738 D Nadine Schön (CDU/CSU) ...... 22692 C (Spandau) (SPD) ...... 22739 C Grigorios Aggelidis (FDP) ...... 22693 A Dr. h. c. (FDP) ...... 22741 A Christoph Meyer (FDP) ...... 22694 B Dr. (DIE LINKE) ...... 22741 D (DIE LINKE) ...... 22695 A Kai Gehring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . 22742 D Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) 22696 A (CDU/CSU) ...... 22744 A (SPD) ...... 22697 B Dr. (AfD) ...... 22745 B Mariana Iris Harder-Kühnel (AfD) ...... 22698 B Dr. (SPD) ...... 22746 C (Hamburg) (CDU/CSU) . . . 22699 A (CDU/CSU) ...... 22747 B Grigorios Aggelidis (FDP) ...... 22701 A (SPD) ...... 22748 A Norbert Müller (Potsdam) (DIE LINKE) . . . . . 22702 A (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) 22703 A Nächste Sitzung ...... 22749 C Sönke Rix (SPD) ...... 22704 A (AfD) ...... 22705 B Anlage 1 (CDU/CSU) ...... 22705 D Entschuldigte Abgeordnete ...... 22751 A (CDU/CSU) ...... 22707 A Florian Oßner (CDU/CSU) ...... 22708 A Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Einzelplan 15 Dr. André Hahn (DIE LINKE) zu der Abstim- Bundesministerium für Gesundheit mung über die Beschlussempfehlung des Peti- , Bundesminister BMG ...... 22709 B tionsausschusses – Sammelübersicht 629 zu Petitionen, Beschlussempfehlung 2, lfd. Nr. 2 (AfD) ...... 22711 A (Behörden und Verwaltungsverfahren) (SPD) ...... 22712 A (Tagesordnungspunkt 4 o) ...... 22751 D Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Oktober 2020 22619

(A) (C)

180. Sitzung

Berlin, Donnerstag, den 1. Oktober 2020

Beginn: 9.00 Uhr

Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Bitte Dr. h. c. Thomas Sattelberger, Katja Suding, nehmen Sie Platz. Die Sitzung ist eröffnet. , weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP Vor Eintritt in die Tagesordnung gratuliere ich nach- träglich der Kollegin Heike Baehrens zu ihrem Forschungsfertigung Batteriezelle – Bun- 65. Geburtstag, den Kolleginnen Dr. desministerium für Bildung und For- und Dagmar Ziegler sowie dem Kollegen Bernd schung muss Klarheit schaffen Westphal zu ihrem 60. Geburtstag. Alle guten Wünsche Drucksache 19/22893 im Namen des ganzen Hauses! Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschät- (Beifall) zung (f) (B) Ausschuss für Wirtschaft und Energie (D) Es ist interfraktionell vereinbart worden, die Tages- Haushaltsausschuss ordnung um die in der Zusatzpunkteliste aufgeführten Punkte zu erweitern: d) Beratung des Antrags der Abgeordneten Renate Künast, Dr. Konstantin von Notz, ZP 1 Weitere Überweisungen im vereinfachten Ver- Tabea Rößner, weiterer Abgeordneter und fahren der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Ergänzung zu TOP 3) Gesetz zur Bekämpfung von Rechtsextre- mismus und Hasskriminalität unverzüg- a) Beratung des Antrags der Abgeordneten lich verfassungskonform ausgestalten Roman Müller-Böhm, Stephan Thomae, Renata Alt, weiterer Abgeordneter und der Drucksache 19/22888 Fraktion der FDP Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz (f) Behördenfehler durch Software vermei- Ausschuss für Inneres und Heimat Sportausschuss den Ausschuss für Wirtschaft und Energie Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Drucksache 19/22891 Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschät- Überweisungsvorschlag: zung Ausschuss für Inneres und Heimat (f) Ausschuss für Kultur und Medien Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz Ausschuss Digitale Agenda Ausschuss für Bau, Wohnen, Stadtentwicklung und Kommunen b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Haushaltsausschuss Roman Müller-Böhm, Stephan Thomae, e) Beratung des Antrags der Abgeordneten Renata Alt, weiterer Abgeordneter und der Claudia Müller, Annalena Baerbock, Katrin Fraktion der FDP Göring-Eckardt, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Adjudikation in Zeiten der COVID-19- Pandemie Vielfältig, offen, gerecht – Eine gemeinsa- me Geschichte und Vision für Deutschland Drucksache 19/22892 30 Jahre nach der Wiedervereinigung Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz Drucksache 19/22890 22620 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Oktober 2020

Präsident Dr. Wolfgang Schäuble Überweisungsvorschlag: – zu dem Antrag der Abgeordneten Ausschuss für Wirtschaft und Energie (f) Margarete Bause, Kordula Schulz-Asche, Ausschuss für Inneres und Heimat Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz Kai Gehring, weiterer Abgeordneter und Ausschuss für Arbeit und Soziales der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschät- NEN zung Ausschuss für Kultur und Medien sowie der Abgeordneten Stefan Liebich, Ausschuss für Bau, Wohnen, Stadtentwicklung und Kommunen Heike Hänsel, Michel Brandt, weiterer Haushaltsausschuss Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE f) Beratung des Antrags der Abgeordneten 25 Jahre Völkermord in Ruanda – Unab- Martin Sichert, René Springer, Jürgen Pohl, hängige historische Aufarbeitung in weiterer Abgeordneter und der Fraktion der Deutschland AfD Drucksachen 19/8958, 19/8978, 19/13173 Keine Ratifikation des Fakultativproto- kolls zum VN-Sozialpakt b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Inneres und Drucksache 19/22927 Heimat (4. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten , Linda Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Arbeit und Soziales (f) Teuteberg, Stephan Thomae, weiterer Abge- Auswärtiger Ausschuss ordneter und der Fraktion der FDP Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe Au-pair-Programme stärken – Einreisen g) Beratung des Antrags der Abgeordneten ermöglichen, Familien entlasten Ulrike Schielke-Ziesing, René Springer, Uwe Witt, Martin Sichert und der Fraktion Drucksachen 19/22115, 19/22654 der AfD c) Beratung der Beschlussempfehlung und des Gesetzliche Rentenversicherung stabilisie- Berichts des Ausschusses für Wahlprüfung, ren – Klarheit zu den nicht beitragsge- Immunität und Geschäftsordnung (1. Aus- deckten Leistungen schuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Grigorios Drucksache 19/22928 Aggelidis, Renata Alt, Christine Überweisungsvorschlag: Aschenberg-Dugnus, weiterer Abgeordneter Ausschuss für Arbeit und Soziales (f) und der Fraktion der FDP, Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz Finanzausschuss der Abgeordneten Fabio De Masi, Jörg Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Cezanne, Stefan Liebich, weiterer Abgeord- Haushaltsausschuss neter und der Fraktion DIE LINKE, h) Beratung des Antrags der Abgeordneten der Abgeordneten Dr. Danyal Bayaz, Lisa Uwe Witt, René Springer, Ulrike Schielke- Paus, Stefan Schmidt, weiterer Abgeordneter Ziesing, weiterer Abgeordneter und der Frak- und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- tion der AfD NEN Kein Ausschluss der Teilhabe von Men- Einsetzung des 3. Untersuchungsausschus- schen mit geistiger oder mehrfacher Be- ses der 19. Wahlperiode (Wirecard) hinderung in Krankenhäusern oder Drucksachen 19/22240, 19/22996 Reha-Einrichtungen Von der Frist für den Beginn der Beratungen soll, Drucksache 19/22929 soweit erforderlich, abgewichen werden. Überweisungsvorschlag: Der Tagesordnungspunkt 3 e soll abgesetzt werden. Ausschuss für Arbeit und Soziales (f) Ausschuss für Gesundheit Ich mache außerdem auf die im Anhang zur Zusatz- ZP 2 Weitere abschließende Beratungen ohne Aus- punkteliste aufgeführte nachträgliche Überweisung sprache aufmerksam: Der am 17. September 2020 (176. Sitzung) überwie- (Ergänzung zu TOP 4) sene nachfolgende Antrag soll zusätzlich dem Ausschuss a) Beratung der Beschlussempfehlung und des Digitale Agenda (23. Ausschuss) zur Mitberatung über- Berichts des Ausschusses für Menschenrech- wiesen werden: te und humanitäre Hilfe (17. Ausschuss) Beratung des Antrags der Abgeordneten – zu dem Antrag der Abgeordneten Gyde Dr. Alexander S. Neu, Tobias Pflüger, Heike Jensen, Alexander Graf Lambsdorff, Hänsel, weiterer Abgeordneter und der Fraktion Nicole Bauer, weiterer Abgeordneter und DIE LINKE der Fraktion der FDP Keine Ausrüstung der Bundeswehr mit be- 25. Jahrestag des Genozids in Ruanda – waffneten Drohnen Krisenprävention stärken Drucksache 19/22369 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Oktober 2020 22621

Präsident Dr. Wolfgang Schäuble (A) Überweisungsvorschlag: unserer Sicherheitsbehörden, die das volle Vertrauen der (C) Verteidigungsausschuss (f) Bundesregierung haben und denen ich für ihre hervor- Auswärtiger Ausschuss Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe ragende Arbeit herzlich danke. Ausschuss Digitale Agenda Haushaltsausschuss (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der Sind Sie damit einverstanden? – Kein Widerspruch. FDP) Dann ist das so beschlossen. Wir haben gleichwohl natürlich auch Herausforderun- Wir setzen die Haushaltsberatungen – Tagesordnungs- gen, was den Terrorismus, den Extremismus, den Anti- punkt 1 – fort: semitismus und den Rassismus betrifft. Hier ist die Linie der Bundesregierung ganz klar und eindeutig. Ich nehme a) Erste Beratung des von der Bundesregierung für uns in Anspruch, dass keine Bundesregierung in den eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über letzten Jahren die Herausforderung des Rechtsextremis- die Feststellung des Bundeshaushaltsplans mus so identifiziert und beim Namen benannt hat wie für das Haushaltsjahr 2021 (Haushaltsge- diese setz 2021) (Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Es hat lange Drucksache 19/22600 genug gedauert!) Überweisungsvorschlag: Haushaltsausschuss und dass noch keine Bundesregierung ein solch umfas- sendes Bekämpfungs- und Abwehrpaket gegen den b) Beratung des Antrags der Fraktionen der Rechtsextremismus, gegen den Rassismus beschlossen CDU/CSU und SPD hat wie diese Bundesregierung. Beschluss des Bundestages gemäß Arti- kel 115 Absatz 2 Satz 6 und 7 des Grund- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- gesetzes ordneten der SPD) Drucksache 19/22887 Zur Wahrheit gehört, dass der Rechtsextremismus die größte Bedrohung in unserem Lande ist, wobei wir den Überweisungsvorschlag: Islamismus – das haben wir jetzt in Paris gesehen – und Haushaltsausschuss den Linksextremismus keineswegs aus dem Auge verlie- Wir haben für die heutige Aussprache schon am Diens- ren oder gar unterschätzen. tag eine Redezeit von insgesamt neun Stunden beschlos- sen. (Zuruf der Abg. Dr. [AfD]) (B) Wir beginnen mit dem Geschäftsbereich des Bundes- Bei der Bekämpfung des Rechtsextremismus ist die Linie (D) ministeriums des Innern, für Bau und Heimat, Einzel- der Bundesregierung vollkommen klar: Wir klären auf, plan 06. wir vertuschen nichts, wir verfolgen rigoros, und wir richten uns nach dem Prinzip: Null Toleranz für Rechts- Das Wort hat der Bundesminister Horst Seehofer. extremisten, ganz gleich, auf welcher Ebene und in wel- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- cher Berufsgruppe. ordneten der SPD) (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP) Horst Seehofer, Bundesminister des Innern, für Bau und Heimat: Ich denke, ich werde nächste Woche vom Präsidenten Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! des Bundesamtes für Verfassungsschutz den lange ange- 18,3 Milliarden Euro, das ist der Rekordstand für einen kündigten Bericht über die Extremistenlage in der Bun- Haushalt des Bundesinnenministeriums. Diese 18,3 Mil- desrepublik Deutschland bekommen, und dann werden liarden Euro im Haushaltsentwurf sind gut investiertes wir mit Sicherheit hier und in den Ausschüssen auch ver- Geld, vor allem für den Kernbereich des Bundesinnenmi- tieft darüber diskutieren. nisteriums, für die Sicherheit in unserem Lande. Wir Das zweite Beispiel für eine gute Anlage der Steuer- investieren ja in diesen Bereich bekanntlich seit Jahren, gelder, das ich anführen möchte, ist die Bauwirtschaft. in die Personalausstattung, in die sächliche Ausstattung. Wir haben uns ja auf das größte Wohnungsbauprogramm Ich kann heute feststellen, dass wir bereits im dritten Jahr der letzten 30 Jahre mit allen Beteiligten verständigt: in Folge eine sinkende Kriminalität in der Bundesrepu- Bund, Länder, Wohnungsbauunternehmen. Wir haben in blik Deutschland haben, diesen Bereich Milliarden gesteckt für die Städtebauför- (Lachen bei der AfD) derung, für den sozialen Wohnungsbau, für die steuerli- che Abschreibung von Mietwohnungsbau, dass Deutschland zu den sichersten Ländern auf dieser Erde gehört. (Victor Perli [DIE LINKE]: Aber es fließt nicht ab!) (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) für das Baukindergeld, für zwei Novellen des Wohngel- Dass dies so ist, verdanken wir all den politischen des, nämlich Anpassungen des Wohngeldes für kleine Maßnahmen der letzten Jahre. Sie werden im Jahre 2021 Einkommen. fortgesetzt, wenn dieser Haushalt so verabschiedet wer- den sollte. Aber wir verdanken diesen Sicherheitsstan- ( [DIE LINKE]: Umwandlungsver- dard auch ganz maßgeblich der herausragenden Arbeit bot!) 22622 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Oktober 2020

Bundesminister Horst Seehofer (A) Der größte Erfolg ist aus meiner Sicht, dass wir zu einer Horst Seehofer, Bundesminister des Innern, für Bau (C) Dynamisierung des Wohngeldes gekommen sind. Alle und Heimat: zwei Jahre wird jetzt automatisch das Wohngeld an die Nein. gestiegenen Lebenshaltungskosten angepasst. (Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Das war (Beifall des Abg. [SPD]) doch die bestellte Frage!) Eine dritte große sinnvolle Anlage von Steuergeldern Das ist eine schöne Entwicklung. Das ist das größte Woh- ist die Digitalisierung. Wir sind ja für die Digitalisierung nungsbauprogramm – ich sage es noch mal – seit der der öffentlichen Verwaltung als Bundesinnenministerium Wiedervereinigung unseres Landes. zuständig. Wir haben jetzt noch mal 3,3 Milliarden Euro (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- bekommen. Viele sind auf diesem Feld tätig; wir machen ordneten der SPD) die Arbeit. Ich kann Ihnen sagen, dass wir mit Hochdruck dabei sind, die öffentliche Verwaltung – Bund, Länder, Dem entspricht auch die Lage auf dem Wohnungs- Kommunen – durch die Digitalisierung fit zu machen für markt. Der Wohnungsbau, die Bauwirtschaft ist zurzeit das 21. Jahrhundert. Das Onlinezugangsgesetz wird mit der Motor für unsere Volkswirtschaft. Die Hälfte aller höchster Dynamik und mit höchstem Einsatz umgesetzt. Investitionen – das sind 430 Milliarden Euro – erfolgen Ich denke, dass wir die wesentlichen Aufgaben des Bun- in diesem Bereich. Wir haben dort beachtliche Steige- des Ende des Jahres, vielleicht die ersten drei Monate des rungsraten, obwohl ja in vielen Wirtschaftsbereichen nächsten Jahres noch eingeschlossen, umgesetzt haben infolge der Pandemie große Probleme bestehen. werden. Ich kann sagen: Durch diese 3,3 Milliarden Entsprechend sieht es aus mit den Baugenehmigungen: Euro, die uns im Konjunkturprogramm zur Verfügung Wir hatten im letzten Jahr 360 000 neue Baugenehmigun- gestellt wurden, ist jetzt die Bereitschaft der Länder und gen; der Kommunen, in diesen Schnellzug einzusteigen, deut- lich gewachsen. Wie immer machen finanzielle Anreize (Dr. [FDP]: Aber nie in sinnlich. Deshalb ist hier enorm Dynamik hineingekom- Berlin!) men. wir haben 740 000 Baugenehmigungen, die erteilt, aber Besonders freut mich, dass sich die Regierung auf die noch nicht realisiert worden sind. Wenn Sie die beiden Einführung eines Registermodernisierungsgesetzes ver- Zahlen addieren, dann sehen Sie, dass wir mit den Bau- ständigt hat und am Mittwoch letzter Woche im Kabinett genehmigungen bereits jetzt, nach zweieinhalb Jahren den entsprechenden Entwurf beschlossen hat. Das klingt dieser Regierung, über der 1-Million-Marke liegen. Des- reichlich technisch, ist aber für die Digitalisierung unsere (B) halb kann ich für die ganze Regierung sagen: Wir sind da Landes ungeheuer wichtig. (D) im Zeitplan. Wir werden in den vier Jahren einer Legis- (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das laturperiode unser wohnungsbaupolitisches Ziel von stimmt!) 1,5 Millionen bezahlbaren Wohnungen erreichen. Ich fin- de, darauf können wir alle miteinander stolz sein. Es geht darum, im Verkehr zwischen den Behörden und den Bürgern und auch zwischen den Behörden unterei- (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) nander mit einer unverwechselbaren Identifikationsnum- mer tätig sein zu können. Ich nenne ein Beispiel: Wenn Ein besonderer Leuchtturm ist das Baukindergeld, das man Familienleistungen beantragt und dafür eine ja lange Zeit sehr umstritten war, über das es jetzt aber Geburtsurkunde braucht, kann man die Behörde, die die einen großen Konsens in der Gesellschaft gibt. Familienleistung gewährt, digital bevollmächtigen, dass (Dr. Marco Buschmann [FDP]: Da sind die sie die Geburtsurkunde am Geburtsort anfordert. Der Verwaltungskosten zu hoch!) Bürger braucht nicht mehr seine ganzen Unterlagen selbst zusammenzusammeln. Jeder von uns weiß, wie schwer Ich rede gar nicht von politischen Parteien. Wir haben das oft ist, wenn es um Zeugnisse und Ähnliches geht. 260 000 Anträge auf Baukindergeld. Das ist ein begünstigter Personenkreis von über 1 Million. Ich erin- Dies ist nur möglich, wenn wir in Deutschland eine nere mich noch an Regierungen von Helmut Kohl, der Identifikationsnummer haben, die unverwechselbar ist, schon damals das Ziel aufgestellt hatte, Familien mit bei der nicht das Auswechseln oder das Vergessen eines Kindern und kleinen Einkommen die Chance zu geben, Buchstabens zu einer Personenverwechslung führt. Wohneigentum in unserem Lande zu erwerben. (Dr. Marco Buschmann [FDP]: Muss man die- se Selbstverständlichkeit jetzt wirklich als (Abg. Caren Lay [DIE LINKE] meldet sich zu Erfolg feiern?) einer Zwischenfrage – Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Herr Präsident! Eine Zwischen- Wir greifen da auf die Steuer-Identifikationsnummer frage!) zurück, die es seit zehn Jahren für den ganz sensiblen Bereich der Steuerverwaltung gibt – ohne jedes Problem. Das haben wir jetzt geschafft, meine Damen und Herren. Diese übertragen wir jetzt auf die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung. Auch hier Danke denen, die (Beifall bei der CDU/CSU) den Haushaltsentwurf ausgearbeitet haben, und auch ins- besondere Danke ans Finanzministerium, dass wir Mil- Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: liarden bekommen haben, um diese Digitalisierung in Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage? Deutschland perfekt zu machen. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Oktober 2020 22623

Bundesminister Horst Seehofer (A) (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- (C) neten der SPD – Dr. Marco Buschmann [FDP]: neten der FDP – Zuruf von der AfD: Dann tun Beim Vergleichsmaßstab Island von Perfektion Sie es doch endlich!) zu sprechen, ist grotesk!) Dass der Haushalt eine große Summe für unseren Sport Ein Wort noch zur Migration; das ist mir wichtig. ausweist, sage ich nur nachrichtlich, damit kein Redner Schauen Sie sich einmal die Entwicklung der letzten oder keine Rednerin anschließend sagen kann, ich hätte Jahre an – ich nenne jetzt immer gerundete Zahlen –: den Sport vergessen. Es sind gigantische Summen, mit 2015 470 000 Asylanträge, 2016 750 000, 2017 denen wir auch in der Pandemie helfen. Das ist auch 222 000, 2018 185 000, 2019 165 000 und in diesem richtig so, weil der Sport einfach Gesellschaft, Gemein- Jahr, 2020, einschließlich August, 74 000. Genau die Tat- schaft und Zusammenhalt bildet. Deshalb ist auch dies sache, dass wir da jetzt Steuerung und Ordnung geschaf- gut angelegtes Geld. fen haben, erlaubt es uns immer wieder, da und dort einen Punkt der Humanität, der Menschlichkeit zu setzen, wie (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- wir es nach Lesbos gemacht haben, wie wir es mit unbe- ordneten der SPD) gleiteten Minderjährigen gemacht haben und noch Viele der Initiativen für den Sport kommen aus dem machen sowie mit kranken Kindern. Das ist keine Mas- Parlament, und sie werden vom Bundesinnenminister senzuwanderung, wie ich gestern gehört habe, Frau natürlich nicht behindert, ganz im Gegenteil. Weidel. Einen Satz möchte ich noch sagen, weil ich in die (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie Gesichter der Kollegen unseres Koalitionspartners bei Abgeordneten der LINKEN und des schaue: Nach meiner Einschätzung, auch nach unserem BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Alice Gespräch gestern Abend, werden wir hinsichtlich des Weidel [AfD]: Habe ich „Massenzuwande- Baugesetzbuches – das ist der Restant, den wir im Bau- rung“ gesagt?) recht noch haben – als Koalition eine gute Lösung hinbe- Sie sollten sich schämen für diese eiskalte und herzlose kommen. Sprache, die Sie gestern gefunden haben. ( [SPD]: Da hoffe ich auf sehr (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie Gutes!) bei Abgeordneten der FDP, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Eine allerletzte Bemerkung, zu den Tarifverhandlun- [Erfurt] [SPD]: Das setzt gen. Meine Damen und Herren, wir erleben jetzt seit Empathie voraus! – Dr. Alice Weidel [AfD]: vielen Monaten wiederum, dass der öffentliche Dienst (B) Sie sollten sich schämen!) in der Bundesrepublik Deutschland leistungsfähig ist. (D) Das war bei der Flüchtlingskrise so, das war bei der Ich will auf unsere Philosophie zurückkommen: Wir deutschen Einheit so. Deshalb sollten wir mit den Ver- wollen Ordnung, aber auch Humanität. tretern des öffentlichen Dienstes ernsthaft über die Tarif- (Dr. Alice Weidel [AfD]: Ja! Chaos! Sie sorgen verhandlungen reden; das haben wir vor. für Chaos!) ( [DIE LINKE]: Dann Beides bedingt sich gegenseitig. Sie werden auf Dauer sorgen Sie auch mal dafür!) keine Humanität gewähren können, wenn Sie keine Ord- Wir haben Ende Oktober die nächste Tarifrunde. Wir nung in diesem Bereich haben, haben eine Sondergruppe dazwischengeschaltet, die für (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das die große Tarifrunde vorbereitet, und zwar für den stimmt!) Öffentlichen Gesundheitsdienst und die Pflege, also für und die Ordnung ist Voraussetzung, dass Sie auch Huma- den ganzen Gesundheitssektor, Pflegekräfte wie Ärzte. nität haben. Ich kann heute öffentlich sagen: Wir dürfen uns nicht damit begnügen, dass wir in den letzten Monaten immer Ich werde mich sehr bemühen, dass wir in der Europä- wieder von Helden in unserer Gesellschaft gesprochen ischen Union das hinbekommen, was dringend notwen- haben. Das muss auch bei diesen Tarifverhandlungen dig ist, nämlich die Schaffung eines gemeinsamen euro- zum Ausdruck kommen. päischen Asylrechts. Das ist schwer genug. Aber, ich denke, es gehört zur Verantwortung in unserer deutschen (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der Ratspräsidentschaft, dass wir versuchen, so weit wie SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ- möglich in den politischen Verständigungen zu kommen, NEN – Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE wobei mir zwei Punkte am wichtigsten sind, nämlich dort GRÜNEN]: Da bin ich mit Ihnen einer Mei- zu helfen, wo die potenziellen Flüchtlinge heute leben – nung!) damit ist auch den Herkunftsländern am meisten ge- Deshalb werden wir in Abstimmung mit den Kommunen dient –, und bereits an der Außengrenze der Europäischen ein vernünftiges Angebot für diese Helden machen, damit Union zu entscheiden, wer nach Europa einreisen darf, sie nicht enttäuscht sind, dass den Worten keine Taten weil dem Grunde nach ein Schutzbedarf gegeben ist. folgen. Seien Sie gespannt! Zwei Drittel derer, die in Europa Asyl beantragen, sind nicht schutzberechtigt. Wir würden eine Menge errei- (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- chen, wenn wir sie bereits an der Grenze identifizieren NEN]: Ich bin gespannt! – Katrin Göring- und in ihre Herkunftsländer wieder zurückführen. Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Vor 22624 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Oktober 2020

Bundesminister Horst Seehofer (A) allem, was die kommunalen Arbeitgeber dazu Fake News: Migration hülfe dem Arbeitsmarkt. Die (C) sagen!) Wahrheit: Ein Großteil ist nicht einsetzbar, wird hier bis Das wird ja in wenigen Tagen der Fall sein. ans Lebensende alimentiert, ruiniert die Sozialsysteme. Ich danke. Fake News: Kulturelle Probleme würden durch Integration gelöst. Die Wahrheit: Die absehbare demo- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- grafische Entwicklung zeigt dieser Klientel, dass Integra- ordneten der SPD) tion unnötig ist, und so verhalten sie sich auch. Wir sehen Besetzung des öffentlichen Raumes durch aggressive Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: Männergruppen, steigende Kriminalitätsraten. Frauen Dr. Gottfried Curio, AfD, ist der nächste Redner. können den öffentlichen Raum nicht mehr sicher betre- ten, Juden schon gar nicht. Eine Schande für Deutsch- (Beifall bei der AfD – Ulli Nissen [SPD]: Jetzt land, meine Damen und Herren! ist dieser schöne Morgen verdorben!) (Beifall bei der AfD – Ulli Nissen [SPD]: Sie Dr. Gottfried Curio (AfD): sind eine Schande für Deutschland!) Sehr geehrter Präsident! Meine Damen und Herren! Nichts davon ist im Interesse Deutschlands, nichts im Der Minister hat kürzlich den geplanten EU-Migrations- Interesse irgendeines europäischen Staates. Die europä- pakt mit neuen ewigen Kosten für den Haushalt gelobt. ische Lösung heißt: Tür zu – Prüfung allenfalls draußen. Dort soll die bisher schon falsche Politik Gesetzesform Das Problem heißt: Deutschland mit seiner bevormun- annehmen. Durch märchenhafte Sozialleistungen und denden Traumtänzerhaltung. Anerkennung von Fantasieflüchtlingen werden massen- haft illegale Migranten aus afrikanischen und islamischen (Beifall bei der AfD) Ländern ins Land gelockt, in Hunderttausenderstärke. Wir wenden uns gegen die hochtönenden Täuschungs- (Zuruf von der SPD: Märchenstunde!) begriffe „Verantwortung“, „Solidarität“, „Humanität“, Alle Eckpunkte dieses Plans sind verfehlt, von unge- die nur die politische und finanzielle Entrechtung der bremstem innereuropäischen Asyltourismus bis hin zu Bürger verbrämen sollen, gegen die Vergötzung eines grundsätzlichem. ausbeuterischen EU-Überstaats, gegen Reißbrettutopien einer globalistischen Gesellschaft. Was wir in Deutsch- Fake News sind, die EU habe für illegale Migranten an land nicht brauchen, sind Leute, die sich ständig auf die ihren Grenzen Verantwortung. Die Wahrheit: Im Orient Menschheit berufen, aber sich um die eigenen Menschen sind die flächendeckenden Kriege aus. Aus Afrika kom- nicht mehr kümmern. (B) men Wirtschaftsmigranten. Die vorgeblich Schutzbedürf- (D) tigen sind bereits durch sichere Drittstaaten gezogen, also (Beifall bei der AfD) nicht mehr auf der Flucht, falls sie es je waren. Verantwortung hieße, die gesellschaftlichen Werte Fake News: Es bräuchte Solidarität mit Erstzutritts- Deutschlands auch für die Zukunft zu sichern. Solida- staaten. Die Wahrheit: Deutschland hat schon proportio- risch wäre, unsere Menschen nicht immer länger für nal mehr aufgenommen, aber die fortgesetzte rechtbre- andere arbeiten zu lassen. Humanität hieße, unsere chende Verletzung von Dublin III durch Merkel soll Bürger vor 300 000 Zuwandererstraftaten jährlich zu legalisiert, der Weg nach Deutschland automatisiert wer- bewahren. den. (Beifall bei der AfD – Ulli Nissen [SPD]: (Beifall bei der AfD) Bewahren vor der AfD, das wäre richtig!) Fake News: Das sei humanitär. Die Wahrheit: Die lei- Aber die Stuhlfarce vor dem Reichstag samt nachfolg- den keine Not, zahlen vielmehr hohe Schlepperkosten. ender Brandstiftung und Erpressungsaktion war nur der Die wirklich Hilfsbedürftigen tauchen nie auf. Dasselbe Anfang. Die afrikanische Bevölkerungsexplosion nach Geld hilft vor Ort hundertmal mehr Menschen. Europa umzuleiten, ist ein falsches Ziel, ein Wahnsinn. Fake News: Europäische Geldspritzen in die Heimat- Import des Menschenbilds des Islam und der Clangesell- länder würden Fluchtursachen bekämpfen. Diebstahl von schaften – eine Kampfansage an unsere Freiheit! Demo- 25 Milliarden Euro in den nächsten vier Jahren. Die kratie ist dem Islam wesensfremd. Religion und Staat Wahrheit: Europäisches Sozialniveau wird dort nie sind in ihm eine Einheit. Gewalt gegen Frauen und erreicht, aber mehr Reisemittel für die Schlepperwege Andersgläubige ist Lehrstoff des Islam. Deshalb: Raus geliefert. mit der Umsiedlungsmafia aus der Regierung! (Beifall bei der AfD) (Beifall bei der AfD – Carsten Schneider Fake News: Man müsse den Herkunftsstaaten was bie- [Erfurt] [SPD]: Meine Güte!) ten, damit sie Illegale zurücknehmen. Die Wahrheit: Sie Der Weg in die Zukunft führt nicht über die verordnete sind verpflichtet. Man macht Druck mit Wirtschaftshilfen Abkehr von bisheriger Geschichte. Die Selbstverneinung und Visabeschränkungen. der eigenen Nation ist ein Irrweg. Zukunft braucht Her- Fake News: Der Plan würde die EU einen. Wer nicht kunft. Statt ständiger Liebedienerei nach außen braucht aufnehmen will, soll halt abschieben. Die Wahrheit: es wieder selbstbewusste Interessenvertretung. Statt Ihres Gelingt das nicht, wie in Deutschland, sollen sie auf ewigen „Ein Herz für Afrika“ sagen wir: Mehr Hirn für den Migranten sitzen bleiben. Tolles Angebot. Deutschland, mehr Einsatz für Deutschland! Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Oktober 2020 22625

Dr. Gottfried Curio (A) (Beifall bei der AfD – Zuruf von der LINKEN: menhalt investiert wird, meine Damen und Herren. Wir (C) Widerlich!) werden diesen Weg mutig weitergehen, und dieser Haus- halt trägt auch diese Handschrift, meine Damen und Her- Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: ren. Nächster Redner ist der Kollege Sebastian Hartmann, (Beifall bei der SPD) SPD. Vieles von dem, was gesagt worden ist, fußt auch (Beifall bei der SPD) darauf, dass wir starke Sicherheitsbehörden haben. Der weit überwiegende Teil, der erdrückende Teil der Uni- Sebastian Hartmann (SPD): form- und Waffenträger – es sind Tausende, Zehntausen- Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten de Menschen – steht auf dem Boden unseres Grund- Damen und Herren! Was wir soeben gemerkt haben, ist gesetzes, unserer erfolgreichen deutschen Demokratie, Folgendes: Wir leben in Zeiten der Verunsicherung, die meine Damen und Herren. Aber wir müssen auch genau gezielt geschürt wird, in einer Zeit der Herausforderun- hinschauen, wenn aus Kreisen der Gewerkschaften gen, in der komplexe Zusammenhänge in der Welt miss- gesagt wird: Lasst uns mal den Alltag der Polizei braucht werden, um in einem Land, wo die Kriminalitäts- anschauen! – Ich pflichte unserem Bundespräsidenten rate systematisch sinkt, bei. Wir schauen nicht weg, wenn Rechtsextremismus geschürt wird und in die Mitte der Gesellschaft gekippt (Lachen bei der AfD) werden soll, meine Damen und Herren. zur Verunsicherung zu führen. Es ist die Hetze aus diesem Haus, die dazu beiträgt, dass in diesem Land Verunsiche- (Beifall bei der SPD) rung und Spaltung geschürt werden, wo es um Zusam- Herr Minister, wir fordern Sie auf: Machen Sie mit den menhalt und einen starken solidarischen Staat geht, der Gewerkschaften klar: Wir sind diejenigen, die diese Ver- handlungsfähig ist, meine Damen und Herren. fassung verteidigen, und wir stehen an der Seite der Ehr- (Beifall bei der SPD) lichen, der Fleißigen, der Anständigen in den Sicherheits- behörden im Land und weit darüber hinaus, in den Ich wende mich an den rechten Teil des Hauses, Rettungsdiensten auch. (Dr. [AfD]: Ach nee!) (Beifall bei der SPD) dem ich die Frage stelle, warum Sie nicht zitiert haben, Aber die Coronapandemie fordert uns alle. Auch was der Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion sagte: Wir das ist etwas, worüber wir sprechen müssen, wenn infra- können die Migranten nachher immer noch alle erschie- ge gestellt wird, was gerade in unserem Land passiert. Es (B) ßen oder vergasen; gar kein Thema. – Schämen Sie sich (D) wird hinterfragt, ob wir aufeinander achtgeben sollen, ob nicht, im Jahr 75 nach Auschwitz solche Worte aus Ihren wir die Behörden stärken sollen, ob wir dort Geld inves- Reihen zuzulassen? tieren sollen. Schauen wir mal in die Vereinigten Staaten (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP, von Amerika, wo jetzt, Stand heute, 206 000 Menschen der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE an Corona verstorben sind. Das ist eine unvorstellbar GRÜNEN) große Zahl. Das entspricht der Einwohnerzahl meiner Ich bin fassungslos, was Sie hier aus unserer erfolgrei- Geburtsstadt Oberhausen in Nordrhein-Westfalen. Keine chen Demokratie machen, 30 Jahre nach einer Wieder- Wohnung, kein Haus, kein Fenster mehr mit einem Men- vereinigung, friedlich in diesem Land. Schämen Sie sich schen! Das ist es, was uns fordert. 200 000 Tote in den nicht, so mit unserem Land umzugehen? Vereinigten Staaten. Wir sind gut durch diese Krise ge- kommen, weil wir in diesem Haus Weichen gestellt (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten haben, weil wir Geld in den Bevölkerungsschutz, in die der LINKEN – Lachen des Abg. Dr. Alexander Katastrophenhilfe investiert haben. Wir wollen weiter so Gauland [AfD]) vorgehen, wenn es um das THW und das Bundesamt für Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Sozial- Bevölkerungsschutz geht, meine Damen und Herren. demokratie setzt dagegen einen starken, einen solidari- (Beifall bei der SPD) schen, handlungsfähigen Staat. Wir setzen auf einen weiten Begriff der Sicherheit, weil eine solidarische Umso mehr müssen wir auch schauen, dass wir bei Gesellschaft darauf angewiesen ist, dass wir in Krisen- dem Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastro- zeiten zusammenhalten. Wir merken, wer dieses Land phenhilfe mehr tun können. Herr Minister, ich spreche nicht schätzt. Wir merken, wer die Menschen doch im es offen an: Sie haben nach dem fehlgeschlagenen Warn- tiefsten Inneren hasst und auf Parteibuch und Personal- tag, als wir festgestellt haben, dass die Länder nicht ent- ausweiswesen schaut, wer den Wert eines Menschen nach sprechend investiert hatten und wir gemeinsam mehr in dem Pass ausmacht. Schämen Sie sich von der AfD, was die Resilienz und mehr investieren müssen, entschieden, Sie hier getan haben! dass der Präsident des Bundesamtes für Bevölkerungs- schutz und Katastrophenhilfe gehen muss. Ich sage Ihnen (Beifall bei der SPD – Zurufe von der AfD) offen, dass ich mir diesen Mut vielmehr gewünscht hatte, Wir investieren als Sozialdemokratie mutig: 28 000 als es darum ging, einen Verfassungsschutzpräsidenten neue Stellen in den Sicherheitsbehörden und über 2,6 Mil- nicht wochenlang im Amt zu halten – gegen die Kanzle- liarden Euro jetzt und in den vergangenen acht Jahren. rin, gegen den Willen der Mehrheit des Hauses, gegen Das ist das, woran man sehen kann, wo in den Zusam- Ihren Koalitionspartner. 22626 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Oktober 2020

Sebastian Hartmann (A) (Zuruf der Abg. Dr. Irene Mihalic [BÜND- Sie haben 2019 beim Thema Onlinezugangsgesetz (C) NIS 90/DIE GRÜNEN]) noch nicht mal 60 Millionen Euro eingestellt. Jetzt reden wir im Jahr 2021 über 1,5 Milliarden Euro. Da dieser Den frischen Wind hätten wir uns an dieser Stelle Aufwuchs nur auf Kosten der Effizienz funktionieren gewünscht. kann und bei der übrigen Digitalisierungsstrategie Ihres Ihre Rede hat deutlich gemacht: Sie nehmen den Hauses Steuerungs- und Organisationsschwächen festzu- Kampf gegen den Rechtsextremismus auf. – Mehr stellen sind – die hat ja auch der Rechnungshof beleuch- davon – mehr davon! – und das deutlich machen, das tet –, ist es doch mehr als fraglich, ob wir hier zügig und ist Ihre Verantwortung als Innenminister. Da haben Sie vor allem budgetgenau zu einer Umsetzung kommen. die Sozialdemokratie immer an Ihrer Seite, meine Damen Auch im Bereich innere Sicherheit tragen wir die Plä- und Herren. ne, das BKA und die Bundespolizei besser auszustatten, mit. Aber auch hier zeigt sich sehr deutlich, wie weit (Beifall bei der SPD) Anspruch und Wirklichkeit in Ihrem Haus auseinander- klaffen. Planstellen ist das eine, tatsächliche besetzte Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: Stellen ist das andere, das Entscheidende. In Ihrem Jetzt hat das Wort der Kollege Christoph Meyer, FDP. Haus sind 18 Prozent der Stellen nicht besetzt. (Beifall bei der FDP) (Manuel Höferlin [FDP]: Aha!) Ein geordneter Personalaufwuchs ist nicht sichergestellt. Wenn man sich die Zahlen vom Beginn der Legislatur bis Christoph Meyer (FDP): jetzt anguckt, dann haben wir eher den Eindruck, dass die Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kolle- Lücke größer wird. Das heißt, am Ende schaffen Sie ge Hartmann, es wäre gut gewesen, wenn Sie nicht nur Scheinsicherheit. Sie haben es nicht geschafft, die Pläne, den Katastrophenschutz und die staatlichen Leistungen auch die, die Sie im Koalitionsvertrag angesprochen im Bereich der Coronapandemiebekämpfung betont hät- haben, mit tatsächlichen Stellen zu hinterlegen. Das ist ten, sondern auch die Disziplin, mit der wir alle hier in Ihre Bilanz, Herr Seehofer. Deutschland Abstandsregeln einhalten und dafür sorgen, dass die Pandemie sich nicht weiter ausbreitet. Das ist, (Beifall bei der FDP sowie der Abg. Dr. Irene glaube ich, die Grundlage, weswegen wir in Deutschland Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) immer noch so glimpflich durch die Krise gekommen Sie haben sich eben selbst dafür gelobt, dass die Mittel sind, und nicht das, was das THW – so wichtig es ist – bei investiven Titeln in Ihrem Haushalt, vor allem im auch getan hat. (B) Baubereich, angestiegen sind; auch das ist richtig. Aber (D) (Beifall bei der FDP) auf der anderen Seite haben wir auch hier im investiven Bereich einen mangelhaften Mittelabfluss. Über 15 Pro- Wenn wir uns mal den Haushalt angucken – es ist die zent der Mittel werden regelmäßig nicht verausgabt. erste Lesung; ich bin für diesen Einzelplan das erste Mal Auch das ist eine Planungs- und Steuerungsschwäche in in den Haushaltsberatungen zuständig –, dann sehen wir Ihrem Haus, die sich über Jahre hinzieht. Der einzige bei einer unvoreingenommenen Draufsicht zwei Prob- Minister, der dies ähnlich macht, ist Ihr Christgenosse lemfelder: Andi Scheuer. Das Erste ist: Nach dem massiven Mittelaufwuchs der (Heiterkeit bei der SPD – Michael Grosse- letzten Jahre schaffen Sie es nicht, die Pläne wirklich Brömer [CDU/CSU]: Da passt manches nicht umzusetzen und zu einem geordneten Mittelabfluss zu zusammen!) kommen. Er hat ebenfalls einen Investitionsstau zu verantworten – Das Zweite ist: Die gesamte Breite des Aufgaben- leider einen noch ein bisschen größeren als bei Ihnen, spektrums Ihres Hauses ist nicht angemessen in Ihrem weil der Etat einfach größer ist. Aber am Ende scheint Fokus, Herr Seehofer. Ihr Haushalt wächst in diesem offensichtlich das Parteibuch eine der Begründungen zu Jahr um 2,6 Milliarden Euro auf, noch mal 1 750 Stellen; sein, weswegen Sie es nicht schaffen, hier voranzukom- Sie haben es erwähnt. Bis 2025 sollen allein aus dem men. Konjunkturprogramm 6,8 Milliarden Euro zufließen. (Beifall bei der FDP) Wir begrüßen – und auch das haben Sie erwähnt – Ihre Zum Bereich Heimat muss ich nichts sagen. Da Pläne zum Onlinezugangsgesetz. Bei der Registermoder- machen Sie nichts; darauf sind Sie in Ihrer Rede auch nisierung, glaube ich, gibt es datenschutzsicherere Mög- gar nicht eingegangen. lichkeiten, aber der Grundansatz wird von uns geteilt. Es ist aber bezeichnend, dass Sie im Jahr 2020 hier über (Heiterkeit und Beifall bei der FDP) Zukunftstechnologien reden, die wir eigentlich bereits Zum Baubereich wird der Kollege Hagen Reinhold vor 10, 15 Jahren hätten implementieren müssen. Sie noch etwas sagen. haben in Ihrem Haus die Zukunft verschlafen, und es hat erst der Pandemie bedurft, dass Sie hier deutlich Alles in allem – meine Redezeit ist jetzt auch zu mehr Mittel einstellen und zu einer Priorisierung kom- Ende –: Auf dem Papier viel Licht, in der Umsetzung men. viel Schatten. Ich freue mich auf die Beratungen. Viel- leicht können wir den Etat noch ein bisschen besser (Beifall bei der FDP) machen. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Oktober 2020 22627

Christoph Meyer (A) Vielen Dank. Das jüngste Beispiel: Union und SPD hatten verspro- (C) chen, dass die Umwandlung von Mietwohnungen in (Beifall bei der FDP) Eigentumswohnungen erschwert wird, um die Mieter vor Verdrängung zu schützen. Am Dienstag ist diese Pas- Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: sage aus dem Gesetzentwurf gestrichen worden. Victor Perli, Die Linke, hat als Nächster das Wort. (Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Unglaub- (Beifall bei der LINKEN) lich!) Herr Seehofer lässt sich von der Immobilienlobby am Victor Perli (DIE LINKE): Nasenring durch die Manege ziehen, meine Damen und Vielen Dank, Herr Präsident. – Meine Damen und Her- Herren. ren! Wir erinnern uns: Minister Seehofer und die Große (Beifall bei der LINKEN – Koalition sind mit großen Versprechen angetreten: mehr [DIE LINKE]: Ein Skandal!) gesellschaftlicher Zusammenhalt, die Stärkung des Die Linke fordert ein großangelegtes öffentliches Sicherheitsgefühls, mehr bezahlbarer Wohnraum. Wenn Wohnungsbauprogramm für dauerhaft bezahlbaren man nun Bilanz zieht, dann fällt das Urteil eindeutig aus: Wohnraum in kommunaler und am Gemeinwohl orien- Minister Seehofer und die Koalition haben nicht geliefert. tierter Hand. (Beifall bei der LINKEN – Zurufe von der (Beifall bei der LINKEN) CDU/CSU: Oh!) Das Geld dafür ist da. Das Innenministerium hat bei den Es gibt nicht mehr gesellschaftlichen Zusammenhalt, Investitionen von der gesamten Bundesregierung den sondern die Schere zwischen Arm und Reich geht weiter schlechtesten Mittelabfluss. Seit 2014 ist jeder fünfte auseinander. Die Coronakrise verschärft die Situation. Euro liegen geblieben: über 2,2 Milliarden Euro. Der Die Arbeitslosigkeit steigt, es gibt mehr Kinderarmut, Großteil dieses Geldes sollte eben genau in die Bauför- und der Reallohnverlust ist so groß wie nie zuvor. derung fließen, in die Stadtentwicklung, da, wo es so Leider verstehen vor allem CDU und CSU unter dringend gebraucht wird. Aber im selben Zeitraum haben „Sicherheit“ immer nur die innere Sicherheit. Das Sicher- Hunderte Gemeinden, die um eine Förderung für die heitsgefühl der Menschen ist aber untrennbar verbunden Sanierung ihrer Schwimmbäder, ihrer Sportplätze gebe- mit der eigenen sozialen Sicherheit, ten haben, einen Ablehnungsbescheid vom Innenministe- rium erhalten. So eine Politik versteht kein Mensch. (Beifall bei der LINKEN) (B) (Beifall bei der LINKEN – Zurufe von der (D) zum Beispiel mit der Frage, ob man Planungssicherheit CDU/CSU) für das eigene Leben hat. Die Antwort auf diese Krise Meine Damen und Herren, die Menschen wollen eine muss deshalb sein, dass es einen sozialen Schutzschirm Polizei, die sie vor Gefahren schützt, keine Polizei, die für die Menschen gibt. ihnen Angst macht. Deshalb darf es keine Nazis im Poli- (Beifall bei der LINKEN) zeidienst geben. Zur Stärkung des Sicherheitsgefühls trägt auch bei, (Beifall bei der LINKEN) wenn Dörfer und Städte finanziell handlungsfähig sind, Wenn solche Leute Zugang zu Waffen haben, zu sensib- wenn es genügend bezahlbaren Wohnraum gibt. Mit die- len Daten, ist das ein äußerst gefährliches Sicherheits- sem Haushalt wird das aber nicht gelingen. Beim sozialen risiko. Rassistische Vorfälle müssten natürlich aufgear- Wohnungsbau sieht es ganz besonders düster aus. beitet und abgestellt werden. Das ist auch im Interesse der großen Mehrheit der Polizistinnen und Polizisten in (Zuruf von der LINKEN: Ja! – Dr. Marco Buschmann [FDP]: Insbesondere in Berlin, diesem Land, weil sonst das Vertrauen der Bürgerinnen wo Sie Verantwortung tragen!) und Bürger in Institutionen verloren geht. (Beifall bei der LINKEN) Die Bundesregierung zeigt sich blind gegenüber den Sor- gen der Mieterinnen und Mieter. Mit nur 1 Milliarde Euro Herr Minister, es ist ein schwerer Fehler, dass Sie eine pro Jahr, Herr Seehofer, ist der Niedergang des sozialen wissenschaftliche Untersuchung zu diesen Missständen Wohnungsbaus nicht aufzuhalten. verhindern wollen. Es entsteht der Eindruck, dass Sie der Polizei selbst misstrauen, dass Sie die Probleme unter (Beifall bei der LINKEN – Dr. Marco den Tisch kehren wollen. Damit schützen Sie die Polizei Buschmann [FDP]: Mit der Mietpreisbremse nicht, Herr Seehofer, damit schaden Sie ihr. auch nicht! Sieht man ja in Berlin!) (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordne- Die Mieterverbände schlagen Alarm: Seit dem Amtsan- ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – tritt von Horst Seehofer sind über 100 000 Sozialwohnun- Zuruf von der CDU/CSU: Sagt der Richtige!) gen aus der Förderung gefallen. Von wegen bauen, bauen, bauen! Das ist Totalversagen, meine Damen und Herren. Meine Damen und Herren, Die Linke wird sich in den Haushaltsberatungen dafür einsetzen, dass es mehr (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. gesellschaftlichen Zusammenhalt gibt: für soziale Sicher- Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/ heit, für mehr bezahlbaren Wohnraum. Wir wollen DIE GRÜNEN]) ungleiche Lebensverhältnisse überwinden. Die Große 22628 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Oktober 2020

Victor Perli (A) Koalition ist nur noch dabei, zu verwalten: Stillstand zu Damit schaden Sie vor allem den vielen Beamtinnen und (C) verwalten, Ungerechtigkeit zu verwalten. Es ist höchste Beamten, die mit beiden Beinen wirklich fest auf dem Zeit, dass damit endlich Schluss ist. Boden unseres Grundgesetzes stehen. (Beifall bei der LINKEN) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wir werden eine solche Studie im Haushaltsverfahren Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: beantragen, um das Ausmaß, aber auch die Ursachen ver- Jetzt erhält das Wort die Kollegin Dr. Irene Mihalic, fassungsfeindlicher Tendenzen in den Sicherheitsbehör- Bündnis 90/Die Grünen. den wissenschaftlich untersuchen zu lassen. Liebe SPD, wir rechnen nach all euren Ankündigungen wirklich fest (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) damit, dass ihr uns in dieser wichtigen Frage eben nicht hängen lasst, sondern ganz klar zeigt: Wir brauchen eine solche wissenschaftliche Studie, und zwar jetzt. Die Fak- Dr. Irene Mihalic (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): ten müssen auf den Tisch. Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Lie- be Kollegen! Der Haushaltsplan des Innenministeriums (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sagt wirklich viel über Ihre aktuelle Innenpolitik aus: sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP) 18,3 Milliarden Euro, Herr Minister. Da ist ganz viel Es ist doch auch ein völlig falsches Verständnis von Luft – nach oben sowieso, aber leider eben auch in Ihren Wertschätzung, wenn man sagt: Liebe Polizei, weil wir Buchungen. Jährlich pumpen Sie die Zahlen auf nach euch so toll finden, schauen wir nicht ganz so genau hin, dem Motto: Der Rest erledigt sich irgendwie von selbst. – wenn mal irgendetwas nicht richtig läuft. – Nein, das ist So könnte man ungefähr sagen: „Das bisschen Haushalt Nachgiebigkeit gegenüber den Nestbeschmutzern, aber macht sich von allein“, sagt der Horst. – Ja, aber das nicht Wertschätzung für die Polizei. Wenn es Ihnen bei stimmt leider nicht, Herr Minister. diesem Thema nicht nur um Lippenbekenntnisse, son- dern um tatsächliche Wertschätzung geht, meine Damen (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – und Herren, dann sollten Sie mal konkret werden: bei den Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: War Arbeitsbedingungen, bei der Gewährleistung professio- aber lustig!) neller Hilfe in Stresssituationen, aber eben auch bei der Ihr alljährliches Spiel mit Luftbuchungen – darauf hat Ruhegehaltfähigkeit der Polizeizulage, die wir auch in der Kollege Meyer eben hingewiesen – schadet dem Ruf diesem Jahr wieder beantragen werden. Denn da, wo es der Innenpolitik, von der sich die Bürgerinnen und konkret wird, tun Sie nichts. Bürger zu Recht ein Höchstmaß an Seriosität erwarten. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (B) Die Menschen wollen, dass Sie ganz konkret Antworten (D) auf die Fragestellungen der Gegenwart geben, zum Bei- Und überhaupt: die Personalpolitik. Seit einigen Jah- spiel beim Kampf gegen Rechtsextremismus und Rassis- ren versuchen Sie, den Stellenabbau, der jahrzehntelang mus. Dazu findet sich auf den ersten Blick erst einmal stattgefunden hat, durch die Schaffung weiterer Stellen- nicht wahnsinnig viel in Ihrem Haushalt. Wir wissen alle, aufwüchse zu kaschieren. Wir haben dem wirklich immer dass rechtsextreme Strukturen über Jahrzehnte nicht rich- zugestimmt, vor allen Dingen in der Hoffnung, dass Sie tig analysiert worden sind, Anschläge wurden reflexhaft mal eine Idee entwickeln, wie Sie die vielen neuen Stel- Einzeltätern zugerechnet, und zwar trotz der Erfahrungen len tatsächlich mit Menschen besetzen können. Doch das mit dem NSU-Komplex. ist bisher wirklich ein großer Flop. Über 10 000 offene Stellen bei Bundeskriminalamt und Bundespolizei, und ( [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, es fehlt jeder realistische Ansatz, um diese Stellen zu genau!) besetzen: keine Ausbildungsoffensive, gar nichts. Ihre Personalpolitik ist pure Augenwischerei, liebe Kollegin- Nun scheint sich in diesem Bereich im Haushalt zag- nen und Kollegen. haft etwas zu tun, vor allen Dingen beim BKA; aber das darf eben nicht in Ansätzen stecken bleiben. Wir müssen (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN rechtsextreme Strukturen besser analysieren, um sie und bei der FDP) nachhaltig zu zerschlagen. Beim Thema „Migration und Integration“ hingegen, da investieren Sie ja noch nicht einmal auf dem Papier spür- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bar etwas. Beim BAMF wird ja sogar noch gekürzt, und sowie bei Abgeordneten der FDP) dabei wissen Sie sehr genau, dass „Wir schaffen das!“ Und: Wir dürfen eben auch nicht die Augen vor verfas- eben nicht reicht, wenn man das nicht auch mit konkreten sungsfeindlichen Tendenzen innerhalb unserer Sicher- Maßnahmen unterfüttert. heitsbehörden verschließen. Da verstehe ich nicht, Herr Dann ist da noch die gewissermaßen vergessene Seehofer, warum Sie weiterhin eine wissenschaftliche Sicherheitsbehörde – so will ich sie mal nennen –: das Analyse in diesem Bereich blockieren, obwohl quasi im Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhil- Wochentakt neue Fälle an die Oberfläche gespült werden. fe. Sowohl die Coronapandemie als auch die unmittelba- Wie man eine solche Wissenschaftsfeindlichkeit an den ren Folgen des Klimawandels machen den Katastrophen- Tag legen kann, ist mir wirklich schleierhaft. schutz zu einem zentralen Sicherheitsthema. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS- sowie bei Abgeordneten der FDP) SES 90/DIE GRÜNEN und der FDP) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Oktober 2020 22629

Dr. Irene Mihalic (A) Aber ein Strukturwandel auf Bundesebene wurde in den Diese Regierung hat ein Einwanderungsgesetz beschlos- (C) letzten Jahren völlig verschlafen. Und da ist es nicht hilf- sen, und zwar ein Einwanderungsgesetz, das zielgerichtet reich, Herr Minister, wenn Sie nach den Ergebnissen des auf die Zuwanderung von Fachkräften ausgerichtet ist. Warntages den Präsidenten des BBK vor die Tür setzen, Mache kritisieren das und sagen, das sei irgendwie da dessen Behörde Sie seit Jahren stiefmütterlich behandeln oder dort ein bisschen engherzig. und nie unterstützt haben. An dem Beispiel IT-Spezialisten kann man sehr gut (Filiz Polat [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: erkennen, dass es sehr pragmatisch ist. Wir verlangen Sehr richtig!) nicht mal irgendeinen Bildungsabschluss, sondern ein- fach drei Jahre Berufserfahrung und mindestens Ich freue mich auf die Zusammenarbeit mit Herrn 4 100 Euro Monatsgehalt. Wenn die Bedingungen erfüllt Schuster als neuem BBK-Präsidenten. Aber ich bin sind, kann man als IT-Spezialist nach Deutschland ein- auch sehr gespannt, ob über diesen Wechsel hinaus wandern. auch endlich mal konkrete Konzepte umgesetzt werden. (Konstantin Kuhle [FDP]: Wenn man einen (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Termin kriegt!) und bei der FDP) Nächstes Stichwort: Geordnete-Rückkehr-Gesetz. Der Wir brauchen im Bund einen handlungsfähigen Bevöl- Minister hat eben darauf hingewiesen: Über 60 Prozent kerungs- und Katastrophenschutz mit einer Zentralstel- derer, die zu uns kommen, haben am Ende gar keinen lenkompetenz, wie sie das BKA bei der Polizei hat. Bleibestatus, haben kein Schutzrecht, und das macht es eben auch erforderlich, Rückführungen durchzuführen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir werden uns Da hat manches im Argen gelegen. Wir haben mit diesem intensiv in diese Haushaltsberatungen einbringen; das Gesetz deutlich zur Verbesserung der Situation beigetra- sind Sie ja auch so von uns gewohnt. gen, dass Rückführungen jetzt und demnächst effektiver (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das stattfinden können. finde ich auch gut!) (Beifall bei der CDU/CSU) Wir hoffen, dass auch Sie beratungsoffen sind. Denn es Wir haben beim Staatsangehörigkeitsgesetz reformiert geht um nichts weniger als um die Sicherheit und den und nachgearbeitet. Terrorkämpfer, die im Ausland unter- gesellschaftlichen Zusammenhalt in unserem Land. wegs sind und eine zweite Staatsangehörigkeit haben, denen können wir demnächst – und das ist richtig so – Herzlichen Dank. den deutschen Pass entziehen. (B) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Beifall bei der CDU/CSU) (D) sowie des Abg. Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]) Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: Herr Kollege Middelberg, gestatten Sie eine Zwischen- Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: frage aus der AfD? Jetzt hat das Wort der Kollege Dr. Mathias Middelberg, CDU/CSU. Dr. Mathias Middelberg (CDU/CSU): (Beifall bei der CDU/CSU) Nein, an dieser Stelle gestatte ich sie nicht, Herr Präsi- dent. Dr. Mathias Middelberg (CDU/CSU): (Dr. Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es wird Sie NEN]: Aber an einer anderen Stelle?) nicht völlig verwundern, wenn ich nach drei Jahren Regierungszeit, nachdem drei Viertel dieser Regierungs- Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: zeit vergangen sind, positive Bilanz ziehe für den Bun- Sie möchten sie zulassen? desinnenminister, (Dr. Marco Buschmann [FDP]: Langweilig! Dr. Mathias Middelberg (CDU/CSU): Überraschen Sie uns doch mal! – Britta Nein, ich gestatte sie nicht. Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wundert uns schon!) Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: gerade für die Felder Migration und innere Sicherheit. Ich Nicht. will das an ganz konkreten Punkten festmachen. Fachkräfteeinwanderungsgesetz – das Stichwort ist Dr. Mathias Middelberg (CDU/CSU): hier heute noch gar nicht genannt worden –: Thema Kriminalität bzw. Straftaten. Wir haben die beste Bilanz seit 29 Jahren. Das Niveau der Straftaten (Konstantin Kuhle [FDP]: Ja, zu Recht!) in Deutschland ist so weit zurückgegangen, und es sinkt Wir haben jahrelang über ein Einwanderungsgesetz dis- kontinuierlich weiter, auch gerade in den letzten Jahren, kutiert. Wir haben jetzt eins. dass wir den Status von vor 29 Jahren erreicht haben. Das, finde ich, ist wirklich eine bemerkenswerte Leis- (Lachen bei der FDP) tung. 22630 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Oktober 2020

Dr. Mathias Middelberg (A) Und – darauf hat der Kollege Hartmann eben schon (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – (C) hingewiesen –: Wir haben ganz konsequent Personal auf- Zurufe von der FDP) gebaut, gerade bei den Sicherheitsbehörden: insgesamt – Ja, aber Sie sind doch dagegen; Sie kriegen es ja nicht im Feld des Bundesinnenministeriums um 16 500 Stellen, geregelt. Sie kapieren es ja nicht. bei den Bundessicherheitsbehörden um 7 500 Stellen, insbesondere beim BKA und auch beim Verfassungs- (Beifall bei der CDU/CSU – Widerspruch bei schutz. Ich glaube, das ist ein ganz besonderes Verdienst der FDP) dieses Bundesinnenministers. Ich sage es Ihnen ganz deutlich: Sie müssen an diese (Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Irene Mihalic Internetverbindungen ran, [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sind Luft- übungen!) (Dr. Marco Buschmann [FDP]: Sie müssen auf- passen, dass der Verfassungsschutz nicht bald Thema Waffenrecht. Auch das Waffenrecht haben wir Sie beobachtet!) verschärft. Es gibt demnächst die Regelabfrage, und die bewirkt vor allen Dingen, dass Extremisten künftig nicht sonst können Sie das Netzwerk von Kinderpornografie- in den Besitz von Waffen gelangen. verbrechern nicht aufklären. Sie verhindern das. Das sage ich Ihnen ganz deutlich. Ich sage Ihnen aber auch ganz ehrlich – das ist bisher nicht angesprochen worden –: Wir haben uns jetzt viel (Beifall bei der CDU/CSU – Zurufe von der über Extremismus und die daraus resultierenden Proble- FDP) me unterhalten. Aber wenn wir ehrlich sind, können wir An dieser Stelle wird sehr deutlich, wer es ernst meint mit das nicht nur lösen mit „mehr Personal“. Alleine damit ist dem Schutz der Kinder. Wer Kinderpornografienetzwer- es nicht getan, sondern wir müssen auch ganz konkret ke aushebeln will, der braucht die Mindestspeicherfris- über Kompetenzen reden. Die Polizei und unsere Sicher- ten, der braucht den Zugriff auf den Austausch dieser heitsbehörden, auch der Verfassungsschutz, müssen dann Personen im Internet. auch die Möglichkeiten haben, terroristische oder extre- mistische Netzwerke aufzudecken. Und auch wenn wir solche Netzwerke bei der Polizei haben – beispielsweise Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: die jüngsten Fälle in Nordrhein-Westfalen oder jetzt Herr Kollege Middelberg, Ihre Redezeit ist abgelaufen. woanders –, dann geht es, wie Sie gehört haben, um Chats Die Redezeit ist vorüber. in WhatsApp-Gruppen. Die haben wir bisher irgendwie Zu einer Zwischenbemerkung erteile ich das Wort dem per Zufallsprinzip entdeckt. (B) Kollegen René Springer, AfD. (D) Wenn wir ehrlich sind, dann müssen wir bei der Bera- tung über das Gesetz für den Bundesverfassungsschutz René Springer (AfD): auch klar Stellung zu der Frage beziehen: Wir brauchen Vielen Dank, Herr Präsident. – Sehr geehrter Herr eine Quellen-TKÜ, und wir brauchen auch die Online- Dr. Middelberg, Sie sprachen eingangs davon, dass Sie durchsuchung, sonst werden wir bei diesen Themen nicht sich eingesetzt hätten für ein Fachkräfteeinwanderungs- effizient weiterkommen. gesetz, das das Ergebnis einer langen Debatte gewesen (Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Marco sei, und dass dieses Fachkräfteeinwanderungsgesetz Buschmann [FDP]: Was sagt denn die SPD zu gezielt Fachkräfte anwerben möchte für unseren Arbeits- diesem Unsinn?) markt. Was Sie nicht gesagt haben, ist, dass das Fach- kräfteeinwanderungsgesetz auch Menschen anwirbt, die Wenn Sie bei Verdachtsmomenten heute schon ein Tele- hier eine Berufsausbildung machen sollen. Meines fon abhören dürfen, ganze Gesprächsinhalte verfolgen Erachtens sind das keine Fachkräfte, sondern höchstens dürfen, wenn Sie SMS-Verkehr checken können, dann Ausbildungssuchende. Aber das war nur eine kleine kor- frage ich mich: Wie blöd sind wir eigentlich, dass wir rigierende Anmerkung zu Ihrem Beitrag. nicht mit der Technik mitgehen, uns der Technik anpas- sen, statt jetzt zu sagen: „Natürlich wollen wir auch auf Ich habe auch eine Frage an Sie. Momentan haben wir WhatsApp-Verkehr zugreifen können“? So. coronabedingt 600 000 Arbeitslose mehr. Wir sehen eine Insolvenzwelle auf uns zukommen. Wir haben 5 Millio- (Beifall bei der CDU/CSU) nen Menschen in Kurzarbeit. Die Frage ist: Warum wer- Letzter Punkt. Das mache ich Ihnen auch an einem viel ben Sie in einer solchen Situation, in der Menschen hier drastischeren Beispiel deutlich: Kinderpornografie. Da ihren Job verloren haben und darauf hoffen, in den Job echauffieren wir uns alle, und zwar völlig zu Recht; wir zurückzukehren – und wir alle sollten daran arbeiten, dass sind zutiefst empört. Da geht es um die Schwächsten in diese Menschen schnell wieder in einen Job zurückkeh- unserer Gesellschaft. Wir bringen es aber nicht fertig, ren –, ausländische Fachkräfte an? Das ist eine direkte in diesem Kontext ehrlich über das Thema Vorratsdaten- Frage an Sie. Und: Sollte es nicht unser aller Aufgabe speicherung zu sprechen. sein, in dieser schwierigen Situation dafür Sorge zu tra- gen, dass inländische Fachkräfte zuerst wieder in den Job (Konstantin Kuhle [FDP]: Dann machen Sie zurückkommen? doch mal!) Vielen Dank. – Das ist der entscheidende Schlüssel, Herr Kollege Kuhle. (Beifall bei der AfD – Zurufe von der SPD) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Oktober 2020 22631

(A) Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: Immer häufiger sind unsere uniformierten Polizei- und (C) Herr Kollege Middelberg, Sie dürfen antworten. Rettungskräfte mit Übergriffen und Respektlosigkeit konfrontiert. Dr. Mathias Middelberg (CDU/CSU): (Zurufe von der SPD) Ich will gerne darauf eingehen und Ihnen antworten. Gewalt gegen Polizeibeamte und Rettungskräfte muss Zunächst einmal habe ich nichts verschwiegen, was die konsequent und mit allen Mitteln des Rechtsstaates Anwerbung von Auszubildenden angeht. Das machen begegnet werden. wir ganz bewusst so, und das zeigt ja auch, dass dieses Fachkräfteeinwanderungsgesetz kein eng gezogenes Ge- (Beifall bei der AfD – Michael Grosse-Brömer setz ist, sondern dass wir durchaus willens sind, Leute ins [CDU/CSU]: Dafür haben wir die Grundlagen Land zu holen, die bereit sind, Ausbildungen zu machen, geschaffen, aber Sie haben nicht mitge- die bei uns nicht so gerne gewählt werden. Dafür werben stimmt! – Ulli Nissen [SPD]: Warum sind Sie wir auch Leute aus dem Ausland an; und das finde ich sitzen geblieben?) auch richtig so, um es ganz deutlich zu sagen. Die Sicherheitskräfte stehen mit ihrer täglichen Arbeit Ich finde im Übrigen auch richtig – Sie haben zu Recht dafür ein, dass Menschen in Not geholfen und die Sicher- darauf hingewiesen, dass unser Arbeitsmarkt problemati- heit unserer Gesellschaft gewahrt wird. Wir unterstützen scher wird; das war völlig in Ordnung –: Wir müssen das ganz ausdrücklich. weiter daran arbeiten, dass wir diejenigen qualifizieren (Ulli Nissen [SPD]: Haha! – Weitere Zurufe und in Arbeit bringen, die hier bei uns noch arbeitslos von der SPD) sind. Das gilt auch für Flüchtlinge und andere, die zu uns gekommen sind. Wir müssen sie noch integrieren; Bei allen öffentlichen Bekundungen der Koalition, wie das ist völlig richtig. Trotzdem haben wir in einzelnen viel für die innere Sicherheit getan wird, zeigt jedoch die und sehr speziellen Bereichen – ich hatte gerade schon Realität häufig ein anderes Bild. 7 500 zusätzliche Stellen den IT-Sektor angesprochen – noch Mangel. für die Sicherheitsbehörden des Bundes sollen im Haus- haltsentwurf geschaffen werden. Auf den ersten Blick (Zuruf von der CDU/CSU: So ist es!) eine gute Sache, aber zuerst kommt die Ausbildung, Sprechen Sie beispielsweise in meinem Bundesland Nie- und erst in drei Jahren die eigentliche Verstärkung. dersachsen mal mit VW über die Probleme, die es dort Und: Jährlich geht auch ein beträchtlicher Teil in den gab, um beispielsweise den Golf 6 oder den ID.3 an den Ruhestand. Start zu bringen. Denen fehlen ganz massiv IT-Fachkräf- Wirft man einen zweiten Blick in den Stellenplan, zum (B) te. Das ist das, was sie an uns herantransportieren. Beispiel bei der Bundespolizei, so sieht man, dass zum (D) 1. Juni 2020 im Iststand über 8 000 Polizeibeamte zum Deswegen – ich könnte auch noch andere Bereiche Soll 2020 und über 9 000 Polizeibeamte zum Ziel 2021 nennen – brauchen wir in bestimmten Feldern qualifizier- fehlen. Es zeigt sich: Anspruch und Wirklichkeit stim- te Zuwanderung, und deswegen ist es richtig, dass wir men oft nicht überein. dieses Gesetz beschlossen haben. (Beifall bei der AfD) (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- ordneten der SPD) So sinkt in der Praxis die Anzahl der Bestreifungen. Überstunden und Frust werden somit aufgebaut. Die Neueinstellungen sind wichtig und richtig, aber sie kön- Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: nen nicht über die Versäumnisse der Bundesregierung in Jetzt erteile ich das Wort dem Kollegen Marcus Bühl, den vergangenen Jahren hinwegtäuschen. AfD. Herr Minister Seehofer, wir müssen noch einmal über (Beifall bei der AfD – Ulli Nissen [SPD]: Das den Flugdienst der Bundespolizei sprechen. In den Haus- Grauen geht weiter! – Dr. André Hahn [DIE haltsberatungen für 2020 hatten wir die Umflottung der LINKE]: Muss nicht sein!) Transporthubschrauber in den nächsten zehn Jahren beschlossen, und Sie hatten bis Ende Mai dieses Jahres Marcus Bühl (AfD): das notwendige Konzept dazu versprochen. Die Bundes- Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und polizei hatte bereits Ende Januar dieses Konzept erstellt. Herren! Liebe Zuschauer an den Bildschirmen! Wir bera- Uns liegt aber bisher lediglich ein Zwischenbericht vor, ten in den nächsten Wochen über den Haushaltsplan für gemäß dem es pandemiebedingt zu Verzögerungen den Bereich Inneres, Bau und Heimat. Baustellen gibt es kommt und noch Abstimmungsbedarf besteht. Da stellen in der Tat viele. sich natürlich Fragen. Ich frage mich: Welche Kräfte und Interessen wirken hier im Hintergrund? Vielleicht sogar Zu Beginn meiner Ausführungen möchte ich jedoch Interessen potenzieller Lieferanten? Ich hoffe, Herr mit einem Dank beginnen: Einen herzlichen Dank an Minister, dass wir im Berichterstattergespräch die Mög- unsere Polizei- und Rettungskräfte für ihre tägliche, oft lichkeit haben, diese Thematik ausführlich zu erörtern. schwierige Arbeit für unser Land! Auch hier das Thema Stellen. Der Flugdienst benötigt (Ulli Nissen [SPD]: Warum sind Sie dann in 250 neue Dienstposten, um den derzeitigen Flugbetrieb der vorletzten Sitzungswoche sitzen geblie- zu konsolidieren. Was mich jedoch bei meinem letzten ben?) Besuch in Sankt Augustin erstaunt hat, ist die Tatsache, 22632 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Oktober 2020

Marcus Bühl (A) dass man bei einem Transporthubschrauber bis zu Aber wenn für die Kommunen in der Zukunft gleiche (C) 18 Monate auf die Lieferung eines Ersatzscheibenwi- Chancen bestehen sollen, dann müssen wir auch den schers wartet. Schritt tun, die Ausgangslagen überall zu verbessern, Kurzum: Es besteht überhaupt kein Anlass, sich und das geht nicht anders, als sich auch mit der Altschul- zurückzulehnen oder gar mit dem Haushaltsentwurf denfrage zu beschäftigen und eine Lösung hierfür zu fin- zufrieden zu sein. Die Investitionen in die innere Sicher- den. Ich weiß, Herr Seehofer, auch Sie hegen dafür Sym- heit müssen weiter gesteigert werden. Hierfür werden wir pathie. Dagegen kann man nicht mit Zahlenkolonnen und uns bei den kommenden Beratungen einsetzen. Aller- Zuständigkeiten der Länder argumentieren. Ich sage dings, Herr Minister Seehofer: Mehr Beamte und besse- Ihnen ganz offen: Herr Laschet wird das nicht schaffen. res Material können nur dann gegen gestiegene Krimina- (Beifall bei der SPD – Zurufe von der FDP) lität und zum Schutz gegen illegale Einwanderung eingesetzt werden, wenn auch der politische Wille und Lebensqualität und Zukunftsfähigkeit – davon ist in die Rückendeckung aus Politik und Justiz vorhanden diesem Einzelplan viel die Rede. sind. Städtebauförderung und soziale Integration kommen Ich danke für die Aufmerksamkeit. auf round about 1 Milliarde Euro. Diese Mittel werden übrigens sehr wohl in Anspruch genommen. (Beifall bei der AfD) Ober beispielsweise der Investitionspakt Sportstätten Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: mit 106 Millionen im nächsten Jahr; für die Erneuerung Nächster Redner ist der Kollege Bernhard Daldrup, von Einrichtungen der Sport-, Jugend- und Kulturförde- SPD. rung sind auch wieder 96 Millionen vorgesehen; ins- gesamt sind es 700 Millionen Euro. Diese Mittel werden (Beifall bei der SPD) sehr wohl in Anspruch genommen. Man muss an dieser Stelle sagen: Das ist eigentlich gar nicht die Aufgabe des Bernhard Daldrup (SPD): Bundes, sondern das ist eine zusätzliche Hilfestellung für Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! die Kommunen. Gestatten Sie mir, dass ich zu Beginn eine Bemerkung (Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. Victor zur Handlungsfähigkeit der kommunalen Selbstverwal- Perli [DIE LINKE]) tung mache. Ich habe mich sehr darüber gefreut, dass gestern die Kanzlerin bei ihrer Rede darauf aufmerksam Und das ist eine ausgesprochen vernünftige und sinnvolle gemacht hat, dass die Schaffung gleichwertiger Lebens- Angelegenheit, für die 700 Millionen Euro angesetzt (B) bedingungen in ganz Deutschland eine Aufgabe dieser sind. (D) Regierung ist. Für das Modellprojekt Smart Cities zukünftig 500 Mil- (Dr. Marco Buschmann [FDP]: Das steht sogar lionen Euro. im Grundgesetz!) Das Programm „Altersgerecht Umbauen“ ist aufge- – In der Tat, das ist wahr. Deswegen kann man ja daran stockt worden. An dieser Stelle ist auch die kontinuier- erinnern. Darauf muss man viele mal aufmerksam liche Anpassung des Wohngeldes als eine große Errun- machen. genschaft zu nennen. (Dr. Marco Buschmann [FDP]: Selbstver- Ich möchte jetzt auch hier über das Thema Wohnen ständlich!) sprechen. Eine Wohnwende beschließen, ist relativ flott – Das ist gut, dass Sie das auch gelesen haben. gemacht; sie jedoch umzusetzen, dauert. Das ist nun mal (Dr. Marco Buschmann [FDP]: Selbstver- so, weil es um Kubikmeter umbauten Raums geht. Vor ständlich!) gut zwei Jahren – Stichwort: Wohngipfel – haben Bund, Länder und Kommunen ein umfassendes Maßnahmen- Es geht also nicht nur um den Ausgleich, sondern es programm für bezahlbaren Wohnungsbau in Deutschland geht auch darum, dass die Kommunen perspektivisch geschnürt. 5 Milliarden Euro für die Stärkung des sozia- gute Chancen für die Zukunft haben, und zwar dort, wo len Wohnungsbaus sind nicht wenig, aber perspektivisch die Menschen gerne leben – in ihrer Heimat im besten ist es zu wenig; das ist überhaupt keine Frage. Um es Sinne. Und weil diese Heimat durch Corona an verschie- perspektivisch zu sichern, mussten wir das Grundgesetz denen Stellen bedroht ist, müssen wir die Verletzlichkeit extra so ändern, dass die Länder diese Mittel – und zwar unserer Kommunen reduzieren, ihre Widerstandskraft alle – tatsächlich auch dafür verwenden. Eine eher trau- stärken. Darauf haben gestern auch Toni Hofreiter und rige Nebenerscheinung dieses Vorganges, finde ich andere aufmerksam gemacht. Stärkung des Öffentlichen jedenfalls. Gesundheitsdienstes beispielsweise, Förderung von Krankenhäusern, Erhalt der Handlungsfähigkeit durch (Dr. Marco Buschmann [FDP]: Besonders in Ersatz bei der Gewerbesteuer oder Ausgleich von Sozial- Berlin!) kosten, jetzt dauerhaft 3,5 Milliarden Euro – all das sind Zum Baukindergeld ist bereits gesagt worden, dass Maßnahmen, die außerordentlich hilfreich und außeror- 260 000 Familien es beantragt haben. Mehr als 60 Prozent dentlich gut sind; sie gehören zu der wirklich hervorra- davon haben ein durchschnittlich zu versteuerndes Haus- genden Bilanz an dieser Stelle. haltseinkommen von maximal 40 000 Euro jährlich. Wir (Beifall bei der SPD) sind sehr damit einverstanden und haben selbst angeregt, Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Oktober 2020 22633

Bernhard Daldrup (A) den Förderzeitraum um drei Monate zu verlängern; eine (Beifall bei der SPD) (C) vernünftige Angelegenheit. Ich weiß, die FDP mag dieses Baukindergeld nicht; wir sagen es einfach weiter. Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: (Beifall bei der SPD) Konstantin Kuhle, FDP, hat jetzt das Wort. Wir können ein ganz positives Fazit dieser Arbeit zie- (Beifall bei der FDP) hen: Stärkung des sozialen Wohnungsbaus, Baukinder- geld, Städtebauförderung. Sonderabschreibungen sind Konstantin Kuhle (FDP): eben auch noch mal genannt worden. Ebenso sind das Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als Erstes andere Verhalten der BImA und die Reform der Grund- muss ich was zum Kollegen Middelberg und zur Vorrats- steuer zu nennen. Das ist ein ganzer Strauß von Maß- datenspeicherung sagen. nahmen. Dazu gehört auch die Novelle des Baugesetzbu- ches; das muss man an dieser Stelle sagen. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS- Rund 1,5 Millionen Wohnungen fehlen. Die Bilanz SES 90/DIE GRÜNEN) nach drei, vier Jahren mit durchschnittlich 300 000 Woh- Ich würde mir ja wünschen, dass die FDP es ist, die nungen plus 700 000 Bauüberhängen zeigt: Es ist in der die Vorratsdatenspeicherung in Deutschland verhindert. Tat wahr, dass das Ziel der 1,5 Millionen Wohnungen Aber es ist gar nicht die FDP, es sind Verfassungsgerichte erreicht werden kann. Das ist eine gute Bilanz. Mit und die Grundrechte auf europäischer und auf deutscher Geld kann viel erreicht werden; das Ziel scheint erreich- Ebene, die die Vorratsdatenspeicherung verhindern. bar. (Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/ (Zuruf von der LINKEN: Rückbau von DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der Sozialwohnungen!) LINKEN – Widerspruch bei der CDU/CSU) Es gibt aber zwei Steuerungsmittel: Neben dem Geld Lieber Kollege Middelberg, wenn die Vorratsdaten- gibt es das Recht. Beim Thema Recht müssen wir berück- speicherung erforderlich wäre, um gegen Kinderporno- sichtigen, dass die Baulandkommission 2018 eingerichtet grafie vorzugehen: Wie hätte man denn dann die Fälle worden ist. Sie hat sehr viele Vorschläge gemacht, um die von Lügde und Bergisch-Gladbach aufklären können? Dinge, die auf dem Wohnungsmarkt und im Baubereich Da liegt es doch an der Ausstattung der Polizei, an der insgesamt schieflaufen, zu korrigieren. Ausstattung der Sicherheitsbehörden, (Zuruf von der LINKEN) (Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/ 2019 hat sie einen Maßnahmenkatalog vorgelegt, der DIE GRÜNEN) (B) (D) relativ gut umsetzbar ist. dass man nicht vorangekommen ist. Deswegen ist das Wir müssen allerdings noch mal ausdrücklich sagen, hier eine Nebelkerze, die Sie gezündet haben, eine Nebel- dass der daraus entstandene Referentenentwurf, Herr kerze, mit der Sie wiederum offenbaren, was das Selbst- Minister, den Sie mit dem Vizekanzler vereinbart haben, verständnis der Konservativen, was das Selbstverständnis von Ihnen in Teilen wieder zurückgezogen worden ist. der Union beim Thema „innere Sicherheit“ ist. Sie sind eingeknickt. Vor drei Tagen wurde ein aktuali- sierter Entwurf ohne Einschränkung der Umwandlung Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: von Miet- in Eigentumswohnungen Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen (Ulli Nissen [SPD]: Pfui!) Middelberg? und ohne den vereinbarten Kompromiss zum Baugebot auf den Weg gebracht. Das geht nicht, das muss korrigiert Konstantin Kuhle (FDP): werden. Ja, warum eigentlich nicht? (Beifall bei der SPD) ( [FDP]: Ein kurzer Satz ver- längert deine Redezeit! Sehr gut! – Ich bin sehr gespannt, Herr Minister, auf Ihr Angebot, das Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE Sie eben angekündigt haben. GRÜNEN]: Herr Middelberg, Sie haben so lang geredet! – Weitere Zurufe) Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: – Ja, ist doch gut. Herr Kollege, Ihre Redezeit ist zu Ende. Dr. Mathias Middelberg (CDU/CSU): Bernhard Daldrup (SPD): Ich mach es auch ganz kurz. Ich habe noch viele andere Punkte, die ich nicht mehr ansprechen kann. – Wir wollen, Herr Minister, keinen (Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Bauminister haben, der sozusagen ohne Baugesetzbuch DIE GRÜNEN) seine Amtszeit beendet. Deswegen sind wir auf Ihr Ange- bot sehr gespannt und hoffen, dass es eine einvernehm- Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: liche Lösung noch geben kann. Dafür müssen Sie sich Jetzt hat das Wort der Kollege Middelberg zu einer aber anstrengen. Zwischenfrage, mit der der Kollege Kuhle einverstanden Danke schön. ist. 22634 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Oktober 2020

(A) Dr. Mathias Middelberg (CDU/CSU): hat das Bundesinnenministerium dieses zentrale Wahl- (C) Herzlichen Dank, Herr Präsident. Herzlichen Dank, kampfversprechen der Union sang- und klanglos abge- Herr Kollege Kuhle. – Nehmen Sie denn zur Kenntnis, räumt. Es wird in dieser Legislaturperiode kein Muster- Herr Kollege Kuhle, dass das BKA uns berichtet, dass in polizeigesetz geben. 6 000 Fällen – in 6 000 Fällen! – die Ermittlungen zum Ende gekommen sind und keine weiteren Beteiligten (Beifall bei der FDP) oder Betroffenen mehr ermittelt werden konnten, weil Das ist eine schlechte Nachricht für die Polizeibeamten, in den konkreten Fällen die Internetverbindungsdaten die sich darauf verlassen haben. Und es ist auch eine von den Providern schon gelöscht waren? Nehmen Sie verpasste Chance, um diese Debatte im Bereich Quel- diesen Fakt zur Kenntnis? Dadurch haben wir die Chance len-TKÜ und Onlinedurchsuchung zu befrieden mit einer versäumt, sehr viele mögliche Täter weiter zu ermitteln. Verlässlichkeit für alle Länderpolizeien. (Beifall bei der CDU/CSU) Zweites Beispiel: das Thema Rechtsextremismus. Wir haben eine Diskussion über ein Lagebild Rechtsextremis- Konstantin Kuhle (FDP): mus im öffentlichen Dienst. Es ist eine Frechheit, dass Lieber Kollege Middelberg, das nehme ich sehr gerne dieses Lagebild erst Monate zu spät kommt, es dann der zur Kenntnis und möchte Sie darauf hinweisen, dass Öffentlichkeit vorgestellt wird, aber dem Parlament noch schon vor fast 10 Jahren die Freien Demokraten in diesem nicht vorliegt. Legen Sie dieses Lagebild Rechtsextre- Haus einen Gesetzentwurf zum Thema „Quick Freeze“ mismus im öffentlichen Dienst bitte auch dem Parlament vorgelegt haben, mit dem es möglich ist, Daten von Tat- vor, und lassen Sie uns auch darüber sprechen, wie wir verdächtigen für eine bestimmte Zeit einzufrieren und auf dieser Grundlage weiterarbeiten. dann darauf zuzugreifen. Meine Damen und Herren, ein drittes Beispiel ist die Das Problem ist doch nicht, dass es hier im Haus nicht Tatsache, dass immer weniger Polizeilagen von einer eine große Mehrheit über die Regierungskoalition hinaus Landespolizei alleine gelöst werden können. Auch das gibt, die darüber sprechen möchte, wie man die Täter im ist eine Frage von Respekt und Anerkennung. Statt mal Bereich Kinderpornografie auch durch Datenspeicherung mit den Bereitschaftspolizeien der Länder darüber zu dingfest machen kann. Das Problem ist doch, dass die sprechen, wie man da vorankommen kann, schaffen Sie Maximalposition der Union seit Jahren und Jahrzehnten den Bericht des Inspekteurs der Bereitschaftspolizeien eine strukturierte und eine moderate Lösung im Bereich der Länder ab. Es werden also weniger Daten und Infor- der Datenspeicherung verhindert, mationen zusammengetragen. Weniger Dialog, weniger Transparenz: Das ist nicht politische Führung, sondern (Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/ das ist ein Zukleistern einer politischen Debatte, was (B) (D) DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der wir überhaupt nicht gebrauchen können. LINKEN) Ein letztes Beispiel. Kollege Middelberg, ich versuche weil Sie wieder und wieder vor den Verfassungsgerichten schon seit Monaten, herauszufinden, wie viele qualifi- in Luxemburg und in Karlsruhe scheitern; immer wieder. zierte Fachkräfte denn jetzt eigentlich zusätzlich durch Sie sind damit mehrfach vor die Wand gelaufen. das Fachkräfteeinwanderungsgesetz nach Deutschland Deswegen nehmen Sie bitte zur Kenntnis, dass der Ball gekommen sind. Da heißt es immer: „Ja, wegen Corona in Ihrem Feld liegt und dass Sie – damit komme ich zum ist das schwierig“, oder: In den Auslandsvertretungen Ausgangspunkt zurück – sich in dieser Frage so gerieren, läuft es mit der Digitalisierung nicht so. – Das ist eine wie sich auch der Bundesinnenminister im Bereich der reine Nebelkerze. Dieses Fachkräfteeinwanderungsge- inneren Sicherheit begreift, nämlich lediglich als Zere- setz, das Sie zusammen mit den Sozialdemokraten vor- monienmeister politischer Debatten im Bereich der inne- gelegt haben, ist Pillepalle und hilft an keiner Stelle ren Sicherheit. weiter. (Benjamin Strasser [FDP]: Er ist auch Verfas- (Beifall bei der FDP) sungsminister!) Wir brauchen ein wirkliches Einwanderungsgesetz, und Hier ein schneidiges Interview, da eine Strafanzeige wir brauchen auch im föderalen Verbund ein Innenminis- gegen Journalisten – politische Führung sähe anders aus. terium, das bei der Anwendung dieses Fachkräfteeinwan- Aber die Frage ist doch: Was ist eigentlich die Aufgabe derungsgesetzes vorangeht und verbindliche Vorgaben des Bundes in unserem föderalen Sicherheitsverbund? In erlässt, damit mehr Fachkräfte nach Deutschland kom- unserem föderalen Sicherheitsverbund ist die Aufgabe men. des Bundes politische Führung und Moderation, auch das Zusammentragen von Informationen und von Daten. Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: Dazu will ich Ihnen gerne einige Beispiele nennen, bei Herr Kollege. denen das überhaupt nicht läuft. Erstes Beispiel: Musterpolizeigesetz. Es gab eine groß- Konstantin Kuhle (FDP): e Ankündigung im Koalitionsvertrag. Respekt, Dank und Insgesamt brauchen wir mehr klare Lösungen und Anerkennung für die Polizei zeigt sich nicht nur durch weniger bloße Debatten. eine gute Ausstattung, sondern auch durch verlässliche Vielen Dank. Rechtsgrundlagen. Deswegen gibt es im Koalitionsver- trag den Plan eines Musterpolizeigesetzes. Letzte Woche (Beifall bei der FDP) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Oktober 2020 22635

(A) Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: Zur Flüchtlingspolitik ist heute schon einiges gesagt (C) Nächster Redner ist der Kollege Dr. André Hahn, Die worden. Nach dem Brand im Lager von Moria wollte Linke. Herr Seehofer zunächst gerade einmal 150 Menschen von dort aufnehmen. Das war nicht christlich, sondern (Beifall bei der LINKEN) erbärmlich.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordne- Dr. André Hahn (DIE LINKE): ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als ich Zuruf des Abg. [CDU/CSU]) 2018 erstmals zu einem Haushalt gesprochen habe, den Horst Seehofer zu verantworten hatte, habe ich mir nach Wir als Linke sagen: Geben Sie endlich Ihre Blockade- seinen diversen Pannen und Fehlgriffen nicht vorstellen haltung auf, und erlauben Sie den aufnahmebereiten können, dass dieser Innenminister heute immer noch im Kommunen und Bundesländern, Asylsuchende von den Amt ist. Mancher mag das als Stehvermögen bewerten. griechischen Inseln zu evakuieren und ihnen hier eine Perspektive zu geben. (Zurufe von der CDU/CSU) Unserem Land hat es definitiv nicht gutgetan. (Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Ulli Nissen [SPD]) (Beifall bei der LINKEN – Michael Grosse- Brömer [CDU/CSU]: Qualität setzt sich Auch beim Katastrophenschutz hat das Innenministe- durch!) rium versagt; ich erinnere an den jüngsten Totalausfall beim bundesweiten Warntag. In einer echten Notsituation Immer öfter und immer dreister bedrohen Rechtsextre- hätte das Unvermögen des dem Innenministerium unter- misten engagierte Bürgerinnen und Bürger sowie Politi- stellten Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Kata- kerinnen und Politiker. Rechtsradikale ziehen mit Reichs- strophenhilfe, die Bevölkerung über Apps und Sirenen kriegsflaggen durch Berlin und versuchen scheinbar rechtzeitig zu warnen, womöglich lebensbedrohliche Fol- nebenbei, den Reichstag zu stürmen. Und während der gen gehabt. Verfassungsschutz noch feinsinnig zwischen dem „Flü- gel“ und dem Rest der AfD zu unterscheiden versucht, (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Des- was außerhalb dieser Behörde niemand versteht, beschäf- wegen ist der Chef auch nicht mehr im Amt!) tigte ebendiese Partei hier im Bundestag einen Presse- sprecher, der Migrantinnen und Migranten erschießen Auch im Sportbereich hat der Minister nicht geliefert. oder vergasen lassen möchte. „Ein Hauch von Weimar Er präsentiert im Haushalt allenfalls Mogelpackungen. (B) (D) liegt über der Republik“, warnt der ehemalige Bundesin- Großspurig haben Sie, Herr Seehofer, Ende 2019 auf nenminister Gerhart Baum. Ich frage mich: Wann erkennt der Mitgliederversammlung des Deutschen Olympischen der aktuelle Innenminister die Zeichen der Zeit und Sportbundes einen Goldenen Plan zur Sanierung von macht endlich seine Hausaufgaben? Sportstätten angekündigt. Angesichts dessen, dass wir hier einen Sanierungsstau von über 30 Milliarden Euro (Beifall bei der LINKEN) haben – 30 Milliarden! –, ist offenkundig, dass man mit 160 Millionen Euro, die jetzt zusätzlich vorgesehen sind, Hier ist nicht nur die Polizei gefordert. Ich betone aber keine nachhaltigen Veränderungen erreichen kann. auch heute: Der weit überwiegende Teil der Polizistinnen und Polizisten in unserem Land erledigt seine Arbeit (Beifall bei der LINKEN) kompetent und gewissenhaft. Aber wenn fast im Wochentakt rechte Netzwerke bei der Polizei auffliegen, Die Linke hat deshalb einen Antrag vorgelegt, wonach wenn von Polizeicomputern Daten von Personen abge- der Bund zehn Jahre lang jeweils 1 Milliarde Euro für die fragt werden, die dann mit rechtsextremen E-Mails Sanierung und den Neubau von Sportstätten sowie bedroht werden, dann habe ich keinerlei Verständnis Schwimmbädern bereitstellen soll. Das wäre eine echte dafür, dass sich Horst Seehofer einer wissenschaftlichen Hilfe für den Sport in unserem Land. Studie zu rechten Tendenzen und strukturellem Rassis- mus in Teilen der Polizei noch immer verweigert. (Beifall bei der LINKEN) (Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Ein abschließendes Fazit: 15 Jahre mit Innenministern Sandra Bubendorfer-Licht [FDP]) aus den Reihen der Union sind wirklich genug. Bei den kommenden Bundestagswahlen besteht die Chance für Meine Damen und Herren, die Coronapandemie ist einen grundlegenden Wechsel. Die Bürgerinnen und nicht nur eine gesundheitliche Herausforderung, sie ist Bürger haben es in der Hand. auch eine Bewährungsprobe für die Demokratie. Und dass Horst Seehofer über Monate völlig abtaucht, wenn (Beifall bei der LINKEN) im Zuge der Coronamaßnahmen grundlegende Bürger- rechte massiv eingeschränkt werden, ist völlig inakzepta- bel. Das Grundgesetz gilt nach wie vor, und die parla- Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: mentarische Kontrolle des Regierungshandelns darf auch Nächster Redner ist der Kollege Christian Kühn, in Pandemiezeiten nicht ausgehebelt werden. Bündnis 90/Die Grünen. (Beifall bei der LINKEN) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) 22636 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Oktober 2020

(A) Christian Kühn (Tübingen) (BÜNDNIS 90/DIE Einer massiven Ausweitung des Anwendungsbe- (C) GRÜNEN): reichs der Umwandlungsgenehmigung bedarf es Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und daher nicht zur Sicherstellung des notwendigen Herren! Wie unter einem Brennglas sieht man in der Mieterschutzes. Coronapandemie die Krisen unserer Zeit – auch beim (Ulli Nissen [SPD]: Ah ja! – Weitere Zurufe Bauen und beim Wohnen. Die Mietenexplosion der letz- von der SPD) ten Jahre hat zu brutalen sozialen Verwerfungen geführt. Die Einkommen sinken aufgrund der Coronapandemie Jetzt gibt es Kollegen aus der Union, die per Twitter gerade; aber die Mieten stagnieren oder steigen in den behaupten, dass Sie es geschafft hätten, dass der großen Ballungsräumen sogar. Sprich: Die soziale Schere Umwandlungsschutz, der Schutz von Hunderttausenden der letzten Jahre geht weiter auseinander. von Menschen, aus dem Gesetz herausgeflogen ist. Andere sagen: Das geht zurück auf Schwarz-Grün in In vielen Innenstädten, vor allem in vielen Mittelstäd- Baden-Württemberg. – Was sagen Sie zu dieser Unter- ten, veröden die Fußgängerzonen, die Marktplätze stehen stellung? leer, und die Kaufhäuser werden leergeräumt. Der Onlinehandel nimmt zu, und Corona führt in dieser Situa- Danke schön. tion zu einer Brandbeschleunigung. (Ulli Nissen [SPD]: Oijoijoijoi! Da bin ich gespannt! Das ist ja ätzend!) Dieser Haushalt gibt auf diese beiden großen Heraus- forderungen bzw. Probleme der Bau- und Wohnungspo- litik keine Antworten. Christian Kühn (Tübingen) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Kollege Mindrup, ich beantworte sehr gern Ihre Frage. Abg. Klaus Mindrup [SPD] meldet sich zu Ich habe zwei Antworten darauf. einer Zwischenfrage) (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Zwei Minus 81 000 Sozialwohnungen in den letzten zwei Jah- sogar!) ren, Herr Seehofer – – Die erste Antwort ist: Wir werden hier im Plenum als Grüne in den nächsten Monaten immer wieder erleben, Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: dass Sie uns sozusagen das Handeln oder das vermeint- Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage? liche Handeln unserer grünen Kolleginnen und Kollegen in den Bundesländern und in den Kommunen vorhalten –

(B) Christian Kühn (Tübingen) (BÜNDNIS 90/DIE (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das (D) GRÜNEN): machen Sie ja auch! – Zurufe von der SPD) Ja, gerne. wahrheitswidrig, oft auch die Tatsachen verdrehend –, weil es Ihnen im Augenblick taktisch in den Kram passt, Klaus Mindrup (SPD): (Lachen der Bundesministerin Christine Lieber Kollege Kühn, Sie haben die Situation richtig Lambrecht) beschrieben; sie ist sehr dramatisch. Ich möchte noch mal um von Ihrem eigenen Versagen hier im Deutschen Bun- daran erinnern, dass auch adressiert worden ist, dass das destag abzulenken. Thema der Umwandlung von Mietwohnungen in Eigen- tumswohnungen ein großes und wichtiges Thema ist. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Denn in dieser Situation gibt es eine Abweichung von Denn Sie sind reihenweise in der Bau- und Wohnungs- dem, was in Deutschland normalerweise der Fall ist: Nor- politik malerweise schließt man in Deutschland einen Woh- nungsmietvertrag auf Dauer ab; er ist eigentlich nicht (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Tau- kündbar. Deswegen sind wir ein Vermieterland und ein sende von neuen Wohnungen gebaut!) Mieterland. Der Wohngipfel bei der Bundeskanzlerin hat von Herrn Seehofer, aber auch von der ganzen Union – im Jahr 2018 beschlossen: hier sitzen einige Kollegen – über den Tisch gezogen worden. – Das ist die erste Antwort. Der Bund strebt an, unter Einbeziehung von Län- dern und Kommunen die Möglichkeiten zu redu- Jetzt zur zweiten Antwort. Herr Mindrup, mich wun- zieren, Mietwohnungen in Eigentumswohnungen dert schon, dass Sie sich als Mitglied dieses Hohen Hau- umzuwandeln. Ausnahmen sollen nur in Einzelfäl- ses anscheinend nicht richtig über die Verfahren im Bun- len geltend gemacht werden dürfen. desrat informiert haben. Denn diese Stellungnahme, die Sie zitieren, ist eine Stellungnahme des Bauausschusses Das stand dann auch im Gesetzentwurf von Bundesin- des Bundesrates. In diesem Ausschuss des Bundesrates nenminister Seehofer. gilt das Ressortprinzip; das ist so. Für den Bundesrat Dann gab es eine Stellungnahme des Landes Baden- selbst gilt es nicht; da müssen die Stellungnahmen durchs Württemberg vom 3. Juli 2020. Sie haben das ja richtig Kabinett, Herr Mindrup. Das müssen Sie wissen. beschrieben, und meines Wissens stellen Sie in dem Land (Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Ach so! sogar den Ministerpräsidenten. In dieser Stellungnahme Und wie ist das dann in der Bundesregierung? steht drin: Gilt da auch das Ressortprinzip?) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Oktober 2020 22637

Christian Kühn (Tübingen) (A) Deswegen ist es so, dass die Kollegin Hoffmeister-Kraut (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS- (C) von der CDU, die Bauministerin Baden-Württembergs, SES 90/DIE GRÜNEN) mit solchen Stellungnahmen freie Hand hat. Das ist so. Und dass Herr Ziemiak beim Baukindergeld noch was (Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Ach so! obendrauf legen will, hat mehr mit Wahlkampfgetöse zu Wie ist denn das im Bundeskabinett? – tun als mit einer realen Baupolitik und einer Lösung der [SPD]: Das ist aber einfach! – Probleme, die die Menschen auf den Wohnungsmärkten Weitere Zurufe von der SPD) heute haben. – Nein, das hat überhaupt nichts mit dem Bundeskabinett (Beifall bei Abgeordneten der FDP) zu tun, sondern es ist im Bundesrat so. Herr Seehofer, Sie haben gesagt: Super, wir haben Ich rate der SPD, sich wirklich mal mit diesen Fragen 740 000 Bauüberhänge! – Ja, dann tun Sie als auseinanderzusetzen oder den Kollegen , der Bauminister doch mal was dafür, dass die abgearbeitet in Ihren Reihen sitzt und Vizeministerpräsident von werden. Lösen Sie die Engpässe in der Bauwirtschaft, Baden-Württemberg war, zu fragen, wie die Verfahren zeigen Sie der Bauwirtschaft mal einen Weg, damit sie im Bundesrat ablaufen. Dass Sie uns nun eine Stellung- weiß: Wir können in den nächsten Jahren Leute einstellen nahme eines einzelnen Hauses in diesem Verfahren vor- und vorangehen. – Diese 740 000 Überhänge sind ein halten, halte ich für unterirdisch. Ich sage Ihnen eins: Das Zeichen dafür, dass in der Bauwirtschaft was nicht ist einfach eine Verdrehung von Tatsachen, nichts ande- stimmt; darum müssen Sie sich kümmern. res, weil Sie im Augenblick blank dastehen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der SPD) Ihr Versprechen, 1,5 Millionen neue Wohnungen zu bauen, werden Sie nie halten; da können Sie noch so oft Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: diese Zahl nennen. Die Zahlen sprechen für sich. Sie sind So, liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist jetzt als Bauminister gescheitert, und da können Sie noch so abschließend geklärt, auch wie die Zuständigkeiten – – viel schmunzeln, auf Ihr Handy schauen, Broschüren dru- cken, Kommissionen einberufen, den Wohngipfel – jetzt (Heiterkeit bei der CDU/CSU, der SPD und der wieder im Februar – mit einer Hochglanzveranstaltung FDP – Christian Dürr [FDP]: Da bin ich unsi- abfeiern. Die Zahlen zeigen ganz klar: Sie sind als cher, Herr Präsident! – Zuruf der Abg. Ulli Bauminister gescheitert. Die Bodenpreise sind zum Bei- Nissen [SPD]) spiel in München in den letzten zehn Jahren um 300 Pro- (B) zent gestiegen. Diese Bodenwertsteigerung kriegen Sie (D) – Nein, das war ja auch für die kommenden Debatten bis nicht in den Griff. Wenn ich dann vom Kollegen Daldrup zum Ende dieser Legislaturperiode ein ganz wichtiger höre, dass jetzt nicht nur der Milieuschutz aus der Bau- Hinweis. Der wird uns vielleicht manche Zwischenfrage gesetzbuchnovelle gestrichen ist, sondern auch noch die in der Zukunft ersparen. Baugebote: Ja, wie sollen die Kommunen denn diese (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS- Inflation bei den Bodenpreisen bekämpfen, wenn nicht SES 90/DIE GRÜNEN) mit Baugeboten? Das geht mir nicht ins Hirn. Sie machen nichts gegen die Krisen in diesem Land, und deswegen Ich danke Ihnen sehr. Sie haben weiter das Wort. sind Sie als Bauminister auch gescheitert.

Christian Kühn (Tübingen) (BÜNDNIS 90/DIE (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN GRÜNEN): sowie der Abg. [DIE LINKE] – Danke, Herr Schäuble, dass Sie mir da auch zuspre- [CDU/CSU]: So ein chen. Schmarrn!) Minus 81 000 Sozialwohnungen – ich hatte es gesagt –: Jetzt komme ich zum Milieuschutz, weil mir das ein Das ist eine Negativspirale beim sozialen Wohnungsbau. Anliegen ist. Das wäre eine wirklich wichtige Maßnah- Dass auch die SPD es nicht geschafft hat, gemeinsam mit me, um die Krise in den großen Städten in den Griff zu der Union diese Negativspirale zu durchbrechen, die sich kriegen. Dass die Kollegen der Union an dieser Stelle so immer schneller dreht, ist eines der Dramen der Bau- und blockieren, finde ich schäbig. Ich möchte da auch Herrn Wohnungspolitik unserer Zeit. Wegner direkt ansprechen. (Ulli Nissen [SPD]: Bauen ist Ländersache! ( [CDU/CSU]: Gern!) Seit 2006!) Wenn wir uns anhand der Zahlen für Berlin mal In den Mittelstädten – ich habe es gesagt – veröden die anschauen, um was es geht, dann sehen wir, dass in den Fußgängerzonen. Und wenn ich mir anschaue, was nun letzten Jahren 10 000 Mietwohnungen in Berlin in Eigen- baupolitisch passiert, dann stelle ich fest: Darauf gibt es tumswohnungen umgewandelt worden sind. Davon wur- in diesem Haushalt keine Antworten. Sie haben in den den 450 an die Mieterinnen und Mieter verkauft. Ich letzten 13 Jahren so viel Geld in den sozialen Wohnungs- frage Sie: Was ist mit den 9 550 Mieterinnen und Mietern, bau investiert, wie Sie in dieser Legislaturperiode für das die keinen Bock darauf hatten, dass ihre Mietwohnung Baukindergeld ausgeben. Das ist eine völlig falsche Prio- umgewandelt wird? Sie sind auf der Straße, sie verlieren ritätensetzung. ihre Wohnungen, sie haben Mietsteigerungen zu erwar- 22638 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Oktober 2020

Christian Kühn (Tübingen) (A) ten. Das ist sozusagen Ihre Schuld. Deswegen schaden (Beifall bei der CDU/CSU – Bernhard Daldrup (C) Sie mit Ihrer Politik hier im Hohen Haus, Herr Wegner, [SPD]: Das ist eine Frechheit, was Sie sagen! ganz konkret dem Land Berlin und der Stadt Berlin. Das stimmt nämlich nicht!) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Angesichts der Äußerungen der aktuellen Parteiführung sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Kai der SPD muss ich Sie da leider mit einbeziehen. Das fällt Wegner [CDU/CSU]: Mietendeckel weg! – mir schwer, aber es ist leider so. Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das ist (Ulli Nissen [SPD]: Unfug!) doch euer Mietendeckel!) Besonders aber Linke und Grüne, meine sehr geehrten Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: Damen und Herren, nutzen jede Gelegenheit, die Arbeit unserer Polizisten zu kritisieren und Misstrauen zu Herr Kollege Kühn, die Redezeit ist zu Ende. Wenn Sie schüren. bitte zum Schluss kommen. (Dr. Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Das stimmt überhaupt nicht!) Christian Kühn (Tübingen) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Dabei müsste es doch unsere Aufgabe sein, die Menschen Bei Ihnen stimmt nichts mehr im Bausektor und im zu schützen, die für unsere Gesellschaft häufig ihre Baubereich. Zur Heimat haben Sie selber kein Wort ver- Gesundheit und manchmal auch ihr Leben riskieren. loren, weil Sie da nichts auf die Reihe bringen. Deswegen würde ich sagen: Es braucht einen Neuanfang in der Bau- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- politik. Und den schafft man nicht mit Hochglanzbro- ordneten der AfD) schüren und auch nicht mit dem zweiten Wohngipfel. Meine Damen, meine Herren, besonders deutlich wur- Danke schön. de diese unterschiedliche Haltung im Verlauf der Rassis- musdebatte, die wir in den vergangenen Wochen geführt (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN haben. Ich will das Problem nicht kleinreden: Die sowie der Abg. Caren Lay [DIE LINKE]) Bekämpfung von Rassismus ist eine relevante gesell- schaftliche Herausforderung, Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: (Zuruf des Abg. Dr. Jens Zimmermann [SPD]) Nächster Redner ist der Kollege Josef Oster, CDU/ mit der wir uns hier im Hause sicherlich auch noch häufi- CSU. ger beschäftigen müssen. (B) (D) (Beifall bei der CDU/CSU) Was aber machen insbesondere die Grünen, meine sehr geehrten Damen und Herren? Sie versuchen mit ganzer Josef Oster (CDU/CSU): Kraft, aus dem gesamtgesellschaftlichen Problem Rassis- Verehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolle- mus ein spezifisches Polizeiproblem zu machen. Das war ginnen und Kollegen! Freiheit und Sicherheit sind für und ist für mich unerträglich. mich zwei Aspekte, die untrennbar miteinander verbun- (Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. den sind. In einem freien Land muss der Staat für ein [AfD] – Britta Haßelmann sicheres Umfeld sorgen, und dabei spielt unsere Polizei [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt eine entscheidende Rolle. Wir brauchen eine personell doch gar nicht! – Alexander Dobrindt [CDU/ und materiell gut ausgestattete Polizei in unserem Land. CSU]: Unerträglich!) In dieser Hinsicht ist das heute ein guter Haushaltsent- wurf. Er sieht mehr Stellen und eine bessere Ausstattung Ich kann nur sagen: Hören Sie auf, unsere Polizei ständig für unsere Sicherheitsbehörden vor. Besonders bei der zu kritisieren! Bundespolizei geht der Personalzuwachs konsequent weiter. (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Das macht doch keiner!) Meine sehr geehrten Damen und Herren, damit Hören Sie auf, unserer Polizei ein Haltungs- oder gar ein machen wir eines deutlich: Wir, CDU und CSU, verste- generelles Rassismusproblem zu unterstellen! Das wer- hen unsere Polizei als Partner, als einen wichtigen und den wir als CDU und CSU nicht zulassen. unverzichtbaren Bestandteil unserer Gesellschaft. Wir stehen an der Seite unserer Polizei. (Beifall bei der CDU/CSU – Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist so (Beifall bei der CDU/CSU) platt!) Diese Einschätzung sollte eigentlich eine Selbstverständ- Ich sage es deutlich: Natürlich passieren auch bei der lichkeit in diesem Hause sein. Aber das Verhältnis zu Polizei Fehler; wo Menschen arbeiten, passieren auch unserer Polizei fällt sehr unterschiedlich aus; das haben Fehler. Aber die bekannt gewordenen Fälle der letzten die Diskussionen der vergangenen Wochen deutlich Wochen zeigen doch, dass Fehler bemerkt werden und gezeigt. Die linke Seite in diesem Hause versteht nach dass darauf auch konsequent reagiert wird. meinem Eindruck die Polizei häufig als Gegner. Und das ist ein fundamentaler Unterschied, auf den man hier nicht (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: So ist häufig genug hinweisen kann. das!) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Oktober 2020 22639

(A) Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: schen Sport, als dass sie regelmäßig ins Theater gehen. (C) Herr Kollege Oster, der Kollege von Notz würde gerne Der Sport bietet gesellschaftliche Chancen auf Cham- eine Zwischenfrage stellen. pions-League-Niveau, Herr Seehofer, die Bundesförde- rung spielt dagegen leider nur in der Kreisklasse. Josef Oster (CDU/CSU): Seit 2017, mit dem Einzug der AfD in den Deutschen Nein, jetzt nicht. Bundestag, weht Gott sei Dank ein anderer Wind. (Zuruf des Abg. Dr. Konstantin von Notz (Beifall bei der AfD – Christian Kühn [Tübin- [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) gen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ein laues Es gibt 270 000 Polizisten in Deutschland. Wegen eini- Lüftchen!) ger weniger Einzelfälle die ganze Polizei unter General- Das Budget für den Spitzensport wird im nächsten Jahr verdacht zu stellen, ist für mich einfach schäbig, meine auf 290 Millionen Euro anwachsen; das ist eine Steige- sehr geehrten Damen und Herren. rung von 75 Prozent in nur vier Jahren. Auch andere (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Forderungen wie die Erhöhung des Einkommens für [FDP]: Das macht doch keiner! – Spitzensportler von 600 auf 1 200 Euro monatlich und Benjamin Strasser [FDP]: Das macht doch nie- die Abschaffung der willkürlichen Höchstgrenze für För- mand! – Dr. Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE derung von Sportgroßveranstaltungen wurden umgesetzt. GRÜNEN]: Wo ist Ihre Wertschätzung?) Das ist zwar alles sehr erfreulich, aber nur ein erster So, meine sehr geehrten Damen und Herren, ich könnte Schritt. Wir fordern daher, kurzfristig den Etat für die zu diesem Haushalt jetzt noch viel sagen. Spitzensportförderung auf 340 Millionen Euro zu erhö- hen; entsprechende Haushaltsanträge werden wir vorle- (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- gen. Langfristig sollte der Sportetat aber auf 1 Milliarde NEN]: So kommt ihr nicht gut durch die Debat- Euro jährlich angehoben werden. te! Meine Rednerin ist Polizistin!) (Beifall bei der AfD) Als ehemaliger Bürgermeister, Herr Minister Seehofer, begrüße ich natürlich auch die Digitalisierungsoffensive Wir sind und waren eine großartige Sportnation, und wir in der öffentlichen Verwaltung. Da besteht großer Hand- müssen uns diese Milliarde für den Sport einfach ganz lungsbedarf; da werden wir mit diesem Haushalt ganz selbstverständlich leisten. gewiss einen gewaltigen Schritt weiterkommen. Wir wer- Corona hat auch den Sport schwer getroffen. Die den in den nächsten Wochen noch eine ganze Reihe von wochenlange Schließung der Sportanlagen, insbesondere (B) Details zu beraten haben, auch im Ausschuss; darauf für die Einzelsportler, war ein schwerer Fehler. Für die (D) freue ich mich. Ich glaube, man kann heute schon sagen: Unterstützung der vielen Tausend Sportvereine und der Dieser Haushalt ist ein guter Entwurf, besonders für die Verbände haben wir bereits am 6. April einen 11-Punkte- Sicherheit in Deutschland. Antrag vorgelegt. Er wurde abgelehnt, später aber doch Vielen Dank. größtenteils umgesetzt. (Beifall bei der CDU/CSU – Britta Haßelmann (Stephan Brandner [AfD]: AfD wirkt!) [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So kommen – Ja. – Im Coronanachtragshaushalt für 2020 sind Sie nicht durch die Polizeidebatte! – Dr. Irene 200 Millionen Euro für den Ausgleich von Einnahmeaus- Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dass fällen wegen fehlender Zuschauer vorgesehen. Das Ihnen das nicht peinlich ist, Herr Oster!) begrüßen wir ausdrücklich, wir vermissen aber die Mittel für 2021; denn dann werden die Coronabeschränkungen Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: noch nicht aufgehoben sein. Zusätzlich sollte dieses Geld Jörn König, AfD, ist der nächste Redner. auch für andere, vor allem internationale Sportveranstal- tungen zur Verfügung stehen – mit Zuschauern und (Beifall bei der AfD) Abstand. Wir haben zum Beispiel in diesem Jahr noch drei Rodelweltcups in Deutschland. Abschließend wün- Jörn König (AfD): sche ich unseren Nationalmannschaften, dass Tokio 2021 Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kollegen! wirklich stattfindet. Wir wünschen Gesundheit, Erfolg Liebe Zuschauer auf den Tribünen und zu Hause! Von und angemessene Erfolgsprämien. Ein Olympiasieg soll- 1992 bis 2017 hat der Sportausschuss des Deutschen te wie in anderen Ländern mit 100 000 Euro vergütet Bundestages aufgrund eines ganz bestimmten Gesetzes werden. Einen Antrag dazu hat die AfD-Fraktion vorge- existiert: Es war das Gesetz der Trägheit; denn es wurde legt. leider unterlassen, Politik für den Sport zu machen. Der Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Anteil für den Spitzensport im Bundeshaushalt sank auf unter 0,05 Prozent der Gesamtausgaben, wir reden hier (Beifall bei der AfD) von 50 Cent bei 1 000 Euro. Die nominale Summe betrug 2017 165 Millionen Euro, zum Vergleich: Der Kulturetat Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: des Bundes liegt bei 1,6 Milliarden Euro. Kultur ist wie Nächste Rednerin ist die Kollegin Dagmar Freitag, Sport keine originäre Bundesaufgabe; die Etats könnten SPD. also ruhig vergleichbar groß sein. Es wird sogar umge- kehrt ein Schuh draus: Es treiben deutlich mehr Men- (Beifall bei Abgeordneten der SPD) 22640 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Oktober 2020

(A) Dagmar Freitag (SPD): Wir setzen die Unterstützung von Verbänden und (C) Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Her- Kommunen bei Bewerbungen um die Ausrichtung inter- ren! Was wir gerade über die Arbeit des Sportausschusses nationaler Großveranstaltungen fort. Und – ich glaube, gehört haben, ist schlichtweg aberwitzig; die Heiterkeit das ist eine der wichtigsten Botschaften – wir garantieren hat es ja auch bewiesen. Populismus, Herr Kollege unseren Topathleten ungekürzte Mittelzuflüsse, um ihnen König, ersetzt sicherlich keine Sacharbeit, wenigstens eine annähernd reibungslose Vorbereitung auf Tokio 21 zu gewährleisten. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Sehr geehrte Damen und Herren, die Doping-, Betrugs- und ich darf darauf hinweisen, dass von Ihren Anträgen , überhaupt keiner eine Mehrheit gefunden hat. Sie haben Korruptionsskandale von Sportfunktionären – nicht nur, zu gar nichts beigetragen. aber vornehmlich auf internationaler Ebene – lassen einen geradezu ratlos und frustriert zurück. Aber wo (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Schatten ist, ist ja bekanntlich auch Licht. Ich sehe dieses der CDU/CSU, der FDP und des BÜNDNIS- Licht vor allen Dingen in den zunehmend selbstbewuss- SES 90/DIE GRÜNEN) ten Athletinnen und Athleten, die sich – wir erinnern Meine Damen und Herren, wer hätte zu Beginn des uns – in Deutschland gegen heftigen Widerstand aus Rei- Jahres gedacht, dass nur wenige Wochen später der Sport hen des Dachverbandes überhaupt erst unabhängig orga- in Deutschland faktisch zum Erliegen kommen würde? nisieren konnten. Olympische/Paralympische Spiele verschoben, viele in- (Beifall bei Abgeordneten der SPD) ternationale Veranstaltungen gleich ganz abgesagt, Sport- stätten flächendeckend geschlossen. Die Coronapan- Aber nun gibt es sie: Athleten Deutschland e. V., zuneh- demie stellt den Sport auf allen Ebenen vor allergrößte mend professionell aufgestellt durch finanzielle Unter- Herausforderungen, vor allen Dingen unsere Vereine vor stützung des Bundes. Ort. Aber gerade da sehen wir herausragendes Engage- (Zuruf von der AfD: Der Steuerzahler!) ment der unzähligen Ehrenamtlichen, die trotz erhebli- cher Einschränkungen die Attraktivität ihrer Vereine auf- Ich sehe mit Freude, dass es mittlerweile weltweit ver- rechterhalten können. gleichbare Bestrebungen gibt. Kurzum: Unsere mündi- gen Athleten sind inhaltlich und auch konzeptionell Vor- Meine Damen und Herren, Bund und Länder haben in reiter. Sie alle, diese selbstbewussten jungen Menschen, dieser Krise tatsächlich schnell reagiert und unterschied- machen sich auf den steinigen Weg, dem Sport die Werte lichste Hilfsprogramme und Angebote für Vereine, in und auch die Würde wiederzugeben, die korrupte oder (B) dreistelliger Millionenhöhe, beschlossen. Allein der auch schwache, angepasste Funktionäre weltweit zerstö- (D) Bund hat für die professionellen Ligen abseits des Fuß- ren. Meine Damen und Herren, ich denke, dabei dürfen balls 200 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Das wir die Athleten nicht alleinlassen. alles als Tropfen auf den heißen Stein zu bezeichnen, wie es der oberste Repräsentant des organisierten Sports (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der in diesen Tagen öffentlich getan hat, ist aus meiner Sicht CDU/CSU) unangemessen – mindestens unangemessen, um viel- Ich darf mich abschließend bedanken bei Ihnen, Herr leicht nicht zu sagen: respektlos – gegenüber denjenigen, Minister Seehofer, und Ihrem Kollegen Finanzminister die seit Monaten auf allen staatlichen Ebenen ihr Mög- , bei Ihren Staatssekretären Mayer und lichstes tun, um die Menschen, die Gesellschaft und da- Kerber und vor allen Dingen bei Frau Lohmann, der mit eben auch den Sport durch diese Krise zu steuern. Abteilungsleiterin Sport, für eine professionelle, gute Zusammenarbeit. So werden wir das fortsetzen mit Blick (Beifall bei Abgeordneten der SPD) auf das Jahr 2021. Ich darf bei dieser Gelegenheit ausdrücklich den Kol- Vielen Dank. leginnen und Kollegen der Koalition im Haushaltsaus- schuss danken, die uns Sportpolitiker wirklich außerge- (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des wöhnlich unterstützt haben. Vielen Dank dafür! Abg. Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU])

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: CDU/CSU) Michael Kießling, CDU/CSU, hat jetzt das Wort. Meine Damen und Herren, die Koalition hat in den (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) vergangenen Jahren nie dagewesene Aufwüchse im Sport ermöglicht, und diese schreiben wir fort, übrigens nicht nur im Kontext mit der Spitzensportreform, wo sich der Michael Kießling (CDU/CSU): Bund immer als verlässlicher Partner erwiesen hat, wir Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und aber gleichzeitig auch bemerkenswerte Beharrungskräfte Kollegen! Wenn wir uns hier im Plenum umschauen, aufseiten des organisierten Sports feststellen müssen. dann sehen wir einen Ausschnitt der Vielfalt in unserem Pacta sunt servanda – Verträge sind einzuhalten; ich Land. Da ist es nur logisch, dass wir angesichts der viel- erlaube mir bei dieser Gelegenheit, doch mal daran zu fältigen Anforderungen an Wohnen, Arbeiten und Leben erinnern. auch einen Strauß an Lösungen brauchen, um diese erfül- len zu können. Das zeigt auch dieser Haushalt, in dem wir (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Maßnahmen zu verschiedenen Themenbereichen, die Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Oktober 2020 22641

Michael Kießling (A) unterschiedliche Gruppen betreffen, umsetzen und das (Beifall bei der CDU/CSU – Christian Kühn (C) weiterführen, was wir in dieser Legislaturperiode ange- [Tübingen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: fangen haben. Es gibt ja bald nichts mehr zu vermieten, weil Schauen wir auf den sozialen Wohnungsbau. Jeder hier alles umgewandelt wird!) im Haus weiß – ich hoffe es zumindest –, dass der soziale – Ja, Herr Kühn, guter Beitrag; sehr guter Beitrag. Da Wohnungsbau Ländersache ist; das wurde heute schon muss ich sagen: Die Äußerung des Ministerpräsidenten ein paarmal gesagt. Da gibt es bereits Kompensations- in Baden-Württemberg war mal eine gute Einlassung zur zahlungen. Darüber hinaus gibt der Bund über das Jahr Wohnungsbaupolitik der Grünen. Umwandlungsverbote: 2021 hinaus noch einmal 1 Milliarde Euro dazu. Was der Wir kompensieren den Mietendeckel mit dem Umwand- Bund den Ländern für den sozialen Wohnungsbau zur lungsverbot. Das heißt, wir korrigieren den Verkauf von Verfügung stellt, ist eine enorme Leistung. Eigentum, indem wir die Umwandlung ausschließen. Das Wir wissen auch – ich habe vorher die Vielfältigkeit kann doch nicht die Politik sein, die wir pflegen wollen. angesprochen –, dass mit dem sozialen Wohnungsbau (Beifall bei der CDU/CSU) nicht alles abgedeckt ist. Wir brauchen Eigentum. Wir Wir brauchen die Vielfalt der Leute, die Wohnraum haben das Baukindergeld eingeführt. Ich finde es toll, schaffen. Dazu gehören Kommunen, Private und Bauge- dass die SPD auch die Verlängerung des Baukindergelds nossenschaften, aber keine Ideologie, meine Damen und mitträgt. Wir hatten am Anfang der Legislatur durchaus Herren. einige Diskussionen. Aber es ist gut, wenn der Erkennt- nisgewinn auch da vorhanden ist. (Beifall bei der CDU/CSU) (Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/ Neben dem Thema Haushalt haben wir natürlich auch DIE GRÜNEN]: Baukindergeld war doch noch das Thema der Baulandmobilisierung; Herr Daldrup eine SPD-Idee!) hat es kurz erwähnt. Wir sind da eigentlich, glaube ich, Das ist eine gute Aktion. Es sind 260 000 Anträge gestellt auf einem guten Weg, wobei wir bei dem einen oder worden. 60 Prozent der Baukindergeld-Empfänger haben anderen Punkt doch noch ein bisschen Diskussionsbedarf ein Haushaltseinkommen von maximal 40 000 Euro. Im haben. Ich sage es mal in Worten der FDP: Lieber ein Haushalt 2021 haben wir hierfür noch einmal 900 Millio- bestehendes Baugesetzbuch als ein schlechtes Baugesetz- nen Euro vorgesehen. Das ist Familienpolitik, die wirk- buch. lich ankommt. (Beifall bei der CDU/CSU – Ulli Nissen (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Ulli [SPD]: Das war ein blöder Satz! – Beifall bei der FDP) (B) Nissen [SPD]: Wir müssen auch genossen- (D) schaftlich bauen!) Aber, meine Damen und Herren, das ist nicht alles. Ich Darüber hinaus gibt es auch noch das Thema Wohn- denke, auch da bekommen wir eine Lösung hin, weil wir geld. Auch da haben wir geliefert – mit einer Erhöhung an Lösungen orientiert sind und weiterkommen wollen. gegenüber 2020 um 135 Millionen Euro. Auch das ist ein Ich appelliere an uns beide, CDU und SPD wichtiger Schritt für die Stärkung des Wohngeldes. (Ulli Nissen [SPD]: Dann ist es ja gut!) Was auch nicht zu kurz kommen darf, ist die Förderung – nein, ich glaube, unser Minister hat das durchaus sehr des Städtebaus. Dafür haben wir insgesamt 975 Millionen richtig gemacht –, Euro in den Haushalt eingestellt, davon 110 Millionen dass wir dort eine Lösung herbeiführen. Euro für den Investitionspakt Sportstätten, und darüber hinaus noch einmal 790 Millionen Euro für das Städte- Aber wir haben ein weiteres Thema – und damit kom- bauförderungsprogramm. me ich auch schon zum Schluss –, das Thema der Digita- Was wäre ein Parlament ohne Wünsche? Ich würde mir lisierung. Auch da sind wir auf einem guten Weg. Beim wünschen, dass wir die Querschnittsaufgabe, die sich im Thema Smart City unterstützen wir die Kommunen, zum Städtebauförderungsprogramm widerspiegelt – zum The- Thema Building Information Modeling haben wir das ma „Stadtgrün/Brachflächen“ –, vielleicht noch etwas Kompetenzzentrum eingerichtet. Da sind wir auf dem mehr an die Oberfläche brächten und vielleicht ein eige- richtigen Weg. Ich bedanke mich, dass wir den Haushalt nes Programm zu diesem Thema aufsetzten. hier auch entsprechend aufstellen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Meine Damen und Herren, ich freue mich auf die Haushaltsdebatten und heute noch gute Beratungen. Herr Perli, den nächsten Absatz richte ich speziell an die Linken. Wir haben ein Maßnahmenpaket: sozialer Vielen Dank. Wohnungsbau, Eigentum, Baukindergeld, Wohngeld, (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- Städtebauförderung. Das sind Maßnahmen, die wirken. neten der FDP – Alexander Dobrindt [CDU/ Schaut man nach Berlin: Der Mietendeckel funktioniert CSU]. Sehr gut! Nur die FDP habe ich nicht nicht. Schauen wir auf den Markt: 50 Prozent weniger verstanden!) Mietwohnungen, 40 Prozent mehr Eigentum. Das heißt, die Leute wollen nicht mehr vermieten, sie wollen ver- Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: kaufen. Sie wollen sich das Vermieten nicht mehr antun. Jetzt hat das Wort der Kollege Hagen Reinhold, FDP. Und das sind doch Überlegungen, die wir hier im Plenum durchaus mit in Betracht ziehen müssen. (Beifall bei der FDP) 22642 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Oktober 2020

(A) Hagen Reinhold (FDP): Kommen wir zum CO2. Da sind Sie auf den guten (C) Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Gedanken gekommen: Das macht ja der Markt. Wenn Damen und Herren! Sehr geehrter Minister Seehofer! CO2 teuer wird, merken die Leute, die Heizkosten wer- Wo ist eigentlich der sparsame Ministerpräsident aus den teuer, dann sparen sie ein. Oh, guter Gedanke! Guter Bayern verloren gegangen auf dem Weg von München Gedanke: So reagiert Markt. Was machen Sie? Es sind nach Berlin? Wo hat er eigentlich seine Tugenden bei der übrigens die gleichen SPD-Minister in Ihrem Kabinett, Anreise gelassen? die jetzt sagen: Das zahlt aber nicht der Mieter, das zahlt (Beifall bei der FDP) der Vermieter, 50 Prozent davon. Das heißt, der Vermie- ter, der die Heizung weder an- noch ausmachen kann, Wenn ich nicht nur Ihren Etat, sondern auch Ihre Ver- merkt Ihren Steuerungsprozess beim CO2-Preis. antwortung im Kabinett angucke, frage ich mich: Warum bremsen Sie nicht einen Finanzminister, der neu ver- (Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/ schuldet, als gäbe es kein Morgen, Asylrücklage, Haus- DIE GRÜNEN]: Der kann sie austauschen!) haltsrückstände noch und nöcher im Haushalt? Die hätten Ich sage Ihnen: Sie können noch 2 Billionen Euro in den Sie halbieren können. Das wäre Ihre Pflicht und Aufgabe nächsten Jahren ausgeben. Bei der CO2-Einsparung kom- gewesen. Nichts davon haben Sie getan. Ihre Tugend ist men Sie im Gebäudesektor so überhaupt nicht weiter. verloren gegangen; das sage ich Ihnen. (Beifall bei der FDP) (Beifall bei der FDP) Herr Seehofer, zum Abschluss: Sie haben noch ein Jahr Dabei wissen Sie doch: Viel hilft nicht viel. Von vor sich, und Sie wissen: In diesem Kabinett wird kein 1,5 Millionen Wohnungen sind Sie 635 000 Wohnungen CSU-Minister entlassen. Das haben Sie ja festgestellt. entfernt. Und deshalb zählen Sie jetzt keine gebauten Man kann nicht nur Unsinn machen, man kann auch Wohnungen auf, sondern genehmigte, und sagen: Das mutig sein. sind „angestoßene“ Wohnungen.- Ach, wunderbar: Die (Beifall bei der FDP) Digitalisierung in den Schulen haben Sie angestoßen, den Breitbrandausbau haben Sie angestoßen. Anstoßen Und deshalb sage ich für meine Kinder und für Ihr Enkel- alleine reicht nicht. Umgesetzt haben wollen das die Leu- kind – es ist doch auf dem Weg –: Finden Sie Ihre Tugen- te in diesem Land. den wieder – Sparsamkeit, Redlichkeit und gesunden Menschenverstand! (Beifall bei der FDP) Haben Sie sich mal den Wärmemonitor 2019 ange- Ich danke Ihnen. guckt? Der rechnet nämlich witterungsbereinigt den (Lebhafter Beifall bei der FDP) (B) CO2-Ausstoß aus. Warum witterungsbereinigt? Wir hat- (D) ten zehn warme Winter hintereinander, was wir oft beim Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: Thema Klima hier im Bundestag diskutieren. Er stellt Jetzt erhält das Wort der Kollege Dr. Jens fest: 2,6 Prozent weniger CO bei Gebäuden in den letz- 2 Zimmermann, SPD. ten zehn Jahren. Sie haben uns geantwortet, was wir für energetische Sanierung in den letzten zehn Jahren in (Beifall bei der SPD) Deutschland ausgegeben haben: 500 Milliarden Euro, eine halbe Billion Euro ausgegeben in zehn Jahren; Ein- Dr. Jens Zimmermann (SPD): sparung 2,6 Prozent CO2. Viel hilft eben nicht viel. Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Warum (Beifall bei der FDP) haben wir nicht genügend FFP2- und FFP3-Masken? Warum haben wir nicht ausreichend Medikamente? Das Hätten Sie Thermen erneuert, Umwälzpumpen sind Fragen, mit denen wir alle in den letzten Monaten erneuert! Sie hätten jedes Jahr 600 000 neugebaute Heiz- konfrontiert worden sind und zum Teil noch werden. ungen zu 5 000 Euro verschenken können. Das wäre billiger geworden; das wären 3 Milliarden Euro. In Wenn wir vielleicht in den Januar oder ins letzte Jahr 18 Jahren alle Heizungen in Deutschland zu tauschen, zurückdenken, dann wären Antworten auf die Frage, kostete 54 Milliarden Euro insgesamt. Das wären gerade warum wir nicht Produktionskapazitäten für diese Cent- einmal 10,8 Prozent der 500 Milliarden Euro gewesen. Artikel haben, vielleicht gewesen: Das ist unwirtschaft- Das wäre effektiv. Ihre Aufgabe ist nicht, Geld auszu- lich. Wir sind eine Exportnation. Wir müssen jeden geben, Ihre Aufgabe ist, Geld sinnvoll auszugeben. Anschein von Protektionismus vermeiden. – Vielleicht hätte auch jemand gesagt: Wie wahrscheinlich wird es (Beifall bei der FDP) denn sein, dass nächsten Monat eine globale Pandemie Aber vielleicht stört Sie das alles so herzlich wenig, ausbricht, es bei Lieferungen Engpässe gibt, sich weil Sie in einem Jahr zurück in Ihr Eigentum fahren. Geheimdienste an Flughäfen um Lieferungen von Eigentum: Da war doch was? Grunderwerbsteuerfrei- Schutzausrüstung kloppen? Da hätte man vermutlich betrag, habe ich mal gehört, Eigentümer anfachen. Da gefragt: Also, wie wahrscheinlich wird das wohl sein? sitzt die Koalition, die Sie anstreben. Die wollen Einfami- Und genauso, habe ich den Eindruck, reden manche lienhäuser verbieten, und den Grunderwerbsteuerfrei- darüber, wenn wir über Themen im digitalen Raum spre- betrag kriegen Sie nicht gebacken. Eine unheilige Koali- chen, wenn wir zum Beispiel über die Frage sprechen: tion, die sich da für dieses Land androht. Wie halten wir es in Zukunft eigentlich mit unseren (Beifall bei der FDP – Bernhard Daldrup Mobilfunknetzen? Ich freue mich und wir als SPD-Bun- [SPD]: Macht es doch in NRW!) destagsfraktion freuen uns, dass wir offensichtlich auch Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Oktober 2020 22643

Dr. Jens Zimmermann (A) mit Beteiligung des Bundesinnenministers beim Thema Deswegen sagen wir als SPD an dieser Stelle ganz klar: (C) „5 G und Sicherheit“ jetzt zu einer Lösung kommen wer- Wir brauchen einen starken Staat, um die Menschen in den. Das ist wichtig, weil – ich habe es eben gesagt – uns unserem Land vor Pandemien, aber auch vor Gefahren im die Leute fragen: Wie kann es sein, dass Masken in einem digitalen Raum zu schützen. Dafür werden wir kämpfen. Land wie Deutschland nicht verfügbar sind? Und wir sagen: Wir möchten nicht in einigen Jahren hier an dieser Herzlichen Dank. Stelle stehen und darüber diskutieren, wie es denn sein (Beifall bei der SPD – Christian Dürr [FDP]: konnte, dass eine fremde Macht bei uns die Lichter aus- Das war sehr weise!) macht. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: Jetzt hat das Wort der Kollege Klaus-Dieter Gröhler, Deswegen ist es wichtig, dass das Innenministerium CDU/CSU. und die Bundesregierung den Schutz der Bevölkerung auch im digitalen Raum sehr ernst nehmen. Wir haben (Beifall bei der CDU/CSU) ja gerade zum Thema „Mobilfunk und 5-G-Ausbau“ im Konjunkturprogramm einiges an Mitteln zur Verfügung gestellt. Ich nenne nur mal die 2 Milliarden Euro für das Klaus-Dieter Gröhler (CDU/CSU): Thema OpenRAN. Das ist wichtig, und das ist richtig. Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her- Mit Blick auf den digitalen Raum gibt es natürlich eine ren! Ich habe in den letzten 90 Minuten den Kollegen der ganze Reihe von Gesetzesvorhaben, über die wir disku- Opposition sehr intensiv zugehört. tieren. Und da müssen wir schon genau hinschauen. Vor- (Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/ hin kam das hier so rüber: Wir müssen einfach nur die DIE GRÜNEN – Christian Dürr [FDP]: Sehr totale Überwachung ermöglichen, und dann werden gut!) schon alle kriminellen Aktivitäten aufgedeckt werden. Aber substanzielle Vorschläge zur Veränderung des Ein- Das ist irgendwie ein bisschen kurz gefasst, meine ich, zelplans 06 habe ich kaum entnommen. meine Damen und Herren; denn wir haben bei dieser ganzen Sache manchmal glücklicherweise noch ein paar (Dr. Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Schiedsrichterinnen und Schiedsrichter am Spielfeld- NEN]: Doch!) rand. Die nennen sich bei uns Bundesverfassungsgericht. Wir müssen doch mal zur Kenntnis nehmen, dass wir aus Was ich gehört habe, Herr Perli, war Ihre Sonntags- rede. (B) Karlsruhe sehr klare Hinweise bekommen, dass es eben (D) nicht so geht, wie der Kollege Middelberg das vorhin hier (Victor Perli [DIE LINKE]: Heute ist Don- dargestellt hat: Jede Whatsapp-Nachricht wird dem- nerstag!) nächst mitgelesen. Sie hatte mit dem, wo Die Linke Verantwortung trägt, (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten überhaupt nichts zu tun. Sie tragen in Berlin Verantwor- der SPD – Zuruf von der FDP, an die SPD tung. Leider, füge ich hinzu. gewandt: Klatscht doch mal!) (Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: Ja, leider!) Es bringt uns am Ende des Tages ja auch nichts, wenn wir hier ständig Gesetze verabschieden, die dann in Sie scheinen vergessen zu haben, dass unter Ihrer Zustän- Karlsruhe kassiert werden. digkeit im ersten rot-roten Senat unter Klaus Wowereit der damalige Finanzsenator Thilo Sarrazin, (Beifall bei der SPD) (Ulli Nissen [SPD]: Oje!) Deswegen ist es wichtig, dass wir die Instrumente, die wir heute schon haben, effektiv nutzen. Ich nehme einmal damals SPD, Zehntausende landeseigene Wohnungen ein Beispiel aus Hessen. Bei den Problemen, die wir billig verscherbelt hat und den sozialen Wohnungsbau leider zurzeit bei der Polizei in Hessen haben – es hilft in Berlin abgeschafft hat. nicht, sie zu leugnen –, ist es nicht damit getan, dass (Victor Perli [DIE LINKE]: Der Mietendeckel plötzlich die Whatsapp-Nachrichten aller Polizistinnen wirkt! Die Mieten sinken!) und Polizisten mitgelesen werden können. Daran krankt heute noch der Berliner Wohnungsmarkt. (Zuruf von der FDP: Generalverdacht!) Heute stellen Sie den Bausenator in der Stadt. Mehr als Es wäre doch gut, wenn die Ausstattung der Polizei in Ideologie können Sie nicht bieten. Aber in Ideologie, Hessen so wäre, dass man am Ende tatsächlich auch meine Damen und Herren, kann man nicht wohnen. sehen kann, wer Personenstandsabfragen gemacht hat. (Beifall bei der CDU/CSU – Victor Perli [DIE Das funktioniert aber nicht, weil die IT-Ausstattung der LINKE]: Nur in Berlin sinken die Mieten! hessischen Polizei offenbar nicht ausreichend ist. Dank der Linken!) (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ- Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: NEN) Herr Kollege, gestatten sie eine Zwischenfrage? 22644 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Oktober 2020

(A) Klaus-Dieter Gröhler (CDU/CSU): lich heißt. Mit solchen Bemerkungen verharmlost ihr (C) Danke, Herr Präsident, jetzt nicht. – Lassen Sie mich zwei Diktaturen, die in unserem Land leider geherrscht noch hinzufügen – vielleicht hört der Kollege Kühn noch haben. Und mit solchen Bemerkungen, meine Damen zu, weil auch die Grünen in Berlin Verantwortung tra- und Herren, beleidigt man auch die Menschen, die zum gen –: Inzwischen rät die Senatsbauverwaltung Antrag- Beispiel gerade in Minsk für Demokratie und Rechts- stellern ab, Bundesbaufördermittel, zum Beispiel zum staat, für Meinungsfreiheit und Pressefreiheit auf die Städtebauprogramm, in Anspruch zu nehmen, weil Berlin Straße gehen. es nicht einmal mehr schafft, die 10- oder 20-prozentige Kofinanzierung zu stemmen. Das ist Realpolitik in Ber- (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP lin. Vielleicht setzen Sie sich einmal an dieser Stelle mit und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ihren Kollegen in der Landespolitik auseinander. Mich erinnern die Fernsehbilder aus Minsk immer sehr (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- an die Ereignisse vom Herbst 1989 in Leipzig und dann ordneten der FDP) auch hier in Ostberlin. Ich will an dieser Stelle einmal den Menschen in Minsk und in Belarus zurufen: Ich hoffe, ihr Herr Minister, ich glaube, Sie haben hier wirklich habt das Glück und den Erfolg, den unser deutsches Volk einen guten Etatentwurf vorgelegt, einen Etat, der dieses vor 30 Jahren hatte! Wir stehen an eurer Seite! Land sicherer macht. Herzlichen Dank. (Daniel Föst [FDP]: Glauben ist nicht wissen!) Zusätzliche 1 000 Stellen für die Bundespolizei und (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der 17 Prozent mehr Mittel sorgen dafür, dass in Zukunft FDP) mehr Bundespolizei auf den Bahnhöfen und in den Zügen unterwegs ist. Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: (Dr. Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Zu einer Zwischenbemerkung erteile ich das Wort dem NEN]: Dazu müsste man erst einmal einstel- Kollegen Pascal Meiser, Die Linke. len!) Unser Land wird besser geschützt, weil das Bundesamt Pascal Meiser (DIE LINKE): für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe – das Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Gröhler, Sie haben haben Sie leider nicht gesagt, Frau Kollegin Mihalic – die Berliner Wohnungs- und Baupolitik angesprochen, 40 Prozent mehr Mittel im nächsten Jahr bekommt, um haben aber die aktuelle Position der CDU in diesen Fra- bei Krisen und Großschadensereignissen entsprechend gen gar nicht so richtig benannt. Deswegen frage ich Sie – (B) gewappnet zu sein. ich habe das auch Ihren Landesvorsitzenden schon ein- (D) mal gefragt –: Ist Ihnen bekannt, dass gerade die CDU- Unser Land wird in Zukunft auch besser vor digitalen geführten Bezirke in Berlin diejenigen sind, die sich mit Gefahren geschützt, zum Beispiel vor Cyberangriffen, Baugenehmigungen sehr zurückhalten und am Ende der weil das Bundesamt für Sicherheit in der Informations- entsprechenden Listen stehen? technik zusätzlich 100 Stellen bekommt und 35 Prozent mehr Mittel. (Victor Perli [DIE LINKE]: Hört! Hört!) Unser Land wird moderner werden, weil die Menschen Zweitens. Sie kennen vielleicht Ihren Kollegen, Herrn in Zukunft nicht mehr zum Amt rennen müssen und sich Gräff, aus dem Abgeordnetenhaus in Berlin. Ist Ihnen eine Wartenummer ziehen müssen; denn durch die 3 Mil- bekannt, dass er einen Stopp des Baus von Sozialwoh- liarden Euro, mit denen das Onlinezugangsgesetz umge- nungen in Berlin gefordert hat? Wie erklären Sie das, setzt wird, schaffen wir endlich Bürokratie ab. wenn wir bezahlbaren Wohnraum in Berlin brauchen? Ich könnte diese Liste jetzt lange, lange fortsetzen, Drittens. Ist es richtig, dass gerade die Berliner CDU – vielleicht sogar über Stunden gute Nachrichten produzie- Herr Luczak, aber auch andere – sich maßgeblich dafür ren. Das wird der Präsident sicherlich verhindern. Des- eingesetzt hat, dass das Umwandlungsverbot aus der halb möchte ich mich zum Ende meiner Rede von den Baugesetznovelle jetzt rausgenommen wird? Und wenn Zahlen lösen. Das Innenministerium ist ja nicht nur für ja: Wie erklären Sie dann den Berliner Mieterinnen und Sicherheit, Bauen und Sport zuständig, sondern auch für Mietern, dass immer mehr Leute davon bedroht sind, dass Heimat, politische Bildung und die Verfassung. Manch- ihre Mietwohnung in eine Eigentumswohnung umge- mal ist es ganz gut, auch in einer Haushaltsdebatte darü- wandelt wird, und sie danach Angst haben müssen, die ber nachzudenken, woher man kommt und wohin man Miete nicht mehr bezahlen zu können und verdrängt zu will und was unser Land auszeichnet und zusammenhält. werden? Von den Mieterinnen und Mietern, die in umge- Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, liebe Kolleginnen wandelten Wohnungen wohnen, ist weniger als 1 Prozent und Kollegen, aber in den letzten Wochen bekommen wir in der Lage, diese Wohnung zu kaufen. Das zeigen die sehr, sehr viel Post. Viele Bürger schreiben: Ihr schafft Zahlen. die Demokratie ab, ihr setzt die Grundrechte außer Kraft, Wenn Sie hier sagen, Sie machen Politik für die Mie- ihr führt eine Diktatur ein. – Ich will jedem zugestehen, terinnen und Mieter, dann belügen Sie die Menschen. dass er über die aktuellen Maßnahmen zur Bekämpfung Hierzu würde ich gerne eine klare Aussage von Ihnen der Pandemie kritisch nachdenkt. Aber all denen, die das hören. schreiben, möchte ich entgegenhalten: Denkt einmal bei einer solchen Wortwahl darüber nach, was Diktatur wirk- (Beifall bei der LINKEN) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Oktober 2020 22645

(A) Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: Christine Lambrecht, Bundesministerin der Justiz (C) Herr Kollege Gröhler, wenn Sie mögen, haben Sie jetzt und für Verbraucherschutz: das Wort. Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Her- ren! Mit einem Volumen von 952 Millionen Euro ist der Haushalt für Justiz und Verbraucherschutz verhältnismä- Klaus-Dieter Gröhler (CDU/CSU): ßig klein. Auf ihn entfallen nicht einmal 0,25 Prozent des Sehr gern, Herr Präsident. – Lieber Herr Kollege, ich gesamten Bundeshaushalts. Doch diese Zahlen dürfen war ja selbst einmal Baustadtrat in Berlin. Ich kann mich nicht darüber hinwegtäuschen, mit welch wichtigen, rele- gut daran erinnern, wie unter der Zuständigkeit auch Ihrer vanten Fragen wir uns mit diesen bescheidenen Mitteln Partei den Bauordnungsämtern nach und nach die Stellen dennoch beschäftigen und auch die Lösungen dafür bie- immer mehr weggenommen worden sind. Daran krankt ten. heute noch die Berliner Verwaltung. Wenn Sie jetzt Die Fragen liegen auf der Hand: Wie schützen wir sagen, es seien CDU-regierte Bezirke, dann müssen Sie unsere Demokratie vor Vergiftung und Hass? Wie sorgen bitte zur Wahrheit aber auch hinzufügen, dass diese wir dafür, dass unsere Kinder in Sicherheit aufwachsen? CDU-regierten Bezirke hinsichtlich der Personalzuwei- sung immer noch am Tropf der Senatsfinanzverwaltung ( [AfD]: Lösen Sie die SPD auf! hängen. In Berlin sind die Bezirke leider nicht frei, ihr Das wäre ein guter erster Schritt!) Personal einzustellen. Punkt eins. Wie verwirklichen wir die Gleichstellung von Frauen und Männern? Wie erreichen wir es, dass die ehrlichen Kauf- (Victor Perli [DIE LINKE]: Die anderen kön- leute nicht die Dummen sind? Und wie stellen wir sicher, nen es besser!) dass niemand wegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten aus der Gesellschaft ausgeschlossen wird? Das sind nur Punkt zwei ist das Märchen zum Thema „Umwand- einige der drängenden Fragen, mit denen mein Ressort lung in Eigentumswohnungen“, das Sie hier immer befasst ist. Ich werde Ihnen zeigen: Das Haushaltsgeld, erzählen. Sie vermitteln ja den Eindruck, dass jeder Mie- diese 952 Millionen Euro im Geschäftsbereich sind gut ter, der in einer Wohnung wohnt, die umgewandelt wird, angelegt. Denn wir verfolgen eine zeitgemäße Rechts- automatisch anschließend auf der Straße sitzt. Das ist politik, meine Damen und Herren. doch falsch. Sie kennen den jahrelangen Schutz vor Eigennutzung. Das Eigentum einer Wohnung bedeutet Was tun wir konkret? Wir haben den Kampf gegen ja nicht, dass der Mietvertrag aufgehoben wird. Kauf Hass im Netz aufgenommen. Der freie Meinungsaus- bricht immer noch nicht Miete in diesem Land. Also tausch ist ein Lebensprinzip unserer Demokratie. Doch diese freie Meinungsäußerung, dieser Austausch wird (B) streuen Sie hier den Menschen doch bitte nicht Sand in (D) die Augen und verbreiten Ängste, die Sie zwar ideolo- bedroht, bedroht von hemmungslosen Beschimpfungen gisch nutzen wollen, die aber mit der Realität relativ in den sozialen Netzwerken, bedroht von verbaler wenig zu tun haben. Gewalt, mit der Menschen mundtot gemacht werden sol- len, (Beifall bei der CDU/CSU – Victor Perli [DIE (Fabian Jacobi [AfD]: Schauen Sie sich mal LINKE]: Lobbyismus ist das, was Sie machen! Ihre Partei an! Da finden Sie genau das!) Immobilienlobbyist!) und bedroht von Worten des Hasses, die im schlimmsten Fall zu Taten werden. Gegen solche verbale Gewalt Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: gehen wir entschlossen vor, meine Damen und Herren. Weitere Wortmeldungen zu diesem Einzelplan liegen (Beifall bei der SPD) mir nicht vor. Wir werden die sozialen Netzwerke stärker in die Wir kommen jetzt zum Geschäftsbereich des Bundes- Pflicht nehmen. Wir verpflichten sie nämlich, in Zukunft ministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz, schwere Hassäußerungen an das Bundeskriminalamt zu Einzelplan 07. melden. Darüber hinaus stellen wir Hassäußerungen kon- sequenter und härter unter Strafe. Wer Beleidigungen Das Wort hat die Bundesjustizministerin Christine öffentlich begeht, wer Kommunalpolitikerinnen und Lambrecht. Kommunalpolitiker verleumdet oder herabwürdigt, wer seine Mitmenschen bedroht oder Straftaten billigt, der (Beifall bei der SPD) wird künftig härter bestraft. (Beifall bei der SPD – Fabian Jacobi [AfD]: – Moment, ich habe Ihnen das Wort ein bisschen früh Erklären Sie das mal den Kollegen bei der erteilt; denn das ist keine gute Situation für Sie. Ich bitte, Staatsanwaltschaft!) erst die notwendigen Platzwechsel oder die für notwen- dig gehaltenen Platzwechsel vorzunehmen. Tut mir leid. – Dieses Haus hat unseren Gesetzentwurf im Juni mit Bitte nehmen Sie die Plätze ein. großer Mehrheit verabschiedet, und auch der Bundesrat hat es gebilligt. Aber wie Sie wissen, ist danach eine Jetzt hat das Wort die Bundesjustizministerin Christine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ergangen, Lambrecht. die Anpassungen erforderlich macht, und diese Anpas- sungen werden wir sehr zügig vornehmen; denn wir (Beifall bei der SPD) sind es den Opfern von Hass und Hetze schuldig. 22646 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Oktober 2020

Bundesministerin Christine Lambrecht (A) (Beifall bei der SPD) Im Koalitionsvertrag haben die Regierungsfraktionen (C) den richtungsweisenden Beschluss gefasst, dieses Vorha- Was tun wir noch, um das Leben der Menschen in ben anzugehen, und ich weiß ja, dass ich den Kollegen unserem Land zu verbessern? Wir müssen unsere Kinder Seehofer da ganz eng an meiner Seite habe. Herr konsequenter schützen, ohne Wenn und Aber. Dabei liegt Seehofer, ich habe einen sehr abgewogenen Vorschlag das ganze Augenmerk auf dem Kampf gegen die sexuali- vorgelegt, der das Kindeswohl in den Blick nimmt, aber sierte Gewalt an Kindern. Diese widerlichen Taten fügen eben nicht, was oftmals befürchtet wird, die Elternrechte Kindern unermessliches Leid zu. Wir werden diese beschneidet. Deswegen kann ich in Richtung des Kol- Gräueltaten deshalb strenger bestrafen – als Verbrechen. legen Seehofer und auch der Kolleginnen und Kollegen Auch den Besitz von Kinderpornografie werden wir von der CDU/CSU nur sagen: Lassen Sie den Worten aus künftig als Verbrechen bestrafen. dem Koalitionsvertrag endlich Taten folgen! Wir sind es (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) unseren Kindern schuldig, dass die Kinderrechte endlich im Grundgesetz verankert werden. Außerdem werden wir besondere Qualitätsanforderun- gen für Familienrichter und Verfahrensbeistände festle- (Beifall bei der SPD) gen und so auch die Präventionsarbeit stärken. Und Meine Damen und Herren, nicht nur beim Schutz von schließlich werden wir den Verfolgungsdruck massiv Kindern ist in unserem Land noch manches zu tun. Auch erhöhen. in Sachen Gleichstellung brauchen wir konkrete Verbes- serungen, und auch das packen wir noch an in dieser (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Legislaturperiode. der CDU/CSU und des Abg. Stephan Thomae [FDP]) (Beifall der Abg. [SPD]) Bereits im Januar haben wir den Verfolgungsbehörden Noch immer sagen viele große Unternehmen: Wir wollen neue Instrumente an die Hand gegeben; ich nenne nur keine Frauen in unserem Vorstand. 70 Prozent haben bei das Stichwort „computergenerierte Bilder“. Damit ist es der Abfrage erklärt: Keine Frauen im Vorstand. den Ermittlern in Zukunft möglich, in Chatrooms, bei- (Fabian Jacobi [AfD]: Und das ist ihr gutes spielsweise im Darknet, solche widerlichen Täter aufzu- Recht!) spüren und damit Kinder vor weiterem Missbrauch zu schützen. Das ist ein ganz wichtiges Ermittlungsinstru- Ich sage Ihnen: Das ist ein Schlag ins Gesicht der vielen ment. hochqualifizierten Frauen in unserem Land, und daran muss sich etwas ändern. (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Dr. Jan- (Beifall bei der SPD) (B) Marco Luczak [CDU/CSU] und Stephan (D) Thomae [FDP]) Deshalb brauchen wir endlich auch für die Vorstands- ebene von Unternehmen eine verbindliche Quote, wie wir Doch dabei werden wir es nicht belassen. Die Mög- sie für Aufsichtsräte schon seit vier Jahren haben. Wir lichkeiten zur Anordnung von Untersuchungshaft für sol- brauchen eine Regelung für große börsennotierte Unter- che Täter werden wir erweitern, und wir werden den nehmen, die vorschreibt: Wenn der Vorstand aus mehr als Ermittlern auch die Möglichkeit an die Hand geben, die drei Personen besteht, muss mindestens eine Frau mit am Vorratsdatenspeicherung zu nutzen, soweit dies mit Tisch sitzen. Ich denke, das ist im Jahr 2020 keineswegs deutschem und europäischem Recht vereinbar ist, meine zu viel verlangt. Damen und Herren. (Beifall bei der SPD – Fabian Jacobi [AfD]: (Beifall bei der SPD) Das ist absurd!) Der Kampf gegen sexualisierte Gewalt gegen Kinder Ich komme zu einem weiteren Thema. Unsere Gesell- duldet keinen Aufschub. Deshalb werden wir auch unse- schaft hat seit Beginn der Coronapandemie viel Solida- ren Gesetzentwurf alsbald in das parlamentarische Ver- rität und Charakter bewiesen. Diesen Geist der Fairness fahren geben. Wir senden damit ein klares Signal: Kein und des Zusammenhalts gilt es zu bewahren. Auch dazu Täter kann sich in diesem Land vor einer Entdeckung leisten wir mit unseren Vorhaben einen Beitrag. Ich sicher fühlen, meine Damen und Herren. erwähne nur das Sanierungs- und Insolvenzrecht. Dazu haben wir einen Vorschlag vorgelegt, der alle Belange in (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) den Fokus rückt. Außerdem verkürzen wir die Dauer der Wenn es um besseren Schutz von Kindern geht – auch Restschuldbefreiung für überschuldete Verbraucher und das will ich an dieser Stelle klar sagen –, darf man sich Unternehmer. Denn jeder und jede hat eine zweite Chan- freilich nicht auf den Kampf gegen sexuelle Gewalt ce verdient, wenn er oder sie einmal in wirtschaftliche beschränken. Die Belange der Kinder müssen umfassen- Schwierigkeiten gekommen ist, meine Damen und Her- de Berücksichtigung finden. Deshalb reformieren wir das ren. Kindschaftsrecht. Deshalb passen wir das Familienrecht (Beifall bei der SPD) an die neuen Lebensbedingungen, Lebensrealitäten an und sichern Kinder besser ab. Deshalb müssen auch Kin- Wir haben die Mietpreisbremse stärker angezogen und derrechte endlich in das Grundgesetz aufgenommen wer- die Belastung durch Maklergebühren gesenkt, damit sich den, meine Damen und Herren. alle Menschen eine Wohnung, ein Zuhause leisten kön- nen. Ich will an dieser Stelle ganz deutlich sagen, weil das (Beifall bei der SPD) vorher schon ausführlich Thema war: Das Umwand- Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Oktober 2020 22647

Bundesministerin Christine Lambrecht (A) lungsverbot bzw. das Anheben von Hürden, dass man Martin Hohmann (AfD): (C) eben nicht einfach so Mietwohnungen in Eigentumswoh- Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Frau Ministe- nungen umwandeln kann, wie man das möchte, das haben rin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Justizministe- wir miteinander vereinbart. rium ist für die Prüfung und den rechtmäßigen Vollzug von Gesetzen zuständig. Insofern obliegt ihm ein Wäch- (Beifall der Abg. Mechthild Rawert [SPD]) teramt. Auch gehen nicht wenige Gesetzesinitiativen vom Justizministerium aus. Wir haben eben aus dem Deswegen ist dieser Entwurf, wie er auf dem Tisch liegt, Mund der Ministerin einige Ankündigungen in dieser keineswegs ressortabgestimmt. Ich kann Ihnen sagen, Richtung gehört. Auch meine Ausführungen gehen in Herr Seehofer: Da ist das letzte Wort noch nicht gespro- diese Richtung. chen. Bei dieser Umwandlung werden wir sehr wohl darauf drängen, dass das, was vereinbart wurde, auch In der Coronakrise haben sich unerwartet hochbrisante umgesetzt wird. Fragen der Abwägung neu gestellt. Was ist das einzelne Leben wert? Es wurde entschieden, dass die potenzielle (Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie Gefährdung eines Lebens jeden volkswirtschaftlichen bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE Schaden aufwiegt. Diese Beurteilung lässt eine andere GRÜNEN) Frage, die in der alltäglichen Praxis und im Gesetzes- vollzug längst entschieden ist, in einem neuen Licht Meine Damen und Herren, wir haben ein Gesetz für erscheinen. Ich meine die Frage des § 218 Strafgesetz- faire Verbraucherverträge vorgelegt, gegen telefonische buch. Es wird Sie überraschen, dass ich ähnlich wie die Überrumpelung und Knebelverträge etwa mit Mobil- Kräfte des linken Spektrums für eine Abschaffung dieser funkanbietern oder Fitnessstudios; denn in einer Gesell- Vorschrift plädieren möchte, aber von einer anderen Per- schaft, die solidarisch ist und zusammenhält, zieht man spektive her. sich nicht einfach so über den Tisch. Außerdem machen wir Schluss mit überhöhten Inkassogebühren, gefälschten Ich habe die Wunschvorstellung, den Traum, dass nach Produktbewertungen und mit Abmahnmissbrauch. einem Prozess des Umdenkens und der Umerkennung sich ein neues Selbstverständnis einstellt, das den § 218 (Beifall bei der SPD) überflüssig macht. Dieses Verständnis ist davon geprägt, in erster Linie die Chancen zu sehen, die in jedem jungen Und: Wir sorgen dafür, dass die Geldwäsche effektiv Leben angelegt sind. bekämpft wird. (Beifall bei der AfD) Wenn wir von Wirtschaftskriminalität sprechen, dann Im Johannesevangelium heißt es: „ ... ich bin gekommen, (B) kommen wir nicht umhin, auch das Thema Unterneh- (D) menssanktionen anzusprechen. Das ist ein ganz wichtiges damit sie das Leben haben und es in Fülle haben“. Von Thema, das im Koalitionsvertrag ausbuchstabiert wurde dieser Fülle darf man sich einen neuen Wolfgang Ama- wie kaum ein anderes Thema; es wurde en détail klar deus Mozart oder eine neue Mutter Teresa erwarten. Die- geregelt. Ich habe daraus einen Gesetzentwurf entwi- se Fülle beinhaltet auch eine optimistische Zukunftssicht. ckelt; er liegt auf dem Tisch. Ich kann nur sagen – auch Ja, es liegt an uns. Ja, wir können eine Wende herbei- da wieder an die Kolleginnen und Kollegen von der führen. Dabei kann die Überlegung helfen, dass wir das, Union und auch an die Kollegin aus dem Kabinett –: was wir geschenkt bekommen haben, was wir in vollen Pacta sunt servanda. Wir haben uns darauf verständigt, Zügen genießen, das Leben, Menschen im Frühstadium ich habe vorgelegt, und jetzt müssen wir das auch nicht vorenthalten dürfen. beschließen. Der Ehrliche darf nicht der Dumme sein. (Beifall bei der AfD) Wer sich an Recht und Gesetz als Unternehmer hält, darf keinen Wettbewerbsnachteil denen gegenüber Es ist eine Frage der Gerechtigkeit. Jedem Leben steht haben, die tricksen, täuschen und betrügen. von Anfang an die gleiche Chance zu. Dazu ist nötig, im Elternhaus, in den Schulen und im gesamten öffentlichen (Beifall bei der SPD – Fabian Jacobi [AfD]: Leben die Empathie für das Leben in den Mittelpunkt zu Das gilt auch im politischen Wettbewerb!) stellen. Als Volk sind wir auch aufgefordert, unsere Pro- bleme aus eigener Kraft zu lösen und nicht durch Abwer- Meine Damen und Herren, eine zeitgemäße Rechts- ben von Menschen aus anderen Ländern oder Kontinen- politik, die Fairness und Solidarität fördert, die klare ten. Grenzen zieht, wo es notwendig ist, dafür steht mein Haus, dafür stehe ich. (Beifall bei der AfD – Mechthild Rawert [SPD]: Reden Sie über den Fachkräfteman- Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. gel?) (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Denken Sie nächste Woche daran: nachhaltige Politik der CDU/CSU) eben. Wenn wir auf diese Weise den Wert des ungebore- nen Lebens neu entdecken und stärker als bisher staat- liche Ressourcen für diese Zukunftsaufgabe bereitstellen, Vizepräsident : dann ist Optimismus angebracht. Vielen Dank. – Nächster Redner ist für die Fraktion der AfD der Kollege Martin Hohmann. Meine Damen und Herren, ich lehne es prinzipiell ab, die eigene Familie, das persönliche Umfeld in die Politik, (Beifall bei der AfD) die politische Arbeit hineinzuziehen. Heute möchte ich 22648 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Oktober 2020

Martin Hohmann (A) mit folgender abschließender Schilderung eine Ausnah- auch die Grundlage dafür, dass der Staat Akzeptanz (C) me machen: Ich saß vor rund einem Jahr am frühen gewinnen kann und damit wir so leben können, wie wir Abend zu Hause am Küchentisch und las. Ich höre, wie es tun. sich kleine Schritte von außen der Küchentür nähern. Wenn man fragt: „Was sind dafür die Grund- Langsam wird der Türgriff heruntergedrückt. Meine voraussetzungen?“, dann ist die allererste und wichtigste dreijährige Enkelin – sie wohnt mit ihrer Familie eine Antwort: das Gewaltmonopol und daraus fließend auch Etage höher – kommt herein. Ich wende mich ihr zu. der Gewaltverzicht des Einzelnen, eine funktionierende, Sie kommt heran. Sie steht vor mir, wir sehen uns an. eine ausgebaute Rechtsordnung, die Regeln und Leit- Sie legt ihre Hände und ihr Köpfchen auf meine Knie. planken für ein gutes Leben setzt, und ein funktionieren- Ich streichle über ihre Haare. des Gerichtswesen. Damit wird zentral beschrieben, dass ( [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: das, worüber wir in diesem Einzelplan sprechen, konsti- Jetzt ist aber gut!) tutiv ist für die Art, für die Qualität, wie wir in unserem Land leben. Deswegen ist es nicht hoch genug einzu- Wir blicken uns erneut an. Sie geht zur Tür, verlässt den schätzen. Wenn das Gewaltmonopol dabei im Mittel- Raum und schließt die Tür. Während dieser kurzen Szene punkt steht, dann ist es umso wichtiger und richtiger, fiel kein Wort. dass der Staat nirgendwo eine Leerstelle lässt, dass nir- (Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: gendwo dieses Gewaltmonopol ausgehöhlt werden kann. Peinlich! Peinlich ist so etwas!) Ich glaube, dass die Menschen keine übertriebenen Liebe Kolleginnen und Kollegen, diese Begegnung Erwartungen haben. Sie haben nicht die Erwartung, erfüllt mich bis heute mit tiefer, kreatürlicher Dankbar- dass eine bestens ausgebildete Polizei, eine gut ausge- keit. stattete Justiz Verbrechen vollständig verhindern kann, aber es gibt die klare und berechtigte Erwartung, dass (Ulli Nissen [SPD]: Was sagt Ihre Enkelin, wir alles dafür tun, dass wir in möglichst großer Sicher- wenn sie Ihre Rede liest?) heit in unserem Land leben können. Ich will das an drei Beispielen dokumentieren. Das erste ist die Frage, wie Ich wünsche Ihnen allen ähnlich glückhafte, gesegnete wir unsere Kinder schützen. Frau Ministerin, Sie sind Momente. Ich möchte eine entsprechende Initiative der auf den Gesetzentwurf zur Bekämpfung sexualisierter Neubesinnung anregen. Gewalt gegen Kinder und Kinderpornografie eingegan- Danke. gen, den Sie zu Beginn dieses Sommers vorgelegt haben. Ich habe es an dieser Stelle schon einmal gesagt, dass das (Beifall bei der AfD) (B) natürlich auch ein Prüfstein dafür ist, wie eine zivilisierte (D) Gesellschaft es schafft, mit den Schwächsten, nämlich Vizepräsident Thomas Oppermann: den Kindern, angemessen umzugehen und hinreichenden Vielen Dank. – Nächster Redner ist für die Fraktion der Schutz zu gewährleisten. Ich will es offen sagen: Das, CDU/CSU der Kollege Thorsten Frei. was Sie vorgelegt haben, ist ein Quantensprung nach vor- ne. Wir haben das oft erlebt – egal ob das Staufen, ob das (Beifall bei der CDU/CSU) Lügde oder ob das Bergisch-Gladbach war –: Es gab immer Empörung und Entrüstung hier im Haus und auch in der öffentlichen Debatte, aber wir haben nur Thorsten Frei (CDU/CSU): Trippelschritte nach vorne gemacht. Das ist jetzt erstmals Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und anders. Kollegen! Die Frau Ministerin hat es gesagt: Wenn wir über den Justizhaushalt sprechen, dann steht im Grunde Es ist zu Recht gesagt worden, dass eine Anpassung genommen nicht das Geld im Mittelpunkt, weil es der mit des Strafrahmens nicht nur etwas mit einer generalprä- Abstand kleinste Etat ist, über den wir in dieser Haus- ventiven Wirkung zu tun hat, sondern selbstverständlich haltswoche sprechen. Aber es geht um etwas ganz Ent- auch zusätzliche Ermittlungsmöglichkeiten schafft, scheidendes: Es geht um Gesetze und die Art und Weise, etwas über die Verjährungsdauer aussagt und vieles ande- wie wir in unserem Land leben, wie wir Freiheit und re mehr. Sicherheit gewährleisten und wie wir dafür die richtigen Ich möchte einfach darum bitten, dass wir uns auch im Rahmenbedingungen setzen. weiteren Gesetzgebungsprozess sehr genau anschauen: Es war der frühere Bundespräsident und Präsident des An welchen Punkten können wir im Zweifel noch mehr Bundesverfassungsgerichts, Roman Herzog, der einmal tun? Da sind wir in einem guten Gespräch, von einer formuliert hat, dass die drei wesentlichen Aufgaben des gemeinsamen Zielsetzung in der Koalition geleitet. Das modernen Verfassungsstaates, wie er sich im 19. Jahrhun- schauen wir uns ganz genau an. Und da gibt es durchaus dert herausgebildet hat, zum Ersten die äußere Sicherheit, Punkte, mit denen wir nicht zufrieden sind. also die Landesverteidigung ist, zum Zweiten die innere Wenn beispielsweise jemand unter Bewährung steht Sicherheit, der Frieden in der Gesellschaft, und zum Drit- und in dieser Bewährungszeit neue, einschlägige Straf- ten die Gesellschaftsgestaltung ist, all das, was wir mit taten begeht, dann kann das nicht zu einer neuerlichen sozialer Sicherung und Daseinsvorsorge umschreiben Bewährung führen, sondern dann muss die Freiheitsstrafe können. Damit wird vollkommen klar, dass die Aufgabe unmittelbar folgen. Das ist zwingend. der Sicherung des inneren Friedens einer Gesellschaft zentral ist. Er ist Legitimationsbasis für den Staat. Er ist (Beifall bei der CDU/CSU) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Oktober 2020 22649

Thorsten Frei (A) Wir brauchen Instrumente wie die elektronische Fuß- schaffen, Geldströme zu unterbrechen und zu unterbin- (C) fessel, die helfen kann, Täter engmaschig zu überwachen den. Deswegen ist es richtig, sich beispielsweise auch mit und damit für Sicherheit zu sorgen. dem Thema der Geldwäsche intensiv auseinanderzuset- Wir müssen dafür sorgen, dass diejenigen, die sich zen, sich auch anzuschauen, was wir da ändern müssen, wegen Kindesmissbrauchs oder Kinderpornografie straf- um zukünftig effektiver zu werden. Aber vor allen Din- bar gemacht haben, zukünftig von Kindern ferngehalten gen darf das natürlich im Ergebnis nicht dazu führen, dass werden. Schauen wir uns die aktuelle Rechtslage an: So wir letztlich neue Lücken schaffen. Deswegen darf der eine einschlägige Bestrafung wird teils bereits nach drei Fahrlässigkeitstatbestand nicht aus einem solchen Ge- Jahren aus dem erweiterten Führungszeugnis gestrichen. setzentwurf herausgenommen werden; denn er ist heute Das ist mit nichts, aber auch mit gar nichts zu rechtfer- vielfach Grundlage der Verurteilungen. Das muss auch tigen. Es ist richtig, dass wir uns so etwas vornehmen und zukünftig möglich sein. Wir wollen keine Verschlechte- gewährleisten, dass so jemand dauerhaft nicht mehr in die rung, sondern eine Effektivitätssteigerung, weil das der Nähe von Kindern kommen kann und Kinder damit Schlüssel bei der Bekämpfung der organisierten Krimina- geschützt werden. lität ist. (Beifall bei der CDU/CSU) Herzlichen Dank. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist ein gutes Bei- (Beifall bei der CDU/CSU) spiel, um deutlich zu machen, dass wir den Klärungs-, den Gestaltungs-, den Gewaltmonopolanspruch des Staa- Vizepräsident Thomas Oppermann: tes durchsetzen möchten. Vielen Dank. – Nächste Rednerin ist für die Fraktion Ich will ein weiteres Beispiel benennen, das zeigt, dass der FDP die Kollegin Ulla Ihnen. wir mit der technischen Entwicklung Schritt halten müs- (Beifall bei der FDP) sen. Das ist der ganze Bereich Cybercrime. Für uns geht es dabei um die Entsprechung im Digitalstrafrecht. Die Ulla Ihnen (FDP): wesentlichen Vorschriften stammen aus dem Jahr 2006. Herr Präsident! Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen Im Jahr 2006 haben wir 3 G als schnelles Internet und Kollegen! Im Mittelpunkt jeder Politik steht der bezeichnet, Facebook war zwei Jahre alt, und Twitter Mensch, hat vor Kurzem gesagt, und und das iPhone wurden gerade entwickelt. Wir brauchen das gilt ganz besonders für das Justizressort. eine Anpassung in diesem Bereich. Wenn wir uns die einschlägigen Vorschriften anschauen, egal ob das das (Beifall bei der FDP – Dr. Manuela Rottmann Ausspähen von Daten, die Datenhehlerei, die Sabotage, [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ein Philo- (B) die Manipulation, das Hacking oder was auch immer ist, soph!) (D) wird klar: Wir behandeln das als Bagatelldelikt, und das Aber wir reden heute nicht über Rechtspolitik, sondern ist nicht mehr angemessen. über den Haushalt des Justizressorts. Wir sollten uns das ganz genau anschauen: Wo müssen Auch wenn der Justizetat einer der kleinsten Etats im wir Strafrahmen anpassen? Wo müssen wir Strafbar- Bundeshaushalt ist, so ist die Justiz doch ein fundamenta- keitslücken schließen? Ich denke etwa an den digitalen ler Faktor unserer Demokratie. 952 Millionen Euro sind Hausfriedensbruch als Auffangtatbestand. Und wir müs- für Justiz und Verbraucherschutz in 2021 vorgesehen. sen schauen, wo wir Ermittlungsbefugnisse brauchen, Das entspricht ungefähr 0,2 Prozent des gesamten Bun- wo wir die notwendigen Voraussetzungen dafür schaf- deshaushaltes. Aber obwohl es ein kleiner Etat ist, ist die fen müssen, und zwar sowohl im repressiven wie im Stellung dieses Ressorts im Grundgesetz von der Verfas- präventiven Bereich, dass Ermittlungsbehörden, aber sung garantiert und so hervorgehoben. Eine Besonder- auch Strafverfolgungsbehörden und Sicherheitsbehörden heit: Der Etat deckt sich zu mehr als 60 Prozent selbst Schritt halten können, dass die Befugnisse, die sie in der durch Einnahmen des Patentamtes und des Bundesamtes analogen Welt haben, in die digitale Welt übertragen wer- für Justiz. Mit diesem Etat muss auf Bundesebene sicher- den können. Das halte ich für ganz entscheidend. gestellt sein, dass unser Rechtsstaat gut funktioniert und Ich will noch einen Punkt ansprechen, den Kampf gute Rechtspolitik gemacht wird. gegen die organisierte Kriminalität. Wir haben hier schon Allerdings, Frau Ministerin, weist Ihr Ressort doch öfter über das Thema der Clankriminalität gesprochen, erhebliche Defizite beim Mittelabfluss auf. Auch wenn darüber, dass es Bestrebungen gibt, eine Paralleljustiz die Justiz ganz überwiegend gut funktioniert, so gibt es über Friedensrichter zu etablieren und anderes mehr. Da doch Verbesserungsbedarf. Nicht umsonst hat EU-Kom- muss es das klare Ausrufezeichen des Staates geben, dass missarin Vera Jourova gerade Kritik auch an Deutschland wir so etwas nicht akzeptieren. Hier gelten unsere Rechte, geübt. In ihrem EU-Rechtsstaatsbericht weist sie darauf unsere Gesetze, und die setzen wir auch durch! hin, dass zum Beispiel Gerichtsverfahren hierzulande (Beifall bei der CDU/CSU – Fabian Jacobi viel zu lange dauern. [AfD]: Das ist ja eine ganz neue Entdeckung! (Beifall bei der FDP) 2020! Innovativ!) Dieser Befund schließt sich nahtlos an die Kritik des Das gilt im Bereich der organisierten Kriminalität ins- Bundesrechnungshofes an. Dieser konstatiert, dass über gesamt, weil wir ganz genau wissen, dass organisierte 10 Prozent aller Stellen in Ihrem Ressort nicht besetzt Kriminalität letztlich nicht nur mit den klassischen straf- sind. Es ist aber Ihre Aufgabe, Frau Ministerin, das Ver- rechtlichen Normen zu bekämpfen ist. Wir müssen es fassungsministerium gerade in diesen Zeiten schlagkräf- 22650 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Oktober 2020

Ulla Ihnen (A) tig aufzustellen. Wann besetzen Sie die vielen freien Stel- stand über „recht haben“ und „recht bekommen“ ent- (C) len? 611 Stellen waren es insgesamt im Juni dieses Jah- scheidet. Deshalb wollen wir Linke den Rechtsschutz res, die nicht besetzt waren. Das Ministerium selbst hat in und den Verbraucherschutz stärken. der laufenden Wahlperiode 22,5 Prozent mehr Stellen (Beifall bei der LINKEN) bekommen. Auch für das Jahr 2021 sieht der Haushalts- entwurf neue Stellen vor, obwohl mehr als 140 Stellen in Bislang fließen nur 4 Prozent aus dem ohnehin kleinen Ihrem Haus im Juni dieses Jahres nicht besetzt sind. Da Etat des Justizministeriums in die Verbraucherpolitik. fragen wir uns: Warum beantragen Sie zusätzliche Stel- Das zeigt, wie wenig Union und SPD diesem Politikfeld len, wenn noch so viele unbesetzt sind? An diesem ange- leider beimessen. meldeten Bedarf haben wir Freie Demokraten erhebliche (Mechthild Rawert [SPD]: Das stimmt nicht!) Zweifel. Dabei wäre hier einiges zu tun. Im kommenden Jahr (Beifall bei der FDP) werden schätzungsweise 100 000 Menschen infolge der Vielleicht hat damit zu tun, Frau Ministerin, dass Pandemie von Privatinsolvenz betroffen sein. Es braucht bisher kein neuer Entwurf zu dem Übereinkommen deshalb nicht nur eine schnellere Entschuldung, sondern über ein Einheitliches Patentgericht vorgelegt wurde. endlich genügend Mittel für eine gute Schuldnerbera- Schon Anfang dieses Jahres hat das Bundesverfassungs- tung. gericht ja nur festgestellt: Es war nicht die notwendige (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- Mehrheit da. – Sie hätten das Gleiche nur wieder ein- neten der FDP) bringen müssen. Das kann doch nicht so lange dauern. Das ist auch ein Gebot eines starken Sozialstaats. Eine weitere Priorität, die uns besonders am Herzen Schon vor der Coronapandemie hatten fast 300 000 liegt: Die Digitalisierung der Justiz selbst ist dringend Haushalte pro Jahr mit Stromsperren zu tun. Wir finden, geboten. Wir müssen unseren Rechtsstaat doch fit Strom gehört zu den Dingen, die man unbedingt zum machen für die Zukunft. Leben braucht. Deshalb müssen Stromsperren verboten (Beifall bei der FDP) werden. Darauf weisen wir als Freie Demokraten schon lange hin. (Beifall bei der LINKEN) Wir werden im Haushaltsverfahren darauf achten, dass Die Coronakrise ist auch für den demokratischen die Digitalisierung Priorität bekommt. Rechtsstaat eine besondere Herausforderung. Staat und Gesellschaft müssen die Pandemie bekämpfen und Zum Schluss möchte ich gern auch etwas loben. Das gleichzeitig die Verhältnismäßigkeit der Mittel wahren. „Forum Recht“ findet sich mit mehr Mitteln im neuen (B) Es hat in dieser Krise unverhältnismäßige Einschränkun- (D) Haushalt wieder. Das ist ein zutiefst sinnvolles Projekt. gen von Grundrechten gegeben. Aber es waren häufig Es ist uns Freien Demokraten ein Anliegen, dass das Gerichte, die falsche und fehlerhafte Entscheidungen Recht für die Menschen lebendig dargestellt wird. von Bund, Ländern und Kommunen korrigiert haben. (Beifall bei der FDP) Ein Beispiel ist die Versammlungsfreiheit. Auch in diesen Zeiten darf nicht die Frage sein, ob Versammlungen statt- Das Recht und seine Durchsetzung sind doch gerade finden dürfen, sondern, wie sie unter Einhaltung von Voraussetzung für sozialen Frieden in unserem Land. Coronaregeln stattfinden können. Wir finden das auch Frau Ministerin, wir brauchen also noch vielerlei richtig so. Anstrengungen, um unsere Justiz, aber auch den Verbrau- (Beifall bei der LINKEN) cherschutz fit für das 21. Jahrhundert zu machen. Dabei unterstützen wir Sie als Serviceopposition mit unseren Allerdings sind viele Gerichte chronisch überlastet. folgenden Anträgen im Haushaltsverfahren sehr gern. Die Bundesländer fordern jetzt mehr Finanzhilfen vom Bund. Die Vorsitzende der Justizministerkonferenz, die Vielen Dank. Bremer Senatorin Schilling, sagte, der Pakt für den (Beifall bei der FDP) Rechtsstaat sei zwar eine Hilfe, aber „leider nicht viel mehr als der berühmte Tropfen auf den heißen Stein“. Wir finden, recht hat sie. Vizepräsident Thomas Oppermann: Vielen Dank. – Als Nächster spricht der Kollege Victor (Beifall bei der LINKEN) Perli für die Fraktion Die Linke. Der Deutsche Richterbund beklagt, dass die Strafjustiz immer häufiger Tatverdächtige aus der Untersuchungs- (Beifall bei der LINKEN) haft entlassen muss, weil die Verfahren zu lange dauern. Cum/Ex-Kriminelle, die den größten Steuerraub in der Victor Perli (DIE LINKE): Geschichte der Republik verantworten, könnten mit Mil- Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine Damen und liarden an Steuergeld als Beute ungestraft davonkommen, Herren! In einem sozialen Rechtsstaat muss der Schutz weil die Behörden völlig unterbesetzt sind. 15 Staatsan- der Bürgerinnen und Bürger eine größere Rolle spielen wälte, wenige LKA-Beamte und Steuerfahnder und als in diesem Haushaltsentwurf. Es ist ja häufig ein Steuerfahnderinnen haben kaum eine Chance gegen Kampf zwischen David und Goliath: einzelne Menschen eine ganze Armee von 900 Beschuldigten und ihren auf der einen Seite, mächtige Konzerne auf der anderen. Anwälten auf der anderen Seite. Nach sieben Jahren Der Bundestag muss dafür sorgen, dass nicht der Konto- gibt es gerade einmal zwei Bewährungsstrafen, und nur Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Oktober 2020 22651

Victor Perli (A) ein Bruchteil des Geldes ist zurückgeholt worden. Noch Die Maßnahmen zur Eindämmung von Covid-19 grei- (C) immer droht Verjährung. Wir finden, das ist völlig inak- fen tief in unsere Grundrechte ein. Es waren die Gerichte, zeptabel. die es in vielen Eilverfahren, in vielen Hauptsachever- fahren geschafft haben, den Grat zu finden, Eingriffe (Beifall bei der LINKEN) auf das Verhältnismäßige zu beschränken und trotzdem Aber es fehlt nicht einfach Geld. Wir haben einen der Politik in einer unsicheren Lage den notwendigen besseren Vorschlag. Die Justiz muss auch entlastet wer- Spielraum nicht zu eng zu ziehen. Die deutschen Verwal- den. Es ist die Rechtspolitik der Großen Koalition, die tungsgerichte haben diese Aufgabe mit Bravour bewäl- dazu führt, dass die Gerichte mit Bagatelldelikten über- tigt. Sie haben sich – anders als viele Ministerpräsiden- flutet werden, die gar nicht bestraft werden sollten oder ten – nicht von den Umfragen über die Popularität nur als Ordnungswidrigkeit. Jede zwölfte Strafanzeige – einzelner Maßnahmen leiten lassen. Dafür danke ich das sind 425 000 pro Jahr – betrifft das Fahren ohne Fahr- ihnen. Die deutschen Richterinnen und Richter haben schein oder den Konsum von Cannabis. Warum ahndet gezeigt, dass das Gerede von der Hygienediktatur Unsinn man das Busfahren ohne Fahrschein nicht genauso als ist. Ordnungswidrigkeit wie das Parken ohne Parkschein? Warum ist es strafbar, weggeworfene Lebensmittel aus (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Containern zu holen? Wenn sich Gerichte massenweise sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der mit solchen Fragen beschäftigen müssen, bleibt ihnen SPD und der LINKEN) keine Zeit für die wirkliche Kriminalität: für Steuerhint- Die Krise hat aber auch die Schwächen unseres erzieher, für Geldwäscher, für andere Verbrecher. Es ist Rechtsstandortes, des Rechtsstandortes Deutschland, doch so: Nicht Containern oder Joints schaden dem Ver- gnadenlos offengelegt. Selbst an den obersten Bundesge- trauen in den Rechtsstaat, sondern Cum/Ex und Wire- richten kann bei uns von einer Digitalisierung nicht die card. Rede sein. Es sind zig Parteien, zig untere Gerichte, die (Beifall bei der LINKEN) jedes Jahr auf Grundsatzentscheidungen des BGH war- ten. Allein bis die Revisionserwiderung eintrifft, dauert Meine Damen und Herren, Die Linke steht für einen bei uns Monate. Warum? Weil wir die Originalakten mit starken Rechtsstaat und für einen starken Verbraucher- der Post von einer Partei zur anderen verschicken. Wir schutz. Dafür werden wir uns in den kommenden Ver- sind im Jahr 2020. Es reicht nicht mehr, auf die Zustän- handlungen einsetzen. Ich finde, wenn wir darüber spre- digkeit der Länder zu verweisen. chen, dass der Verbraucherschutz gestärkt werden muss, dann müssen wir uns auch eines angucken: Der Bun- Ja, auch viele Richterinnen und Richter hingen an ihren Papierakten. Aber jetzt in der Krise hat sich doch (B) deswirtschaftsminister bekommt jedes Jahr ungefähr (D) 250 Millionen Euro aus Strafen, die das Bundeskartell- eine Tür geöffnet in Richtung Digitalisierung. amt verhängt, weil sich Unternehmen zum Beispiel zu (Mechthild Rawert [SPD]: Sie haben so viel illegalen Preisabsprachen verabreden, die den Konsu- davon, dass sie freiwillig verzichten!) menten Schaden zufügen. Wir finden, dieses Geld muss nicht einfach in den Haushalt kommen, sondern direkt Nur, uns fehlt das Konzept. Uns fehlt der Plan. Uns fehlen dem Verbraucherschutz zur Verfügung gestellt werden, die prozessrechtlichen Regelungen, diese Chance zu nut- damit die Bürgerinnen und Bürger gestärkt werden. zen. Vielen Dank, meine Damen und Herren. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Stephan Thomae [FDP]) (Beifall bei der LINKEN) Haben wir aus Krisen gelernt? Mitnichten. Telekom- Skandal, Lehman-Zertifikate, tausendfacher Dieselbe- Vizepräsident Thomas Oppermann: trug, jetzt Wirecard – wir hatten genug Anlässe, kollekti- Vielen Dank. – Nächste Rednerin ist für die Fraktion ven Rechtsschutz, den Schutz von Hinweisgebern, ein Bündnis 90/Die Grünen die Kollegin Dr. Manuela modernes Insolvenzrecht und ein Unternehmenssank- Rottmann. tionsrecht mit Biss umzusetzen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Deutschland ist die größte Volkswirtschaft in der EU, und Deutschland hinkt in all diesen Themen den anderen Dr. Manuela Rottmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Mitgliedstaaten hinterher. Frühzeitige rechtsempirische NEN): Untersuchungen als Basis für gute Gesetzgebung – ja, Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minis- da wäre das Geld im Justizhaushalt sehr, sehr gut ange- terin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir sind legt. Aber stattdessen bewegen wir uns fast immer im in einer Krise, und Krisen legen Stärken offen, und sie gesetzgeberischen Blindflug. Wir bräuchten dringend legen Schwächen offen. Sie zeigen, wo wir Reformen die Unmet-Legal-Needs-Studie, um die EU-Sammelkla- versäumt haben, und sie zeigen, wo wir aus vergangenen ge umzusetzen. Wir bräuchten sie dringend, um Legal Krisen nicht gelernt haben. Das gilt für unsere Pflege- Tech nicht nur zu beobachten, sondern gestalten zu kön- heime, das gilt für unsere Krankenhäuser, das gilt für nen. Aber sie liegt erst 2023 vor. Wieder gehen Jahre ins unsere Schulen, und das gilt auch für unsere Justiz. Land. (Beifall des Abg. Kai Gehring [BÜNDNIS 90/ (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN DIE GRÜNEN]) sowie bei Abgeordneten der FDP) 22652 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Oktober 2020

Dr. Manuela Rottmann (A) Stattdessen hangelt sich diese Koalition durch Proviso- Das bedeutet, dass wir nach der Krise erheblich mehr (C) rien: Das Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz wird Geld ausgeben müssten, um all die Nachteile auszuglei- nicht verändert, halt befristet. Die Verkürzung der Frist chen, die durch Untätigkeit entstehen würden. Das ist zur Restschuldbefreiung für die Verbraucherinnen und sozialdemokratische mutige und vorausschauende Poli- Verbraucher soll erneut befristet werden. Ich finde das tik. einfach nur noch irre. (Beifall bei der SPD) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Unser Land kann sich glücklich schätzen, dass wir in sowie bei Abgeordneten der LINKEN) dieser Situation unseren sozialdemokratischen Einfluss Wir schleppen einen gigantischen Reformstau im Wirt- geltend machen können, und das wird von der Regie- schaftsrecht mit uns herum, und der besteht jeden Ver- rungskoalition getragen. Danke an unseren Koalitions- gleich mit dem Ende der Ära Kohl. Das sage nicht nur partner für das Vertrauen in unsere soziale Kompetenz! ich – ich kann mich schon selber nicht mehr hören –, sondern das sagen Ihnen auch die Sachverständigen in (Beifall bei der SPD) jeder einzelnen Anhörung. Sie würden es Ihnen wahr- So ist auch unser Konjunktur- und Krisenbewälti- scheinlich auch vorsingen und vortanzen, aber es ist gungspaket ausgestaltet. Der Bund hat sich vorgenom- dem Ochs ins Horn gepetzt. men, in allen Bereichen zu prüfen, inwieweit geplante (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Aufträge und Investitionen jetzt vorgezogen werden kön- nen. Insbesondere Digitalisierungsvorhaben in der Ver- Ich mache dafür nicht Sie verantwortlich, Frau waltung, Sicherheitsprojekte mit hohem deutschen Wert- Lambrecht. Ich halte Sie für eine gute Justizministerin. schöpfungsanteil, die noch in den Jahren 2020 und 2021 Ich mache aber die SPD dafür verantwortlich. Denn die beginnen können, sollen sofort umgesetzt werden. SPD besetzt seit Jahren dieses Ministerium, und sie behandelt es schlecht. Es wird genutzt als Karriere- Warum erwähne ich das alles im Zusammenhang mit sprungbrett nach Straßburg oder ins Auswärtige Amt. dem Einzelplan 07, dem Bundeshaushalt für das Ministe- Es wird genutzt, um Leute aus dem Willy-Brandt-Haus rium der Justiz und für Verbraucherschutz? Ich finde das mit Posten zu versorgen. Aber es wird nicht für das erwähnenswert, weil genau hier bei einem scheinbar klei- genutzt, für das es da ist. nen Haushaltsvolumen mit Gesamtausgaben in Höhe von 952 Millionen Euro gezeigt worden ist, wie zügige Um- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN setzung und Beschaffung funktionieren können. Viel- sowie bei Abgeordneten der FDP) leicht sollten andere Ministerien, die jedes Jahr auf eine Ich mache auch die Union dafür verantwortlich. Denn Erhöhung ihres Etats pochen und dann nicht in der Lage (B) auch nach dem Dieselskandal, auch nach Wirecard sind, einfache Ausrüstungsgegenstände, Bekleidung etc. (D) begreift ein wesentlicher Teil der Union nicht, dass für beispielsweise unsere Soldatinnen und Soldaten zu Marktwirtschaft ohne einen durchsetzungsfähigen beschaffen, auch aus der Krise lernen und in ihren Struk- Rechtsstaat nicht funktioniert. turen Veränderungen vornehmen, damit das Geld, das wir in die Hand nehmen und zur Verfügung stellen, dort zeit- Sie haben einen letzten Haushalt vor sich. Sie haben nah ankommt, wo es gebraucht wird. eine letzte Chance. Wir werden weiter dafür kämpfen, dass es einen Aufbruch in der Rechtspolitik gibt, und (Beifall bei Abgeordneten der SPD) der ist dringend erforderlich. Für das BMJV werden aus dem Konjunkturpaket 29 Mil- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) lionen Euro zugewiesen, 12 Millionen Euro davon 2021. Beispielhaft wurde hier, auch wenn es kritisiert wurde, Vizepräsident Thomas Oppermann: liebe Frau Dr. Rottmann, bereits in Digitalisierung inves- Vielen Dank. – Nächste Rednerin für die Fraktion der tiert. Als einzelnes Beispiel sei hier die Einrichtung eines SPD ist die Kollegin Esther Dilcher. Videostudios genannt, damit im Rahmen der deutschen Ratspräsidentschaft die geplanten Veranstaltungen pro- (Beifall bei der SPD) fessionell digital durchgeführt werden konnten.

Esther Dilcher (SPD): (Beifall bei der SPD) Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bun- Ein großes Lob an das BMJV! Zügig wird hier auch an desministerin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! digitalem Zugang zu einzelnen Gerichten gearbeitet, bei- Meine sehr geehrten Damen und Herren! „Krise ist ein spielsweise bei Akteneinsichtsgesuchen. Das spart Zeit, produktiver Zustand. Man muss ihr nur den Beige- Personal und andere Ressourcen und trägt zur Verfah- schmack der Katastrophe nehmen.“ Damit zitiere ich rensbeschleunigung bei. Da hätte es Ihres Hinweises den Schweizer Schriftsteller Max Frisch. Wir haben in nicht bedurft; das ist auf dem Weg. den letzten Tagen schon viel gehört über die Investitionen in den Erhalt der Arbeitsplätze in dieser Krise, im Zusam- (Dr. Manuela Rottmann [BÜNDNIS 90/DIE menhang damit in die Wirtschaft, in unsere Infrastruktur GRÜNEN]: Aber ob was ankommt!) und Digitalisierung. Wir nehmen Geld in die Hand. Wir Das macht Lust auf Zukunft. Es lohnt sich, darüber agieren genau zur richtigen Zeit. Das bedeutet Schulden- nachzudenken, ob auch in einem gewissen Rahmen zum aufnahme, ja! Und unser Finanzminister Olaf Scholz hat Beispiel in Zivilprozessen Gerichtsverhandlungen digital am Dienstag auch gesagt, warum das richtig ist: weil stattfinden können. Die Zeit für die Anreise von Beteilig- Nichthandeln in der Krise teurer ist als Jetzthandeln. ten, Sachverständigen und Zeugen, bedarf keiner Planung Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Oktober 2020 22653

Esther Dilcher (A) und kann Terminverlegungsanträge und Verfahrensver- Stephan Brandner (AfD): (C) zögerungen vermeiden. Wenn man im Gespräch mit Wo ist noch mal der Herr Amthor? – Der war gut. dem Justizministerium ist, sieht man eine große Bereit- (Ulli Nissen [SPD]: Haha! – schaft und eine große Lust, das Projekt zu unterstützen. [CDU/CSU]: War der auch auf der Zugtoilet- (Beifall bei der SPD) te?) Digitalisierung und Social Media bergen aber auch Jetzt läuft meine Redezeit schon. – Meine Damen und Gefahren; die Bundesjustizministerin hat das ausgeführt. Herren! Wir widmen uns dem Bundeshaushalt. Die Verbreitung rechtsextremistischer Strukturen im Internet und in sozialen Netzwerken nimmt seit Jahren Vizepräsident Thomas Oppermann: zu. Bürgerinnen und Bürger empfinden das Internet als Eine Rede im Bundestag beginnt mit „Herr Präsident“. unsicheren Raum. Hier ist es unsere Aufgabe, Sicherheit Wenn Sie das bitte beachten. zu schaffen. Auch dafür werden wir Geld in die Hand nehmen. Wir müssen den digital vernetzten Extremismus bekämpfen und das Wissen und die Informationen der in Stephan Brandner (AfD): diesem Bereich tätigen Organisationen bündeln, um so Meine Damen und Herren! Herr Präsident! Aus dem effiziente Gegenmaßnahmen ergreifen zu können bzw. Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, Gewalttaten zu verhindern. So können wir der Krise das ja – folgt man dem Ausschussnamen – eigentlich das den Beigeschmack der Katastrophe nehmen und aus der Ministerium für Recht und Verbraucherschutz sein sollte, Krise gestärkt hervorgehen. ist unter der Ägide der letzten sechs Minister ein plumpes Ideologieministerium und insbesondere unter den letzten Ich freue mich auf die Haushaltsberatungen, um wei- drei Ministern – tere wertvolle Projekte anzuschieben. Frau Ihnen, im BE- Gespräch am Montag werden sicherlich auch Ihre Fragen (Niema Movassat [DIE LINKE]: Auch Minis- nach den offenen Personalstellen ganz zufriedenstellend terinnen!) beantwortet werden, und Sie werden sehen, dass sich Ihre ich erinnere an Herrn Maas, Frau Barley und Frau Kritik damit in Luft auflöst. Lambrecht – ein Ministerium geworden, das alles Mög- (Beifall bei der SPD – Stephan Thomae [FDP]: liche macht, nur nicht den Rechtsstaat stärken und die Dann hat es offensichtlich was genützt!) Freiheitsrechte und die Bürgerrechte verteidigen. – Dafür hätte es dieses Hinweises heute nicht bedurft. (Beifall bei der AfD) Es gibt sich vielmehr her für ideologische Spinnereien (Stephan Thomae [FDP]: Vielleicht doch!) (B) jeglicher Art. Freilich müssen Sie rot-grün und bunt (D) Ich habe vielleicht den etwas kürzeren Draht und habe sein. Lassen Sie uns an die Vergangenheit denken: Netz- schon einmal nachgefragt, was mit den offenen Personal- werkdurchsetzungsgesetz, das verfassungswidrige „Ehe stellen ist, und habe eine sehr zufriedenstellende Antwort für alle“-Gesetz – alles keine Meilensteine. Lassen wir bekommen. die Vergangenheit ruhen, meine Damen und Herren. Herr Perli, wenn Sie auf den geringen Prozentsatz für Ideologische Verwirrungen und Verbohrtheit, anders den Verbraucherschutz hinweisen, dann sollten Sie fairer- lassen sich die Auftritte und Aussagen von Frau weise auch sagen, dass der Bundeshaushalt der Ministe- Lambrecht leider nicht erklären. So macht sich die Minis- rin der Justiz und für Verbraucherschutz sehr personal- terin aktuell in Zeiten der Wirtschaftskrise, der Zuwan- lastig ist. Daher finde ich es unfair, dass Sie den Rest, der derungskrise, der Rechtsstaatskrise, der Coronakrise und noch im Bundeshaushalt verbleibt, unter falschen Be- vieler anderer Herausforderungen Gedanken worüber? rechnungen so aufstellen, Wie im Familienrecht Mutter eins und Mutter zwei behandelt werden sollen. Ganz wichtig nach Auffassung (Victor Perli [DIE LINKE]: Aber Geld für von Frau Lambrecht: wie die rechtliche Qualität der Verbraucherschutzpolitik ist gut?) Geburtsmutter zu anderen Müttern geregelt werden soll. dass Sie den 4-Prozent-Anteil nur am gesamten Haushalt Man sieht, Frau Lambrecht, sogar die Biologie, nach der berechnen und nicht an dem, was tatsächlich an Investi- es eigentlich bei uns Menschen bisher immer einen Vater tionen zur Verfügung steht. und eine Mutter gab, (Victor Perli [DIE LINKE]: Aber Geld für (Mechthild Rawert [SPD]: In einigen Jahren Verbraucherschutzpolitik ist gut?) wahrscheinlich nicht mehr!) Danke schön. wird auf dem Altar Ihrer links-grünen Verrücktheiten ge- opfert. (Beifall bei der SPD) (Beifall bei der AfD)

Vizepräsident Thomas Oppermann: Plötzlich gibt es Mutter eins und Mutter zwei. Viele ande- Vielen Dank. – Nächster Redner ist der Kollege re Mütter werden wahrscheinlich noch folgen, Elternteil Stephan Brandner für die AfD. eins und Elternteil zwei. Von Vätern ist gar keine Rede mehr. Sie arbeiten daran, die Kinder zu verstaatlichen. (Beifall bei der AfD – Ulli Nissen [SPD]: Wie Nicht anders ist der Artikel 6, den Sie ändern wollen – war das noch mal auf der Zugtoilette?) Kinderrechte –, zu verstehen. 22654 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Oktober 2020

Stephan Brandner (A) (Beifall bei der AfD) Dank vergangenen Zeiten der alten untergegangenen (C) Apropos Rechte. Ein weiteres Tummelfeld von Frau DDR. Straftatbestände aus der DDR feiern bei Ihnen Lambrecht und ihren Vorgängern sind das Rechte und fröhliche Urständ. die Bekämpfung des Rechten. Der nicht nur von Ihnen (Beifall bei der AfD) pathologisch geführte Kampf gegen rechts, meine Damen Sie haben, Frau Lambrecht, beim Durchpeitschen Ihres und Herren, der im heutigen Deutschland nichts anderes Hass-und-Hetze-Gesetzes offensichtlich die Verfas- ist als ein Krampf gegen rechts – der was möchte? Der sungswidrigkeit übersehen, die wir als AfD von vornhe- alles Bürgerliche, alles Patriotische, alles Vernünftige rein so bezeichnet hatten. Peinlich berührt sollten Sie vernichten möchte. Dieser Krampf gegen rechts, Frau eigentlich zurücktreten, Frau Lambrecht, Lambrecht, treibt bei Ihnen irre Blüten, (Lachen bei Abgeordneten der SPD) (Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Müssen Sie so was ablesen? So was müssten oder von Frau Merkel entlassen werden. Aber wir haben Sie doch frei sprechen!) ja gerade von einem Vorredner der FDP gehört, dass offenbar nicht nur versagende CSU-Politiker bei Frau obwohl rechts und Recht in unserer Sprache ganz über- Merkel unter Artenschutz stehen. Offenbar gilt das auch wiegend positiv konnotiert sind. Man denke nur an den für SPD-Politikerinnen. Rechtsstaat, Freiheitsrechte, Grundrechte, Recht und Ge- setz, Menschenrechte, recht bekommen, recht haben, (Beifall bei der AfD) recht behalten, rechts vor links, die Rechtsanwälte und Jetzt war noch zu hören, dass der Bundespräsident das Rechtsfahrgebot. genötigt werden soll, dieses verfassungswidrige Gesetz (Beifall bei der AfD – Niema Movassat [DIE zu unterschreiben. Ich persönlich habe keinen Zweifel LINKE]: Haben Sie aber schön im Duden gele- daran, dass Herr Steinmeier, dessen Vita ja durchaus sen!) Bezüge ins linksextremistische Milieu aufweist Frau Lambrecht, Sie bekämpfen alles Rechte wie (Lachen bei der SPD) besessen, unterstützt durch die öffentlich-rechtlichen und der sich mit Verfassungsschutzbeobachtung aus- Medien. Frau Lambrecht widmete sich auch gerne der kennt, dieses Gesetz unterschreiben wird. Gleichwohl Netzzensur. Man denke nur an das unsägliche Netzwerk- versuche ich von hier vorne, das Schlimmste zu verhin- durchsetzungsgesetz, das Millionen Euro verschlingt. Sie dern. Ich rufe Herrn Steinmeier, wo immer er sein mag, sinniert über Uploadfilter und will in den Schulen über zu: Herr Steinmeier, unterschreiben Sie dieses Hass-und- Verschwörungstheorien aufklären lassen. Eine gute Idee, Hetze-Gesetz nicht! Machen Sie es nicht möglich, dass (B) wenn Schwerpunkt dieser Verschwörungstheorien viel- die Bundesregierung ein weiteres Mal Verfassungsrecht (D) leicht mal die Bundesregierungspolitik in Sachen Corona bricht. wäre! Schließlich – damit komme ich zum Ende, Herr Präsi- (Beifall bei der AfD) dent –: Versuchen Sie, Frau Lambrecht – da schließt sich der Kreis –, aus Ihrem Ministerium wieder eines für Hysterien der Altparteien sollten da mal aufgedeckt wer- Recht und Verbraucherschutz zu machen, und pervertie- den. Das wird wahrscheinlich nicht der Fall sein. Ver- ren Sie es nicht weiter zu einem Ministerium gegen schwörungstheoretiker ist immer der, der von der gerade rechts, gegen Rechtsstaat und für Ideologie. aktuellen Meinung der Bundesregierung und der Staats- medien abweicht. Früher war Verschwörungstheoretiker Vielen Dank. derjenige, der vor Corona gewarnt ist. Heute ist Ver- (Beifall bei der AfD) schwörungstheoretiker derjenige, der Coronamaßnahmen kritisiert. Sie sind da sehr flexibel, Frau Lambrecht, Sie und Ihre Bundesregierung. Vizepräsident Thomas Oppermann: Nächster Redner in der Debatte ist der Kollege (Niema Movassat [DIE LINKE]: Wären Sie für die Fraktion der CDU/CSU. einfach in der Toilette geblieben!) (Beifall bei der CDU/CSU) Frau Lambrecht denunziert und beschimpft aber auch gerne Bürger unseres Landes, meine Damen und Herren, Sebastian Steineke (CDU/CSU): vor allem solche, die ihre grundgesetzlich garantierten Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Demonstrationsfreiheiten auf den Straßen ausleben wol- Zurück zur Sache. Wir debattieren heute über den Haus- len. Das sind für sie Extremisten. halt und nicht über die Verschwörungstheorien von Herrn Schließlich widmet sich Frau Lambrecht – sie hat es Brandner. hier vorne gerade schon wieder getan – mit großer (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- Begeisterung dem Themenfeld Hass und Hetze. neten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE (Zuruf von der SPD: Damit kennen Sie sich ja GRÜNEN) aus! – Niema Movassat [DIE LINKE]: Da sind Ein sehr wichtiger Teil des Haushaltes – das haben wir Sie Experte!) schon gehört – ist der Bereich des Verbraucherschutzes. Ich vermute, dass demnächst „HassundHetze“ als neue Ein aktuelles Thema – darüber haben wir in den letzten Einwortschöpfung in den Duden Eingang finden wird. Wochen schon intensiv diskutiert – ist die Reform des Hass und Hetze, Frau Lambrecht: Diktion aus Gott sei Inkassowesens. Wir haben dazu eine Anhörung gehabt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Oktober 2020 22655

Sebastian Steineke (A) Ich glaube, wir haben da auch eine Menge Anregungen Wir müssen daraus jetzt aber auch tatsächlich die Kon- (C) mitgenommen. Deswegen haben wir als Union die The- sequenzen ziehen. Wir können jetzt nicht hingehen und men „Gebühren“, „Identitätsdiebstahl“ und „Aufsicht sagen: Das kann alles so bleiben, wie es ist. – Deswegen über die Inkassounternehmen“ in den Mittelpunkt müssen wir – das sagen wir so deutlich – über automati- gestellt. Darüber werden wir in den nächsten Wochen sierte Erstattung, Entschädigung nachdenken, und am noch mal reden. Dann kommen wir auch zu guten Ergeb- Ende des Tages auch darüber, ob wir uns nicht mal über- nissen. haupt das Thema Fälligkeit der Zahlungen angucken. Das kann, glaube ich, ein wesentlicher Punkt sein, um in den Ein ganz wesentliches Thema der letzten Wochen und nächsten Wochen und Monaten zu besseren Ergebnissen Monate war und ist das Thema Pauschalreiserecht, Flie- zu kommen. Dann haben wir diese Probleme schlicht gen und alles, was damit zu tun hat, und zwar nicht nur nicht. Diese können wir jetzt lösen: Unsere Vorschläge während der Coronazeit, sondern bereits vorher. Wir dazu liegen auf dem Tisch. haben die Themen „Thomas Cook“ und „Tour Vital“ und die Auswirkungen auf das Pauschalreiserecht durch (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) die Insolvenzen gehabt. Das hat massive Auswirkungen Ein Projekt im Bereich Verbraucherschutz, das noch auf die Verbraucherinnen und Verbraucher gehabt. vor uns liegt – die Ministerin hat es angesprochen –, ist Der Bund hat hier völlig zu Recht die Entschädigung das Thema faire Verbraucherverträge. Es ist kein zugesagt. Auch das bildet sich im diesjährigen und auch Geheimnis, dass es dazu unterschiedliche Auffassungen im nächsten Haushalt ab: mit etwa 198 Millionen Euro gibt; das konnte man in der Presse lesen. Es geht vor allen bereits für dieses Jahr und 113 Millionen Euro für 2021. Dingen um das Thema Vertragslaufzeiten. Wir wissen, dass die Versicherung ganz erhebliche Teile (Mechthild Rawert [SPD]: Ambulante Pflege!) nicht übernehmen wird, weil die Deckungshöhen nicht ausreichen. Wir übernehmen also fast 90 Prozent der Das stieß übrigens nicht nur bei den Unternehmen auf Zahlungen, die durch die Versicherung nicht erbracht deutliche Kritik, sondern auch bei vielen Verbraucherin- werden können. nen und Verbrauchern, die sich bei uns zu diesem Thema gemeldet haben. Wir konnten den Staatshaftungsanspruch – das müssen wir so deutlich sagen – wegen fehlerhafter Umsetzung (Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/CSU]: So ist es!) der Pauschalreiserichtlinie auch nicht ausschließen. Im Hinblick auf die ansonsten im Gesetz vorgesehenen Daher ist es richtig, dass der Bund auch im nächsten Themen – wir haben viele Regelungen, die darin noch Haushalt Verantwortung für dieses Thema übernimmt. stehen –, etwa das Thema Abtretungsverbot oder das Und – das muss man so deutlich sagen –: Jetzt müssen (B) Thema unerlaubte Telefonwerbung, wäre es jetzt sehr (D) die Konsequenzen schnell folgen. Hier wurden in der hilfreich, wenn die Beteiligten noch mal in sich gingen Vergangenheit viele, viele, viele Möglichkeiten verge- und tatsächlich über weitere Lösungsmöglichkeiten in ben, die Summen rechtzeitig anzupassen oder aber auch diesem Bereich nachdächten. Soweit es im Koalitionsver- eine komplette Neuordnung des Systems in Angriff zu trag nicht vorgesehen ist, die Vertragslaufzeiten zu ver- nehmen. kürzen, muss man am Ende des Tages dann darüber nach- denken, ob man diese Vorschrift herauslöst, um das (Beifall des Abg. Dr. Jürgen Martens [FDP]) Inkrafttreten der anderen Regelungen nicht weiter aufzu- Im Juni haben wir nun im Kabinett die Eckpunkte halten; denn das kann man den Verbrauchern aus unserer gesehen. Unsere Vorschläge liegen seit Ende 2019 vor. Sicht nicht zumuten. Ich sage ganz klar: Wir brauchen jetzt schnell den Ge- Und: Wir haben noch in dieser Legislaturperiode einen setzentwurf. Den braucht die Branche, und den brauchen ganz wesentlichen Punkt im Verbraucherschutz umzuset- die Verbraucherinnen und Verbraucher. Corona zeigt, wie zen, nämlich den – der Referentenentwurf liegt vor – wichtig das ist. „New Deal for Consumers“. Im Bereich des unlauteren Wenn wir beim Thema Reisen sind, kommen wir nicht Wettbewerbs liegen ja die Vorschläge schon vor, nämlich umhin, über das Thema Flugreisen, Flugangebote zu Regeln für mehr Transparenz im Onlinehandel. Regeln reden. Wir haben gerade in Coronazeiten ein erhebliches für Entschädigungsleistungen für Verbraucherinnen und Missbrauchspotenzial gesehen, weil hier einige Airlines Verbraucher sind wichtig. Das ist notwendig, aber wir schlicht und ergreifend die Zahlung verweigern, indem werden uns sehr genau angucken, dass hier eine Eins- sie auf ihre wirtschaftliche Lage verweisen, sogar gegen zu-eins-Umsetzung erfolgt und nicht überobligationsmä- Mahnbescheide vorgehen und sich in Gerichtsverfahren ßig mehr eingebracht wird. ziehen lassen. Das ist aus unserer Sicht ziemlich inakzep- Zum Ende – das kann man vielleicht noch mal kurz tabel; das muss man so deutlich sagen. sagen, weil ich unsere Haushälter sehe, die das mitver- handelt haben – ist es, glaube ich, wichtig, dass es auch in (Beifall bei der CDU/CSU) diesem Haushalt für die nächsten Jahre wieder gelungen Die erfolgte Klage der Verbraucherzentrale gegen Luft- ist, die Richterakademien in Wustrau und Trier durch den hansa ist damit eigentlich nur folgerichtig. Diese hat sich Bund auskömmlich zu finanzieren. Die hälftige Finanzie- die Branche selber verdient; das muss man in dieser Deut- rung stand ja infrage. 95 Prozent der Finanzierung sollte lichkeit sagen. durch die Länder erfolgen. Diese konnten die Kritik des Bundesrechnungshofes in der Form nicht nachvollziehen. (Beifall der Abg. Katharina Willkomm [FDP]) Deswegen bedanke ich mich bei den Haushältern, auch 22656 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Oktober 2020

Sebastian Steineke (A) den Koalitionsfraktionen dafür, dass wir es wieder noch einmal um eine Wahlperiode verschoben wird; das (C) geschafft haben, eine vernünftige Finanzierung auf den bedauern wir sehr. Wir haben schon vor über einem Jahr Weg zu bringen. den Anstoß dazu gegeben. Sie hätten einfach nur über- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- nehmen müssen, was wir vorgeschlagen haben. Leider ordneten der SPD und der LINKEN) kommt es jetzt zu dieser Verzögerung. (Beifall der Abg. Ulla Ihnen [FDP]) Weil vorhin über die Zahlen geredet worden ist, kann man, glaube ich, sagen: Wir haben in der Verbraucher- Vor allem aber will ich für die kommenden Haushalts- politik leicht steigende Ausgaben von fast 41 Millionen beratungen das Augenmerk noch einmal auf den Pakt für Euro. Wir geben auch mit deutlich mehr als 8 Millionen den Rechtsstaat richten. Auf die Justiz kommen mehr und Euro mehr Geld für die Verbraucherinformationen aus. mehr Lasten und Aufgaben zu: Mehrbelastungen aller- Am Ende des Tages kann man immer mehr wollen. orts, Entlastungen nirgends. Sie haben jetzt einen Gesetz- Aber ich glaube, das ist ein guter Entwurf, um in die entwurf zum Thema Verbandssanktionsrecht vorgelegt, Beratungen zu gehen. wohinter sich eigentlich nichts anderes verbirgt als das alte Unternehmensstrafrecht. Mir ist der Mehrwertwert Vielen Dank. dieses Gesetzes unklar. Was kann denn abschreckender (Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Ulli wirken als die persönliche Haftung der Handelnden? Der Nissen [SPD]) Mehrwert ist mir höchst unklar; die Mehrbelastung hin- gegen wird es allenthalben geben. Das wird ein Problem Vizepräsident Thomas Oppermann: werden, das wir auch andernorts haben: immer mehr Vielen Dank. – Nächster Redner ist für die Fraktion der Belastungen für die Justiz, aber bei geringem Mehrwert. FDP der Kollege Stephan Thomae. Deswegen denke ich: Auch das müssen wir angehen. Wir müssen eine Aufgabenkritik durchführen und überlegen: (Beifall bei der FDP) „Wo kann man die Justiz entlasten?“, damit wir sie fit- machen für das 21. Jahrhundert – für eine moderne Justiz. Stephan Thomae (FDP): Vielen Dank. Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen! Verehrte Kollegen! Frau Ministerin, lassen Sie mich mit (Beifall bei der FDP) einem Blick auf den Fall des Giftanschlages auf Alexej Nawalny beginnen. Was hat das hier in dieser Debatte Vizepräsident Thomas Oppermann: verloren? Dieser Fall enthält auch eine rechtspolitische Vielen Dank. – Nächster Redner ist für die Fraktion Komponente. Denn Russland hat in der Zwischenzeit drei (B) Die Linke der Kollege Niema Movassat. (D) Rechtshilfeersuchen an uns gestellt, die bislang unbeant- wortet geblieben sind, was Russland veranlasst, uns vor- (Beifall bei der LINKEN) zuhalten, dass wir die Ermittlungen in Russland behin- dern würden – was natürlich völliger Unsinn ist. Niema Movassat (DIE LINKE): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte Wer glaubt allen Ernstes, dass Russland, dessen staat- auf drei Punkte eingehen. liche Stellen selbst im Verdacht stehen, an diesem An- schlag beteiligt zu sein, ihn verübt zu haben, einen echten Erstens, das Strafrecht. Frühere Bundesregierungen Aufklärungswillen hat? Diesen Glauben hat niemand. haben in den letzten Jahrzehnten das Strafrecht Dutzende Deswegen, Frau Ministerin, fordere ich Sie auf: Weisen Male verschärft. Auch diese Regierung hat Verschärfun- Sie diese Ersuchen Russlands entschieden zurück. Meine gen vorgenommen und plant weitere. Aufforderung an Sie wäre, sich stattdessen für eine inter- (Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/CSU]: Zu nationale Untersuchungskommission starkzumachen, um Recht!) den Fall Nawalny international aufzuklären, wie es das schon einmal im Jahr 2005 bei dem Fall Hariri gab. Dann Immer kommt dafür dasselbe Argument: Man müsse kann auch Putin unter Beweis stellen, dass er an der Auf- etwas gegen Kriminelle tun, man müsse die Bürgerinnen klärung des Falles Nawalny mitwirkt. und Bürger schützen. Und dann erhöht man den Straf- rahmen. Das Problem ist: Alle Strafrechtsverschärfungen (Beifall bei der FDP) fanden ohne ernsthafte empirische Grundlage statt. Verehrte Kolleginnen und Kollegen, im Rahmen der (Mechthild Rawert [SPD]: Quatsch!) Haushaltsberatungen, die jetzt beginnen, möchte ich eini- ge Worte zu einer modernen Justizpolitik sagen; Kollegin Gerade erst habe ich dazu aus Ihrem Hause, Frau Minis- Ihnen sprach es schon an. Ich lege Ihnen sehr ans Herz, terin Lambrecht, eine Antwort auf eine Kleine Anfrage auf die Themen „Digitalpakt für die Justiz“ und „Pakt für erhalten. Aus dieser Antwort geht hervor, dass Ihnen nur den Rechtsstaat“ ein wichtiges Augenmerk zu legen. die Anzahl der Strafanzeigen und der Verurteilungen vor- Zum Digitalpakt haben wir als FDP schon vor über einem liegen. Ansonsten gibt es keine Zahlen und keine Evalua- Jahr einen Antrag zur Einführung der technischen Auf- tion dazu, wie sich Strafrechtsverschärfungen überhaupt zeichnung in Hauptverhandlungen von Landgerichten auswirken. Schützen sie irgendwen? Schrecken sie Täter und Oberlandesgerichten in Strafverfahren vorgelegt. tatsächlich ab? Das wissen wir alles gar nicht. Und weil Sie haben eine Expertenkommission eingesetzt, die aller- das bisher nicht untersucht ist, muss das endlich unter- dings leider erst im Sommer 2021 ihren Abschlussbericht sucht werden. vorlegen wird. Das heißt, dass dieses wichtige Vorhaben (Beifall bei der LINKEN) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Oktober 2020 22657

Niema Movassat (A) Wir werden deshalb in den Haushaltsberatungen als den, dass Ihr Gesetzentwurf in die richtige Richtung geht. (C) Linke fordern, Studien durchzuführen, um herauszufin- Wir finden, dass wir in Deutschland wie in der überwie- den, ob und was die Strafrechtsverschärfungen der letzten genden Mehrheit der EU-Mitgliedstaaten endlich ein Jahrzehnte überhaupt gebracht haben. Mein Eindruck ist, Unternehmenssanktionsrecht brauchen, das den Namen dass Strafrechtsverschärfungen ein Mittel sind, der Be- verdient. völkerung politische Handlungsfähigkeit zu zeigen, die Ich spreche das an, weil ich weiß, dass Lobbyisten sehr nichts kostet, aber praktisch eben oft auch nichts bringt. aktiv sind, um Ihren Gesetzentwurf zu verhindern, dass Im Übrigen klagen Polizei und Justiz ja schon seit auch die CDU/CSU-Fraktion sehr aktiv ist, um Ihren Jahren, dass sie überlastet seien. Es wäre an der Zeit, Gesetzentwurf zu verhindern. endlich darüber nachzudenken, welche Bagatelldelikte (Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/CSU]: Zu ver- unnütz Ressourcen verschlingen. Würde man das bessern!) Schwarzfahren und den Konsum von Cannabis entkrimi- nalisieren, würden etwa 8 Prozent aller Straftaten in die- Da wird dann unter anderem argumentiert, die Wirtschaft sem Land wegfallen. Das wäre kriminalpolitisch sinn- würde abstürzen, wenn Ihr Gesetzentwurf durchkäme. voll. Es würde aber auch die Polizei und die Justiz Das ist wirklich Nonsens. entschieden entlasten. (Beifall bei der LINKEN) (Beifall bei der LINKEN – Dr. Jan-Marco Denn zum Glück begehen die meisten Unternehmen kei- Luczak [CDU/CSU]: Dann gibt es Zivilverfah- ne Straftaten. Wer sich redlich verhält, der muss auch ren! – Sebastian Steineke [CDU/CSU]: Kapitu- keine Angst vor Sanktionen haben. Die schwarzen Schafe lation des Rechtsstaats nennt man das!) aber müssen endlich konsequent zur Verantwortung – Der Rechtsstaat kapituliert, Herr Kollege, wenn er bei gezogen werden, und deshalb unterstützen wir als Linke Cum/Ex und Wirecard nicht aufklärt und nicht in der Ihren Gesetzentwurf. Lage ist, dagegen vorzugehen. Danke schön. (Sebastian Steineke [CDU/CSU]: Kann er (Beifall bei der LINKEN) nicht! Genau! Und deswegen wollen Sie ande- res einfach abschaffen! Ganz schwach ist das! Ganz schwach!) Vizepräsident Thomas Oppermann: Vielen Dank. – Nächste Rednerin für die Fraktion Das ist eine Kapitulation des Rechtsstaates, nicht, wenn Bündnis 90/Die Grünen ist die Kollegin Canan Bayram. er Schwarzfahrer nicht verfolgt. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (B) (Beifall bei der LINKEN) (D) Zweitens möchte ich auf den Verbraucherschutz ein- Canan Bayram (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): gehen. Hier stehen uns aufgrund der Coronapandemie Vielen Dank, Herr Präsident. – Liebe Kolleginnen und sehr große Probleme bevor. Sozial-, Verbraucher- und Kollegen! Liebe Frau Lambrecht, beim Verbot der Wirtschaftsverbände, aber auch Schuldnerberater warnen Umwandlung von Mietwohnungen in Eigentumswoh- seit Monaten vor einer Zunahme von Insolvenzen. Be- nungen haben Sie mich auf Ihrer Seite; da unterstütze reits jetzt müssen verschuldete Menschen oft fünf Mona- ich Sie voll und ganz. te auf eine erste Schuldnerberatung warten. Die Bundes- regierung übernimmt null Verantwortung. Es fehlt völlig (Beifall bei Abgeordneten der SPD) an einer Anschubfinanzierung, um die Schuldnerbera- Wir müssen Mieterinnen und Mieter vor Verdrängung tung bundesweit an den bestehenden Bedarf anzupassen. schützen. Insoweit hoffe ich, dass es Ihnen gelingt, Herrn Wir debattieren zurzeit im Bundestag ja auch das The- Luczak und die Immobilienlobby im Zaum zu halten und ma Restschuldbefreiung. Die Bundesregierung will nur denen Grenzen zu setzen. auf den Mindeststandard von drei Jahren gehen, den die (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN EU vorgibt. Aber das EU-Recht erlaubt auch kürzere und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten Fristen. Angesichts der Coronakrise – das sage ich der SPD) Ihnen – brauchen wir auch schnellere Restschuldbef- reiungen. In meinem Wahlkreis, in Friedrichshain-Kreuzberg, haben viele Menschen Angst, durch Eigenbedarfskündi- (Beifall bei der LINKEN) gungen nicht nur ihr Zuhause zu verlieren, sondern oft Im Verbraucherschutzbereich insgesamt besteht somit auch die Schulplätze, die Kitaplätze. riesiger Handlungsbedarf, wenn nicht auf die Coronakri- (Mechthild Rawert [SPD]: Auch in Tempelhof- se eine Verbraucher- und Privatschuldenkrise folgen soll. Schöneberg! – Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/ Frau Lambrecht, hier ist wirklich mehr Engagement not- CSU]: Die Zahlen sind einfach falsch!) wendig. An so einer Wohnung hängt sehr viel. Bitte setzen Sie Drittens, Frau Ministerin, möchte ich zum Abschluss sich da durch, liebe Frau Lambrecht. Mich haben Sie Danke sagen, Danke dafür, dass Sie beim Thema Unter- auf Ihrer Seite. nehmenssanktionsrecht standhaft sind. Wir als Linke wollen zwar weiter gehende und schärfere Sanktionen (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN für Unternehmen, die Straftaten begehen. Aber wir fin- sowie bei Abgeordneten der SPD – Sebastian 22658 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Oktober 2020

Canan Bayram (A) Steineke [CDU/CSU]: Dann kann ja nichts (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (C) mehr schiefgehen!) sowie der Abg. Ulli Nissen [SPD]) Vor fast genau einem Jahr, am 9. Oktober 2019, gab es den so schrecklichen wie traurigen Massenmordversuch Vizepräsident Thomas Oppermann: vor der Synagoge in Halle, verbunden mit zwei Morden Vielen Dank. – Nächster Redner ist für die Fraktion der und mit Körperverletzung durch einen rechtsextremen, SPD der Kollege Dr. Johannes Fechner. militanten Antisemiten, der sich insbesondere im Netz (Beifall bei der SPD) radikalisiert hatte. Die Justizministerin und der Innenmi- nister haben daraufhin ein Maßnahmenpaket zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskrimi- Dr. Johannes Fechner (SPD): nalität vorgelegt. Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lie- be Zuhörerinnen und Zuhörer! Wir leben leider in einer Die wichtigen und dringlichen Ziele des späteren Zeit, in der in vielen Ländern der Rechtsstaat unter Druck gleichnamigen Gesetzentwurfs, nämlich den zunehmen- gerät, die Unabhängigkeit der Justiz angetastet wird oder den Rechtsextremismus, die anhaltenden Angriffe auf die Pressefreiheit sowie Rechtsschutzmöglichkeiten für Demokratinnen und Demokraten, die zu beobachtende Verbraucherinnen und Verbraucher eingeschränkt wer- Verrohung der Diskussionskultur und die Straftaten im den. Das können wir nicht hinnehmen. Deswegen sind Netz, die von Volksverhetzung, Bedrohung, Vorbereitung diese Haushaltsberatungen ein guter Anlass, um durch von Terrordelikten bis zur Verbreitung und Darstellung eine gute Finanzausstattung, etwa unserer Bundesgerich- sexualisierter Gewalt gegen Kinder reichen, effektiv zu te, aber auch vieler wichtiger Einrichtungen und Institu- bekämpfen, liegen auch meiner Fraktion am Herzen, mei- tionen, die sich für Rechtsstaatlichkeit und Verbraucher- ne Damen und Herren. schutz einsetzen, ein ganz klares Zeichen zu setzen: Wir (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) wollen einen starken Rechtsstaat für die Bürgerinnen und Bürger, liebe Kolleginnen und Kollegen. Nur, das Gesetz gilt nicht. Warum? Weil die Bundesre- gierung, die Justizministerin vorneweg, handwerklich (Beifall bei Abgeordneten der SPD) nicht gut gearbeitet hat. Die Grundlagen für die Meldung Zu einem Rechtsstaat gehört, dass derjenige, der recht von vermutlichen Straftaten durch die großen sozialen hat, auch recht bekommt. Deswegen war es so wichtig, Netzwerke an das Bundeskriminalamt als Zentralstelle dass wir mit der Einführung der Musterfeststellungsklage und diesbezügliche Auskunftsrechte sind verfassungs- einen Meilenstein für den Verbraucherschutz geschaffen widrig. Sehenden Auges und wider besseren Rat im haben, gegen den erbitterten Widerstand der Grünen. Das Gesetzgebungsverfahren haben Bundesregierung, ja, (B) war richtig. Im VW-Verfahren hat sich gezeigt, dass Hun- (D) und auch Sie, Kolleginnen und Kollegen von der Koali- derttausende VW-Käufer ihre Entschädigung relativ tion, das Gesetz an die Wand gefahren, und das ist sehr schnell bekommen haben; das war also ein ganz großer ärgerlich, meine Damen und Herren. Erfolg. Das zeigt uns: Wir müssen, was den kollektiven (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Rechtsschutz in Deutschland angeht, weiter vorangehen. Hier brauchen wir mehr Möglichkeiten, damit wir mit Der Bundespräsident fertigt es bislang offenbar nicht aus. dem kollektiven Rechtsschutz in Deutschland noch Das ist rechtsstaatlich und politisch ein Desaster; da müs- weiter vorankommen. Wir freuen uns schon auf die sen wir besser werden. Debatten. Grundrechtsschonende Alternativen, beispielsweise in (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Form eines Zweistufenmodells, wie von meiner Fraktion vorgeschlagen, haben Sie abgelehnt. Obwohl spätestens Nicht nur, aber auch weil die Verbraucherzentrale eine seit den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts wichtige Rolle für den Verbraucherschutz in Deutschland klar sein musste, dass diese Berücksichtigung finden spielt, werden wir mit diesem Haushalt weitere erheb- müssen, haben Sie das nicht getan. Das sagen nicht nur liche Mittel für die Verbraucherzentralen zur Verfügung wir Grüne; das sagt auch der Wissenschaftliche Dienst, stellen. Hierfür sind 23 Millionen Euro vorgesehen. Auch und das besagt auch ein von uns beauftragtes Gutachten, die Stiftung Warentest wollen wir mit rund 2 Millionen das wir dem Bundestag mit einem Antrag vorgelegt Euro bedenken. Wir sind der Meinung, dass mündige haben, meine Damen und Herren. Verbraucher gut informiert sein müssen. Spätestens nach der Veröffentlichung der neuerlichen (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Sebastian Entscheidung des Verfassungsgerichts Mitte Juli dieses Steineke [CDU/CSU]: Das ist eine gute Idee Jahres hätte die Bundesregierung reagieren müssen. Das von gewesen!) haben Sie leider nicht getan. Aber ich gebe die Hoffnung Damit Deutschland weiter eines der sichersten Länder nie auf; Sie kennen mich. Deshalb meine und unsere der Welt bleibt, haben wir uns auch bei der Kriminalitäts- Erwartung und unser nachdrücklicher Appell an die Bun- bekämpfung sehr viel vorgenommen, ob das der Kampf desregierung und die Koalitionsfraktionen: Bringen Sie gegen sexualisierte Gewalt gegen Kinder ist oder die unverzüglich eine verfassungskonforme Neufassung des Bekämpfung des Rechtsextremismus. Deswegen ist es Gesetzes ein! Das schulden wir den Opfern des rechts- gut, dass Ministerin Lambrecht ein umfassendes Geset- extremistischen Anschlags, ihren Angehörigen und allen zespaket – Sie haben es heute noch mal skizziert, vielen Betroffenen von Hass und Hetze. Dank dafür – vorgelegt hat, wie wir gegen die sexuali- Vielen Dank. sierte Gewalt gegen Kinder vorgehen wollen. Darüber Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Oktober 2020 22659

Dr. Johannes Fechner (A) hinaus wollen wir auch gegen die organisierte Krimina- verbot und die Hürden angeht. Kollege Luczak, ich kann (C) lität vorgehen. Wir wollen die Geldwäsche effektiver Ihnen das zukommen lassen; wir haben uns darauf geei- bekämpfen und noch vieles mehr. Mit dem Gesetz gegen nigt. Das steht. Hasskriminalität haben wir dafür gesorgt, dass es zukünf- (Beifall der Abg. Ulli Nissen [SPD]) tig bei strafbarem Hass im Netz schneller und häufiger zu Frau Bayram, Ihre Kritik kann ich da nicht so ganz Strafverfahren kommen wird. Auch das ist ein ganz wich- verstehen; damit komme ich auch zum Schluss. Es war tiges Signal gegen Hass und Hetze im Netz, liebe Kolle- die grün-schwarze Landesregierung, die Herrn Seehofer ginnen und Kollegen. durch die Stellungnahme der Wirtschaftsministerin erst (Beifall bei der SPD) zu dieser Streichung ermuntert hat. Da sollten Sie mal vor Ihrer eigenen Haustür kehren. Wenn Ihnen dieses Damit solche Gesetze wirken und auch durchgesetzt Thema tatsächlich wichtig gewesen wäre, hätte der grüne werden können – damit komme ich zum Haushalt –, ist Ministerpräsident hier ein Machtwort gesprochen und es natürlich erforderlich, dass bei Behörden und Gerich- wäre eingeschritten. ten, insbesondere bei Justiz und Polizei, genügend Perso- nal vorhanden ist; denn die besten und schärfsten Gesetze (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Canan bringen ja nichts, wenn wir keine Beamten haben, die das Bayram [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer Ganze umsetzen. Deswegen ist es gut, dass wir hier bei so etwas behauptet, muss das belegen!) den Bundesgerichten und vielen Behörden vorangehen Das ist genau die gleiche Scheinheiligkeit, die Sie an und für eine ordentliche Personalausstattung sorgen, sie den Tag legen, wenn es um die Mietpreisbremse geht. zum Teil auch sinnvoll erhöhen. Hier, lieber Herr Chris Kühn, verprügeln Sie uns, wäh- rend Ihr Parteivorsitzender Habeck sie in Schleswig-Hol- Da sind wir übrigens Vorbild für die Länder. Wir haben stein abgeschafft hat. Das war noch zu sagen. einen Pakt für den Rechtsstaat abgeschlossen und werden zum Jahreswechsel ganz genau hinschauen, wie viele Vielen Dank. neue Stellen für Richter, Staatsanwälte und das Folge- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten personal in den Ländern geschaffen wurden. Wir erwar- der CDU/CSU) ten, dass die 220 Millionen Euro, die wir den Ländern im Bundeshaushalt zur Verfügung gestellt haben, von den Vizepräsident Thomas Oppermann: Ländern auch abgerufen werden. Wir erwarten, dass Vielen Dank. – Als Nächster spricht der Kollege Hans- ohne Tricksereien tatsächlich 2 000 neue Stellen für Jürgen Thies für die Fraktion der CDU/CSU. Richter und Staatsanwälte geschaffen werden und unsere (Beifall bei der CDU/CSU) Gesetze so auch umgesetzt werden, liebe Kolleginnen (B) und Kollegen. (D) Hans-Jürgen Thies (CDU/CSU): (Beifall bei der SPD – Mechthild Rawert Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! [SPD]: Eine Herausforderung!) Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Rechtspolitik der letzten sechs Monate war in erster Linie davon geprägt, Wir werden insbesondere bei den Ländern, die im Bun- die vielfältigen Herausforderungen der Coronakrise zu desrat immer wieder gerne massive Strafverschärfungen bewältigen. Dabei waren zur akuten Krisenbewältigung fordern, genau hinschauen, ob sie dann auch bereit sind, unter anderem die Aussetzung relevanter Fristen, aber den zweiten Schritt zu gehen, nämlich für die Umsetzung sogar Eingriffe in die Vertragsfreiheit notwendig. Dies unserer Gesetze genügend Personal zur Verfügung zu alles haben wir gemacht, um gewachsene Strukturen zu stellen. erhalten und um soziale Verwerfungen zu verhindern. Wegen der großen Bedrohungslage stellt die Bekämp- Der Bundesjustizministerin und den Mitarbeiterinnen fung des Rechtsextremismus eine ganz wichtige Maß- und Mitarbeitern ihres Hauses möchte ich ausdrücklich nahme für uns dar. Da kann es nicht nur bei Gesetzen dafür danken, dass uns Abgeordneten im Krisenmodus bleiben. Hier haben wir als Haushaltsgesetzgeber die mit brauchbaren Formulierungs- und Entscheidungsvor- Möglichkeit, wichtige Einrichtungen zu fördern, und schlägen zeitnah zugearbeitet wurde. Im Ergebnis, denke das tun wir. Wir fördern etwa HateAid oder die Ama- ich, haben wir auch in der Rechtspolitik in den letzten deu-Antonio-Stiftung. Besonders wichtig finde ich, dass Monaten vieles richtig gemacht. wir mit diesem Haushalt die Opfer des Oktoberfestatten- tates 30 Jahre nach diesem schrecklichen brutalen, rechts- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) extremen Attentat mit einer halben Million Euro entschä- In der heutigen Haushaltsdebatte gilt es allerdings, den digen wollen. Es ist ein ganz wichtiges Signal, dass wir Blick nach vorne zu richten. Der von der Bundesregie- die Opfer rechtsextremer Attacken nicht alleine lassen, rung vorgelegte Haushaltsentwurf 2021 sieht ein Ausga- liebe Kolleginnen und Kollegen. benvolumen von 952 Millionen Euro für den Einzelplan 07 vor. Immerhin enthält der Entwurf einen Aufwuchs (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Canan von 3,5 Prozent. Allein im Bereich des BMJV soll eine Bayram [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Ausgabensteigerung um 10 Prozent erfolgen. Auffällig Auch im Mietrecht haben wir einiges vor. Ich habe ist ferner, dass für den Bereich des Verbraucherschutzes mich sehr darüber gefreut, wie Ministerin Lambrecht nur ein Ausgabenvolumen von 41 Millionen Euro vorge- heute die – ich nenne es mal – Privatmeinung von Herrn sehen ist; dabei soll der Zuschuss für die Stiftung Waren- Seehofer mit einer klaren Ansage gekontert hat. Wir test um 10 Prozent gekürzt werden und der Zuschuss für haben eine klare Vereinbarung, was das Umwandlungs- die Verbraucherzentrale auf Bundesebene um 2,5 Prozent. 22660 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Oktober 2020

Hans-Jürgen Thies (A) Diese Kürzungen, aber auch die Ausgabensteigerungen Vielen Dank. (C) beim BMJV sollten meines Erachtens in den weiteren (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- Haushaltsberatungen noch einmal kritisch hinterfragt ordneten der SPD) werden.

Aus dem Bereich meiner Berichterstattungen möchte Vizepräsident Thomas Oppermann: ich zwei Vorhaben kurz ansprechen, bei denen ich mir Vielen Dank. – Nächste Rednerin für die Fraktion der nunmehr ein zügiges Handeln des BMJV wünsche. FDP ist die Kollegin Katharina Willkomm. Als Erstes möchte ich auf die längst überfällige Ände- (Beifall bei der FDP) rung des Justizkosten- und des Rechtsanwaltsvergütungs- gesetzes hinweisen. Dieses Gesetz soll und muss zum Katharina Willkomm (FDP): 1. Januar 2021 in Kraft treten. Mir ist völlig klar, dass Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und es hier langwierige und schwierige Verhandlungen mit Kollegen! Bei Justiz und Verbraucherschutz will die dem Bundesrat und den Bundesländern gegeben hat; sie Regierung 952 Millionen Euro ausgeben. Die Belastung sind jetzt aber bekanntlich abgeschlossen. des Einzelplans soll netto um 22 Millionen Euro steigen. Unabhängige Rechtsanwälte sind ein wesentlicher Ist das jetzt viel oder wenig? Es kommt darauf an, was Grundpfeiler unserer Rechtspflege. Sie sind elementar man daraus macht. für unseren Rechtsstaat. Der einfache Zugang zum Recht Mit 22 Millionen Euro könnten die Grünen 150 Tests ist die notwendige Voraussetzung für einen effektiven für bunte Farbkreise auf der Bergmannstraße in Kreuz- Rechtsschutz aller Bürger. Dazu gehört auch eine aus- berg durchführen, reichende Anzahl von Rechtsanwältinnen und Rechtsan- wälten, und zwar nicht nur in den großen städtischen (Heiterkeit und Beifall bei der FDP und der Ballungsräumen, sondern auch und gerade in der Fläche, CDU/CSU – Canan Bayram [BÜNDNIS 90/ also in den ländlichen Regionen. Auch der Einzelanwalt DIE GRÜNEN]: Wer hat Ihnen das denn auf- sowie die Anwälte in kleineren und mittleren Kanzleien geschrieben?) erfüllen somit wichtige Aufgaben beim Zugang zum bevor der Regen sie wegspült. SPD und Linke würden Recht. Dort sind aber angemessene Vergütungsvereinba- damit in der Karl-Marx-Allee 366-mal Geld für Wohnun- rungen, insbesondere bei Naturalparteien, nicht immer gen ausgeben, und das, ohne dass eine einzige neue hin- durchsetzbar. Umso wichtiger sind hier auskömmliche zukommt. gesetzliche Vergütungssätze. Die Kosten des Kanzleibe- (Mechthild Rawert [SPD]: Ich mach das lieber triebs sind seit der letzten Gebührenanpassung im Jahr in meinem Wahlkreis! – Niema Movassat [DIE (B) 2013 gerade bei Personal- und Mietkosten um rund (D) LINKE]: Was macht die FDP mit dem Geld?) 20 Prozent gestiegen. Diese Kostensteigerungen werden durch die angedachte lineare Erhöhung der Gebühren um Und Anti-Verbraucherminister Scheuer könnte man 10 Prozent und durch geringfügige strukturelle Verbesse- 195 000 Faltsignale zur Markierung von Gefahrenstellen rungen nur teilweise kompensiert. Meine Bitte an die ins Ministerium stellen, Bundesregierung lautet daher: Lassen Sie die deutsche (Beifall des Abg. Stephan Thomae [FDP]) Anwaltschaft nicht im Regen stehen! Sie ist für das Funk- tionieren unseres Rechtsstaats absolut systemrelevant. wahlweise mit dem Aufdruck „Panne“, „Spur blockiert“ oder „Rohrbruch“. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und (Beifall bei der FDP) der Abg. Sonja Amalie Steffen [SPD]) Bekommt der Steuerzahler für 22 Millionen Euro mehr Abschließend möchte ich noch an die dringend erfor- gerade mal ein paar Witze? derliche Reform des Stiftungsrechtes erinnern. Das aktuelle Stiftungsrecht ist durch ein Nebeneinander von ( [CDU/CSU]: Für die FDP Landes- und Bundesrecht gekennzeichnet. Entsprechend schon!) den Vorschlägen der Bund-Länder-Arbeitsgruppe ist eine Nein. Steuerzahler, Rechtsuchende und Verbraucher Vereinheitlichung des Stiftungsrechts mit abschließenden erwarten, dass die Bundesregierung mit jedem einzelnen Regelungen im BGB sinnvoll. Dazu sollte auch ein ein- Euro sorgsam umgeht, dass sie Geld investiert in bessere heitliches Stiftungsregister gehören. Mehr als 23 000 Voraussetzungen für neues Wachstum und Wohlstand, für Stiftungen des Privatrechts in Deutschland benötigen Bürgerrechte und Rechtsstaatlichkeit und dass sie im ein klar strukturiertes Regelwerk, mit dem sie rechtssi- Zweifel eher spart, damit für die nächste Generation cher umgehen können. Millionen von Menschen sind in noch was im Büggel ist. Deutschland freiwillig und im Ehrenamt für das Gemein- Forschung, Information, Innovation – was steckt hinter wohl aktiv, viele davon in gemeinnützigen Stiftungen. diesen Schlagwörtern im BMJV-Haushalt, außer dem Dieses Engagement muss der Bundesgesetzgeber durch Budget der Verbraucherzentrale und der Stiftung Waren- ein modernes Stiftungsrecht unterstützen. test? Frau Lambrecht, was sind das für Projekte zu Cor- Liebe Kolleginnen und Kollegen, den im Koalitions- porate Digital Responsibility, für die Sie den Etat gleich vertrag angelegten Pakt für den Rechtsstaat müssen wir verdoppeln? Warum steckt das Justizministerium deut- weiterentwickeln. Ich bitte Sie, daran mit konstruktiven sches Steuergeld in ein Institut für strategischen Dialog Vorschlägen mitzuwirken. In diesem Sinne freue ich mit Sitz in London und Karl-Theodor zu Guttenberg im mich auf die weiteren Haushaltsberatungen. Vorstand? Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Oktober 2020 22661

Katharina Willkomm (A) (Sebastian Steineke [CDU/CSU]: Guter Selbst die erfahrensten Kriminalbeamten sind an die (C) Mann!) Grenzen des menschlich Erträglichen gestoßen und Wie Ihre finanziellen Prioritäten, so Ihr rechtlicher Ge- weit darüber hinaus. staltungsanspruch: Von der Unmet-Legal-Needs- bzw. Das hat er gesagt zu dem, was dort an Bildern, an Ereig- Rechtsbedarfsstudie haben wir eben schon gehört. nissen zutage gefördert wurde. Ich glaube, das ist ein Wenn das Geld immer knapper wird, was läge näher, guter Zeitpunkt, mal den Polizeibeamtinnen und Polizei- als zu prüfen, wie die Mittel besser eingesetzt werden beamten Danke zu sagen, die in diesem Bereich tätig sind könnten, für effizienten Rechtsschutz und Vertrauen in und jeden Tag mit Ereignissen und Bildern zu tun haben, den Rechtsstaat? die sie unter Umständen ein ganzes Leben nicht loslas- (Beifall bei der FDP) sen. Dafür ein herzliches Vergelt’s Gott! Aber da kommt von Ihnen nichts. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie Der kollektive Rechtsschutz ist ein großes Verbrau- bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und cherschutzthema. Neulich hatten wir eine Anhörung des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des zum KapMuG. Die Experten sagen: Digitalisieren Sie Abg. Dr. [AfD]) das Gesetz! Beschleunigen Sie die Verfahren! – Und Was wir bei der analytischen Betrachtung der Ereig- was macht die GroKo? Sie wird die Geltungsdauer dieses nisse in Münster feststellen müssen, ist, dass es sich dabei Gesetzes um drei Jahre verlängern – unberührt und unge- um ein Paradebeispiel für die Herausforderung handelt, rührt. der wir heute im Bereich der Bekämpfung von Kinder- Zum Mietendeckel. Der Wohnungsmarkt ist ein Rie- pornografie und Kindesmissbrauch gegenüberstehen. senproblem für viele Verbraucherinnen und Verbraucher. Gefunden wurde eine professionelle IT-Ausstattung, Aber die Justizministerin bremst jeden Anreiz, zusätz- Speichervolumen von bis zu 500 Terabyte. Nur zur In- liche Mietwohnungen anzubieten. In Berlin beschließt formation: Auf 1 Terabyte kann man zwischen 250 und Rot-Rot-Grün einen Mietendeckel, der Verfassungsrech- 2 Millionen Bilder abspeichern. Fachleute sagen, dass es te des Bundes verletzt. für einen einzelnen Beamten je nach Endgerät 30 Jahre (Victor Perli [DIE LINKE]: Das ist doch dauern würde, das gesamte Material, das dort vorgefun- Unsinn! – Niema Movassat [DIE LINKE]: den worden ist, zu sichten. Es ging um hundertfachen Das ist doch völlig unklar! Das ist gar nicht Missbrauch, minutiös verabredet und geplant, der millio- rechtlich geklärt!) nenfach in Sekundenschnelle ins Netz gestellt wurde und Ist das ein Thema für die Verfassungsministerin? Nein, damit um die Welt gegangen ist. (B) antwortet Frau Lambrecht: Also, zum Mietendeckel sage Wir merken, dass die digitale Welt eine ganz neue (D) ich nichts; das ist ja ein Landesgesetz. Dimension an Sexualstraftaten und eine ganz neue Meine Damen und Herren, das ist keine Politik für die Dimension an Unrechtsgehalt möglich macht. Wenn Sie Zukunft. Finanziell und rechtsgestaltend – das ist zu sich an die 80er- und 90er-Jahre erinnern, dann stellen Sie wenig. fest, dass Kinderpornografie in Form von Booklets mit 10 Vielen Dank. bis 20 Bildern gehandelt wurde und alles in der analogen (Beifall bei der FDP – Victor Perli [DIE LIN- Welt stattfand: Kontaktaufnahme in der analogen Welt, KE]: Immobilienlobbyismus!) Verabredung mit anderen in der analogen Welt, Übergabe von Datenträgern in der analogen Welt – alles immer verbunden mit dem Risiko der Entdeckung. Heute nutzen Vizepräsident Thomas Oppermann: die Täter die Anonymität im Netz schon, um mit dem Vielen Dank. – Nächster Redner für die Fraktion der Opfer Kontakt aufzunehmen. Sie können sich im Schutz CDU/CSU ist der Kollege Alexander Hoffmann. des Netzes verabreden und verbreiten das Material mil- (Beifall bei der CDU/CSU) lionenfach im Netz, nie wieder zurückholbar; darauf komme ich noch zu sprechen. Alexander Hoffmann (CDU/CSU): Wir merken, Frau Ministerin: Der Rechtsstaat muss Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen mit der Zeit gehen. Wir haben Straftatbestände, gerade und Kollegen! Sehr geehrte Frau Ministerin! Eine Haus- im Bereich der sexuellen Gewalt gegen Kinder, die haltsdebatte ist immer auch ein guter Zeitpunkt für eine eigentlich Unrechtsgehalt vor allem in der analogen Standortbestimmung. Kurz vor Beginn des letzten Jahres Welt abbilden. Deshalb brauchen wir – da sind wir uns dieser Legislaturperiode ist es, glaube ich, gut, dass wir einig – Verschärfungen, die eben auch das Unrechtspo- auch noch mal fokussieren: Was wollen wir denn noch tenzial abbilden können, das wir heute wie im Fall Müns- anpacken? ter tatsächlich erleben. Da – gestatten Sie mir den Hin- Ich möchte meine Redezeit vor allem für ein Thema weis – empfinden wir von der Union – auch wir von der nutzen, das uns im Sommer alle, glaube ich, durchaus CSU – Ihren vorgelegten Referentenentwurf als zu zag- emotional aufgewühlt hat. Das sind die Missbrauchsfälle haft. Es hat letzte Woche eine Ressortabstimmung mit in Münster und Bergisch-Gladbach gewesen. Was mich dem Bundesinnenministerium gegeben, und ich bin dem bis heute nicht loslässt, ist ein Satz, der damals ins Land Bundesinnenminister Horst Seehofer sehr dankbar, dass ging. Er ist gesagt worden von dem in Münster ermitteln- da verschiedene Vorschläge zur Verschärfung unterbrei- den Oberstaatsanwalt Martin Botzenhardt. Er hat gesagt – tet wurden – das war ein ganz bunter Strauß –, und fast Herr Präsident, ich zitiere – : alle wurden von Ihrem Haus bzw. von Ihnen abgelehnt. 22662 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Oktober 2020

Alexander Hoffmann (A) Wir haben jetzt festgestellt – vorgestern fand ein Ge- Ich glaube, angesichts dieses Unrechtsgehalts muss der (C) spräch dazu statt –, dass Bewegung reinkommt. Ich will Rechtsstaat eine Antwort darauf finden. Deswegen bitte mal mehrere Themenfelder herausgreifen. Das eine ist ich Sie: Lassen Sie die Diskussion um die lebenslange der Bereich „Kindersexpuppen in Deutschland“. Sie Freiheitsstrafe in besonders schweren Fällen, wie sie haben gestern, Frau Ministerin, glücklicherweise ange- vom Innenministerium angestoßen worden ist, bitte zu. kündigt, dass Sie sich dort eine Bewegung vorstellen Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. können. (Beifall bei der CDU/CSU – Mechthild Rawert (Zuruf der Bundesministerin Christine [SPD]: Wenn er zulässt, Präventionsangebote Lambrecht) auszubauen!) – Nein, ist es eben nicht. Das ist genau die Reaktion Ihres Hauses. – Meine Damen, meine Herren, Sie können im Vizepräsident Thomas Oppermann: Moment in Deutschland Kindersexpuppen legal bestellen Vielen Dank. – Nächster Redner ist der Kollege und besitzen, Markus Uhl für die Fraktion der CDU/CSU. (Mechthild Rawert [SPD]: Stimmt doch gar (Beifall bei der CDU/CSU) nicht! – Gegenruf des Abg. Sebastian Steineke [CDU/CSU]: Doch!) Markus Uhl (CDU/CSU): ohne dass sich daran eine strafrechtliche Sanktion knüpft. Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten (Sebastian Steineke [CDU/CSU]: So ist es!) Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Heute vor einem Jahr, in der Haushaltsdebatte, waren Die Behauptung Ihres Hauses, dass so etwas unter § 184b wir in Erwartung des siebten ausgeglichenen Haushalts StGB fallen würde, ist letztendlich nicht richtig; denn in Folge – zum siebten Mal die schwarze Null. Und dann wenn die Puppe angezogen ist, sehen Sie eben keinerlei kam alles anders. Bedingt durch die Coronapandemie kinderpornografische Bestandteile. haben wir eine Rekordneuverschuldung. (Sebastian Steineke [CDU/CSU]: So ist es!) Das Geld, das wir in die Hand nehmen, ist gut angelegt. Das ist das große Problem, und da wünschen wir uns von Wir stärken das Gesundheitssystem, wir mildern die wirt- Ihnen mehr Aufgeschlossenheit. Ich glaube, von diesem schaftlichen und die sozialen Folgen dieser Pandemie, Haus muss auch das gesellschaftspolitische Signal aus- und wir stellen Deutschland zukunftsfähig auf. Das kön- gehen, dass wir so etwas in unserem Land nicht wollen. nen wir nur, weil wir in der Vergangenheit gut und solide Nicht umsonst gibt es ein entsprechendes Verbot in Däne- gewirtschaftet haben. (B) (D) mark und in Australien sowie eine Bundesratsinitiative (Beifall bei der CDU/CSU) von Nordrhein-Westfalen. Aber es gilt jetzt auch, die Generationengerechtigkeit zu (Beifall bei der CDU/CSU) wahren, auf finanzielle Nachhaltigkeit zu achten, die Meine Damen, meine Herren, noch zwei Themenfel- Schulden wieder zurückzufahren und möglichst schnell der. Ich glaube schon, dass die lebenslange Speicherung zur schwarzen Null zurückzukehren. im Bundeszentralregister richtig ist. Wenn man sich mit (Mechthild Rawert [SPD]: Geschlechterge- dem Phänomen beschäftigt, dann weiß man, dass Pädo- rechtigkeit!) philie Wiederholungsgefahr birgt, weil das auf einen Gendefekt des Täters zurückzuführen ist. Das ist unsere Verantwortung für unsere Kinder und Enkel. (Mechthild Rawert [SPD]: Nicht nur!) Meine Damen und Herren, der Haushalt des Bundes- Weil das so ist, Frau Ministerin, spricht sehr viel dafür, ministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz ist dass solche Täter in ihrem ganzen Leben nie wieder mit traditionell der kleinste Ressorteinzelplan; das haben Kindern zu tun haben sollten – als Betreuer, als Übungs- wir heute schon mehrfach gehört. Ich will aber an dieser leiter und dergleichen. Das ist keine Stigmatisierung, son- Stelle betonen, dass dieser Ressorteinzelplan hohe Ein- dern einfach eine Vorsichtsmaßnahme. nahmen erzielt durch das Deutsche Patent- und Marken- Frau Ministerin, das Innenministerium hat auch das amt und das Bundesamt für Justiz, nämlich Einnahmen in Thema „Lebenslange Freiheitsstrafe für besonders Höhe von 624 Millionen Euro. Damit ist er der Ressort- schwere Fälle des sexuellen Missbrauchs“ ins Gespräch einzelplan mit der höchsten Deckungsquote. gebracht. Wenn wir uns den Fall in Münster anschauen, Und er ist im Wesentlichen ein Verwaltungshaushalt: erkennen wir: Es gibt eben nicht nur Unrechtsgehalt auf Mehr als 80 Prozent der Ausgaben sind gebunden als der einen Ebene, nämlich in der analogen Welt, mit dem Personal- und Sachausgaben. Diese Ausgaben sind daher sexuellen Übergriff an sich, sondern es entsteht auch eine kaum steuerbar. Sie sind verfassungsrechtlich begründet ganz neue Dimension des Unrechts in dem Moment, wo durch den Justizgewährungsanspruch und durch die solche Bilder und Filme aufgenommen werden, wo sie Strafverfolgungspflicht des Generalbundesanwalts. Das millionenfach um die Welt gehen. Das Opfer leidet sein sind ganz wichtige Wesensmerkmale unseres Rechtsstaa- ganzes Leben lang unter diesen Bildern und Eindrücken. tes. Wir haben unseren Rechtsstaat in den vergangenen Es wird Opfer geben, die sich unter Umständen wün- Jahren zum Beispiel mit dem Pakt für den Rechtsstaat schen, lieber tot zu sein, als ein solches Leben weiter- gestärkt, und wir stärken ihn mit diesem Haushaltsent- zuführen. wurf auch weiter. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Oktober 2020 22663

Markus Uhl (A) (Beifall bei der CDU/CSU) Herren, schnelle Verfahren stärken das Vertrauen in den (C) Rechtsstaat und führen zu einer Entlastung der Justiz und Dabei kann man festhalten: Dieser Rechtsstaat funk- letztlich zu größerer Rechtssicherheit und Akzeptanz. tioniert, und er funktioniert auch in Zeiten einer weltwei- ten Pandemie. Das liegt zum einen an den zügig beschlos- Was für den Bund im Gesamten gilt, gilt im Speziellen senen gesetzlichen Änderungen, die wir hier in diesem auch für den Einzelplan 07: einerseits die Folgen der Hohen Hause auf den Weg gebracht haben, und zum Pandemie mildern, andererseits unser Land stark für die anderen auch an all denjenigen, die in und für diesen Zukunft aufstellen. Daher ist es gut und richtig, dass im Rechtsstaat arbeiten: an den Richtern, den Staatsanwäl- Zuge des Konjunktur- und Krisenbewältigungspakets in ten, den Rechtspflegern und den Bediensteten im Straf- diesem Jahr mehr als 12,6 Millionen Euro für die weitere vollzug. Deshalb an dieser Stelle all denjenigen ein herz- Digitalisierung der obersten Bundesgerichte zur Verfü- liches Dankeschön für ihren Einsatz! gung stehen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. „Stark aufstellen für die Zukunft“ heißt aber auch, die Dagmar Ziegler [SPD]) Innovationskraft Deutschlands auszubauen und zu schüt- zen. Dazu gehört gerade auch in schwierigen Zeiten der Weil wir heute den 1. Oktober haben und es bisher Schutz des geistigen Eigentums. Deshalb war es in den leider noch niemand in dieser Debatte angesprochen vergangenen Jahren gerade meiner Fraktion, der CDU/ hat, will ich auch einen herzlichen Glückwunsch ausrich- CSU, ein besonderes Anliegen, im parlamentarischen ten. Heute auf den Tag genau wird nämlich eines unserer Verfahren das Deutsche Patent- und Markenamt personell obersten Bundesgerichte 70 Jahre alt: Der Bundesge- zu stärken. Daher freue ich mich, dass dieses Jahr 141 richtshof wurde am 1. Oktober 1950 gegründet. Wir stär- zusätzliche Stellen für das Patent- und Markenamt im ken ihn auch in diesem Haushalt personell weiter. Daher: Regierungsentwurf vorgesehen sind. Dadurch senken Herzlichen Glückwunsch an die Richterinnen und Rich- wir weiter die Bearbeitungsdauer bei Patentprüfungen, ter am Bundesgerichtshof in Karlsruhe und Leipzig! und wir stärken den Innovationsschutz unserer Wirt- schaft. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- neten der SPD, der FDP, der LINKEN und des Zum Schluss, meine Damen und Herren: Ich glaube, BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) der vorgelegte Regierungsentwurf bildet die richtigen Schwerpunkte ab. An der einen oder anderen Schraube Meine Damen und Herren, ich möchte ein Beispiel müssen wir noch drehen; das werden wir im Zuge der dafür anfügen, wie die Herausforderungen der Corona- parlamentarischen Beratungen auch tun. Darauf freue pandemie im Bereich der Justiz sozusagen Beschleuniger ich mich. (B) für die Digitalisierung waren. Gerade vorgestern gab es (D) bei mir in der Heimat am Landgericht Saarbrücken vor Herzlichen Dank. der 7. Zivilkammer eine Verhandlung. Gegenstand war (Beifall bei der CDU/CSU) ein Markenrechtsstreit, in dem es um die Berechtigung an einer Internetdomain ging. Die Parteien hatten ihren Sitz in Frankreich, in Malta und in Deutschland. Zwei Par- Vizepräsident Thomas Oppermann: teien wurden bei dem Termin vor Ort durch ihre Rechts- Vielen Dank. – Weitere Wortmeldungen zum Haus- anwälte vertreten, die dritte Partei durch einen Rechts- haltsentwurf des Bundesministeriums der Justiz und für anwalt, der von Berlin aus zugeschaltet wurde. Die Verbraucherschutz liegen nicht vor. Deshalb kommen wir eigentlichen Parteien aus Frankreich und Malta wurden jetzt zu einer Reihe von Abstimmungen. ebenfalls per Video zugeschaltet. Diese Verhandlung Ich rufe die Tagesordnungspunkte 3 a bis 3 d sowie 3 f konnte dank des Einsatzes von Videokonferenztechnik bis 3 h und die Zusatzpunkte 1 a bis 1 h auf. Es handelt viel schneller zustande kommen – und vor allen Dingen sich um Überweisungen im vereinfachten Verfahren auch zu viel geringeren Kosten. ohne Debatte. Es gibt unzählige andere Beispiele, meine Damen und Wir kommen zunächst zu den unstrittigen Überwei- Herren, wo dank des Einsatzes von Videokonferenztech- sungen. Tagesordnungspunkte 3 a bis 3 c und 3 f bis nik gerade bei Verfahren mit ausländischen Beteiligten 3 h sowie Zusatzpunkte 1 a bis 1 h: oder mit vielen Sachverständigen mit langen Anfahrts- wegen die Verfahrensdauern in der Pandemie sogar kür- 3 a) Erste Beratung des von den Abgeordneten zer als sonst üblich waren. Das Ganze geht zurück auf Albrecht Glaser, Tobias Matthias Peterka, § 128a ZPO. Den gibt es bereits seit 18 Jahren; aber so Jochen Haug, weiteren Abgeordneten und richtig zur Anwendung gekommen ist er, glaube ich, erst der Fraktion der AfD eingebrachten Ent- jetzt. wurfs eines … Gesetzes zur Änderung des Bundeswahlgesetzes Frau Ministerin, ich glaube, an der Stelle geht noch Drucksache 19/22894 mehr, und es gibt noch mehr Möglichkeiten, die Chancen der Digitalisierung auch wirklich zu nutzen, sodass sie Überweisungsvorschlag: zum Vorteil aller Beteiligten ist. Ich sage nur: Gütever- Ausschuss für Inneres und Heimat handlung, die Anwesenheit der Beisitzer vor Ort im b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Gerichtssaal und Freiwillige Gerichtsbarkeit. Lassen Sie Ulrich Oehme, Armin-Paulus Hampel, uns da gemeinsam genau hinschauen, was noch geht und , Uwe Schulz und der welche Anpassungen möglich sind. Meine Damen und Fraktion der AfD 22664 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Oktober 2020

Vizepräsident Thomas Oppermann (A) Verifikationsregime des Biowaffenüber- Behördenfehler durch Software vermei- (C) einkommens vorantreiben den Drucksache 19/22820 Drucksache 19/22891

Überweisungsvorschlag: Überweisungsvorschlag: Auswärtiger Ausschuss (f) Ausschuss für Inneres und Heimat (f) Verteidigungsausschuss Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz Ausschuss für Gesundheit b) Beratung des Antrags der Abgeordneten c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Roman Müller-Böhm, Stephan Thomae, Thomas Seitz, Sebastian Münzenmaier, Renata Alt, weiterer Abgeordneter und der Dr. , weiterer Abgeordneter Fraktion der FDP und der Fraktion der AfD Adjudikation in Zeiten der COVID-19- Einsetzung eines 4. Untersuchungsaus- Pandemie schusses der 19. Wahlperiode (Sars-CoV- 2-Pandemie) Drucksache 19/22892 Überweisungsvorschlag: Drucksache 19/22832 Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz Überweisungsvorschlag: c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung Dr. h. c. Thomas Sattelberger, Katja Suding, f) Beratung des Antrags der Abgeordneten Michael Theurer, weiterer Abgeordneter und René Springer, Marc Bernhard, Petr Bystron, der Fraktion der FDP weiterer Abgeordneter und der Fraktion der Forschungsfertigung Batteriezelle – Bun- AfD desministerium für Bildung und For- Mehr Redlichkeit in der Fleischwirtschaft schung muss Klarheit schaffen und faire Löhne für Leiharbeiter Drucksache 19/22893

Drucksache 19/22923 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschät- Überweisungsvorschlag: zung (f) Ausschuss für Arbeit und Soziales (f) Ausschuss für Wirtschaft und Energie Ausschuss für Inneres und Heimat Haushaltsausschuss Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz Ausschuss für Wirtschaft und Energie d) Beratung des Antrags der Abgeordneten (B) g) Beratung des Antrags der Abgeordneten Renate Künast, Dr. Konstantin von Notz, (D) , Marcus Bühl, Martin Tabea Rößner, weiterer Abgeordneter und Hohmann, weiterer Abgeordneter und der der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Fraktion der AfD Gesetz zur Bekämpfung von Rechtsextre- Antrag auf Abstrakte Normenkontrolle mismus und Hasskriminalität unverzüg- beim Bundesverfassungsgericht gemäß lich verfassungskonform ausgestalten Artikel 93 Absatz 1 Nummer 2 des Grund- Drucksache 19/22888 gesetzes wegen des Gesetzes über die Fest- Überweisungsvorschlag: stellung eines Zweiten Nachtrags zum Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz (f) Bundeshaushaltsplan für das Haushalts- Ausschuss für Inneres und Heimat jahr 2020 (Zweites Nachtragshaushaltsge- Sportausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Energie setz 2020) Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe Drucksache 19/22926 Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschät- zung Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Kultur und Medien Haushaltsausschuss Ausschuss Digitale Agenda Ausschuss für Bau, Wohnen, Stadtentwicklung und Kommunen h) Beratung des Antrags der Abgeordneten Haushaltsausschuss Jochen Haug, Dr. Gottfried Curio, Martin e) Beratung des Antrags der Abgeordneten Hess, weiterer Abgeordneter und der Frak- Claudia Müller, Annalena Baerbock, Katrin tion der AfD Göring-Eckardt, weiterer Abgeordneter Versammlungen zur Aufstellung von Kan- und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- didaten für die Bundestagswahl trotz NEN Corona ermöglichen Vielfältig, offen, gerecht – Eine gemeinsa- Drucksache 19/22925 me Geschichte und Vision für Deutschland 30 Jahre nach der Wiedervereinigung Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Inneres und Heimat Drucksache 19/22890

ZP 1 a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Überweisungsvorschlag: Roman Müller-Böhm, Stephan Thomae, Ausschuss für Wirtschaft und Energie (f) Ausschuss für Inneres und Heimat Renata Alt, weiterer Abgeordneter und der Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz Fraktion der FDP Ausschuss für Arbeit und Soziales Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Oktober 2020 22665

Vizepräsident Thomas Oppermann (A) Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Überweisungsvorschlag: (C) Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschät- Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft (f) zung Ausschuss für Inneres und Heimat (f) Ausschuss für Kultur und Medien Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz Ausschuss für Bau, Wohnen, Stadtentwicklung und Kommunen Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit Haushaltsausschuss Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Federführung strittig f) Beratung des Antrags der Abgeordneten Martin Sichert, René Springer, Jürgen Pohl, Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf weiterer Abgeordneter und der Fraktion der Drucksache 19/22924 an die in der Tagesordnung aufge- AfD führten Ausschüsse vorgeschlagen. Die Fraktionen der CDU/CSU und SPD wünschen Federführung beim Aus- Keine Ratifikation des Fakultativproto- schuss für Ernährung und Landwirtschaft. Die Fraktion kolls zum VN-Sozialpakt der AfD wünscht Federführung beim Ausschuss für Inne- Drucksache 19/22927 res und Heimat.

Überweisungsvorschlag: Ich lasse zunächst über den Überweisungsvorschlag Ausschuss für Arbeit und Soziales (f) der Fraktion der AfD abstimmen. Wer stimmt für diesen Auswärtiger Ausschuss Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe Überweisungsvorschlag? – Das ist die AfD. Wer stimmt dagegen? – Das sind alle anderen Fraktionen des Hauses. g) Beratung des Antrags der Abgeordneten Enthaltungen sehe ich nicht. Damit ist der Überweisungs- Ulrike Schielke-Ziesing, René Springer, vorschlag abgelehnt. Uwe Witt, Martin Sichert und der Fraktion der AfD Ich lasse nun über den Überweisungsvorschlag der Fraktionen CDU/CSU und SPD, Federführung beim Gesetzliche Rentenversicherung stabilisie- Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft, abstim- ren – Klarheit zu den nicht beitragsge- men. Wer stimmt für diesen Überweisungsvorschlag? – deckten Leistungen Das sind alle Fraktionen des Hauses mit Ausnahme der Drucksache 19/22928 AfD. Wer stimmt dagegen? – Die AfD. Damit ist der Überweisungsvorschlag angenommen. Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Arbeit und Soziales (f) Ich rufe die Tagesordnungspunkte 4 a bis 4 r sowie die Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz Zusatzpunkte 2 a bis 2 c auf. Es handelt sich um die Finanzausschuss Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Beschlussfassung zu Vorlagen, zu denen keine Aus- Haushaltsausschuss sprache vorgesehen ist. (B) h) Beratung des Antrags der Abgeordneten Tagesordnungspunkt 4 a: (D) Uwe Witt, René Springer, Ulrike Schielke- Beratung der Beschlussempfehlung und des Be- Ziesing, weiterer Abgeordneter und der Frak- richts des Haushaltsausschusses (8. Ausschuss) tion der AfD – zu dem Antrag des Bundesministeriums der Kein Ausschluss der Teilhabe von Men- Finanzen schen mit geistiger oder mehrfacher Behinderung in Krankenhäusern oder Entlastung der Bundesregierung für das Reha-Einrichtungen Haushaltsjahr 2018 – Haushalts- und Vermögensrechnung des Drucksache 19/22929 Bundes für das Haushaltsjahr 2018 – Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Arbeit und Soziales (f) – zu der Unterrichtung durch den Bundesrech- Ausschuss für Gesundheit nungshof Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Vorlagen an Bemerkungen des Bundesrechnungshofes die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse zu 2019 zur Haushalts- und Wirtschaftsführung überweisen. – Andere Vorschläge sehe ich nicht. Dann des Bundes (einschließlich der Feststellungen wird so verfahren wie vorgeschlagen. zur Haushaltsrechnung und zur Vermögens- rechnung 2018) Wir kommen nun zu einer Überweisung, bei der die Federführung strittig ist. – zu der Unterrichtung durch den Bundesrech- nungshof Tagesordnungspunkt 3 d: Bemerkungen des Bundesrechnungshofes Beratung des Antrags der Abgeordneten Martin 2019 zur Haushalts- und Wirtschaftsführung Hess, Dr. Bernd Baumann, Dr. Gottfried Curio, des Bundes weiterer Abgeordneter und der Fraktion der AfD – Ergänzungsband – Kein pauschales Verbot bestimmter Muni- Drucksachen 19/11040, 19/15700, 19/16194 tionsarten durch die Hintertür – Spielräume Nr. 1, 19/18300, 19/18779 Nr. 1.11, 19/20804 zur weiteren Verwendung rechtzeitig schaffen Unter Nummer 1 seiner Beschlussempfehlung emp- sowie Freiwilligkeit und Eigenverantwortung fiehlt der Haushaltsausschuss aufgrund a) des Antrags stärken des Bundesministeriums der Finanzen auf Drucksache Drucksache 19/22924 19/11040 und b) der Bemerkungen des Bundesrech- 22666 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Oktober 2020

Vizepräsident Thomas Oppermann (A) nungshofes 2019 auf Drucksachen 19/15700 und Tagesordnungspunkt 4 d: (C) 19/18300, die Entlastung der Bundesregierung für das Beratung der Beschlussempfehlung des Peti- Haushaltsjahr 2018 zu erteilen. Die Entlastung umfasst tionsausschusses (2. Ausschuss) auch die Rechnung der Sondervermögen des Bundes, für die kein abweichendes Entlastungsverfahren vorgesehen Sammelübersicht 618 zu Petitionen ist. Wer stimmt für die Entlastung der Bundesregierung Drucksache 19/22618 und für diese Beschlussempfehlung? – Das sind die Frak- tionen SPD, CDU/CSU und FDP. Wer stimmt dagegen? – Das sind insgesamt 66 Petitionen. Wer stimmt dafür? – Das sind die AfD, die Grünen und Die Linke. Damit ist Das sind alle Fraktionen. Gegenstimmen und Enthaltun- die Beschlussempfehlung mit der Mehrheit von SPD, gen sehe ich nicht. Damit ist die Sammelübersicht ange- CDU/CSU und FDP angenommen. nommen. Unter Nummer 2 der Beschlussempfehlung empfiehlt Tagesordnungspunkt 4 e: der Haushaltsausschuss, die Bundesregierung aufzu- Beratung der Beschlussempfehlung des Peti- fordern, a) bei der Aufstellung und Ausführung der Bun- tionsausschusses (2. Ausschuss) deshaushaltspläne die Feststellungen des Haushaltsaus- schusses zu den Bemerkungen des Bundesrechnungsh- Sammelübersicht 619 zu Petitionen ofes zu befolgen, b) Maßnahmen zur Steigerung der Drucksache 19/22619 Wirtschaftlichkeit unter Berücksichtigung der Entschei- dungen des Ausschusses einzuleiten oder fortzuführen Das sind insgesamt 90 Petitionen. Wer stimmt dafür? – und c) die Berichtspflichten fristgerecht zu erfüllen, da- Das sind wiederum alle Fraktionen. Keine Enthaltungen, mit eine zeitnahe Verwertung der Ergebnisse bei den keine Gegenstimmen. Damit ist die Sammelübersicht Haushaltsberatungen gewährleistet ist. Wer stimmt für angenommen. diese Beschlussempfehlung? – Das ist das ganze Haus. Tagesordnungspunkt 4 f: Wer stimmt dagegen? – Niemand. Enthaltungen sehe ich auch nicht. Damit ist die Beschlussempfehlung einstim- Beratung der Beschlussempfehlung des Peti- mig angenommen. tionsausschusses (2. Ausschuss) Tagesordnungspunkt 4 b: Sammelübersicht 620 zu Petitionen Beratung der Beschlussempfehlung und des Drucksache 19/22620 Berichts des Haushaltsausschusses (8. Ausschuss) Das sind 26 Petitionen. Wer stimmt dafür? – Das sind zu dem Antrag des Präsidenten des Bundesrech- die Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP und AfD. (B) nungshofes Gegenstimmen? – Die Linke. Enthaltungen? – Die Grü- (D) nen. Damit ist bei Enthaltung der Grünen gegen die Stim- Rechnung des Bundesrechnungshofes für das men der Linken die Sammelübersicht von der übrigen Haushaltsjahr 2019 Mehrheit des Hauses angenommen. – Einzelplan 20 – Tagesordnungspunkt 4 g: Drucksachen 19/19847, 19/20805 Beratung der Beschlussempfehlung des Peti- Wer stimmt für Nummer 1 der Beschlussempfehlung, tionsausschusses (2. Ausschuss) also die Feststellung der Erfüllung der Vorlagepflicht? – Sammelübersicht 621 zu Petitionen Das ist das ganze Haus. Gegenstimmen und Enthaltungen sehe ich nicht. Damit ist die Beschlussempfehlung ange- Drucksache 19/22621 nommen. Das sind 16 Petitionen. Wer stimmt dafür? – Das sind Wer stimmt für Nummer 2 der Beschlussempfehlung, alle Fraktionen mit Ausnahme der AfD. Wer stimmt also die Erteilung der Entlastung? – Das ist wieder das dagegen? – Das ist die AfD. Enthaltungen sehe ich nicht. ganze Haus. Gegenstimmen und Enthaltungen sehe ich Damit ist die Sammelübersicht gegen die Stimmen der nicht. Damit ist auch diese Beschlussempfehlung ein- AfD von der Mehrheit des Hauses angenommen. stimmig angenommen. Tagesordnungspunkt 4 h: Tagesordnungspunkte 4 c bis 4 r. Wir kommen zu den Beratung der Beschlussempfehlung des Peti- Beschlussempfehlungen des Petitionsausschusses. tionsausschusses (2. Ausschuss) Tagesordnungspunkt 4 c: Sammelübersicht 622 zu Petitionen Beratung der Beschlussempfehlung des Peti- Drucksache 19/22622 tionsausschusses (2. Ausschuss) Das sind 63 Petitionen. Wer stimmt dafür? – Das sind Sammelübersicht 617 zu Petitionen alle Fraktionen des Hauses. Keine Enthaltungen, keine Drucksache 19/22617 Gegenstimmen. Damit ist diese Sammelübersicht eben- falls angenommen. Dabei handelt es sich um nicht weniger als 99 Petitio- Tagesordnungspunkt 4 i: nen. Wer stimmt dafür? – Alle Fraktionen. Gegenstim- men und Enthaltungen sehe ich nicht. Damit ist die Sam- Beratung der Beschlussempfehlung des Peti- melübersicht 617 einstimmig angenommen. tionsausschusses (2. Ausschuss) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Oktober 2020 22667

Vizepräsident Thomas Oppermann (A) Sammelübersicht 623 zu Petitionen Das sind zwei Petitionen. Wer stimmt dafür? – Das (C) Drucksache 19/22623 sind alle Fraktionen mit Ausnahme von AfD und FDP. Wer stimmt dagegen? – FDP und AfD. Enthaltungen sehe Das sind drei Petitionen. Wer stimmt dafür? – Das sind ich nicht. Damit ist auch diese Sammelübersicht mehr- alle Fraktionen mit Ausnahme der FDP. Gegenstim- heitlich angenommen. men? – FDP. Enthaltungen sehe ich nicht. Damit ist die Sammelübersicht gegen die Stimmen der FDP von der Tagesordnungspunkt 4 o: übrigen Mehrheit des Hauses angenommen. Beratung der Beschlussempfehlung des Peti- Tagesordnungspunkt 4 j: tionsausschusses (2. Ausschuss) Beratung der Beschlussempfehlung des Peti- Sammelübersicht 629 zu Petitionen tionsausschusses (2. Ausschuss) Drucksache 19/22629 Sammelübersicht 624 zu Petitionen Das sind fünf Petitionen. Drucksache 19/22624 Das sind sieben Petitionen. Wer stimmt dafür? – Alle Hierzu weise ich darauf hin, dass eine Erklärung zur Abstimmung gemäß § 31 der Geschäftsordnung des Bun- Fraktionen mit Ausnahme der AfD. Wer stimmt dage- 1) gen? – Das ist die AfD. Enthaltungen sehe ich nicht. destages vorliegt . Wer ist für diese Sammelübersicht? – Damit ist die Sammelübersicht gegen die Stimmen der CDU/CSU, AfD und SPD. Wer stimmt dagegen? – Das AfD von der Mehrheit des Hauses angenommen. sind FDP, Grüne und Linke. Enthaltungen sehe ich nicht. Damit ist die Sammelübersicht gegen die Stimmen von Tagesordnungspunkt 4 k: FDP, Grünen und Linken von der Mehrheit des Hauses Beratung der Beschlussempfehlung des Peti- angenommen. tionsausschusses (2. Ausschuss) Tagesordnungspunkt 4 p: Sammelübersicht 625 zu Petitionen Beratung der Beschlussempfehlung des Peti- Drucksache 19/22625 tionsausschusses (2. Ausschuss) Das sind sechs Petitionen. Wer stimmt dafür? – Das Sammelübersicht 630 zu Petitionen sind alle Fraktionen mit Ausnahme der Grünen und Lin- ken. Wer stimmt dagegen? – Das sind Grüne und Linke. Drucksache 19/22630 Enthaltungen sehe ich nicht. Damit ist die Sammelüber- Das sind zwei Petitionen. Wer stimmt dafür? – Das sicht gegen die Stimmen von Grünen und Linken mit der sind die FDP, CDU/CSU und SPD. Wer stimmt dage- (B) Mehrheit des Hauses angenommen. (D) gen? – Das sind AfD, Grüne und Linke. Wiederum ist, Tagesordnungspunkt 4 l: mangels Enthaltungen, von der Mehrheit des Hauses Beratung der Beschlussempfehlung des Peti- gegen die Stimmen von AfD, Grünen und Linken die tionsausschusses (2. Ausschuss) Sammelübersicht angenommen. Sammelübersicht 626 zu Petitionen Tagesordnungspunkt 4 q: Drucksache 19/22626 Beratung der Beschlussempfehlung des Peti- Das ist nur eine Petition. Wer stimmt dafür? – CDU/ tionsausschusses (2. Ausschuss) CSU, SPD, Grüne und AfD. Wer stimmt dagegen? – FDP Sammelübersicht 631 zu Petitionen und Linke. Enthaltungen sehe ich nicht. Damit ist gegen die Stimmen von FDP und Linken die Sammelübersicht Drucksache 19/22631 von der Mehrheit des Hauses angenommen. Das ist eine Petition. Wer stimmt dafür? – CDU/CSU, Tagesordnungspunkt 4 m: SPD. Wer stimmt dagegen? – Das sind AfD, FDP, Grüne Beratung der Beschlussempfehlung des Peti- und Linke. Damit ist die Sammelübersicht mit der Mehr- tionsausschusses (2. Ausschuss) heit der Koalitionsfraktionen gegen die übrigen Fraktio- nen angenommen. Sammelübersicht 627 zu Petitionen Tagesordnungspunkt 4 r: Drucksache 19/22627 Das ist wiederum eine Petition. Wer stimmt dafür? – Beratung der Beschlussempfehlung des Peti- FDP, CDU/CSU, Grüne und SPD. Wer stimmt dagegen? – tionsausschusses (2. Ausschuss) AfD und Linke. Da ich keine Enthaltungen sehe, ist die Sammelübersicht 632 zu Petitionen Sammelübersicht damit gegen die Stimmen von AfD und Linken mit der Mehrheit des Hauses angenommen. Drucksache 19/22632 Tagesordnungspunkt 4 n: Das ist eine Petition. Bevor wir zur Abstimmung über diese Sammelübersicht kommen, erteile ich dem Kolle- Beratung der Beschlussempfehlung des Peti- gen Bernhard Loos das Wort zur ergänzenden Berichter- tionsausschusses (2. Ausschuss) stattung. – Herr Loos. Sammelübersicht 628 zu Petitionen Drucksache 19/22628 1) Anlage 2 22668 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Oktober 2020

(A) Bernhard Loos (CDU/CSU): Wir kommen zu Zusatzpunkt 2 a: (C) Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Beratung der Beschlussempfehlung und des Kollegen! Der Petitionsausschuss hat in seiner Sitzung Berichts des Ausschusses für Menschenrechte am 16. September 2020 einstimmig mit dem höchstmög- und humanitäre Hilfe (17. Ausschuss) lichen Votum beschlossen, dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie eine Petition zur Berücksichti- – zu dem Antrag der Abgeordneten Gyde gung zu überweisen. Es geht um die postalische Infra- Jensen, Alexander Graf Lambsdorff, Nicole struktur und darum, dass Qualität und Effizienz auf den Bauer, weiterer Abgeordneter und der Frak- Postleistungsmärkten flächendeckend nicht nur gewähr- tion der FDP leistet, sondern spürbar verbessert werden. 25. Jahrestag des Genozids in Ruanda – Kri- senprävention stärken Liebe Kolleginnen und Kollegen, seitdem ich Mitglied im Petitionsausschuss bin, erreichen uns immer mehr – zu dem Antrag der Abgeordneten Margarete Petitionen im Postbereich: seien es Probleme mit der Bause, Kordula Schulz-Asche, Kai Gehring, Qualität der Postzustellung, mit dem Abbau von Brief- weiterer Abgeordneter und der Fraktion kästen, mit der Schließung von Postfilialen und vieles BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN mehr. sowie der Abgeordneten Stefan Liebich, Heike Hänsel, Michel Brandt, weiterer Abgeordneter Nach Artikel 87f Grundgesetz muss der Bund flächen- und der Fraktion DIE LINKE deckend eine angemessene und ausreichende Versorgung mit Postdienstleistungen im Rahmen des Universaldiens- 25 Jahre Völkermord in Ruanda – Unabhän- tes gewährleisten. Das Bundeswirtschaftsministerium hat gige historische Aufarbeitung in Deutschland dies erkannt und am 1. August 2019 Eckpunkte für eine Drucksachen 19/8958, 19/8978, 19/13173 Novelle des Postgesetzes veröffentlicht. Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe a seiner Be- Aufgrund der Coronaherausforderungen und der schlussempfehlung die Ablehnung des Antrags der Frak- dadurch bedingten anderen Priorisierungen ist die Novel- tion der FDP auf Drucksache 19/8958 mit dem Titel le noch nicht abgeschlossen. So haben wir jetzt noch die „25. Jahrestag des Genozids in Ruanda – Krisenpräven- Möglichkeit, der Bundesregierung deutlich zu machen, tion stärken“. Wer stimmt für diese Beschlussempfeh- dass wir eine Verbesserung der aktuellen Situation erwar- lung? – Das sind die Fraktionen CDU/CSU, SPD und ten. Geltende, qualitativ hochwertige Standards bei der Linke. Wer stimmt dagegen? – Das ist die Fraktion der Versorgung mit Postdienstleistungen in Stadt und Land FDP. Wer enthält sich? – Das sind AfD und Grüne. Bei (B) müssen mindestens beibehalten, in vielen Bereichen ver- Enthaltung von AfD und Grünen gegen die Stimmen der (D) bessert werden. Hierfür bedarf es weiterhin gesetzlicher FDP stimmen CDU/CSU, SPD und Linke mehrheitlich Vorgaben für ein flächendeckendes Filial- und Briefkas- für diese Beschlussempfehlung. Damit ist der Antrag der tennetz, das den Bedarf vor Ort realistisch und pragma- FDP abgelehnt. tisch abbildet. Verbraucherschutz ist unverzichtbar, die Unter Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung emp- Rechte der Kunden sind zu stärken. Bei Kundenbe- fiehlt der Ausschuss die Ablehnung des Antrags der Frak- schwerden ist der Postdienstleister in der Pflicht, effek- tionen Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke auf Druck- tive Beschwerdeverfahren bereitzustellen. sache 19/8978 mit dem Titel „25 Jahre Völkermord in Ruanda – Unabhängige historische Aufarbeitung in Zusätzlich haben wir als Petitionsausschuss bereits in Deutschland“. Wer stimmt für diese Beschlussempfeh- anderen Petitionen gefordert, eine Pflicht zur Teilnahme lung? – Das sind AfD, CDU/CSU und SPD. Wer stimmt am bereits existierenden Schlichtungsverfahren bei der dagegen? – Das sind Linke und Grüne. Enthaltung? – Bundesnetzagentur gesetzlich zu fixieren. Der Petitions- Enthaltung der FDP. Bei Enthaltung der FDP gegen die ausschuss will mit dem einstimmigen Votum unterstrei- Stimmen von Linken und Grünen mit der Mehrheit des chen, dass Qualität und Effizienz auf dem Postmarkt übrigen Hauses ist damit die Beschlussempfehlung ange- erhalten und erhöht werden müssen. nommen und der Antrag von Grünen und Linken abge- lehnt. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. Zusatzpunkt 2 b: (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- Beratung der Beschlussempfehlung und des ordneten der SPD) Berichts des Ausschusses für Inneres und Heimat (4. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Vizepräsident Thomas Oppermann: Pascal Kober, Linda Teuteberg, Stephan Thomae, Vielen Dank, Herr Loos. weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP Au-pair-Programme stärken – Einreisen er- Wir kommen jetzt zur Abstimmung über die Sammel- möglichen, Familien entlasten übersicht 632 auf Drucksache 19/22632. Wer stimmt dafür? – Das sind Linke, SPD, Grüne, CDU/CSU, FDP Drucksachen 19/22115, 19/22654 und AfD, somit alle. Gegenstimmen sehe ich nicht, Ent- Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfeh- haltungen auch nicht. Damit ist die Sammelübersicht 632 lung auf Drucksache 19/22654, den Antrag der Fraktion einstimmig angenommen. der FDP auf Drucksache 19/22115 abzulehnen. Wer Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Oktober 2020 22669

Vizepräsident Thomas Oppermann (A) stimmt für diese Beschlussempfehlung? – SPD und men. Und auch meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (C) CDU/CSU. Wer stimmt dagegen? – Das sind FDP, Grüne wurden bei ihrer Arbeit in dieser unvorhersehbaren und und Linke. Wer enthält sich? – AfD. Damit ist die Be- in dieser Form nicht gekannten Krise sehr unterstützt. schlussempfehlung bei Enthaltung der AfD gegen die Stimmen von FDP, Grünen und Linken mit der Mehrheit Unsere Volkswirtschaft, meine Damen und Herren, der Koalitionsfraktionen angenommen und der Antrag wird in diesem Jahr weniger stark schrumpfen als der FDP abgelehnt. befürchtet. Der Aufschwung hat schneller eingesetzt als erhofft. Die Arbeitslosigkeit ist im letzten Monat im Ver- Zusatzpunkt 2 c: gleich zum August um 100 000 zurückgegangen. Viele Beratung der Beschlussempfehlung und des Unternehmen schöpfen neuen Mut. Der ifo-Index ist Berichts des Ausschusses für Wahlprüfung, zum fünften Mal in Folge gestiegen. Wir sind besser Immunität und Geschäftsordnung (1. Ausschuss) durch die Krise gekommen als die meisten anderen um uns herum, und das verdanken wir Millionen von Arbeit- zu dem Antrag der Abgeordneten Grigorios nehmerinnen und Arbeitnehmern, Hunderttausenden von Aggelidis, Renata Alt, Christine Aschenberg- mittelständischen und kleinen Unternehmerinnen und Dugnus, weiterer Abgeordneter und der Fraktion Unternehmern. Wir verdanken es einem großartigen der FDP, Land und seiner Bevölkerung. der Abgeordneten Fabio De Masi, Jörg Cezanne, Stefan Liebich, weitere Abgeordneter und der (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP, Fraktion DIE LINKE, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) der Abgeordneten Dr. Danyal Bayaz, Lisa Paus, Stefan Schmidt, weiterer Abgeordneter und der Dennoch: In die Freude und in die Zuversicht mischt Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sich auch Bedrückung – Bedrückung darüber, dass die Zahl der Infektionen wieder steigt, dass mancherorts die Einsetzung des 3. Untersuchungsausschusses Nachverfolgbarkeit gefährdet erscheint, dass wir Hot- der 19. Wahlperiode (Wirecard ) spots haben, dass die weißen Flecken, wo es keine Neu- Drucksachen 19/22240, 19/22996 infektionen gibt, von den Landkarten verschwunden sind. Deshalb, meine sehr verehrten Damen und Herren, müs- Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfeh- sen wir alles daransetzen, dass dieser neue Trend, diese lung auf Drucksache 19/22996, den Antrag der Fraktio- neue Welle gebrochen werden kann. Umso skandalöser nen der FDP, Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen auf ist die zynische Menschenverachtung, mit der eine Frak- (B) Drucksache 19/22240 in der Ausschussfassung anzuneh- tion auf der rechten Seite dieses Hauses seit Wochen und (D) men. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Das Monaten die Risiken und die Gefährdungen der Pande- sind die AfD, die FDP, die Grünen und die Linken. Wer mie verharmlost und herunterspielt. stimmt dagegen? – Keine Gegenstimmen. Wer enthält sich? – Das sind die beiden Koalitionsfraktionen. Die (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP, Beschlussempfehlung ist bei Enthaltung der Koalitions- der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE fraktionen angenommen. Damit ist der 3. Untersuchungs- GRÜNEN) ausschuss der 19. Wahlperiode eingesetzt. Wir setzen nun die Haushaltsberatungen fort und kom- Meine sehr verehrten Damen und Herren von der AfD, Sie gefährden nicht nur die Gesundheit von Millionen men zu dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie, Einzelplan 09. von Menschen, Sie gefährden auch die Existenz von vie- len Mittelständlern, von kleinen Handwerkern, von Das Wort hat als erster Redner für die Bundesregierung Selbstständigen, die für ihren Erfolg darauf angewiesen der Kollege Dr. Peter Altmaier, Bundeswirtschaftsminis- sind, dass wir diese Pandemie bekämpfen, dass wir die ter. Zahl der Infektionen im Griff behalten. Deshalb ist meine herzliche Bitte an Sie: Beenden Sie dieses unpatriotische (Beifall bei der CDU/CSU) und unverantwortliche Verhalten,

Peter Altmaier, Bundesminister für Wirtschaft und (Lachen des Abg. Dr. Alexander Gauland Energie: [AfD]) Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Her- ren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich muss auf und reihen Sie sich ein in den Konsens der demokrati- Rücknahme des Doktortitels bestehen, sonst habe ich schen Parteien hier in diesem Haus. morgen früh in der Presselage die allergrößten Probleme. (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP (Heiterkeit) und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Das Zweite ist: Ich möchte mich bei den Berichterstat- tern, bei den Fraktionssprechern für Wirtschaft aller Par- Vizepräsidentin : teien ganz herzlich bedanken, stellvertretend natürlich Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Frage oder bei meinen eigenen: Carsten Linnemann, Joachim Bemerkung aus der AfD-Fraktion? Pfeiffer und Andreas Mattfeldt. Ich habe in den letzten Wochen und Monaten sehr viel Unterstützung bekom- (Zuruf von der AfD: Wenn es denn sein muss!) 22670 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Oktober 2020

(A) Peter Altmaier, Bundesminister für Wirtschaft und steigen der Infektionen ist, sondern in vielen Fällen im (C) Energie: privaten Bereich, bei Feiern und bei ähnlichen Vorgän- Ja. gen. Deshalb werden wir uns darauf konzentrieren und sicherstellen, dass Sie Ihre wichtige Arbeit für dieses Dr. Bruno Hollnagel (AfD): Land ungestört fortsetzen können. Danke für das Wort. – Herr Minister, ich habe eine (Beifall bei der CDU/CSU) Frage. Wir sind doch alle besorgt wegen der Krankheit, Meine sehr verehrten Damen und Herren, es war natür- um die Gefahren, die damit zusammenhängen. lich auch wichtig, dass der Staat geholfen hat. Wir haben (Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- mit mehreren Hundert Milliarden Euro, die Sie als Parla- NEN]: Ich dachte, Ihre Fraktion denkt, Corona ment in zwei Nachtragshaushalten und jetzt in diesem gibt es nicht!) Haushalt beschlossen haben, dafür gesorgt, dass Sofort- Aber am 23. März, als beschlossen worden ist, den Lock- hilfen, Überbrückungshilfen, Kurzarbeitergeld, Kredite down durchzuführen, der am 25. März dann erfolgt ist, der KfW, Kredite aus dem Wirtschaftsstabilisierungs- war die Zahl R unter 1. Das heißt, nach den Kriterien der fonds und das Konjunkturprogramm möglich geworden Regierung selbst war es zu dem Zeitpunkt nicht mehr sind. erforderlich, einen Lockdown durchzuführen. Das Pro- Es wird dann in der Diskussion – ich warte ja nur blem dabei ist doch: Die Folgen, die daraus entstehen, darauf, bis der geschätzte Kollege Houben das Wort sind so schwer, dass man das doch nicht einfach weg- ergreift – immer wieder mit tragender und bebender wischen kann. Stimme gesagt: Aber die Marktwirtschaft! – Meine sehr Wir haben immer gesagt: Wir wollen die Sache kritisch verehrten Damen und Herren, als jemand, der sein Leben begleiten. Wir haben immer gesagt: Wir wollen die dau- lang für die soziale Marktwirtschaft eingetreten ist, kann ernde Überprüfung des Lockdowns. Das ist leider nicht ich Ihnen nur sagen: Die soziale Marktwirtschaft ist in geschehen. Aber die Folgen sind sehr schwer, wie wir alle dieser Pandemie nicht durch das Handeln der Bundesre- jetzt wissen und erfahren müssen. gierung gefährdet worden; sie ist durch ein Virus gefähr- det worden, das große Teile der Regeln der sozialen Marktwirtschaft außer Kraft gesetzt hat. Peter Altmaier, Bundesminister für Wirtschaft und Energie: Die Marktwirtschaft kann nur funktionieren, wenn es Herr Abgeordneter, Sie haben ja damals schon gegen Hunderttausende von Unternehmerinnen und Unterneh- diese Maßnahmen gesprochen. Sie haben seither gegen mern gibt, die sich jeden Tag dem Wettbewerb stellen, die alle Maßnahmen der Bundesregierung gesprochen. Wir sich dafür einsetzen, besser zu sein als andere, die sich (B) (D) haben damals nicht auf Sie gehört, wir hören jetzt nicht dafür einsetzen, ihr Ergebnis zu steigern, neue Mitarbei- auf Sie, und das Ergebnis ist: Wir sind mit der ersten ter einzustellen. Aber wenn es keinen Wettbewerb gibt, Infektionswelle besser und schneller zurechtgekommen weil es keine Umsätze gibt, weil die Geschäfte geschlos- als fast alle anderen Länder in Europa. Der Wirtschafts- sen sind, aufschwung hat schneller wieder eingesetzt. Der (Enrico Komning [AfD]: Warum sind sie denn Abschwung war nicht so stark. Zwei Drittel der Men- geschlossen? Weil Sie sie geschlossen haben!) schen in Deutschland sind mit dieser Politik der Bundes- dann können auch die Regeln der Marktwirtschaft in die- regierung und der übergroßen Mehrheit im Parlament sen Fällen nicht wirken. einverstanden. Das ist das, was für mich zählt, und nicht Ihre Krittelei und Rechthaberei um jeden Preis. Deshalb, meine Damen und Herren: Ja, wir haben uns mit unseren Hilfen auch dafür eingesetzt, dass wir wirt- (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP, schaftlich auf die Beine kommen; aber wir haben uns der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE ebenso dafür eingesetzt, dass die Marktwirtschaft wieder GRÜNEN) greifen kann. Wir haben uns dafür eingesetzt, unseren Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich als Wirt- Mittelstand und unsere Mittelschicht zu erhalten, zu schaftsminister weiß, wie viele Selbstständige, Handwer- verhindern, dass sie in die Knie gehen und dass am ker, Freiberufler und andere sich angesichts der wieder Ende ein anderes Land dasteht. Wir haben dafür steigenden Zahlen fragen, was das für ihre Anstrengun- gekämpft, die kulturelle Identität unseres Landes zu gen bedeutet, für ihren Wiederaufschwung. Sie haben erhalten. Dazu gehören eben nicht nur die großen Super- zum Teil viel privates Geld in die Hand genommen, um märkte und nicht nur die großen Fast-Food-Ketten; dazu ihr Unternehmen, um ihr Geschäft über die schwierigen gehören die Eckkneipen, die Schuhgeschäfte, die Blu- Zeiten zu bringen. Die staatliche Hilfe hat geholfen, menläden, die Currywurstbuden und vieles andere natürlich. Aber es wäre ohne die eigenen Anstrengungen mehr. Ich glaube, dass es richtig ist, dass wir Wirtschafts- der Betroffenen niemals möglich gewesen. politik in diesem umfassenden Sinne begreifen. Deshalb möchte ich hier als Minister in aller Deutlich- Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben keit sagen: Sie haben unsere Garantie, dass wir alles tun die Zukunftsaufgaben nicht vernachlässigt. 30 Milliarden werden, damit der Aufschwung auch in den nächsten Euro setzen wir ein, um unsere Industrie bei den notwen- Monaten weitergeht. Wir werden alles tun, um erneute digen Transformationen zu unterstützen, gerade auch Schließungen und Einschränkungen bei Geschäften, bei Automobilindustrie und Zulieferer. Wir setzen Geld ein, Unternehmen, bei Fabriken zu verhindern, weil wir über- um die Digitalisierung voranzubringen. Wir setzen Geld zeugt sind, dass dort nicht der Grund für das Wiederan- ein, um die Energiewende zu stabilisieren. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Oktober 2020 22671

Bundesminister Peter Altmaier (A) Selbstverständlich beschäftigen wir uns eben auch mit Klimaneutralität spätestens im Jahre 2050 ein lebenswer- (C) der Frage, wie Klimaschutz unter den Bedingungen der tes, ein leistungsfähiges und ein wohlhabendes Land blei- Pandemie gelingen kann. Ich bedanke mich bei allen, die ben kann. Dafür lohnt sich jeder Einsatz. deutlich gemacht haben – das war jedenfalls bei allen Vielen Dank. Fraktionen, mit denen ich zusammengearbeitet habe, der Fall –, dass bei allen großen Herausforderungen des (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- wirtschaftlichen Wiederaufschwungs, der Bekämpfung ordneten der SPD) der Pandemie eines klar sein muss: Wir fühlen uns an die gemeinsamen Ziele im Klimaschutz gebunden. Wir Vizepräsidentin Petra Pau: werden das nicht unterbrechen, und wir werden das nicht Das Wort hat der Abgeordnete Volker Münz für die relativieren. Diese Botschaft möchte ich heute gerne noch AfD-Fraktion. einmal unterstreichen. (Beifall bei der AfD) (Beifall bei der CDU/CSU) Wir wollen, dass wir in einem globalen Wettbewerb als Volker Münz (AfD): deutsche Volkswirtschaft auch zukünftig erfolgreich sind. Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister Wir wollen, dass auch künftig die besten Autos in Altmaier! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Deutschland Deutschland gebaut werden. Wir wollen, dass in Zukunft befindet sich in der schwersten Wirtschaftskrise der der beste Stahl in Deutschland produziert wird. Aber wir Nachkriegszeit. Jetzt aber alles mit Corona zu begründen, wollen zeigen, dass dies nicht zulasten des Klimas und geht an der Wahrheit vorbei. Wahr ist, dass die Regierung der Umwelt gehen kann, dass es möglich sein wird, kli- mit ihren Lockdown-Maßnahmen, die das gesellschaft- maneutralen Stahl zu produzieren, dass es möglich sein liche Leben und die Wirtschaft erheblich eingeschränkt wird, klimaneutrale individuelle Mobilität zu organisie- haben, ren, dass es möglich sein wird, zivile Luftfahrt klima- (Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜND- neutral zu organisieren, dass es möglich sein wird, unser NIS 90/DIE GRÜNEN]: Diese Maßnahmen Lebensmodell fortzuführen, auf das so viele Menschen haben Menschenleben gerettet!) stolz sind und das dazu beigetragen hat, dass sie die Demokratie als etwas Erfolgreiches empfinden und einen großen Teil des Wirtschaftseinbruchs verursacht erfahren. Wir wollen zeigen, dass dieses Lebensmodell hat, meine Damen und Herren. auch in der Zukunft fortbestehen kann. Aus unserer Sicht sind und waren die Maßnahmen Ich habe vor einigen Wochen einen Vorschlag auf den unverhältnismäßig, und auf die Verhältnismäßigkeit (B) Tisch gelegt, und ich werde dazu in den nächsten Wochen kommt es an. (D) mit vielen von Ihnen hier in diesem Hohen Haus darüber (Beifall bei der AfD) Gespräche führen, ob wir es schaffen können, noch vor Unzulässig ist es, abermals die Aussetzung der Schul- der nächsten Bundestagswahl einen großen, einen frak- denbremse mit der Feststellung einer Notsituation nach tionsübergreifenden Konsens zustande zu bringen, worin Artikel 115 Grundgesetz aufgrund einer Coronapandemie wir deutlich machen, dass der Klimaschutz für uns einen zu begründen. Dem werden wir nicht zustimmen; denn zu Vorrang und eine Priorität hat. keiner Zeit war und ist das Gesundheitssystem in Gefahr. Aber das wird nur gelingen, wenn wir Klimaschutz (Beifall bei der AfD) nicht gegen Wirtschaft ausspielen, wenn wir Arbeitsplät- ze nicht für schlecht erklären, nur weil die Industrien, um Im nächsten Jahr sollen nochmals 96 Milliarden Euro die es geht, vielleicht CO2-intensiver sind als andere. Neuverschuldung aufgenommen werden – nach 218 Mil- Stahl wird auch in den nächsten 50 Jahren gebraucht. liarden Euro in den Nachtragshaushalten für das laufende Wenn er nicht in Deutschland oder in Frankreich produ- Jahr. Damit werden bei Ausgaben und Verschuldung alle ziert wird, dann eben in anderen Ländern, in anderen Schleusen geöffnet, als ob es kein Morgen gäbe. Die Kontinenten mit erheblich mehr CO2-Emissionen, als immense Neuverschuldung des Bundes bürdet den Bür- dies heute in Deutschland schon der Fall ist. Deshalb gern große Lasten auf, die unsere Kinder noch werden wünsche ich mir einen historischen Kompromiss. Es abtragen müssen. Steuererhöhungen werden die zwangs- geht nicht um Klimaschutz oder Wirtschaft und Industrie; läufige Folge dafür sein, und das, obwohl Deutschland es geht um Klimaschutz und Wirtschaft und Industrie, es schon jetzt Weltmeister bei der Steuer- und Abgabenbe- geht um Umwelt und Wohlstand. lastung der Bürger ist. (Beifall bei der CDU/CSU) (Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN]: Auch das ist wieder Für diesen Kompromiss müssen wir bereit sein, über falsch! Das stimmt nicht!) unsere Schatten zu springen. Dann werden wir auch die Gewissheit haben, wie der Transformationsprozess Die Wirtschaftskrise hat schon vor Corona begonnen. gestaltet werden kann. Das wird eine wichtige Botschaft Schon im letzten Jahr begann der Abschwung, insbeson- an die Menschen sein, die sich fragen, ob sie auch in dere im verarbeitenden Gewerbe. Wir befinden uns näm- 30 Jahren über gute Umwelt- und Lebensumstände ver- lich mitten in einer Strukturkrise, und diese ist zum groß- fügen. Es wird aber auch eine klare Botschaft sein an en Teil durch eine falsche Wirtschafts- und Energiepolitik Millionen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, dieser Regierung verursacht, meine Damen und Herren. dass Deutschland auch unter den Voraussetzungen von (Beifall bei der AfD) 22672 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Oktober 2020

Volker Münz (A) Stark belastet wird die Automobil- und Zulieferindust- Vizepräsidentin Petra Pau: (C) rie, die mit dem von der Regierung forcierten Ausstieg Für die SPD-Fraktion hat nun Johann Saathoff das aus dem Verbrennungsmotor in die Enge getrieben wird, Wort. neuerdings auch durch den Ministerpräsidenten Bayerns, eines bedeutenden Autoproduktionslandes, der die Zulas- (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Andreas sung von Benzin- und Dieselautos ab 2035 verbieten will. Mattfeldt [CDU/CSU]) Die Herstellung von Elektroautos wird die riesigen Arbeitsplatzverluste nicht kompensieren können. Synthe- Johann Saathoff (SPD): tische Kraftstoffe und Wasserstoffautos sind für den Pkw- Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Massenmarkt nicht geeignet, wie Fachleute bestätigen. Kollegen! Die gute Botschaft des Haushaltes vielleicht Daran wird auch die Wasserstoffstrategie der Bundes- vorweg: Wir wollen in Deutschland investieren. Mit regierung nichts ändern, für die im nächsten Jahr 2 Mil- dem vorliegenden Regierungsentwurf investieren wir in liarden Euro geplant sind, davon 1,7 Milliarden Euro im Deutschland und für Deutschland über 55 Milliarden Energie- und Klimafonds. Wie die Bundesregierung den Euro. Das ist die gute Botschaft dieses Haushaltes. Ausstieg aus der Kernenergie, den Ausstieg aus der Koh- (Beifall bei der SPD) leverstromung und gleichzeitig die Umstellung des gesamten Verkehrs auf strombetriebene Fahrzeuge Das lassen wir uns auch nicht schlechtreden; denn das bewerkstelligen will, ist bis heute nicht einmal annähernd sind über 130 Prozent mehr im Vergleich zum Niveau vor überzeugend geklärt worden, meine Damen und Herren. der Coronakrise. Das ist gut so und auch dringend nötig. Wir wollen das Land eben nicht kaputtsparen, wie der (Beifall bei der AfD) eine oder andere das avisiert, und wir wollen sehen, Die Versorgungssicherheit ist nicht gegeben. Das Aus- dass wir die Infrastruktur nicht vernachlässigen, wir wol- land lacht über uns. Das „Wall Street Journal“ hat getitelt, len das Land modernisieren, und wir wollen es fitmachen Deutschland habe die „dümmste Energiepolitik“, meine für die Herausforderungen der Zukunft. Damen und Herren. (Beifall bei der SPD) (Beifall bei der AfD – Timon Gremmels [SPD]: Ich will ein paar Beispiele aus den Wirtschaftssektoren Leider haben wir die dümmste stärkste Opposi- nennen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Ein wichtiger tion!) Aufgabenschwerpunkt ist aus meiner Sicht der Bereich Die Bundesregierung fährt die Automobilindustrie, die der Zukunftstechnologie Luft- und Raumfahrt. Aufgrund Wirtschaft insgesamt und die Energieversorgung an die der Beschlüsse der ESA-Ministerratskonferenz 2019 (B) Wand. Mit den Coronamaßnahmen hat sie dazu den Tur- wurden die Ausgaben für die deutsche Beteiligung deut- (D) bo eingeschaltet. Anstatt zu verhindern, dass die Auto- lich angehoben. Damit sitzt Deutschland im Fahrersitz mobilindustrie sowie die Stromversorgung einer verblen- der Luft- und Raumfahrt auf europäischer Ebene. Neben- deten Klimahysterie geopfert werden, stimmt der Herr bei sind viele Hochtechnologiearbeitsplätze in Deutsch- Wirtschaftsminister in den Chor derjenigen ein, die unse- land gesichert oder werden neu aufgebaut. Darauf können ren Wohlstand aufs Spiel setzen. Sie, Herr Minister, wol- wir stolz sein; denn ohne Deutschland und ohne – len die Transformation hin zu einer klimaneutralen das sei an dieser Stelle mal bescheiden hinzugefügt – Gesellschaft unumkehrbar machen, so haben Sie es ver- wären geplante Mondmissionen und andere luft- und lauten lassen. Unumkehrbarkeit beraubt künftige Gene- raumfahrttechnische Missionen nicht machbar. Darauf rationen der Möglichkeit, ihre Lebensbedingungen selbst können wir stolz sein. zu gestalten. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten (Timon Gremmels [SPD]: Klimawandel der CDU/CSU) beraubt künftige Generationen!) Und: Wir kümmern uns um die in Deutschland so So dürfen demokratische Regierungen nicht handeln, wichtige Automobilindustrie, die vor enormen Transfor- meine Damen und Herren. mationen steht, wie es sie in diesem Bereich bisher noch nicht gegeben hat. Der Antrieb wird in kurzer Zeit vom (Beifall bei der AfD) Verbrennungsmotor zum Elektromotor umgestellt wer- Das hat auch mit sozialer Marktwirtschaft nichts mehr zu den. Es gibt nur noch ganz rechts ein paar Zweifler; tun; das ist Planwirtschaft. ansonsten haben das alle in der Gesellschaft erkannt. Die Digitalisierung wird die Automobilwelt gleichzeitig (Timon Gremmels [SPD]: Mit sozialer Markt- massiv verändern. Mit diesem Haushalt werden wir dafür wirtschaft hat das was zu tun!) sorgen, dass notwendige Zukunftsinvestitionen der Fahr- zeughersteller und – ich betone ausdrücklich „und“ – der Mit Ludwig Erhard rufe ich Ihnen zu: Halten Sie Maß! Zulieferer erfolgen können. Das ist ein wichtiges Signal Beenden Sie die Maßlosigkeit bei Verboten und Gänge- an die vielen Tausend Beschäftigten in Deutschland, die lung der Bürger und Unternehmen! Geben Sie dem unmittelbar an der Automobilindustrie hängen. Wir las- Markt, dem Wettbewerb und der Freiheit der Bürger sen sie nicht allein, wir lassen sie nicht im Stich, sondern und Unternehmen wieder Raum! wir stehen mit den Gewerkschaften an ihrer Seite und Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. kämpfen für ihre Arbeitsplätze. (Beifall bei der AfD) (Beifall bei der SPD) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Oktober 2020 22673

Johann Saathoff (A) Das ist auch für Ostfriesland ein wichtiges Signal, wo Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (C) gerade ein VW-Werk auf reine Elektroproduktion umge- (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Andreas stellt wird und das Werk zukunftsfähig ausgerichtet wird. Mattfeldt [CDU/CSU]) Das Stichwort ist: grüne Automobilproduktion. Wir wer- den in Zukunft darauf achten, dass nicht nur der Ver- brauchswert eines Autos eine Rolle spielt, sondern auch Vizepräsidentin Petra Pau: der CO2-Wert. Quasi schon dann, wenn ein Auto vom Das Wort hat der Kollege Karsten Klein für die FDP- Band läuft, müssen wir fragen: Mit wie viel CO2-Emis- Fraktion. sionen ist das Auto eigentlich produziert worden? Da gibt (Beifall bei der FDP – Andreas Mattfeldt es gute Ansätze aus Ostfriesland für den Rest Deutsch- [CDU/CSU]: Regierung loben nicht verges- lands. sen!) (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]) Karsten Klein (FDP): Der Bund sollte an anderer Stelle genauso entschieden Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und auftreten. Im Konjunkturprogramm wurde vereinbart, die Kollegen! Sehr geehrter Herr Bundeswirtschaftsminister Schifffahrt mit 1 Milliarde Euro zu unterstützen. Wir Altmaier! Nach aktuellen Prognosen wird die deutsche wollen die Schifffahrt digitalisieren, modernisieren und Wirtschaft in diesem Jahr um 5 bis 6 Prozent schrumpfen. klimafreundlich ausrichten. Das Stichwort dabei ist Wir werden das Ausgangsniveau von 2019 erst Ende „Green Shipping“. Gleichzeitig haben wir hier im Deut- 2021/Anfang 2022 erreichen. Diese Zahlen machen deut- schen Bundestag einen Antrag zur Rettung der Schiffbau- lich, wie ernst die Lage ist. Wir würden uns deshalb von industrie beschlossen. Wir wollen öffentliche Aufträge Ihnen und auch vom Bundesfinanzminister Olaf Scholz identifizieren, Schiffbauneuaufträge nach vorne ziehen weniger Zweckoptimismus und mehr Realitätssinn in und die Auslastung der Werften an der deutschen Nord- dieser Krise erhoffen. und Ostseeküste damit über die Krise hinweg sichern. (Beifall bei der FDP) (Beifall bei der SPD) Diese Prognosen, Herr Wirtschaftsminister, die fußen Dabei scheint leider wieder einmal eine Konkretisie- zum einen ja darauf, dass es zu keinem schwereren Ver- rung an das Bundesverteidigungsministerium nötig zu lauf bei der Pandemie kommt – das hoffen wir alle –, und sein. Wir haben mehrfach beschlossen, dass Überwasser- dazu sollte auch jeder seinen Beitrag leisten. Sie fußen schiffbau und Unterwasserschiffbau im militärischen zum anderen aber auch darauf, dass es zu keinen struktu- Bereich Schlüsseltechnologien sind, und zwar gilt das rellen Schäden in der deutschen Wirtschaft kommt. (B) für Neubau und für Reparatur; denn die dahinterliegen- Genau diese strukturellen Schäden drohen aber bei dieser (D) den Gründe gelten auch für Neubau und Reparatur. Dafür, Bundesregierung, liebe Kolleginnen und Kollegen. dass das so umgesetzt wird, werden wir uns parlamenta- Herr Minister, auch wenn Sie viele Aufgaben, die ich risch einsetzen. Das ist ein typisches Beispiel dafür, dass Ihnen in meinen letzten Reden aufgegeben habe, noch das Parlament die Regierung kontrollieren darf und muss. nicht abgearbeitet haben, muss ich Ihnen heute wieder (Beifall bei der SPD) einige mehr mit auf den Weg geben. Tausende Mittel- ständler, Kleinstunternehmer, Selbstständige, Künstler, Wir wollen investieren, aber nicht nur. Wir wollen die die Tourismusbranche, alle warten auf Ihre Hilfen, Herr Menschen und die Unternehmen gleichermaßen entlas- Minister. Die Überbrückungshilfe in Höhe von 24,6 Mil- ten. Die EEG-Umlage wird ab dem nächsten Jahr gede- liarden Euro, die Sie auf den Weg gebracht haben, ist ckelt, und sie wird nicht ansteigen. Das Thema „Lasten- bisher mit nur 0,8 Milliarden Euro abgelaufen. Da muss gerechtigkeit bei der Energiewende“ wird in der nächsten man sich darüber Gedanken machen, woran das liegt. Es Legislaturperiode ein zentrales sein. Eins ist auf jeden liegt mit Sicherheit nicht daran, dass zu wenig Bedarf da Fall klar in dem Kontext: Nicht handeln ist die absolut ist. Deshalb: Helfen Sie diesen Menschen! Sie stehen vor teuerste Variante. Deswegen werden wir die notwendigen dem wirtschaftlichen Aus. Vorschläge machen. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten Herr Minister, wir unterstützen Sie dabei, Ihre persön- des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des liche Energiewende, die Sie in den letzten Wochen hin- Abg. Fabio De Masi [DIE LINKE]) gelegt haben, dann auch umzusetzen. Auf uns Sozialde- Wenn Sie von der Bundesregierung über den wirt- mokraten können Sie sich dabei verlassen. Wenn Sie schaftlichen Aufschwung sprechen, reden Sie in erster Hilfe brauchen, dann rufen Sie uns gerne an. Linie über Konsum; die Kanzlerin hat es gestern auch (Beifall bei der SPD) wieder gemacht, indem sie die Senkung der Mehrwert- Wir investieren, und das ist gut so. Gut wäre es auch, steuer in den Mittelpunkt gestellt hat. Aber, Herr Minis- wenn wir in die Erkenntnisse aus Demonstrationsprojek- ter, in Ihrem Haus müsste doch genügend Sachverstand ten, zum Beispiel aus dem Förderprogramm „Schaufens- vorhanden sein, um zu wissen, dass unser Wohlstand in ter intelligente Energie“, investierten. Denn es heißt in erster Linie davon abhängt, dass wir weltweit hochindust- Ostfriesland: Watt man will, mutt man heil und dall wil- rielle, hochtechnologische Produkte vertreiben. Deshalb len. Half is nettekraat so völ as nix. – Wir wollen die muss unser Ansinnen sein, dass der Export wieder in Energiewelt dahin gehend umstellen, dass die Klimaziele Schwung kommt. erfüllt werden, und das mit ganzer Kraft. (Beifall bei der FDP) 22674 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Oktober 2020

Karsten Klein (A) Da reden wir in allererster Linie über Standortbedin- Eins müsste doch auch selbstverständlich sein, liebe (C) gungen, fairen Wettbewerb und echte Technologieoffen- Kolleginnen und Kollegen: dass man in einer solchen heit. Ich kann aufgrund der Zeit nur einen Punkt hier Krise, in einer Krise vor allem für den deutschen Mittel- ansprechen: das Thema E-Fuels. Das Ganze ist eine Maß- stand, dem Mittelstand nicht mit Steuererhöhungen droht. nahme, durch die dafür gesorgt werden kann, dass die Deshalb, Herr Minister: Wir Freie Demokraten – ich deutsche Automobilbranche endlich wieder einen echten finde, die deutsche Öffentlichkeit hat einen Anspruch und fairen Wettbewerb bekommt. Beim Thema E-Fuels darauf – möchten von Ihnen wissen, was der politische ist Ihr Wirkungsgrad bisher aber leider gleich null, Herr Handlungsbedarf in der mittelfristigen Finanzplanung in Minister. Höhe von 42 Milliarden Euro bedeutet. Bedeutet er eine Steuererhöhung für die Mittelschicht in Deutschland ab (Beifall bei der FDP) Herbst 2021, ja oder nein, Herr Minister? Die Probleme liegen nicht nur in Europa, sondern auch (Beifall bei der FDP) auf der eigenen Regierungsbank. Umweltministerin Schulze von der SPD plant, E-Fuels über einen CO2-Preis Darauf müssen Sie eine Antwort geben in diesen Haus- zu besteuern. Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, haltsberatungen. Sollte es eine Steuererhöhung sein, kön- wie absurd ist das denn? Ich möchte die Kolleginnen nen Sie mit unserem starken Widerstand rechnen. und Kollegen der Koalition von CDU/CSU und SPD Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. schon mal fragen: Wie viel sind Ihnen die Arbeitsplätze bei Conti, bei Schaeffler, bei MAN, bei Mercedes, bei (Beifall bei der FDP) ZF Friedrichshafen wirklich wert, wenn Sie nicht mal bereit sind, kleinste Rahmenbedingungen so zu verän- Vizepräsidentin Petra Pau: dern, dass diese Unternehmen faire Wettbewerbsbedin- gungen erhalten? Das Wort hat die Kollegin Heidrun Bluhm-Förster. (Beifall bei der FDP und der AfD) (Beifall bei der LINKEN) Dieses Beispiel aus dem Umweltministerium, liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD, zeigt eins ganz deut- Heidrun Bluhm-Förster (DIE LINKE): lich: Sie sind schon lange nicht mehr die Partei für die Frau Präsidentin! Herr Minister! Liebe Kolleginnen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in diesem Land. und Kollegen! Eigentlich wollte ich meine Rede anders Sie sind eine Gefahr für die Arbeitsplätze in diesem Land. beginnen; aber der Herr Minister hat mich gereizt, doch noch mal auf das einzugehen, was er gesagt hat. Er hat (Beifall bei der FDP und der AfD – Johann gleich am Anfang zum Ausdruck gebracht, dass er sich (B) (D) Saathoff [SPD]: Gut, dass das nur von Ihnen darüber freut, dass wir so gut durch die Krise gekommen kommt!) sind. Herr Minister, ich frage Sie: Sind Sie wirklich sicher, dass wir schon durch die Krise durch sind? Sind Herr Minister, ich muss eine Sache leider zum wieder- Sie wirklich sicher, dass der Aufschwung, der sich in holten Mal ansprechen: Sie nehmen sehr oft das Wort einigen Bereichen der Wirtschaft leicht zeigt, schon das „Marktwirtschaft“ in den Mund. Aber es wäre uns viel Ende der Krise einläutet? lieber, wenn Sie mal marktwirtschaftlich handeln wür- den. Der Plan, den Sie selber angesprochen haben – ich Wir haben die Insolvenzanmeldungspflicht ausgesetzt, darf hier kurz den Klimaschutzplan zeigen –, ist doch die nach wie vor noch nicht wieder gilt. Wir haben die weit weg von Marktwirtschaft. Selbst die Grünen waren Kurzarbeitergeldregelung. Es sind insgesamt 8 Millionen erschüttert über Ihre planwirtschaftlichen Vorschläge. Menschen in Kurzarbeit, die zum Teil noch nicht aus der Deshalb darf ich Sie auffordern: Kehren Sie zurück auf Kurzarbeit zurückgekehrt sind, die eventuell unter den Pfad der Tugend. Werden Sie Marktwirtschaftler. schwierigen Umständen auch noch zu Arbeitslosen wer- Stellen Sie auch beim Aufschwung den Menschen in den können. Ich denke, dass wir an dieser Stelle sehr den Mittelpunkt. Schaffen Sie Freiraum für Investitionen genau aufpassen müssen, dass wir den Bürgerinnen und und Konsum bei den Menschen. Stellen Sie nicht Staats- Bürgern nicht etwas versprechen, was wir nicht halten wirtschaft in den Mittelpunkt, sondern die Marktwirt- können. Denn darunter leidet Politik im Allgemeinen, schaft. Die ist schneller und effizienter. und das sollten wir für die Zukunft verhindern. (Zuruf von der SPD: Das machen die Schaeff- (Beifall bei der LINKEN) lers! Genau das machen die Schaefflers!) Wir müssen Hoffnung machen, klar; gar keine Frage. Von Ihren 60 Programmen und Maßnahmen ist bisher Aus diesem Grund haben wir in der Vergangenheit die kaum eins draußen angekommen. Von den elf Program- Vorschläge der Regierung mitgetragen. Im Gegensatz zur men, die die EU notifizieren müsste, ist erst eins notifi- AfD werfen wir Ihnen nicht vor, dass Sie mehr Geld in ziert. Von den 10 Milliarden Euro aus dem Investitions- die Hand nehmen, um die Krise zu bewältigen. Wir wer- programm ist noch kein einziger Euro ausgegeben. fen Ihnen vor, wie Sie das Geld ausgeben, welche Prio- Deshalb: Setzen Sie auf Marktwirtschaft und auf die ritäten Sie setzen. Wir sehen auch, dass im Moment nicht Menschen in diesem Land und nicht auf den Staatsappa- alles Geld, das wir mit freigegeben haben, dort ankommt, rat. wo es wirklich hinmuss. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. der AfD) Thomas Jurk [SPD]) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Oktober 2020 22675

Heidrun Bluhm-Förster (A) Wir müssen auch sehen, dass es immer noch Unter- (Thomas Jurk [SPD]: Für Rekultivierung!) (C) nehmen gibt, die komplett am Boden liegen, die im und das, obwohl die Anlagen dieser Unternehmen wei- Moment null Zukunftsperspektive sehen. Was soll aus testgehend abgeschrieben sind. Wie wollen wir das den denen werden? Sollen die Mitarbeiterinnen und Mitarbei- Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern erklären? Wenn die- ter alle Hartz IV-Empfängerinnen, Hartz IV-Empfänger se Unternehmen wenigstens mit guten neuen Wirtschafts- werden? Da müssen wir Hoffnung geben und Akzente ideen um die Ecke kämen, setzen. Das liegt mir sehr am Herzen. Das war der Grund, warum ich die erste Seite meiner Rede weggeworfen (Thomas Jurk [SPD]: Die haben sie doch!) habe. dann könnte man über neues Geld reden, aber die sehen (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordne- wir so nicht. Wir wünschen uns, dass da etwas kommt, ten der SPD – Heiterkeit bei Abgeordneten des aber im Moment liegt dazu noch nicht viel auf dem Tisch. BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist in unserer Sicht kein historischer Schritt, wie der Minister das sagt, son- Liebe Kolleginnen und Kollegen, strukturschwache dern ein historischer Rückschritt. Das können wir heute Regionen haben in den vergangenen Monaten unter der schon sehen. Pandemie besonders gelitten. Zum 30. Jubiläum des Bei- tritts der DDR zur Bundesrepublik Deutschland – diese Meine Damen und Herren der Koalition, da ich nicht Bemerkung muss auch erlaubt sein – zitiere ich den Kol- mehr viel Redezeit verbrauchen darf, damit Herr Ernst legen , unseren Ostbeauftragten: „Ein- noch etwas sagen kann, heit ist in Deutschland heute kein Ziel mehr, das irgend- ( [FDP]: Ruhig weiter- wann in einer nahen oder fernen Zukunft liegt. Sie besteht reden! – Heiterkeit) schon heute.“ Er meint, der ganze Einigungsprozess habe will ich auf einen Punkt noch eingehen. überwiegend eine positive Bilanz. Dagegen steht, dass die Wirtschaftskraft ostdeutscher Vizepräsidentin Petra Pau: Bundesländer aktuell nur bei 79,1 Prozent des deutschen Durchschnitts liegt, dass die Lohnunterschiede nach Das ist richtig erkannt. 30 Jahren immer noch nicht bewältigt und immer noch hoch sind, dass bei Einkommens- und Beschäftigungs- Heidrun Bluhm-Förster (DIE LINKE): möglichkeiten sowie im Bereich Infrastruktur immer Da Sie 600 Millionen Euro für Zukunftsinvestitionen noch enorme Unterschiede zum Westen vorhanden sind in die Fahrzeugindustrie stecken wollen, und dass der Bericht außerdem die Angleichung der (Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: Da freut sich (B) strukturschwachen ländlichen Regionen nicht so wider- der Porsche-Fahrer Ernst!) (D) spiegelt, wie sie wirklich ist; denn von einer Angleichung können wir da noch nicht reden. Das ist aus unserer Sicht möchte ich daran erinnern, dass Kalifornien mit dem Ver- ein dicker Widerspruch: die überwiegend positive Bilanz bot von Benzinern und Dieselfahrzeugen ab 2035 vorge- des Ostbeauftragten und dagegen die Wirtschaftsdaten, legt hat. Es wäre schön, wenn ein solches Signal auch von die erhoben sind. Ostdeutschland ist nach wie vor eine Deutschland ausginge. Außenstelle der westdeutschen Wirtschaft und westdeut- Am Ende eine persönliche Bemerkung. Ich muss scher Investoren. wegen eines Berichterstattergesprächs leider die Runde Meine Damen und Herren, bleiben im Haushaltsent- etwas früher verlassen. wurf für 2021 verschiedene Rahmenpläne – ich zitiere ( [CDU/CSU]: Oh!) aus dem Einzelplan 10, den ich mitverantworte: „Förde- Ich wünsche mir, dass die Kolleginnen und Kollegen, rung der ländlichen Entwicklung“ – stabil – man könnte denen ich dann nicht mehr zuhören kann, mir das ver- auch sagen: sie behalten den Status quo –, so haben wir geben. simultan zu beobachten, dass wir zusätzlich 200 Millio- nen Euro in unsere staatsnahen Monopolisten, in die Danke schön. Luft- und Raumfahrt pumpen. Da frage ich mich: Wenn (Beifall bei der LINKEN – Andreas Mattfeldt Sie lieber in die Raumfahrt als in die ländlichen Regionen [CDU/CSU]: Der Beginn Ihrer Rede war sehr investieren, wie wollen Sie damit die Abwanderung der gut!) Menschen in die Städte verhindern? Wo ist die Wert- schöpfung für den ländlichen Raum als Anreiz, um selbst Wachstum zu initiieren? Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat Anja Hajduk für die Fraktion Bündnis 90/ Aber nicht nur die Ost-West-Angleichung bereitet uns Die Grünen. Linke Bauchschmerzen. Der Kohleausstieg 2038 ist für uns auch ein Problem. Der Minister spricht von einem (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) historischen Schritt in diesem Zusammenhang. Das Koh- legesetz und die daran gekoppelten Verträge, die Milliar- Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): denentschädigungen für die Betreiber und damit das fak- Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Her- tische Kohlecomeback sind aus unserer Sicht ein Bruch ren! Sehr geehrter Herr Altmaier! Ich möchte als Erstes des Pariser Vertrages. Wir verschenken wieder Milliarden über die Coronahilfen für Unternehmen sprechen. Ja, es an Steuergeldern an die bisherigen Profiteure. 1,75 Mil- ist richtig – und wir unterstützen das auch –, dass aus dem liarden Euro für die LEAG, 2,6 Milliarden Euro für RWE, Bundeshaushalt viel Geld zur Verfügung gestellt wird, 22676 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Oktober 2020

Anja Hajduk (A) um die wirtschaftlichen Folgen abzumildern. Das wissen Zukunft wird viel höher sein als heute. – Die Wirtschaft (C) Sie. Es ist gut, dass der Haushalt Ihres Hauses so wächst, erwartet auch, dass wir das zugeben. Der angenommene aber das ist, wenn wir das von heute aus betrachten, über- Strombedarf muss auch die Größe sein, von der wir ablei- haupt kein Grund zur Selbstzufriedenheit; denn beim ten, wie viel erneuerbare Energien wir brauchen. Da müs- Sofortprogramm und auch bei den Überbrückungshilfen sen Sie sich korrigieren. Es ist ein Kardinalfehler, den wurden viel zu wenige dieser Hilfen tatsächlich in zukünftigen Stromverbrauch kleinzurechnen. Bitte über- Anspruch genommen. legen Sie sich das. Da müssen Sie nacharbeiten. Dann reichen wir Ihnen auch die Hand. (Beifall der Abg. Katharina Dröge [BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN] – Andreas Mattfeldt (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) [CDU/CSU]: Das kann auch gut sein!) Der letzte Punkt, den ich ansprechen will: der globale Wenn das heißen würde, sie seien auch nicht gebraucht Handel. Zitat: worden, dann könnte man sagen: Das ist vielleicht eine Globalisierung hat in der Vergangenheit auch zu der gute Botschaft. 50 Milliarden Euro sind bereitgestellt einen oder anderen falschen Entwicklung geführt. worden, und 25 Milliarden Euro sind am Anfang dafür Wir wollen das korrigieren. Dazu gehört das klare bewilligt worden. Aber bei den Überbrückungshilfen ist Bekenntnis zu einem Welthandel. es wirklich so, dass bisher nur 3 Prozent der Summe abgerufen wurden. Das hat damit zu tun, dass Ihr Haus Und weiter im Zitat: falsche, zu strenge Kriterien aufgestellt hat und deswegen „Made in Germany“ war nie das Versprechen des viele Unternehmen das Geld, das sie so dringend brau- billigsten Preises, „made in Germany“ war immer chen, noch nicht bekommen haben. Das muss schnell ein Versprechen der besten Qualität. Und zur besten besser werden. Qualität gehört heute auch das Versprechen einer (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ethischen Produktion. Deswegen wollen wir, dass und bei der FDP sowie des Abg. Fabio De wir in diesem Bundestag gemeinsam ein Lieferket- Masi [DIE LINKE]) tengesetz verabschieden und dieses Lieferkettenge- setz möglichst schnell umsetzen, meine Damen und Ich weiß, dass Ihr Haus das jetzt angepasst hat – das Herren. will ich der Fairness halber sagen –, aber es ist Zeit ver- säumt worden. Ich kann Ihnen nicht ersparen, dass ich (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, noch einmal sage: Es bleibt dabei, dass es eine falsche bei der SPD und der LINKEN) Strategie ist, gerade für ein Land, in dem wir eine bessere So gestern der Kollege Alexander Dobrindt. Gründungskultur brauchen, dass sich Soloselbstständige (B) kein Existenzgeld von den Überbrückungshilfen auszah- (Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- (D) len dürfen. Auch da machen Sie die Hausaufgaben nicht. NEN – [BÜNDNIS 90/DIE Gerade bei den Soloselbstständigen gehen die Unterstüt- GRÜNEN]: Was?) zungshilfen an deren Lebenswirklichkeit vollständig vor- Ich hoffe, dass dieses Bekenntnis eines CDU/CSU- bei. Das darf nicht so bleiben. Abgeordneten keine Wahltaktik ist; dafür ist das Thema zu ernst. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP sowie bei Abgeordneten der (Helin [DIE LINKE]: Die blo- LINKEN) cken!) Ein zweiter Punkt, der mir noch wichtiger ist, Herr Aber, Herr Altmaier, es ist eine klare Aufforderung an Minister: die Glaubwürdigkeit beim Klimaschutz. Wir Sie: Geben Sie Ihren Widerstand gegen ein Lieferketten- haben ein großes Interesse, dass wir hier vorankommen. gesetz auf! Dieses Gesetz muss soziale Kriterien und Deswegen schauen wir uns jedes Angebot, das Sie uns auch Umweltkriterien haben. Die übergroße Mehrheit in machen, sehr genau an. Aber Sie haben es bisher ver- Deutschland erwartet das von uns, und sie erwartet, dass säumt, den Ausbau – ich betone: den Ausbau – der er- das schnell passiert. neuerbaren Energien so voranzutreiben, dass die Indust- (Helin Evrim Sommer [DIE LINKE]: Genau!) rie und die Menschen in unserem Land wirklich glauben: Die deutsche Wirtschaft kann auf grünem Strom basie- Schönen Dank. ren. – Ich will das auch begründen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Wenn ich mir die EEG-Novelle anschaue, die Sie sowie bei Abgeordneten der LINKEN) gemacht haben: Sie sagen: Wir wollen 2030 65 Prozent des Strombedarfs aus erneuerbaren Energien decken. – Vizepräsidentin Petra Pau: Das haben wir wohl gehört. Aber wenn Sie dabei unter- Für die CDU/CSU-Fraktion hat nun Dr. Carsten stellen, der Stromverbrauch in zehn Jahren sei ungefähr Linnemann das Wort. so hoch wie heute, dann machen Sie einen Riesenfehler, dann schaffen Sie kein Vertrauen; denn angesichts von (Beifall bei der CDU/CSU) Digitalisierung, Weiterentwicklung der künstlichen Intel- ligenz, Elektromobilität und nicht zuletzt durch die Nut- Dr. Carsten Linnemann (CDU/CSU): zung von Grünem Wasserstoff im Rahmen Ihrer Wasser- Vielen Dank. – Liebe Präsidentin! Liebe Kolleginnen stoffstrategie müssen wir alle, auch wir Grünen, sagen: und Kollegen! Noch nie in der Geschichte unseres Der Strombedarf einer transformierten Wirtschaft in der Landes hat es eine Situation gegeben, wo wir so viele Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Oktober 2020 22677

Dr. Carsten Linnemann (A) Regeln der sozialen Marktwirtschaft für eine gewisse Fakt ist auch, dass es Unternehmen gibt, denen es (C) Zeit ausgesetzt haben. Beim Lockdown gab es Situatio- schon vor der Krise nicht so gut ging. Es sind viele Zom- nen, wo wir die Berufsfreiheit für einige Bereiche der bie-Unternehmen entstanden. Auch hier muss soziale Wirtschaft faktisch aussetzen mussten. Und es war rich- Marktwirtschaft funktionieren. Hier werden wir Insol- tig, dass wir das gemacht haben, weil keiner von uns venzen sehen. wusste, wie es um dieses Virus bestellt ist. Deswegen hat die Regierung richtig gehandelt, indem sie Teile der Richtig ist ferner – auch das wurde angesprochen –: Es Haftung faktisch übernommen hat – mit Zuschusspro- gibt viele Bereiche, wo wir einen Transformationsprozess grammen, mit Überbrückungsprogrammen, ja, auch mit haben, einen Strukturwandel. Da muss die Politik den KfW-Krediten, mit dem Kurzarbeitergeld, mit Rettungs- Rahmen setzen für vernünftige Wettbewerbsbedingun- schirmen für Kreditversicherer, aber auch mit der Aus- gen. Wir dürfen keine Steine in den Weg legen. Wir setzung der Insolvenzantragspflicht. müssen entlasten, am besten nicht subventionieren. Man- che reden hier ja so – den Eindruck habe ich –, als ob sie Vorstandsvorsitzende eines Unternehmens sind und ver- Fakt ist: Dieser Weg musste gegangen werden, weil suchen, der Wirtschaft zu erklären, wie sie diesen Struk- wir uns sonst nicht nur geärgert hätten, sondern diese turwandel zu meistern hat. Nein, das kann die Politik Fehler nicht mehr hätten wettmachen können. Wir haben nicht, und das muss man auch klar sagen. Die Branchen, nämlich in dieser Krise an unserer Wirtschaftsstruktur die Unternehmer brauchen den Mut, diesen Strukturwan- festgehalten, an unserem Industriekern, an den Struktu- del auch wirklich anzugehen. ren, an der dualen Ausbildung. Überall sind wir punktuell unterwegs gewesen, um unsere Wirtschaftsstruktur, um Und diesen Mut brauchen wir in der Politik auch. Wir die wir weltweit beneidet werden, nicht in Gefahr geraten brauchen den Mut, erstens, in der Klimapolitik die euro- zu sehen. Genau das war richtig. päische Ebene zu suchen. Wir müssen den Emissions- handel ausweiten auf die Bereiche Verkehr und Wärme, Fakt ist aber auch: Wir wissen heute nicht, ob wir das und zwar nicht erst 2030, sondern vorher und ambitio- Schlimmste überstanden haben. Ja, das ist eine Wahrheit. niert. Hier sollten wir mehr Europa wagen. Es sind immer noch 3,5 Millionen bis 4 Millionen Men- schen in Kurzarbeit, und aus Kurzarbeit kann schnell Wir brauchen zweitens Mut für fiskalische Stabilität. Arbeitslosigkeit werden. Und ja, es gibt viele Firmen, Schulden auf Kosten zukünftiger Generationen zu es gibt auch Krisengewinner, denen es jetzt richtig gut machen, ist nicht mutig; das kann jeder. Mutig ist, wenn geht. Aber es gibt auch viele andere. Ich kann das für wir sagen: Ab 2022 sollten wir mit dem Geld der Steuer- meine Fraktion sagen, weil wir tagtäglich – bei aller Kri- zahler wieder auskommen. – Das ist auch das Ziel der CDU/CSU-Fraktion. (B) tik aus den anderen Fraktionen – mit diesen Branchen und (D) mit den Menschen in unseren Wahlkreisen und überall in (Beifall bei der CDU/CSU) Deutschland reden. Ich habe heute noch mit vielen Ver- anstaltern gesprochen. Wir reden mit den Kulturschaff- Wir brauchen drittens Mut, Leistung anzuerkennen, enden, wir reden mit den Dienstleistern, wir reden mit nicht nur – ich will gar nicht dagegensprechen – mit den Messebauern, wir reden mit den Hoteliers, die sich 1 000 oder 1 500 Euro Bonus, den wir einmal im Jahr auf Geschäftskunden konzentrieren. Das sind genau die- auszahlen, sondern mit einer dauerhaft wirkenden Steuer- jenigen, die das Gefühl haben, sie stünden am Abgrund. reform, mit der wir gerade kleine und mittlere Unterneh- Sie wissen, dass wir diese Pandemie haben. Sie wissen, men entlasten. wie schwierig es ist. Sie sind faktisch auf einem Bötchen (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) unterwegs, verbrennen ihr Eigenkapital und wissen nicht, wann das Ufer kommt. Deswegen, ja, müssen wir jeden Viertens. Wir brauchen den Mut, etwas Neues auszu- Tag daran arbeiten, dieses Überbrückungsprogramm bes- probieren. Wir Abgeordneten kennen das: Es kommt ser zu machen. Und in der letzten Woche wurde es über- jemand mit einer Idee, ein Bürger oder wer auch immer, arbeitet, und zwar signifikant. Wir müssen jetzt schauen, und wir sagen dann häufig: „Geht nicht, weil ...“. Ich wie das funktioniert, und jeden Tag daran arbeiten, dass finde, die Krise hat gezeigt: Wir müssen mehr ausprobie- es besser wirkt. ren. Wir müssen sagen: „Es geht, weil …“. Wir haben beim Thema Homeoffice gesehen – über die (Beifall bei der CDU/CSU) Möglichkeit haben wir hier jahrelang diskutiert –, dass es geht. Ich finde, wir sollten in Deutschland mehr auspro- Zur Ehrlichkeit gehört auch, Frau Bluhm-Förster: Die bieren; wir sollten den Mut dazu haben. Antragspflicht für zahlungsunfähige Unternehmen – das muss angesprochen werden – wird ab heute wieder (Zuruf des Abg. Timon Gremmels [SPD]) scharfgestellt, die Insolvenzantragspflicht für überschul- Und wir sollten auch mehr Experimentierklauseln – das dete Unternehmen hingegen nicht. ist ja auch ein Punkt, den Peter Altmaier unterstützt – in unseren Gesetzen verankern. (Heidrun Bluhm-Förster [DIE LINKE]: Prob- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) lematisch!) Und wenn das Experiment gelingt, dann sollten wir diese Das finde ich auch richtig. Wer sich verschuldet aufgrund Regel in Deutschland ausrollen. Das ist Mut, das brau- eines KfW-Kredits, muss diese Zeit bekommen. chen wir, und dazu steht diese Fraktion. 22678 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Oktober 2020

Dr. Carsten Linnemann (A) Fünftens, letzter Punkt: Ja, wir brauchen den Mut zum sem Jahr. Das sind noch nicht einmal 3 Prozent des (C) Freihandel. Die EU spricht heute von strategischer Auto- Gesamthaushaltes. Der Mittelstand spielt in diesem nomie. Ausverhandelte Freihandelsabkommen werden Haushalt offensichtlich überhaupt gar keine Rolle. eben nicht ratifiziert. Wir brauchen ein weltoffenes Land, und wir Deutschen, auch wir in unserer Fraktion, Sie nutzen, liebe Bundesregierung, die Chance aus, stehen auf und sagen: Wir sind gegen Protektionismus, Ihrem Traum von einer Staatswirtschaft nach chinesi- und wir sind für einen regelbasierten Freihandel. schem Vorbild näher zu kommen. Große Konzerne und andere sogenannte systemrelevante Unternehmen werden (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) mit Ihren Schuldenorgien nach und nach verstaatlicht. Kurzum: Das sind die Wochen der Wahrheit; es sind Öffentliche Meinung wird gekauft; denn die Medienver- aber auch die Wochen der Chance. Mit mehr Mut können lage werden nun im Haushalt mit 220 Millionen Euro wir sie nutzen. mehr alimentiert. Vielen Dank. Herr Scholz hat ja schon gesagt: Steuererhöhungen sind notwendig – Steuererhöhungen für die Reichen. (Beifall bei der CDU/CSU) Was er aber nicht sagt, ist: Seine Pläne treffen vor allem die Mittelständler, die Familienunternehmen, diejenigen, Vizepräsidentin Petra Pau: die dem Großteil der Menschen gerade auch im ländli- Das Wort hat der Abgeordnete Enrico Komning für die chen Raum Arbeit geben und die jetzt schon beispiellos AfD-Fraktion. hohe Steuern und Abgaben zu zahlen haben. Diese wer- den geschröpft; sie werden durch Sie vernichtet. So (Beifall bei der AfD) schlagen Sie zwei Fliegen mit einer Klappe. Mit diesem Haushalt, Herr Minister, entziehen Sie Enrico Komning (AfD): unserem Land und seinen Menschen die Lebensgrund- Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bun- lage. Mit Ihrer Politik entziehen Sie den Menschen ihre desminister Altmaier, ich habe zwar nur drei Minuten, hart erkämpften demokratischen Rechte. Ich kann nur aber ich kann es mir nicht verkneifen, zwei, drei Worte hoffen, dass Ihnen Ihr Regierungsauftrag entzogen zu Ihrem Vortrag zu sagen. Ich habe Sie immer als relativ wird, bevor alles zu spät ist. rational denkenden Menschen eingeschätzt. Was ich heu- te hier von Ihnen gehört habe, ist ein Unding. Sie wollen Vielen Dank. uns als AfD den Niedergang des Mittelstands in die Schu- (Beifall bei der AfD) he schieben. Das kann ja wohl nicht sein, Herr Altmaier. (B) (D) (Beifall bei der AfD) Vizepräsidentin Petra Pau: Diejenigen, die am Hebel der Macht sitzen, das sind doch Für die SPD-Fraktion hat nun der Kollege Thomas Sie. Jurk das Wort. Liebe Mittelständler, die hier zugucken: Das, was (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Andreas Ihnen hier heute widerfährt, ist nicht das Ergebnis einer Mattfeldt [CDU/CSU]) Oppositionsarbeit; das ist das Ergebnis einer völlig ver- fehlten Regierungspolitik. Thomas Jurk (SPD): (Beifall bei der AfD – Zuruf des Abg. Andreas Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Mattfeldt [CDU/CSU]) Damen und Herren! Rund 10 Milliarden Euro sind für Sie haben, Herr Altmaier, als Regierung die verdamm- den Etat des Bundeswirtschaftsministeriums im nächsten te Pflicht, gute Rahmenbedingungen für die Wirtschaft in Jahr insgesamt vorgesehen. Im Vergleich zur bisher gel- unserem Land zu schaffen. Sie tun es nicht. Sie tun es tenden Finanzplanung für das Haushaltsjahr 2021 erhöht nicht, und Corona kommt Ihnen da gerade recht. Tatsäch- sich der Etat damit um 3 Milliarden Euro. Das ist eine lich geht es Ihnen doch nur um Zentralisierung politischer beachtliche Ausgabensteigerung. und wirtschaftlicher Macht. Unabhängige mittelständi- Mit diesen zusätzlichen Mitteln soll zunächst ein prak- sche, zumeist Familienunternehmen, bei denen der staat- tischer Beitrag zur Bewältigung der Coronakrise geleistet liche Zugriff eben doch noch schwierig ist für Sie, die werden, konkret bei der Vliesstoff- und Maskenproduk- werden doch endgültig vom Markt verdrängt. tion sowie bei der Innovationsforschung für Schutzaus- Herr Altmaier, der Mittelstand ist das Herz unserer rüstung. Hierfür stehen im nächsten Jahr rund 360 Millio- Wirtschaft. Durch Ihr politisches Handeln hört dieses nen Euro bereit. Herz auf zu schlagen. Sie sind der Totengräber des Mit- Weitere 200 Millionen Euro sollen für ein Förderpro- telstandes. gramm für infektionsschutzgerechte Lüftungsanlagen, (Beifall bei der AfD) das heißt zur Umrüstung und Verbesserung von Lüf- tungsanlagen, eingesetzt werden. Sie legen uns hier einen aufgeblähten, mit beispiellos hoher Neuverschuldung finanzierten Haushalt vor: fast Wir dürfen jedoch gerade jetzt nicht nur an die Krisen- 415 Milliarden Euro bei 100 Milliarden Euro Neuver- bewältigung denken, sondern müssen uns mit Blick auf schuldung. Für den Wirtschaftshaushalt bleiben da gera- das nächste Jahr eher darum kümmern, klug in die de 10 Milliarden Euro, also deutlich weniger als in die- Zukunft zu investieren. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Oktober 2020 22679

Thomas Jurk (A) (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Wir haben mit dem ZIM eine gut laufende Coronahilfs- (C) der CDU/CSU) maßnahme. Diese muss dann aber auch finanziell abge- Diesen Gedanken greift der Haushaltsplanentwurf der sichert werden. Denn es wäre fatal, wenn Geld aus neuen, Bundesregierung für 2021 durchaus auf. Wir nehmen gut gemeinten Programmen nicht abfließt und gleichzei- Geld in die Hand für zukunftsfähige Arbeitsplätze und tig Geld für mittelständische Innovationen fehlt. Innovationen, und deshalb investieren wir kräftig in die (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Andreas Zukunft wichtiger Industriebranchen: bei den Fahrzeug- Mattfeldt [CDU/CSU]) herstellern und den Zulieferern, der Bahnindustrie und den Fahrzeugbauern, der maritimen Wirtschaft sowie Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir nehmen den außeruniversitären Forschungseinrichtungen. Hierfür im Einzelplan des Wirtschaftsministeriums außerdem sollen im Etat des Bundeswirtschaftsministeriums im zusätzlich Geld in die Hand für die strukturschwachen nächsten Jahr knapp 1 Milliarde Euro zusätzlich bereit- Regionen unseres Landes. Kein Landstrich darf durch stehen. Das ist einerseits sehr viel Geld in Anbetracht der diese Krise abgehängt werden. Deshalb sollen für Inves- schwierigen Haushaltslage, andererseits aber auch drin- titionen bei der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der gend nötig. regionalen Wirtschaftsstruktur“ im Vergleich zur bisheri- gen Finanzplanung zusätzlich 325 Millionen Euro zur (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Verfügung gestellt werden. Weitere zusätzliche Mittel sollen für die Digitalisie- Zusammen mit der Kofinanzierung der Länder könn- rung der Wirtschaft eingesetzt werden. Besonders hin- ten damit im nächsten Jahr rund 1,8 Milliarden Euro für weisen möchte ich dabei auf das Anfang September end- strukturschwache Regionen und deren Investitionen lich gestartete neue Investitionszuschussprogramm mobilisiert werden. „Digital Jetzt“. Über dieses Förderprogramm können kleine und mittelständische Unternehmen Zuschüsse für Für andere Programme des gesamtdeutschen Förder- Investitionen in innovative Hard- und Software oder für systems für strukturschwache Regionen sollen zudem die Weiterbildung ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter weitere 35 Millionen Euro zusätzlich bereitgestellt wer- bekommen. Allein dafür stellen wir 57 Millionen Euro den. Das betrifft gerade die Förderung von Existenzgrün- zur Verfügung. dungen, die außeruniversitäre Forschung, die Investoren- werbung im Ausland sowie die überbetrieblichen Wir werden die Arbeitnehmer und Unternehmen beim Bildungsstätten des Mittelstandes. Strukturwandel und der Digitalisierung unterstützen. Denn wir brauchen eine moderne Industrie und den inno- Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bin mir vativen Mittelstand, wenn wir unsere Arbeitsplätze sicher, dass wir bei den Haushaltsplanberatungen noch (B) zukunftsfest machen wollen. einige wesentliche Änderungen im Einzelplan 09 vorneh- (D) men werden. (Beifall bei der SPD) (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Andreas Die Mittel dafür stellen wir bereit, wie auch schon im Mattfeldt [CDU/CSU]) laufenden Haushaltsjahr. Das „laufende Haushaltsjahr“ ist übrigens ein gutes Stichwort. Vizepräsidentin Petra Pau: Wir Haushälter wissen, dass das Wirtschaftsministe- Für die FDP-Fraktion hat nun der Kollege Reinhard rium wie kein anderes Ressort sehr viele Aufträge aus Houben das Wort. dem Krisenbewältigungs- und Zukunftspaket der Bun- desregierung übernommen hat. Wir wissen, dass die (Beifall bei der FDP) kurzfristige Umsetzung nicht einfach ist, und erkennen das Engagement der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Reinhard Houben (FDP): im Ministerium und den nachgeordneten Behörden an. Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Trotzdem ist ein gewisses Defizit deutlich zu erken- Komning, wenn Sie dem Wirtschaftsminister hier vor- nen. Ich würde mir deshalb wünschen, Herr Altmaier, werfen, er sei der Totengräber des Mittelstandes: Nach dass wir bei der Umsetzung der Programme zügig voran- den Äußerungen aus Ihrer Partei der letzten Wochen kann kommen. Denn das Geld, das viele Geld, muss bei denen ich nur sagen: Sie versuchen sich doch hier in Deutsch- ankommen, die es so dringend nötig haben. land als Totengräber der Demokratie. Wie können Sie sich hier derartig aufblasen? (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des Abg. Manfred (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten Todtenhausen [FDP]) der CDU/CSU, der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Enrico Wir sollten bei den Haushaltsberatungen aber auch den Komning [AfD]: Das sehen wir anders!) Mut haben, beim Zukunftspaket nachzusteuern, wenn dies notwendig ist. So werden die im Haushaltsentwurf Herr Altmaier, weil Sie mich persönlich angesprochen für das Zentrale Innovationsprogramm Mittelstand, ZIM, haben: Ich will mal versuchen, Ihnen aus der Sicht eines vorgesehenen Mittel nach aktueller Sachlage nicht aus- Mittelständlers darzustellen, wie sich die letzten Monate reichen. Hintergrund sind erfreulicherweise stark steigen- für mein kleines Unternehmen dargestellt haben. Und wir de Antragszahlen unter den Bedingungen der neuen För- haben Glück, wir sind B2B; wir haben also nie zumachen derrichtlinie, welche seit Ende Mai coronabedingt müssen. Aber wir hatten einen Umsatzrückgang von deutlich höhere Fördersätze vorsieht. ungefähr 25 Prozent in den Monaten. 22680 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Oktober 2020

Reinhard Houben (A) Und ich sage mal, da sind natürlich manche Maßnah- Klaus Ernst (DIE LINKE): (C) men eher nach hinten losgegangen. Wir werden mehrere Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Tausend Euro Kosten durch die Umstellung der Mehr- Herren! Ich kann nicht anders, aber ich muss noch etwas wertsteuer haben, von der wir als Unternehmen B2B zur FDP sagen. Herr Houben, langsam verwirrt mich die überhaupt nichts haben, weil Mehrwertsteuer ein durch- FDP. laufender Posten ist. (Reinhard Houben [FDP]: Was?) (Manfred Todtenhausen [FDP]: So ist es!) Ich habe den Eindruck, ihre Politik läuft nach dem Motto: Wenn ich sie nicht überzeugen kann, verwirr sie! – Ich Deswegen ist das aus meiner Sicht nicht so doll. habe jetzt mehreren Rednern zugehört, auch in der Debat- Natürlich sorgen sich auch meine Mitarbeiter – wir te vorher. Sie sagen, das Problem bestehe darin, dass eine haben zwei Auszubildende, eine Dame mit türkischem positive Zukunftsaussicht fehlt. Dann gibt es andere, die Migrationshintergrund und einen Mitarbeiter im Lager sagen: Wir haben zu wenig staatliche Unterstützung. – aus Nigeria –, die fragen sich natürlich: Werden wir über- Das war eben Herr Klein. nommen? Das hat etwas mit Zukunftserwartung zu tun, (Reinhard Houben [FDP]: Nein, das hat er Herr Altmaier. nicht gesagt!) Das Problem ist – und ich finde, das ist im Moment Dann gibt es Herrn Fricke, der sagt: Wir haben eine viel Ihre Kernaufgabe –: Sie müssen für die deutsche Wirt- zu hohe staatliche Kreditaufnahme. – Haben Sie denn schaft eine positive Zukunftsaussicht formulieren. nicht gemerkt, dass die staatliche Kreditaufnahme die Voraussetzung dafür ist, dass gegenwärtig Herr Altmaier (Beifall bei der FDP) und andere überhaupt Geld zum Ausgeben haben? Sie Und ich sage Ihnen: Eine Äußerung der Kanzlerin, dass müssen sich einfach mal einigen, was Sie eigentlich wol- wir Weihnachten täglich 20 000 Neuinfektionen haben len. werden, wirkt natürlich viel schlimmer und schlägt viel (Beifall bei der LINKEN) deutlicher durch als ein Programm mit einigen Hundert Millionen Euro. Diese Bundesregierung zerstört die Wenn nicht irgendwann ein Profil von Ihnen erkennbar Zukunftserwartungen der Bürgerinnen und Bürger dieses ist, dann passiert etwas ganz Trauriges: Von 2013 bis Landes. Das ist das Problem. 2017 waren Sie leider nicht im Bundestag vertreten. Ich fand das sehr traurig, weil ich Ihre Anträge amüsant fand. (Beifall bei der FDP) (Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU (B) Denn, meine Damen und Herren, wie gehen wir damit und der SPD) (D) um, wenn wir im nächsten halben Jahr keinen Impfstoff Aber es wäre schade, wenn das wieder passieren würde. bekommen? Wir müssen doch auch einen Plan B haben. Also: Bitte eine Richtung, damit man weiß, wohin Sie (Enrico Komning [AfD]: Vollschutz!) wollen! Sonst wird es schwierig. Meine Damen und Herren, es freut mich, dass Sie sich, Wie geht denn die Gesellschaft mit dem Problem Coro- Herr Altmaier, in dieser Frage deutlich von der FDP na/Covid-19 um, wenn wir nicht sofort einen Impfstoff unterscheiden, allerdings nicht in allen Punkten. Meine bekommen? Wie stellen wir die Gesellschaft darauf ein, Damen und Herren, es vergeht kein Tag mehr, an dem die dass wir mit Beschränkungen leben müssen und trotzdem deutsche Industrie nicht trotz massiver Hilfe – Kurzar- unseren Wirtschaftsstandort weiter aufrechterhalten? beit, Kredite, in Milliardenhöhe im Übrigen – einen mas- Darauf gibt es keine Antworten. Und ich sage Ihnen: siven Abbau von Arbeitsplätzen verkündet; das ist ein Wir sind doch in den letzten Wochen und Monaten Problem. Das müssen Sie doch erkennen. Wir müssen eigentlich schlauer geworden. Man muss individuell han- doch überlegen, was da passiert: Conti 13 000 Stellen, deln. Man muss da einen Lockdown machen, wo es nötig ZF 7 500 Stellen, Opel in Rüsselsheim 2 100, Bosch ist, und darf in der Bundesrepublik nicht darüber nach- usw. Allein die IG Metall rechnet in ihrem Organisations- denken, Komplettlösungen für das ganze Land zu finden. bereich mit 200 000 Jobs, die verloren gehen. Es ist durchaus möglich, dass man in Schleswig-Holstein anders vorgeht als in Bayern. Schaeffler kündigt den Abbau Tausender Arbeitsplätze an und will gleichzeitig ins Ausland gehen. Als zuständi- (Beifall bei der FDP) ger Wirtschaftsminister müssen Sie doch alles daranset- Dazu fehlen die Antworten der Bundesregierung. So zen, da einzugreifen und den Kahlschlag zu verhindern. schaden Sie im Grunde der Stimmung in unserem Land Ich fordere Sie dringend auf, Herr Altmaier – das meine und damit auch der deutschen Wirtschaft. ich sehr ernst, so wie ich heiße –, Bedingungen zu stellen, die Voraussetzungen sind für staatliche Hilfen. Wenn Sie Vielen Dank. das nicht machen, verfahren Sie rein nach dem Gießkan- nenprinzip, und die Unternehmen nutzen es für Dinge, (Beifall bei der FDP) die wirklich nicht notwendig sind. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat der Kollege Klaus Ernst für Die Linke. Es darf keine Unterstützung geben – egal welcher Art –, wenn Arbeitsplätze ins Ausland verlagert werden. (Beifall bei der LINKEN) Hilfsgelder müssen zur Voraussetzung haben, dass Unter- Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Oktober 2020 22681

Klaus Ernst (A) nehmensleitungen mit den Betriebsräten Vereinbarungen werden, der für die fossile Vergangenheit spricht. Man (C) über die Zukunft der Belegschaft treffen. Einige tun das, konnte das ja heute auch in dem Beitrag von „WDR leider nicht alle. Dann muss man eben sagen: Wer das Investigativ“ nachverfolgen, nicht tut, kriegt kein Geld. – Dann wird vielleicht die (Zuruf des Abg. Alexander Dobrindt [CDU/ Motivation ein bisschen höher. Hören Sie auf, Förder- CSU]) mittel an jene zu vergeben, die Fördermittel kassieren und gleichzeitig Dividende an die Aktionäre auszahlen. wo Ihnen nachgewiesen worden ist, dass Sie beim Abgas- Für was sind wir denn da? Wir finanzieren ja dann fak- label Pkw nicht die Interessen der Verbraucher berück- tisch die Dividenden aus Steuermitteln. Herr Altmaier, sichtigt haben, sondern eben die der Industrie. Ich glaube, das alles kann doch nicht Ihr Ernst sein! das ist Ausdruck des Widerspruchs, der sich in dem von Ihnen vorgelegten 20-Punkte-Plan finden lässt. Ich lese Staatliche Beteiligung bei der Lufthansa muss durch den, und ich diskutiere den auch gerne mit Ihnen. Ich staatlichen Einfluss gesichert sein. 9 Milliarden Euro ste- wäre aber auch gerne mal dabei – zumindest würde ich cken jetzt in diesem Konzern. Ich sage Ihnen: Trotzdem gerne einen Bericht von Ihnen darüber hören –, wenn Sie wird Germanwings abgewickelt, aber ein neuer Ferien- diesen Plan in Ihrer Fraktion mit Herrn Linnemann, flieger gegründet, nämlich Ocean. Da können sich die Herrn Pfeiffer und all den anderen diskutieren. Lufthansa-Beschäftigten, denen jetzt der Rauswurf droht, quasi auf ihre eigenen Stellen bewerben, natürlich zu (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN weitaus schlechteren Bedingungen. Da können wir doch sowie bei Abgeordneten der SPD) nicht einfach tatenlos zugucken. Für so etwas haben wir Denn mit wem sprechen wir denn eigentlich von der den Betrieb nicht übernommen, Herr Altmaier. Da muss Union, wenn wir über Klimaschutz reden? Das wissen man eingreifen. wir Grüne bis heute nicht. (Beifall bei der LINKEN) Ein Haushalt, der auf Zukunft, auf Investitionen im Man muss zumindest das tun, was man kann, nämlich den Klimaschutz und übrigens auch in digitale Infrastruktur Aufsichtsrat so zu besetzen, dass er entsprechend handelt. setzt, haben Sie nicht vorgelegt. Wenn man sich anschaut, wo wir beim Thema digitale Infrastruktur stehen, stellt Sie hätten das alles verhindern können, wenn man Ver- man fest, dass uns Frankreich mittlerweile überholt hat, einbarungen zwischen Betriebsrat und Konzernführung weil Präsident Macron das zu einem Schwerpunktthema zur Beschäftigungssicherung sozusagen als Vorausset- gemacht hat. Wir haben es in der Coronakrise, Herr zung festgelegt hätte. Machen Sie gefälligst Ihren Ein- Linnemann, gesehen, wie schlecht wir in vielen Berei- fluss im Aufsichtsrat geltend, damit das verhindert wird! chen sind. Ich glaube, wir müssen da wirklich einen (B) Zum Schluss. Auf der einen Seite Milliarden ohne Sprung nach vorne machen. Das heißt auch: Bündelung (D) Gegenleistung, auf der anderen Seite ist die Hilfe für der Kompetenzen beim Digitalen, Programme auflegen, Soloselbstständige und KMUs völlig unzureichend. Von priorisieren, E-Government, Breitband endlich in die Flä- den 25 Milliarden Euro Überbrückungshilfen sind erst che. Da muss jetzt was vorangehen. Sonst ist Deutschland 760 Millionen Euro bewilligt, nur 3 Prozent ausgezahlt. in vielen Bereichen wirklich abgehängt. Ganze Branchen wie zum Beispiel die Veranstaltungs- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) wirtschaft sind in ihrer Existenz bedroht. Da müssen wir dringend nachsteuern, auf der einen Seite durch klare Wenn ich zum Thema Industriepolitik komme, sage Auflagen und auf der anderen Seite durch zielgenaue ich jetzt mal Richtung CSU gewandt: Wir hören ja sehr Förderung. Dann haben Sie die Bezeichnung „Wirt- viele Überschriften von Herrn Söder. Ihr Parteivorsitzen- schaftsminister für alle“ auch wirklich verdient. der, Herr Dobrindt, musste das gestern wortreich vertei- digen. Herr Söder hat sich ja schon 2007 dafür eingesetzt, (Beifall bei der LINKEN) dass der Verbrennungsmotor heute Geschichte ist. Das wäre mir fast ein bisschen zu progressiv gewesen, wenn Vizepräsidentin Petra Pau: ich ehrlich bin. Jetzt ist 2020. Nun hat er gesagt: Er will es Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun 2035. – Aber zeitgleich setzt sich die CSU dafür ein, dass Dieter Janecek das Wort. es Kaufprämien für fossile Verbrenner gibt. Das ist doch keine verlässliche Industriepolitik. Mit Verlaub, das ist (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) ziemlich gaga. So kann man doch nicht vorgehen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Dieter Janecek (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Zu Beginn meiner Rede Sie schaffen auch keine Absatzmärkte fürs Automobil, möchte ich mich bedanken bei den Gründerinnen und wenn Sie keine Zukunftsbeschreibung für diesen Markt Gründern, bei den Start-ups, bei den Sozialunternehmen, machen können. Schauen Sie da mal nach Baden-Würt- die uns Grüne diese Woche auf Platz eins beim Deutschen temberg. Seit über drei Jahren ist dort ein Automobil- Startup Monitor gewählt haben. Vielen Dank für das Ver- dialog in allen Branchen präsent – bei der Batteriefer- trauen! tigung, bei den Zulieferern-, hoch geschätzt auch von den Industriepartnern. Ich glaube, das ist etwas, was wir (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) auch für den Bund bräuchten. Wir müssten sagen: Wir Ich glaube, damit ist aber auch der Hinweis an Sie nehmen eure Ängste ernst, und die sind auch berechtigt; verbunden, Herr Minister Altmaier, dass Sie eben viel es wird auch Stellenabbau im technologischen Wandel über das Klima reden, aber immer noch als der gesehen geben, aber wir helfen euch beim Wandel in die 22682 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Oktober 2020

Dieter Janecek (A) Zukunft. – Das heißt übrigens auch, Standorten zu helfen, Andreas G. Lämmel (CDU/CSU): (C) die vielleicht in der Vergangenheit auf die fossile Tech- Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und nologie gesetzt haben, sich aber jetzt wandeln wollen und Herren! Bei der letzten Haushaltsrede hatten wir schon aufgrund des EU-Beihilferechts momentan keine Hilfen festgestellt, dass der Haushalt des Bundeswirtschaftsmi- bekommen können. Vielleicht liegt auch da ein Ansatz, nisteriums ein Rekordhaushalt ist. Keiner konnte ahnen, Hilfen für die Automobilindustrie zu schaffen, die in die dass wir in diesem Jahr diesen Rekord noch mal toppen Zukunft will. und das Haushaltsvolumen noch mal deutlich ansteigt. Da aber dieser Anstieg des Haushaltsvolumens kredit- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) finanziert ist, das heißt, diesen Ausgaben keine regulären Und natürlich das große Thema Wasserstoffstrategie. Einnahmen gegenüberstehen, ist es unsere Verpflichtung Ich finde es gut, dass wir jetzt eine Nationale Wasserstoff- gegenüber den nachfolgenden Generationen, über jeden strategie in ersten Zügen formuliert haben. Aber – Anja Euro, den wir zusätzlich ausgeben, auch den Nachweis zu Hajduk hat es auch formuliert – die Voraussetzung für führen, dass er dringend notwendig ist. Es ist, glaube ich, alles sind die erneuerbaren Energien. auch für den Haushalt des Bundeswirtschaftsministe- riums gut nachweisbar, dass wir dieser Verantwortung (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) nachkommen. Wir können keine Wasserstoffstrategie erfolgreich – übri- Meine Damen und Herren, wenn das Wirtschaftsleben gens auch nicht im Sinne der Unternehmen – nach vorne wochenlang außer Betrieb gewesen ist, wenn Unterneh- bringen, die am Ende die Kohleverstromung in den Pro- men praktisch keinen oder wenig Umsatz generiert zess einbringt oder darauf setzt: Wir bauen jetzt erst mal haben, wenn viele Millionen Menschen zumindest für nach vorne und verschärfen unsere Klimakrise mit dem, die Kurzarbeit angemeldet worden sind, dann hat der was wir machen. – Das muss Hand in Hand gehen. Sie Staat eben weniger Einnahmen, aber viele Ausgaben. können nicht sagen: Das kommt dann alles aus Saudi- Dieses Verhältnis muss wieder umgekehrt werden. Arabien und Marokko. – Es wäre schön, wenn wir Ver- Um der Wirtschaft wieder eine Perspektive zu geben, träge mit anderen Staaten schließen können. Das hat dann Frau Hajduk, brauchen wir kein Lieferkettengesetz. auch entwicklungspolitische Implikationen, weil die betreffenden Länder auch ihren Strom, ihren Wohlstand (Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- vor Ort halten wollen. Aber wir müssen eine Strategie NEN]: Ein Lieferkettengesetz ist ein Men- entwickeln, die ehrlich ist. Und ehrlich heißt: Vorrang schenrecht!) für den industriellen Sektor. Wir brauchen es zuerst für Wir brauchen auch kein Verbandssanktionsrecht. Wir die Stahl- und Zementbranche, aber auch für Anwendun- brauchen mehr Freiheit für die Unternehmer und nicht (B) gen in vielen Maschinenbaubereichen. Im Vordergrund mehr Gängelung. (D) sollte eben nicht das Versprechen stehen: Die E-Fuels (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) im Pkw-Bereich sind die, die es als Erstes brauchen. Das wird so nicht sein. Wenn Sie nicht verstehen können, dass jetzt der unpas- sendste Moment für solche Gesetze ist, und einsehen, (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) dass wir jetzt ein Belastungsmoratorium brauchen, dass wir den Unternehmern klar sagen müssen: „Der Staat Zum Schluss möchte ich über ein Thema sprechen, das wird nichts tun, um Unternehmen in dieser Situation hier auch schon angesprochen wurde: das Thema Flug- noch zu gängeln“, industrie. Da ist ja in der Tat die Frage, ob wir mit der Umwandlung von Kraftstoffen eine Strategie für den Kli- (Dagmar Ziegler [SPD]: Ist doch nur eine Aus- maschutz haben könnten. Aber auch dafür brauchen wir rede! – Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- endlich mal Rahmenbedingungen, zum Beispiel eine NEN) Quote im Bereich der Fuels, die dafür sorgt, dass der dann frage ich mich, wo Ihre Wirtschaftskompetenz ökologische Anteil sukzessive steigt, dass wir das auf wirklich bleibt. europäischer Ebene durchsetzen, dass wir weltweit einen Markt daraus machen, dass wir da wirklich Innovationen (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- vorantreiben. Dafür braucht es Industriepolitik. Dafür neten der FDP – Widerspruch bei Abgeordne- braucht es Sie, Herr Altmaier. ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: Sie brauchen Wir brauchen also einen Schritt nach vorne. Das, was Nachhilfe in Wirtschaftspolitik!) Sie hier vorlegen, ist einfach zu wenig, insbesondere bei den erneuerbaren Energien. Also arbeiten Sie bitte nach! Also, ich kann nur sagen: Wer jetzt so was in Szene setzt, meine Damen und Herren, der hat, glaube ich, die Situa- Vielen Dank. tion nicht verstanden. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Petra Pau: Meine Damen und Herren, der Haushalt des Bun- Für die CDU/CSU-Fraktion hat nun der Kollege deswirtschaftsministeriums ist auf dreierlei ausgelegt: Andreas Lämmel das Wort. forschen, entwickeln und investieren. Das ist genau die Zielrichtung, die wir als CDU/CSU-Fraktion auch unter- (Beifall bei der CDU/CSU) stützen. Der Kollege Jurk hat ja zum ZIM gesprochen. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Oktober 2020 22683

Andreas G. Lämmel (A) Aber er hat gesagt, das sei ein Coronahilfsprogramm. Aus ( [DIE LINKE]: Die CDU der DDR, (C) meiner Sicht ist ZIM kein Coronahilfsprogramm, son- ja!) dern ZIM ist ein Hilfsprogramm für die Wirtschaft, um Das sind die Ursachen für diese Probleme. sozusagen neue Projekte in Gang zu setzen, um Zukunft zu gestalten. Das ZIM ist das Flaggschiff im Haushalt des (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Bundeswirtschaftsministeriums. Ich glaube, wir sind uns Also, gehen Sie mal in sich, denken Sie mal nach und einig, Kollege Jurk, dass wir alles tun werden, damit die erzählen Sie den Leuten nicht so einen Unsinn. Ausstattung dieses Programmes nicht daran scheitert, dass zu wenig freie Mittel vorhanden sind. Gucken wir (Jan Korte [DIE LINKE]: Ja, die CDU der uns die Situation im Bundeswirtschaftsministerium an: DDR! Große Widerstandsgruppe!) Wir haben da sehr viele Reste. Es muss erst mal nachge- Ja, meine Damen und Herren, ein weiteres Feld für die wiesen werden, ob wir wirklich alle Reste für die vorge- Ankurbelung der Wirtschaft ist ja auch das Thema sehenen Zwecke einsetzen können. Außenwirtschaft. Im Bereich der Außenwirtschaft haben (Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: Ja!) wir ja einige Programme. Aber ich glaube, wir müssen ganz grundsätzlich über die Instrumente der Außenwirt- Deshalb glaube ich auch, dass wir im weiteren Haushalts- schaft neu nachdenken bzw. diese nachschärfen. Da ist verfahren durchaus dazu kommen können, weitere viel notwendig, um jetzt den Unternehmen wieder den Umschichtungen vorzunehmen. Gang ins Ausland zu ermöglichen. Schon deswegen ist Es wird sehr viel Geld in die Raumfahrt-, in die Luft- ein Lieferkettengesetz – ich habe es vorhin schon gesagt – fahrtforschungsprogramme, in die Mikroelektronik für in der jetzigen Situation völliger Unfug. den Fahrzeugbau gesteckt. Aber ich möchte hier auch (Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: noch mal ganz deutlich sagen: Das sind keine Programme Das ist doch jetzt schon wieder ein Wider- alleine für Großunternehmen, spruch!) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ich muss aber noch mal sagen, da ich auch immer für sondern hier muss die Mittelverteilung ganz klar so erfol- Afrika sprechen muss: Herr Minister Altmaier, wir müs- gen, dass auch die kleinen und mittleren Unternehmen sen die Maßnahmen für die Wirtschaftsentwicklung in von diesen Programmen partizipieren können. Afrika bündeln. Wir müssen sie noch besser verzahnen, (Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: Sehr gut!) und die Konkurrenz zwischen dem Bundeswirtschafts- ministerium und dem Bundesministerium für wirtschaft- Darauf muss das Bundeswirtschaftsministerium in seinen liche Entwicklung und Zusammenarbeit muss endlich Förderrichtlinien achten. mal enden. Wir brauchen eine gemeinsame Strategie. (B) (D) Zur GRW hat Kollege Jurk schon was gesagt. Bei den (Dagmar Ziegler [SPD]: Genau! Endlich ein Mitteln für die strukturschwachen Gebiete ist ja bei den Lieferkettengesetz!) Jahresraten in diesem Jahr und in den nächsten Jahren fast eine Verdoppelung zu verzeichnen. Das ist ein sehr guter Nur so sind aus meiner Sicht die Dinge zu lösen. Zug. Wir haben ja auch die Regularien für die GRW Also, wir sind dem Haushalt des Bundeswirtschafts- zugunsten höherer Fördersätze verändert. Die Frau ministeriums gegenüber positiv eingestellt. Wir werden Bluhm ist ja jetzt nicht mehr da. Ich will nur sagen: Die in den nächsten Wochen die Verhandlungen führen. Ich Kollegen von der Linksfraktion verwechseln immer mal denke, wir werden ein gutes Ergebnis abliefern können. wieder Ursache und Wirkung. Warum wir in Ostdeutsch- land nach wie vor große Probleme mit strukturschwachen Vielen Dank. Regionen haben? Da müssen Sie mal nachdenken, was da (Beifall bei der CDU/CSU) vor dem 3. Oktober 1990 war. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- Vizepräsidentin Petra Pau: neten der AfD und der FDP – Jan Korte [DIE Für die AfD-Fraktion hat nun der Abgeordnete Leif- LINKE]: Vor 30 Jahren!) Erik Holm das Wort. Sie haben ein ruiniertes Land hinterlassen, (Beifall bei der AfD) (Jan Korte [DIE LINKE]: Vor 30 Jahren, oder was?) Leif-Erik Holm (AfD): das in 30 Jahren wiederaufgebaut werden musste. Wir Liebe Bürger! Frau Präsidentin! Meine Damen und können stolz sein auf das, was wir gemeinschaftlich Herren! Der Finanzminister zaubert die Milliarden nur hier geschaffen haben. so aus dem Hut, eine nach der anderen – leider nicht aus seinem eigenen. Und das ist das Problem. Er nimmt (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) das Geld schon heute von den kommenden Generationen. Lesen Sie doch mal den Bericht von dem Herrn Schürer. Das ist in diesem Ausmaß eine unverantwortliche Politik. (Jan Korte [DIE LINKE]: Reden Sie mal lieber (Beifall bei der AfD) mit Ihren Blockflötenfreunden! – Gegenruf des Wir kritisieren nicht die Maßnahmen für unsere Unter- Abg. [AfD]: Waren Sie dabei?) nehmen in der Coronakrise; das ist selbstverständlich, das Der Herr Schürer hat sozusagen den Bankrott der SED muss sein – wegen Ihrer unverhältnismäßigen Politik, bzw. DDR lang und breit beschrieben. kann man noch dazusagen. Aber was Sie jetzt tun: Sie 22684 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Oktober 2020

Leif-Erik Holm (A) nutzen die Aushebelung der Schuldenbremse, um einen Jetzt soll es auch noch Subventionen für die Zeitungs- (C) richtigen Schluck aus der Schuldenpulle zu nehmen. Und verlage geben. 200 Millionen Euro sind dafür eingeplant. das werfen wir Ihnen vor. Das finde ich wirklich mehr als bedenklich. Ich kann ja wirklich verstehen, dass die SPD mit ihrer großen (Beifall bei der AfD) Medienholding da vielleicht Probleme sieht. Aber der Sie haben eine regelrechte Subventionitis für allerlei Bundeshaushalt darf nicht zum Selbstbedienungsladen Sinnlosprojekte losgetreten. werden. (Dagmar Ziegler [SPD]: Welche denn?) Und wo bleibt die journalistische Unabhängigkeit? Dass eine solche Förderung zu noch mehr regierung- Und das wird uns Bürger noch teuer zu stehen kommen. streuer Berichterstattung führen kann, Man sieht es am Wirtschaftsetat. Schauen Sie sich den (Timon Gremmels [SPD]: Blödsinn!) Energiebereich an: Sie verdoppeln noch mal den Milliar- denetat für Gebäudeeffizienz. Ist das sinnvoll? Nein! liegt doch auf der Hand. Nein sagt auch der Verband der Wohnungswirtschaft. (Beifall bei der AfD) Wörtlich: „Aktuell sanieren wir uns“ in Deutschland „systematisch den günstigen Wohnraum weg“. Genau Allein der Anschein aber ist gefährlich für unsere Demo- so ist es. Das führt zu steigenden Kauf- und Mietpreisen. kratie. Wir brauchen nach dem staatsnahen Rundfunk Dann wird wieder nach einer schärferen Mietpreisbremse nicht auch noch eine staatsnahe Presse. gerufen. Und was ist dann? So schlittern wir in den Sozia- Die beste Lösung hieße: Weg mit der GEZ! Die Bei- lismus herein. träge der Bürger für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk sind schlicht zu hoch. Der GEZ-Funk erdrückt die (Beifall bei der AfD) Geschäftsmodelle der Privatanbieter; das ist das Problem. Herr Minister, auch im Wirtschaftsbereich rutschen wir in Also: Rundfunkbeiträge runter, damit die Zeitungsverla- die Planwirtschaft hinein – und das 30 Jahre nach der ge mehr Luft zum Atmen haben. deutschen Wiedervereinigung. Das muss uns doch allen (Beifall bei der AfD – Timon Gremmels [SPD]: zu denken geben. Sie haben gut davon gelebt, oder nicht? Wo (Jan Korte [DIE LINKE]: Mit Altmaier in den haben Sie gearbeitet?) Sozialismus! Genau! – Heiterkeit bei der SPD, Liebe Kollegen, ich komme zum Schluss. Dieser der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE Haushalt setzt absolut die falschen Anreize. Hilfe für GRÜNEN) unsere Unternehmen in der Corona- und Lockdownkrise (B) Für die Elektromobilität legen Sie auch noch mal kräf- ist notwendig. Aber die allgemeine Subventionitis (D) tig drauf. Dabei weiß jeder, dass diese Technologie ein machen wir nicht mit. Ich finde, dieser Haushalt hätte Rohrkrepierer sein wird: zu teuer, zu geringe Reichweite einen deutlich passenderen Namen verdient. Mein Vor- und umweltfeindlich. schlag lautet: das Tolle-Steuerverschwendungsgesetz. (Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: Das ist schlichtweg falsch!) Vizepräsidentin Petra Pau: Herr Holm, ich wiederhole mich; aber es gilt: Die Das kommt zusammen. Ankündigung, zum Schluss zu kommen, ersetzt nicht (Timon Gremmels [SPD]: Eine umweltfeind- den Schlusspunkt. liche Ideologie!) Leif-Erik Holm (AfD): Ein moderner Diesel ist auch in der CO -Bilanz sauberer 2 Ich war ja fast schon fertig. als ein Stromer. (Beifall bei der AfD) (Beifall bei der AfD – Timon Gremmels [SPD]: Umweltfeindlich!) Vizepräsidentin Petra Pau: Was soll das also? Sie verschwenden unser hart erarbeite- Für die SPD-Fraktion hat nun die Kollegin Sabine tes Geld für Ihren ideologischen Sonderweg. Das ist Poschmann das Wort. Steuerverschwendung in Reinkultur. (Beifall bei der SPD) (Zuruf von der SPD: Das ist billig, was Sie machen!) Sabine Poschmann (SPD): Ich bin froh, dass das auch mal ein Branchenvertreter Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und anspricht. Gunnar Herrmann, der Chef von Ford Kollegen! Ein Satz an Herrn Lämmel sei mir gestattet: Deutschland, sagt, Technologieoffenheit sei nicht mehr Wer in diesem Haus gegen ein Lieferkettengesetz ist, der gefragt. Wörtlich: „Hier wird mit Gewalt der Verbren- ist auch gegen Menschenrechte. nungsmotor ins Aus gedrängt“. Das ist genau das, wovor (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten die AfD warnt. Sie brechen das Rückgrat der deutschen der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE Automobilindustrie und gefährden damit unseren Wohl- GRÜNEN – Widerspruch bei der CDU/CSU stand. und der AfD – [CDU/ (Beifall bei der AfD) CSU]: Unsinn!) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Oktober 2020 22685

Sabine Poschmann (A) Deshalb: Sprechen Sie doch bitte noch mal mit dem Zweitens. Für diese Branchen braucht es weitere Hil- (C) Herrn Dobrindt, und klären Sie das in der Union; denn fen. 25 Milliarden Euro sind bereitgestellt. Das Parlament genau jetzt wäre der richtige Zeitpunkt. Ein Blick in den hat dieses Geld aber nicht bereitgestellt, damit es im Koalitionsvertrag erleichtert die Sache vielleicht auch Haushalt weiter schlummert, sondern das Geld soll tat- ungemein. sächlich bei den Unternehmen ankommen. Bei der Um- setzung muss der Wirtschaftsminister, Herr Altmaier, (Johann Saathoff [SPD]: Ganz genau!) noch mal einen Zacken zulegen. Als wir hier im letzten Jahr über den Haushalt disku- (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Zuruf von tiert haben, gab es einige, die gerne eine höhere Verschul- der CDU/CSU: Scholz auch!) dung für Investitionen wollten, und andere wollten gerne eine steuerliche Entlastung für Unternehmen nach dem Die Maßnahmen sollen nämlich – dafür haben wir sie ja Gießkannenprinzip. Olaf Scholz und die SPD-Bundes- angesetzt – vor Insolvenzen schützen und Arbeitsplätze tagsfraktion haben das damals abgelehnt mit der Begrün- sichern. Daher ist es richtig, dass die Überbrückungshil- dung: Der Wirtschaft ging es gut, und wir brauchten so fen jetzt verlängert und vor allen Dingen angepasst wer- eine Entlastung zu dieser Zeit nicht. Besser, Rücklagen den. bilden und für schlechte Zeiten aufheben! Dabei dachten Dennoch sehe ich weiteren Handlungsbedarf. Unter- wir natürlich eher an eine Rezession als an Corona, was stützung wird über Dezember hinaus gebraucht. Unter- uns dann eingeholt hat. nehmen brauchen Planungssicherheit. Wir müssen mal Jetzt sind wir froh, dass wir genau diesen Weg gegan- aufhören, in Dreimonatsabschnitten zu denken. Auch gen sind. Olaf Scholz hat sich wieder einmal als voraus- größere Unternehmen der Branche, die jetzt länger drau- schauender Stratege erwiesen. ßen sind, brauchen Zuschüsse. Wir können sie nicht weiter nur mit Krediten in die Verschuldung treiben. (Beifall bei der SPD – Widerspruch bei Abge- Eine weiter anhaltende Durststrecke halten sie nicht ordneten der CDU/CSU und der LINKEN – durch. Diese Branchen brauchen eine Perspektive. Jan Korte [DIE LINKE]: Oijoijoi! – Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: Der kann über Wasser Ich komme zu einem weiteren Punkt. Damit die Wirt- laufen!) schaft wieder Fahrt aufnimmt, braucht es starke Kommu- nen. Wir alle wissen: Zwei Drittel aller öffentlichen Deshalb konnten wir nämlich jetzt, als es brannte, schnell Investitionen im Land sind von den Kommunen abhän- und entschlossen agieren. Jetzt können der Wumms und gig. Das bedeutet Aufträge für die heimische Wirtschaft die Bazooka nämlich ziehen: und vor allen Dingen fürs Handwerk. Doch finanzschwa- che Kommunen laufen Gefahr, weiter abgehängt zu wer- (B) (Jan Korte [DIE LINKE]: Aber hört mal mit (D) den. Ich fordere daher weitere Unterstützung, zum Bei- dem Wumms auf! Das ist peinlich! – Martin spiel einen Altschuldenfonds. Reichardt [AfD]: Was ist denn das für eine militaristische Ausdrucksweise?) Wir brauchen starke Kommunen, nicht nur für Wirt- schaft und Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, son- mit den Soforthilfen, mit den Überbrückungshilfen, mit dern für die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes, für der Kurzarbeit und dem Konjunkturprogramm. Die Wirt- Schulen, für Krankenhäuser, für bezahlbares Wohnen, für schaft erholt sich, wenn auch langsam. Aber wir sehen den öffentlichen Personennahverkehr. Wenn wir jetzt doch: Die Kurzarbeit geht sogar leicht zurück. Ich finde, zusammenhalten, können wir die Zukunft meistern. das ist ein gutes Zeichen für dieses Land.

(Beifall bei der SPD – Zuruf von der AfD: Vizepräsidentin Petra Pau: Wumms!) Frau Kollegin Poschmann, Sie können selbstverständ- Aber nicht alle Branchen können aufatmen. Aufgrund lich weiterreden; Sie tun es aber auf Kosten Ihres Kol- von Beschränkungen sind weiterhin viele Branchen stark legen. betroffen: die Schausteller, die Veranstalter, die Messen und Reisebüros, Kneipiers, Hoteliers, Caterer und Club- Sabine Poschmann (SPD): besitzer. Herzlichen Dank. Hier sollten wir erstens noch einmal darüber nachden- (Beifall bei der SPD) ken, ob Verbote und stark begrenzte Besucherzahlen wesentlich sind oder ob nicht die Hygienekonzepte ent- scheidender sind. Vizepräsidentin Petra Pau: Dr. Martin Neumann hat nun für die FDP-Fraktion das (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Christian Wort. Dürr [FDP]) (Beifall bei der FDP) Eine ganze Branche über eine so lange Zeit vom Netz zu nehmen, kann auf Dauer nicht funktionieren, auch wenn Herr Söder gerne mal alleine zu Hause tanzt, meine Dr. Martin Neumann (FDP): Damen und Herren. Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja – Kollege Linnemann hat es gesagt –, die (Zurufe von der CDU/CSU: Oijoijoi!) Energiewende muss viel europäischer gedacht und vor 22686 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Oktober 2020

Dr. Martin Neumann (A) allen Dingen auch gemacht werden. Der viel zu hohe Dr. Martin Neumann (FDP): (C) Strompreis in Deutschland, der deutsche Alleingang in – ich will noch zwei Punkte sagen – eine europäische vielen Bereichen ist schädlich Energiewende, in der die deutsche Industrie wettbe- werbsfähig bleibt, weniger Bürokratie und, meine Damen (Christian Dürr [FDP]: Richtig!) und Herren, mehr Mittel für Forschung und Entwicklung und nicht im Sinne des europäischen Grundgedankens. umweltverträglicher und bezahlbarer Energieträger. So bleiben wir nicht wettbewerbsfähig und gefährden Arbeitsplätze. (Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: Noch mehr Mittel für die Forschung? Die haben sich (Beifall bei der FDP) doch schon vervierfacht!) Der vorliegende Entwurf zeigt mal wieder viel zu viel Vielen Dank. Flickschusterei. Herr Altmaier, es fällt tatsächlich schwer, die Sinnhaftigkeit einzelner Maßnahmen bezo- (Beifall bei der FDP) gen auf den Gesamtkontext der Energiewende zu verste- hen. Ich kann Ihren Aufruf nach noch mehr falscher Vizepräsidentin Petra Pau: Energie- und Klimapolitik nicht mehr hören. Das Wort hat der Kollege Hansjörg Durz für die CDU/ (Christian Dürr [FDP]: Ich auch nicht!) CSU-Fraktion. Denn Investitionen, meine Damen und Herren, in neue (Beifall bei der CDU/CSU) Technologien brauchen Zeit. Deshalb brauchen wir keine jahresscharfen Sektorziele, wie Sie sie fordern, sondern marktwirtschaftliche Instrumente, Hansjörg Durz (CDU/CSU): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen (Christian Dürr [FDP]: Richtig!) und Kollegen! Meine Damen und Herren! Das bisschen die Investitionen ermöglichen, vor allem in kostengüns- Haushalt, das ist doch nicht so schwer. tige Vermeidungstechnologien. (Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: Johanna von (Beifall bei der FDP) Koczian!) Die Milliarden, die zur Begrenzung der EEG-Umlage – Genau. – Das wusste schon ironisch ein Schlager aus ausgegeben werden, wären besser in der klassischen den 70ern zu berichten. Und in der Tat ist das Gegenteil Energiesystemforschung aufgehoben. Stattdessen wird richtig. Der Haushalt des Wirtschaftsministeriums ist – (B) Geld in sogenannte Reallabore gesteckt, deren Nutzung wir haben es gehört – mehr als 10 Milliarden Euro (D) und nachhaltige Wirkung viel, viel ernsthafter angepackt schwer, so schwer wie nie zuvor. Er ist um rund 3 Milliar- werden müsste. den Euro angewachsen im Vergleich zu vorherigen Pla- nungen. Sollen wir nun getreu dem Schlager dem (Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: Wird es Schöpfer dieses Haushalts danken? Einerseits ja, anderer- auch!) seits ist dieser Haushalt auch das Resultat einer der Wir finden aber nur eine nichtssagende Beschreibung schwersten Krisen der bundesrepublikanischen Wirt- ohne konkrete Zielnennung, wofür das Geld tatsächlich schaftsgeschichte. Das Coronavirus ist Gift nicht nur für ausgegeben werden soll. unsere Wirtschaft, sondern auch für die Weltwirtschaft. Gleichzeitig steht im Haushaltsentwurf, liebe Kolle- Im Übrigen, weil das vorhin erwähnt wurde: Es gibt ginnen und Kollegen, dass die Kommunikation der Ener- Beispiele in der Welt, wo nicht gehandelt wurde, wo nur giewende zur „Stärkung des Bewusstseins für mehr positiv in die Zukunft geblickt, aber nicht auf das Virus Eigenverantwortung und Selbstständigkeit“ führen soll. reagiert wurde. Gerade wir als exportorientierte Wirt- Ja, meine Damen und Herren, das Land braucht zielge- schaft spüren sehr deutlich die Auswirkungen auf die richtete Maßnahmen, die zu mehr Eigenverantwortung Weltwirtschaft. Ganze Lieferketten sind zusammenge- führen, und keine Politik wie bisher. brochen. In fast allen Branchen läuteten hierzulande die Alarmglocken; in manchen sind sie auch heute noch nicht Liebe Bundesregierung, lieber Kollege Altmaier, las- verstummt. Ein Beispiel, das noch nicht so deutlich sen Sie die Bürgerinnen und Bürger mehr an der Energie- herausgestellt wurde, ist die Tourismusbranche. wende partizipieren; denn nur so kann sie erfolgreich sein. (Beifall bei der CDU/CSU) (Beifall bei Abgeordneten der FDP) Trotz aller Bemühungen, unsere Unternehmen zu stüt- Wir brauchen erstens endlich ein marktwirtschaftliches zen, leiden viele noch über den Tag hinaus. Aus diesem System und Wettbewerb im Energiebereich zur Errei- Wirtschaftshaushalt werden allein 2 Milliarden Euro in chung der Klimaziele für sichere Energieversorgung, die Konjunktur- und Krisenbewältigung fließen. Jede Bezahlbarkeit und Akzeptanz, zweitens – Krise ist auch eine Chance, und das drückt dieser Haus- halt aus. Er ist nicht bloß ein Haushalt der Krisenbewäl- tigung, sondern er ist Chancenhaushalt und Innovations- Vizepräsidentin Petra Pau: haushalt in einem. Kollege Neumann, ich weiß nicht, wie lang Ihre Auf- zählung ist; aber Sie müssen zum Punkt kommen. (Beifall bei der CDU/CSU) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Oktober 2020 22687

Hansjörg Durz (A) Die Bundesregierung – das zeigt dieser Einzelplan – verschuldung. Diese Krise bietet eine Chance, die (C) muss sich eines nicht vorwerfen: dass sie die Chancen Weichen für die Zukunft und für zukünftige Generationen nicht anpacken würde. Ein gutes Beispiel dafür ist richtig zu stellen. Gaia-X. Hier möchte ich ein großes Lob an unseren Wirt- Vielen Dank. schaftsminister Peter Altmaier richten. (Beifall bei der CDU/CSU) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Was haben manche Leute vor zwei Jahren noch Vizepräsidentin Petra Pau: geschmunzelt, als der Minister von einem Daten-Airbus Das Wort hat der Kollege Timon Gremmels für die geredet und sich für mehr Datensouveränität in Europa SDP-Fraktion. starkgemacht hat! Heute stehen in diesem Haushalt 88,5 Millionen Euro, die zu großen Teilen in das Cloud- (Beifall bei der SPD) Projekt Gaia-X fließen. Die Gründungsurkunde ist unter- schrieben. Das Interesse bei den Unternehmen, insbeson- Timon Gremmels (SPD): dere im Mittelstand, ist riesengroß. Die ersten Anwen- Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten dungen sind in Planung. Mittlerweile ist es ein deutsch- Damen und Herren! Ich muss zunächst auf Herrn französisches Projekt. Dieses Projekt kann ein Meilen- Lämmel zurückkommen. Herr Lämmel, Sie haben sich stein in der digitalpolitischen Geschichte dieses Landes hierhingestellt und haben gesagt, ein Lieferkettengesetz und Europas werden und verdient unsere volle Unterstüt- wäre eine Gängelung. Ich sage Ihnen für die SPD-Frak- zung. tion klar und deutlich: Erstens. Menschenrechte sind für (Beifall bei der CDU/CSU) uns nicht verhandelbar. Doch wir unterstützen die Zukunftsfähigkeit unserer (Beifall bei der SPD) Wirtschaft mit noch mehr als nur einer halben Milliarde Zweitens. Diese Große Koalition geht zu Ende, und das Euro im Bereich Digitale Agenda. Ob Investitionen in ist auch gut so. Ich erwarte jedoch, dass die Union bis das Gigabitnetz, in Quantencomputing oder künstliche zum Schluss koalitionstreu und vertragstreu ist. Intelligenz – über die Verteilung dieser Mittel aus dem Zukunftspaket auf die einzelnen Haushalte und Projekte (Beifall bei der SPD) werden wir in den kommenden Wochen noch genügend Wir haben in einer Debatte in dieser Haushaltswoche debattieren. schon Herrn Dobrindt gehört, der gesagt hat, Schulden (B) All diese Gelder sind ein wichtiger Beitrag zur Stär- seien kein Selbstzweck. Ich sage Ihnen für die SPD: (D) kung unserer Wettbewerbsfähigkeit und zur digitalen Die Schuldenbremse ist aber auch kein Selbstzweck. Souveränität Deutschlands und Europas. Zur digitalen Wir müssen doch zusehen, dass wir den vorsichtigen Souveränität gehört übrigens auch die Entwicklung des Aufschwung, den wir jetzt verzeichnen, nicht mit Sparor- Mobilfunkstandards der Zukunft. Deshalb sind in diesem gien abwürgen, meine sehr verehrten Damen und Herren. Haushalt Investitionsmittel für neue Technologien vorge- Wir müssen daraus einen nachhaltigen Aufschwung sehen. Das ist gut investiertes Geld, wenn wir beispiels- machen, und das geht nur, indem wir die Investitionen weise an den Mobilfunkstandard 5 G denken. in einen sozialökologischen Umbau und in eine sozial- Es ist die Politik der schwarzen Null, die Politik der ökologische Transformation unserer Industrie in den Mit- soliden Finanzen, die Politik der Union, die sich in dieser telpunkt stellen. Das ist die Aufgabe, vor der wir jetzt Krise als goldrichtig erwiesen hat. Wer meint, Deutsch- stehen. Wir wollen, dass Deutschland zukunftsfest aus land sei in der Coronakrise von dem Politikkonzept der der Corona-, aber auch aus der Klimakrise herauskommt, schwarzen Null abgewichen, der irrt. Spare in der Zeit, und zwar zusammen mit den Unternehmen, mit den dann hast du in der Not – das war schon immer die Selbstständigen und mit den Arbeitnehmerinnen und Maxime unserer nachhaltigen Finanz- und Wirtschafts- Arbeitnehmern. Das ist unser Plan, und so müssen wir politik. es angehen. (Beifall bei der CDU/CSU) (Beifall bei der SPD) Eine Abkehr von dieser Politik sind Forderungen, die Es gibt Punkte, auch in diesem Einzelplan 09, wo wir sich vereinzelt im politischen Raum vernehmen lassen. auf dem richtigen Weg sind, wo wir aber auch noch nach- Gegner der Schuldenbremse frohlocken, man müsse die- legen können. So müssen wir ausreichende Mittel für die se nun bis weit in dieses Jahrzehnt hinein aussetzen. Ich Energieforschung bereitstellen. Ich sage das als jemand, sage Ihnen: Solche Pläne wird es mit der Union nicht in dessen Wahlkreis mit dem Fraunhofer-Institut IEE die geben. Leitwarte der Energiewende entsteht. Auch dort braucht man Unterstützung, auch dort braucht man Aufträge. (Beifall bei der CDU/CSU) Energieforschung ist eine ganz wichtige Säule für die Zukunftsfähigkeit unseres Landes. Ja, wir investieren gerade in der Krise in die Zukunft; doch wir müssen auch aufpassen, dass die Zukunft der Ich habe noch einen weiteren Punkt. Wir müssen zuse- jungen Menschen nicht zu sehr mit einer Coronahypo- hen, dass die Maßnahmen, die wir im Klimapaket festge- thek belastet wird. Deshalb brauchen wir eine schnelle legt haben, die sich jetzt auszahlen und wirken, auch Rückkehr zu einem ausgeglichenen Haushalt ohne Neu- nachhaltig im Haushalt abgesichert werden. 22688 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Oktober 2020

Timon Gremmels (A) ( [AfD]: Wo wirken die Vizepräsidentin Petra Pau: (C) denn?) Das Wort hat der Kollege Andreas Mattfeld für die - „Wo wirken die denn?“, fragen Sie. Ich kann Ihnen ein CDU/CSU-Fraktion. Beispiel nennen. Sie sollten sich schon intensiver mit der (Beifall bei der CDU/CSU) Thematik beschäftigen. (Martin Reichardt [AfD]: Ich meine: Wo wir- Andreas Mattfeldt (CDU/CSU): ken die auf das Klima?) Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten – Zum Beispiel im Bereich der Gebäudesanierung. Wir Damen und Herren! Es war eine sehr laute Rede, Herr haben in diesem Bereich ein Heizungsaustauschpro- Gremmels. – Durch die Coronamaßnahmen – das haben gramm aufgelegt, wo bis zu 45 Prozent der Kosten geför- wir, glaube ich, in dieser Debatte mehr als genug gehört – dert werden. Und das kommt bei den Menschen an; diese stehen wir in Deutschland und steht die Weltwirtschaft Programme werden sehr gut abgerufen. unter einem immensen Druck, wie wir es in Friedens- zeiten noch nie erlebt haben. Diesen Druck – ich glaube, (Martin Reichardt [AfD]: Was hat das mit dem das darf ich als Hauptberichterstatter sagen – spürt man Klima zu tun?) auch jetzt in dieser Debatte, den spürt man auch in den Wir verzeichnen bei diesen Heizungsaustauschprogram- ganzen Haushaltsberatungen in diesen Tagen. men eine dreifach höhere Nachfrage der Bürgerinnen und Meine Damen und Herren, die Steuerschätzung hat uns Bürger als in den letzten Jahren. Das heißt, wir mussten aufgezeigt, wie dramatisch sich die Lage entwickelt. Für Geld im Nachtrag bereitstellen, und wir müssen da auch uns alle ist noch nicht absehbar, wie hoch sich der tat- in Zukunft mehr machen. sächliche wirtschaftliche Schaden und infolgedessen (Martin Reichardt [AfD]: Das ist eine Samm- auch der Schaden im sozialen Bereich langfristig in unse- lung von Kokolores, was Sie da machen!) rem Land entwickeln werden. Wir als Koalition – Oppo- sitionsparteien haben dabei dankenswerterweise auch Das zeigt: Die Energiepolitik der Großen Koalition im mitgemacht; nicht alle – haben mit dem Nachtragshaus- Gebäudebereich kommt auch bei den Menschen an, und halt auf die Krise sehr schnell reagiert, und wir werden das ist auch gut so, meine sehr verehrten Damen und mit dem Bundeshaushalt 2021 alles tun, um den Schaden Herren. für die Menschen in unserem Land so gering wie irgend (Beifall bei der SPD) möglich zu halten. Die SPD steht für eine sozial gerechte Energiewende. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- (B) Wir wollen nicht, dass die Einnahmen aus dem CO2-Preis ordneten der SPD) (D) im Haushalt versickern, sondern wir wollen damit die Meine Damen und Herren, wir haben mit dem Kon- EEG-Umlage langfristig auf null senken. Das bedeutet junkturpaket, mit den Instrumenten wie Kurzarbeiter- eine Entlastung der Bürgerinnen und Bürger und zugleich geld, Sofort- und Überbrückungshilfen, dem Einstieg weniger Bürokratie. Ein günstiger Strompreis ist wichtig des Bundes bei systemrelevanten Unternehmen, aber für Wärmepumpen, E-Mobilität, aber auch für den Grü- auch den Investitionspaketen bis jetzt viel abfedern kön- nen Wasserstoff. nen, um Arbeitsplätze in unserem Land zu sichern und zu (Beifall bei der SPD) erhalten. Das ist temporär – davon bin ich zutiefst über- Und da ich ja nicht nur Energiepolitiker bin, sondern zeugt – notwendig gewesen. Jedoch wissen wir alle, dass mich auch im Wirtschaftsausschuss mit anderen wichti- diese schuldenfinanzierten Maßnahmen natürlich irgend- gen Themen beschäftige, wann endlich sind. Auch wir können Marktmechanismen eben nicht dauerhaft außer Kraft setzen. (Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: Und im Peti- tionsausschuss!) (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) möchte ich eines deutlich machen: In diesem Bereich Unser Land braucht positive Signale, damit durch eine haben auch die Digitalisierung des Verlagswesens und wachsende Wirtschaft wieder mehr Steuereinnahmen die Verbreitung von Abonnentenzeitungen und Anzei- erarbeitet werden. Alle unsere Milliarden werden aber genblättern einen Haushaltstitel. Bei aller Wichtigkeit verpuffen, wenn es uns nicht gelingt, parallel zur gesund- der Digitalisierung der Verlagsindustrie: Wir müssen heitlichen Bewältigung in der täglichen Berichterstattung zusehen, dass wir auch die Anzeigenblätter und die im Bereich Corona verbal abzurüsten. Abo-Zeitungen unterstützen; denn sie sind ein wichtiger (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Baustein für die Medienvielfalt und für den Meinungs- pluralismus. Deswegen dürfen wir nicht nur die Digitali- Der Daueralarm, den wir erleben, versetzt leider auch sierung unterstützen, sondern wir müssen auch die Aust- Menschen in eine Dauerangst. Mit Angst kann sich Wirt- rägerinnen und Austräger und die Anzeigenblätter schaft nicht entfalten. Angst lähmt, und Angst hemmt. unterstützen. Sie dienen der Meinungsvielfalt in Deutsch- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) land, und dafür werden wir uns einsetzen. In diesem Sinne: Glück auf! Mit Angst wird auch nicht konsumiert, mit Angst wird schon gar nicht investiert. Deshalb: Lassen wir Vorsicht Danke schön. walten, aber lassen Sie uns bitte auch den Daueralarm (Beifall bei der SPD) abstellen. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Oktober 2020 22689

Andreas Mattfeldt (A) (Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf von der Wir werden in die maritime Zukunft unseres Landes (C) AfD: Hört! Hört!) genauso investieren wie in neue Mobilitätstechniken. Die Chancen der Globalisierung werden wir nicht nur bei Meine Bitte an die Medien und einige Politiker: Lassen internationalen Energiepartnerschaften suchen, sondern Sie uns bitte nicht stündlich über Neuinfektionen als wir werden auch mit den Instrumenten unserer Auslands- Kennzahl berichten, sondern lassen Sie uns über die handelskammern und der GTAI den Mittelstand massiv wohl relevanteste Kennzahl sprechen, nämlich diejenige, beim Exportgeschäft unterstützen. die Auskunft darüber gibt, in welch einer Anzahl unsere Krankenhäuser und Intensivstationen mit positiv geteste- Dankbar bin ich auch – das darf ich abschließend viel- ten Coronapatienten belegt sind. Für mich ist dies der leicht noch sagen –, dass wir in diesem Haushalt mit der relevanteste Gradmesser, und der – das dürfen wir viel- Schaffung eines Basisregisters für Unternehmensstamm- leicht auch einfach mal sagen – ist nach wie vor in unse- daten die Unternehmen von zahllosen Statistikpflichten rem Land äußerst beruhigend. entlasten. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, als Hauptbe- ordneten der FDP) richterstatter freue ich mich jetzt schon, Herr Minister Meine Damen und Herren, der Wirtschaftsminister hat Altmaier, auf ganz spannende Haushaltsberatungen. Ich uns einen Entwurf über 10,13 Milliarden Euro vorgelegt, bin mir ganz sicher, dass der jetzt schon sehr gute Entwurf der, wie ich meine, mehr als zielgerichtet ist und der auf nach diesen Beratungen noch ein wenig besser aussehen die derzeitige Situation eingeht. Er gibt positive Signale. wird. Er kann enormes Wachstum mit Innovationssprüngen In diesem Sinne: Herzlichen Dank Ihnen allen zusam- auslösen. Hierfür herzlichen Dank, Herr Minister men. Altmaier. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) ordneten der SPD) Der Entwurf richtet sich sehr stark auf Innovation und Investition in unsere Zukunft aus. Wenn ich mir die star- Vizepräsidentin Petra Pau: ken Start-up-Programme anschaue, dann bin ich sicher, Weitere Wortmeldungen zu diesem Einzelplan liegen dass gerade auch junge Menschen mit Ideen diese Chance nicht vor. nutzen werden, sich wirtschaftlich – vielleicht sogar als Unternehmer – erfolgreich einzubringen. Wir kommen jetzt zu dem Geschäftsbereich des Bun- desministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Meine Damen und Herren, die Umsetzung der Ener- Jugend, Einzelplan 17. (B) giewende zieht sich wie ein roter Faden durch den Haus- (D) halt. Wir als Union meinen, dass die Wasserstoffstrategie Ich bitte, den notwendigen Wechsel zügig vorzuneh- ein fundamentaler Baustein zur Umsetzung ist. Die men. – Ich würde gern fortfahren; dazu wäre ich dankbar, Umstellung von Kohle auf Wasserstoff gerade in der wenn sich alle, die teilnehmen, wieder uns zuwenden. Schwerindustrie kann erheblich zu einer Reduktion von Das Wort hat die Bundesministerin Dr. Franziska Gif- CO2 bei uns im Land beitragen, zum Beispiel in der fey. Stahlproduktion. Wir haben für Wasserstoff im Nach- tragshaushalt des Energie- und Klimafonds 7 Milliarden (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Euro bereitgestellt, und wir setzen das in diesem Haushalt der CDU/CSU) mit 1,7 Milliarden Euro weiterhin um. Einer Branche geht es neben Veranstaltern und Solo- Dr. Franziska Giffey, Bundesministerin für Familie, selbstständigen ganz besonders schlecht: Das ist die Luft- Senioren, Frauen und Jugend: fahrtbranche. Die steht – oder ich möchte fast sagen: die Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen liegt – wegen der Coronakrise praktisch am Boden. Da- und Herren Abgeordnete! Für den Haushalt des Bundes- mit wir aber in dieser Branche nach der Krise im Wett- familienministeriums sind im nächsten Jahr 12,2 Milliar- bewerb besser bestehen können, wollen wir in diesem den Euro vorgesehen. Das ist der höchste Etat, den mein Haushalt mit erheblichen Mitteln Starthilfe leisten, um Haus je hatte, die Flotte mit neuen, mit effizienteren Maschinen wieder (Beifall der Abg. [SPD]) startklar für die Zukunft zu machen. Der gesamte Bereich der Luft- und Raumfahrtbranche erhält sage und schreibe und das ist in dieser Zeit nicht selbstverständlich. 2,88 Milliarden Euro. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Dieser Haushalt muss auch Möglichkeiten geben, da- der CDU/CSU) mit der Tourismus aus dem Ausland bei uns in Deutsch- Wir haben in den letzten Monaten einen Ausnahmezu- land im kommenden Jahr wieder anzieht. Deshalb kündi- stand erlebt, der die Wirtschaft, aber gerade auch Fami- ge ich bereits heute an, dass wir die Deutsche Zentrale für lien, Kinder und ältere Menschen hart getroffen hat. In Tourismus, die für Urlaub in Deutschland wirbt, mit dieser von Unsicherheit geprägten Zeit hat die Bundesre- zusätzlichen Mitteln ausstatten werden. gierung für Stabilität gesorgt: ob mit dem Kurzarbeiter- (Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf von der geld, das vielen Familien in den vergangenen Monaten CDU/CSU: Sehr gut! – Thomas Jurk [SPD]: Arbeitsplatz und Einkommen gesichert hat, oder aber Verrat doch nicht alles!) auch mit dem Konjunkturpaket, mit Maßnahmen über 22690 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Oktober 2020

Bundesministerin Dr. Franziska Giffey (A) 130 Milliarden Euro, dem Kinderbonus und zusätzlichen Wir führen – und das haben wir entgegen den Planun- (C) Mitteln für Investitionen in Kinderbetreuung in unserem gen erreicht; das war mir sehr wichtig – auch die Bundes- Land. programme „Sprach-Kitas“ und „Kita-Einstieg“ weiter. Das sind über 200 Millionen Euro im Jahr. Jede achte Zur Stabilität haben auch unsere verlässlichen ge- Kita in Deutschland ist eine Sprachkita. Wenn Sie noch setzlichen Leistungen beigetragen, die wir in den ver- in keiner waren – ich bin mir aber sicher, Sie alle kennen gangenen Monaten krisenfest gemacht haben: der sie aus Ihren Wahlkreisen –, Kinderzuschlag mit dem Notfall-Kinderzuschlag, die Anpassungen beim Elterngeld oder die Hilfen für die (Marianne Schieder [SPD]: Das ist echt toll!) pflegenden Angehörigen. Deutschland ist damit ver- gleichsweise gut durch die Krise gekommen, weil wir dann wissen Sie, wie wichtig dieses Programm ist, wie handlungsfähig waren, und genau das gilt es auch weiter- wichtig diese tolle Sprachbildung in den deutschen hin zu bleiben. Deshalb ist dieser Haushalt wichtig. Wir Sprachkitas ist und wie großartig dieses Geld eingesetzt investieren auch in den kommenden Jahren in unsere wird. Zukunft. (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Dr. Silke (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Launert [CDU/CSU]) der CDU/CSU) Mit diesen Maßnahmen sorgen wir für mehr Plätze und auch für mehr Qualität in der Kinderbetreuung. Wir Die letzten Monate haben uns noch mal vor Augen unterstützen Eltern, die Familie und Beruf vereinbaren geführt, wo Investitionen auch weiterhin nötig sind. Das wollen, und wir unterstützen vor allen Dingen Kinder, betrifft zum Ersten das Thema „Vereinbarkeit von Fami- damit sie gleiche und gerechte Chancen im Leben lie und Beruf“ und die Frage, wie wir dafür sorgen, dass bekommen. Das ist die zentrale Zukunftsfrage in unserem jedes Kind in Deutschland gute Chancen für sein Leben Land. Das ist systemrelevant. bekommt. Nach dem Gute-KiTa-Gesetz und dem Starke- Familien-Gesetz steht jetzt unser drittes großes prioritä- Zum Zweiten – ein weiterer wichtiger Schwerpunkt – res Gesetzesvorhaben in den Startlöchern, nämlich der unterstützen wir das Engagement und die Demokratie- Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung für Kinder im förderung. Ich freue mich sehr, dass es gelungen ist, das Grundschulalter. Bundesprogramm „Demokratie leben!“ nicht nur im kommenden Haushaltsjahr aufzustocken, nämlich von (Beifall bei der SPD) 115 auf über 150 Millionen Euro, sondern wir haben 82 Prozent der Eltern wünschen sich das. 2 Milliarden auch für die kommenden Jahre eine Erhöhung auf bis (B) Euro vom Bund waren ursprünglich dafür vorgesehen. zu 200 Millionen Euro ab dem Jahr 2023 vorgesehen. (D) Mit dem Konjunkturpaket sind diese Mittel noch mal Das ist fast eine Verdopplung der bisherigen Mittel, und erheblich aufgestockt worden: auf bis zu 3,5 Milliarden das ist ein wichtiges Signal Euro. Dazu kommt eine weitere halbe Milliarde Euro für (Beifall bei der SPD) die digitale Ausstattung der Schulen. Damit sind wir auf einem guten Weg, um diesen Rechtsanspruch als größte für all diejenigen in unserem Land, die sich gegen jede familienpolitische Weichenstellung seit der Einführung Art von Extremismus und für die Demokratieförderung des Rechtsanspruchs auf einen Kitaplatz zu realisieren. einsetzen. Das ist ein echter Game Changer, meine Damen und Warum das wichtig ist, haben wir gerade kürzlich auf Herren. den Stufen dieses Parlamentsgebäudes gesehen: weil es (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Menschen gibt, die sich aus unserem gesellschaftlichen der CDU/CSU) und demokratischen Konsens ausklinken, die sich in Ver- schwörungsfantasien verlieren und unsere demokratische Wir setzen weiterhin auf den Ausbau der Kindertages- Ordnung infrage stellen. Das darf uns nicht kaltlassen. betreuung auch vor der Grundschule, und wir machen Deshalb müssen wir darauf antworten und das Thema hier mit dem fünften Investitionsprogramm für den Aus- Prävention starkmachen, genauso wie die politische Bil- bau von Kitaplätzen einen wichtigen Schritt. Es sind dung. 1 Milliarde Euro zusätzlich, die 2020 und 2021 ausge- geben werden und mit denen bis zu 90 000 zusätzliche (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Betreuungsplätze in Kitas geschaffen und auch Umbau- der CDU/CSU) und Hygienemaßnahmen finanziert werden können. Dafür brauchen wir nicht immer nur neue Programme. Mit dem Gute-KiTa-Gesetz unterstützen wir auch Es geht auch darum, auf starke Kontinuität zu setzen, zum weiterhin die Länder mit 5,5 Milliarden Euro bis 2022. Beispiel beim Kinder- und Jugendplan des Bundes. Da- Die Bundesregierung hat im Rahmen der Kommission mit fördern wir auch im nächsten Jahr über 850 bundes- „Gleichwertige Lebensverhältnisse“ zugesagt, dass der zentrale Organisationen und Einrichtungen – Jugendver- Bund auch nach 2022 seine Verantwortung wahrnimmt. bände, Sportvereine und Musikschulen, die Nummer Mit der Finanzplanung bis 2024 tun wir genau das und gegen Kummer oder den neuen Bundesjugendchor, den geben hier auch eine Zukunftsperspektive. wir gegründet haben –, damit gute Kinder- und Jugend- arbeit in Deutschland auf einer verlässlichen Grundlage (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Maik steht. Deshalb ist es gut, dass wir hier weiter in dieser Beermann [CDU/CSU]) Größenordnung investieren. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Oktober 2020 22691

Bundesministerin Dr. Franziska Giffey (A) (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Volker Münz (AfD): (C) der CDU/CSU) Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin Giffey! Liebe Kolleginnen und Kollegen! 9,7 Milliarden Euro Mir ist wichtig, dass wir diejenigen unterstützen und sollen für Familienpolitik ausgegeben werden, das heißt stärken, die nicht nur meckern, dass jemand anderes für Elterngeld, Kindergeld und Kinderzuschlag. etwas tun sollte, sondern auch aktiv etwas dafür tun, die Dinge zum Besseren zu verändern. Wir haben ein Pro- (Sönke Rix [SPD]: Kindergeld ist gar nicht in gramm, das Chancenpatenschaften übernimmt und Men- dem Einzelplan! – Nadine Schön [CDU/CSU]: schen stärkt, die Hilfe brauchen. „Menschen stärken Haushalt lesen!) Menschen“ heißt dieses Programm. Wir sichern auch Wenn man den steuerlichen Familienleistungsausgleich dafür eine Perspektive, genauso wie für die vielen Frei- mit circa 40 Milliarden Euro, in dem der größere Teil willigen, die in den Freiwilligendiensten jedes Jahr Zeit des Kindergeldes berücksichtigt ist, noch hinzunimmt, und Kraft aufbringen, um sich für die Gemeinschaft zu hört sich der Gesamtbetrag der Familienförderung des engagieren. Wir stärken die wichtige Arbeit der Wohl- Bundes mit rund 50 Milliarden Euro erst mal hoch an. fahrtsverbände mit 39 Millionen Euro pro Jahr, und das Aber die Regierung wird ihrem Anspruch nicht gerecht, mit einer Perspektive für die kommenden zwei Jahre, bestmögliche Rahmenbedingungen für Familien zu damit die Wohlfahrtsverbände, auch bei ihrer wichtigen schaffen, meine Damen und Herren. Denn leider muss Arbeit für die Digitalisierung, Planungssicherheit haben. man feststellen, dass sich die Lage der Familien in den letzten Jahren und Jahrzehnten kontinuierlich verschlech- Meine Damen und Herren, wir haben über 540 Mehr- tert hat; die Coronamaßnahmen tun ihr Übriges. generationenhäuser in Deutschland – auch die kennen Sie alle aus Ihren Wahlkreisen –, die die verschiedensten Deutschland ist mittlerweile Weltmeister bei der Be- Menschen – Jung und Alt, Menschen mit Migrationshin- lastung durch Steuern und Abgaben. Die Erhöhung des tergrund und Menschen ohne Migrationshintergrund – Kindergeldes um sage und schreibe 15 Euro im Monat zusammenbringen und für Gemeinschaft sorgen. Auch und der Wegfall des Solidaritätszuschlages für 90 Prozent diese Mehrgenerationenhäuser, die Leuchttürme für ein der Bürger ab 2021 werden keine wesentliche Entlastung gutes gesellschaftliches Miteinander sind, werden wir für Familien bringen. Denn die nächste Belastung steht ja stärken und die Mittel dafür mit unserem neuen Pro- schon bevor: Die Energiekosten werden sich durch die gramm mit einer Perspektive von einem Förderzeitraum CO2-Abgabe erhöhen, nachdem wir bereits jetzt die von acht Jahren verstetigen. Das ist ein wichtiges Signal höchsten Stromkosten in Europa haben, meine Damen für Deutschland. und Herren. (B) (Beifall bei der AfD) (D) (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Beim mittleren Vermögen der Privathaushalte liegen wir in der EU auf den hinteren Rängen. Das Renten- All diese Projekte bewirken, dass Menschen zusam- eintrittsalter ist am höchsten und das prozentuale Niveau menkommen, dass sie ihren Platz in der Gesellschaft im unteren Bereich. Wohneigentum und Mieten haben finden, dass sie gesehen und angenommen werden und sich durch die politischen Maßnahmen deutlich verteuert, dass wir jeder Form von Extremismus entgegentreten, um verursacht durch ständig verschärfte Bauauflagen und den sozialen Frieden in unserem Land zu erhalten. Des- den erhöhten Wohnungsbedarf durch eine zugelassene halb ist es wichtig, dass wir auch künftig genau dort die Masseneinwanderung, meine Damen und Herren. Schwerpunkte setzen. Unser Haushalt sorgt dafür, dass wir ein stabiles Land schaffen, in dem Jung und Alt gut (, Parl. Staatssekretärin: Das versorgt sind, in dem Vereinbarkeit von Familie und Stichwort fehlte! – Zuruf von der SPD: Bingo!) Beruf für Frauen und Männer gelingt, in dem Engage- Vater und Mutter müssen vielfach arbeiten, auch wenn ment gefördert wird und in dem Bund, Länder und die das Kind noch kein Jahr alt ist, um sich überhaupt eine Zivilgesellschaft gemeinsam Probleme lösen. Das ist der Familie leisten zu können. Der Erwerb von Wohneigen- Weg; den wollen wir zusammen gehen. tum bleibt für viele unerschwinglich. Den Bedarf an Fremdbetreuung hat der Staat durch seine Abgabenlast Ich danke Ihnen herzlich für Ihre Unterstützung. zu einem großen Teil selbst verursacht. Wichtiger, als den Familien im Nachhinein staatliche Mittel zukommen (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten zu lassen, ist es, ihnen erst gar nicht vorher so viele der CDU/CSU – Marianne Schieder [SPD]: Steuern und Abgaben wegzunehmen, meine Damen und Guter Haushalt und gute Ministerin – was Herren. will man mehr?) (Beifall bei der AfD)

Vizepräsidentin Petra Pau: Ein anderes Thema. Die Mittel für Maßnahmen zur Das Wort hat der Abgeordnete Volker Münz für die Stärkung von Vielfalt, Toleranz und Demokratie sollen AfD-Fraktion. um 30 Prozent, auf 151 Millionen Euro, erhöht werden, (Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: (Beifall bei der AfD) Super!) 22692 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Oktober 2020

Volker Münz (A) und Frau Ministerin hat ja auch noch gesagt, dass eine bilden den parlamentarischen Arm der Antifa, meine (C) Erhöhung auf bis zu 200 Millionen Euro vorgesehen ist. Damen und Herren. Mal abgesehen von der Frage, was dieser Posten im (Beifall bei der AfD – Norbert Müller [Pots- Haushalt des Ministeriums für Familie, Senioren, Frauen dam] [DIE LINKE]: Schwach, die Rede! und Jugend zu suchen hat, Muss noch besser werden!) (Norbert Müller [Potsdam] [DIE LINKE]: Wir Auf die weiteren Beratungen zum Haushalt bin ich sind doch hier nicht bei einer Erwachsenenver- gespannt, meine Damen und Herren. anstaltung!) Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. geht es fast nur um die Bekämpfung des Rechtsextremis- mus, wie der Untertitel des Programms „Demokratie (Beifall bei der AfD – Steffi Lemke [BÜND- leben!“ besagt: „Aktiv gegen Rechtsextremismus, NIS 90/DIE GRÜNEN]: Was haben Sie denn Gewalt und Menschenfeindlichkeit“. mit den Beratungen zum Haushalt zu tun? – Zuruf des Abg. Christian Dürr [FDP]) (Beifall bei Abgeordneten der AfD) Wo bleiben hier der islamistische Extremismus und der Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: Linksextremismus, meine Damen und Herren? Liebe Kollegin Nadine Schön, Sie können sich schon (Beifall bei Abgeordneten der AfD – Ulli mental auf Ihre Rede vorbereiten. Wir müssen hier noch Nissen [SPD]: Es ist immer das Gleiche mit Reinigungsarbeiten vornehmen, und dann geht es los. euch!) (Christian Dürr [FDP]: Die Reinigung ist Diese sind nicht weniger bedrohlich. Erst vor wenigen allerdings nötig nach der Rede!) Wochen gab es einen islamistisch motivierten Anschlag Das Wort hat die Kollegin Nadine Schön von der CDU/ auf der Berliner Stadtautobahn. CSU-Fraktion. (Sönke Rix [SPD]: Lesen Sie doch mal die (Beifall bei der CDU/CSU) Förderkriterien!) – Nach den Förderkriterien gehört ja nicht mal dazu, dass Nadine Schön (CDU/CSU): die Extremismusklausel unterschrieben wird. Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Familien unterstützen, Kinder schützen und (Zuruf von der AfD: Richtig!) das Engagement für unsere Gesellschaft fördern – das Das ist ein Skandal. sind die drei großen Ziele, die über der Familienpolitik (B) (D) (Beifall bei der AfD) dieser Legislaturperiode stehen und im nächsten Jahr, im letzten Jahr dieser Legislaturperiode, ganz besonders im Linksextremisten wüten regelmäßig in Leipzig, Berlin, Haushalt zum Tragen kommen. Hamburg und in anderen Städten. Linksextremisten sind (Beifall bei der CDU/CSU) zum Beispiel die Antifagruppen. Sie bedrohen mit Gewalt Politiker. Ich will zu jedem der Punkte ein paar Worte sagen. Ich glaube, damit klärt sich dann auch vieles von dem, was (Zuruf von der LINKEN: Oh Gott!) von meinem Vorredner so behauptet worden ist. Sie verletzen Polizisten. Sie bedrohen Gastwirte. Sie ver- Familien unterstützen wir konsequent und nachhaltig ursachen Sachschäden in enormer Höhe. mit ganz vielen Maßnahmen. Frau Ministerin, ich habe Es gibt Hinweise, dass extremistische Gruppen Mittel mich ein bisschen gewundert, dass Sie die Kindergelder- aus dem Programm „Demokratie leben!“ erhalten. Die höhung nicht erwähnt haben; denn die Erhöhung um Grünenabgeordnete Renate Künast beklagte unlängst in 25 Euro pro Monat und Kind ist die größte Kindergeld- diesem Haus, dass die Antifa nicht ausreichend vom Staat erhöhung seit Jahrzehnten. finanziert werde. (Martin Reichardt [AfD]: Ich glaube, die Frau (Enrico Komning [AfD]: Pfui!) Ministerin hat das weggelassen, weil das so beschämend ist, diese Erhöhung!) Sie sei es leid, dass Arbeitsverträge nur für ein Jahr abge- schlossen werden können. Wir haben das versprochen, wir setzen es in dieser Legis- laturperiode in zwei Schritten um. Ab dem 1. Januar Die SPD-Vorsitzende Esken bekennt sich zur Antifa. nächsten Jahres erfolgt der zweite Schritt mit einer Erhö- ( [SPD]: Ich auch!) hung um 15 Euro pro Kind und Monat. Damit halten wir Die vom Verfassungsschutz beobachtete Antifa Köln das, was wir versprochen haben. 25 Euro pro Kind und wird von den Hochschulgruppen von Grünen, Jusos und Monat – das ist eine deutliche Erhöhung des Kindergel- Linken mit Semesterbeiträgen unterstützt. des. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- (Leni Breymaier [SPD]: Wer kein Faschist ist, ordneten der SPD) der ist Antifaschist!) Der Kern unseres Haushaltes – mehr als 50 Prozent des Die Grünen, die Partei Die Linke und Teile der SPD Haushaltes – ist seit Jahren das Elterngeld, also die Leis- (Zuruf der Abg. Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/ tung, die Familien dabei unterstützt, gerade in den ersten DIE GRÜNEN]) Lebensjahren des Kindes Zeit für Familie zu haben. Die Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Oktober 2020 22693

Nadine Schön (A) Elterngeldleistungen sind wahnsinnig beliebt. Wir hat gezeigt, dass wir gerade in den Kindertageseinrich- (C) machen sie im nächsten Jahr noch mal attraktiver. Gerade tungen kleinere Gruppen brauchen, mehr Personal brau- für Eltern, die Frühchen bekommen haben, stocken wir chen. Deshalb sage ich für meine Fraktion ganz klar: die Leistungen auf; da gibt es einen Monat länger Eltern- Wenn wir die Mittel des Gute-KiTa-Gesetzes über 2022 geld. Wir sorgen auch dafür, dass die Elterngeldleistun- hinaus verlängern wollen, dann erwarten wir ein klares gen noch mal attraktiver werden, was die maximale Zahl Commitment von den Ländern, dass dieses Geld in die der Arbeitsstunden während des Bezugs angeht. Qualitätsverbesserung fließt – für mehr Personal, für klei- nere Gruppen. Das ist das, was die Eltern brauchen. Und (Beifall des Abg. Sönke Rix [SPD]) dann sind wir bereit, über eine Verlängerung zu reden. Wir haben den Kinderzuschlag erhöht – auch das sieht man im Haushalt –, und damit entlasten wir vor allem (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- Familien mit kleinem Einkommen. neten der SPD – Martin Reichardt [AfD]: Das Personal ist doch gar nicht verfügbar! Das weiß doch jeder!) Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage? Der zweite Punkt – Kinder schützen – ist einer der Schwerpunkte unserer Fraktion in dieser Legislaturperio- de. Wir haben zahlreiche Projekte auf den Weg gebracht, Nadine Schön (CDU/CSU): bei denen es gerade darum geht, Kinder und Jugendliche, Gerne. die von sexuellem Missbrauch betroffen sind, zu schüt- zen. Die Ereignisse der letzten Wochen zeigen ja noch Grigorios Aggelidis (FDP): mal, wie wichtig das ist. Gerade heute ist noch mal ein Danke, Frau Kollegin Schön, dass Sie die Zwischen- großer Ermittlungserfolg gelungen. frage erlauben. – Sie haben eben die neue Regelung für Ich danke an der Stelle all denjenigen, die sich in der die Frühchen, für Frühgeburten, beim Elterngeld gefeiert. Prävention, in der Hilfe für die Betroffenen und auch in Da möchte ich Sie fragen: Halten Sie wirklich eine Rege- der Ermittlung dieser schrecklichen Taten engagieren. lung für angemessen, die für Kinder, die mehr als sechs Alle haben es mit furchtbaren Schicksalen zu tun, mit Wochen vor dem errechneten Geburtstermin geboren schrecklichen Bildern, die sie sehen. Und denjenigen, wurden, vier zusätzliche Wochen Elterngeldbezug vor- die das erleiden müssen, Hilfe und Unterstützung zu sieht? Wenn die Kinder, die Frühchen, drei Monate früher geben oder dafür zu sorgen, dass es gar nicht so weit kommen, bleibt es bei diesen vier Wochen. Wenn ein kommt, ist eine sehr, sehr wichtige Aufgabe. Deswegen Kind fünf Wochen und fünf Tage früher geboren wird, verdienen sie unseren Respekt und vor allem auch unsere bekommen die Eltern nichts. (B) Unterstützung. (D) (Marianne Schieder [SPD]: So sind Stichtags- regelungen!) (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- ordneten der SPD und der FDP) Halten Sie wirklich diese Regelung für angemessener als die Regelung, die wir vorgeschlagen haben? Wir sagen: Deshalb sorgen wir dafür, dass es Fachberatungsstellen Nehmt doch den errechneten Geburtstermin, haut da auch im ländlichen Raum gibt. Wir sorgen dafür, dass die grundsätzlich zwölf Monate drauf, und damit ist allen Traumaambulanzen ordentlich arbeiten können. Mit Familien geholfen. einem Modellprojekt gehen wir das Themenfeld „Kind- gerechte Justiz“ an. Auch das ist in diesem Zusammen- Danke. hang ein ganz wichtiges Thema. Und wir haben das große (Beifall bei Abgeordneten der FDP) Thema „Peer2Peer“ auf die Tagesordnung gebracht. Denn sexueller Missbrauch, das sind nicht nur die großen Fälle von Lügde etc.; sexueller Missbrauch fängt im Klei- Nadine Schön (CDU/CSU): nen an, in den Gruppen. Strategien zu entwickeln, wie Lieber Kollege, das Elterngeldgesetz kommt ja erst ins man damit umgeht, wie man das Stoppschild zeigt, Parlament. Da können wir über alle diese Vorschläge wenn es im Freundeskreis dazu kommt, ist ein wichtiges noch mal in Ruhe reden. Das ist der richtige Platz für Thema, das längst noch nicht genug bearbeitet wird. Und die Beratungen zum Elterngeld, nicht die Haushaltsbera- wir als Fraktion haben da ein Modellprojekt auf den Weg tungen. Dann setzen wir uns gerne mit Ihren Vorschlägen gebracht und werden hier auch genau hinschauen, dass auseinander. das in Zukunft noch besser bearbeitet wird. (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Ich will einen dritten Punkt erwähnen, nämlich „Die Christoph Meyer [FDP] – Norbert Müller Demokratie stärken“, an dem sich mein Vorredner inten- [Potsdam] [DIE LINKE]: Das war jetzt aber siv abgearbeitet hat. Wir sehen eine zunehmende Radika- sehr ausweichend!) lisierung; wir sehen, dass Antidemokraten unsere frei- Wir haben mit dem Konjunkturpaket – um noch mal heitlich-demokratische Grundordnung bedrohen. Wir auf die familienpolitischen Maßnahmen zurückzukom- selbst – auch unsere Kinder und Jugendlichen – erleben men – dafür gesorgt, dass wir 1 Milliarde Euro zusätzlich tagtäglich Hass und Hetze im Netz. Was hilft dagegen? für den Kitaausbau in den nächsten zwei Jahren haben Es hilft dagegen, Kinder und Jugendliche stark zu werden. Im nächsten Jahr werden natürlich auch die machen, ihnen zu zeigen, was eine freiheitlich-demokra- 2 Milliarden für das Gute-KiTa-Gesetz zur Verfügung tische Grundordnung, eine freiheitlich-demokratische stehen. Und hier sage ich ganz deutlich: Die Coronakrise Gesellschaft bedeutet, ihnen Selbstbewusstsein beizu- 22694 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Oktober 2020

Nadine Schön (A) bringen, ihnen ein stabiles Umfeld – sei es in der Familie, (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten (C) im Freundeskreis oder im Verein – sowie Rat und Hilfe zu der SPD und der Abg. Nadine Schön [CDU/ bieten. All das wird auch durch Projekte von „Demokra- CSU]) tie leben!“ geleistet. Das sind viele Projekte landauf, Wir sehen aber auch überall in Ihrem Haus – auch das landab, in deren Rahmen eine sehr, sehr wichtige Arbeit haben wir bei den letzten Haushaltsberatungen immer geleistet, mit den Jugendlichen gearbeitet wird. Das sind wieder angesprochen – Politik mit der Gießkanne. Das tolle Projekte. Programm „Demokratie leben!“ ist hier schon erwähnt Demokratiebildung findet aber nicht nur in Projekten worden. Direkte Bundesförderung, Landeszentren, Kom- von „Demokratie leben!“ statt, Demokratiebildung findet petenznetzwerke, kommunale Partnerschaften für Demo- auch dann statt, wenn im Sport Fairness erlebt wird, wenn kratie, Modellprojekte: Das Ziel, das Sie damit verfolgen, bei der Feuerwehr gesehen wird, was es heißt, füreinan- ist richtig – das hat Frau Schön eben sehr gut formuliert –, der einzustehen, wenn in Pfadfindergruppen Toleranz die Frage ist aber, wie gut diese Mittel eingesetzt werden gelebt wird. Auch das sind Orte, an denen Demokratie- und was uns nach wie vor fehlt. Wir wollen ja, dass das bildung und Demokratieerleben stattfindet. Deshalb sage Ziel erreicht wird; wir haben gerade bei einem meiner ich: Demokratiebildung findet nicht nur in „Demokratie Vorredner gesehen, wie wichtig es ist, dass Demokratie leben!“-Projekten statt. Wir müssen auch dafür sorgen, gelebt wird in dieser Gesellschaft. Das Geld muss effi- dass die Strukturen, die tagtäglich mit Jugendlichen zient eingesetzt werden, die Mittel müssen ausreichend arbeiten, gestärkt werden, unterstützt werden. Dass diese evaluiert werden. Wenn es offenbar so ist, dass sich viel- Strukturen noch mehr Unterstützung erfahren, können leicht noch keine Erfolge einstellen, dann muss man zu wir auch mit zusätzlichen Haushaltsmitteln sicherstellen. anderen Methoden kommen. Deshalb sollten wir uns wirklich genau anschauen, ob wir (Beifall bei der FDP – Martin Reichardt [AfD]: diese Strukturen ausreichend unterstützen, ausreichend Linksextreme werden unterstützt – das ist fördern. Unsere Zusage für diese Haushaltsberatungen „Erfolg“ genug!) ist, dass wir hier noch einmal ein Augenmerk darauf legen und schauen: Müssen wir wirklich die Mittel für Auch – das ist mir ein bisschen zu kurz gekommen in „Demokratie leben!“-Projekte noch einmal so deutlich Ihrer Rede, Frau Giffey – müssen wir über den Ausbau erhöhen, von Beratungs- und Unterstützungsangeboten für Frauen, (Beifall der Abg. Ulli Nissen [SPD]) die Gewalt erlebt haben, sprechen. Gerade die Pandemie und der Lockdown im Frühjahr haben dieses Thema wie- oder wäre es nicht besser, wir würden die guten Struktu- der sehr deutlich in die Öffentlichkeit gebracht. Es geht ren in den Vereinen, in den Verbänden, in den Jugend- nicht nur um sexuelle Gewalt gegen Kinder, sondern es (B) organisationen noch einmal deutlich stärken? Denn auch geht auch darum, was ansonsten hinter geschlossenen (D) dort findet wichtige Demokratiebildung statt. Türen passiert. Wir sehen einen deutlich höheren Bedarf (Beifall bei der CDU/CSU) an Unterstützungs- und Betreuungsangeboten in Frauen- häusern, und wir werden das mit entsprechenden Anträ- gen in den Haushaltsberatungen auch unterlegen. Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: Vielen Dank, Frau Kollegin Schön. – Der nächste Red- (Beifall bei der FDP sowie der Abg. Nadine ner ist für die FDP-Fraktion der Kollege Christoph Schön [CDU/CSU]) Meyer. Das Thema Digitalisierung ist in diesem Jahr – das (Beifall bei der FDP) liegt wohl auch an Corona, an der Pandemiebekämp- fung – in allen Etats glücklicherweise stärker in den Fokus geraten. Wir haben Ihnen bereits im Jahr 2019 Christoph Meyer (FDP): einen Antrag vorgelegt, mit dem Sie die digitale Antrag- Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau stellung von Familienleistungen, beginnend mit dem Ministerin Giffey, wir sind sicherlich nicht immer einer Elterngeld, hätten umsetzen können, sodass alle Fami- Meinung, aber Sie haben in Ihrer Rede gesagt, dass es in lienleistungen, alle gesetzlichen Leistungen, die ja der der Familienpolitik in der Tat noch eine ganze Reihe von Kernbereich Ihres Etats sind, digital und einfach bean- Herausforderungen gibt, und da sind wir uns einig. Die tragt werden könnten. Es wäre schön, wenn Sie sich Schwerpunkte aus den letzten Jahren bleiben auch in dem hier einen Ruck gäben und zu einer wirklich durchgreif- Haushaltsjahr, das vor uns liegt, unserer Auffassung nach enden Digitalisierung gerade der gesetzlichen Leistungen erhalten: Digitalisierung, Qualitätsverbesserung, Effi- in Ihrem Bereich bereit wären. zienzsteigerung und, was in diesem Jahr und im nächsten Jahr dazukommt, die Auswirkungen der Pandemie auf (Zuruf der Abg. Marianne Schieder [SPD]) Familien. Wir haben, Frau Giffey, noch andere Themen: Das Ich möchte mit einem Lob beginnen – Sie haben es Sondervermögen Ganztagsbetreuung wurde angespro- ebenfalls erwähnt –: Zwei Programme aus Ihrem Haus chen. Insgesamt ausfinanziert ist es nicht. Die Professio- unterstützen wir: die Bundesprogramme „Sprach-Kitas“ nalisierung des Erzieherberufs ist immer noch nicht so und „Kita-Einstieg“. Der Fokus auf die individuellen weit, wie wir uns das vorstellen. Das Thema „Rückgriffs- Ausgangslagen der Kinder und Familien sowie der Ein- quoten Unterhaltsvorschuss“ ist eine Art Evergreen in stieg in die frühkindliche Bildung funktionieren. Die Pro- Ihrem Etat; auch da kommen wir nicht weiter. Deswegen gramme sind erfolgreich, sie sind zielgerichtet. Deswe- haben wir, glaube ich, in den Haushaltsberatungen noch gen ist es gut, dass diese Mittel hier verlängert wurden. eine ganze Menge zu tun. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Oktober 2020 22695

Christoph Meyer (A) Als Ministerin zieht es Sie aber in die Berliner Landes- Sie jetzt hier für die nächsten Jahre verkünden, sind über- (C) politik, Frau Giffey. Deswegen ist das Ihr letzter Haus- haupt nicht gedeckt. Damit handeln Sie sich den Vorwurf halt, den Sie quasi bis zum Ende verantworten. ein, dass es ein reiner Wahlkampfetat ist.

(Marianne Schieder [SPD]: Die FDP hat das (Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Ekin Klatschen verlernt!) Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Ich kann Ihnen – das wissen Sie auch – aus Erfahrung nur Liebe Kolleginnen und Kollegen, als zweiten Punkt sagen: Berlin ist immer noch arm, aber nicht mehr ganz möchte ich ein etwas kompliziertes Problem ansprechen, so sexy wie vielleicht vor zehn, fünfzehn Jahren. Die was sich nicht für Parteipolitik eignet. Es geht um einen Zeit, wo Sie durchs Land reisen und Geld ausgeben kön- Referentenentwurf, der derzeit die Runde macht, „Kin- nen, Fördermittel verteilen können für Hochglanzprojek- der- und Jugendstärkungsgesetz“. Darin ist auch das Ziel te, wird in Berlin vorbei sein. Fast so sehr wie auf die formuliert: Abwehr von Kindeswohlgefährdung. Kindes- Haushaltsberatungen freue ich mich darauf, dann von wohlgefährdungen gab es im letzten Jahr laut Statisti- Ihnen zu hören, Frau Giffey, wie Sie denn zum Mieten- schem Bundesamt über 55 000 in Deutschland. Da geht deckel stehen, wie Sie zur Zukunft des Individualver- es um Vernachlässigung, es geht um seelische/körperli- kehrs stehen, wie Sie zu Enteignungen stehen, wie viel che Misshandlungen, es geht um sexuelle Gewalt. – So Bürgerlichkeit Sie gegenüber den Linken und den Grünen weit ist das alles verständlich. und auch den Linken in der SPD in der Stadt bewahren können. Es wird Zeit, Farbe zu bekennen, und das wird Seit circa einem Jahr häufen sich in meinem Büro aber mindestens ebenso interessant wie der Einzelplan 17 auf Fälle, die doch etwas anders gelagert sind. Die Konstruk- dieser Ebene. tion ist da meistens ähnlich: Es geht darum, dass getrennt- Ich danke Ihnen. lebende Eltern sich bezüglich ihres Kindes oder ihrer Kinder nicht einigen können, zum Beispiel, wenn es um (Beifall bei der FDP) den Umgang geht, wenn die Frau einen neuen Partner hat und woanders hinziehen möchte oder bei der Frage, wel- Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: che Kita oder Schule besucht werden soll. Es gibt Streit, und dann wird irgendwann gegenüber der Frau der Vor- Für die Fraktion Die Linke hat das Wort der Kollege wurf der sogenannten Bindungsintoleranz konstruiert. Michael Leutert. Das ist eine ziemlich perfide Angelegenheit, weil die (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Beweislast umgekehrt wird; die Frau muss nämlich beweisen, dass sie nicht bindungsintolerant ist. Daraus (B) entsteht dann irgendwann der Vorwurf der Kindeswohl- (D) Michael Leutert (DIE LINKE): gefährdung. Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Programm „Demokratie leben!“ ist hier Die Kindeswohlgefährdung besteht in dem Fall darin, von allen angesprochen worden. Auch von uns wird dass das Kind den Vater nicht ausreichend oder überhaupt natürlich zu hundert Prozent begrüßt, dass der Titel, in nicht sehen darf oder schlecht über ihn gesprochen wird dem die Programme gegen Rechtsextremismus, gegen usw. usf. Das wiederum ist dann die Grundlage dafür, Antisemitismus, gegen Rassismus enthalten sind, auf dass das Gericht – Kindeswohlgefährdung ist ja eine 150 Millionen Euro aufgestockt wird und dass auch wirklich sehr schlimme, schreckliche Sache – intervenie- geplant ist, den Titel in den nächsten Jahren auf ungefähr ren kann, und im Ergebnis steht dann der Entzug des 200 Millionen Euro anwachsen zu lassen. Aufenthaltsbestimmungsrechts der Mutter. Nur ein kleiner Tipp am Rande: Wir haben das in den Diese Entscheidungen werden zum Teil mit Polizeige- letzten Haushaltsberatungen, im letzten Herbst, genauso walt durchgesetzt. Ich bin mir nicht sicher, ob das dem beantragt. Hätte man dem damals schon zugestimmt, hät- Kindeswohl zuträglich ist. Mir ist auch unklar, ob das im ten wir nicht ein wertvolles Jahr vergeudet und die Initia- Sinne des Gesetzgebers, also in unserem Sinne, ist. tiven jetzt schon unterstützt. (Beifall bei der LINKEN) (Beifall bei der LINKEN) Man muss auch dazusagen – so viel Wasser muss man Bei mir haben sich Ärztinnen, Unternehmerinnen, Kin- in den Wein gießen –: Es gibt zwei Beschränkungen. dergärtnerinnen, Polizistinnen gemeldet. Sie alle waren Erstens. Sie haben sich das teuer erkauft; denn die globale ziemlich verzweifelt: Sie gelten gerade in Coronazeiten Minderausgabe ist ungefähr doppelt so hoch, 64 Millio- als Heldinnen des Alltags, und dann sagt ein Gericht zu nen Euro. Das heißt, Sie müssen im Haushaltsvollzug des ihnen, dass sie nicht in der Lage seien, ihre Kinder zu Jahres an anderer Stelle 64 Millionen Euro einsparen für erziehen, und das empfinden sie als sehr demütigend. die Mittel, die Sie jetzt bekommen haben. Ich bin sehr Deshalb glaube ich, dass wir das ernst nehmen sollten gespannt darauf, die Vorschläge zu hören, wo Sie ein- und dass es für diese Betroffenen einer Anlaufstelle sparen wollen. bedarf, und zwar einer Anlaufstelle, wo sie nicht nur darüber reden können, sondern wo ihnen auch geholfen Die zweite Sache – auch das gehört zur Wahrheit –: Die werden kann. Dafür sollten wir im Haushalt Vorsorge mittelfristige Finanzplanung sieht vor, dass der Etat Ihres treffen. Hauses in den nächsten Jahren um 1 Milliarde Euro abge- schmolzen wird. Das heißt, die 200 Millionen Euro, die (Beifall bei der LINKEN) 22696 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Oktober 2020

Michael Leutert (A) Ich glaube außerdem, dass wir derzeit viel zu wenig Nur: Alleine in Ihrem Etat, auch in der Finanzplanung, (C) Informationen über diese Fälle haben. Wir wissen nicht: gibt es keinen einzigen Beleg dafür, dass Sie das dann Wie viele Fälle gibt es wirklich? Wie viele Fälle gibt es auch tun. vielleicht auch mit dieser Konstruktion gegenüber Dann haben Sie noch ein Sondervermögen. Sie haben Vätern? Das kann ja auch sein. Wie viele Verfahren gibt diverse kleinere und mittlere Programme. Wenn Sie es es, in welchen Instanzen? Deshalb, glaube ich, sollten wir aber zukunftstauglich machen wollen, braucht dieses im Haushalt auch Vorsorge dafür treffen, dass wir das Land ein gradliniges, effektives Konzept, nämlich eine dokumentieren können, dass wir das untersuchen können, klare Festschreibung der Qualitätsstandards im SGB VIII um in Zukunft hier Entscheidungen treffen zu können, die und der klar definierten Bundesbeteiligung, worauf sich solche Fälle verhindern. auch alle verlassen können. Auf Ihre Programme kann Vielen Dank. sich nämlich leider niemand verlassen. (Beifall bei der LINKEN) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Grigorios Aggelidis [FDP]) Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: Sie reden davon, dass Sie bei der Schulkinderbetreu- Nächste Rednerin ist die Kollegin Ekin Deligöz, Bünd- ung so viel machen wollen. Sie haben uns am Anfang, vor nis 90/Die Grünen. zweieinhalb Jahren, den großen Durchbruch verspro- chen. Jetzt kommen Investivmittel; nur weiß keiner, wie (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) man die Mittel in Anspruch nehmen kann, weil Sie gar kein Konzept dahinter haben. Sie haben keinen Master- Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): plan für den Betrieb des neuen Angebots. Die Betreff- Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau enden wissen ja noch nicht einmal, wie sie das Geld bean- Ministerin, eigentlich haben wir es von meinen Co- tragen sollen. Wie soll denn da bitte jemals ein Aufbruch Berichterstattern aus dem Haushaltsausschuss schon ge- gelingen? hört: Das, was Sie uns hier als Haushaltsvorlage geliefert (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) haben, ist, ehrlich gesagt, Hausmannskost. Wir alle haben uns auf die Suche nach neuen Impulsen, nach neuen Corona ist natürlich an den Familien nicht vorbeige- Ideen gemacht; aber die haben wir vergeblich gesucht. gangen. Ich finde es, ehrlich gesagt, gut, dass wir so Irgendwie schleicht sich bei mir so der Eindruck ein, als etwas wie den Familienbonus/Kinderbonus hatten. Er ob Sie mit dem Kopf eigentlich schon viel mehr in Berlin ist eine Anerkennung und Wertschätzung von Familien. wären als in dem Job, den Sie jetzt haben, nämlich als Ja, das ist richtig, und dass er nicht beim Kinderregelsatz (B) Ministerin. angerechnet wurde, ja, auch das war gut und richtig. Aber (D) ich glaube, das reicht nicht. Die Familien, die in ALG II (Grigorios Aggelidis [FDP]: Das war sie schon leben, sind im Moment mehrfach belastet. Und gerade vor zwei Jahren!) deshalb bräuchten wir einen dauernden Zuschlag, näm- Ich will Ihnen das auch anhand von Beispielen darstellen. lich für die gesamte Phase der Pandemie, und nicht nur Ich fange mit Ihrem großen Aufbruch bei den Frei- einen einfachen Zuschlag. willigendiensten an. Es gab einmal solche Sätze wie: Frau Schön, Sie haben gerade gesagt, dass die Kinder- „Alle Jugendlichen, die einen Freiwilligendienst machen gelderhöhung kommt. Sie kommt erstens deshalb, weil wollen, sollen einen Platz kriegen.“ Sie haben eine Part- wir einen Existenzminimumbericht haben, wonach eine nerin in der Koalition, die CDU-Vorsitzende, die sogar Anpassung stattfinden muss; die Anpassung findet näm- von einem allgemeinen Pflichtdienst redet, und Sie wol- lich auch im Steuerrecht statt – das müssen Sie dazu len hier das Festhalten am Status quo als Aufbruch ver- sagen –, kaufen – und das, obwohl wir wissen, dass es aktuell (Beifall des Abg. Grigorios Aggelidis [FDP]) nicht genug Plätze für junge Leute gibt, die einen Frei- willigendienst antreten wollen, das, obwohl wir wissen, und da ist sie weit höher. dass wir eine engagierte junge Generation haben, die (Nadine Schön [CDU/CSU]: Das ist ja gut so!) auch in Coronazeiten gezeigt hat, dass sie sich einbringen will. Wenn Sie wirklich Aufbruch und Innovation ernst Das Zweite ist: Wenn Sie wirklich das Hauptproblem meinen, dann schaffen Sie hier mehr Plätze und bessere dieses Landes, nämlich Kinderarmut, angehen wollen – Bedingungen, und verkaufen Sie uns nicht alten Wein in Armut in Deutschland ist jung, und sie ist weiblich –, neuen Schläuchen. wenn Sie Kinderarmut verhindern wollen, dann müssen Sie über den Tellerrand hinausdenken. Dann brauchen (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wir eine Kindergrundsicherung, die diesen Namen ver- sowie des Abg. Grigorios Aggelidis [FDP]) dient, die armutsfest ist Oder das Kitasystem: Ja, Sie haben das Gute-KiTa- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Gesetz, es ist ein Teil des gesamten Sammelsuriums, das der Bund in dem Bereich anbietet. Davon geht das und Familien aus der Armutsfalle rausholt, dann reichen meiste Geld übrigens in Beitragssenkungen – wenn ich ihnen die insgesamt 25 Euro nicht, ehrlich gesagt, dann alle faktischen neuen Beitragssenkungen zusammenrech- müssen wir auch an Kinder in ALG II und insbesondere ne – und nicht unbedingt in Investitionen in Qualität oder an Alleinerziehende denken, die eine Erhöhung am meis- in die Leistung der Erzieherinnen. Und jetzt versprechen ten brauchen. Sie den Ländern eine Verlängerung über 2021 hinaus. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Oktober 2020 22697

Ekin Deligöz (A) Frau Ministerin, das, was Sie bei „Demokratie leben!“ (Beifall bei der SPD – Steffi Lemke [BÜND- (C) machen, unterstützen meine Fraktion und ich, das ist NIS 90/DIE GRÜNEN]: Und euer Kanzlerkan- richtig und wichtig. didat!) An dieser Stelle wende ich mich noch einmal an die – Stimmt, das ist auch noch unser SPD-Kanzlerkandidat. Union: Ich finde es von Ihnen geradezu ignorant, dass Sie Gut, dass Sie das schon mal wissen. immer noch ein Demokratiefördergesetz in diesem Parla- ment verhindern; denn Demokratieförderung braucht (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Marcus nicht nur die Strafverfolgungsbehörden, sondern sie Weinberg [Hamburg] [CDU/CSU], an Steffi braucht auch die engagierte Zivilgesellschaft. Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] gewandt: Das haben Sie befürchtet!) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Und machen wir uns nichts vor: Es sind im Moment Sie braucht die Unterstützung aus diesem Parlament, und die Schwächsten in der Gesellschaft, die unter den Aus- sie braucht dafür auch Grundlagen in einem Gesetz. wirkungen der Pandemie leiden. Viele Folgen, die unsere Mein letzter Punkt ist der Durchbruch bei der Frauen- Kinder und Jugendlichen in der Zukunft haben werden, hausfinanzierung. Frau Ministerin, Sie kennen die Zah- können wir jetzt noch gar nicht absehen. Und genau aus len. Sie wissen, wie wichtig es ist, dass wir, wenn wir es diesem Grund finde ich es richtig und wichtig, dass die ernst meinen, Frauen zu schützen, auch die Frauenhäuser Kinderrechte im Grundgesetz verankert werden, meine finanzieren müssen. Damen und Herren. ( [CDU/CSU]: Ja, genau!) (Beifall bei der SPD) Das, was Sie machen, sind Progrämmchen und ein Schauen wir uns den Haushalt des Familienministe- bisschen Investivmittel. Das, was Sie nicht machen, ist riums genauer an. Der Einzelplan 17 ist rund 12,2 Milliar- eine verlässliche Finanzstruktur, und genau das wäre Ihr den Euro schwer. Das ist eine große, richtig gute Summe. Auftrag. Wenn Sie diese Aufgaben wahrnehmen, dann 35 Millionen Euro mehr – insgesamt 150,5 Millionen wären Sie auch eine Ministerin für das Land und nicht Euro – gibt es für das Programm „Demokratie leben!“. nur die Berliner Kandidatin. Eine Ministerin ist aber das, Damit unterstützen wir Menschen, die sich in Projekten was dieses Land jetzt braucht. und Initiativen jeden Tag für Toleranz, Zusammenhalt, sozialen Frieden und Respekt einsetzen. Darüber hinaus (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) finanzieren wir, wie im Regierungsentwurf vorgesehen, auf dem Niveau von diesem Jahr mit 18 Millionen Euro viele Patenschaften im Programm „Menschen stärken (B) Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: (D) Für die Fraktion der SPD hat das Wort die Kollegin Menschen“. Das sind zwei Programme, die Engagement Svenja Stadler. für unsere Demokratie unterstützen, mehr Teilhabe ermöglichen und einen wesentlichen Beitrag für ein soli- (Beifall bei der SPD) darisches Miteinander in Deutschland leisten. Die Freiwilligendienste und der Bundesfreiwilligen- Svenja Stadler (SPD): dienst werden auf dem Niveau dieses Jahres fortgeführt. Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Ich finde, das ist in diesen schwierigen Zeiten ein wichti- Kollegen! Den Ausbau von Ganztagsangeboten für ges Zeichen für die vielen freiwillig Engagierten. Grundschulkinder, Zuschüsse für die gemeinnützige Trä- gerlandschaft, Kinderbonus, Notfall-KiZ, Unterstützung (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten für Alleinerziehende, Sonderregelungen beim Eltern- der CDU/CSU) geld – all das haben wir bereits im Konjunkturpaket Als Sprecherin für bürgerschaftliches Engagement und -programm sowie im zweiten Nachtragshaushalt meiner SPD-Bundestagsfraktion muss ich sagen, dass beschlossen. 853 Millionen Euro zusätzlich im Etat des ich mir im Haushaltsentwurf den Bereich Engagement Familienministeriums – für den Erhalt der sozialen Infra- besonders gerne und mit viel Freude angeschaut habe. struktur, für Familien, Kinder und Jugendliche und für Bereits im Regierungsentwurf sind für diesen Bereich soziale Zwecke – zeigen: Wir nehmen Geld in die Finanzmittel vorgesehen, an vielen Stellen auf dem Hand, Geld, das wir in den schwierigen Zeiten für dieje- Niveau von 2020, und bei „Demokratie leben!“ sogar nigen bereitstellen, die einen Großteil der Belastungen mehr. Sie wissen, liebe Kolleginnen und Kollegen: Das aushalten mussten und müssen, ganz nach dem Motto: war nicht immer so. Nicht zu handeln ist teurer, als zu handeln. Die Ministerin hat die wesentlichen Schwerpunkte des (Beifall bei der SPD – Zuruf von der FDP: Das Haushaltes bereits vorgestellt. Es ist klar erkennbar: Die gilt auch für die Wirtschaft!) Große Koalition und allen voran das SPD geführte Fami- Und ja – das merke ich selbstkritisch an –, zu Beginn lienministerium arbeiten engagiert und zielgerichtet an der Pandemie hatten wir Familien und Kinder nicht im der Unterstützung von Familien, an der gesellschaftlichen Blick. Und ja, an der einen oder anderen Stelle haben wir Teilhabe für Kinder, an der Verbesserung der Vereinbar- zu spät reagiert. Aber wissen Sie was, liebe Kolleginnen keit von Familie und Beruf sowie an den guten Strukturen und Kollegen: Wir haben reagiert, entschlossen, mutig für bürgerschaftliches Engagement, vor allen Dingen da, und zielsicher, allen voran Olaf Scholz, unser Finanzmi- wo wir die Demokratie stärken müssen. Die vergangenen nister. Monate haben gezeigt: Demokratie ist nicht selbstver- 22698 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Oktober 2020

Svenja Stadler (A) ständlich. Demokratie muss tagtäglich gelernt werden. te mit den Steuergeldern jungen Paaren mehr Mut zu (C) Demokratie muss jeden Tag neu erkämpft und beschützt Kindern gemacht werden. Und eigentlich sollte damit werden. Es gibt einige, die lernen es nie. die wachsende Kinder- und Altersarmut gestoppt wer- (Beifall bei der SPD – Martin Reichardt [AfD]: den – eigentlich. Sie!) (Beifall bei der AfD) – Gut, dass Sie es erkannt haben. Aber statt die Bürger zu entlasten, indem man zum Ein Dauerbrenner bleibt in der Debatte zu diesem Etat Beispiel endlich das Familiensplitting einführt und Belas- das Thema Gleichstellung. Es bleibt ein Thema, es ist ein tungen wie den Rundfunkbeitrag abschafft, gehen Thema – leider. Aber wir haben schon einige Schritte 150 Millionen Euro für Maßnahmen zur Stärkung von vollzogen. Die Bundesregierung hat Anfang Juli die Vielfalt, Toleranz und Demokratie drauf, 85 Millionen Gleichstellungsstrategie im Kabinett verabschiedet. Alle Euro mehr als zuvor, und das in Zeiten von Corona. Ministerien haben daran gearbeitet und mitgewirkt. Jetzt Dieses Geld wird dann für Programme wie „Demokratie liegt es an den Ministerinnen und Ministern, dies in ihren leben! Aktiv gegen Rechtsextremismus, Gewalt und Politikfeldern umzusetzen. Ich schaue einmal zur Regie- Menschenfeindlichkeit“ ausgegeben. Mehr Mittel für rungsbank: Ja, Sie sind voll motiviert, das auch zu tun. den Kampf gegen Linksextremismus oder Islamismus – Wenn Sie noch Hilfe brauchen: Wir unterstützen; ich Fehlanzeige! Denn man gibt das Geld viel lieber für linke glaube aber, Sie bekommen das alleine sehr gut hin. Propagandaprojekte wie die Amadeu-Antonio-Stiftung aus. Deren Chefin Kahane sagt – ich zitiere –: Die größte (Beifall bei der SPD) Bankrotterklärung der deutschen Politik nach der Wende Das Gleichstellungsinstitut bzw. die Gleichstellungs- sei gewesen, dass sie zugelassen habe, dass ein Drittel des stiftung – dies haben wir im Koalitionsantrag verankert – Staatsgebietes weiß blieb. – Also, dieser Ethnomasochis- ist auch auf der Zielgeraden. Ich finde es wichtig, dass mus ist an sich schon erbärmlich, ihn aber noch mit vielen wir diese Stiftung noch in diesem Jahr gründen; denn wir Millionen zu fördern und damit aktiv Politik gegen das haben dafür Geld bereitgestellt. Einige von Ihnen sind eigene Volk zu machen, das ist schlichtweg ein Skandal. vielleicht schon im Wahlkampf, das weiß ich nicht. Sie (Beifall bei der AfD) wissen: Es ist wichtig, dass wir in der Öffentlichkeit darüber sprechen. Gleichstellung für diese Gesellschaft Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: ist so wichtig. Wenn wir darüber sprechen, dass Frauen unbedingt gefördert werden müssen, dann muss es auch Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage? sein, dass wir eine Gleichstellungsstiftung gründen; denn Mariana Iris Harder-Kühnel (AfD): (B) sonst sind wir nicht glaubwürdig. Daher bin ich sehr (D) optimistisch, dass wir das Geld in diesem Jahr noch aus- Nein. – Und dann versehen Sie diese Politik auch noch geben. ständig mit hübschen Attributen wie „Vielfalt“ und „Toleranz“. Thomas Mann sagte einmal: „Toleranz wird (Beifall bei der SPD) zum Verbrechen, wenn sie dem Bösen gilt.“ Und die Über einige andere Dinge, wenn ich das Gemurmel Folgen Ihrer falschen Toleranz erleben wir täglich: Paral- hier höre, müssen wir noch sprechen. Das wissen Sie lelgesellschaften, Clankriminalität und Gewalt. Oder mit genauso wie ich. Ich freue mich auf die anstehenden Ihren Worten: eine blühende Party- und Eventszene. Beratungen. Packen wir es an! (Beifall bei Abgeordneten der AfD) Vielen Dank. Denn Ihre Vielfalt ist nichts anderes als linke Einfalt, und (Beifall bei der SPD) Ihre Toleranz gilt eben nur den Gleichgesinnten. Das wiederhole ich immer wieder gerne. Für das Normale, Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: für das Natürliche fehlt Ihnen die Wertschätzung. Sie geben das Geld Ihrer Bürger lieber für das Unnatürliche Vielen Dank, Frau Kollegin. – Nächste Rednerin: für wie Frühsexualisierung und Genderblödsinn aus. die AfD Fraktion die Kollegin Mariana Harder-Kühnel. (Marianne Schieder [SPD]: Oh Gott!) (Beifall bei der AfD) Ihr Haushaltsplan setzt sich sogar ausdrücklich zum Ziel, Mariana Iris Harder-Kühnel (AfD): tradierte Rollenbilder zu überwinden. Also wir wollen Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und nicht, dass Frauen und Männer zu Mischwesen umerzo- Herren! Jahr für Jahr hat man die naive Hoffnung, dass gen und Kinder frühsexualisiert werden. der nächste Haushaltsplan besser wird als der vorherige. (Beifall bei der AfD) (Ulli Nissen [SPD]: Naiv ist Ihre Rede!) Wir wollen nicht, dass unsere Sprache gegendert wird. Und Jahr für Jahr wird man enttäuscht. Das liegt Jahr für Jeder Cent, der für diesen Blödsinn ausgegeben wird, Jahr daran, dass Sie die falschen Prioritäten setzen. ist ein Cent zu viel. Eigentlich sollte es – das legt der Name des Minister- (Beifall bei der AfD) iums nahe – um Familien, Senioren, Frauen und Jugend Aber Sie? Sie werfen das Geld raus, obwohl wir bereits und um deren Zukunft gehen – eigentlich. Und eigentlich Spitzenreiter sind, Spitzenreiter, wenn es um die Steuer- ist es Ihre primäre Aufgabe, Politik für die Zukunft unse- und Abgabenlast der OECD geht. Es ist diese Steuerlast, res Landes und seiner Bürger zu machen. Eigentlich soll- die jungen Paaren den Mut zur Familie nimmt. Es ist Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Oktober 2020 22699

Mariana Iris Harder-Kühnel (A) diese Steuerlast, die die demografische Katastrophe ver- (Beifall bei der CDU/CSU) (C) schärft. Es ist diese Steuerlast, durch die die Kinder- und Altersarmut wächst. Hier leitet uns auch noch ein anderer Grundsatz, der besagt: Wenn wir als Staat unterstützen – wir schützen Wir von der AfD fordern: Familien entlasten, Abgaben die Familien ja vor der Übergriffigkeit des Staates –, dann senken, Senioren wertschätzen, Kinder willkommen hei- möglichst früh, möglichst bedarfsorientiert und auch ßen. Das wäre einmal Politik für das eigene Volk. möglichst zielgenau. (Beifall bei der AfD) Angesprochen wurde, wie eigentlich die Situation von Familien ist. Von der AfD wird ja die Geschichte erzählt, Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: dass die Familien wirklich so belastet wären. Frau Schön Der nächste Redner ist für die CDU/CSU-Fraktion der hat richtigerweise auf das Thema Kindergelderhöhung Kollege Marcus Weinberg. hingewiesen. Was heißt das denn konkret, wenn Sie eine Familie mit zwei Kindern haben? Ich weiß, wovon (Beifall bei der CDU/CSU) ich rede; andere wissen das auch. Das sind dann im Jahr 600 Euro mehr für die Familien. Marcus Weinberg (Hamburg) (CDU/CSU): Vielen Dank, Herr Präsident. – Liebe Kolleginnen und (Martin Reichardt [AfD]: Und im Monat? Kollegen! Ja, das mit der Toleranz ist immer so eine 50 Euro! Das ist nicht einmal ein Taschengeld! Geschichte. Sie haben Thomas Mann zitiert. Nun gibt Das ist doch ein Witz!) es in diesem Haus keine Dummköpfe. Wenn es welche – Da kann man gerne das Vierfache fordern, wenn Sie es gäbe, würde ich Voltaire zitieren, der einmal gesagt hat: denn finanziert bekommen. – Das ist ein Erfolg dieser „Dummköpfe zu ertragen, ist sicherlich der Gipfel der Koalition. Wir haben gesagt: Mit der Kindergelderhö- Toleranz.“ hung schaffen wir wirklich etwas Nachhaltiges für Fami- (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der LIN- lien. 600 Euro mehr im Jahr sind wirklich eine gerechtfer- KEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) tigte und gute Leistung, die wir hier über das Familienentlastungsgesetz hinbekommen haben. Aber, wie gesagt, in diesem Hause gibt es sie nicht. Des- wegen kann ich es mir auch ersparen. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Martin Reichardt [AfD]: Das ist schon schäbig, Es ist das Schöne bei Haushaltsdebatten, dass man wenn man sich so was schönredet!) dann erfährt, was den Menschen eigentlich wichtig ist. Ist es ein ideologischer Überbau, der, weg von der Frage Es gibt daneben andere, die durch diese Republik lau- (B) (D) von Lebensmodellen, das oktroyiert, was man sich selbst fen und immer wieder von Kinderarmut sprechen. Ja, wir am liebsten vorstellt? Ist es die Verteilungsfrage? Ist es wissen – das ist auch etwas, was wir in der Koalition die Frage, dass einige mittlerweile gar nicht mehr wissen, angenommen haben –, dass es in diesem Land Kinder- was eigentlich im föderativen System die Verantwortung armut gibt – unbestritten. Aber die Geschichte, dass Mil- des Bundes und der Länder ist, liebe Kollegen? Richtig lionen von Kindern durch dieses Land streifen, weil sie ist – das wurde festgestellt –: Wir haben die höchste nicht mehr in der Lage sind, sich ihre Schulmaterialien zu Steigerung im Haushalt der letzten Jahre. Frau Ministe- kaufen, ist einfach nicht wahr. Deswegen sollte man rin, das erlebe ich seit 15 Jahren. Und seit 15 Jahren stellt genau darauf achten, wie die Betroffenen ihre Lebens- sich die Frage: Wo ist denn die Konstante? Die Konstante situation sehen, nämlich die Kinder und Jugendlichen. ist die Union, die seit mittlerweile 15 Jahren regiert, und Laut Bertelsmann-Stiftung sagen 98,4 Prozent, sie haben Familien endlich wieder das zugutekommen lässt, was alles, was sie für die Schule brauchen. 96,7 Prozent Familien verdient haben. sagen, sie haben genug Geld für Klassenfahrten und Aus- (Beifall bei der CDU/CSU) flüge. 92,5 Prozent sagen, sie haben alles, was sie für ihre Hobbys benötigen. 84 Prozent haben ein eigenes Zimmer. Denn – da sind wir bei den Menschen – für 77 Prozent ist Familie das Wichtigste im Leben, bei den Eltern sind Ja, es gibt Kinderarmut, und wir sind in der Großen es sogar 91 Prozent. Das ist auch das, was man bei Haus- Koalition auch aufgerufen – dieses Thema haben wir haltsberatungen zusammenbringen muss. Es geht nicht auch angenommen –, Kinderarmut zu bekämpfen. Ich nur darum, Geld zu verteilen, sondern es geht auch kann aber auch ganz deutlich sagen: Dieses Land stärkt darum, dass dahinter eine Geschichte für die Menschen die Kinder seit sehr vielen Jahren, in diesem Land und für die Familien in diesem Land (Zuruf von der AfD: Deshalb gibt es ja immer stehen muss. Dahinter muss auch ein Ansatz stehen, mehr!) dass man sagt: Was will man denn erreichen? Wir haben uns vor vielen Jahren darauf verständigt, und diese Große Koalition stärkt sie mit diesem Haus- dass wir die Familien stärken, das heißt finanziell absi- haltsentwurf auch – gerade die schwachen Kinder. chern, die Infrastruktur für Familien bereitstellen und (Beifall bei der CDU/CSU) Zeit für Familien generieren wollen; denn wir bekommen von vielen Familien und Eltern immer wieder reflektiert: Das sehen Sie auch am Schulstarterpaket, wo es sehr Gebt uns bei aller Bedeutung von Geld und Infrastruktur konkret wird. Wir haben das Schulstarterpaket von auch mehr Zeit, gerade dann, wenn wir diese Zeit mit den 100 auf 150 Euro erhöht und haben auch gesagt: Das jungen Menschen verbringen wollen. Teilhabepaket wird von 10 auf 15 Euro erhöht. Ja, mehr 22700 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Oktober 2020

Marcus Weinberg (Hamburg) (A) geht immer; das ist selbstverständlich. Es geht aber auch (Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: (C) darum, genau zu schauen, wo man welche Mittel entspre- So kriegen Sie das in drei Jahren nicht hin!) chend einsetzt. Trotzdem – damit komme ich zum Schluss, und ich Die besondere Situation des Jahres 2020, in dem der will es nur stichwortartig adressieren – gibt es in diesem normale Alltag von Familien komplett auf den Kopf Haushalt – es ist ein guter Haushalt, Frau Ministerin, aber gestellt wurde, wurde natürlich schon angesprochen. dank uns wird aus diesem guten Haushalt bestimmt noch Eines war uns sofort klar: Familien sind systemrelevant, ein sehr guter Haushalt – noch das eine oder andere, wo weil es die Mütter und auch die Väter sind, die gerade in wir noch etwas nachsteuern wollen. Ich denke hier an das den letzten Monaten den Kochtopf, den Laptop und das Beispiel „Frühe Hilfen“, also Prävention, gerade wenn es Schulbuch schwingen müssen, und zwar zeitgleich. darum geht, den Kleinsten einen guten Start ins Leben zu (Heiterkeit bei Abgeordneten des BÜNDNIS- ermöglichen. Da gibt es auch den Wunsch der entsprech- SES 90/DIE GRÜNEN) enden Ministerkonferenz, das aufzustocken. Daran wer- den wir gehen. – Den Kochtopf werden sie hoffentlich nicht schwingen, das ist richtig, aber das Kochbuch zumindest. Wir werden auch daran gehen – das hat Nadine Schön angesprochen –, „Demokratie leben!“ nicht nur als Pro- (Heiterkeit bei Abgeordneten des BÜNDNIS- gramm zu stärken, sondern uns auch Gedanken darüber SES 90/DIE GRÜNEN) zu machen, was wir eigentlich schon haben und wo man Was haben wir als Koalition getan? Lohnfortzahlung auch in Absprache mit Schulen zum Beispiel Dinge, die für Eltern, Notfallkinderzuschlag, Entlastung von Allein- gut laufen, weiter stärken kann. erziehenden durch eine Verdoppelung des Entlastungs- Weil meine Redezeit leider rennt, zum Schluss noch beitrags – ich muss sagen: das ist wirklich etwas Grandio- ein Punkt, der mir und uns wichtig ist: Wir müssen in ses, das in diesem Fall insbesondere auch dank der CSU Deutschland mehr erforschen, wie Kinder und Jugend- in die Diskussion gebracht wurde –, Kinderbonus von liche leben. 300 Euro und Anpassung des Elterngeldes. Für die an der Kinder- und Jugendhilfe Interessierten sei gesagt, (Beifall bei der CDU/CSU) dass wir uns auch im Bereich der Kinder- und Jugend- bildung mit Erfolg dafür eingesetzt haben, die Struktur Wie erleben sie Trennung? Wie erleben sie Heimerzie- der Kinder- und Jugendhilfe – auch des Jugendaustau- hung? Wie erleben Care Leaver ihre Situation? Hier kann sches – mit Blick auf die Situation in dieser Krise zu ich für uns ganz deutlich sagen: Wir werden in den nächs- stabilisieren. (B) ten Jahren sehr darauf achten, dass wir auch über die (D) Ich komme zu den Vorhaben und Schwerpunkten. Forschung erfragen, wie unsere Maßnahmen, die wir ent- wickelt haben, eigentlich wirken. Wie wirken sie bei Zunächst nenne ich noch einmal die Erweiterung der Trennungen? Wie wirken sie auf die Lebenssituationen Unterstützung des Bundes für die Länder beim Ausbau von Kindern und Jugendlichen? Die Forschung in diesem der Ganztagsbetreuung bzw. Kinderbetreuung. Liebe Bereich wird sicherlich eine spannende Aufgabe sein. Kollegin der Grünen, es mag für viele schon eine Selbst- verständlichkeit sein, dass der Bund alles mit übernimmt. Wir wissen aber auch: Die Zeiten werden nicht besser Ich möchte nur noch einmal darauf verweisen: In einem und nicht einfacher werden – auch weil das Geld knapp föderativen System gibt es Verantwortlichkeiten. Ja, wir wird. stellen mittlerweile 3,5 Milliarden Euro für den Ausbau der Ganztagsbetreuung bereit, und wir haben noch einmal Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: 1 Milliarde Euro für den Ausbau im Kitabereich bereit- Herr Kollege. gestellt. Ich sage aber auch eines ganz deutlich: Wir sind nicht diejenigen, die dies alleine zu leisten haben, son- dern das sind in erster Linie die Länder. Deswegen noch Marcus Weinberg (Hamburg) (CDU/CSU): einmal der Appell an die Länder – die sich hier ja perma- Deswegen wollen wir sehr genau und sehr dezidiert nent durch Anwesenheit für das bedanken, was wir für sie schauen, wo wir die Gelder einsetzen. leisten –, sich bitte auch entsprechend daran zu beteili- gen. Deshalb freuen wir uns ganz besonders auf die gemein- samen Haushaltsberatungen mit Ihnen. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Vielen Dank. Sie von den Grünen kritisieren, dass es kein Konzept der Ministerin gibt, das abgestimmt auf den Tisch gelegt (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- wird. Nein, so macht man das auch nicht, sondern man ordneten der SPD) diskutiert das mit den Ländern in einer Arbeitsgruppe, weil man sagt: Wenn wir gemeinsam Verantwortung übernehmen, dann müssen wir uns auch gemeinsam ver- Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: ständigen, was zwischen Hamburg, Rostock, Berlin und Für die FDP-Fraktion hat das Wort der Kollege München das ist, was uns da verbindet und was wir Grigorios Aggelidis. hinbekommen müssen. – Deswegen, glaube ich, ist das auch der richtige Weg gewesen. (Beifall bei der FDP) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Oktober 2020 22701

(A) Grigorios Aggelidis (FDP): Daneben fordern wir, die geltende maximale Anzahl an (C) Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minis- Krankentagen pro Kind für Eltern für die Dauer der Coro- terin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ende April habe nakrise auszusetzen. Hier nur eine Erhöhung um fünf ich für uns Freie Demokraten hier festgestellt: Jede Fami- Tage für das ganze Jahr vorzunehmen, ist völlig absurd. lie in diesem Land ist systemrelevant. – Es freut mich, Aber auch bei der Hauptleistung aus dem Familienetat dass das bei der CDU mittlerweile angekommen ist. agieren Sie halbherzig und zulasten von Eltern. Wir for- (Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der dern Sie auf: Berücksichtigen Sie beim Elterngeld end- FDP) lich Insolvenz- und Krankengeld bei der Berechnung des Elterngeldes, damit Familien in einer besonders schwie- Ohne Eltern keine Kinder, ohne Kinder keine Zukunft! rigen Situation nicht auch noch durch ein viel zu niedri- Deshalb haben wir es 2018 ausdrücklich begrüßt, dass die ges Elterngeld die finanzielle Basis entzogen wird. Ich Bundesregierung gesagt hat, dass sie die Familien in den bin gespannt, ob die CDU/CSU – Nadine Schön ist darauf Mittelpunkt stellen will. Im Sturm des Jahres 2020 zeigt eingegangen – auch in diesem Punkt auf uns zugehen sich allerdings – das muss ich als Norddeutscher feststel- wird. Bei den Frühchen scheinen Sie es endlich verstan- len –: Sie sind für Familien Schönwetterkapitäne. den zu haben.

(Beifall bei der FDP – Marianne Schieder (Beifall bei der FDP) [SPD]: Na, na, na!) Nutzen Sie die Chancen der Digitalisierung, nicht nur für die Antragstellung, sondern für die gesamte Bearbei- Die Bundesregierung hat die Interessen von Familien tung. Feiern Sie sich nicht für die digitale Antragstellung lange nach hinten geschoben – ich finde es schön, Frau allein, wenn durch eine langsame und analoge Bearbei- Stadler, dass Sie das bestätigt haben –, sodass Eltern und tung Eltern monatelang auf ihr Geld warten müssen, son- Kinder zu den großen Verlierern der Coronakrise zählen. dern digitalisieren Sie den ganzen Prozess, damit Eltern Familie 2020 bedeutet, sich dauerhaft am erschöpften innerhalb einer Woche nach Antragstellung eine Antwort Rand unserer Gesellschaft statt im Mittelpunkt zu fühlen. haben. Geben Sie auch endlich Pflegeeltern Elterngeld; Es sind vor allem die Frauen, die einen Spagat zwischen sie haben es verdient. Beruf, Kinderbetreuung, Homeschooling und Pflege ein- gehen müssen, der sie bis ans Ende ihrer Kräfte bringt, (Beifall bei der FDP) und sich dann von Frau Giffey noch anhören müssen: Auf zwei Punkte möchte ich in diesem Zusammenhang Homeoffice und Kinderbetreuung ist anstrengend, aber kurz eingehen, weil sie für gute Chancen für alle Kinder möglich. sprechen. Ich persönlich halte es für einen Skandal, dass (B) (D) Sie agieren auch hier zu kurzsichtig, und Sie agieren ein halbes Jahr nach der Anhörung im Familienausschuss auch in Zukunftsfragen kurzsichtig. Gerade jetzt, im und angesichts der Tatsache, dass die gesamte Legislatur Herbst, leben Eltern nach wie vor mit der ständigen Sorge fast zu Ende ist, Pflegekinder, Care Leaver und Heim- vor erneuten Kita- und Schulschließungen. In Friesland, kinder 75 Prozent des Geldes, das sie verdienen, gege- meinem Heimatlandkreis in Niedersachsen, sind gestern benenfalls immer noch an die Kommunen abgeben müs- wieder Schulen ins Wechselmodell gegangen. Dies ist sen. Das sollte schnellstmöglich geändert werden. Wir eine reine Vorsichtsmaßnahme wegen steigender Infek- fordern das. tionszahlen, obwohl sie weit unter der Grenze von 50 pro (Beifall bei der FDP) 100 000 liegen. Die Eltern sind jedoch in purer Verzweif- lung. Wenn wir über Kinderarmut sprechen: Kinderarmut ist – da gebe ich der CDU/CSU recht – nicht nur eine Wir wissen, dass alles Menschenmögliche getan wer- Frage der materiellen Existenz, sondern vor allem eine den muss, damit Kitas und Schulen regulär funktionieren. Frage der Chancen und der Bildungsfairness. Deswegen Deswegen fordern wir hier auch eine Bildungs- und haben wir mit unserem Kinderchancengeld eine digitale Betreuungsgarantie. Hier ist der Bund auch mit in der Lösung vorgelegt, mit der wir auf der einen Seite die Verpflichtung, das mit den Ländern entsprechend umzu- materielle Existenz automatisiert und ohne große Anträge setzen. den Eltern, den Familien und vor allem den Kindern zukommen lassen wollen. Auf der anderen Seite wollen (Beifall bei der FDP) wir in Zukunft den Schwerpunkt vor allem auf das Thema Bildung und Teilhabe legen: über ein digitales Chancen- Frau Familienministerin, für Notsituationen und Not- paket, über einen klaren Zugang, den die Kinder sofort fälle müssen Sie jetzt vorsorgen. Deshalb fordern wir Sie bekommen, über einen einfachen, direkten und nieder- unter anderem auf, die Einkommensentschädigung für schwelligen Zugang, damit alle Kinder, egal in welchem die Zeiten, in denen Kitas und Schulen geschlossen wer- Umfeld sie geboren wurden, gute und faire Chancen auf den – falls es denn zum Äußersten kommt –, für die ein selbstständiges und erfolgreiches Leben haben. gesamte Dauer der Krise sicherzustellen. Beim Kurzar- beitergeld haben Sie es ja hinbekommen, und Sie haben Ich möchte zum Schluss einen kurzen Satz zum Ehren- es sogar bis Ende 2021 verlängert. Wieso diese Regelung amt sagen, weil meine Vorredner darauf eingegangen für die Eltern nicht gilt, ist für mich nicht nachvollzieh- sind. Was ich vermisse, ist, dass die Bundesregierung bar – und für die Eltern auch nicht. und die Koalition endlich entschlossen entbürokratisieren und das Ehrenamt von Lasten befreien. Eine Zivilgesell- (Beifall bei der FDP) schaft, die stark für unsere Demokratie ist, ist vor allem 22702 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Oktober 2020

Grigorios Aggelidis (A) eine Zivilgesellschaft, die frei von Zwängen ist und vor wäre die richtige Antwort auf die Coronapandemie gewe- (C) allem nicht abhängig von Projektmitteln der Exekutive sen, endlich eine Kindergrundsicherung einzuführen, die ist. existenzsichernd und armutsfest ist. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Beifall bei der LINKEN und dem BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: Wir Linke haben einen Vorschlag für eine Kinder- Das war jetzt ein kurzer Satz, Kollege. Die Zeit ist grundsicherung vorgelegt, die im Wesentlichen auf zwei abgelaufen. Säulen basiert. Erstens. Wir wollen das Kindergeld auf 328 Euro erhöhen – das fordere ich hier schon seit einigen Grigorios Aggelidis (FDP): Jahren –, damit wenigstens das Kindergeld so hoch ist Lassen Sie uns für die Familien die bestmögliche Poli- wie die maximale steuerliche Entlastung nach dem Kin- tik machen. Wir haben Ihnen gute Lösungen aufgezeigt. derfreibetrag. Zweitens. Wir wollen in einer zweiten Säu- Ich freue mich auf die Zusammenarbeit. le einen Zuschlag von bis zu 302 Euro zahlen, eltern- Danke. einkommensabhängig und nach dem Alter gestaffelt. Damit kommen Sie auf am Ende eine Kindergrundsiche- (Beifall bei der FDP) rung von bis zu 630 Euro. Das ist armutsfest, und das würde jedem Kind in diesem Land gerade in der Corona- Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: zeit eine Perspektive geben. Aber Sie machen das Gegen- Der nächste Redner: für die Fraktion Die Linke der teil: Sie schicken immer mehr Menschen und immer Kollege Norbert Müller. mehr Kinder in Hartz IV. (Beifall bei der LINKEN) (Beifall bei der LINKEN) Was fehlt im Haushalt noch? Die Bundesregierung Norbert Müller (Potsdam) (DIE LINKE): hat – sehr spät, aber immerhin – erkannt, dass es richtig Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Her- ist, den Freizeitbereich in der gesamten Kinder- und ren! Bereits vor der Coronapandemie haben in Deutsch- Jugendhilfe zu retten, also von der Jugendverbandsarbeit land 2 Millionen Kinder in Hartz-IV-Bedarfsgemein- über laufende Kinder- und Jugendarbeit bis hin zu den schaften gelebt, waren auf Hartz IV angewiesen. Bis zu deutschen Jugendherbergen, zu den Schullandheimen, zu 4,4 Millionen Kinder, so der Deutsche Kinderschutz- den Kiezen, zu den Bildungsstätten. Hier ist jetzt endlich bund, leben in Armut oder in verdeckter Armut, und Geld geflossen, und die Einrichtungen werden damit bis (B) das war schon vor Corona ein gesellschaftlicher Groß- Ende des Jahres überleben. Aber was zur Hölle passiert (D) skandal. im nächsten Jahr? Für nächstes Jahr ist dafür im Haushalt (Beifall bei der LINKEN) keine Vorsorge getroffen worden. Corona ist doch nicht am 31. Dezember vorbei, auch nicht für die Jugendher- In der letzten Woche hat das Deutsche Kinderhilfswerk bergen, die Schullandheime und die Jugendverbände. gemeinsam mit forsa eine Umfrage vorgelegt. Danach Nein, wir brauchen eine Fortschreibung der Rettungspa- sagen 64 Prozent der Befragten, sie gehen davon aus, kete. Wir brauchen die Mittel dafür im Haushalt, damit Kinderarmut ist in der Coronazeit sogar noch gestiegen. diese komplette, wichtige Freizeitlandschaft für Kinder Gemessen nach den Anhängern der Koalitionsparteien, und Jugendliche, die sehr einzigartig ist, wenn wir uns also den Wählerinnen und Wählern von SPD, CDU und die europäischen Verhältnisse insgesamt ansehen, nicht CSU, sagen in allen Fällen über 60 Prozent – das sind Ihre den Bach runtergeht und auch das Jahr 2021 übersteht. eigenen Wähler –, sie gehen davon aus, in der Coronazeit ist Kinderarmut gestiegen. Das ist ein Armutszeugnis für (Beifall bei der LINKEN und dem BÜND- die Parteien der Großen Koalition. Sie hätten im Haushalt NIS 90/DIE GRÜNEN) darauf reagieren müssen. Sie haben das versäumt. Ich komme zum Schluss, Herr Präsident. Wir sind mit- (Beifall bei der LINKEN und dem BÜND- ten im Tarifkampf des öffentlichen Dienstes. In dieser NIS 90/DIE GRÜNEN) Woche haben deutschlandweit Erzieherinnen und Erzie- Warum denken die Menschen das? Sie denken das, her in Kitas gestreikt. Ich weiß, das ist wahnsinnig weil sie in ihrem Alltag erleben, dass Menschen über schwierig, jetzt ausgerechnet nach den letzten Monaten Monate in Kurzarbeit sind, von der sie am Ende nicht zu sagen: Wir schließen die Kitas, wir gehen in den Warn- leben können, vor allen Dingen, wenn sie schon vorher streik. – Wir als Linke stehen solidarisch an der Seite der zu wenig verdient haben. Sie erleben Soloselbstständige, Kolleginnen und Kollegen in den Kitas, aber auch bei den die die Bundesregierung direkt zu den Jobcentern und Müllabfuhren, in den öffentlichen Verwaltungen und in damit in Hartz IV schickt, und eine Bundesregierung, allen anderen Bereichen des öffentlichen Dienstes; denn die nicht in der Lage ist, sie vernünftig auszustatten und genau sie sind es gewesen, die gerade in den Kitas unter vernünftig zu retten. Sie erleben, dass Menschen in pre- hohem persönlichen Einsatz und unter großem gesund- kärer Beschäftigung mit Minijobs, mit Werksverträgen heitlichen Risiko ihren Arsch hinhalten, die jeden Tag auf oder in Leiharbeit unmittelbar ihre Jobs verloren haben, Arbeit gehen, wissend, dass es drohen kann, dass sie sich und sie erleben eine gestiegene Arbeitslosigkeit. In all mit Covid-19 anstecken, dass sie erkranken könnten. Sie diesen Familien leben Kinder. Wenn es dort zu Armut machen das trotzdem, und sie bekommen dafür von den kommt, dann löst das neue Kinderarmut aus. Deswegen kommunalen Arbeitgebern nichts. Die kommunalen Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Oktober 2020 22703

Norbert Müller (Potsdam) (A) Arbeitgeber sagen: Unsere Kassen sind leer. – Es hat was ist, wie viele sich das wünschen. Wir müssen jetzt die (C) mit der Bundespolitik zu tun, dass die Kassen in den Chance zum Umsteuern nutzen und unser Land moder- Kommunen leer sind. nisieren und vor allem krisenresilient machen. (Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU und Das geht nur, wenn wir Frauen endlich den Weg frei der SPD) machen. Die Normalität kann nicht weiter sein, sich drei- fach anstrengen zu müssen: gegen Diskriminierung, Wir brauchen eine bessere Ausstattung der Kommunen, gegen Doppelbelastung und gegen alltäglichen Sexismus. und wir brauchen endlich ein Angebot des Kommunalen Arbeitgeberverbands für genau diese Beschäftigten. Wir (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) haben entsprechende Anträge vorgelegt. Wir fordern, Gerechte Entlohnung, gerechte Rente, gerechte Vertei- mindestens für die Coronazeit den Beschäftigten in der lung öffentlicher Mittel, gleichermaßen für Frauen und Kinder- und Jugendhilfe und in den Kitas einen Brutto- Männer, und gerechte Aufteilung von Macht, Einfluss zuschlag von 25 Prozent zu zahlen. Das wäre eine ange- und Repräsentanz – das ist mehr als überfällig. messene Entlohnung. Dauerhaft brauchen wir eine Auf- wertung dieser Berufe; denn sie sind systemrelevant. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Liebe Kolleginnen und Kollegen, ihr seid systemrelevant. sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Die Linke steht an eurer Seite. Kolleginnen und Kollegen, der Schutz vor Gewalt ist Vielen Dank. ein Menschenrecht. Deutschland hat sich mit dem Beitritt zur Istanbul-Konvention verpflichtet, Frauen in Deutsch- (Beifall bei der LINKEN) land umfassend vor Gewalt zu schützen. War die Frauen- hilfestruktur schon vor der Pandemie mit 16 000 fehlen- Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: den Frauenhausplätzen massiv unterausgestattet, hat sich Die nächste Rednerin ist für Bündnis 90/Die Grünen diese Problemlage unter Corona noch verschärft. die Kollegin Ulle Schauws. Frau Ministerin, Sie haben mit dem Ausbau der För- derung des Gewalt-Telefons sowie einer groß angelegten (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Öffentlichkeitskampagne einen wichtigen Beitrag in der Krise geleistet. Aber das reicht nicht. Es kann nicht sein, Ulle Schauws (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): dass einer hilfesuchenden Frau bei der Gewalt-Hotline Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! gesagt wird, dass es für sie und vielleicht ihre Kinder „Keine Corona-Hilfen für Macho-Betriebe", so lautete keine Unterbringung in der Not gibt. Gewaltschutz ist die Schlagzeile einer großen Sonntagszeitung unmittel- staatliche Aufgabe und muss auf Dauer gesichert werden, (B) (D) bar vor dem Koalitionsgipfel im Juni, wo die umfassen- auch vom Bund und eben nicht nur von den Ländern. den Konjunkturhilfen beschlossen wurden. Als Frauen- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) ministerin forderten Sie dort, Frau Dr. Giffey, dass Unternehmen nur dann Geld aus dem Konjunkturpro- Wir Grüne haben bislang als Einzige einen Vorschlag gramm bekommen, wenn sie sich auch zur aktiven zur Frauenhausfinanzierung vorgelegt, verbunden mit Gleichstellung bekennen. einem individuellen Rechtsanspruch. Wo ist Ihre Lösung? Ich kann nur sagen: Klar ist, dass Gewaltschutz (Ulli Nissen [SPD]: Sehr gut!) nicht mehr warten kann. Das ist eine absolut wichtige Forderung. Genau so etwas (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bräuchte es jetzt, um der Gleichstellung hierzulande sowie bei Abgeordneten der LINKEN) einen Schub zu geben. Aber leider kann ich Ihnen kein Lob aussprechen; denn mehr als das Interview gab es Liebe Kolleginnen und Kollegen, Frauen werden nicht dazu von Ihnen nicht. Von konkreten Hilfen für Frauen nur im Alltag, sondern auch im Netz bedroht und ange- war im milliardenschweren Konjunkturprogramm dann griffen. Auch weibliche Abgeordnete werden in diesem leider nichts mehr zu finden. Und nicht nur das: Die große Haus mit Sexismus konfrontiert. Da ist es mehr als not- Ungerechtigkeit beim Kurzarbeitergeld für Frauen, meis- wendig, die Umgangskultur und die Dominanz von Män- tens in Steuerklasse V, haben Sie immer noch nicht aus- nern in diesem Haus zu ändern. Das muss aufhören. Wir geräumt. Frauen verlieren hierdurch bis zu mehreren Frauen haben eine fraktionsübergreifende Initiative auf Hundert Euro pro Monat im Vergleich zur Steuerklasse den Weg gebracht – mit fünf Fraktionen – für mehr III. Das geht nicht, und das wissen Sie auch. Frauen im Parlament. Aber Sie haben zur Parität aus meiner Sicht hier nichts beigetragen. Schweigen im Wal- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN de! Von einer Frauenministerin erwarten wir mehr bei sowie der Abg. [DIE LIN- einem Frauenanteil von 30,9 Prozent in diesem Haus. KE]) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Kolleginnen, die Krise hat uns gezeigt, dass die Wirt- Das Thema auszusitzen und in die nächste Wahlperiode schaft nur funktioniert, wenn vor allem Frauen sich küm- zu schieben, ist eine verpasste Chance für die gleiche mern: sei es unbezahlt mit Sorgearbeit, Homeschooling Repräsentanz von Frauen im Bundestag. und Haushalt, oder bezahlt als Pflegekraft, Erzieherin oder beim Supermarktkassieren. Die Krise hat uns Wir Grüne und Linke bleiben dran. Wir werden unse- schmerzhaft vor Augen geführt, dass der Stand der ren Gruppenantrag, der leider von Ihnen nicht mehr Gleichstellung von Männern und Frauen nicht so weit unterstützt wird, hier zur Abstimmung stellen. Dann kön- 22704 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Oktober 2020

Ulle Schauws (A) nen Sie Farbe bekennen. Ich sage: Es ist Zeit für mehr Lesen hilft, liebe Kolleginnen und Kollegen von der (C) Geschlechtergerechtigkeit und Repräsentanz, auch in die- rechten Seite. Wenn Sie sich nur einmal die Förderkrite- sem Haus. rien angucken würden, würden auch Sie sehen, dass wir Vielen Dank. alle Gefährdungen der Demokratie in den Blick nehmen, Islamismus, Linksextremismus genauso; aber der Rechts- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN extremismus ist nun einmal zurzeit die stärkste Bedro- sowie bei Abgeordneten der LINKEN) hung unserer Demokratie. Und deshalb müssen wir dage- gen am stärksten vorgehen, liebe Kolleginnen und Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: Kollegen. Der Kollege Sönke Rix ist der nächste Redner für die (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Fraktion der SPD. der LINKEN) (Beifall bei der SPD) Zum Thema Frauenhäuser. Wir haben aktuell das größ- te Programm zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen, Sönke Rix (SPD): das der Bund jemals aufgelegt hat. Größer ist dieses Pro- Vielen Dank, Herr Präsident. – Liebe Kolleginnen und gramm nie gewesen, nicht in rot-grünen Zeiten, nicht in Kollegen! Meine Damen und Herren! Zunächst einmal zu Zeiten der Großen Koalition und nicht in schwarz-gelben der Behauptung, die kommunalen Kassen seien leer: Zeiten. Jetzt hier den Vorwurf zu machen, wir würden in Natürlich, alle öffentlichen Haushalte haben unter der diesem Bereich nichts unternehmen, ist fatal und, finde aktuellen Krisensituation zu leiden. Aber wir wissen ich, falsch; es suggeriert einen Fehler. Es geht um mehr alle: Durch die Steuereinnahmen sind die Kommunen als um die Hotline, die wir hier eingerichtet haben. Wir diejenigen, die als Letztes davon betroffen sind. Und stellen den Ländern und damit auch den Trägern Mittel wir haben in den vergangenen Jahren wie keine andere für Investitionen zur Verfügung. Regierungskoalition zuvor die Kommunen über die Län- (Beifall bei Abgeordneten der SPD) der so stark entlastet, dass der Bund sich an dieser Stelle tatsächlich keinen Vorwurf machen lassen muss. Natürlich können wir darüber streiten, ob wir einen Rechtsanspruch einführen, aber, liebe Ulle und liebe Kol- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten leginnen und Kollegen, wir wissen, dass das nicht mal in der CDU/CSU – [DIE LIN- der Frauenhausszene eindeutig so bejaht wird. Aber was KE]: Sehen Sie mal nach Rheinland-Pfalz!) wir alle machen können, sind unsere Hausaufgaben in Es kann natürlich angehen, dass bei einigen Ländern den zuständigen Ländern; klebrige Finger vorherrschen – das kann passieren –; (Marianne Schieder [SPD]: Ja!) (B) aber dem Bund an dieser Stelle einen Vorwurf zu machen, (D) halte ich für falsch. denn wenn es einen Anruf bei der Hotline gegeben hat, dass irgendwo kein Platz ist, dann muss der Finger als Weil das Thema Kinderarmut angesprochen worden Erstes zur Landesregierung zeigen und gefragt werden: ist, will ich deutlich machen: Wir haben mit dem Star- Warum habt ihr diese Mittel eigentlich nicht bereits be- ke-Familien-Gesetz aus unserer Sicht einen ersten Schritt reitgestellt? zu einer besseren Grundabsicherung von Kindern unter- nommen. Wir haben damit eine Unterstützung von Fami- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten lien und Kindern erreicht, wie sie vorher in diesem Aus- der CDU/CSU) maß nie dagewesen ist. Und wir haben mit dem KiZ in Ich weiß, dass die FDP und die Grünen, die dies vorhin der Krisenzeit und mit dem Kinderbonus und der Fami- auch hier gefordert haben, an vielen Landesregierungen lienkomponente beim Kurzarbeitergeld tatsächliche Hil- beteiligt sind. Deshalb zeigt der Finger auch in die eigene fen für Familien geleistet, damit die wegen der Krise eben Richtung, liebe Kolleginnen und Kollegen. nicht in Armut und Not geraten. Diesen Vorwurf hier zu machen, halte ich für falsch. Wir haben unsere Hausauf- (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der gaben an dieser Stelle gemacht. CDU/CSU – Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Noch nicht mal Vorschläge!) (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Dann, liebe Kolleginnen und Kollegen, wurde darüber gesprochen, wir sollten im SGB VIII die Standards für Ich will noch auf ein paar Punkte eingehen, die in die Kinderbetreuung genauer festlegen. Ja, das kann man dieser Debatte nicht unwidersprochen stehen bleiben machen. Wir diskutieren gerade über die Fördermittel, können: über die Einrichtung eines Rechtsanspruchs auf Ganz- Immer wieder wurde das Thema Demokratieförderung tagsbetreuung und über die Kriterien. 15 Länder sind angesprochen. Ich finde es gut, dass wir die entsprech- dazu bereit und sagen, dass entweder die Schule die Auf- enden Mittel so deutlich erhöht haben. Die Aufgabe ist sicht haben muss oder die Jugendhilfe. Ein Bundesland groß. Die Bilder aus den letzten Wochen und Tagen, aber sperrt sich dagegen noch, komischerweise ein grün auch die Ereignisse in den letzten Monaten haben gezeigt, regiertes, nämlich Baden-Württemberg. Wenn Sie jetzt dass wir da nicht weniger, sondern immer noch mehr tun von uns erwarten, dass wir den Rechtsanspruch einführen müssen. und die Standards aufrechterhalten, dann sage ich ganz ehrlich: Bitte erst mal in den zuständigen Ländern dafür (Beifall bei der SPD) sorgen, dass die diese Standards auch wollen. – Denn das Deshalb ist dieser hohe Haushaltsansatz richtig. ist nicht überall der Fall. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Oktober 2020 22705

Sönke Rix (A) (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie die Wertigkeit älterer Menschen nachdenken, nicht nur (C) des Abg. Grigorios Aggelidis [FDP]) für die Bundesregierung, sondern auch für unsere Gesell- schaft. Angesprochen wurde auch die Einschränkung der Ent- schädigung von Eltern, wenn keine Betreuung wegen der (Beifall bei der AfD) Krise, gerade in akuten Zeiten, vorhanden ist. Auch da Ein Bundesprogramm, welches offen linke bis linksext- will ich deutlich machen: Das ist eine Länderaufgabe. Die reme Strukturen fördert, ist der Regierung wieder einmal Länder schließen die Einrichtungen, die schließen die wichtiger, als sich um ältere Menschen oder den demo- Kitas und die Schulen und sind dann auch dafür zustän- grafischen Wandel zu kümmern. Wer hingegen ein ande- dig, entsprechend die Entschädigung zu zahlen. Wir res Ergebnis der demografischen Entwicklung möchte als haben als Bund dafür gesorgt, dass wir uns da nicht aus die Umwandlung Deutschlands in eine Regenbogen- der Verantwortung stehlen; wir leisten unseren Beitrag. Favela, wird durch die genannte Privat-Stasi zum Ver- Aber es hat sehr lange gedauert, die Länder zu überzeu- fassungsfeind erklärt – einer Verfassung allerdings, zu gen. Wenn die Länder weiterhin bereit sind, Mittel beizu- der sich diese linke Vereinsmafia selbst nicht einmal steuern, dann wird der Bund das auch tun. Aber die Län- bekennen möchte und das auch nicht muss. der müssen genauso mitmachen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Dass der demografische Wandel längst eine bunte demografische Katastrophe ist, scheint die Bundesregie- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten rung offenbar recht unbeeindruckt zu lassen. Vielmehr der CDU/CSU – Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/ scheint das Kanzlerwort „Nun sind sie halt da“ die der- DIE GRÜNEN]: Ich höre immer nur: Länder, zeitige Ausrichtung der Politik der Bundesregierung zu Länder, Länder!) beschreiben. In aller Herren Länder stehen längst, ermu- Also, bei der Kritik auch immer darauf achten, dass die tigt durch die Magnetpolitik der Bundeskanzlerin, weite- Finger nicht nur in Richtung Bundesregierung zeigen. re Migranten bereit, um als Kompensationsmasse für die inzwischen auf vielen Politikfeldern offen familienfeind- Ich finde, wir haben hier einen sehr guten Entwurf liche Politik in Deutschland zu dienen. bekommen, der sich an der einen oder anderen Stelle durch das Parlament verbessern lässt. Wir nehmen gerne Das Bundesprogramm „Demokratie leben!“ gehört die richtigen und wichtigen Anregungen von der Opposi- endlich gänzlich aus dem Haushaltsplan gestrichen, und tion mit auf; das haben wir auch in der Vergangenheit die so eingesparten Mittel gehören in eine wirklich fami- getan. Ich freue mich auf die Auseinandersetzung darü- lienfördernde Politik investiert. ber. (Beifall bei der AfD) (B) Herzlichen Dank. Da wäre die Förderung der Demokratie nämlich auch (D) inklusive. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Noch mehr durch Steuergeld finanzierte linke Struktu- ren und ideologische Indoktrination braucht unser Deutschland gewiss nicht. Es ist höchste Zeit, dass sich Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: die Bundesregierung wieder darauf besinnt, dass dieses Das Wort hat jetzt für die AfD-Fraktion der Kollege Bundesministerium für Familien und Senioren heißt und Frank Pasemann. nicht gegen Familien und Senioren. (Beifall bei der AfD) Vielen Dank. (Beifall bei der AfD) Frank Pasemann (AfD): Herr Präsident! Frau Ministerin! Meine Damen und Herren! Beim Blick in den Einzelplan 17 des Bundes- Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: haushaltsplans 2021 fällt eine Sache ins Auge: Der Die Kollegin Sylvia Pantel für die CDU/CSU-Fraktion Begriff „ältere Menschen“ taucht insgesamt nur ein ein- ist die nächste Rednerin. ziges Mal darin auf. Der Haushaltstitel wird von circa (Beifall bei der CDU/CSU) 19,5 auf rund 15,2 Millionen Euro gekürzt; eine Kürzung um über 4 Millionen Euro. Hingegen wird das Bundes- Sylvia Pantel (CDU/CSU): programm „Demokratie leben!“ im gleichen Einzelplan Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Frau Ministerin! von 115,5 auf 150,5 Millionen Euro erhöht; eine Erhö- Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten hung um 35 Millionen Euro, und das in Zeiten der Krise. Damen und Herren! Die Familie verdient unsere beson- Diese linke Steuergeldsammelmaschine mit ihren teil- dere Anerkennung, Beachtung und unseren Schutz. Gera- weise obskuren Vereinen ist dem seit Jahrzehnten rot de in der Coronakrise, vor allem während der Kita- und geführten Familienministerium also knapp zehnmal so Schulschließungen, sorgte sie für soziale Stabilität. Die viel wert wie eine Politik zum Wohle der Senioren in Erziehung und Betreuung der Kinder sowie das Küm- unserem Land. mern und die Pflege von Angehörigen waren ohne die Erwähnenswert ist auch, dass dieses Bundesprogramm Leistungen der Familie nicht möglich. Es wurde aufge- nur in den Vorbemerkungen erwähnt wird, ansonsten aber zeigt, wie unersetzbar diese Institution auch als Werte-, eher verschleiert im Haushalt auftaucht. Diese Verschie- Solidar- und Wirtschaftsgemeinschaft für unseren Staat bung der Größe der beiden Haushaltstitel lässt einen über und unsere Gesellschaft ist. 22706 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Oktober 2020

Sylvia Pantel (A) (Beifall bei der CDU/CSU) Es ist wichtig, dass wir uns auch um die Einsamkeit im (C) Alter kümmern. Wir kümmern uns sehr wohl darum. Der Dies haben wir anerkannt. Wir haben geholfen, wir haben Bund unterstützt daher das Malteser-Projekt „Miteinan- sehr viele Mittel zur Verfügung gestellt – das hört sich der-Füreinander – Kontakt und Gemeinschaft im Alter“ hier immer anders an –, und wir haben auch eine ganze mit 7 Millionen Euro bis 2024. Menge Mittel in anderen Ressorts. Der Etat unseres Ministeriums beträgt über 12,24 Mil- (Beifall bei der CDU/CSU) liarden Euro. Dies entspricht einer Aufstockung um rund Das Thema „Alt und Jung“ unterstützen wir auch 882 Millionen Euro, also um 7,2 Prozent. Hier hört sich durch die verstetigte Finanzierung der Mehrgeneratio- das immer so an, als wenn wir irgendwo irgendwas ein- nenhäuser. Die Arbeit hat sich bewährt. Die Häuser stel- sparen würden. len eine unverzichtbare soziale Infrastruktur dar und leis- Zusätzlich zu unserem gesteigerten Familienhaushalt ten einen wichtigen Beitrag zum haben wir weitere Unterstützungen für unsere Familien generationenübergreifenden und familiären Miteinander. in anderen Etats vorgesehen. Dazu zählen unter anderem Die Mittel in Höhe von 22,95 Millionen Euro werden das Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz mit daher in 2021 verstetigt. 43,5 Milliarden – das sind also keine Peanuts –, die Bei- tragszahlungen des Bundes an die allgemeine Rentenver- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) sicherung für Kindererziehungszeiten mit 16,92 Milliar- Leider gehört auch das Thema „Gewalt in Beziehun- den Euro oder das Baukindergeld. Und da freut mich gen“ zur Realität unseres Landes. Opfer von Gewalt, ob gerade besonders, dass das Baukindergeld in der letzten nun psychisch, sexuell oder physisch, sind leider zumeist Woche mit 861 Millionen Euro bis März 2021 verlängert Frauen und Kinder. Mit dem Hilfetelefon „Gewalt gegen wurde. Frauen“ haben wir ein niedrigschwelliges Angebot Damit stellen wir 73,52 Milliarden Euro für Familien geschaffen, wofür wir rund 8,1 Millionen Euro im Haus- zur Verfügung, mehr als jede andere Regierung zuvor in halt 2021 bereitstellen. der Geschichte unseres Landes. Mit dem eingeführten Für das Bundesprogramm zur Förderung von Innova- Elterngeld springt die staatliche Gemeinschaft für ent- tionen im Hilfesystem zur Unterstützung gewaltbetroffe- fallenes Gehalt ein, wenn Eltern ihr neugeborenes Kind ner Frauen mit ihren Kindern werden 35 Millionen Euro betreuen und dafür ihre Berufstätigkeit unterbrechen oder für das Jahr 2021 bereitgestellt. Hier danke ich Ihnen, einschränken. Das Elterngeld und das Elterngeld Plus Frau Ministerin Giffey, dass Sie es wirklich kollegial bedeuten eine größere Wahlmöglichkeit und Flexibilität mit den Ländern machen; denn – das kann hier nicht oft (B) für junge Eltern. Es stärkt nachhaltig die Vereinbarkeit genug gesagt werden – wir geben sehr viel Geld an die (D) und die Balance von Familie und Beruf. Dieses Elternan- Länder ab, damit sie subsidiär – so ist unser System – gebot ist ein so großes Erfolgsmodell geworden, dass wir ihren Aufgaben nachkommen. Da, wo sie es nicht tun und den Etat des Elterngeldes um 88,3 Millionen Euro auf wir helfen können, tun wir das. Aber einen Anspruch nunmehr 7,34 Milliarden Euro erhöht haben. daraus abzuleiten, halte ich für sehr verfehlt. Über die finanzielle Unterstützung bei Kitas und Die Umsetzung dieses Programms wird durchgeführt. Betreuungsangeboten wurde eben schon ausführlich Der eingesetzte runde Tisch „Gemeinsam gegen Gewalt berichtet. Ein weiteres Anliegen ist uns die Absicherung an Frauen“ in enger Kooperation mit den Ländern ist ein und Unterstützung der Alleinerziehenden. Wir nehmen guter Weg, und es freut mich, dass in diesem Rahmen ihnen den finanziellen Druck, sollte der andere Elternteil unter anderem an der Umsetzung der bundesweiten digi- nicht den zustehenden Unterhaltsanteil zahlen, und gehen talen Plattform zur Vermittlung von Frauenhausplätzen in Vorleistung. Hierfür veranschlagen wir einen Posten gearbeitet wird, für die ich mich auch persönlich sehr von 875 Millionen Euro. stark eingesetzt habe. Es zeichnet unsere Jugend besonders aus, wenn sie Ein sehr trauriges Kapitel, das leider auch eine Realität sich bereitfindet, als Freiwilligendienstleistende Verant- darstellt, ist der Kindesmissbrauch. Die widerlichen Ver- wortung für sich selbst und andere zu übernehmen. Sie brechen an Kindern müssen wir in unterschiedlichen und die ehrenamtlichen Helfer sind unverzichtbar für Ressorts bekämpfen. Daher begrüße ich es ausdrücklich, unsere Gesellschaft. Wir unterstützen dieses Engage- dass wir für 2021 2 Millionen Euro und für 2022 5 Millio- ment, und es freut mich besonders, dass wir den erkämpf- nen Euro für eine Kampagne eingeplant haben, die die ten, erhöhten Etat von 2020 verstetigen können und mit Öffentlichkeit zu diesem Thema sensibilisieren soll. den Mitteln für die Freiwilligendienste und den Bundes- freiwilligendienst mit insgesamt 327,88 Millionen Euro fortschreiben. So ermöglichen wir jungen Menschen Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: gesellschaftliches Engagement und geben den Trägern Frau Kollegin, die Redezeit ist abgelaufen. Planungssicherheit. Hier wird also nichts eingespart. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Sylvia Pantel (CDU/CSU): Handlungsbedarf sehe ich noch bei den Mehrkindfami- Ebenfalls verstetigt wurde das Bundesprogramm lien, bei „Frühe Hilfen“ und auch beim Ausstieg aus der „Menschen stärken Menschen“. Damit stehen weitere Prostitution. Mittel in Höhe von 18 Millionen Euro für 2021 zur Ver- fügung. Ich möchte an dieser Stelle nur sagen: – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Oktober 2020 22707

(A) Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: bitte noch einmal an; das hat Ihnen der Kollege schon (C) Kurz, bitte. gesagt. Da werden auch Projekte gegen Linksextremis- mus und gegen religiösen Extremismus gefördert. Schauen Sie sich das einmal an! Sylvia Pantel (CDU/CSU): – Als ich angefangen habe, hatte der Familienetat ein Extremismus in jeder Form muss von uns im Auge Volumen von 7,1 Milliarden Euro. Jetzt sind wir fast beim behalten, muss bekämpft werden. Aber wir dürfen nicht Doppelten. Es kann also nicht davon die Rede sein, dass nur die Symptome sehen, sondern müssen auch nach den wir nichts für unsere Familien übrighaben. Wir tun sehr Ursachen fragen. Alle Forscher sagen uns, dass Empathie viel. und Toleranz die Grundqualitäten von Menschen sind, Herzlichen Dank. wenn sie Demokratie leben wollen. Wenn man genauer nachfragt, sagen die Forscher des Weiteren, dass diese (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- Fähigkeiten eines Menschen in der frühen Kindheit ange- ordneten der SPD) legt werden. Also müssen wir folgerichtig sagen: Wir müssen nicht nur das Feuer löschen, sondern müssen Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: auch schauen, wo sich die Ursachen der Brände befinden. Nächster Redner ist der Kollege Martin Patzelt, CDU/ Da hat es mich doch sehr schmerzhaft berührt, dass die CSU-Fraktion. vom Ehrenamt sehr unterstützten Patenschaftsprogram- me, die in der frühen Kindheit ansetzen – die frühen (Beifall bei der CDU/CSU) Hilfen, die Familienpaten, „Menschen stärken Men- schen“ –, eine Verstetigung erfahren haben, dass aber Martin Patzelt (CDU/CSU): der Kostenaufwuchs in der Gesellschaft gar nicht berück- Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mei- sichtigt wird. Das Verhältnis von Ursache zu Wirkung ne Damen und Herren! In Zeiten von Corona ist es dop- muss – darüber werden wir noch diskutieren müssen – pelt und dreifach nötig, dass man jede Ausgabe noch angemessen sein. einmal genau überlegt. Wir wissen nicht, wann wir aus Warum zeige ich das auf? Weil ich überzeugt bin, dass der Krise herauskommen, und wir wissen nicht, wie lange Resozialisierung immer schlechter ist als Sozialisierung. das Geld reicht, das uns die Steuerzahler zur Verfügung Wir müssen die Sozialisierung und die Bedingungen für stellen. Sozialisierung viel stärker zur Kenntnis nehmen und Insofern ist der Etat des Familienministeriums tatsäch- müssen dann entsprechend unsere Ausgaben tätigen. Es lich nicht nur eine große Leistung, sondern er ist ein ist klar – Gott sei Dank ist das so –: Es handelt sich um eine kleinere Gruppe in unserer Gesellschaft, die Hilfe (B) überzeugendes Bekenntnis zur Familie. Wenn wir in die- (D) sen Zeiten der knappen Kassen – und wir verschulden uns durch den Steuerzahler braucht. Die allermeisten Eltern neu; das tun wir Christdemokraten mit bitterer Miene – nehmen die Verantwortung für ihre Kinder wahr, obwohl sagen: „Für die Familien soll so viel Geld zur Verfügung sie Mühe damit haben, obwohl sie gerade in diesen Zeiten gestellt werden“, dann tun wir das mit Überzeugung. Im Lasten zu tragen haben. Aber sie tun das kompetent, und Übrigen stellt sich angesichts der Entwicklungen in der sie tun das gerne. Coronakrise, in der die Frauenhäuser überfüllt waren, (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- Frauen dringend nach Hilfe suchten, unsere Jugendhil- ordneten der SPD) feeinrichtungen überfüllt waren und der Kinder- und Jugendnotdienst sehr beansprucht wurde, die Frage, ob Unsere Sorge gilt immer den Eltern, die unsere Hilfe noch nachzusteuern ist. Da müssen wir genauer hin- brauchen. Wir dürfen nicht das Bild zeichnen, dass es in schauen. Deutschland chaotische Zustände gibt. Gott sei Dank gibt es sie noch nicht. Aber wir haben Handlungsbedarf. Als Berichterstatter für „Demokratie leben!“ und für Demokratieerziehung habe ich mir die Augen verwundert Liebe Kolleginnen und Kollegen, bei den jungen Men- gerieben, als ich den Aufwuchs im Haushalt gesehen schen – ich will darauf etwas ausführlicher eingehen, weil habe. Ich sage aus Überzeugung: Wir können gar nicht das sonst nicht zur Sprache kommt –, die einer extremisti- genug tun für eine demokratische Entwicklung unseres schen Gesinnung anheimfallen, lassen sich zwei Gruppen Landes. unterscheiden. Die eine Gruppe sind die jungen Men- schen, die eine Verwahrlosung erfahren haben und nicht (Beifall des Abg. Sönke Rix [SPD]) genügend Hilfe und Unterstützung in ihrer Kindheit Die Demokratieentwicklung ist immer gefährdet. In die- bekommen haben. Wir haben aber auch eine wachsende sem Zusammenhang möchte ich noch auf ein paar beden- Gruppe junger Menschen, die als Prinzessinnen und Prin- kenswerte Überlegungen zu sprechen kommen. zen aufgezogen wurden und die dann einfach nicht mehr verkraften, dass es auf der Welt auch andere Menschen (Zuruf von der AfD: Endlich!) gibt, und die dann versuchen – weil sie eine Party nicht Wir löschen mit dem Geld, das wir für diesen Bereich haben können –, die Türen des Reichstags zu stürmen. ausgeben, das Feuer. Wenn man sich die Entwicklung Wir müssen in unseren Erziehungsüberlegungen auch im anschaut, stellt man fest, dass es sich um einen Zyklus Blick haben, dass junge Menschen früh genug Verant- handelt. Die Entwicklungen werden verstärkt. Das Geld wortung für das Gemeinwohl übernehmen müssen. Sie wird erhöht. Die Feuerwehr braucht Geld. Das Geld ist müssen es lernen. Das muss Teil unserer Erziehungspro- bestimmt nicht verkehrt angelegt. Im Übrigen, Frau gramme sein. Das muss schon in unseren Kindertages- Harder-Kühnel, schauen Sie sich den Einzelplan doch stätten gelehrt werden. Ich bin der Meinung, man kann 22708 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Oktober 2020

Martin Patzelt (A) das nicht mit einer Maßnahme abdecken. Aber wir sollten (Beifall bei der CDU/CSU – Norbert Müller (C) versuchen, den Eltern mit dem, was wir mit viel Geld [Potsdam] [DIE LINKE]: Deshalb klatschen angefangen haben, viel mehr Zeit als bisher für ihre Kin- jetzt alle!) der zu schenken, damit sie sich an ihren Kindern erfreuen – Sie dürfen natürlich auch klatschen. – Dieses Bekennt- können. Wir sollten vielleicht auch versuchen, die Qua- nis zur Stärkung der Familie kann man auch diesem Ein- lität der Zeit, die Eltern und Kinder miteinander verleben, zelplan entnehmen. Ein Schwerpunkt mit über 7 Milliar- durch unsere Hilfen zu verbessern. den Euro bildet allein das Elterngeld. Insgesamt machen Ich danke Ihnen. die gesetzlichen Leistungen wie auch Kindergeld und Unterhaltsvorschuss mit knapp 80 Prozent einen Groß- (Beifall bei der CDU/CSU) teil dieses Etats aus. Im parlamentarischen Verfahren wird es sicherlich zu starken Debatten zu den einzelnen Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: Programmen noch kommen, und an einigen Stellen Vielen Dank, Herr Kollege Patzelt, auch für die besteht noch Erklärungsbedarf. Ich denke hier beispiels- 30 Sekunden, die Sie uns geschenkt haben. – Der Oßner weise an die finanzielle Absicherung der Schwangeren- Florian ist der letzte Redner für die Fraktion der CDU/ beratung Donum Vitae, die Erhöhung der Mittel für die CSU und damit der letzte Redner zum Einzelplan 17. Bundesstiftung Frühe Hilfen, die Fortschreibung der Gel- Bitte schön. der für junge Frauen im IT-Bereich. Aber was mich ganz besonders freut, ist die Erhöhung der Freibeträge für (Beifall bei der CDU/CSU – Marcus Weinberg Alleinerziehende, eine wirklich deutliche und spürbare [Hamburg] [CDU/CSU]: Sehr guter Mann! – Entlastung, gerade wenn man in der Kindererziehung Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Das allein dasteht. Da sage ich: Vielen Dank! Beste kommt zum Schluss!) (Beifall bei der CDU/CSU) Florian Oßner (CDU/CSU): Das Budget, heute schon mehrfach angesprochen, für Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bun- das Programm „Demokratie leben!“ wird erheblich auf- desministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die ent- gestockt. In diesem Fall bitte ich Sie aber, sehr geehrte scheidende Botschaft der heutigen Haushaltsdebatte ist: Frau Ministerin, ausdrücklich, die veranschlagten Mittel Diese Bundesregierung leistet immens viel für unsere klug einzusetzen. Es kann am Ende nicht sein, dass wir Familien, für die Senioren, für die Frauen und für die zum Beispiel bei Wohlfahrtsverbänden eher ein wenig Jugend in unserem Land. In den letzten zehn Jahren wur- knauserig sind, obwohl diese einen entscheidenden Bei- de der Etat des Bundesfamilienministeriums nahezu ver- trag für unsere Gesellschaft leisten, und auf der anderen (B) doppelt. Das ist wahrlich ein starkes Zeichen für den Seite Aufwüchse in Bereichen haben, die teilweise nur (D) Zusammenhalt in unserer Gesellschaft. geringe Wirkung zeigen. Entscheidung ist hier das gesun- (Beifall bei der CDU/CSU) de Augenmaß, und dafür bedanke ich mich schon im Vorfeld. Lag der Haushalt 2010 noch bei 6,4 Milliarden Euro, beträgt er nunmehr rund 12,2 Milliarden Euro. Dieser (Beifall bei der CDU/CSU) enorme Aufwuchs – erlauben Sie mir, das anzusprechen – Wir feiern am Samstag 30 Jahre deutsche Einheit. Die- ist nur durch eine nachhaltige Haushaltspolitik möglich se vergangenen 30 Jahre sind ein hervorragendes Beispiel geworden. Ja, Nachhaltigkeit ist nicht nur in der Umwelt- für gelebte Demokratie in Deutschland. Es waren aus politik entscheidend, sondern auch in der Finanz- und meiner Sicht die besten 30 Jahre, die Deutschland je Haushaltspolitik. Oft wurden wir als Union belächelt hatte. Sorgen wir dafür, dass dies in Zukunft so bleibt. für unseren ausgeglichenen Haushalt. Oft wurde uns vor- Auch für die Betreuung unserer Kinder werden wir geworfen, dass die sogenannte schwarze Null wie ein weiterhin – das möchte ich noch anfügen – viel Geld Dogma wäre, das locker über Bord geworfen werden zur Verfügung stellen. Dies ist zwar eigentlich – meine könnte. In wirtschaftlich starken Zeiten müsste doch Vorredner haben es schon angesprochen – keine originäre nicht gespart werden. Heute traut sich kaum einer mehr, Bundesaufgabe. Wir wollen jedoch unsere Städte und dies schlechtzureden. Es war gut, dass die Unionsfrak- Gemeinden bei dieser Aufgabe mit zusätzlich über 1 Mil- tion, dass CDU und CSU diese klare Linie gehalten liarde Euro unterstützen. Besonders erfreulich finde ich, haben; denn nur damit wird möglich, dass wir jetzt unse- dass das Bundesprogramm Sprach-Kitas entgegen der ren Bürgerinnen und Bürgern in der Krise zur Seite ste- Finanzplanung auf dem Niveau von 2020 fortgeführt hen. wird. Mit diesem Programm wird die sprachliche Bildung (Beifall bei der CDU/CSU) als fester Bestandteil in der Kindertagesbetreuung geför- dert. Das ist ein wichtiger Schritt zu mehr Chancen- Es freut mich, dass es eine derartige Schwerpunktset- zung in der Familienpolitik gibt. In diesen schwierigen gleichheit. und unsicheren Zeiten, wie wir sie gerade durchleben, ist Wichtig sind uns auch die flächendeckenden Mehrge- dies ein guter und wichtiger Stabilitätsanker für die Fami- nerationenhäuser wie in Landshut oder Kelheim. Diese lien in unserem Land; denn für uns und auch für mich werden weiterhin auf sehr hohem Niveau gefördert. Jün- persönlich als zweifacher Familienvater sind Familien gere helfen Älteren. Das nachbarschaftliche Miteinander der kostbarste Schatz unserer Gesellschaft. Sie verdienen wird hier in der Tat gelebt. Damit sind Mehrgenerationen- unsere ganze Anerkennung und Unterstützung und müs- häuser absolut vorbildlich für unsere Gesellschaft. Wir sen daher klar im Zentrum unserer Politik stehen. sollten das auch in Zukunft so beibehalten. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Oktober 2020 22709

Florian Oßner (A) (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- nach einem halben Jahr guten Verlaufs bei uns in (C) ordneten der SPD) Deutschland so, dass es für viele schwierig ist, die reale Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich heu- Gefahr zu sehen. Das ist ja das Paradoxon: Der gute Ver- te abschließend allen Ehrenamtlichen ein großes Lob aus- lauf resultiert daraus, dass so viele mitmachen, dass so sprechen. Vieles, was mit unserem Etat gefördert wird, viele aufeinander aufpassen. Aber gleichzeitig sagen geht auch auf ehrenamtliche Leistungen zurück, sei es in dann einige: Ja, guck mal, ist doch gar nichts passiert. Vereinen oder in Verbänden, wie zum Beispiel beim Die Maßnahmen waren gar nicht notwendig. Roten Kreuz oder bei der Aidshilfe. Das ist alles andere (Zuruf von der AfD) als selbstverständlich. Deshalb allen, die sich ehrenamt- Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, es ist genau lich engagieren, meinen allerherzlichsten Dank und mei- andersrum: Weil wir Maßnahmen ergriffen haben, ist nen allergrößten Respekt für ihre Arbeit. bis jetzt so wenig passiert und sind wir in Deutschland (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- so gut durch die Krise gekommen. ordneten der SPD und der FDP) (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der Meine Damen und Herren, wir haben einen guten FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNIS- Haushaltsentwurf vorgelegt bekommen. Als Haushälter SES 90/DIE GRÜNEN) haben wir natürlich das Selbstbewusstsein, diesen guten Entwurf noch ein wenig besser zu machen. Deswegen Mit dieser Gefahr am häufigsten konfrontiert sind die freue ich mich auf die intensiven Beratungen in den Beschäftigten in den Pflegeeinrichtungen, in den Kran- kommenden Wochen. kenhäusern, in den Arztpraxen, die Menschen, die im Gesundheitswesen als Gesundheitswesen für uns anwe- Herzliches „Vergelt’s Gott!“ fürs Zuhören. send sind, wenn wir sie brauchen, die jeden Tag rund um (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- die Uhr helfen. Eine Erhebung hat kürzlich ergeben, dass ordneten der SPD) die Zufriedenheit der Deutschen mit ihrem, mit unserem Gesundheitswesen auf Rekordniveau ist. Ja, es gibt Pro- bleme im Alltag. Und ja, auch in der Pandemie gibt es im Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: Alltag zu oft Probleme in der täglichen Versorgung. Aber Vielen Dank, Florian Oßner, auch für die Disziplin bei gleichzeitig gibt es auch ein gutes Gespür bei vielen Bür- der Einhaltung der Redezeit. – Es liegen keine weiteren gerinnen und Bürgern. Das Virus ist ja in allen Ländern Wortmeldungen zum Einzelplan 17 vor. gleich. Dass der Verlauf so unterschiedlich ist, hat eben Wir kommen zum Einzelplan 15, Geschäftsbereich auch mit einem guten, mit einem starken Gesundheits- des Bundesministeriums für Gesundheit. wesen zu tun. Dieses Bewusstsein ist vorhanden. Ich (B) finde, das dürfen wir ab und zu auch mal ausdrücken. (D) Ich begrüße alle Gesundheitspolitiker und bitte alle, Wir sind dankbar, wir sind demütig, aber wir sind auch die der weiteren Debatte folgen wollen, Platz zu nehmen, ein ganzes Stück stolz auf ein Gesundheitswesen, das in und alle anderen, den Saal zügig zu verlassen. – Herr einer Pandemie so etwas leisten kann. Bundesminister Spahn, Sie haben das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP und des BÜNDNIS- Jens Spahn, Bundesminister für Gesundheit: SES 90/DIE GRÜNEN) Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es gibt drei Gründe, warum wir in Deutschland diese Krise Jetzt geht es auch darum, dass wir denjenigen helfen, bislang gut durchstehen: Zum Ersten lernen wir im Mit- die uns allen im Gesundheitswesen jeden Tag helfen, die einander täglich dazu, in Bund und Ländern, in den uns unterstützen. Wir machen es ihnen möglichst einfach, Gemeinden, in Parlamenten und Regierungen. Eine indem wir schlicht und ergreifend, gerade mit Blick auf Mehrheit der Bevölkerung, der Bürgerinnen und Bürger, Herbst und Winter, weiterhin aufeinander aufpassen. Die trägt verantwortlich und vor allem eigenverantwortlich AHA-Formel ist vielleicht banal; aber sie ist sehr wirk- die Maßnahmen mit, weil sie das Bewusstsein hat, dass sam. Sie ist die beste, die schärfste Waffe, die wir gegen Freiheit nicht heißt: „Ich kann machen, was ich will“, dieses Virus haben: Abstand halten, Hygieneregeln ach- sondern immer auch mit Verantwortung verbunden ist, ten, Alltagsmasken im geschlossenen Raum, insbesonde- Verantwortung für mich selbst und für andere. Zum re dort, wo der Abstand nicht immer gewährleistet ist. Zweiten ist unser Gesundheitswesen robust, und, zum Wenn ich höre: „Ich bin ein freier Mensch, ich trage keine Dritten, unsere Staatsfinanzen sind es auch. Maske“, dann sage ich immer: Ich trage die Maske aus freier Entscheidung, weil Freiheit für mich immer auch Wichtig ist es, diese Grundsolidität nicht infrage zu heißt, die Freiheit und Gesundheit des anderen zu achten. stellen, sondern auf dieser Grundlage weiter die richtigen Schlüsse zu ziehen. (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNIS- (Beifall des Abg. Dr. Roy Kühne [CDU/CSU]) SES 90/DIE GRÜNEN) Dazu gehört für mich, dass wir als Gesellschaft weiter Das ist der Grund, warum man die Maske trägt: um durchhalten. Jeder von uns ist täglich, alltäglich in den verschiedensten Situationen in der Gefahr, sich zu infi- andere zu schützen, nicht, weil man zuerst an sich denkt. zieren: unterwegs, im öffentlichen Raum, insbesondere Es geht zweitens darum, da anzupacken, wo im im geschlossenen Raum, wenn es gesellig wird oder Gesundheitswesen Aufholbedarf sichtbar geworden ist. Abstände nicht eingehalten werden. Gleichwohl ist es Das sehen wir einmal mehr bei der Digitalisierung und 22710 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Oktober 2020

Bundesminister Jens Spahn (A) dem Datenaustausch. Die Faxmeldung vom Labor ans Pandemie in den Laboren jeden Tag einen Riesenjob (C) Gesundheitsamt ist nicht Legende, sondern Realität machen. Das ist auch so ein Bereich, der gar nicht immer gewesen – viel zu lange, bis in diese Pandemie hinein. im Blick ist. Ohne die vielen Beschäftigten in den Labo- Wir haben es geschafft, in drei Monaten mehr an Digita- ren, die jedes Wochenende und jeden Tag Überstunden lisierung, an Datenaustausch im Gesundheitswesen zu machen, damit die Ergebnisse schnell da sind, wären wir ermöglichen, auch zwischen den Laboren und den bis jetzt nicht so gut durchgekommen. Deswegen halte Gesundheitsämtern, als es vorher wegen verschiedener ich es für ein wichtiges Zeichen, dass wir genau diesen Blockaden in zehn Jahren möglich war. Das zeigt: MTA-Beruf jetzt überarbeiten, das Schulgeld endlich Wenn man es richtig macht, ist eine solche Krise zumin- abschaffen und die Ausbildungsvergütung für diesen dest auch eine Chance, gewisse Blockaden und Türen zu Beruf einführen. überwinden. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- Darum geht es auch bei dem, was wir gesundheitspoli- ordneten der SPD) tisch weiter vorhaben. Wir wollen, dass zum 1. Januar 2021, also in drei Monaten – das ist nicht mehr so weit Das setzen wir in anderen Bereichen fort. Wir haben in hin –, endlich die elektronische Patientenakte startet. der Pflege zusätzliche Stellen geschaffen, in der Kran- Nach 15 Jahren Debatte geht es am 1. Januar endlich los. kenpflege wie in der Altenpflege, und auch was die Pflegefachkraftstellen angeht, und zwar etwa 13 000. Ja, (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und ich weiß, sie sind noch nicht alle besetzt. Aber der quali- der SPD) tative Unterschied ist: Das Geld dafür ist da. Vorher war kein Geld da. Jetzt ist das Geld da, und die Stellen können – Das ist Grund zur Freude; das stimmt. – Es geht ja bei nach und nach besetzt werden wie die 20 000 Stellen für der Digitalisierung nicht um einen Selbstzweck. Es geht Pflegeassistenzkräfte in den Pflegeeinrichtungen. Wir darum, für die Bürgerinnen und Bürger, die Patientinnen werden die Gesundheitsberufe in den nächsten Monaten und Patienten, aber auch für alle, die im Gesundheits- weiterentwickeln, den Pflegeberuf in den Inhalten und wesen tätig sind, den Alltag leichter zu machen, weil die Approbationsordnung für die Ärztinnen und Ärzte, Informationen verfügbar sind, weil sicheres Kommuni- weil wir in dieser Pandemie sehen: Gut ausgebildete zieren leichter möglich ist, weil es Unterstützung gibt. Menschen, Fachkräfte im Gesundheitswesen sind genau Diese elektronische Patientenakte wird nicht vom ersten das, was uns in dieser Krise stark macht. Tag an alles können; sie wird nicht vom ersten Tag an perfekt sein. Bei Datenschutz und Datensicherheit wird Dann geht es um die solide Finanzierung, und da sie bestmöglich sein. Und in den konkreten Anwendun- braucht es eine gut austarierte Balance, die Verantwor- gen wird sie sich natürlich Zug um Zug immer weiter tung des Einzelnen und der Familie in Balance zu bringen (B) verbessern. Aber wir müssen endlich irgendwann mit mit der Verantwortung der Gesellschaft und uns als Soli- (D) den ersten Anwendungen anfangen. Das E-Rezept, das dargemeinschaft. Wir werden deshalb in Kürze die Eck- elektronische Rezept für Arzneimittel, kommt dann im punkte für eine Pflegereform vorstellen, die genau diese Laufe des Jahres 2021 dazu. Fragen adressiert: wie wir 25 Jahre nach Einführung der Pflegeversicherung eine neue, eine richtige Balance für Wissen Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, es geht die 20er-Jahre, auch aus den Erfahrungen der letzten dabei nicht nur um Digitalisierung im Gesundheitswesen Jahre, finden zwischen der Verantwortung, auch der und um eine elektronische Patientenakte. Es geht darum, finanziellen Verantwortung, des Einzelnen und der Fami- mitzugestalten und auch mitzuprägen, darum, dass wir lien und der Gesellschaft als Solidargemeinschaft und einen eigenen Weg gehen zwischen dem Überwachungs- wie wir damit die Pflege, auch aufgrund der Erfahrungen staat chinesischer Prägung und dem Überwachungskapi- aus den letzten Monaten, fitmachen für die 20er-Jahre. talismus, den wir in den USA sehen, wo am Ende die Konzerne die Daten sammeln. Es geht hier auch um ein Aber es geht eben auch insgesamt um die Investitionen ganzes Stück europäischer Souveränität im Gesundheits- in die Zukunft im Gesundheitswesen, in unsere Zukunft, wesen, dass wir so etwas bei uns entwickeln. Deswegen in die Zukunft der 20er-Jahre. Und dabei ist mir eines ist dieses Projekt so wichtig für die 20er-Jahre und für wichtig: dass wir die Ausgaben im Bereich der Gesund- unsere Zukunft. heit nicht immer nur als „Kosten“ diskutieren. Ja, sie sind bei den Lohnnebenkosten ein wichtiger Faktor, und wir (Beifall bei der CDU/CSU) wollen sie – das ist unsere Garantie – im nächsten Jahr Es geht darum, dass wir bei den Fachkräften unseren unter 40 Prozent halten, gerade auch in dieser Wirt- Kurs fortsetzen, den wir schon in den letzten zweieinhalb schaftskrise. Aber wir haben doch gerade in dieser Krise Jahren begonnen haben, nämlich nach und nach alle erlebt, dass eine starke Wirtschaft, eine Wirtschaft, die Gesundheitsberufe in ihren Inhalten, in ihrer Ausprägung schneller wieder beginnen kann, Zug um Zug in einen und Ausgestaltung zu überarbeiten. Manche Gesund- Alltagsbetrieb zurückzukehren, nur gut gelingen kann, heitsberufe sind zum letzten Mal 1974 oder 1980 inhalt- wenn es auch ein starkes Gesundheitswesen gibt. Das lich überarbeitet worden. Seitdem ist, jedenfalls nach bedingt einander. Gesetzeslage, in der Lehre nichts weiterentwickelt wor- (Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. den – in der Praxis, im Alltag natürlich schon. Gleich- Sabine Dittmar [SPD]) wohl wollen wir diese Berufe weiterentwickeln, so wie wir es bei den PTAs für die Apotheken getan haben, so Es ist daher wichtig, die Ausgaben in den Bereichen wie wir es gerade auch bei den MTAs tun, den Medizi- Gesundheitswesen und Pflege nicht nur als Kosten zu nisch-Technischen Assistenten, die übrigens in dieser sehen, sondern als Investitionen in die Zukunft und als Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Oktober 2020 22711

Bundesminister Jens Spahn (A) eine Versicherung, als etwas, was uns auffängt und bisher nichts. Es geht hier zum Beispiel um die Zahlung (C) schützt vor Krankheit und Pflege in der persönlichen der ALG-II-Empfänger, die Leistungen aus der GKV in Krise, aber eben auch in der gesellschaftlichen Gesund- Höhe von durchschnittlich 280 Euro monatlich erhalten. heitskrise einer Pandemie. Zugleich geht es darum, solide In den Gesundheitsfonds werden aber nur circa 100 Euro Staatsfinanzen zu haben – auch das ist eine Vorausset- pro Leistungsempfänger eingezahlt. Das heißt, anstatt zung; das haben wir erlebt –, um Schocks wie eine solche diese Leistung aus dem Steueraufkommen zu bezahlen, Pandemie auszuhalten. Da die Balance zu finden zwi- müssen die GKV-Versicherten dieses größtenteils über- schen den richtigen Investitionen in die Zukunft, dem, nehmen. was auch an Ausgaben notwendig ist für ein starkes (Alexander Krauß [CDU/CSU]: Das nennt sich Gesundheitswesen, und dem, was gleichzeitig an Maß- Solidarprinzip!) halten und Wirtschaftsimpulsen wichtig ist, um solide Staatsfinanzen zu haben, darum geht es bei diesen Haus- Das halten wir für falsch. haltsberatungen. Wir wollen im Einzelplan 15 – Bundes- Krankenhausfinanzierung, Titel 636. Die Situation der ministerium für Gesundheit – unseren Beitrag dazu leis- Krankenhäuser ist Dauerthema. Dabei wird die mangeln- ten. de Finanzierung durch die Bundesländer zwar kritisiert. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Sie aber helfen mit einer Finanzspritze von 3 Milliarden Euro. Hier könnte allerdings der Verdacht aufkommen, dass – gemäß dem alten deutschen Sprichwort – Krähen Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: sich nicht gegenseitig die Augen aushacken; sprich: In Vielen Dank, Herr Minister. – Der nächste Redner ist den Landesparlamenten und Landesregierungen sitzen für die Fraktion der AfD der Kollege Detlev ja Ihre eigenen Parteifreunde; deswegen läuft es schein- Spangenberg. bar so gut. (Beifall bei der AfD – Stefan Müller [Erlangen] Private Pflegezusatzversicherung. Eigentlich müssten [CDU/CSU]: Hören wir jetzt die neuen Theo- Sie sich schämen, einen derartigen Titel überhaupt ein- rien zu Corona!) zustellen. 60 Euro im Jahr bieten Sie den Bürgern als Unterstützung für die eigene Pflegevorsorge an – Detlev Spangenberg (AfD): 60 Euro im Jahr! Bis zum Eintritt der Pflege sind Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir das circa 3 000 Euro, die Sie den Menschen als Zuschuss von der AfD sehen eine exorbitante Neuverschuldung für geben, die dieses Land als Steuerzahler erhalten haben – Deutschland und hohe Steuerausfälle, nicht durch das 3 000 Euro! Ich hatte diesen Titel schon im letzten Haus- neue Coronavirus selbst, sondern durch überzogene Maß- halt kritisiert. Dagegen kostet uns – jetzt können Sie (B) nahmen und mangelnde Abschätzung der Bundesregie- sich aufregen – ein unbegleiteter Jugendlicher circa (D) rung verursacht. 5 000 Euro monatlich. Der Skandal dabei ist, dass Eltern Steuerausfälle wirken sich genauso negativ auf das ihre Kinder in Nussschalen über das Meer schicken. Die- Gesundheitssystem aus wie auf die sonstige Wirtschaft. se gehören verurteilt, und ihnen gehört das Erziehungs- Bis über 2040 hinaus ist die zusätzliche hohe Neuver- recht entzogen. Das sage ich in aller Deutlichkeit, meine schuldung abzutragen, dies allein durch das schlechte Damen und Herren. Regierungshandeln in nur einem einzigen Jahr, meine (Beifall bei der AfD) Damen und Herren. Es ist fraglich, ob eine einmalige Fragwürdig ist auch die Aufwendung für die Ausbil- Einzahlung in 2021 zur Stabilisierung der Sozialversiche- dung im Pflegeberuf im Ausland. Wir entziehen anderen rungsbeiträge wegen Covid-19 in Höhe von 5 Milliarden Ländern Arbeitskräfte, konterkarieren damit Entwick- Euro in den Gesundheitsfonds ausreichen wird. Bei dem lungshilfe und schaffen uns zusätzlich noch kulturelle Schaden für die Wirtschaft und dem Arbeitsmarkt werden Probleme durch den Familiennachzug. solche Stabilisierungsmaßnahmen sicherlich wiederholt nötig sein. WHO und andere internationale Organisationen. Die Die Rücklagen der gesetzlichen Krankenkassen. Ihre Zahlungen an die WHO und andere internationale Orga- Festlegung, die Krankenkassen zu verpflichten, ihre nisationen steigen um fast 20 Millionen Euro auf Reserven in den Gesundheitsfonds zu überführen, stellt 139,6 Millionen Euro an. Auch die zugesagten Zuwen- eine faktische Enteignung dar, die der häufig postulierten dungen bis 2025 von 600 Millionen Euro an die Impf- Selbstverwaltung widerspricht. Es geht hier um zwei allianz GAVI sind von fragwürdigem Nutzen. Was erhält Drittel der Reserven oberhalb von 0,4 Monatsausgaben. unser Land für diesen Betrag? Ich weiß es nicht. Die Da sage ich eines: Wenn diese Rücklagen schon als zu GAVI ist der drittgrößte Geldgeber der WHO. Beide ste- hoch eingeschätzt werden, sollte dies den Versicherten hen unter dem Vorwurf, intransparent zu arbeiten, und die zugutekommen. Diese allein hätten einen Anspruch auf WHO entfernt sich mittlerweile von dem Anspruch, eine dieses Geld. unabhängige supranationale Organisation zu sein. (Beifall bei der AfD) (Sabine Dittmar [SPD]: Blödsinn!) Weiterhin: Ein wichtiges, nicht erledigtes Problem ist Sie steht inzwischen für Interessenvertretungen, auch von die seit Jahren andauernde Belastung durch die Unter- Pharmakonzernen. deckung der Leistungsausgaben der Krankenkasse für In den Beiträgen der EU wie auch der UN an die WHO Bezieher von ALG-II-Leistungen. Nach dem Koalitions- sind zusätzlich ebenfalls deutsche Beitragszahlungen vertrag sollte dies angegangen werden; geschehen ist erhalten. Ich frage Sie: Warum muss Deutschland immer 22712 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Oktober 2020

Detlev Spangenberg (A) zu den größten Beitragszahlern im internationalen Ver- (Beifall bei der SPD) (C) gleich gehören? Ich kann es nämlich nicht mehr hören, Meine Damen und Herren, was aber auch zum Aus- dass Deutschland immer dazu in der Lage ist, zu bezah- druck kam, sind die großen Defizite bei der Digitalisie- len, meine Damen und Herren. rung. 40 Prozent unserer Krankenhäuser arbeiten kaum Versicherungsfremde Leistungen. Diesen Titel dürfte digital; damit bleiben unsere Krankenhäuser weit hinter es gar nicht geben – eine Position, die ich als disponiblen dem europäischen Durchschnitt zurück. Hier müssen wir Ersatzhaushalt für Wahlgeschenke betrachte. besser werden. Deshalb war es richtig und wichtig, dass (Sabine Dittmar [SPD]: Oh Gott!) wir vor 14 Tagen das Krankenhauszukunftsgesetz verab- schiedet haben. Wir haben damit die gesetzliche Grund- Leistungen wie beispielsweise Empfängnisverhütung lage geschaffen, um im Haushalt 2021 3 Milliarden Euro und künstliche Befruchtung müssten vollständig aus für Investitionen in eine moderne digitale Krankenhaus- dem Steueraufkommen finanziert werden, nicht aber ausstattung zur Verfügung stellen zu können. von den Versicherten der GKV. Man geht hier von circa 35 Milliarden Euro per annum aus, die die gesetzlich (Beifall bei der SPD) Versicherten einseitig für die Allgemeinheit aufbringen Fakt ist, dass wir Corona bisher besser als die meisten müssen. Länder bewältigt haben – das sage ich, wie auch der Meine Damen und Herren, als Fazit kann ich nur Minister, nicht mit Stolz, sondern mit sehr viel Demut –, sagen: Ein Haushaltsplan zulasten der Versicherungsneh- weil wir schnell und entschieden gehandelt haben. Wir mer in Bezug auf ausländische Zahlungen – eine unge- sind uns aber auch einig, dass es sich hier um eine rechtfertigte Belastung der deutschen Bevölkerung. gesamtgesellschaftliche Aufgabe handelt und wir nicht allein die Beitragszahler zur Kasse bitten können. Des- Vielen Dank. halb ist es richtig, dass unser Finanzminister alles getan (Beifall bei der AfD) hat, um die Lasten der Pandemie gerecht zu verteilen. Zur Bewältigung der coronabedingten Mehrausgaben Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: sind bereits 2020 3,5 Milliarden Euro zusätzliche Bun- Für die Fraktion der SPD hat als Nächstes das Wort die desmittel an den Gesundheitsfonds geflossen. Damit Kollegin Sabine Dittmar. wurden in erster Linie Intensivbetten und Tests finanziert, aber auch die wichtigen Schutzschirme für Heilmitteler- (Beifall bei der SPD) bringer, Sozialdienste und Rehabilitationseinrichtungen. Natürlich werden wir auch prüfen, welche Maßnahmen Sabine Dittmar (SPD): und Schutzschirme verlängert oder angepasst werden (B) Sehr geehrter Herr Präsident! Kolleginnen und Kolle- müssen. Hier habe ich ganz besonders die Rehabilita- (D) gen! Werte Damen und Herren! Ich denke, der Großteil tionseinrichtungen oder Einrichtungen für Mutter-Vater- dieses Hauses ist sich einig: Die Coronapandemie hat uns Kind-Kuren im Blick. eines gezeigt: Unser Gesundheitssystem arbeitet gut, es arbeitet zuverlässig, und es arbeitet auf einem qualitativ (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten hohen Niveau. der CDU/CSU) (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Im Haushalt 2021 erreicht der Bundeszuschuss mit fast 20 Milliarden Euro eine nie dagewesene Höhe, und auch Ich möchte deshalb die Haushaltsdebatte auch dafür nut- die zusätzlichen 5 Milliarden Euro decken nach heutigem zen, um allen Beschäftigten im Gesundheitsbereich zu Kenntnisstand die pandemiebedingten Zusatzausgaben danken, egal ob sie im Krankenhaus, im ambulanten der Krankenversicherungen. Bereich, im Seniorenheim tätig sind. Danke, dass Sie für die Patientinnen und Patienten Tag für Tag mit Rat Zur Stabilisierung der Krankenversicherungsbeiträge und in erster Linie mit Tat da sind! plant nun der Minister bzw. die Bundesregierung, neben dem Bundeszuschuss auch 8 Milliarden Euro von den (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP, 20 Milliarden Euro Rücklagen der Kassen zum Einsatz der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE kommen zu lassen. Ich gebe zu: Das ist nicht schön. Ich GRÜNEN) kann den Unmut von vielen Verwaltungsräten in der Meine Damen und Herren, sicher werden wir zum gesetzlichen Krankenversicherung verstehen. Das ist ein gegebenen Zeitpunkt Resümee ziehen, was in der Krise Eingriff in die Finanzautonomie, der sehr tiefgehend ist gut funktioniert hat und wo nachgebessert werden muss. und der unter normalen Bedingungen sicher nicht zu dul- Da kristallisieren sich jetzt schon einige Tätigkeitsfelder den wäre. Aber die Alternative wäre eine Verdoppelung heraus. Ich nenne nur Schutzausrüstung und Öffentlicher der Zusatzbeiträge, und ich bin davon überzeugt, dass Gesundheitsdienst. Beides haben wir bereits angepackt. eine solche Beitragssteigerung jetzt, in der Krise, mit Den Aufbau einer nationalen Reserve an medizinischer Blick auf die notwendige konjunkturelle Erholung ein Schutzausrüstung werden wir mit 1 Milliarde Euro unter- falsches Signal wäre. stützen. Und den Öffentlichen Gesundheitsdienst als tra- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten gende Säule in der Pandemiebekämpfung werden wir mit der CDU/CSU) dem Pakt für den Öffentlichen Gesundheitsdienst mit 4 Milliarden Euro stärken. Die Gelder sollen vor allem Jetzt, Kolleginnen und Kollegen, ist Solidarität für die Personalsituation und für die IT-Ausstattung ver- gefragt. Aber die Solidarität in der gesetzlichen Kranken- wendet werden. versicherung endet – im Gegensatz zur privaten Kranken- Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Oktober 2020 22713

Sabine Dittmar (A) versicherung – eben nicht an der eigenen Haustür. Die (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten (C) gesetzlichen Krankenkassen bilden insgesamt eine leis- der LINKEN) tungsfähige Solidargemeinschaft, die sich auf 70 Millio- nen Versicherte erstreckt. Diese Solidarität fordere ich Umso wichtiger sind jetzt natürlich die Mittelbereit- auch von der PKV, von der privaten Krankenversiche- stellungen, um gegen die Krise anzukämpfen, um das rung, wenn es darum geht, die Lasten gerecht zu vertei- Coronavirus einzudämmen und um die Voraussetzungen len. zu schaffen, dieses Virus zu händeln. Das gilt auch für den Bereich der internationalen Gesundheitsversorgung (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Maria und -zusammenarbeit. Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]) (Beifall bei der FDP) Denn von den getroffenen Maßnahmen und Investitio- Sie wissen, Herr Minister, dass Sie uns da voll an Ihrer nen, seien sie nun pandemiebedingt oder Resultat unserer Seite haben. gesundheitspolitischen Gesetzgebung, profitieren alle Ich hätte von dem Kollegen der AfD heute eigentlich Bürgerinnen und Bürger. eine Entschuldigung erwartet. Sie haben in den letzten Kolleginnen und Kollegen, wir haben viele gute Geset- Haushaltsberatungen immer wieder den Antrag gestellt, ze auf den Weg gebracht, aber, sehr geehrter Herr Minis- die internationalen Mittel für die Gesundheitszusammen- ter, für die SPD sind zwei Themen noch besonders wich- arbeit, um gemeinsam Pandemien zu bekämpfen, zu imp- tig. Das ist zum einen die Reform der Notfallversorgung; fen usw., zu streichen. Was braucht es denn noch mehr als denn es ist notwendig, dass Patientinnen und Patienten eine solche Krise, damit wir diese Mittel in den Bundes- abhängig von der Schwere ihrer Erkrankung in der rich- haushalt einstellen? Schauen Sie sich doch die Bilder im tigen Versorgungsebene behandelt werden. Das Zweite Fernsehen an! Was braucht es denn noch mehr, um zu ist der Bereich der Pflege. Hier müssen Sie in dieser verstehen, dass es nötig ist, auf internationaler Basis Legislaturperiode noch liefern. Wir müssen dringend gemeinsam gegen solche Krankheiten zu kämpfen? die Eigenanteile der Bewohner der Pflegeheime begren- zen, das Angebot der Kurzzeitpflege ausweiten und die (Beifall bei der FDP, der CDU/CSU, der SPD, Leistungen in einem Entlastungsbudget zusammenfüh- der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE ren. GRÜNEN) (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Und dann stellt sich der Kollege Spangenberg heute hier- her und erzählt wieder die Geschichte, wie unnötig diese Meine Damen und Herren, Kolleginnen und Kollegen, Mittel sind und dass sie gestrichen werden müssten. Ich (B) ich denke, Corona wird die Agenda der Gesundheitspo- kann Ihnen eines sagen: Wir werden sehr genau beobach- (D) litik weiter bestimmen. Wir alle wissen nicht, was im ten, wie Sie sich in den Haushaltsberatungen verhalten. Herbst und im Winter auf uns zurollt. Die aktuellen Zah- Und wenn Sie wieder die Mittelstreichung beantragen, len, auch mit Blick auf das europäische Ausland, sind dann ist das nur ein zusätzlicher Beweis dafür, dass Sie mehr als beunruhigend. Wir müssen alles dafür tun, das kein Interesse daran haben, wie es den Menschen in die- Infektionsgeschehen unter Kontrolle zu halten. Deshalb sem Land geht. begrüße ich auch die Beschlüsse von Bund und Ländern. (Beifall bei der FDP, der CDU/CSU, der SPD, Ich sage Ihnen eines: Wir sind jetzt alle gefordert, das der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE gemeinsam Erreichte nicht zu gefährden. Deshalb: Acht- GRÜNEN – Dr. Roland Hartwig [AfD]: Das sam bleiben, Abstand halten, Mund-Nasen-Schutz tra- ist Unfug, was Sie da erzählen!) gen, die Hygieneregeln einhalten und nicht in Risikoge- biete reisen. Ich denke, das hilft. Sehr geehrter Herr Minister, in dieser Krise wird zu Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. Recht immer viel über die Helden und Heldinnen gespro- chen, die ihren Dienst verrichtet haben; aber zu diesen (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Heldinnen und Helden gehören auch die Apothekerinnen und Apotheker. Wir hätten uns, ehrlich gesagt, heute von Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: Ihnen auch ein Wort zum Thema „Insolvenz des Rezept- Vielen Dank, Frau Kollegin Dittmar. – Für die FDP- abrechners AvP“ gewünscht. Fraktion hat das Wort der Kollege Karsten Klein. (Beifall bei der FDP) (Beifall bei der FDP) 3 500 Apothekerinnen und Apotheker sind unverschuldet in eine Notlage geraten. Sicher ist es richtig, hier Auf- Karsten Klein (FDP): klärung zu betreiben und Fragen zu stellen wie: Welche Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Rolle hat die Commerzbank gespielt? Wie verhält es sich Kollegen! Sehr geehrter Herr Gesundheitsminister Jens mit den Geldern der Krankenkassen und der Treuhand- Spahn, Ihr Etat ist in diesem Jahr um 170 Prozent auf konten? Welche Rolle hat die BaFin gespielt? – Die 41,3 Milliarden Euro gesteigert worden; nächstes Jahr Staatsanwaltschaft ist schon eingeschaltet, und die sollen es 24,3 Milliarden Euro sein. In normalen Zeiten Ermittlungsbehörden ermitteln. Diese Aufklärungsarbeit, würde man sagen: ordentlicher Zuwachs. – Aber ich glau- Herr Minister, hilft aber den Apothekerinnen und Apo- be, wir würden alle gemeinsam lieber auf den Grund für thekern nicht akut. Deshalb befürworten wir in dieser diese Steigerung verzichten. akuten Phase die Forderung der Apothekerinnen und 22714 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Oktober 2020

Karsten Klein (A) Apotheker nach zinslosen Darlehen von den Förderban- Wir als Linke sind mit ihnen solidarisch. Bundesinnen- (C) ken, um unverschuldet in Not geratene Apotheker zu minister Seehofer als Verhandlungsführer des Bundes hat schützen. ja heute Morgen ein faires Angebot angekündigt. Ich hoffe, dass das kein leeres Versprechen ist. Das Angebot (Beifall bei der FDP – [CDU/ muss schnell kommen und wirklich fair sein, meine CSU]: Das ist Wirtschaftspolitik!) Damen und Herren. Sehr geehrter Herr Minister, sicher ist es sinnvoll – die Kollegin Dittmar hat es zu Recht angesprochen –, sich (Beifall bei der LINKEN) schon in der Krisenphase darüber Gedanken zu machen, In dieser Woche ist häufig betont worden, wie gut wie die Strukturen angepasst werden müssen und was Deutschland bisher durch die Krise gekommen sei. man tun muss, um in der Zukunft besser auf solche Krisen Aber wir müssen uns alle sagen: Für Selbstzufriedenheit vorbereitet zu sein. Deshalb befürworten wir im Grund- besteht kein Anlass! satz die 3 Milliarden Euro für das Krankenhauszukunfts- gesetz, die in diesem Haushalt eingestellt sind. Wir (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) begrüßen grundsätzlich auch, dass Sie Geld für Digitali- Die Coronapandemie ist immer noch ein Stresstest für sierung zur Verfügung stellen. Da herrscht ein großer unser Gesundheitssystem, für unsere Gesellschaft insge- Nachholbedarf bei den Krankenhäusern. samt. Wir haben in dieser Krise doch besonders deutlich Aber, Herr Minister, durchaus kritisch sehen wir, dass gesehen: Ein Gesundheitssystem darf nicht am Profit ori- Sie eine Förderquote von 70 Prozent ausreichen wollen; entiert sein. denn wir haben hier ein grundsätzliches Problem: Eigent- (Beifall bei der LINKEN) lich sind die Investitionsausgaben, also die Förderung von Investitionen im Krankenhausbereich, im Kranken- Erinnern wir uns: Was sich nicht rechnete, wurde per hausbau, Sache der Bundesländer. Wir haben einen Bun- Fallpauschale wegrationalisiert. Das war ein schwerer desrechnungshofbericht vorliegen, der sehr genau und Fehler. Die Fallpauschalen sind ein Irrweg, meine Damen detailliert beschreibt, welchen Verpflichtungen die Län- und Herren. der in den letzten Jahren nicht nachgekommen sind. Da klafft eine Förderlücke in Höhe von 4 Milliarden Euro (Beifall bei der LINKEN) pro Jahr – fehlende Gelder, die die Länder nicht zur Ver- Pflegerinnen und Pfleger berichten uns, wie ange- fügung stellen. Darüber müssen wir gemeinsam in der spannt die Situation für sie ist. Ich zitiere aus einem schönen Bundesrepublik reden. Interview mit Anja Voigt, einer Krankenpflegerin auf Wenn die Ministerpräsidenten in dieser Krise zu Recht einer Intensivstation. Sie sagt: (B) (D) von den Bürgerinnen und Bürgern eine Verantwortung Ich habe das Gefühl, wir arbeiten seit April in einem einfordern, dann, finde ich, sollten auch Sie Ihre Verant- Dauer-Hamsterrad. … ich habe das Gefühl, es ist wortung wahrnehmen. Und das bedeutet, die Kranken- wie am Anfang der Krise. hausfinanzierung im Investitionsbereich auskömmlich und ausreichend auszustatten. Darüber müssen wir in Ich finde, wir sind es diesen Menschen im Gesund- den nächsten Monaten intensiv diskutieren. heitssystem schuldig, dass wir ihre Situation verbessern, und zwar deutlich, entschieden und im Ergebnis mit einer Die FDP-Fraktion ist der Meinung, dass wir dazu eine besseren Bezahlung, meine Damen und Herren. Reform auf den Weg bringen müssen. Wir haben zu die- sem Thema auch schon Anträge eingebracht. Ich setze (Beifall bei der LINKEN) darauf, Herr Minister, dass Sie unseren Anträgen in In der Krise, Herr Spahn, versuchen Sie nun, Fehler dem Bereich zustimmen, damit wir gemeinsam die mit marktwirtschaftlichen Mitteln zu beheben. Das bes- Gesundheitsstrukturen vor Ort verbessern können. te – oder vielmehr: schlechteste – Beispiel: Die Beschaf- Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. fung von Schutzausrüstung im sogenannten Open- House-Verfahren hat zu erheblichen Turbulenzen (Beifall bei der FDP) geführt. Beim Landgericht Bonn sind fast 50 Klagen auf Bezahlung der Ware anhängig. Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: Auch vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf ist ein Vielen Dank, Kollege Klein. – Einmal kurz das Red- Streit darüber anhängig, ob es bei der Direktvergabe der nerpult desinfiziert, und schon kommt die nächste Red- Vertragsabwicklung an Ernst & Young – Volumen nerin: für die Fraktion Die Linke die Kollegin Dr. Gesine immerhin 9,5 Millionen Euro – mit rechten Dingen zuge- Lötzsch. gangen ist. Ernst & Young und die anderen Wirtschafts- (Beifall bei der LINKEN) prüfergesellschaften haben gigantische Honorare von der Bundesregierung bekommen und dann, in der Praxis, jämmerlich versagt. Die vier großen Wirtschaftsprü- Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE): fungsgesellschaften haben in den vergangenen fünf Jah- Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine sehr geehrten ren allein vom Bund Aufträge in Höhe von 400 Millionen Damen und Herren! Die Beschäftigten des öffentlichen Euro erhalten. Herr Spahn, ich sage Ihnen: Sie sollten Dienstes, darunter viele im Gesundheitsbereich, kämpfen mehr Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Ihrem für eine bessere Bezahlung, und das zu Recht. Ministerium vertrauen als windigen Unternehmensbera- (Beifall bei der LINKEN) tern. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Oktober 2020 22715

Dr. Gesine Lötzsch (A) (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Jörg Vizepräsidentin Petra Pau: (C) Schneider [AfD]) Die nächste Rednerin ist Anja Hajduk für die Fraktion Und: Weitsicht ist immer besser als Hektik. Hektik Bündnis 90/Die Grünen. wird immer teuer. Das haben wir jetzt gesehen. Erinnern (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) wir uns: Seit 2012, also seit acht Jahren, liegt dem Bun- destag eine Risikoanalyse des Robert-Koch-Instituts Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): „Pandemie durch Virus Modi-SARS“ vor. Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Her- (Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) ren! Sehr geehrter Herr Minister! In der Tat, unser Gesundheitssystem ist sehr beansprucht worden. Man Seit 2005 gab es einen Pandemieplan für die Bundesre- kann es auch einfach so sagen: Unser Gesundheitssystem publik. In der DDR – wir reden ja jetzt so viel über hat sehr viel geleistet in den letzten Monaten. Das hat viel deutsche Einheit – Anerkennung und viel Dankbarkeit gefunden. Diese (Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Das Dankbarkeit, glaube ich, teilen wir alle hier, vor allem fällt Ihnen nicht schwer!) gegenüber den Beschäftigten. gab es den schon seit 1970, und zwar als Konsequenz aus (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, einer Grippewelle im Jahr 1968. Im Jahr 1973 wurde das bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und der Institut für Angewandte Virologie in Berlin-Schöneweide LINKEN) gegründet, und in der Wendezeit hatte man nichts Besse- Aber wenn das so ist, dann müssen wir uns ja auch fra- res zu tun, als es zu schließen. Welche Arroganz, welch gen: Was folgt daraus für die Politik? Auch in der Ver- kurzsichtiges Verhalten! Wir hätten es jetzt gut waltung ist sehr viel gearbeitet und Wichtiges geleistet gebraucht, meine Damen und Herren. worden. Aber was folgt daraus für die Politik, die wir den Rahmen zu gestalten haben? (Beifall bei der LINKEN) Herr Minister, Sie haben von finanzieller Solidität Mit vielen Vorschusslorbeeren wurde ja die Corona- gesprochen. Jedoch müssen wir feststellen, dass die App eingeführt. Ich habe sie mir auch heruntergeladen, gesetzliche Krankenversicherung – ich komme auch Herr App – – noch auf den Haushalt zu sprechen – ein finanzielles (Heiterkeit) Defizit historischen Ausmaßes aufweist. Wenn die gesetzliche Krankenversicherung ein Defizit von Entschuldigung, Herr Spahn. Der „Stern“ hat in den geschätzt mehr als 16 Milliarden Euro hat, dann heißt (B) Gesundheitsämtern des Landes nachgefragt. Der Leiter das: Dieser Rahmen ist überhaupt nicht gut gesetzt. Das (D) des Gesundheitsamtes in Reinickendorf sagte ein Viertel- ist das Gegenteil von Solidität. jahr nach Einführung der App – ich zitiere –: (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Die App spielt nicht die leiseste Rolle hinsichtlich der Eindämmung, Aufklärung oder Erhellung des Dieses Defizit kann im Übrigen nicht nur auf Corona Infektionsgeschehens. Für uns als Gesundheitsamt geschoben werden. Es gibt Abschätzungen, dass es auch ist sie, um es deutlich zu sagen: vollkommen über- ohne die Coronapandemie ein Defizit von immerhin flüssig. 5,5 Milliarden Euro in der gesetzlichen Krankenversiche- rung geben würde. Wir haben es mit einem strukturellen Wir fordern: Der öffentliche Gesundheitsdienst muss Defizit zu tun, und ich muss leider auch noch sagen: mit deutlich gestärkt werden! Das muss doch die Lehre sein, einem wachsenden strukturellen Defizit. Das ist eigent- meine Damen und Herren. lich eine Handlungsaufforderung an Sie, Herr Spahn. (Beifall bei der LINKEN) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Aber, Herr Spahn – jetzt kommt ein Lob –, Sie sind Diese Lücke ist auch entstanden durch Gesetze, die Sie auch lernfähig. Unsere Forderung nach einem Investi- veranlasst haben. Ich darf da das Terminservice- und Ver- tionsprogramm für Krankenhäuser, die wir schon seit sorgungsgesetz nennen. Sicherlich mit guten Zielen, aber zehn Jahren in diesem Haus stellen, haben Sie nun end- das verursacht Kosten in Höhe von über 3 Milliarden lich übernommen. Das ist gut so, und so sollten Sie auch Euro; wir haben das kritisiert. Deswegen muss klar weitermachen. Übernehmen Sie die Vorschläge der Lin- sein: Wir haben wachsende Finanzierungslücken in der ken; das kann nur gut sein. gesetzlichen Krankenversicherung, die die Politik mitver- ursacht hat. (Beifall bei der LINKEN – Zurufe von der CDU/CSU: Oh!) (Alexander Krauß [CDU/CSU]: Also, Sie sind dafür, dass die Ergotherapeuten weniger Geld Meine Damen und Herren, wir wollen vor der Bundes- kriegen? Oder was ist Ihr Rezept? Sollen die tagswahl wissen, wer die Rechnung bezahlen soll. Leistungserbringer weniger Geld bekommen?) Zusatzbeiträge der Krankenkassen halten wir übrigens für eine ganz schlechte Idee. Wir fordern eine Vermö- Ich möchte, dass wir über diese Situation offen reden. gensabgabe für Milliardäre und Millionäre. Es ist Zeit Sie können sich dem nicht entziehen, dass Sie mit Ihrer für mehr Gerechtigkeit! Politik eine unverantwortliche Situation hinterlassen, auch für die Menschen, die in dem Bereich arbeiten, (Beifall bei der LINKEN) und für die Menschen in unserer Gesellschaft, 22716 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Oktober 2020

Anja Hajduk (A) (Alexander Krauß [CDU/CSU]: Was ist Ihr In den Haushalten 2022, 2023 und 2024 sind die Kos- (C) Vorschlag?) ten mit 16 Milliarden Euro angesetzt; das sind noch mal die erwarten, dass die gesetzliche Krankenversicherung 8 Milliarden Euro weniger als im Haushalt 2021. Wir und der Gesundheitsbereich auf soliden Beinen stehen. haben es in der Finanzplanung also mit einer massiven Unterfinanzierung zu tun, und ich spreche das hier heute (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) an, weil ich finde, dass über diese Unterfinanzierung jetzt Sie haben keine Antworten dafür. Das ist das Problem. geredet werden muss. Das kann man nicht auf die Zeit nach dem Wahltag verschieben. Als es jetzt darum ging: „Wie füllen wir diese 16- Milliarden-Euro-Lücke?“, da haben Sie entschieden – (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) da gehen wir mit – – Dasselbe Problem haben wir tatsächlich auch im Kran- (Alexander Krauß [CDU/CSU]: Was ist denn kenhausbereich; der Kollege Klein hat das angesprochen. Ihr Vorschlag? Sie kritisieren nur und haben Auch dort stehen Reformen an, bei denen es sicherlich keinen einzigen Vorschlag! – Gegenruf der um eine Austarierung der Aufgabenverteilung zwischen Abg. Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE Bund und Ländern gehen muss. Der Bundesrechnungs- GRÜNEN]: Einfach zuhören!) hof hat das angemahnt. – Hören Sie doch mal zu. Können Sie den Herrn mal um Ich will gerne zum Schluss kommen, Frau Präsidentin; Ruhe bitten? aber die Geräuschkulisse hat mich jetzt ein bisschen Kon- (Alexander Krauß [CDU/CSU]: Das ist eine zentration gekostet. Diskussionsrunde!) Vizepräsidentin Petra Pau: Ich möchte hier gerne mal in Ruhe sprechen. Deswegen habe ich Ihnen ja eine halbe Minute drauf- (Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Zwi- gegeben. schenrufe gehören dazu!) (Zurufe: Oh!) – Ich gebe doch gerade eine Antwort.

(Alexander Krauß [CDU/CSU]: Was ist Ihr Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Programm? – Gegenruf der Abg. Dr. Kirsten Das ist nett. – Ich komme trotzdem gleich zum Schluss. Kappert-Gonther [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Zuhören hilft!) Zumindest müsste man sich jetzt darauf vorbereiten und Gespräche darüber führen: Wie soll in Zukunft bei (B) Wir nehmen 8 Milliarden Euro aus den Rücklagen der der Krankenhausfinanzierung die Aufgabenverteilung (D) gesetzlichen Krankenversicherung. – Das schlagen Sie zwischen Bund und Ländern erfolgen? Man muss die vor, das finden wir vertretbar. Dann schlagen Sie aber Krankenhäuser und das Gesundheitssystem, das mit der vor, dass zusätzliche 3 Milliarden Euro durch Zusatzbei- Pandemie zu kämpfen hat, damit jetzt nicht unmittelbar träge zu erwirtschaften sind. Damit würden wir in der belasten. Aber politisch müssen diese Reformen benannt Schieflage landen, dass von den 16 Milliarden Euro und vorbereitet werden, damit wir ohne Lücke auch ab 11 Milliarden durch die Beitragszahlerinnen und Bei- dem Jahr 2022 eine gute Gesundheitspolitik haben. tragszahler geleistet werden, und das finden wir falsch. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) sowie der Abg. Sabine Dittmar [SPD]) Wir hätten uns in diesem Jahr einen höheren Beitrag aus dem Bundeshaushalt geleistet. Anscheinend sind Sie Vizepräsidentin Petra Pau: ja dagegen. Ich wollte zur Entlastung von Herrn Spahn noch sagen: Das ist auch die Verantwortung des Bundes- Kollegin. finanzministers. Ich hätte eine andere Balance richtig gefunden. Vielleicht müssen Sie mit den Kollegen in Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ihrer Fraktion noch mal ein aufklärendes Gespräch füh- Ich will noch einmal sagen: Die Finanzierung der ren. Gesundheitsversorgung steht auf kippeligen Beinen, (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und das steht im krassen Widerspruch zu der positiven Erwartung, die die Menschen an dieses System haben. Das Problem ist, dass sich diese geschätzte Lücke von Sie als Regierung tragen die Verantwortung dafür, das 16 Milliarden Euro im kommenden Jahr leider strukturell zu lösen. auch in der Finanzplanung niederschlägt. Herr Spahn, das ist natürlich ein ganz schöner Batzen. Wenn wir dann Schönen Dank. sehen, dass gemäß Finanzplan schon ab 2022 die Aus- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) gaben im Haushalt wieder auf – – (Unruhe im Präsidium) Vizepräsidentin Petra Pau: – Geht das ein bisschen leiser, wenn man hier debattiert? – Das Wort hat die Kollegin Karin Maag für die CDU/ Danke schön. CSU-Fraktion. (Alexander Krauß [CDU/CSU]: Sollen wir alle (Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. rausgehen?) Sabine Dittmar [SPD]) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Oktober 2020 22717

(A) Karin Maag (CDU/CSU): täne. Das erfordert die Nachverfolgung der Ansteckungs- (C) Frau Präsidentin! Herr Minister! Liebe Kolleginnen wege und die Überprüfung der Quarantäne. Das verur- und Kollegen! Ich will mal so anfangen: Corona drängt sacht hohe Personal- und Sachkosten. ja wieder dramatisch in unseren Alltag zurück. Seit Ende Mit dem Pakt für den ÖGD, der bis 2026 mit 4 Milliar- Juli steigen die Infektionszahlen wieder, und neue Ein- den Euro unterlegt wird, ermöglichen wir es den Ländern schränkungen sind notwendig. Allerdings – und das ist erneut, in einem weiteren ihrer ureigensten Verantwor- jetzt etwas, was wir unter dem Stichwort „Lessons lear- tungsbereiche, nämlich den Gesundheitsämtern, moderne ned“ ablegen können – können wir heute auf bereits Strukturen und adäquat bezahlte Arbeitsplätze zu schaf- Erlerntes aus der Krisenzeit zurückgreifen und deswegen fen. Auch das kommt unserer Bevölkerung sofort und schneller, passgenauer und zielgerichteter reagieren. In primär zugute. diesem Spannungsbogen bewegt sich auch der Haushalt im Einzelplan 15. Wie jedes Jahr, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist das dominierende Element natürlich der Steuerzuschuss. Im Die Digitalisierung hat durch Corona einen Schub nächsten Jahr werden nicht nur erhebliche konjunktur- erfahren und hohe Akzeptanz in der Bevölkerung gene- bedingte Mindereinnahmen, sondern vor allem auch pan- riert. Es gibt zum Beispiel 25 000 Arztpraxen, die Video- demiebedingte Mehrausgaben unsere gesetzlichen Kran- sprechstunden anbieten. 18 Millionen Menschen haben kenversicherungen belasten. Um den durchschnittlichen die Corona-Warn-App heruntergeladen. Wir haben ein Zusatzbeitrag für die Versicherten möglichst stabil zu DIVI-Register, das Auskunft über Intensivbetten in halten – das ist der Grund –, bedarf es natürlich unter- Deutschland gibt – wahrlich ein krisentaugliches Instru- stützender Maßnahmen. Genau deswegen wird der Bun- ment. Die Krise hat aber genauso offengelegt, dass wir im deszuschuss um 5 Milliarden Euro erhöht. gesamten Gesundheitswesen, gerade bei der Digitalisie- rung, dranbleiben und zügig weiter ausbauen müssen. Das reicht noch nicht. Weitere 8 Milliarden Euro wer- den 2021 nach einem kassenübergreifenden Solidar- Jetzt bin ich bei den Krankenhäusern, die hier schon ausgleich zur Verfügung stehen. Dazu ist mit dem Ge- mehrfach Thema waren. Wir haben mit dem Kranken- sundheitsversorgungs- und Pflegeverbesserungsgesetz hauszukunftsgesetz eine moderne Dokumentation, High- geplant, die Finanzreserven der einzelnen Kranken- techmedizin, Robotik, Cybersicherheit und auch moder- kassen, die 0,4 Monatsausgaben übersteigen, wieder ne Notfallstrukturen adressiert. 3 Milliarden Euro stellen anteilig an den Gesundheitsfonds zurückzuführen, Herr wir den Ländern zur Verfügung. Weiteres Zuwarten, Frau Spangenberg. Damit stehen sie für die notwendige Ver- Hajduk, Herr Klein, wäre absurd. Wir führen diese Dis- sorgung der Patienten zur Verfügung. kussion, seit ich im Bundestag bin, also seit rund elf Jahren; andere führen sie noch länger. Wenn wir darauf Mit den Mehreinnahmen von 13 Milliarden Euro kann (B) (D) warten, dass die Länder das Geld investieren, dann lassen der durchschnittliche Zusatzbeitrag auf 1,3 Prozent stabi- wir unsere Patienten im Stich, und wir machen das nicht. lisiert werden. Damit halten wir die Sozialgarantie, also unser Versprechen an unsere Bürger, ein, dass die Sozial- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- versicherungsbeiträge weiterhin unter 40 Prozent blei- ordneten der SPD) ben. Übrigens – auch das haben wir gelernt – sollte es künf- Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Robert-Koch- tig bei den Krankenhäusern eine klare Abgrenzung und Institut, das Paul-Ehrlich-Institut und das Bundesinstitut Zuschreibung des unterschiedlichen Versorgungsniveaus für Arzneimittel und Medizinprodukte haben uns fach- geben. Wir brauchen ein gestuftes Versorgungssystem kundig durch die Krise begleitet. Wir werden sie perso- und darauf aufbauend ein Fallpauschalensystem, das nell verstärken, um nicht nur, aber auch weitere corona- unter den genannten Bedingungen dann auch Vorhalte- bedingte Aufgaben dort andocken zu können. kosten berücksichtigen kann. (Beifall bei der CDU/CSU) (Harald Weinberg [DIE LINKE]: Das möchte ich sehen!) Für Projekte und Maßnahmen zur Verbesserung der Krisenreaktionsfähigkeit des deutschen Gesundheitswe- – Wir werden es liefern. sens sind erstmals Programmmittel in Höhe von 10 Mil- lionen Euro eingestellt. Mindestens genauso wichtig, Die Krise hat auch gezeigt, wie wichtig der Datenaus- lieber Herr Spangenberg, ist das internationale Gesund- tausch in der Forschung ist. Digitalisierung und Innova- tion sind deshalb auch zu Recht eigene Schwerpunkte im heitsmanagement, das wir verbessern müssen. Der Virus macht doch nicht an der Grenze halt; das wissen Sie. Haushalt des BMG. Sie bilden sich in Titeln ab, die die Finanzierung von Maßnahmen zur Erprobung von (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- Anwendungen großer Datenmengen erlauben. Es geht neten der SPD, der FDP und des BÜNDNIS- um den Aufbau und Betrieb von Datenkompetenzzentren SES 90/DIE GRÜNEN) und um Modellprojekte zur telemedizinisch integrierten Die Mittel im Kapitel „Internationales Gesundheitswe- Versorgung. sen“ wachsen um 14 Millionen Euro auf, und wir haben Liebe Kolleginnen und Kollegen, Freizeitgestaltung die Maßnahmen zur Pandemieprävention bei der WHO und private Feiern haben sich zuletzt als maßgebliche und anderen internationalen Einrichtungen finanziell ver- Ursachen für regionale Infektions-Hotspots erwiesen. stärkt. Wir werden uns um die Bezahlung der Impfstoffe Ich nenne Bielefeld: Nach einer einzigen Feier sind 950 kümmern, wenn sie denn zur Verfügung stehen; dazu Menschen, hauptsächlich Schüler und Lehrer, in Quaran- notwendige Mittel sind auch im Einzelplan 60 eingestellt. 22718 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Oktober 2020

Karin Maag (A) Ich will zusammenfassen: Corona heißt für uns nicht Es ist deshalb völlig unsinnig, einen großen Teil unserer (C) Stillstand, Corona ist uns Ansporn. Deswegen freuen wir Bevölkerung glauben zu machen, ja diesen Irrglauben uns auf die weiteren Beratungen. durch Medien sogar zu verstärken, dass es ausschließlich Herzlichen Dank. den Lockdown-Maßnahmen der Regierung zu verdanken sei, dass in Deutschland nur knapp circa 9 300 Covid-19- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- Todesfälle zu beklagen sind. ordneten der SPD) (Ulli Nissen [SPD]: Schämen Sie sich! „Nur 9 300 Tote“!) Vizepräsidentin Petra Pau: Andere Erklärungen wie zum Beispiel die Qualität Das Wort hat die Abgeordnete Dr. Birgit Malsack- unseres Gesundheitssystems oder neuere Forschungen Winkemann für die AfD-Fraktion. über die Gefährlichkeit des Virus werden dagegen kaum (Beifall bei der AfD) diskutiert. (Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE Dr. Birgit Malsack-Winkemann (AfD): GRÜNEN]: Was?) Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Abgeordnete! Wir stehen vor einem riesigen Scherbenhaufen, Dabei zeigen gerade neue Studien, dass der Anteil der Todesfälle an allen Coronainfektionen in einem Bereich (Ulli Nissen [SPD]: Ja, die AfD!) von 0,1 bis 0,4 Prozent liegt, also in dem Bereich einer und das, weil unsere Gesundheitspolitik von einem normalen Grippe. Minister wie Herrn Spahn geführt wird; Bei diesen Studien stellte sich zudem heraus, dass die (Alexander Krauß [CDU/CSU]: Ich dachte, Sie Zahl der Infizierten viel größer ist als die Zahl der positiv haben Ihre Fraktion gemeint!) Getesteten mit Krankheitssymptomen. Und das ist auch logisch; denn Coronaviren gibt es in Deutschland seit denn es ist genau dieser Minister, der in erster Linie dafür mehreren Jahrzehnten. Es handelt sich mitnichten um verantwortlich ist, dass wegen einer Falschbeurteilung ein neuartiges Virus, wie gerne erzählt wird. Im Gegen- der Coronasituation astronomische Fehlausgaben ent- teil: Das Immunsystem vieler Menschen ist durch frühere standen sind, die zu drohender Insolvenz vieler Bürger Kontakte führen. (Sabine Dittmar [SPD]: Sie haben keine (Beifall bei Abgeordneten der AfD) Ahnung! – Zuruf des Abg. Harald Weinberg Denn sowohl Herr Spahn als auch Frau Dr. Merkel haben [DIE LINKE]) (B) (D) sich bei ihren Coronamaßnahmen statt auf ein breit auf- mit Viren aus der Coronagruppe – so auch bei der saison- gestelltes Expertengremium auf den Rat zu weniger alen Grippe, der häufig Coronaviren angehören – ver- Fachleute verlassen. traut. (Zuruf der Abg. Maria Klein-Schmeink Und bewiesen wird das durch die Praxis. Wo ist die [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Krankheitswelle, nachdem an der Demonstration am Es kann nicht häufig genug wiederholt werden: Nach 1. August Tausende ohne Abstand und ohne Masken teil- den Statistiken des RKI war bereits in der zweiten März- genommen haben? Genauso spurlos sind die zuvor hälfte der Höhepunkt der Coronakrise überschritten und erfolgten Massendemonstrationen geblieben. Und logi- der Reproduktionswert unter 1 gefallen – wohlgemerkt in scherweise steckt die deutsche Wirtschaft heute, und der zweiten Märzhälfte, noch vor dem Lockdown, also zwar aufgrund des fehlerhaft vorgenommenen Lock- zur Zeit eines völlig normalen Lebens ohne Masken und downs, der nahezu alle wesentlichen Bereiche der deut- Abstandsregeln. schen Wirtschaft zum Erliegen gebracht hat, (Beifall bei der AfD – Karin Maag [CDU/ (Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- CSU]: Sie werden es nie begreifen!) NEN]: Unfug! Die meisten haben weiter- gearbeitet!) Ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt, als quasi die Epikrise bereits vorbei war, verhängte die Regierung plötzlich und in der schwersten Wirtschaftskrise der Nachkriegszeit. überraschend einen beispiellosen Lockdown über (Beifall bei der AfD) Deutschland – völlig absurd! Aber als wenn das alles nicht genug wäre, möchte die Das Narrativ, das durch die meisten Medien und leider Regierung die sogenannte Pandemie erst für beendet auch von dieser Regierung immer wieder vermittelt wird, erklären, wenn ein Impfstoff für die Bevölkerung verfüg- dass nämlich drastische Maßnahmen wie die Schließung bar ist – völlig absurd! von Kitas und Schulen (Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE (Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) GRÜNEN]: Wo leben Sie denn? Auf dem oder das zeitweilige Schließen der Gastronomie die Mars?) Coronapandemie eindämmen und eine sogenannte zweite Wer verdient an diesem gigantischen Geschäft? An erster Welle verhindern könnten, ist daher in den Bereich der Stelle der Impfstoffentwickler CureVac, den der Steuer- Märchen und Fabeln zu verweisen. zahler mit 300 Millionen beglückt. Dazu kommt ein wei- (Beifall bei der AfD) terer Ankauf von bis zu 400 Millionen Impfdosen von Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Oktober 2020 22719

Dr. Birgit Malsack-Winkemann (A) AstraZeneca – für einen Impfstoff, dessen Entwicklung Vizepräsidentin Petra Pau: (C) und Testung zur Zeit des Ankaufs noch nicht abgeschlos- Für die SPD hat nun die Kollegin Sonja Amalie Steffen sen war. das Wort. (Zuruf der Abg. Kordula Schulz-Asche (Beifall bei der SPD) [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Zwischenzeitlich wurde die Weiterentwicklung wegen Sonja Amalie Steffen (SPD): Sicherheitsbedenken gestoppt. Es ist also unsicher, ob Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegin- dieser Impfstoff ohne Nebenwirkungen einsetzbar, und nen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Minister! Frau zudem, ob er aufgrund einer etwaigen Mutation des Virus Malsack-Winkemann, als wir Ihrer Rede zuhören muss- wirksam ist. ten, dachte man tatsächlich an Märchen und Fabeln. Aber (Zuruf der Abg. Kordula Schulz-Asche ich habe, ehrlich gesagt, mehr an so eine völlig verstrahlte [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) böse Hexe denken müssen, Wir wissen jedoch schon, dass Coronaviren zu den (Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der schnell mutierenden Virusstämmen gehören. SPD) (Dr. Georg Nüßlein [CDU/CSU]: Das macht es als ich Sie hier vorne stehen sah. nicht besser! – Zuruf der Abg. Sabine Dittmar [SPD]) (Stephan Brandner [AfD]: Das ist sexistisch, was Sie da von sich geben! Blanker Sexis- In bester sozialistischer Manier werden also Impfstoff- mus! – Weiterer Zuruf von der AfD: Indivi- entwickler mit Steuergeldern unterstützt, um dann duelle Beleidigung!) Gewinne – allein die erste Impfwelle verspricht 20 Mil- liarden Dollar Umsatz – privat einzustreichen, und das für Und wissen Sie was? Was wir uns hier aus Ihrer Ecke einen Virus, dessen Gefährlichkeit nach heutigem Wis- anhören müssen, ist einfach wirklich asozial. Wir wissen sensstand weit geringer ist, als zunächst angenommen. alle hier in diesem Haus, dass wir bereits über 1 Million Todesopfer durch Corona haben. Und wir wissen alle, Diese Regierung baute im Zusammenhang mit den dass es sehr, sehr viele Erkrankte gibt, die unter den Spät- meisten Medien folgen immer noch sehr leiden. Vielleicht geht dieses (Marianne Schieder [SPD]: Sie haben doch Bild ja in Ihren Kopf: Gerade letzte Woche hat mir ein keine Ahnung, und davon ziemlich viel!) Freund erzählt, dass sein Bekannter aus dem Sportverein im Alter von 53 Jahren an Corona gestorben ist. ein riesiges Angstszenario auf und hält dieses auch heute, (B) (D) obwohl sie es besser wissen müsste, aufrecht. Sie hat sich (Zuruf von der AfD: Kinder auch!) auf den Rat nur weniger Fachleute verlassen – Professor Drosten droht wegen dem PCR-Test übrigens ein Mega- Es handelt sich hier nicht um ein Märchen oder um eine prozess in den USA, da bis zu 90 Prozent der PCR-Tests Fabel, sondern um eine wirklich bedrohliche Krankheit. falsch positiv sein könnten. Sie hätte ein breit aufgestell- Ihr Verhalten hier im Bundestag ist übrigens auch in tes Expertengremium zurate ziehen müssen, das die Krise höchstem Maße asozial, mit Gelassenheit und Augenmaß und vor allem ohne eigene Interessenkonflikte meistert. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der (Zuruf der Abg. Kordula Schulz-Asche CDU/CSU) [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) wenn ich das hier nach Ihrer Rede gerade mal sagen darf. Die dadurch verursachten Kollateralschäden nicht nur für die Gesundheit, (Stephan Brandner [AfD]: Da gibt es keinen Ordnungsruf wegen „Hexe“, „asozial“! Da (Marianne Schieder [SPD]: Eijeijei!) liegt die Schwelle aber sehr hoch heute!) sondern auch für Gesellschaft, Kultur, Bildung und Wirt- schaft sind allein dieser Regierung, insbesondere Frau Gerade heute Morgen: Ich will in den Fahrstuhl, und dort Dr. Merkel und Herrn Spahn, zuzurechnen, auch wenn stehen sechs Kollegen von der AfD, und alle ohne Mas- diese das mit allen Mitteln zu verschleiern suchen. ken. Sie quetschen sich da rein, tragen alle keine Masken. Sie gehen in die Kantine, Sie tragen keine Masken. Sie (Zuruf der Abg. Ulli Nissen [SPD]) laufen über den Flur, Sie tragen keine Masken. Und wis- Nein, Herr Spahn und Frau Dr. Merkel, wirkliche Sorge sen Sie was? Wir alle hier machen uns totale Sorgen, um die Gesundheit und das Wohl der Bevölkerung sieht wenn wir morgen wieder in den Wahlkreis fahren. anders aus. (Stephan Brandner [AfD]: Bleiben Sie doch Danke schön. hier!) (Beifall bei der AfD – Marianne Schieder Wir kommen hier zusammen – 709 Abgeordnete aus der [SPD]: Eijeijei! – Dr. Georg Nüßlein [CDU/ ganzen Republik –, wir fahren am Wochenende wieder CSU]: Lesen Sie es noch mal langsam vor, da- zurück. Natürlich sind wir Risikoträger, und wir achten mit alle verstehen, was Sie meinen! – Kerstin total darauf. Und Sie laufen hier rum, als ob überhaupt Kassner [DIE LINKE]: Verantwortungslos Ihre nichts wäre. Das ist einfach in höchstem Maße asozial – Rede! Wirklich!) in höchstem Maße! 22720 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Oktober 2020

Sonja Amalie Steffen (A) (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP jetzige Entwurf für 2021 sieht 24,3 Milliarden Euro vor. (C) und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie Davon geht jetzt auch wieder viel in den Gesundheits- bei Abgeordneten der LINKEN) fonds. Zusätzlich hat der Bund rund 5 Milliarden Euro Aber wissen Sie was? Das passt extrem zu Ihrer Strate- an den Gesundheitsfonds zurücküberwiesen, das haben gie, weil – wir haben das ja diese Woche erfahren – Sie wir vorhin schon gehört. Auch das ist richtig. wollen, dass es möglichst vielen Menschen schlecht geht. Herr Minister, wir vertrauen Ihrem Haus. Wir glauben, Das hat uns ja Ihr geschasster Pressesprecher verraten. dass Sie auch im Jahr 2021 einen so guten Job machen (Stephan Brandner [AfD]: Sie sorgen dafür, werden, wie Sie ihn in der Vergangenheit gemacht haben. dass es diesen Menschen schlecht geht! Das Wir vertrauen darauf, dass Sie weiter verantwortungsvoll ist ein riesengroßer Unterschied! Reden Sie handeln. zum Haushalt!) (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Und das machen Sie alles für ein paar Wählerstimmen. CDU/CSU) Sie riskieren das Leben von Menschen. Ich finde, das ist Aber wir wissen, die aktuelle Situation ist immer noch wirklich so unanständig – dazu fällt mir nichts mehr ein. volatil. Heute Morgen ging, glaube ich, durch die Presse, (Beifall bei Abgeordneten der SPD) dass überlegt wird, Coronatests für alle Haushalte zu ent- Und noch eines, Frau Malsack-Winkemann – Sie wickeln. Wir hoffen, dass so schnell wie möglich Fort- haben das ja vorhin selber gesagt –: Es gibt tatsächlich schritte bei der Impfstoffsuche erzielt werden. Vielleicht tolle Bilder von Ihnen, wo Sie ganz vorne bei der tut sich ja sogar noch bis Dezember 2020 etwas, bis wir Demonstration dabei sind, mit Rechtsextremen, mit Ver- dann den Etat hier verabschieden werden. schwörungstheoretikern, Einige Dinge in dem Entwurf gefallen uns Parlamen- (Stephan Brandner [AfD]: Mit Sozialdemo- tariern und Parlamentarierinnen noch nicht so gut. Die kraten!) SPD-Fraktion findet, dass wir noch mehr für die gesund- heitliche Aufklärung der Bevölkerung tun sollten, und mit rechtsextremen Verschwörungstheoretikern, mit wem zwar für die fachlich versierte Aufklärung der Bevölke- auch immer, und natürlich ohne Maske und natürlich rung. Wir wissen – ich habe mich gefreut, Herr Klein, ohne Abstand und natürlich ohne Anstand; denn den dass Sie das vorhin schon gesagt haben; ich glaube, haben Sie wirklich nicht mehr. Frau Hajduk hat es auch schon erwähnt; wahrscheinlich (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem haben es alle bis auf rechts außen hier im Haus ange- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abge- sprochen –: Wir müssen die internationale Gesundheit (B) ordneten der FDP und der Abg. Dr. Gesine stärken, weil wir den Virus nur global besiegen können. (D) Lötzsch [DIE LINKE]) Deshalb werden wir – da rede ich ausdrücklich für die SPD-Fraktion – uns sehr intensiv dafür einsetzen, die Ich will aber schon noch ein bisschen zum Haushalt Beiträge für die WHO deutlich zu steigern. Wir wollen reden. hier kein Klein-Klein. Wir müssen hier mit einer Bazoo- (Stephan Brandner [AfD]: Ach was!) ka – um mit unserem Finanzminister zu sprechen – gegen Wir reden heute über die Einbringung des Gesundheits- diesen Virus vorgehen. etats. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) (Stephan Brandner [AfD]: Ihre Redezeit ist Wir dürfen dabei aber auch nicht vergessen, dass die um! Sie haben zu viel gehext!) anderen Krankheiten im Jahr 2020 oft zu sehr in den Und wir haben in der letzten Woche, in den letzten Tagen Hintergrund geraten sind. Diese Krankheiten haben kein schon oft gehört, dass diese Haushaltsverhandlungen tat- Sabbatical genommen, ganz im Gegenteil: Es gibt sie sächlich ganz anders sind als die vielen davor. Und das immer noch. Wir wissen das. Viele Strukturen brechen gilt für diesen Gesundheitsetat im Besonderen. Die gerade zusammen, und es geht vielen Menschen schlech- aktuelle Größe des Etats zeigt das deutlich. ter als je zuvor. Das ist jetzt mein fünfter Haushalt, den ich hier im An der Stelle muss ich jetzt sehr konkrete Kritik am Gesundheitsbereich für die SPD begleite. Es war bisher Entwurf äußern. Herr Minister, Sie haben die Mittel für immer so, dass wir ziemlich exakt den Betrag von UNAIDS komplett gestrichen. Das finden wir nicht gut; 15,3 Milliarden Euro in dem Etat hatten. Das ist ganz das ist ein falsches Zeichen. Ich meine – da rede ich schön viel. Aber man muss dann auch immer sehen, ausdrücklich für die SPD-Bundestagsfraktion –, dass dass davon sogleich 14,5 Milliarden Euro in den Gesund- wir hier nachbessern müssen. heitsfonds gehen. Deshalb hatten wir Parlamentarierin- nen und Parlamentarier eigentlich gar nicht so viel davon (Beifall bei Abgeordneten der SPD) zu verteilen. Das war auch in diesem Jahr so. Wir hatten Ich will auch kurz erwähnen, dass das Müttergene- für 2020 wieder einen Haushalt von 15,3 Milliarden Euro sungswerk in einem völlig berechtigten Brief – nicht verabschiedet – und dann kam alles anders; das wissen nur in einem; es geht um Briefe an viele hier im Haus – wir. sein Anliegen vorgebracht hat. Es ist ganz wichtig. Es in Jetzt ist der Haushalt nach den beiden Nachtragshaus- der Tat so, dass das Müttergenesungswerk und die Mut- halten in diesem Jahr – und das auch wirklich völlig zu ter-Kind-Kuren richtig in Gefahr sind. Wir müssen Recht – auf über 41 Milliarden Euro angewachsen. Der schauen, ob wir da noch nachbessern können. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Oktober 2020 22721

Sonja Amalie Steffen (A) Aber ich bin optimistisch. Wir Haushälterinnen und mehr. Wir sind als Parlament entscheidungsfähig. Des- (C) Haushälter werden den vorliegenden Entwurf noch ein- halb gehören Entscheidungen in die Hände der gewählten mal ganz genau prüfen. Wir haben ja größtenteils ganz Abgeordneten. hervorragende Berichterstatter zum Etat. Ich denke, wir werden gut zusammenarbeiten und werden einen sehr (Beifall bei der FDP) guten überarbeiteten Entwurf dann in der zweiten und Ja, wir haben leider wieder besorgniserregend steigende dritten Lesung hier vorlegen können. Fallzahlen und dürfen nicht nachlassen – aber die Gefahr Herzlichen Dank. ist eben lokal ganz unterschiedlich ausgeprägt. Dass Sie an der epidemischen Lage von nationaler Tragweite fest- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten halten, ist absurd. der CDU/CSU) Natürlich geben Sie, Herr Minister, Macht, die Sie ein- mal haben, nicht gerne ab. Das ist nicht verwunderlich, Vizepräsidentin Petra Pau: denn Sie hatten ja schon immer, sagen wir, Machtausbau- Während das Pult gereinigt wird – ich bedanke mich fantasien. Wir denken an den Versuch, die Selbstverwal- herzlich dafür, dass von früh bis spät die Mitarbeiterinnen tung auszuhebeln und sich die Entscheidungskompetenz und Mitarbeiter des Plenar- und Ausschussassistenz- darüber anzueignen, was die Kassen zahlen. dienstes dies tun –, sei mir ein Hinweis gestattet: Ich kann niemanden daran hindern, uns hier mitzuteilen, (Beifall bei der FDP) woran er gerade, während des vergangenen Redebeitra- Im April hat die Kanzlerin gesagt, die Coronakrise sei ges, denken musste. Aber ich bitte tatsächlich darum, zu eine Katastrophe für die Demokratie. Inzwischen sind Sie überlegen, ob dies geeignet ist, an dieser Stelle gegebe- es als Bundesregierung selbst, die behindert. Herr Minis- nenfalls auch Verletzungen bzw. das Gefühl des Belei- ter, Sie können gewiss sein, dass wir alles daransetzen, digtseins hervorzurufen. Jeder ist für sich selbst verant- um Sie auf den Pfad der Tugend zurückzuführen. Die wortlich und für seine entsprechenden Äußerungen. Das epidemische Lage von nationaler Tragweite gehört un- ist meine Bemerkung dazu. verzüglich beendet. Das Wort hat nun die Kollegin Katrin Helling-Plahr, (Beifall bei der FDP sowie des Abg. Paul FDP-Fraktion. Viktor Podolay [AfD] – Karin Maag [CDU/ (Beifall bei der FDP) CSU]: Das wäre dann aber unsere Entschei- dung!)

(B) Katrin Helling-Plahr (FDP): Was unsere Bürgerinnen und Bürger nicht brauchen, (D) Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Her- sind Drohungen mit weiteren Lockdowns, brachialem ren! Sehr geehrter Herr Minister! 2020 ist alles anders. Durchgreifen, Schreckensszenarien von 20 000 Neuinfek- Wir haben hier in diesem Jahr Entscheidungen getroffen, tionen und Durchhalteparolen. von denen wir uns nie ausgemalt hätten, dass wir sie je ( [CDU/CSU]: Er hat gerade das treffen würden, vor allem in haushaltspolitischer und Gegenteil gesagt!) demokratischer Hinsicht. Diejenigen von uns, die sich ernstlich in Verantwortung für dieses Land sehen, muss- Sie brauchen eine Perspektive, wie sie ihr Leben gestalten ten das tun. können, wie wir größtmögliche Normalität erhalten, die Freiheit möglichst wenig antasten. Und sie brauchen Wenn man den Pfad der Tugend verlassen musste, Transparenz, um mitgehen zu können. sollte man aber alles daransetzen, schnellstmöglich auf ihn zurückzukehren. (Beifall bei der FDP) (Beifall bei der FDP) Dabei würde eine zielgerichtete nationale Teststrate- gie, wie wir sie vorgelegt haben, enorm helfen. Die Hierzu fehlt Ihnen, Herr Minister, fehlt der Großen Koali- Ergebnisse müssen Getesteten zwingend innerhalb von tion ganz offenkundig nicht nur der Ehrgeiz, sondern 24 Stunden zur Verfügung gestellt werden. Dazu müssen sogar der Wille, in haushalterischer wie in demokrati- wir die Voraussetzungen schaffen mit digitalen Melde- scher Hinsicht. Das Gesetz zum Schutz der Bevölkerung wegen und 24/7-Betrieb von Laboren und Gesundheits- bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite ämtern. Werden Sie hier endlich tätig! betreffend waren wir es, die erst erkämpfen mussten, dass nicht Sie die epidemische Lage nach eigenem Gut- Herr Minister, es ist richtig, dass wir bis jetzt ganz gut dünken ausrufen können, sondern dass wir als Parlament durch die Krise gekommen sind. Aber man muss sagen: darüber zu entscheiden haben, Sie haben sich eher zum Erfolg gestolpert. Es gab ja eine richtige Serie von Pleiten, Pech und Pannen. Das (Beifall bei der FDP) Beschaffungschaos – sei es im Hinblick auf Masken ob das Bundesgesundheitsministerium weitreichendste oder Beatmungsgeräte, über die nun Rechtsstreitigkeiten Kompetenzen bekommt. geführt und die verschenkt werden – wird uns im Aus- schuss noch lange beschäftigen und den Steuerzahler Und jetzt haben Sie es sich mit Ihren Befugnissen ganz vollkommen unnötig belasten. So etwas gilt es in Zukunft bequem gemacht. Ja, wir haben eine Epidemie, aber wir mit einer planvollen Vorratshaltung unbedingt zu vermei- haben keine epidemische Lage von nationaler Tragweite den. 22722 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Oktober 2020

Katrin Helling-Plahr (A) Dass wir bis dato so gut dastehen, ist vor allem das ma des erwünschten Wettbewerbs der Kassen untereinan- (C) Verdienst derjenigen, die in den Gesundheits- und Pflege- der. Ganz böse Zungen werfen Spahn hier sogar sozialis- berufen und an anderen Schlüsselpositionen trotz aller tischen Dirigismus vor. Widrigkeiten wie fehlenden Schutzausrüstungen und per- sönlicher Risikodisposition angepackt haben. Der Pflege- (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Was? – bonus nur für die Altenpflege – die ihn zweifelsohne auch Weitere Zurufe von der LINKEN) verdient hat – muss da doch wie Hohn zum Beispiel für Ich würde so weit nicht gehen, finde es jedoch heftig, die Beschäftigten in den Kliniken wirken. wenn Minister Spahn mit einem flotten Spruch, Kranken- kassen seien keine Sparkassen, mal eben die Beitragszah- (Karin Maag [CDU/CSU]: Deswegen kriegen ler für Coronaausgaben in Haftung nimmt, die die Allge- die das jetzt!) meinheit zu zahlen hätte, und zwar nach der jeweiligen Wertschätzende Politik sieht anders aus! Wertschät- Finanzstärke, also die Reichen und Vermögenden mehr zung bedeutet, dass sich Leistung auch lohnen muss. als die Armen. Das gilt im Übrigen auch für die vielen Hausärzte, die ja das Gros der Covid-19-Patienten behandeln und deren (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) tatsächlich erbrachte Leistungen schon lange nicht mehr So jedoch ist das ein Vorgeschmack darauf, wer am Ende vergütet werden. Deshalb: Weg mit der Budgetierung! dieser Krise ganz offensichtlich die Zeche zahlen soll. Das wird auf jeden Fall unseren Widerstand hervorrufen. (Beifall bei der FDP) Der verbleibende Rest des Defizits soll über eine Schließen möchte ich mit einem Dank an all diejeni- Anhebung des durchschnittlichen Zusatzbeitrags um gen, die unser Gemeinwesen in der Krise aufrechterhal- 0,2 Prozentpunkte ausgeglichen werden, und das alles ten. Seien Sie gewiss: Wir Freie Demokraten stehen an nur, um dann rechnerisch mit 39,95 Prozent um 0,05 Pro- Ihrer Seite. zentpunkte unter der besagten Dogmagrenze von 40 Pro- Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. zent zu bleiben – ein erstaunlicher Taschenspielertrick, der vielleicht bis zur Bundestagswahl hält, und das soll (Beifall bei der FDP) wohl auch erreicht werden. Nachhaltig jedoch ist es nicht. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat der Abgeordnete Harald Weinberg für die Dieses 40-Prozent-Dogma hängt ja mit der ständigen Fraktion Die Linke. Rede von der Unfinanzierbarkeit des Sozialstaates zusammen. Dazu will ich Ihnen mal was sagen: Solange (B) (D) (Beifall bei der LINKEN) in diesem Land zugelassen wird, dass Spekulanten wie bei den Cum/Ex-Geschäften Steuern erstattet bekommen, Harald Weinberg (DIE LINKE): die sie nie gezahlt haben, solange Milliardäre sich über Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Steueroasen vor einer ohnehin niedrigen Besteuerung Für das Jahr 2021 wird vom Schätzerkreis ein Defizit in drücken können, solange Konzerne mit Milliarden unter- Höhe von 16 Milliarden Euro in der gesetzlichen Kran- stützt werden, ohne dass man ihnen abverlangt, für kenversicherung prognostiziert. Wenn keine Maßnahmen Beschäftigungssicherung zu sorgen und auf Dividen- ergriffen werden, dann müsse der Beitragssatz um denausschüttungen zu verzichten, und solange wir dem 1,1 Prozentpunkte auf dann 16,8 Prozent ansteigen. Da- 2-Prozent-Ziel hinterherhecheln und jedes Jahr den Rüs- mit würde das 40-Prozent-Dogma bei der sogenannten tungshaushalt weiter aufblähen – in diesem Jahr um Sozialquote gerissen, und das soll auf jeden Fall verhin- 21 Prozent auf 50 Milliarden Euro –, solange das alles dert werden. zugelassen wird, so lange sollten Sie über die Unfinan- zierbarkeit des Sozialstaates schweigen. Wie wird das gemacht? Der Steuerzuschuss an den Gesundheitsfonds, aus dem die Krankenkassen ihre (Beifall bei der LINKEN) Zuweisungen beziehen, wird um 5 Milliarden Euro auf Aber auch wenn man bei der Krankenversicherung nun 19,5 Milliarden Euro in 2021 erhöht. Nun ja, die nicht stärker in die Steuerfinanzierung gehen wollte, versicherungsfremden Leistungen, die bei den Kassen gäbe es Alternativen zu diesem Verschiebebahnhof der abgeladen werden, haben schon ohne Corona stark zuge- Bundesregierung. Wir haben hierzu bereits mehrere nommen und sind mit der Pandemie noch einmal deutlich Anträge gestellt – und wir werden noch weitere stellen –, ausgeweitet worden; man denke an die Testcenter für die das Problem anders angehen: durch Anhebung oder Urlaubsrückkehrer. Folglich haben die Kassen mehr Aufhebung der Beitragsbemessungsgrenze, durch eine erwartet; aber Finanzminister Scholz wollte wohl nicht Erweiterung des versicherungspflichtigen Personenkrei- mehr rausrücken. Das ist das Elend der Steuerfinanzie- ses, durch eine Verbeitragung von großen Kapitalein- rung: Plötzlich bestimmt der Finanzminister, welche künften und durch Überführung der Privatversicherten Gesundheitspolitik gemacht wird. in die gesetzliche Krankenversicherung. Dann hatte Minister Spahn eine weitere Idee. Die Kas- (Beifall bei der LINKEN) sen sollen, sofern sie welche haben, ihre Finanzreserven abschmelzen und rund 8 Milliarden Euro an den Gesund- Jede dieser Maßnahmen würde die finanziellen Spiel- heitsfonds zurückzahlen. Das widerspricht eigentlich räume der Krankenkassen erweitern, ohne dass die Bei- einem anderen neoliberalen Dogma, nämlich dem Dog- träge angehoben werden müssten. Sogar eine Rücknahme Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Oktober 2020 22723

Harald Weinberg (A) von Zuzahlungen und Leistungskürzungen wäre möglich, Aber dieses Dankeschön und dieser Balkonapplaus, (C) ebenso die Entwicklung der Pflegeteilversicherung, wie der häufig da gewesen ist, müssen auch damit unterlegt wir sie jetzt haben, in eine Pflegevollversicherung. sein, dass wir verantwortlich und achtsam mit unserem (Beifall bei der LINKEN) Gesundheitswesen umgehen. Das heißt, man muss dafür sorgen, dass es leistungsfähig bleiben kann, dass es zu- Das wäre dann eine echte Alternative, eine linke Alter- kunftsfähig aufgestellt ist und dass es sich vor allen Din- native. gen auf die Bedarfe einstellt, die sich aus einer älter werd- Apropos Alternative: Der Ex-Pressesprecher der AfD- enden Gesellschaft und aus dem durch die demografische Fraktion hat ja eine bemerkenswerte Wahrheit über das Entwicklung bedingten Fachkräftemangel ergeben. Programm dieser Partei ausgeplaudert, – (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Das wäre die Aufgabe, die anzugehen ist, und das ist auch Vizepräsidentin Petra Pau: die Aufgabe, die man angehen muss, wenn man gerade Kollege Weinberg, Sie müssen trotzdem zum Schluss noch über Rücklagen verfügt, wenn man eine gute Kon- kommen. junktur hat, wenn man also Gestaltungsraum hat. Was Sie gemacht haben, ist, etwas Sozialgarantie zu Harald Weinberg (DIE LINKE): nennen, was Ihnen in Wahrheit aber eigentlich nur über – als er sagte – das ist mein Schlusssatz –: Je schlechter dieses Wahljahr helfen wird. So schaffen Sie es, mit einer es Deutschland geht, desto besser für die AfD. – Ich leichten Anhebung der Beitragssätze auszukommen und persönlich finde ja, dass da umgekehrt ein Schuh draus dann gleichzeitig den Bundeszuschuss und die Rücklagen wird: Je schlechter es der AfD geht, desto besser für der Krankenkassen anzutasten, um einigermaßen über die Deutschland. Runden zu kommen. Vielen Dank. Aber diese Sozialgarantie ist das Papier nicht wert, auf (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordne- das geschrieben worden ist. ten der SPD – Stephan Brandner [AfD]: Furio- (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS- ses Finale! – Gegenruf von der CDU/CSU: SES 90/DIE GRÜNEN) Aber wahr!) Wir wissen: Zum einen werden die 40 Prozent nicht zu halten sein, weil im realen Leben sehr viele Versicherte Vizepräsidentin Petra Pau: sehr viel höhere Beiträge werden zahlen müssen, unter- Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat die Kolle- jährig wahrscheinlich noch mal erhoben. Zum anderen (B) gin Maria Klein-Schmeink das Wort. müssen wir gleichzeitig feststellen – das ist doch das (D) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Schlimme –, dass bestimmte Reformen nicht angegangen worden sind. Wir haben letztens darüber gesprochen: Die Krankenhausreform, sowohl auf der Finanzierungsseite Maria Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- als auch auf der Planungsseite, fehlt. Die Notfallreform NEN): fehlt. Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dieser Haus- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) halt ist der letzte Haushalt, den Sie in dieser Wahlperiode Die Pflegereform, mit der sichergestellt werden soll, dass hier vorlegen, und insofern ist er auch Gelegenheit, Verbesserungen in der Pflege nicht bei den Pflegebedürf- Bilanz zu ziehen. An dieser Stelle muss ich sagen: Diese tigen abgeladen werden, fehlt. Große Koalition erlegt uns eigentlich eine schwere Bürde für die nächste Wahlperiode auf. Ich sage das, weil wir All das ist nicht refinanziert, all das kommt in diesen feststellen müssen: Viele wichtige Aufgaben sind nicht Plänen gar nicht vor, und all das ist die Bürde, die in der angegangen worden, und gleichzeitig ist sämtliches Geld, neuen Wahlperiode angegangen werden muss, ohne den das in Reserven sowohl des Gesundheitsfonds als auch Gestaltungsraum zu haben, den es in den letzten beiden der Krankenkassen lag, ausgegeben. Damit muss man Regierungszeiten gab. Das ist Ausdruck eines schweren sagen: Sie sind Ihrer Verantwortung für ein gutes, ein Versäumnisses. leistungsfähiges Gesundheitswesen nicht gerecht gewor- Da muss man sagen: Ich wünsche mir auf den letzten den. Metern mehr Mut zu Reformen, mehr wirklich neues Denken und Verantwortungsübernahme, um dann auch (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – verantwortlich mit den Geldern umzugehen, damit wir Stephan Brandner [AfD]: Da haben Sie recht!) sicherstellen können, dass wir auch in Zukunft ein leis- Es ist ja gerade zu Recht gesagt worden, wie wichtig es tungsfähiges Gesundheitswesen haben, solidarisch finan- ist, dass wir ein leistungsfähiges Gesundheitswesen ziert. haben. Es hat sich auch jetzt in der Coronazeit gezeigt, (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) wo wir leistungsfähig sind und wo insbesondere die Beschäftigten im System leistungsfähig und sehr leis- tungsbereit waren, und das verdient ein großes Danke- Vizepräsidentin Petra Pau: schön. Für die CDU/CSU-Fraktion hat nun Dr. Georg Nüßlein (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort. sowie bei Abgeordneten der LINKEN) (Beifall bei der CDU/CSU) 22724 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Oktober 2020

(A) Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU): Wir haben gerade in voller Breite über die Frage disku- (C) Frau Präsidentin! Meine Damen! Meine Herren! Es tiert: Wer bezahlt was? Ich glaube, wir sind uns in diesem war ja vorhersehbar – ich habe es an dieser Stelle schon Haus mehrheitlich darüber einig, dass man die Kranken- mal gesagt –: Die AfD hat zum Thema Corona von versicherungsbeiträge stabilisieren muss. Ich glaube, wir Anfang an zwei Sprechzettel gehabt. Gemeinsam an die- sind uns einig, dass es dazu eines Steuerzuschusses sen beiden Sprechzetteln ist: „Wir haben es besser bedarf. gewusst.“ Das steht da ganz oben. – Dann kommt, je (Stephan Brandner [AfD]: Aber wer bezahlt nachdem, wie es gelaufen ist, ob gut oder schlecht, die das denn?) Geißelung der Regierung, man hätte zu wenig gemacht oder man hätte zu viel gemacht. Über die Höhe könnten wir auch diskutieren. (Peter Boehringer [AfD]: Schauen Sie mal in (Stephan Brandner [AfD]: Wer bezahlt das den Spiegel! – Weitere Zurufe von der AfD) denn?) – Hören Sie zu. Schreien Sie doch nicht. Hören Sie zu. Wir hätten uns auch mehr gewünscht. Das ist am Bun- Sie lernen was dabei; aber es wird nichts helfen. desfinanzminister gescheitert. Deshalb gibt es nichts anderes, als letztendlich die Finanzreserve der Kassen (Zuruf des Abg. Peter Boehringer [AfD]) entsprechend zu belasten, und zwar mit 8 Milliarden Euro. – Ich habe es an der Stelle schon mal gesagt. Genauso machen Sie das. Wenn Sie sich heute Frau Malsack- Meine Damen und Herren, eines stimmt übrigens auch: Winkemann angehört haben, dann werden Sie gemerkt Das ist nicht das Geld der Krankenkassen, sondern das haben, dass ich recht habe. Sie haben zwei Sprechzettel. sind Beitragsgelder. Ich weiß nicht, ob Sie den zweiten Sprechzettel zu früh (Stephan Brandner [AfD]: Ach was?) gezogen haben, auf dem steht: Es ist glimpflich verlau- fen; darum war das alles Panik. Deshalb macht es Sinn, sie zur Gesundheitsfinanzierung heranzuziehen. Das ist vollständig schlüssig. Uns muss es (Dr. Roland Hartwig [AfD]: Sie sind nicht auf darum gehen, aufzupassen, dass wir nicht die Kassen einem aktuellen Stand! Sie müssen mal unsere unnötig belasten, die gut gewirtschaftet haben, dass wir Programme lesen! – Gegenruf der Abg. das also auch unter diesem Aspekt richtig machen. Ich Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- glaube, auch da sind wir auf dem richtigen Weg. NEN]: Sie haben Programme? – Weiterer Gegenruf des Abg. Stefan Müller [Erlangen] Was die Lehren aus Corona angeht, haben wir einen [CDU/CSU]: Sie wollten im März den Bundes- Punkt ganz nach vorne gesetzt: Das ist das Thema „Digi- (B) tag zusperren!) talisierung im Gesundheitswesen“. „Mister App“, Jens (D) Spahn, hat in einer besonderen Weise schon sehr, sehr früh in diese Richtung gewirkt. Wir haben das notwendi- Vizepräsidentin Petra Pau: ge Geld zur Verfügung gestellt. Aber leider – das muss Überwiegend hat jetzt der Kollege Nüßlein das Wort. man auch mal deutlich sagen – bedarf es in diesem Land einer Pandemie, um die Widerstände der Beteiligten (Stephan Brandner [AfD]: Dann soll er reden!) erheblich zu reduzieren. Das Thema Telemedizin ist, erst seitdem es ein Anste- Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU): ckungsrisiko gibt, in diesen Kreisen akzeptierter. Das Ich würde gerne überwiegend dazu reden. – Ich habe ärgert mich – das sage ich Ihnen ganz offen –, weil ich die Rede von Frau Malsack-Winkemann verfolgt. glaube, dass damit eine Menge Möglichkeiten verbunden (Dr. [AfD]: Reden Sie doch mal!) sind: bei der Thematik der Dezentralisierung, bei der Diagnostik, bei der Heranziehung von Zentren, auch in – Hören Sie mal: Sie spricht von Toten und von schnell den Bereichen der ländlichen Versorgung, die ich persön- mutierenden Viren und sagt, das ist alles nicht so lich für wichtig halte. schlimm. Ich meine, das Ganze muss man erst mal nach- vollziehen können. Meine Vorrednerin hat kritisiert, dass wir die Kranken- hausreform noch nicht ganz so weit getrieben haben, wie (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- wir das alle miteinander gern gemacht hätten. Das ordneten der SPD) stimmt. Ich sage Ihnen aber: Auch da ist die Lehre aus Sie ziehen das Thema hier in den Schmutz und tun so, Corona eine wichtige: Es gilt, die flächendeckende – auch als ob das alles gar keines wäre, und Sie erleben doch das die ländliche – Versorgung nicht zu verachten und das Gegenteil. Man kann natürlich darüber diskutieren: Thema nicht nur unter dem Gesichtspunkt angeblich Warum ist dieses Land so glimpflich durch die Krise überflüssiger Krankenhausbetten zu diskutieren. Das hal- gekommen? Darüber kann man eine sinnvolle und gute te ich für ganz entscheidend. Diskussion führen. Ich rege an dieser Stelle ausdrücklich (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) an, dass wir uns mit dieser Thematik ganz ausführlich beschäftigen sollten. Die Antwort auf diese wichtige Fra- Ich glaube, dass das etwas ist, was wir entsprechend wei- ge können wir alle miteinander noch nicht fundiert geben. tertragen müssen. Was wir aber sehen, ist, dass das ganze Thema, dass sich Am Rande möchte ich darauf hinweisen, dass mich der dieser Schock, der sich da entwickelt hat, auf unsere fehlende Überblick der Länder über intensivmedizinische Wirtschaft auswirkt, dass er Geld kostet. Beatmungskapazitäten schon etwas überrascht hat; das Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Oktober 2020 22725

Dr. Georg Nüßlein (A) muss ich ganz ehrlich sagen. Wenn man diesen Überblick (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Karin (C) nicht hat, dann frage ich mich, wie Krankenhausplanung Maag [CDU/CSU]) tatsächlich funktionieren soll. Trotzdem glaube ich, dass Corona ist ein Härtetest für die Gesundheitssysteme. wir bei einer Reform, die wir vermutlich nicht mehr in Es ist aber auch ein Härtetest für die Menschen, die in den dieser Legislatur angehen können, durchaus die Frage Betrieben, die in den Krankenhäusern, die in den Alten- beantworten müssen, wie wir das Thema Grund- heimen arbeiten. Sie leisten Außergewöhnliches. Ich versorgung neu adressieren und – das ist das Schwierigs- glaube, auch im Namen der SPD kann ich nicht nur den te – wie wir die Schnittstelle „ambulant/stationär“ neu Beschäftigten in den Krankenhäusern, nicht nur den definieren. Beschäftigten in den Pflegeeinrichtungen, sondern auch Es wurde das Problem, das wir mit der Schutzkleidung den Beschäftigten in den Arztpraxen, die wir immer ver- hatten, angesprochen. Das stimmt, meine Damen und gessen, ausdrücklich sagen: Herzlichen Dank für eure, Herren. Wir haben daraus die Konsequenzen gezogen für Ihre Arbeit. und sagen: Wir wollen Produktion nach Deutschland (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der zurückholen. Ich gehöre zu denen, die sagen: Auch bei CDU/CSU) kritischen Medikamenten müssen wir Lieferketten wie- der zurück nach Europa holen. Wir haben, meine sehr verehrten Damen und Herren, viel Geld investiert – Geld, um Mitarbeitern so gut wie (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der möglich den Rücken freizuhalten, Geld, um auch zu SPD und der FDP) gewährleisten, dass jeder Patient auch ein Intensivbett Das ist ein wichtiges Thema. Über die Ausschreibung der bekommt. Das ist nicht selbstverständlich. Wir haben Rabattverträge können wir auch dafür Sorge tragen, dass 50 000 Euro für jedes zusätzliche Intensivbett ausgege- die, die solche Lieferketten nachweisen können, die ben. Wir haben eine tagesbezogene Pauschale von min- Chance auf einen entsprechenden Zuschlag haben. destens 560 Euro für freigehaltene Betten ausgegeben, Wenn man diesen frühzeitig in Aussicht stellt, meine was, Herr Nüßlein, gerade kleinen Krankenhäusern – Damen und Herren, dann finden sich solche Kapazitäten auch in Bayern auf dem Land – sehr geholfen hat. Alle auch wieder in Europa ein. Beschäftigten in besonders von Corona betroffenen Ich will eines vermeiden: dass wir irgendwann mal Krankenhäusern können jetzt eine steuerfreie Prämie dastehen und feststellen: Jetzt sind wir in einer schwieri- bekommen. Dass sie alle bekommen können, dafür hat gen Situation. Asien beliefert uns nicht. Die Medikamen- auch die SPD gesorgt, liebe Kolleginnen und Kollegen. tenversorgung in Deutschland bricht zusammen. – Des- (Beifall bei der SPD) halb ist das ein Thema, das auf die Agenda gehört, (B) spätestens in der nächsten Koalition, spätestens in der Es war ein politisches Signal, obwohl man sich sicher- (D) nächsten Regierung. Vielleicht klappt es auch schon jetzt. lich, Herr Weinberg, mehr hätte vorstellen können. Aber Wenn ich mir den Applaus der SPD-Kolleginnen und es ist klar: Wir dürfen nicht am falschen Ende sparen. Wir -Kollegen anschaue, dann macht es mich zuversichtlich, dürfen nicht auf Kosten der Patienten, nicht auf Kosten dass wir da frühzeitig noch etwas tun können. der Beschäftigten sparen. Ich glaube, auch das hat uns die Krise gelehrt. Ich bedanke mich ganz herzlich für die Aufmerksam- keit. (Beifall bei der SPD) (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- Aber es bleibt noch viel zu tun. ordneten der SPD) Die Fallpauschalen sind von verschiedenen Rednern angesprochen worden. Die Fallpauschalen haben in der Vizepräsidentin Petra Pau: Vergangenheit dafür gesorgt, dass mehr operiert wurde, Das Wort hat Dr. Edgar Franke für die SPD-Fraktion. als eigentlich notwendig war – das kann man wirklich sagen –, und das nur, um Einnahmen zu erzielen, um (Beifall bei der SPD) mehr Geld zu verdienen. Auch deshalb müssen wir unser Abrechnungssystem praxis- und patientenorientiert wei- Dr. Edgar Franke (SPD): terentwickeln; denn sonst würden sich die Fallpauschalen Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und selbst abschaffen. Wir brauchen Wettbewerb; wir brau- Herren! Schwarze Nullen gibt es in diesem Haushalt chen finanzielle Anreize. Deshalb sage ich ausdrücklich: nicht. Wir hatten uns ja schon an die schwarze Null Wir müssen die Vorhaltekosten in bedarfsnotwendigen gewöhnt: Meine geschätzten Kollegen von der Union Krankenhäusern unabhängig von den Erlösen finanzie- kennen sich mit schwarzen Nullen ja besonders gut aus. ren. Da sind inzwischen alle Experten einer Meinung; das muss man wirklich sagen. Herr Nüßlein, gerade in (Heiterkeit bei der SPD) strukturschwachen Regionen ist das wichtig. Nur so Es gibt in diesem Haushalt rote Zahlen. Aber die Inves- sichern wir eine gute Versorgung in allen Regionen, mei- titionen, die in diesen roten Zahlen zum Ausdruck kom- ne Damen und Herren. men, sind in der Coronapandemie absolut notwendig. Wir haben nicht unerhebliche Mehrausgaben im Gesundheits- (Beifall bei der SPD) haushalt. Wir nehmen 24 Milliarden Euro in die Hand, Die Pandemie wird trotz aller Geldspritzen – das damit alle die bestmögliche Versorgung erhalten. Gerade möchte ich auch sagen – ein großes Loch in die gesetz- in Coronazeiten ist das gut angelegtes Geld, meine sehr lichen Krankenkassen reißen. Sie bekommen nämlich verehrten Damen und Herren. nicht nur weniger Beiträge, sondern haben auch mehr 22726 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Oktober 2020

Dr. Edgar Franke (A) Ausgaben – nicht nur durch die Coronatests, sondern wir Vizepräsidentin Petra Pau: (C) haben auch viele Gesetze und viele gesetzliche Verbesse- Kollege Franke, wir haben es hier nicht mit einer Min- rungen auf den Weg gebracht, die wir hier alle gemein- destredezeit zu tun, sondern mit einer Höchstredezeit. Sie sam beschlossen haben und die Geld kosten. Insofern, müssen jetzt bitte einen Punkt setzen. glaube ich, müssen wir auch die Bedenken der gesetz- lichen Krankenkassen ernst nehmen. Dr. Edgar Franke (SPD): Eines muss auch klar sein: Wir können nicht jedes Jahr Frau Präsidentin, das ist der rote Faden sozialdemo- die Rücklagen der Krankenkassen plündern; denn dann kratischer Gesundheitspolitik. müssten die Versicherten die Zeche durch höhere Zusatz- Ich danke Ihnen. beiträge zahlen. Insofern müssen wir da schon politisch aufpassen. (Beifall bei der SPD – [SPD]: Das war der wichtigste Satz, Edgar!) Ich sage aber auch: Wir geben den Krankenkassen des- wegen 5 Milliarden Euro extra. Sie bekommen einen Vizepräsidentin Petra Pau: Bundeszuschuss von insgesamt 20 Milliarden Euro. Die- Das Wort hat Dr. Roy Kühne für die CDU/CSU-Frak- se Mittel sind auch für wichtige gesamtgesellschaftliche tion. Aufgaben vorgesehen. Man denke nur an die kostenfreie Mitversicherung der kompletten Familie. Man kann also (Beifall bei der CDU/CSU) schon sagen, dass wir die gesetzlichen Krankenkassen und ihre Versicherten durch diesen Haushalt nicht im Dr. Roy Kühne (CDU/CSU): Stich lassen, meine sehr verehrten Damen und Herren. Sehr geehrte Präsidentin! Sehr geehrte, liebe Kollegin- nen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Franke, was hätte ich es vermisst, wenn dieser Schluss- CDU/CSU) satz nicht gekommen wäre. Genau zu dem Zeitpunkt war er vielleicht sogar gar nicht so falsch. Die Pandemie macht aber auch eines deutlich: Wir müssen die gesundheitliche Versorgung zukunfts- und Wir haben in vielen Reden sehr viel über Krankenhäu- vor allen Dingen krisenfest machen. Deswegen setzen ser und Kliniken geredet. Ich möchte hier mal ganz wir auf Digitalisierung. Wir machen die Kliniken fit für bewusst eine Lanze für die vielen, vielen kleinen Zahn- die Zukunft. räder brechen, die im Gesundheitssystem intakt waren, miteinander funktioniert haben und dieses große Uhr- Ich habe gestern mit dem Chef eines sehr großen Kran- (B) werk Gesundheitssystem bei uns in Deutschland gut (D) kenhauses gesprochen. Er hat mir erzählt, ein Drittel in haben laufen lassen. Deshalb möchte ich hier auch noch seinem Haus machten sie noch per Hand. So was darf es ganz klar sagen: Dazu gehören mehr als nur Klinik, Arzt, in Deutschland in Zukunft nicht mehr geben. Deswegen Apotheke, Pharma. Nein, wir reden auch über Heilerzie- sind die über 4 Milliarden Euro – 3 Milliarden Euro vom hungspfleger, Pflege und viele Berufe, die unterschwel- Bund und das von den Ländern noch dazu – genau das lig – für mich manchmal bedauerlich – unter dem Radar richtige Signal, um unsere Krankenhäuser fit zu machen. laufen. Deshalb: Danke an den Herrn Minister, dass er in den letzten Jahren den Mut gehabt hat – das muss man Digitalisierung bedeutet bessere Abläufe. Digitalisie- auch mal klar betonen –, entsprechende Wege zu gehen. rung bedeutet weniger Fehler. Digitalisierung wird auch weniger Kosten bedeuten. So zahlt sich das mittelfristig Deswegen schätze ich die Bilanz für den Bereich also für alle – auch für die Versicherten – aus. Gesundheit in dieser Legislatur als gut ein. Mit diesem Gesundheitshaushalt dämpfen wir die (Harald Weinberg [DIE LINKE]: Jetzt schon?) Coronafolgen ab und investieren wir in moderne, digitale Wir haben nämlich Sachen gemacht, die vorher – auch in Krankenhäuser. Hier zeigt sich auch die positive Hand- der letzten und vorletzten Legislatur – nicht möglich schrift der Großen Koalition deutlich, Herr Minister. gewesen und gar nicht – auch für mich nicht – denkbar gewesen sind. Deshalb bin ich allen Beteiligten – natür- Erstens. Nur mit Zukunftsinvestitionen kommen wir lich auch dem Minister und seinem Team, die sicherlich aus der Krise. in mancher Nacht darüber gegrübelt haben – dankbar, dass wir diese neuen Wege gegangen sind. Zweitens. Mit diesen Geldern verbessern wir gleich- zeitig die Versorgung für alle. (Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Martina Stamm-Fibich [SPD]) Das sind zwei Ziele, für die es sich lohnt zu kämpfen und zu arbeiten, meine sehr verehrten Damen und Herren. Es ist doch schwierig, zu sagen, dass alles immer per- fekt läuft, und ich bin auch hier ganz auf der Seite des (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Karin Ministers, der für mich überraschend – das ist nicht nur Maag [CDU/CSU]) mein Petitum, sondern auch das aus meinem Umfeld gewesen – durchaus zugegeben hat, dass man in der Poli- Die bestmögliche medizinische Versorgung ist eine tik auch mal Fehler macht und dass da etwas hätte besser Versorgung, wie ich immer zu sagen pflege, unabhängig gemacht werden können. Nach meiner Erfahrung ist es vom Wohnort, unabhängig vom Alter und unabhängig eher selten, dass man in der Politik und im Rahmen von vom Geldbeutel der Versicherten. Reden hier vorne zugibt: Es hätte besser laufen können; Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Oktober 2020 22727

Dr. Roy Kühne (A) wir haben daraus gelernt, und wir machen es besser. – den Hebammen haben wir es gesehen. Wir müssen uns (C) Das ist, glaube ich, ein Novum – gerade auch, dass der genau überlegen, wie wir diese Berufe wertvoll mit in die Minister sagt: Wir gehen mal neue Wege. – Das mag nicht Verantwortung einbinden können. immer einfach und für alle bequem sein. Aber, mein Gott, Ja, wir reden über ein volles Wartezimmer und über wie heißt der Spruch? Nur tote Fische schwimmen mit überfüllte Krankenhäuser. Vielleicht können wir in die- dem Strom. sem Bereich mittels guter Forschung – zum Beispiel im Damit möchte ich ganz konkret zum Haushaltsplan Bereich der Pflege; im Bereich der Therapeuten machen kommen, weil wir hier am Ende über den Haushaltsplan wir das nun schon seit ein paar Jahren – zügig zu einem reden. In Kapitel 1504 des Einzelplans 15 geht es um positiven Abschluss kommen. Wir sollten langsam über- Forschung. legen, ob die entsprechenden Kosten – der Minister hat das selber gesagt – nicht vielleicht als gute Investitionen Wir haben in letzter Zeit gemerkt, wie viele Sachen gesehen werden können. innovativ sein können und was überhaupt möglich ist. Viele dieser kleinen und großen Zahnräder waren in den (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) letzten Monaten sehr innovativ. Sie haben für sich selbst – Danke. Lösungen gefunden, haben selbst angefangen, miteinan- der zu interagieren, und haben im Grunde genommen alte (Tino Sorge [CDU/CSU]: Bitte!) Wege auch mal bewusst hinterfragt. Das ist, glaube ich, Letztendlich bedeutet Innovation natürlich auch auch etwas, was wir im Rahmen von Forschung und „Anlegen mit Althergebrachtem“. Ich glaube, die Politik Innovation durchaus auch mal machen sollten, nämlich ist gut beraten, sich selber im Sinne der Patienten mal zu zu hinterfragen: Was lief bisher? Wie lief es bisher? Kön- hinterfragen, also zu schauen, ob alles, was gelaufen ist, nen wir es besser machen? Ich glaube, es ist gut, hier auch gut ist, und neue, manchmal vielleicht nicht sofort auf den mal neue Wege zu gehen und vielleicht auch zu sagen: Na ersten Blick populäre Lösungen zu finden. ja, es lief nicht ganz so gut; wir korrigieren das mal. Danke für Ihre Aufmerksamkeit. Wir sollten den Leistungserbringern im Gesundheits- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- system durch die Forschung – und das ist ja der Sinn von ordneten der SPD) Forschung – vielleicht Wege aufzeigen, wie sie mehr Ver- antwortung übernehmen und vielleicht besser und effek- tiver für den Patienten arbeiten können. Und noch mal: Vizepräsidentin Petra Pau: Ich möchte hier ganz konkret auch mal die Berufe anspre- Das Wort hat der Kollege Josef Rief für die CDU/CSU- chen, die sonst nicht im Fokus stehen. Fraktion. (B) (D) Die Digitalisierung wurde angesprochen, und ich glau- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- be, lieber Herr Franke, es ist auch wichtig, dass wir die ordneten der SPD) Digitalisierung in den Krankenhäusern – es ist hochgra- dig peinlich, dass ein Drittel noch per Hand gemacht Josef Rief (CDU/CSU): wird – wirklich auf jede Ebene herunterbrechen. Es Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr macht ja keinen Sinn, dass nur der Arzt und das Kranken- Minister! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Sehr haus digital miteinander kommunizieren, sondern viel- geehrte Damen und Herren! Wir haben immer zu Recht leicht sollte der Arzt auch mit der Pflegekraft und dem betont, dass unser Gesundheitswesen eines der besten der Therapeuten – zum Beispiel können da mal Bilder hin- Welt ist und wie gut die vielen Mitarbeiterinnen und Mit- und hergeschickt werden – digital kommunizieren. Es arbeiter in diesem Bereich für uns alle rund um die Uhr macht vielleicht auch Sinn, mal über gemeinsame Pläne sorgen. Diese Pandemie zeigt, dass diese Einschätzung nachzudenken. Allzu oft passiert es in der Praxis, dass der stimmt. Therapeut arbeitet, und fünf Minuten später kommen die Pflegekraft und danach der Arzt. Ob das alles sinnvoll für (Beifall bei der CDU/CSU) den Patienten ist – denn der steht ja eigentlich im Mittel- Dies gilt nicht nur für die Krankenhäuser, Labore und punkt –, halte ich manchmal für fragwürdig. niedergelassenen Arztpraxen, sondern auch für den Eine andere Sache sind die Hilfsmittel. Gucken wir uns Öffentlichen Gesundheitsdienst. Aber wir wollen noch allein mal an, wie lange es dauert, bis die Kosten für ein besser werden. Deshalb werden wir in Zukunft 5 000 innovatives Hilfsmittel tatsächlich übernommen werden. neue Mitarbeiter in den Gesundheitsämtern einstellen. Das Hilfsmittel ist dann manchmal schon gar nicht mehr Ich möchte mich bei allen bedanken, die Tag und Nacht innovativ. Hier müssen wir schneller werden; denn wir engagiert und trotz des eigenen Ansteckungsrisikos in der haben auch während Corona gemerkt, dass mit Hilfsmit- Pandemie geholfen haben und derzeit noch helfen. Wir teln ein großer Teil der Behandlung geleistet werden können diese Arbeit – das haben mehrere Vorredner kann. Ich glaube, die Kapazitäten und Möglichkeiten, schon gesagt – nicht genug schätzen. Herzlichen Dank die uns gute Hilfsmittel bieten, nutzen wir noch gar nicht auch von dieser Stelle! effektiv genug. (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP Zum Schluss komme ich zu einem weiteren Punkt, und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) über den wir reden müssen. Wir akademisieren in Arbeitsbedingungen, Personalschlüssel, Arbeitszeiten Deutschland seit Jahren im Bereich der Therapeuten und auch die Bezahlung, all das bleiben Aufgaben für und zunehmend auch im Bereich der Pflege; auch bei uns. Denn eines ist klar: Junge Leute müssen motiviert 22728 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Oktober 2020

Josef Rief (A) sein, Berufswege im Gesundheitswesen einzuschlagen. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) (C) Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hat beherzt Meine sehr geehrten Damen und Herren, unsere Bun- gehandelt und den Ankauf von Schutzausrüstungen und deskanzlerin hat gestern gewarnt, dass wir unsere bishe- Beatmungsgeräten zentral gesteuert. Ich glaube, das war rigen Erfolge bei der Pandemie riskieren könnten, wenn zu diesem Zeitpunkt richtig. Dafür haben wir Milliarden- wir jetzt nicht gemeinsam vorsichtig sind und Infektionen beiträge zur Entlastung der Krankenhäuser bereitgestellt. verhindern. Natürlich können wir nicht garantieren, dass Weil die Krankenhäuser durch die Pandemie ihren Fokus die jetzigen Maßnahmen ausreichen – Abstand halten, völlig verschieben mussten, werden wir in diesem Jahr Maske tragen, Hände waschen, lüften und die Corona- 11,5 Milliarden Euro einsetzen. Wir dürfen nicht verges- App benutzen –, um hundertprozentigen Schutz zu bie- sen, dass auch bei uns im Frühjahr Kapazitätsgrenzen ten. Aber was gibt es für Alternativen? Bei Lichte erreicht waren und Krankenhausträger schlaflose Nächte betrachtet: keine oder nur schlechtere, solange keine hatten, da Nachbarkrankenhäuser zuerst nicht bereit wirksamen Arzneimittel oder kein wirksamer Impfstoff waren, aus überfüllten Covid-19-Kliniken Patienten auf- vorliegen. Halten wir deshalb durch! Wir sind 100 Meter zunehmen. Das sollten wir nicht vergessen. vor dem Ziel. Natürlich dürfen wir die Menschen nicht Auch die Pflegeversicherung bekommt in diesem Jahr verunsichern, aber kein ernstzunehmender Wissenschaft- circa 1,8 Milliarden Euro, um mit Mehrbelastungen ler kann bestreiten, dass Covid-19 viel gefährlicher als durch die Pandemie umzugehen. Bis Jahresende wird eine gewöhnliche Grippe ist. sich deshalb der Gesundheitshaushalt für dieses Jahr Meine Damen und Herren, die Geschichte dieser Welt mit circa 41 Milliarden Euro fast verdreifacht haben. ist reich an falschen Propheten. Denen zu folgen, führte Künftig geht es auch um die Finanzierung der Corona- immer ins Verderben. Ich wünsche Ihnen für die Zukunft tests, die täglich gemacht werden. 5 Milliarden Euro stel- vor allem Gesundheit und die Weisheit, richtige Fach- len wir hier bereit. Dies ist momentan die wichtigste leute von falschen Propheten unterscheiden zu können. staatliche Möglichkeit, keinen weiteren flächendecken- den Lockdown zu bekommen. Für persönliche Schutz- Herzlichen Dank. ausrüstung und Arzneimittel planen wir 1,1 Milliarden (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Euro ein. Gleichzeitig erhöhen wir unseren Beitrag für die Welt- Vizepräsidentin Petra Pau: gesundheitsorganisation noch einmal. Für das Engage- Weitere Wortmeldungen zu diesem Einzelplan liegen ment hierbei darf ich auch meiner Mitberichterstatterin nicht vor. ausdrücklich danken. Wir kommen schließlich zu dem Geschäftsbereich des (B) (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Bundesministeriums für Bildung und Forschung, (D) Krankheiten kennen keine Grenzen. Das hat zuletzt Ebola Einzelplan 30. gezeigt. Gerade heute sind wir mehr als je zuvor auf eine Ich bitte Sie, die notwendigen Umgruppierungen in funktionierende Weltgesundheitsorganisation angewie- den Fraktionen zügig vorzunehmen. – Kollege sen. Das müssen sich in diesem Hause genau diejenigen Sattelberger, wir sind sehr gespannt auf Ihren bald fol- einmal überlegen, die bisher die Beiträge an die WHO bei genden Redebeitrag, aber damit die Debatte überhaupt jeder Haushaltsberatung kritisiert haben. Die WHO wur- eröffnet werden kann, müssen Sie alle erst einmal Platz de 1948 gegründet, um Krankheiten weltweit zu bekämp- nehmen. – Wenn uns dann alle ihre Aufmerksamkeit bitte fen, damit auch wir in Deutschland gesund leben können. wieder zuwenden. An dieser Aufgabe, meine sehr geehrten Damen und Her- ren, hat sich bis heute nichts geändert. (Katja Suding [FDP]: Die haben wir schon lange! Die war nie weg!) (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP) Dann beginnen wir mit der Debatte. Das Wort hat die Bundesministerin Karliczek. Der Gesundheitsetat erfüllt trotz der Coronamehrbe- lastung auch im kommenden Jahr seine Aufgaben bei (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- der Gesundheitsversorgung und -prävention sowie in ordneten der SPD) den Bereichen Forschung und öffentliche Gesundheit. Das Robert-Koch-Institut, das Paul-Ehrlich-Institut und Anja Karliczek, Bundesministerin für Bildung und das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte Forschung: statten wir mit den nötigen Geldern aus, die in dieser Liebe Frau Bundestagsvizepräsidentin! Liebe Kolle- Situation auch dringend gebraucht werden. ginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Natürlich müssen gerade wir Abgeordnete dafür Sorge Herren! Wir leben in bewegten Zeiten. Die Coronapande- tragen, dass wir langfristig wieder ausgeglichene Haus- mie fordert uns gerade sowohl technologisch – wir brau- halte bekommen, wenn die Pandemie überwunden ist. chen dringend einen Impfstoff – als auch gesellschaftlich. Mir ist zudem wichtig, dass wir Projekte wie das Land- Wir müssen alle Verantwortung für uns und unsere Mit- arztprogramm weiterführen. Ich werde in den Haushalts- menschen übernehmen; denn die vielen veränderten beratungen unter anderem dafür werben, in diesem Regeln werfen uns aus der Routine des Alltags. Jeder Bereich zukünftig noch mehr zu tun, um die Versorgung Schritt muss momentan aktiv gedacht werden: Wie ist der Bevölkerung mit Ärzten im ländlichen Raum weiter- er mit den AHA-Regeln der Pandemie vereinbar, wie hin sicherzustellen. kann ich so viel Alltag wie möglich leben und trotzdem Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Oktober 2020 22729

Bundesministerin Anja Karliczek (A) zur Prävention vor dem Virus beitragen? Auf der anderen sche Fortschritt macht die Arbeit immer anspruchsvoller. (C) Seite spüren wir, dass diese Sorgen nur ein kleiner Teil Das ist gut für die Menschen. Deshalb brauchen wir erst- der Herausforderungen der aktuellen Zeit sind. Die im klassige Bildung für alle in Deutschland. Frühjahr plötzlich verschlossenen Schulen haben uns Erstklassig ist übrigens auch unsere duale Ausbildung. sehr deutlich vor Augen geführt, dass wir trotz vieler Überall in der Welt werden wir um unsere exzellente digitaler Möglichkeiten nicht in der Lage waren, unsere berufliche Aus- und Weiterbildung beneidet. Fachkräfte Kinder adäquat zu erreichen und mit der gewohnten Qua- „made in Germany“ werden überall auf der Welt mit lität weiter zu beschulen. Eine dritte Herausforderung, Handkuss genommen. Darauf können wir sehr stolz die immer wie ein Elefant im Raum steht, ist der Klima- sein. Und wir sorgen dafür, dass das so bleibt. schutz. Die Krise zeigt uns sehr deutlich, dass wir mehr Dynamik in Veränderungsprozessen brauchen. Deshalb (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- bin ich sehr froh, dass diese Aufbruchsstimmung in der ordneten der SPD) Gesellschaft jetzt da ist. Internationale Berufsbezeichnungen und eine bessere finanzielle Unterstützung der Weiterbildung haben wir in (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- dieser Legislaturperiode schon auf den Weg gebracht. ordneten der SPD) Jetzt geht es darum, lebenslanges Lernen selbstverständ- Aber klar ist auch: Verbote sind der falsche Weg. Wir lich zu machen. Auf einer Weiterbildungsplattform wer- müssen die Veränderungsprozesse über technologischen den wir modulare Weiterbildung für alle zugänglich Fortschritt einleiten. Wer glaubt, man kann einfach alles machen. Wir wollen das Land werden, in dem die Lust verbieten, wird ganz schnell merken, dass er auf dem und die Freude am Lernen bis ins hohe Alter währt. Wir Weg in die Zukunft die Menschen an seiner Seite verliert. machen Lust auf Zukunft – und dazu gehört, die Men- Wer glaubt, man kann die Frage der Wettbewerbsfähig- schen im Wandel über Weiterbildung mitzunehmen. keit unserer Wirtschaft vernachlässigen, wird feststellen, (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Swen dass unser Wohlstand keine Selbstverständlichkeit ist. Schulz [Spandau] [SPD]: Sehr richtig!) Deshalb liegt der Schlüssel zu all diesen Transforma- Genauso intensiv treibt uns in diesen Tagen die Unter- tionsprozessen in Forschung und Innovation. Carly Fio- stützung unserer Wirtschaft im Wandel um. Wettbe- rina, ehemalige Chefin von Hewlett-Packard, hat einmal werbsfähigkeit und Nachhaltigkeit sind zwei Seiten einer gesagt: Alles, was digitalisiert werden kann, wird digita- Medaille; denn natürlich wollen wir die Industrie mit lisiert werden. – Und wir stecken gerade mittendrin. ihren gut bezahlten Arbeitsplätzen in Deutschland halten. Deshalb stellen wir auch die Frage: Wer hat den größten Die Digitalisierung der Schulen hat gerade volle Fahrt (B) CO2-Fußabdruck? Wo liefert Unterstützung mit Steuer- (D) aufgenommen. Mit dem DigitalPakt Schule haben wir in geld den größten Hebel, um den Wandel hin zu einer den vergangenen Jahren die ersten 5 Milliarden Euro für nachhaltigen Wirtschaftsweise zu schaffen? Deshalb digitale Infrastrukturen bereitgestellt. In diesem Jahr haben wir aktuell millionenschwere Projekte mit unseren haben wir noch einmal kräftig draufgelegt: 6,5 Milliarden Stahlherstellern, unserer Chemieindustrie, aber auch Euro zeigen eine ganz klare Prioritätensetzung. unserer Energiewirtschaft in der Pipeline. Der Erfolg im (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- Wandel ist kein Selbstläufer. Es ist eine Aufgabe, die ordneten der SPD) Führung, Zielbestimmung und Begeisterung braucht. Deshalb müssen wir den Menschen sichtbar machen, Wir unterstützen die Länder mit allen uns zur Verfügung wohin wir wollen. stehenden Mitteln beim Ausbau digitaler Bildung. Am Beispiel der Nationalen Wasserstoffstrategie kann Aber genügend Geld ist nur eine Voraussetzung für man das wunderbar sehen. Die Nationale Wasserstoff- einen gelungenen Wandel an den Schulen hin zu mehr strategie hat zwei wesentliche Kernbereiche, einerseits digitalem Unterricht. Die Ausstattung mit Endgeräten die Entwicklung leistungsfähiger und wettbewerbsfähi- und der Ausbau der Administratorensysteme sind geklärt. ger Technologien zur Herstellung Grünen Wasserstoffs, Das Wichtigste ist jetzt, alle Lehrerinnen und Lehrer so damit wir Ausrüster für die Welt werden können, anderer- weiterzubilden, dass sie die neuen Möglichkeiten auch seits den Aufbau von Lieferpartnerschaften; denn die gut nutzen können. Deshalb haben wir mit den Ländern Herstellung Grünen Wasserstoffs ist in anderen Teilen vereinbart, dass wir sie auch in der Lehrerweiterbildung der Welt wesentlich kostengünstiger und effektiver. Wir unterstützen. Wir bringen unsere Expertise der Bildungs- bleiben also Energieimporteur und werden Exporteur wissenschaften mit den Weiterbildungsstrukturen der nachhaltiger Produktionstechnologien für Grünen Was- Länder zusammen. Wir schaffen Netzwerke leistungs- serstoff. starker Lehrerweiterbildung, digital und analog, damit (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- der Fortschritt schneller und effektiver in den Schulen neten der SPD – Stephan Brandner [AfD]: ankommt, damit wir unsere Schülerinnen und Schüler Amen!) erstklassig und individuell mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln ausbilden. Gerade die Nationale Wasserstoffstrategie ist ein Ver- sprechen an die jungen Menschen – wir machen Deutsch- Ich habe schon 2019 bei der Vorstellung der PISA- land zukunftsfähig und klimaneutral –, an unsere Wirt- Studie gesagt: Mittelmaß kann nicht unser Anspruch schaft – wir unterstützen sie kraftvoll im technologischen sein. Deutschland lebt vom Know-how seiner Menschen, Wandel – und an die Weltgemeinschaft: Wir bleiben Part- und in Zukunft wohl noch mehr denn je. Der technologi- ner für wirtschaftliche Entwicklung. 22730 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Oktober 2020

Bundesministerin Anja Karliczek (A) Generell haben wir in dieser Legislaturperiode viele Vizepräsidentin Petra Pau: (C) strukturverändernde Maßnahmen auf den Weg gebracht. Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Götz Frömming für Die Agentur für Sprunginnovationen fördert heute schon die AfD-Fraktion. die ersten Innovationen, die das Potenzial haben, neue Märkte und Arbeitsplätze zu schaffen. Das Programm (Beifall bei der AfD) zur Förderung der Quantentechnologien läuft schon seit 2018. Quantenkommunikation, Quantensensorik, Quan- Dr. Götz Frömming (AfD): tencomputer – wir müssen in den Zukunftstechnologien Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen erstklassig sein, wenn es darum geht, uns für die komm- und Herren! Sehr geehrte Frau Ministerin! Der Applaus enden Jahre gut aufzustellen. Deshalb haben wir jetzt eben, der war ja so müde, muss man schon fast sagen; ich noch mal zusätzlich 2 Milliarden Euro für unser hoffe, das lag an der Uhrzeit und nicht an Ihrer Rede, die Zukunftsprogramm eingeplant. Einer der ersten Quanten- ja zukunftsweisend sein sollte. computer soll in Deutschland stehen. (Gabriele Katzmarek [SPD]: Oh! Dünnes Eis!) (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- Stichwort „Zukunft“, meine Damen und Herren. Der ordneten der SPD) Schweizer Pädagoge Carl Bossard sprach einmal in Wir haben die Zukunft im Blick und dank einer nach- einem Fachaufsatz von den „ewig Morgigen“. Er meinte haltigen Finanzpolitik auch die Kraft für Investitionen. damit diejenigen, die alles Neue unkritisch bejubeln. Morgen, so sagen die ewig Morgigen, wird alles besser. (Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir brauchen nur mehr Innovation, mehr Digitalisierung, Warum gibt es dann keinen Aufwuchs?) mehr Onlinelernen, mehr Kompetenzraster, gleichzeitig Richten wir den Blick nur mal kurz auf die Corona- auch mehr Individualisierung, pandemie. Wir haben 750 Millionen Euro auf den Tisch gelegt, um die Entwicklung und Produktionserweiterung (Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Zurück in die für Impfstoffe zu unterstützen. Wir haben 150 Millionen 50er-Jahre!) Euro zur Finanzierung eines Universitätsnetzwerkes mehr Binnendifferenzierung, lockergemacht, um unsere Patienten bestmöglich zu the- (Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: rapieren, zu behandeln, aber eben auch, um das Virus Weniger Rassismus!) noch besser kennenzulernen. mehr selbstorganisiertes Lernen, mehr Vielfalt, mehr Unser Gesundheitssystem ist eines der besten der Welt, Gender – ja dann, ja dann wird alles besser. und erstklassig forschende Unternehmen und Wissen- (B) schaftler sitzen in Deutschland. Wir dürfen zu Recht (Kerstin Kassner [DIE LINKE]: Das macht ja (D) sagen, dass das Innovationsland Deutschland gut dasteht. Mut!) (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- Aber, meine Damen und Herren, es wird eben nicht ordneten der SPD) besser. Im Gegenteil: Es wird schlechter. Aber: Die Transformation hin zu einer digitalen, kli- (Timon Gremmels [SPD]: Sie reden ja auch maneutralen Welt und die Bewältigung der Coronapan- alles schlecht!) demie, da ist jede Aufgabe für sich allein schon eine Deutschland droht in Bildung, Wissenschaft und For- Mammutaufgabe. Deshalb brauchen wir die ganze schung den Anschluss an die internationale Spitze kom- Gesellschaft, um hier und jetzt gut durchzukommen. plett zu verlieren, Die Coronapandemie bewältigen wir am besten, wenn wir uns an die AHA-Regeln halten. Die digitale Entwick- (Albert Rupprecht [CDU/CSU]: Vollkomme- lung stemmen wir am besten, wenn jeder mitmacht und ner Unsinn!) offen für Neues ist. Und die Klimaneutralität schaffen und das wissen Sie auch, Frau Ministerin. wir, wenn wir technologische Entwicklungen vorantrei- ben. Genau das muss sich dringend ändern. Wir bräuchten tatsächlich einen Ruck. Hier hätte eine Ruck-Rede gehal- Deshalb ist mein Haushalt mittlerweile auf mehr als ten werden müssen, aber nicht mal die eigene Fraktion – 20 Milliarden Euro gewachsen, und darin sind noch lange ich habe es schon gesagt – lässt sich hier noch begeistern. nicht alle Projekte; allein schon die Mittel für den Digital- Pakt stecken nicht in meinem Haushalt. (Beifall bei der AfD) Wir glauben an die Kraft und die Kreativität, die unser Meine Damen und Herren, in den USA wirkt sich die Land seit jeher stark gemacht haben. Wir haben es in der Kommerzialisierung des Bildungswesens extrem negativ Hand, mit Bildung, Forschung und Innovation stärker aus aus. Wir sollten das deutsche Bildungswesen vor einer der Krise herauszukommen, als wir hineingegangen sind. solchen Ökonomisierung bewahren, zumal der pädagogi- Die über 20 Milliarden Euro des Einzelplans 30 sind ein sche Erfolg derartiger Vorhaben äußerst fragwürdig ist. starkes Zeichen der Zuversicht. Aber was tut die Bildungsministerin? Sie setzt weiterhin auf die externe Expertise von Wirtschaftslobbyisten der Ich darf allen Kolleginnen und Kollegen ganz herzlich OECD, weil sie, weil der Bund offenbar keine eigene für die konsequente Unterstützung danken und freue Expertise hat. Die Liste der externen Berater wird auch mich auf eine weiterhin gute Zusammenarbeit. für das BMBF immer länger. Vielen Dank, dass Sie sie (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) uns zugeleitet haben. Frau Ministerin, vertrauen Sie doch Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Oktober 2020 22731

Dr. Götz Frömming (A) mal auf unsere eigenen Pädagogen und nicht auf die Vizepräsidentin Petra Pau: (C) Lobbyisten von OECD, PISA und Co, die in die Schulen Herr Frömming, Sie können selbstverständlich weiter- eindringen und Bildung zur Ware machen wollen! reden, tun es aber jetzt auf Kosten Ihres Kollegen. (Beifall bei der AfD) Dr. Götz Frömming (AfD): Meine Damen und Herren, „Kunst und Wissenschaft, – dann hätten die zuständigen Behörden es sicherlich Forschung und Lehre sind frei“ – so heißt es in Artikel 5 schon längst geschlossen. Absatz 3 unseres Grundgesetzes. Vor 70 Jahren wurde dieser Satz so schön und so klar formuliert. Er beschreibt Vielen Dank. leider immer weniger die Realität. Durch liberalökono- mische und linksideologische Reformvorhaben – PISA- (Beifall bei der AfD – Stephan Brandner Reform, Bologna-Reform, neue Hochschulgesetzgebung, [AfD]: Das war mit Abstand die beste Rede politisch korrekte Sprachvorgaben usw. – sind die akade- heute! – Lachen bei der SPD und der LINKEN) mischen Freiheitsrechte nicht nur massiv eingeschränkt, sondern bereits schwer beschädigt worden. Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat der Kollege Oliver Kaczmarek für die (Beifall bei der AfD) SPD-Fraktion. Und was macht die Ministerin? Was macht die Koali- tion? Sie schauen einfach zu, wie aus Orten der Freiheit (Beifall bei der SPD) und fröhlichen Wissenschaft triste Stätten der Indoktrina- tion und Gesinnungsprüfung werden. Aber vielleicht Oliver Kaczmarek (SPD): gefällt Ihnen das ja auch, oder Sie haben nach gefühlt Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Corona, 100 Jahren Merkel einfach keine Kraft mehr, liebe Kol- das ist ja mittlerweile ein Sinnbild für viele Menschen, legen von der Koalition, sich dem linken Zeitgeist entge- die sich Sorgen um die Zukunft des Landes machen, aber genzustellen. Aber dafür machen wir das jetzt. nicht selten auch um ihre eigene Existenz besorgt sind. Deshalb stehen wir vor zwei großen Herausforderungen: (Beifall bei der AfD – Widerspruch bei der Wir müssen dafür sorgen, dass in der Krise niemand SPD – Zuruf des Abg. Dr. h. c. Thomas abstürzt, und wir müssen investieren: gegen die Krise Sattelberger [FDP]) und in die Zukunft. Und – das muss ich sagen – der Haus- Meine Damen und Herren, abschließend noch ein paar haltsentwurf von Finanzminister Olaf Scholz wird dem Worte zum vorliegenden Einzelplan. Rund 20 Milliarden genau gerecht. Denn erstmals wachsen die Ausgaben für (B) Euro – es ist schon genannt worden –, das ist eine ordent- Bildung und Forschung allein im Einzelplan des Minis- (D) liche Summe. Das Problem ist auch nicht diese Summe, teriums für Bildung und Forschung auf über 20 Milliarden sondern wie und für was dieses Geld ausgegeben wird. Euro im nächsten Jahr an. Das ist historisch, und das ist Dazu natürlich noch mehr in der weiteren Beratung. die richtige Antwort auf die Krise. (Yasmin Fahimi [SPD]: Sie jammern, aber (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten keine Vorschläge!) der CDU/CSU) Es kann aber doch nicht angehen, Frau Ministerin, dass Jetzt geht es darum, dass wir das Geld natürlich auch der Bundesrechnungshof Ihnen zum wiederholten Male sinnvoll ausgeben müssen. ins Stammbuch schreibt, dass haushaltsrechtliche Vorga- (Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Das ist richtig!) ben nicht beachtet worden sind. Meine Damen und Her- ren, das ist das Geld der Steuerzahler. Damit haben Sie Wir brauchen die Erkenntnisse der Wissenschaft, um auf verantwortungsvoll umzugehen. Warum tun Sie das denn die Herausforderungen der Zukunft gute Antworten nicht? geben zu können. Deshalb ist es richtig, dass zum Bei- spiel in den nächsten Jahren 11 Milliarden Euro für die In seinen Prüfungen ist der Bundesrechnungshof Wasserstoffstrategie, für Quantentechnologie, für künst- immer wieder auf Mängel in der Aktenführung gestoßen. liche Intelligenz mobilisiert werden. Das weist den Weg Sie werden zu einer – ich zitiere wörtlich – „wahrheits- in eine gute Zukunft. Mit diesem Geld, zusätzlich zu den getreuen und vollständigen Aktenführung“ ermahnt. Ist Milliardeninvestitionen, die wir ohnehin schon tätigen – Ihnen das nicht peinlich, Frau Ministerin? Fazit des Bun- beispielsweise mit dem Pakt für Forschung und Innova- desrechnungshofs: Das Verwaltungshandeln werde nicht tion –, unterstreichen wir unser Vertrauen und die Wert- ausreichend dokumentiert, sodass die parlamentarische schätzung für Forschung in Deutschland, und wir stärken Kontrolle – das, was wir hier zu tun haben – in Teilen damit die, die Zukunft erforschen für den Aufbruch aus schon gar nicht mehr möglich ist. Meine Damen und der Krise. Und das ist der richtige Weg. Herren, das ist ein Skandal! (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten (Beifall bei der AfD – Zuruf des Abg. René der CDU/CSU) Röspel [SPD]) Eine riesige Aufgabe in der Krise ist es, Sicherheit zu Frau Karliczek, was haben Sie bisher getan, um diese schaffen. Das gilt auch für Bildung. Die Pandemie hat Schlamperei in Ihrem Haus abzustellen? gezeigt: Bei der Digitalisierung haben wir viel zu viel Meine Damen und Herren, wäre das Ministerium für Zeit verloren. Deshalb müssen wir jetzt massiv nachle- Bildung und Forschung ein Hotelbetrieb, – gen. 22732 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Oktober 2020

Oliver Kaczmarek (A) Unser Anspruch ist: Niemand darf durch die Corona- (Beifall bei der SPD) (C) krise zurückgelassen werden, insbesondere die nicht – Die SPD ist bereit, dafür zu kämpfen. das sage ich als Sozialdemokrat –, die es sowieso schon in unserem Bildungssystem am schwersten haben, weil Lassen Sie uns in der Koalition gemeinsam und mit der sie nicht die richtige soziale Herkunft haben bzw. nicht Erfahrung aus der Nothilfe einen dauerhaften Notfallme- die, die ihnen zu einem größeren Erfolg im Bildungswe- chanismus in das BAföG einbauen, sen, so wie wir es heute kennen, verhelfen. Deshalb bin ich der SPD-Vorsitzenden sehr dankbar für (Beifall bei Abgeordneten der SPD) die Initiative, die sie im Koalitionsausschuss ergriffen nicht nach dem Gießkannenprinzip und nicht für die, die hat, und ich bin auch dankbar für die Bereitschaft des es nicht brauchen, aber für die, die in einer echten Not- Finanzministers Olaf Scholz und selbstverständlich lage und in Gefahr sind, ihr Studium oder ihre Ausbil- auch der Bundeskanzlerin, dung deshalb nicht zum Ende bringen zu können. Lassen Sie uns aus der Krise lernen und ein Nothilfe-BAföG (Zuruf von der CDU/CSU: Ah!) schaffen, damit wir niemanden verlieren. dabei mitzugehen. 500 Millionen Euro für Endgeräte für Schülerinnen und Schüler, deren Eltern sich das aus eige- (Beifall bei der SPD) ner Kraft nicht leisten können: Das ist ein starkes Signal, Lassen Sie uns dann bei der Gelegenheit gleich auch dass wir tatsächlich niemanden zurücklassen wollen. noch einmal die Freibetragsregelung im BAföG ansehen. Denn eine Erkenntnis ist auch: Wir brauchen weniger (Beifall bei der SPD) Nothilfe und mehr regelmäßige Förderung für die Dazu kommen der DigitalPakt Schule, Endgeräte für BAföG-Empfängerinnen und -Empfänger. Die SPD ist Lehrerinnen und Lehrer sowie die Ausbildung von Sys- jedenfalls bereit, noch mal alle Kräfte für die Trendwende temadministratorinnen und -administratoren. Das kam im BAföG, wie wir sie uns in der Koalition in dieser vielleicht für den einen oder anderen spät, aber das Paket Wahlperiode vorgenommen haben, zu mobilisieren. zeigt, dass wir handeln und dass wir tatsächlich bei der Niemanden verlieren in der Krise – mutig in die Digitalisierung niemanden aufgeben. Zukunft investieren: Das ist die Überschrift über diesem In der Pandemie hat die Koalition Wege gesucht, damit Haushalt, das ist auch die Überschrift für den Einzel- junge Menschen Ausbildung und Studium aufnehmen, plan 30. Die SPD ist davon überzeugt, dass das der rich- fortsetzen oder zu Ende führen können. Die Ausbildungs- tige Weg ist. prämien sind aus dem ganzen Strauß der Instrumente ein Beispiel, das wir gewählt haben, um jungen Menschen (Beifall bei der SPD) (B) überhaupt die Gelegenheit zu geben, in diesen Zeiten (D) einen Ausbildungsplatz finden zu können. Wir müssen Vizepräsidentin Petra Pau uns das Instrument jetzt genau ansehen und auch da, wo Für die FDP-Fraktion hat nun die Kollegin Bettina es notwendig ist, bereit sein, nachzujustieren, um es noch Stark-Watzinger das Wort. wirksamer zu machen. (Beifall bei der FDP) Aber wir haben auch Studentinnen und Studenten in der Krise geholfen. Immerhin 140 000-mal wurde die Überbrückungshilfe, die sogenannte Nothilfe, von Stu- Bettina Stark-Watzinger (FDP): dentinnen und Studenten als Zuschuss in Anspruch Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und genommen. Und eine zentrale Erkenntnis aus dieser Not- Kollegen! Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebe Kollegin- hilfe, die die Ministerin jetzt zum Ende des letzten nen und Kollegen von der Union, ich wusste gar nicht, Monats eingestellt hat, ist doch: Auch wenn es immer dass Sie die Richtlinienkompetenz in dieser Koalition weniger pandemiebedingte Notlagen von Studentinnen schon an die SPD abgegeben haben. Aber man lernt ja und Studenten zu geben scheint, so gibt es doch immer nie aus. noch viel zu viele Studentinnen und Studenten, die in Not Haushaltsberatungen sind toll, sind spannend. Denn sind. der Haushalt ist ein in Zahlen gegossenes politisches Programm. Da zeigt uns die Große Koalition, wo sie (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Kai hinwill mit unserem Land. Wir debattieren heute einen Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Rich- der wichtigsten Einzelpläne in diesem Haushalt, nämlich tig!) den Haushalt für Bildung und Forschung, und ich habe Fast die Hälfte aller gestellten Anträge auf Nothilfe mich darauf gefreut. Ich habe gedacht, die Große Koali- wurde abgelehnt, weil die Notlage nicht pandemiebe- tion hat aus der Krise gelernt und ich erlebe hier einen dingt ist. Wumms für Bildung, Forschung und Innovation. Fehl- anzeige! (Zuruf der Abg. Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]) (Beifall bei der FDP – Heiterkeit bei Abge- Das heißt doch auch, dass wir Studentinnen und Studen- ordneten der LINKEN) ten haben, die wir morgen als Fachkräfte für den Auf- bruch aus der Krise brauchen, die heute nicht wissen, wie Denn mittelfristig – coronabereinigt – sinkt dieser Haus- sie über die Runden kommen sollen. Um diese Fachkräfte halt. Mittelfristig folgt dem Mehr im Haushaltsplan 2020 von morgen müssen wir kämpfen. Die dürfen uns nicht ein Weniger in der mittelfristigen Finanzplanung. Das ist egal sein, liebe Kolleginnen und Kollegen. der falsche Weg. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Oktober 2020 22733

Bettina Stark-Watzinger (A) Bildung und Forschung sind der Weg in die Zukunft (Beifall bei der FDP – Zurufe von der SPD) (C) und der Weg, die Krise zu bewältigen, Chancen zu geben. Und die Zukunft gehört denen, die heute anfangen und Noch zwei wichtige Punkte haben Sie angesprochen, nicht erst in der Zukunft. Frau Ministerin. (Beifall bei der FDP – Zurufe von der SPD) Einmal die berufliche Bildung. Nein, nicht jeder in unserem Land muss studieren. Die Realität ist auch eine Oder um es mit Worten der Bundeskanzlerin zu sagen: andere. Deutlich mehr nehmen eine berufliche Bildung „Wohlstand für alle heißt heute und morgen: Bildung für wahr. alle.“ (Dr. Götz Frömming [AfD]: Das ist gut so!) Große Worte einer vor über zehn Jahren ausgerufenen Bildungsrepublik! Sie selbst, Frau Ministerin, loben unsere Vorzeigeausbil- (Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Sehr rich- dung in jeder Rede. Nur, der uns vorgelegte Haushalt tig! Wir sind auf dem Weg!) spricht eine andere Sprache. Der Löwenanteil geht in die Begabtenförderung für die akademische Bildung, Trotzdem: Zehn Jahre später, Herr Kollege, ist das nur ein Bruchteil, ein Mäuschenanteil, in die für die be- Trennende in dieser Gesellschaft immer noch die Bil- rufliche Bildung. Die Begabtenförderungswerke müssen dung. endlich für die berufliche Bildung geöffnet werden. Wir (Zurufe von der CDU/CSU) müssen ihr den Respekt und die finanzielle Anerkennung zukommen lassen, die sie verdient. Wir haben den Bundesbildungsbericht gelesen: 7 Prozent der Schülerinnen und Schüler verlassen die Schule ohne (Beifall bei der FDP) Abschluss, Tendenz steigend. Ich will Ihnen dann noch zu einem weiteren Punkt (Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Wer ist etwas sagen: Mein Vater ist 92 Jahre alt. Er ist in dem zuständig? Die Länder!) Jahr geboren, als der Eiserne Gustav mit der Kutsche Wir haben Reporte gesehen, die belegen, dass immer nach Paris fuhr, um gegen Autos zu demonstrieren. Er noch das Trennende ist, aus welchem Haushalt ich kom- macht heute seine Steuererklärung digital. Der technolo- me. Nur 21 von 100 Nichtakademikerkindern gehen auf gische Wandel – das wissen wir seit Langem – verändert die Hochschule. Bei Akademikerkindern sind es 74 von rasant unser Leben. Mein Vater lebt das, worüber Sie 100. noch sprechen; denn lebenslanges Lernen ist eine der Schlüsselaufgaben in unserer Zeit. Aber die Realitäten (Zuruf der Abg. Yasmin Fahimi [SPD]) in Ihrem Haushalt sprechen eine andere Sprache. Ihr (B) Die Coronawochen werden diese traurigen Fakten noch Fokus liegt immer noch auf Schule und Hochschule, (D) verstärken. Das müssen wir ändern. drum herum Dürre. Machen wir das Jahr 2021 zu einem Jahr des lebenslangen Lernens. Es darf nicht eine Wort- (Beifall bei der FDP – Dr. Karamba Diaby hülse bleiben. Es muss endlich Schule machen, Frau [SPD]: Vorschläge!) Ministerin. Sie bitten um Geduld, Frau Ministerin. Aber die Fami- lien, die auf die Endgeräte warten, erwarten, dass das (Beifall bei der FDP) Geld endlich abfließt und an den Schulen ankommt; sie Ich komme gleich zu meinem letzten Punkt; der Kolle- haben keine Geduld mehr. ge Sattelberger wird noch einiges zur Innovation sagen. (Albert Rupprecht [CDU/CSU]: Was haben Sie Der Haushalt, den Herr Brinkhaus als einen Haushalt mit denn für einen Vorschlag?) Priorität für Zukunft, Technologie und Innovation bezeichnet hat, ist in dieser Hinsicht leider ambitionslos. Die Mittel müssen endlich abfließen. Es sind natürlich Mittel für einige Projekte eingestellt (Albert Rupprecht [CDU/CSU]: Blabla! Was worden, die Sie genannt haben. Aber im Verhältnis zum wollen Sie konkret?) Gesamthaushalt ist das verschwindend gering. Ziel einer klugen Politik muss es sein, dass die Ideen in unserem Wir brauchen zum Beispiel – auch für Chancengerechtig- Land entstehen: der neue Stoff, sodass Mikroplastik nicht keit – ein elternunabhängiges BAföG. Frau Ministerin, mehr gebraucht wird, die Biotechnologie, die Krankhei- Bildungsgipfel und Budgetposten ersetzen keine Taten. ten heilt oder Ernährung und Umwelt schützt. (Beifall bei Abgeordneten der FDP) Dieser Haushalt ist ambitionslos. Ihr Ansatz „Wenn die Ja, ich weiß, dass Bildung auch eine Ländersache ist. Herausforderungen groß werden, wird der Bildungshaus- (Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Späte halt, werden die Investitionen klein“ ist der falsche. Wenn Erkenntnis! – Weitere Zurufe von der CDU/ wir in Bildung und Forschung investieren, dann investie- CSU]: Hört! Hört! – Zurufe von der SPD: ren wir in die Zukunft unseres Landes. Aha!) (Zurufe der Abg. Dr. Karamba Diaby [SPD] Aber gerade deshalb müssen Sie die Position, die Sie und René Röspel [SPD]) haben, nutzen. Sie müssen die Länder zusammenbringen Dafür werden wir in den Haushaltsberatungen streiten, und müssen sich an die Spitze der Verfechter von Bil- debattieren. Ich freue mich auf die Haushaltsberatungen. dungschancen setzen. Machen Sie 2021 zu einem Jahr der Chancen! Vielen Dank. 22734 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Oktober 2020

Bettina Stark-Watzinger (A) (Beifall bei der FDP – Dr. Karamba Diaby Ich sage Ihnen: Als Ministerin für Bildung und For- (C) [SPD]: Ich bin gespannt! – Gabriele Katzmarek schung müssten Sie doch eigentlich vor Energie und [SPD]: Auf die Ideen sind wir gespannt!) Ideen nur so sprühen. Aber genau das Gegenteil beobach- ten wir bei Ihnen. Sie lassen nicht nur die Schulen hän- Vizepräsidentin Petra Pau: gen, sondern auch die Studentinnen und Studenten, die in Armut leben; ein Vorredner ging ja schon darauf ein. Die Das Wort hat Dr. Gesine Lötzsch für die Fraktion Die Coronahilfen haben noch einmal gezeigt, dass schon vor Linke. der Pandemie viele Studierende in Armut lebten. 36 Pro- (Beifall bei der LINKEN) zent der Antragsteller für eine Überbrückungshilfe wur- den abgewiesen, obwohl die Hälfte von ihnen eine finanzielle Notlage nachweisen konnte. Das sind mehr Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE): als 42 500 junge Menschen. Und richtig ist: Diese Stu- Vielen Dank. – Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine dierenden befanden sich schon vor der Pandemie in Damen und Herren! Heute Morgen las ich: Die Bildungs- finanzieller Not. Wir brauchen also dringend eine Reform ministerin macht sich Sorgen um den Schulbetrieb. Und der staatlichen Studienfinanzierung; sonst verspielen wir was fällt ihr ein? Sie fordert Disziplin von Lehrerinnen unser Zukunftspotenzial. und Lehrern und Schülerinnen und Schülern. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- (Heiterkeit des Abg. Kai Gehring [BÜND- neten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) NIS 90/DIE GRÜNEN]) Frau Karliczek, Sie verwalten viele chaotische Bau- Ich sage Ihnen: Für solche banalen Ratschläge sind Sie stellen. Der Bundesrechnungshof hat den Hochschulpakt einfach überbezahlt, Frau Ministerin. geprüft. Geld vom Bund für neue Studienplätze wurde von den Hochschulen für Parkhäuser, Tribünen und ande- (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- ren Schnickschnack ausgegeben. Bundesländer und ein- neten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) zelne Hochschulen bunkern insgesamt 3,7 Milliarden Und – ich muss es so hart sagen – in der Coronakrise sind Euro, und der Bundesrechnungshof kommt zu der Ein- Sie wirklich ein Ausfall, ein Totalausfall. Ich sage so schätzung – ich zitiere –: etwas nicht gerne, aber bei Ihnen stimmt es. Die Mittelströme haben eine Intransparenz erreicht, Bereits am 17. Mai 2019 ist der DigitalPakt in Kraft die auch die Länder kaum noch überblicken. getreten, und ich will von Ihnen wissen: Wie oft haben Oder zusammengefasst: Es herrscht Misswirtschaft. – Sie die Ministerpräsidenten oder die Kultusminister Der größte Anteil des Geldes entfällt dabei übrigens auf (B) angerufen und sie gefragt: Warum rufen Sie die Mittel Nordrhein-Westfalen, wo die Rechnungsprüfer Restgel- (D) nicht ab? der in Höhe von 1,9 Milliarden Euro aufspürten. Das entsprach den Pauschalen für 80 681 zusätzlichen Stu- (Zurufe von der AfD) dienanfängerinnen und Studienanfängern. Gibt es da in Der Bundestag stellt 5 Milliarden Euro zur Verfügung, Nordrhein-Westfalen nicht einen Ministerpräsidenten, und Sie schaffen es nicht, das Geld sinnvoll in die der Kanzler werden will? Vielleicht können Sie ihm Schulen zu bringen. Das ist doch wirklich ein Armuts- mal ausrichten – ich weiß nicht, ob noch jemand aus zeugnis, meine Damen und Herren. Nordrhein-Westfalen hier ist außer der Ministerin –: Wer Kanzler werden will, muss auch Wissenschaft kön- (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordne- nen, und Herr Laschet kann es augenscheinlich nicht, ten der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE meine Damen und Herren. GRÜNEN) (Zuruf von der CDU/CSU: Flach!) Gerade Corona erfordert doch jetzt eine schnelle Umset- Das Ministerium erlässt jährlich mehr als 120 Förder- zung des DigitalPaktes. richtlinien. Damit werden die Programme konkretisiert Den Ländern fehlen die Fachleute; das wissen wir. und die Abwicklung geregelt. Der Bundesrechnungshof Aber in Ihrem Geschäftsbereich, Frau Ministerin, befin- wertete diese Richtlinien aus und kam zu einem vernich- det sich eines der größten Wissenschaftssysteme der tenden Ergebnis. So ist bei einigen Förderrichtlinien Welt. Ich bin mir sicher, dass sich Hunderte Wissen- allein die bloße Durchführung der Maßnahme als Erfolg schaftlerinnen und Wissenschaftler in unserem Land definiert. Meine Damen und Herren, ich bin der Über- gern freiwillig bereit erklären würden, unseren Schulen zeugung, wir hätten mehr Erfolg, wenn Sie die Wissen- bei der Digitalisierung zu helfen; denn das können sie, schaft nicht jedes Jahr mit bürokratischen Richtlinien und das wollen sie auch, meine Damen und Herren. nerven würden, sondern den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern wirklich Raum zur Arbeit geben wür- (Beifall bei der LINKEN) den, meine Damen und Herren. Natürlich ist es richtig, sich mit künstlicher Intelligenz (Beifall bei der LINKEN – und mit Quantencomputern auseinanderzusetzen. Aber es [CDU/CSU]: Das tun wir ja seit vielen Jahren!) kann doch nicht sein, dass die nächste Generation dann mit Kreide und Schiefertafel an die Unis kommt. Das ist Wir brauchen eine bessere Grundausstattung von nicht zukunftsgerecht, meine Damen und Herren. Schulen und Universitäten. Ich finde, Sie hätten jetzt in der Pandemie die Aufgabe gehabt, die Wissenschafts- (Beifall bei der LINKEN) kommunikation wirklich effektiv zu organisieren. So Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Oktober 2020 22735

Dr. Gesine Lötzsch (A) haben Sie den Verschwörungstheoretikern viel Feld über- (Zuruf des Abg. Tankred Schipanski [CDU/ (C) lassen. Das haben wir in unserem Land überhaupt nicht CSU]) nötig bei den hervorragenden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die wir haben. Also sind wir noch etwa 980 Millionen Euro entfernt von dem Ziel, das Sie sich selber gesetzt haben. Sie haben es (Beifall bei der LINKEN) trotz der guten Vorbereitungen und trotz der Zeit von Meine Damen und Herren, ich frage mich: Was haben zwei Jahren nicht geschafft, das Geld auch nur zu einem Sie eigentlich den ganzen Sommer gemacht, Frau Minis- Bruchteil dorthin zu bringen, wo es hingehört, nämlich in terin? Wenn die Feuerwehr so arbeiten würde wie Sie, die Schulen in diesem Land. dann wäre unser Land schon abgebrannt. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Beifall bei der LINKEN) sowie bei Abgeordneten der FDP) Meine Damen und Herren, uns Ossis wurde vor 30 Jah- ren erzählt, dass wir nun in eine Leistungsgesellschaft Jetzt reden wir ja darüber, wie dringlich das ist. Und ja, kommen. Tausende Wissenschaftlerinnen und Wissen- es ist berechtigt, zu fragen: Wo waren Sie eigentlich die schaftler wurden nach fragwürdigen Bewertungen abge- letzten Jahre? Warum gab es keinen Bildungsgipfel? wickelt. Welche Verschwendung von Potenzial! Das dür- Warum musste die Kanzlerin jetzt erst im Herbst damit fen wir uns in unserem Land nicht noch einmal leisten. loslegen, damit in diesem Land überhaupt was passiert? Wo war unsere Ministerin? Sie haben aus einem (Beifall bei der LINKEN – Tankred Schipanski Zukunftsprojekt ein Armutszeugnis für dieses Land [CDU/CSU]: Ist schon vorbei? Wahrscheinlich kreiert. Das geht auf Ihre Rechnung, Frau Ministerin! brennt es jetzt in der Linksfraktion!) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Vizepräsidentin Petra Pau: sowie bei Abgeordneten der FDP – Albert Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun die Rupprecht [CDU/CSU]: Unsinn! Vollkomme- Kollegin Deligöz das Wort. ner Unsinn, was Sie da sagen!) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) – Wenn Sie da von Unsinn reden: Wir haben tatsächlich einige Studien über unsere Schülerinnen und Schüler in Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): diesem Land. Diese stellen fest, dass in Deutschland Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! gerade mal jedes zehnte Kind – jedes zehnte Kind! – in Liebe Frau Ministerin! Herr Staatssekretär! Eigentlich der Coronazeit überhaupt Zugang zum digitalen Unter- richt hatte. Wir wissen, dass – Stand heute – in Deutsch- (B) sollte das jetzt die spannendste Debatte des Tages sein, (D) weil gerade in der Coronapandemie ja ein besonders land 50 000 Schülerinnen und Schüler in Quarantäne sind grelles Schlaglicht auf die Bildungs- und Forschungspo- und dass auch sie keinen ausreichenden Zugang zum litik in diesem Land fiel, und das zu Recht. Denn die digitalen Unterricht haben, obwohl wir seit einem halben wesentlichen und die wichtigsten Fragen unserer Zeit Jahr über dieses Thema reden, obwohl wir die Sommer- stellen sich in Ihrem Bereich: Wie machen wir das Bil- pause, die Sommerferien hatten. Wo waren Sie eigentlich dungssystem krisenfest? Wie schaffen wir die richtigen in dieser Zeit? Warum haben Sie das nicht vorange- Rahmenbedingungen für eine bestmögliche Impfstoffent- bracht? Und warum stellen Sie das als Aufbruch dar, wicklung? Wie kriegen wir es hin, in der Arzneimittel- dass Sie jetzt darüber nachdenken, vielleicht irgendwann forschung nach vorne zu kommen? Wie können wir mal etwas zu machen. sicherstellen, Deutschland gerade auch in dieser Zeit in einen Innovationsstandort zu verwandeln? Das sind (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) essenzielle Fragen unserer Zukunft. Das ist zu spät. Das geht auf Kosten unserer Schülerinnen Wenn man sich die Steigerungen der Mittel in Ihrem und Schüler in diesem Land, Frau Ministerin. Haushalt anschaut, könnte man meinen, dass Sie das genauso sehen und dass Sie deshalb so viel Geld hinein- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN investieren. Dann wirft man aber einen zweiten Blick auf sowie des Abg. Dr. h. c. Thomas Sattelberger Ihren Etat und muss leider, leider feststellen, dass zwi- [FDP]) schen Anspruch und Realität eine ganz große Lücke ist. Als Haushälterin muss ich Ihnen noch mal eins sagen: (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Natürlich steigen die Mittel, und das finden wir gut. Aber sowie bei Abgeordneten der LINKEN) in Ihrem Haus mangelt es, ehrlich gesagt, gerade nicht an Ich fange meine Beispiele auch mit der Digitalisierung Geld, in den Schulen an. Ich habe letzte Woche diese Zahl bei Ihnen abgefragt – das kam ja inzwischen in die Öffent- (Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Das lichkeit –: Wie ist das denn mit diesen 5 Milliarden Euro stimmt!) für den DigitalPakt? Immerhin haben wir mehrere Jahre sondern in Ihrem Haus mangelt es an Umsetzung. darüber beraten. Dann hatten Sie nun zwei Jahre Zeit, um das Geld auszugeben. Sie haben selber gesagt: Ihr Ziel (Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Das sind Ausgaben von 1 Milliarde Euro in 2020. – Heraus- stimmt!) gekommen sind Ausgaben von bisher 15,7 Millionen Euro. Da gibt es ganz, ganz viele Beispiele. 22736 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Oktober 2020

Ekin Deligöz (A) Gucken Sie sich mal an, wie Ihr Verfahren zur Vergabe (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. (C) der Batterieforschungsfabrik gelaufen ist. Ich brauche Dr. [SPD] – Zuruf der jetzt nicht den Bundesrechnungshof zu zitieren. Ich Abg. Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- kann dafür auch ganz viele Bundesländer hinzuziehen. NEN]) Sie haben es einfach in den Sand gesetzt. So! In der Tat, als wir den DigitalPakt Schule aufgelegt (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – haben, hatten wir mit den Ländern zusammen die Abläufe Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU) geplant. Wir wissen, dass Corona diese Abläufe jetzt zwingend beschleunigt. Deswegen diskutieren wir jede Schauen Sie sich mal die Agentur zur Förderung von Woche mit den Ländern, telefonieren mit den Schul- Sprunginnovationen an. Das sollte ein innovatives Instru- leitern, mit den Eltern usw. Wir haben jede Woche mehr- ment sein, das dieses Land voranbringt. Und es geht in fach die Abstimmung, an welchen Schrauben wir drehen einem Schneckentempo voran. Moment! Wahrscheinlich können, um das zu beschleunigen. werden Sie von den Schnecken dabei sogar noch über- holt. Ich war danach gespannt, was die Opposition dazu (Heiterkeit bei Abgeordneten der LINKEN) sagt. Kollegin Suding, Sie haben einen Namensartikel im „Tagesspiegel“ geschrieben: Ich war echt gespannt, Oder schauen Sie sich mal an, was im Bereich KI weil wir nach Lösungen suchen. Sie schrieben damals: passiert oder im Bereich Quantentechnologie oder Grü- Wir brauchen den „Turbo für die Digitalisierung“. Ein ner Wasserstoff – alles wirklich ambitionierte Ziele –: „Unterrichtsdesaster“ wie zu Beginn der Coronakrise Wir kommen da aber nicht voran. Sie verspielen hier darf sich nicht wiederholen. Vertrauen. Es will auch niemand mehr so richtig mit Ihnen arbeiten, weil Sie das Vertrauen der Wissenschaft (Beifall bei Abgeordneten der FDP – Bettina in diesem Land verspielt haben. Stark-Watzinger [FDP]: Genau!) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ich war total gespannt, was dann Ihre Lösungen sind. Wissen Sie was? Kein einziger ernstzunehmender Punkt, Frau Ministerin, in Ihrem Haus hapert es immer und der uns jetzt irgendwie voranbringt. Sie haben Ihr Stan- immer wieder an der Umsetzung. Das ist eine schlechte dardprogramm Digitalpakt 2.0, das Sie vor fünf Monaten Managementleistung. Obwohl Sie und Ihr Haus für einen entwickelt haben, wiedergekäut: Nullkommanull konkre- Aufbruch in diesem Land stehen sollten, schaffen Sie ten Verbesserungsvorschlag! genau das nicht. Wir dürfen aber nicht stehen bleiben. Wir dürfen nicht das Alte konservieren, sondern wir müs- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- (B) sen in die Zukunft investieren, Frau Ministerin. Und wis- neten der SPD – Katja Suding [FDP]: Sie haben (D) sen Sie was? Auch ich traue Ihnen nicht zu, dass das in es ja nicht mal umgesetzt! – Weiterer Zuruf des dieser Wahlperiode überhaupt noch geschehen kann. Abg. Dr. h. c. Thomas Sattelberger [FDP]) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Das ist übrigens das, Herr Sattelberger – zu Ihnen komme ich auch noch –, was die FPD inzwischen aus- Vizepräsidentin Petra Pau: zeichnet. Die Grundrichtung ist wirklich oft vernünftig. Das Wort hat der Kollege Albert Rupprecht für die (Katja Suding [FDP]: Nutzen Sie Ihre Redezeit CDU/CSU-Fraktion. doch mal, um Ihre Vorschläge statt andere zu (Beifall bei der CDU/CSU) präsentieren! Sagen Sie mal Ihre Lösung! Dafür sind Sie doch da!) Albert Rupprecht (CDU/CSU): – Zuhören! Frau Suding, zuhören! Ich bedauere es im Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Übrigen, dass Sie, Frau Suding, nicht mehr für den Bun- Liebe Kollegen! Frau Deligöz, viel Polemik, destag antreten werden. – Herr Sattelberger, ich finde Ihre Ideen oft wirklich interessant und spannend. Aber wenn (Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: es dann konkret wird: Wissen Sie, was Sie dann machen? Nichts davon! Keine Zahl war Polemik! Nichts Statt konstruktiv-konkret umsetzungsfähig zu sein, davon!) machen Sie Riesenüberschriften, weil Ihnen letztendlich aber keinen einzigen konkreten Vorschlag, keinen einzi- nicht die konstruktive Lösung, sondern die Medienbot- gen! schaft, die Show nach außen, das Wichtigere ist. Dass Sie am Schluss in der „Wirtschaftswoche“ stehen oder in der (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. „FAZ“, das ist Ihnen wichtiger. Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]) (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- Frau Stark-Watzinger, 6,5 Milliarden für den Digital- neten der SPD – Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/ Pakt: Das ist nicht eine Petitesse. Das ist ein Riesenbe- DIE GRÜNEN]: Sagt die CSU! – Katja Suding trag! [FDP]: Dann präsentieren Sie doch Ihre (Zurufe von der FDP und dem BÜNDNIS 90/ Lösung! Wo ist sie denn? Wo ist sie denn, die DIE GRÜNEN) Lösung?) Ich würde mal sagen, hier wäre eigentlich Beifall, Lamet- Zu den Linken. Wir haben ja ein Thema in den Coro- ta und Zustimmung angesagt, statt hier rumzukritisieren. nazeiten, bei dem wir uns wirklich anstrengen müssen. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Oktober 2020 22737

Albert Rupprecht (A) (Dr. Birke Bull-Bischoff [DIE LINKE]: Man (Dr. Götz Frömming [AfD]: Gerade heute (C) hat doch auch Anlass dazu!) nicht!) – Gerne, wir lernen alle tagtäglich dazu. – Also, was ist Es ist nicht mehr anzuhören. das Programm der Linken bei dem großen Thema „Stabi- lisierung der beruflichen Bildung“, das auch bei uns (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- angesiedelt ist? Wir wollen, dass die Ausbildungszahlen ordneten der SPD) nicht zurückgehen. Was ist das große Rezept, das Sie Was sagt Ihr Pressesprecher – noch mal ein paar Punk- hervorholen? Wissen Sie was? Den uralten, vollkommen te –, den Sie jetzt gefeuert haben? Deutschland muss es überholten, unbrauchbaren Ladenhüter Ausbildungs- schlecht gehen, damit die AfD besser dasteht. – Man hat platzabgabe, den holen Sie wieder hervor. ernsthaft den Eindruck, dass es das ist, was Sie verbrei- (Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Umlage! – ten. Wenn ich die Kollegin Höchst jetzt mit dem zitiere, Dr. Birke Bull-Bischoff [DIE LINKE]: Umla- was sie zum Thema Digitalisierung hier im Plenum von ge!) sich gibt, dann wird deutlich, dass sie genau das macht: Dinge schlechtreden, damit die Leute draußen panisch Das ist die zentrale Botschaft in Coronazeiten, um Aus- werden und dann sagen, die AfD sei die große Rettung. bildungsplätze zu stabilisieren. Ungeheuerlich! Unge- heuerlich! Was sagt sie, die Frau Höchst, zur Digitalisierung im Jahr 2020? Sie malt Dämonen an die Wand. Sie sagt: Ein (Beifall bei der CDU/CSU – Katja Suding „flächendeckender digitaler Unterricht“ killt die Bil- [FDP]: Wollen Sie das jetzt hier neun Minuten dungschancen. Weiter sagt sie: Diese „gottlose Digitali- lang machen? – Weitere Zurufe von der FDP, sierung“ führt zum „beziehungsuntauglichen Schüler mit der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE … ideologisch verpixelter Weltsicht und digitaler GRÜNEN) Demenz.“ – Ja, herausragende Leistung! Frau Höchst, Da lesen wir Ihre Sachen weiter durch und versuchen in welchem Jahrhundert leben Sie denn eigentlich? auch da, was herauszufinden. Zugleich sind wir mit dem (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- BIBB im Dauergespräch: Wie ist die Situation? Was wol- neten der SPD – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/ len wir machen? Wo sollen wir nachsteuern? Und so DIE GRÜNEN]: Aber die ist wieder nicht da!) weiter. Dann vergleichen wir das mit den Positionen, die Sie formulieren. Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, wir haben seit 15 Jahren die Regierungsverantwortung. Die Zahlen (Zuruf der Abg. Kerstin Kassner [DIE LIN- noch mal in Kürze: Der Haushalt des Forschungsminis- KE]) (B) teriums von Anja Karliczek ist seit 2005 von 7,6 Milliar- (D) Wir lesen ja Ihre Anträge. Nichts drin. Letztendlich ist es den auf 20,2 Milliarden Euro gestiegen; das ist in dieser so: Die einen machen eine Show für die Medien, und die Zeit fast eine Verdreifachung. Das ist ein Kraftwerk und anderen machen Ideologie. Brauchbar ist praktisch gar eine Spitzenleistung, die auch im internationalen Kontext nichts. vorzüglich und exzellent ist und an der Spitze liegt. Des- wegen hat sich das Wissenschaftssystem in Deutschland (Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Sie massiv weiterentwickelt, und deswegen hat das deutsche reden nur! – Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/ Wissenschaftssystem international großes Ansehen. DIE GRÜNEN]: Jetzt sagen Sie mal, was Sie machen!) Ein Indiz – Zahlen sind letztendlich entscheidend – ist die Zahl der ausländischen Wissenschaftler, die nach – Genau. Nachher kommen wir noch zur AfD, dann kom- Deutschland wollen: 2005 waren es 21 000, 2018 waren men wir zu den Grünen. es 50 000; sie hat sich mehr als verdoppelt. Das sind (Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Indizien, die zeigen, dass das, was hier gemacht wird, Sie sollen mal was zu Ihrer Politik sagen! – vielleicht von der Opposition kritisiert, aber weltweit Katja Suding [FDP]: Wir wollen lieber hören, honoriert, respektiert und wertgeschätzt wird, sehr geehr- was Sie machen wollen!) te Damen und Herren. Herr Frömming, Ihre Kollegin von der AfD ist heute (Beifall bei der CDU/CSU – Bettina Stark- leider nicht da. Deswegen kriegen Sie es jetzt ab. Watzinger [FDP]: Das sind ja Studenten! – Gegenruf des Abg. Dr. Götz Frömming (Dr. Götz Frömming [AfD]: Okay! Her damit! – [AfD]: Genau! Die kriegen ein Stipendium!) Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist hier doch kein Kasperletheater!) Wir machen das nach Leitbildern und nach Grund- werten, die vor der Krise und auch während der Krise Jede zweite Debatte – heute haben Sie es ausnahmsweise galten: Freiheit und Vernunft. Deswegen gibt es das Wis- nicht gemacht – endet ideologisch mit dem Schluss: Die senschaftsfreiheitsgesetz aus dem Jahre 2012, ein Mei- Ausländer sind schuld. – Es ist kaum mehr anzuhören. lenstein für die Wissenschaftscommunity in Deutschland, Bei jedem zweiten Antrag, für Exzellenz und internationale Wettbewerbsfähigkeit. (Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es gibt die Exzellenzinitiative, Alexander-von-Hum- Bei jedem!) boldt-Professuren und vieles andere darüber hinaus. bei jeder zweiten Diskussion, ob im Ausschuss oder hier: (Dr. Götz Frömming [AfD]: Wer holt denn jetzt Am Schluss sind die Ausländer verantwortlich. die Nobelpreise?) 22738 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Oktober 2020

Albert Rupprecht (A) Verlässlichkeit ist wichtig, damit die Community weiß, unsere Position, dass das BAföG die fundamentale, zent- (C) was im nächsten Jahr passiert; das sind Mehrjahrespro- rale Sozialleistung ist, die dafür sorgt, dass jeder junge jekte. Es gibt die drei großen Pakete: Pakt für Forschung befähigte Mensch in diesem Land studieren kann, unab- und Innovation, Innovative Hochschule und Zukunftsver- hängig vom Einkommen der Eltern. Deswegen haben wir trag Studium und Lehre mit einem Rekordvolumen von 2 Milliarden Euro in den Haushalt eingestellt, und des- 160 Milliarden Euro für die nächsten Jahre. Bis zum Jahr wegen haben wir in dieser Legislatur um 1,3 Milliarden 2030 gibt es Planungssicherheit, sehr geehrte Damen und Euro zusätzlich aufgestockt. Herren. Wo gibt es das denn sonst in anderen Ländern in Europa? – Na, dann Beifall, bitte! Vizepräsidentin : (Beifall bei der CDU/CSU – Tankred Kommen Sie zum Schluss. Schipanski [CDU/CSU]: In keinem Land!) Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, wir halten auch in Albert Rupprecht (CDU/CSU): der Krise haushalterisch mit 20,2 Milliarden Euro Kurs; Ich komme zum Schluss. das ist der höchste Wert. Wir unterstützen die Länder dort, wo sie überfordert sind, wo das Subsidiaritätsprin- Vizepräsidentin Claudia Roth: zip angewandt wird und wo wir sehen, dass sie die Unter- Ja, aber flott. stützung des Bundes brauchen.

Noch mal das Thema Digitalisierung in den Schulen. Albert Rupprecht (CDU/CSU): Das war eine harte Diskussion bei uns: Wieso machen das Okay, ich überfliege die Seiten besser. die Länder eigentlich nicht selbst?

(Dr. Götz Frömming [AfD]: Wäre besser Vizepräsidentin Claudia Roth: gewesen!) Ja, das habe ich schon gesehen. Sie haben noch andert- Irgendwann sind wir zur Erkenntnis gekommen – Sub- halb Seiten. Sie können das gerne machen; aber dann sidiaritätsprinzip –: Sie schaffen es nicht. Es macht kei- bekommen Sie Ärger mit Herrn Schipanski. nen Sinn, dass jedes Bundesland eine eigene Cloud macht usw. Deswegen gibt es die Unterstützung des Bundes mit Albert Rupprecht (CDU/CSU): inzwischen 6,5 Milliarden Euro. Ich muss jetzt zum gedanklichen Schluss kommen. – Ich gehe weiter zu anderen Themen. Wichtig in der Dazu stehen wir: Bedürftigkeit, Sozialstaatsprinzip; aber Krisenzeit ist die Frage: Nach welchen Werten, nach wel- nicht: BAföG für alle. Denn es macht keinen Sinn und ist (B) chen Leitbildern agieren wir? Ich habe wirklich große völlig absurd, dass ein Arbeitnehmer, der bei VW an der (D) Sorge, dass im Augenblick der Eindruck grassiert: Na Werkbank arbeitet, das Studium des Sohns eines Arztes ja, das Manna fällt vom Himmel, jeder wird bedient, jeder mit Steuern finanziert; das kann es wohl nicht gewesen kriegt ein Wahlgeschenk oder sonst was, und in fünf sein. Jahren wird das schon irgendjemand finanzieren. Danke schön. (Bettina Stark-Watzinger [FDP]: Sie stimmen (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- doch dem Haushalt zu!) ordneten der SPD) Das war nie die Position der Union. Wir müssen letzt- endlich immer eine scharfe Trennlinie ziehen: „Wer Vizepräsidentin Claudia Roth: braucht aktuell in der Notsituation wirklich Unterstüt- Ich danke Ihnen, Herr Rupprecht. – Schönen guten zung, und wer braucht sie nicht?“, weil das Geld darüber Abend, liebe Kolleginnen und Kollegen! hinaus gespart werden muss, um in die Zukunft zu inves- tieren. Nächster Redner: für die AfD-Fraktion Marcus Bühl. (Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: (Beifall bei der AfD) Aber was ist mit der Pkw-Maut?) Jetzt kommen wir zur heiligen oder unheiligen Allianz Marcus Bühl (AfD): der FDP gemeinsam mit den Grünen. Ein studentisches Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Grundeinkommen, liebe Kolleginnen und liebe Kollegen, Liebe Zuschauer an den Bildschirmen! Der Regierungs- ist vollkommen absurd. entwurf für den Haushalt des Bundesministeriums für Forschung und Bildung soll auch nächstes Jahr bei über (Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: 20 Milliarden Euro liegen. Nun bedeutet viel nicht Das ist doch gar nicht unsere Position! – zwangsläufig, dass es viel bringt. Dr. [Rhein-Neckar] [FDP]: Wie können Sie einen solchen Unsinn reden? (Dr. Götz Frömming [AfD]: Richtig!) Lesen bildet!) Wenn man den Einzelplan betrachtet, dann bekommt Es ist richtig, zu sagen, dass jemand, der in Coronazeiten man den Eindruck, es handele sich um eine Art bunten als Studierender oder Studierende in einer Krisensitua- Gemischtwarenladen. Ein roter Faden oder auffällige tion ist, unterstützt wird. Deswegen haben wir zwei Schwerpunktsetzungen kommen mir dabei deutlich zu Instrumente, die genau das ermöglichen: KfW-Kredit kurz. Mit der vorangegangenen Grundgesetzänderung und Notprogramm. Darüber hinaus ist es natürlich klar hat die Regierungskoalition den Föderalismus weiter ver- Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Oktober 2020 22739

Marcus Bühl (A) wässert. Der Bund greift mit dem DigitalPakt Schule in Vizepräsidentin Claudia Roth: (C) die Kernkompetenzen der Länder ein und entlässt die Vielen Dank, Herr Bühl. – Der nächste Redner: für die Länder gleichzeitig aus ihrer Verantwortung. Das ist kei- SPD-Fraktion Swen Schulz. ne gute Entwicklung. (Beifall bei der SPD) (Beifall bei der AfD – Dr. Götz Frömming [AfD]: Richtig! Deshalb klappt das nicht!) Swen Schulz (Spandau) (SPD): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Es gibt ja einen wahren Überbietungswettbewerb, die Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es gibt letzt- Mittel für diesen Pakt auszuweiten: 500 Millionen Euro lich nur einen Weg, mit der Pandemie fertigzuwerden: mehr für Endgeräte im Nachtragshaushalt und nochmals mit einem Impfstoff. Und den bekommen wir nur, wenn 500 Millionen Euro mehr für nächstes Jahr. Alleine die die Forschung erfolgreich ist. Ebendiese Forschung Tatsache, wie wenig bis gar nicht diese Bundesmittel vor unterstützen wir massiv. Ein Forschungserfolg ist natür- Ort an den Schulen ankommen, lässt nichts Gutes erah- lich nicht garantiert; aber wir lassen jedenfalls nichts nen. Wenn das Tempo genauso läuft wie beim flächen- unversucht. Wir nehmen Geld in die Hand, um die Pande- deckenden Breitbandausbau seit über 15 Jahren, haben mie zu besiegen, meine sehr verehrten Damen und Her- die Schüler von heute ihre Ausbildung oder ihr Studium ren. längst beendet. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten (Beifall bei der AfD) der CDU/CSU) Dabei haben die letzten Monate doch eines deutlich Ein besseres Beispiel für die herausragende Bedeutung gezeigt: Die Länder haben über Jahrzehnte die Moder- von Wissenschaft kann es in diesen Tagen wohl kaum nisierung und Instandhaltung von Schulgebäuden ver- geben. Darum setzen wir hier einen Schwerpunkt. Das nachlässigt. Ein milliardenhoher Investitionsstau ist bun- gilt schon für die ganzen letzten Jahre, und das gilt heute desweit aufgelaufen. Die Sanierung unserer Schulen in der Krise ganz besonders. Es wäre jetzt das Verkehr- wäre ein Konjunkturimpuls und eine Zukunftsinvestition. teste, hier zu kürzen. Im Gegenteil: Investitionen in Bil- dung und Forschung sind gerade jetzt wichtiger denn je, (Dr. Götz Frömming [AfD]: Richtig!) und darum machen wir das auch. Aber hier sind vor allem die Bundesländer in der (Beifall bei der SPD) Pflicht, mehr zu leisten. Die Länder haben in den vergan- Im vergangenen Jahr 2019 betrugen die Ausgaben des genen Jahren auch Steuermehreinnahmen gehabt. Auch Ministeriums für Bildung und Forschung gut 17 Milliar- (B) bei den Hochschulen sind die Länder mit dem Hoch- den Euro, was auch schon ein Rekordwert war. Im jetzt (D) schulpakt entlastet worden. Alleine 20 Milliarden Euro laufenden Jahr 2020 haben wir über 20 Milliarden Euro hat der Bund dafür bereitgestellt; jedoch sind die Ergeb- vorgesehen. Und der Haushaltsplanentwurf für das nisse bescheiden. Ein Bericht des Bundesrechnungshofes nächste Jahr 2021, den wir heute hier diskutieren, sieht kommt zu dem Schluss, dass die angestrebte Verbesse- noch mal über 20 Milliarden Euro vor. Hinzu kommen rung des Betreuungsverhältnisses zwischen Studenten noch Mittel, die an anderer Stelle des Haushaltes stehen, und Hochschulpersonal unter dem vom Jahr 2005 geblie- etwa für künstliche Intelligenz, Wasserstoff, Quanten- ben sei. Gleichzeitig haben sich intransparente Strukturen technologie, Ausbau Ganztagsbetreuung an Schulen, gebildet, und Mittel wurden auch zweckentfremdet, zum DigitalPakt Schule, 5 G, 6 G und anderes mehr. Keine Beispiel für Hochschulbau ausgegeben. Die Länder Koalition hat jemals so viel für Bildung und Forschung haben noch immer 2,5 Milliarden Euro Ausgabenreste getan wie diese – keine! aus diesem Programm. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Mit dem Folgeprogramm „Zukunftsvertrag Studium und Lehre stärken“ steigt der Bund dauerhaft in die Ich möchte ausdrücklich Ministerin Karliczek und Grundfinanzierung der Hochschulen ein und bietet den Bundesfinanzminister Olaf Scholz dafür danken. Wir Bundesländern erneut die Möglichkeit, sich aus der Ver- investieren in Bildung und Forschung und Wissenschaft, antwortung zu ziehen. und wir machen das gezielt, um stark aus der Krise herauszukommen. (Beifall bei der AfD – Dr. Götz Frömming (Dr. Götz Frömming [AfD]: Was kommt denn [AfD]: Ein großer Fehler!) dabei raus?) Das BMBF, Frau Ministerin, hat im Zukunftsvertrag Was bedeutet das im Einzelnen? Ich kann hier nur Bei- nicht einmal Haftungstatbestände formuliert für die spiele nennen, aber vielleicht interessiert es Sie ja, und zweckwidrige Verwendung von Bundesmitteln wenn Sie gut zuhören, dann lernen Sie möglicherweise noch etwas, Herr Frömming. (Stephan Albani [CDU/CSU]: Wie soll das denn gehen?) (Dr. Götz Frömming [AfD]: Immer gern!) Wir kümmern uns etwa darum, dass die angewandte For- So kann man mit unseren Steuermitteln nicht umgehen. schung, die gemeinsam mit den Unternehmen umgesetzt Ich danke für die Aufmerksamkeit. wird, in der Krise nicht unter die Räder kommt. 1 Milliar- de Euro insgesamt haben wir für die Einrichtungen und (Beifall bei der AfD) Unternehmen zur Verfügung gestellt. Ähnlich wie beim 22740 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Oktober 2020

Swen Schulz (Spandau) (A) Kurzarbeitergeld wollen wir auch bei Forschung und Ent- Ich komme zu einer weiteren wichtigen Frage, die auch (C) wicklung Brüche vermeiden, die der Wirtschaft und dem hier in der Debatte schon eine Rolle gespielt hat. Diese Arbeitsmarkt, letztlich uns allen, schwer schaden wür- Krise zeigt sehr deutlich, dass die Digitalisierung, gerade den. Mit dieser Förderung tragen wir erheblich dazu in der Bildung und in den Schulen, eine riesige Heraus- bei, dass unsere Wirtschaft langfristig auf Wachstums- forderung bedeutet. Nun haben wir dieses Thema nicht kurs bleibt und Arbeitsplätze gesichert und neu geschaf- jetzt erst entdeckt; der DigitalPakt Schule ist deutlich fen werden. älter als die Pandemie. Es gibt jedoch Kritik an seiner schleppenden Umsetzung. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Dazu kann ich sagen: Ich verstehe das; ich bin selber Vater von Schulkindern. Wir versuchen, die Dinge Meine sehr verehrten Damen und Herren, es geht im zusammen mit den Ländern zu beschleunigen, und haben Etat für Bildung und Forschung aber nicht nur um die auch Geld für zusätzliche Maßnahmen zur Verfügung großen Forschungsprojekte, um die Unternehmen, die gestellt. Wenn ich aber, bei aller verständlichen Unge- Spitzenforschung, die Nobelpreisträger, sondern es geht duld, hier so manche Stimme aus der Opposition höre, auch – und das verlieren wir nicht aus dem Blick – um dann finde ich es, ehrlich gesagt, ein wenig billig, jetzt Menschen, bei denen nicht immer alles super gelaufen ist. auf der Bundesregierung herumzuhacken; In Deutschland gibt es zum Beispiel viele Bürgerinnen und Bürger, die nicht gut lesen, schreiben und rechnen (Katja Suding [FDP]: Wie bitte?) können, die häufig berufstätig sind, die zum Arzt und denn zuständig sind und bleiben die Bundesländer, meine zum Einkaufen gehen, die Behördengänge machen und sehr verehrten Damen und Herren. jeden Tag besonders stark sein müssen, weil das Leben (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der sie vor Herausforderungen stellt, die sich viele kaum vor- CDU/CSU – Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE stellen können. GRÜNEN: Ah!) (Zuruf des Abg. Dr. h. c. Thomas Sattelberger Ich habe noch von keinem Bundesland gehört, dass es die [FDP]) Kompetenz an den Bund übertragen will. Auch hier unterstützen wir; denn die Alphabetisierung, (Dr. Götz Frömming [AfD]: Wer hat denn die Herr Sattelberger, ist zentral für gesellschaftliche Teil- Regelungen gemacht? – Zuruf des Abg. Kai habe und Chancen. Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Es kommt noch etwas hinzu, meine sehr verehrten Damen und Herren: In den Landesregierungen sind häu- (B) (D) Natürlich ist uns die berufliche Bildung besonders fig gerade die Parteien in Verantwortung, die hier als wichtig. Darum haben wir das Aufstiegs-BAföG verbes- Opposition flotte Sprüche machen. Darum meine Bitte: sert. Gegenüber 2019 verdoppeln wir die Mittel auf nun Lieber die Energie aufwenden, um an einem Strang zu über 500 Millionen Euro. Das ist eine Erfolgsgeschichte ziehen und den DigitalPakt Schule zum Erfolg zu führen, sondergleichen, meine sehr verehrten Damen und Her- als hier immer der nächsten billigen Schlagzeile nachzu- ren! laufen. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) In dieser Krisenzeit denken wir auch an die Ausbil- dungsplätze. Zur Sicherung der Ausbildung setzen wir insgesamt 500 Millionen Euro im Etat des Ministeriums Vizepräsidentin Claudia Roth: für Bildung und Forschung ein, damit nicht infolge des Kommen Sie bitte zum Schluss. Wirtschaftseinbruches die junge Generation leidet und morgen die Fachkräfte fehlen. Wir lassen die Auszubild- Swen Schulz (Spandau) (SPD): enden und die Betriebe nicht allein. Es gibt natürlich noch eine ganze Menge weiterer inte- ressanter Themen, – (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsidentin Claudia Roth: Es gäbe noch eine ganze Menge Positives zu erwäh- Nicht jetzt! nen; aber ich will auch Probleme ganz offen ansprechen. Das BAföG für Schülerinnen und Schüler und für Studie- Swen Schulz (Spandau) (SPD): rende haben wir zwar mit einer Novelle verbessert, doch – die wir uns vornehmen, die ich jetzt aber leider, leider die Effekte bleiben hinter den Erwartungen zurück. Auch nicht erwähnen darf. die Erfahrungen mit der Pandemie-Nothilfe für Studie- rende machen deutlich, dass wir erheblichen Handlungs- Ich freue mich auf die Haushaltsberatungen und denke, bedarf haben; Oliver Kaczmarek hat darauf hingewiesen. dass wir vielleicht noch den einen oder anderen Verbes- Die SPD wird sich weiter für Verbesserungen einsetzen. serungsvorschlag machen werden. Das BAföG muss schneller und stärker ausgebaut wer- Danke schön. den, als wir es bislang in der Koalition verabredet haben. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten (Beifall bei der SPD) der CDU/CSU) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Oktober 2020 22741

(A) Vizepräsidentin Claudia Roth: ihr Geld nicht ausgeben. Ein Grundprinzip Ihrer Politik, (C) Vielen Dank, Swen Schulz. – Nächster Redner: für die Frau Ministerin, besteht darin, Geld ins Schaufenster zu FDP-Fraktion Dr. Thomas Sattelberger. stellen und dann die Auszahlung zu verunmöglichen. (Beifall bei der FDP) (Beifall bei der FDP) Wie sieht es bei der qualifizierten Einwanderung aus? Dr. h. c. Thomas Sattelberger (FDP): Die Studie des Stifterverbands von 2018 ist nach wie vor Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mit Blick gültig. Uns fehlen an die 100 000 KI-Experten. Professor auf unsere Bildungsausgaben hat die OECD vorgestern Harhoff hat festgestellt: Mehr KI-Forscherinnen und sardonisch festgestellt: Nicht die Höhe der Ausgaben -Forscher verlassen dieses Land als zu uns kommen. – macht den Unterschied, sondern die Frage, wie intelligent Deutschland leidet auch an diesem Punkt unter Brain- ein Land investiert. drain. Von den 100 vollmundig angekündigten KI-Profes- (Zuruf von der AfD: Richtig!) soren sind derzeit wohl erst zwei in Amt und Würden. Vor zwölf Jahren hat die Kanzlerin die Bildungsrepub- Die Bilanz Ihrer Arbeit, Frau Karliczek, ist dunkelrot. lik ausgerufen. Bis heute schreibt die OECD der Bundes- Vollends deutlich wird dies werden, sobald sich Corona regierung Ungerechtigkeit und soziale Undurchlässigkeit von dannen macht. Dann werden wir feststellen, dass die ins Stammbuch. Das betrifft nicht nur die Frage, wie viele digital aufgestellten Nationen aus dieser herben Krise als Arbeiterkinder ein Studium aufnehmen, sondern auch das Gewinner hervorgegangen sein werden. Frau Karliczek, anderthalbmal höhere Risiko für finanziell schwächere kein Thema Ihres Ressorts haben Sie geführt; Sie haben Schüler, eine Klasse wiederholen zu müssen. Liebe Koa- vielmehr die Themen verwaltet und sich von Ihren Beam- litionäre: Milliarden Euro ins Bildungssystem zu ten durch die Manege ziehen lassen – mit dem Ergebnis, schütten, sorgt nicht automatisch für Klugheit im System. dass Ihnen bei der Batteriezellenforschung jetzt die Bun- Deswegen, hippeliger Kollege Rupprecht, reden wir über desrechnungshofberichte um die Ohren fliegen. Dummheit in der Bildungspolitik. Wegen der Politik der faulen Hand klafft in Deutsch- (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten land eine Bildungs- und Innovationslücke. Sie haben ver- der AfD) passt, den Weg kreativer Selbsterneuerung zu beschrei- ten. Die Schulen sind eingefroren auf Vor-Corona-Level. Und deswegen hat die Kanzlerin in diesem Jahr schon Während Bund und Länder noch herumlaborieren, bauen zwei Bildungsgipfel einberufen müssen, mit Tamtam und andere Nationen bereits ihre Innovationspipeline: Südko- magerem Ergebnis. Corona bringt die ganze Misere ans rea, Dänemark, Schweiz oder Kanada. Krise als Chance (B) Tageslicht, vor allem, wie grottenschlecht dieser Staat (D) nutzen. Warum schaffen das andere und Sie nicht? Der seine Lehrer für digitalen Unterricht ausbildet. Nach der Speck schwimmt weg, Frau Karliczek! PISA-Studie von vorgestern, Frau Ministerin, belegen wir Platz 76 von 78 im Nationenvergleich. (Beifall bei der FDP) (Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Im Gegensatz zu Frau Karliczek hat immerhin die Bun- Vizepräsidentin Claudia Roth: deskanzlerin gemerkt – Föderalismusdebatte hin, Födera- Die Redezeit auch. lismusdebatte her, Herr Rupprecht –, dass man den Digi- talPakt Schule nicht wie eine tote Katze über den Zaun Dr. h. c. Thomas Sattelberger (FDP): werfen kann. Ich bin fertig. (Beifall bei der FDP – Lachen des Abg. Tankred Schipanski [CDU/CSU]) Vizepräsidentin Claudia Roth: Das ist übrigens nicht das einzige unbestellte Feld. Das Ach so, Sie sind fertig; wunderbar. Danke schön, BMBF hat offenbar völlig vergessen, dass es nicht nur für Dr. Sattelberger. – Nächste Rednerin: für die Fraktion die Impfstoffentwicklung und die Bioökonomie zustän- Die Linke Dr. Petra Sitte. dig ist, sondern auch für den Transfer von Forschung: Blockchain, künstliche Intelligenz, Hightech-Strategie, (Beifall bei der LINKEN) Gentechnologie. Wer außerhalb Deutschlands über Inno- vation spricht, der denkt an Gründer und Gründerinnen, Dr. Petra Sitte (DIE LINKE): an Unternehmerinnen und Unternehmer. In Deutschland Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir bera- setzen nur 4 Prozent der Firmen künstliche Intelligenz ten heute im dritten Jahr dieser Koalition und nach einem ein. Die Zahl der KI-Start-ups liegt hier nur bei einem Dreivierteljahr der Coronakrise den letzten Einzelplan Fünftel derer in Großbritannien. Woran liegt das? An von Ministerin Karliczek. Zur Erinnerung: Nach drei Jah- fehlendem Transfer, fehlgesteuerten Mitteln, mangelnder ren erhalten Studierende – in aller Regel, wenn alle Leis- Unterstützung von Gründungen, unzureichendem Wag- tungen erbracht wurden – den Bachelorabschluss. Alle niskapital und vielen Köpfen im Sand. Leistungen erbracht mit Blick auf die Ministerin? Das Die Agentur für Sprunginnovationen: Im Juni 2018 kann ich Ihnen beim besten Willen nicht bescheinigen, kam mein Gründungsantrag ein – 27 Monate später hat nicht einmal bezüglich Ihrer selbst angekündigten Vor- die Agentur immerhin einen Aufsichtsrat; aber sie kann haben. 22742 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Oktober 2020

Dr. Petra Sitte (A) Ich habe mich immer wieder in den letzten drei Jahren (Beifall bei der LINKEN) (C) gefragt: Wann fängt diese Ministerin endlich an, zu bren- Herrn Rupprecht will ich sagen: Wenn Sie mit der Aus- nen, wann kommt da mal Leidenschaft, für ihr Ressort zu bildungsumlage oder -abgabe immer noch so fremdeln, kämpfen? Ich habe es nicht bemerkt, und Tausende haben tun Sie mir einfach leid. Die Bauwirtschaft macht das seit die Folgen davon zu tragen. Jahrzehnten, und einige Bundesländer haben das erfolg- (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- reich im Pflegebereich eingeführt. neten der FDP) (Zuruf des Abg. René Röspel [SPD]) Erstens. Im Sommer sind die neuen Zahlen – es wurde schon angesprochen; man muss es aber noch mal aus- Insofern: Hören Sie auf, die Ausbildungsumlage zu ver- drücklich vertiefen – der BAföG-Geförderten veröffent- teufeln. licht worden. Von einer Trendwende kann wieder über- (Beifall bei der LINKEN) haupt keine Rede sein. Wie befürchtet, ist der Kreis der Geförderten wieder geschrumpft: Nur noch 11 Prozent Viel wichtiger wäre jetzt, etwas zu tun. Beispielsweise der Studierenden bekommen BAföG. Vorher waren es könnten überbetriebliche Berufsbildungsstätten einen wenigstens 14 Prozent. Und nur 7 Prozent bekommen Ausgleich in dieser Zeit schaffen. Frau Ministerin, Zehn- überhaupt den vollen Betrag. tausende junger Menschen sind jetzt auf Ihre Unterstüt- zung angewiesen, werden aber genau genommen im Das hat zur Folge, dass 69 Prozent der Studierenden Regen stehen gelassen. nebenbei jobben müssen. Völlig logisch ist, dass infolge der Coronakrise für viele Studierende beim Wegfall der (Zuruf des Abg. Albert Rupprecht [CDU/ Minijobs sofort die Existenzfrage auftauchte und natür- CSU]) lich auch Reaktionen vonseiten dieses Ministeriums Drittens. Das Gleiche gilt für die Hochschulen und die erwartet wurden. Das, was Sie für Studierende getan wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. haben, war – mit Verlaub – zu wenig, es kam zu spät, Über 80 Prozent arbeiten dort mit befristeten Verträgen. und es ist nicht attraktiv genug für die Studierenden. Das ist für verlässliche wissenschaftliche Karrierepla- (Beifall bei der LINKEN und dem BÜND- nung und Leistungshonorierung völlig unakzeptabel. NIS 90/DIE GRÜNEN) (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- Die Krisenpakete haben Milliarden enthalten. Man- neten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) ches sinnvoll, manches weniger sinnvoll, beispielsweise 10 Milliarden Euro für die Rüstung – weniger sinnvoll –, Vizepräsidentin Claudia Roth: (B) 9 Milliarden Euro für die Lufthansa – darüber lässt sich Kommen Sie bitte zum Schluss. (D) streiten. Aber nicht mal 1 Milliarde Euro für 2,9 Millionen Studierende? Das finde ich einen ziemlichen Skandal. Sie lassen jene im Stich, für die Sie eigentlich Mitverantwor- Dr. Petra Sitte (DIE LINKE): tung übernommen haben, und das verstehe ich überhaupt Jawohl. – Insofern muss ich Ihnen sagen: Wären Sie nicht. eine solche, hätten Sie aus unserer Sicht nicht mal die Chance auf einen Anschlussvertrag. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN) (Beifall bei der LINKEN) Zweitens. Frau Karliczek, Sie haben uns gleich zu Beginn Ihrer Amtszeit wissen lassen, wie sehr Ihnen die Vizepräsidentin Claudia Roth: berufliche Bildung am Herzen liegt. Auch hier spürbar: Vielen Dank, Dr. Petra Sitte. – Nächster Redner: für Herzschwäche. Außer kosmetischen Neuerungen ist im Bündnis 90/Die Grünen Kai Gehring. Bereich berufliche Bildung gar nichts passiert. Es wurden (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) ein paar Master- und Bachelortitel eingeführt; aber es gab für junge Menschen keine echten Verbesserungen. Viel schlimmer: Die Zahl ausbildender Betriebe ist weiter Kai Gehring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): rückläufig. Sie wäre auch ohne Corona weiter rückläufig; Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! das wissen Sie. Und die finanziellen Coronaanreize, die Wessen Bilanz ist eigentlich schlechter: die von Ministe- jetzt eingestellt worden sind, sind für die meisten Unter- rin Karliczek oder die von Verkehrsminister Scheuer? nehmen vollkommen unattraktiv. Darüber kann man streiten. Fakt ist: Die Zeit der großen Aufwüchse bei Bildung, Forschung und Innovation sind Hinzu kommt, dass 2 Millionen junge Erwachsene mit Ihnen, Frau Karliczek, eindeutig vorbei. Damit sind überhaupt keinen Berufsabschluss haben. 2020 hätte Sie ein Standortrisiko und eine Fortschrittsbremse. also Ihr Jahr für eine Investitionsoffensive, für Ausbil- dungsförderung für junge Menschen werden können. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Aber was ist passiert? Nichts, weit gefehlt, Fehlanzeige! Man muss sich das mal vorstellen: Herr Scheuer orga- Im Gegenteil: Haushaltstitel, die eingestellt worden sind nisiert eine halbe Milliarde Euro für ein Zentrum für wie für „Modernisierung und Stärkung der beruflichen Mobilitätsforschung in Bayern, Frau Karliczek eine halbe Bildung“, „Sicherung von Ausbildungen“ oder „Maßnah- Milliarde Euro für Batteriezellen im Münsterland. men zur Verbesserung der Berufsorientierung“ haben die geringsten Mittelabflüsse. Es ist doch nicht die Zeit, um (Zuruf des Abg. Albert Rupprecht [CDU/ auf dem Geld hocken zu bleiben. CSU]) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Oktober 2020 22743

Kai Gehring (A) Gelder nach Gutsherrenart zu verteilen, geht gar nicht, (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (C) sagen wir und der Bundesrechnungshof. sowie bei Abgeordneten der LINKEN) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Es wäre zum Beispiel allerhöchste Zeit für ein Bund- sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Länder-Programm für Schulen in benachteiligten Stadt- teilen. Ich finde, das beste Konzept sollte den Zuschlag bekom- men. Und Nordrhein-Westfalen hat diese Mauscheleien (Dr. Götz Frömming [AfD]: Was ist denn mit überhaupt gar nicht nötig; mein Zuhause ist auch so spit- Baden-Württemberg? Nicht nur auf den Bund ze. zeigen!) Womit bleiben Sie eigentlich im Gedächtnis, Frau Die Verfassungslage würde das ermöglichen. Das wäre Karliczek? Erstens mit Vorurteilen gegenüber Regenbo- eine richtig tolle Maßnahme, um für mehr Bildungsge- genfamilien. Eine fortschrittliche Bundesbildungsminis- rechtigkeit in diesem Land zu sorgen. terin würde einen Aktionsplan gegen Queerfeindlichkeit in Bildungseinrichtungen auflegen. Aktuell fehlt noch immer ein Konzept, wie Schulen in Coronazeiten gut durch den Winter kommen. Lehrer, (Dr. Götz Frömming [AfD]: Bitte nicht!) Schüler, Eltern lassen Sie allein. Planlosigkeit im sechs- Ob im Ministerium oder auf dem Schulhof: Angst vor ten Monat – da erwarten wir eindeutig mehr. gesellschaftlicher Vielfalt ist heilbar. Für Studierende hat Ministerin Karliczek eigentlich (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gar nichts übrig. sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des (Albert Rupprecht [CDU/CSU]: 1,3 Milliarden Abg. Timon Gremmels [SPD]) Euro in dieser Legislatur! Ist das nichts?) Zweitens. Die Bundesforschungsministerin hat auf die Die Coronahilfen für Studierende in Not lassen Sie ein- größte Überlebensfrage unserer Menschheit, nämlich die fach auslaufen. Die Hilfen laufen mitten in der Pandemie Klimakrise, keine adäquate Antwort. Mehr Bildung für und kurz vor Semesterstart aus. Das ist doch unglaublich! nachhaltige Entwicklung an Schulen haben Sie abge- lehnt. Unser Rahmenprogramm Klimaforschung haben (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Sie abgelehnt. An klimaneutralen Hochschul- und For- Tausende haben einen Nebenjob verloren, Eltern kriegen schungsbauten haben Sie nicht mal ein Interesse. Sie Kurzarbeitergeld, sind in finanziellen Engpässen. So geht blockieren den Weg in ein klimagerechtes Land. Gegen das doch nicht! Auch für Kinder aus armen Elternhäusern die Klimakrise hilft eben kein Impfstoff, sondern mehr muss ein Traum vom Studium ohne Schuldenberg finan- (B) Forschung für ökologische Innovationen. zierbar sein. (D) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) sowie der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [DIE LIN- KE]) Das BAföG haben Sie heruntergewirtschaftet wie keine Koalition vorher. Drittens. Ministerin Karliczek dämmert kurz vor Schluss, wie wichtig Digitalisierung ist. Schnelles Inter- (Albert Rupprecht [CDU/CSU]: 1,3 Milliarden net brauchen wir nicht nur an jeder Milchkanne, sondern mehr!) auch in jeder Schule, Wenn 89 Prozent kein BAföG bekommen, (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS- (Dr. Götz Frömming [AfD]: Dann geht es den SES 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN) Leuten besser!) dazu eine moderne Ausstattung und Lehrkräfte, die digi- dann sollten Sie sich schämen und die SPD gleich mit, tal unterrichten können. Digitale Bildung voranzubrin- gen, haben Frau Karliczek und ihre CDU-Amtsvorgänge- (Albert Rupprecht [CDU/CSU]: Unsinn, was rinnen mit einer unglaublich konservativen du erzählst!) Schnarchnasigkeit einfach verschlafen. die wieder ein Jahr vor der Wahl erkennt: Beim BAföG (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hätte man noch mehr machen müssen! Denn das kriegen sowie der Abg. Katja Suding [FDP]) nur noch 11 Prozent. Viertens. Unter Ministerin Karliczek nimmt die Bil- (Dr. Götz Frömming [AfD]: BAföG ist kein dungsspaltung leider wieder zu. Mehr junge Menschen Selbstzweck! – Albert Rupprecht [CDU/ verlassen die Schule ohne Abschluss. Mehr junge Men- CSU]: Vollkommener Unsinn!) schen bleiben ohne Ausbildung, und immer mehr suchen Sie müssen dafür sorgen, dass das BAföG einen Neustart einen Ausbildungsplatz. Das sind alarmierende Trends. bekommt, Dazu hätte ich heute von Ihnen eine klare Aussage erwar- tet und nicht zum hunderttausendsten Mal, wie toll unsere (Albert Rupprecht [CDU/CSU]: Die Grünen berufliche Bildung ist; das wissen wir. Es kann aber brauchen einen Neustart!) schlichtweg nicht sein, dass ein junger Mensch zurück- damit es wieder ein Chancengerechtigkeitsgesetz sein gelassen wird. Jeder braucht eine Chance. Eine Bildungs- kann. ministerin, die nicht brennt für Chancen für alle, kann die Bildungszuständigkeit eigentlich auch abgeben. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) 22744 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Oktober 2020

(A) Vizepräsidentin Claudia Roth: wendig, die kein derartiges Zentrum haben. Auch die (C) Gut, und jetzt kommen wir zum Schluss. 10 Millionen Euro für KI in der Hochschulbildung sind ein richtiges und wichtiges Signal. Die in der Nachhaltig- Kai Gehring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): keitsdebatte in der letzten Sitzungswoche gelobten Pro- Seit 15 Jahren wird das Bundesbildungs- und -for- gramme zur Förderung der Mikroelektronik gilt es auf schungsministerium von der CDU geführt. Es wird hohem Niveau fortzusetzen. Darauf werden wir in diesen höchste Zeit, das zu ändern und am Kapelle-Ufer mal Haushaltsberatungen besonders achten. ordentlich durchzulüften. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ein starkes Signal sind zudem die knapp 200 Millionen Euro für Quantencomputing. Besonders zu loben ist der Vizepräsidentin Claudia Roth: Aufwuchs bei der Nationalen Forschungsdateninfrastruk- Vielen Dank, Kai Gehring. – Nächster Redner: für die tur von mehr als 55 Millionen Euro im nächsten Jahr. CDU/CSU-Fraktion Tankred Schipanski. Meine Damen und Herren, die mannigfachen Bundes- (Beifall bei der CDU/CSU) rechnungshofberichte nehmen wir natürlich ernst. Der Bericht zur Projektförderung des BMBF treibt mich da- bei besonders um. Er zeigt, dass wir als Parlament in Tankred Schipanski (CDU/CSU): vielen Bereichen viel stärker nachsteuern müssen. Der Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen Rechnungshof muss aber auch politische Entscheidungen und Kollegen! Wie immer ist die Haushaltsdebatte eine akzeptieren. Es ist eben politischer Wille des Parlaments, lebhafte Debatte, und das ist ja auch kein Wunder bei dass wir uns an den Ausgaben für Forschungsschiffe diesem Regierungsentwurf für den BMBF-Etat 2021 – stark beteiligen wollen. Es ist eben politischer Wille, ein Rekordhaushalt mit über 20 Milliarden Euro. Das dass wir im Wissenschaftsfreiheitsgesetz Selbstbewirt- Haushaltsvolumen steigt seit über zehn Jahren konti- schaftungsmittel zulassen. Es bleibt zudem festzuhalten, nuierlich an, und Albert Rupprecht hat das mit einem dass wir die Kontrollmechanismen im neuen Hochschul- Faktenfeuerwerk untermauert. Lieber Albert, vielen pakt angepasst haben, sodass es nicht mehr zum Miss- Dank dafür! Das ist, liebe FDP, keinesfalls ambitionslos, brauch von Hochschulpaktmitteln, wie das in dem alten so wie das von Ihrer Seite dargestellt wurde. Pakt offengelegt worden ist, kommen kann. Ich finde, Letztes Jahr um diese Zeit diskutierten wir hier das Frau Lötzsch, es gehört zur Ehrlichkeit dazu, dass man gute Zeugnis der OECD für Deutschland im Bereich zwischen diesen beiden unterschiedlichen Pakten auch der beruflichen Bildung – ein Bereich, der auch in diesem differenzieren muss. (B) Haushalt wieder absolute Priorität hat. Wir sind weiter (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) (D) auf dem richtigen Weg, indem wir aktiv die Gleichwer- tigkeit von beruflicher und akademischer Bildung beto- Das BMBF passt zudem seine kritische Aktenführung nen und diesbezüglich für ein gesellschaftliches Umden- bei der Batterieforschungsfabrik an. Das dazu von der ken werben. Opposition immer noch gerittene Pferd ist mausetot. Der Bericht „Bildung in Deutschland 2020“, der im Meine Damen und Herren, in einem Bildungsfeld Juni dieses Jahres vorgestellt wurde, macht uns Mut. Die- haben wir aber erhebliche Defizite, und das ist unsere sen wissenschaftlich fundierten Bericht sollten vor allem deutsche Schulbildung, die in der Verantwortung der jene lesen, die in dieser Debatte schwarzmalen und dem Bundesländer liegt. Das hat uns der PISA-Sonderbericht deutschen Bildungssystem Ungerechtigkeiten unterstel- Ende letzten Jahres gezeigt; das haben wir hier im len. Das haben die FDP, die Grünen, aber natürlich Dezember letzten Jahres auch debattiert. Aber leider ist auch Die Linke gemacht. seitdem nichts besser geworden. Die von uns seit Jahren geforderten verbindlichen Bildungsstandards lassen auf (Zurufe von der LINKEN) sich warten; es gibt keinen Bildungsstaatsvertrag, keine Diese pauschale Kritik wird in dem Bericht eindrucksvoll institutionelle Kooperation. Dieses verheerende Verhal- widerlegt. Vielmehr wird festgestellt, dass sich das deut- ten der Bundesländer ist im Bereich der digitalen Schul- sche Bildungssystem durch eine hohe Durchlässigkeit bildung im Rahmen der Coronakrise zu einem national- auszeichnet, die Zahl der im Bildungswesen Beschäftig- volkswirtschaftlichen Problem angewachsen. ten kontinuierlich steigt, das Angebot an Ganztagsbetreu- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – ung zunimmt usw. usf. Das sind alles Erfolge, die sich Zuruf von der LINKEN: Ihr habt den Mut ver- auch in diesem Haushalt widerspiegeln und die wir mit loren!) diesem Haushalt erfolgreich fortsetzen. Dies führte dazu, dass sich die Koalitionsspitzen in (Beifall bei der CDU/CSU) verschiedenen Treffen auf Zusatzfinanzierungen über Meine Damen und Herren, auch beim Thema den DigitalPakt Schule hinaus verständigt haben; die Forschungspolitik setzen wir auf Verlässlichkeit und Zahlen sind schon mehrfach genannt worden. Wenn die Schwerpunktsetzung. Die Aufstockung der Mittel für Länder nicht in der Lage sind, Geld abzurufen, obwohl künstliche Intelligenz ist richtig. Die europäische Einbet- man nur ein einfaches Medienkonzept vorlegen muss, tung ist notwendig und wird in diesem Haushalt einmal dann kann man den Ländern an diesem Punkt nicht mehr vollzogen. Sollte es zu einer Verstetigung der Bun- mehr helfen. Es gibt 500 Millionen Euro extra für bedürf- desfinanzierung für die KI-Kompetenzzentren kommen, tige Schüler – davon sind übrigens schon 300 Millionen ist selbstredend ein Ausgleich für die Bundesländer not- Euro in den ersten zwei Monaten abgeflossen –, 500 Mil- Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Oktober 2020 22745

Tankred Schipanski (A) lionen Euro extra für Systemadministratoren, 500 Millio- Aber wir werden unseren Job machen, Frau Karliczek, (C) nen Euro extra für Endgeräte für die Lehrer. Meines und mit unseren Änderungsanträgen zeigen, wo in Ihrem Erachtens wird noch mehr Geld das systematische Pro- Etat das Geld zum Fenster rausgeworfen wird. blem im deutschen Schulsystem aber nicht lösen. Zwei Dinge möchte ich heute ansprechen. Das ist zum (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) einen die Nationale Wasserstoffstrategie, die Sie gerade Selbst die Bundeskanzlerin sah sich genötigt, die Kul- erwähnt hatten. Das ist die neue heilige Kuh im Kampf tusminister der Länder zu einem informellen Treffen ins gegen den Klimawandel. Dieses Vorhaben ist nichts Kanzleramt einzuladen – ein Format, welches ich als anderes als die Einführung einer ökosozialistischen Plan- Parlamentarier ablehne. Der Bundestag entscheidet über wirtschaft auf bundesdeutschem Boden. Finanzmittel und deren Konditionierung und nicht das (Beifall bei der AfD – Zurufe von der CDU/ Kanzleramt. Dass der Generalsekretär der Kultusminis- CSU: Oh! – Dr. Karamba Diaby [SPD]: Lang- terkonferenz in einer Bundestagsausschusssitzung dazu weilig! Immer die gleichen Begrifflichkeiten! feststellte – ich zitiere –: „Die Kanzlerin will sich bei Ist das nicht langweilig?) dem Treffen über die gute Arbeit der deutschen Kultus- Man sollte meinen, dass die Politiker von CDU und minister informieren“, ist an Realsatire nicht mehr zu SPD etwas aus ihrem epischen Versagen beim Pannenf- überbieten. lughafen BER gelernt haben: 14 Jahre Bauzeit, sechs (Dr. Götz Frömming [AfD]: In der Tat!) geplatzte Eröffnungstermine, Die Bildungs- und Digitalpolitiker der Unionsfraktion (Yasmin Fahimi [SPD]: Wir reden hier über haben klare Vorschläge unterbreitet, wie jetzt beim The- den Bundeshaushalt!) ma „digitale Schulbildung“ weiter fortgefahren werden Kosten in Höhe von 6,4 Milliarden Euro und damit drei- muss, insbesondere auch, was modulare Onlinelehrer- mal so teuer wie ursprünglich geplant. fortbildungen angeht. Die Europäische Kommission hat nunmehr einen Aktionsplan für digitale Bildung vorge- (Gabriele Katzmarek [SPD]: Falsche Veran- stellt, und ich erwarte, dass die Kultusminister endlich staltung!) koordiniert operativ in diesem Bereich tätig werden. Ich Diese Historie der Inkompetenz zeigt, dass der Staat nicht kann der Bundeskanzlerin nur beipflichten, die in der der bessere Unternehmer ist. Generaldebatte sinngemäß sagte: Das sind wir unseren Kindern schuldig. (Beifall bei der AfD) Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. Was hat unsere größenwahnsinnige Regierung daraus (B) gelernt? Nichts, absolut gar nichts. Denn dieses Versagen (D) (Beifall bei der CDU/CSU) will man jetzt auch noch wiederholen und dieses Mal gleich ganze Wirtschaftssektoren mit an die Wand fahren. Vizepräsidentin Claudia Roth: Ja, Wasserstoff wird ein elementarer Bestandteil der Vielen Dank, Tankred Schipanski. – Nächster Redner: zukünftigen Energieversorgung sein. für die AfD-Fraktion Dr. Michael Espendiller. (Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: (Beifall bei der AfD) Wie kann man mit so einer Logik Doktor wer- den?) Dr. Michael Espendiller (AfD): Aber dass die Bundesregierung jetzt selbst Unternehmer Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegen! werden will, wird zu einer Geldverbrennung unbekann- Liebe Zuschauer im Saal und bei YouTube! Es geht heute ten Ausmaßes führen. Deswegen fordern wir die Bundes- um den Etat des Bundesministeriums für Bildung und regierung auf, hier sparsam zu sein und die Entwicklung Forschung für das Haushaltsjahr 2021. Für diesen Etat dieses Marktsegmentes der Privatwirtschaft zu überlas- gilt das Gleiche wie für den Gesamthaushalt: Wo bleibt sen. das nötige Konsolidierungskonzept? Die Regierungsfrak- (Beifall bei der AfD) tionen von Union und SPD setzen auf Schulden, Schulden und nochmals Schulden und wollen damit im In die Grundlagenforschung beim Thema Wasserstoff Wahljahr 2021 großzügig Wahlgeschenke auf Kosten der kann der Bund gerne investieren, und das tut er ja auch. nächsten Generationen verteilen. Das ist verantwortungs- Aber insgesamt investieren wir in die Grundlagenfor- los. schung viel zu wenig. Das zeigt sich besonders bei einem anderen wichtigen Thema, das ich als Zweites hier (Beifall bei der AfD – Dr. Götz Frömming ansprechen möchte: die Kernenergie. Weltweit setzt [AfD]: Und wie!) man momentan auf den Ausbau der Kernenergie und So verhält es sich auch im Bildungs- und Forschungs- die Erforschung neuer Reaktorkonzepte. Kernreaktoren bereich. Der Etat mag zwar um 70 Millionen Euro kleiner der vierten Generation sind sicherer als alle vorherigen sein als in diesem Jahr. Allerdings erkennt man auch hier keine Bemühungen, die geplante Neuverschuldung (Dr. Karamba Diaby [SPD]: Sicherer?) irgendwie zu reduzieren oder alle Ausgaben einmal und können zudem unser Endlagerproblem radikal ent- gründlich auf den Prüfstand zu stellen. Diese Schulden- schärfen, indem Atommüll zur Energiegewinnung orgie tragen wir nicht mit. genutzt werden kann. (Beifall bei der AfD) (Zurufe von der SPD) 22746 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Oktober 2020

Dr. Michael Espendiller (A) Aber in Deutschland traut man sich an dieses Tabu nicht Nächster Redner: für die SPD-Fraktion Dr. Karamba (C) heran. Nicht einmal die Forschung in diesem Bereich Diaby. möchten Sie zulassen. Sie alle hier verschließen die (Beifall bei der SPD) Augen vor diesen riesigen Potenzialen, die unsere Ener- gieversorgung sauber, sicher und günstig für alle machen können. Dr. Karamba Diaby (SPD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten (Beifall bei der AfD) Damen und Herren! In Deutschland dauert es laut OECD sechs Generationen oder 180 Jahre, bis ein Kind Vizepräsidentin Claudia Roth: von der untersten Einkommensschicht in die Mitte der Herr Kollege, erlauben Sie eine Zwischenfrage oder Gesellschaft kommt. Man muss gar kein Sozialdemokrat -bemerkung? sein, um zu merken: Das dauert zu lange. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Dr. Michael Espendiller (AfD): des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Gerne gleich als Kurzintervention. Ich würde jetzt ger- Abg. Bettina Stark-Watzinger [FDP]) ne weitermachen. Von 100 Schulkindern aus einkommensschwachen Familien gehen nur durchschnittlich 21 anschließend Vizepräsidentin Claudia Roth: auf eine Hochschule. Bei Kindern von Akademikerinnen Gut. und Akademikern sind es durchschnittlich 74, also drei- mal so viele. Das heißt für uns alle: Wir müssen mehr Dr. Michael Espendiller (AfD): investieren, damit der Bildungserfolg nicht von der so- Das Ganze machen Sie aus reiner Angst und ideologi- zialen Herkunft der Eltern abhängt. scher Verblendung. (Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Wie lange (Timon Gremmels [SPD]: Ihrer Fraktion?) regiert ihr jetzt schon?) Wir in der AfD-Bundestagsfraktion sind klar für die Bildung ist also das wichtigste Instrument, das wir haben. Kernkraft und für die Erforschung neuer Reaktorkonzep- Deshalb freue ich mich, dass wir im Vergleich zu 2019 te. sage und schreibe 2 Milliarden Euro mehr zur Verfügung haben, und das ist gut so. (Beifall bei der AfD – Zuruf von der AfD: Genau! Bravo!) (Beifall bei der SPD) (B) Und wir sind ja auch nicht die Einzigen, die das so sehen. Meine Damen und Herren, erlauben Sie mir, als Bei- (D) Es war der ehemalige Bundeskanzler Helmut Schmidt spiele einige Projekte zu nennen: Die 13 Begabtenförder- von der SPD, der Folgendes gesagt hat – ich zitiere –: werke wie zum Beispiel die Friedrich-Ebert-Stiftung oder die Heinrich-Böll-Stiftung (Dr. Götz Frömming [AfD]: Guter Mann!) (Bettina Stark-Watzinger [FDP]: Es gibt auch Ich finde es erstaunlich, dass unter allen großen andere schöne Stiftungen!) Industriestaaten der Welt – von den USA bis China, Japan und Russland – die Deutschen die Einzigen leisten einen entscheidenden Beitrag für die Gesellschaft sind, die glauben, sie könnten ohne Kernkraft aus- und zur Förderung einer demokratischen Kultur in kommen. Wir haben praktisch unseren Kohleberg- Deutschland. Ich bin persönlich der Heinrich-Böll-Stif- bau aufgegeben, wir haben so gut wie kein Öl in tung dankbar, dass sie mir ein Promotionsstipendium unserem Boden, gezahlt hat. (René Röspel [SPD]: Aus einer alten Zeitung!) (Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Haben sie gut gemacht!) auch nicht vor unseren Küsten. Deshalb liegt es nahe, dass Deutschland einen Teil seiner Energie Die Begabtenförderung ist weit mehr als nur die Ver- aus Kernkraft bezieht. gabe von Stipendien. Ihr Herzstück ist die ideelle Förde- rung. Das kommt von dem ehemaligen SPD-Kanzler. (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Brigitte (Zuruf des Abg. René Röspel [SPD]) Freihold [DIE LINKE]) Wir alle sollten über diese Worte nachdenken und offener Deshalb ist es wichtig, meine Damen und Herren, dass sie und mutiger in der Forschung sein. ausreichend finanziert wird. Junge Menschen sollen das Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Bewusstsein für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit ver- mittelt bekommen. (Beifall bei der AfD) Meine Damen und Herren, die Pandemie hat gezeigt, dass die Zusammenarbeit von Wissenschaft und Politik Vizepräsidentin Claudia Roth: wichtig ist. Corona hat aber auch deutlich gemacht, dass Vielen Dank, Dr. Espendiller. die Hochschulmedizin in den Bereichen Forschung und (Stephan Brandner [AfD]: Wo ist denn jetzt die Patientenversorgung eine Schlüsselrolle einnimmt und Kurzintervention? Traut sich keiner, oder? die notwendige Brücke zwischen Theorie und Praxis Typisch!) schlägt. Das neue Netzwerk Universitätsmedizin zum Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Oktober 2020 22747

Dr. Karamba Diaby (A) Aufbau eines Forschungsnetzwerks unter der Leitung der gipfel ins Kanzleramt geladen hat. Geplant sind eine bun- (C) Charité und zur Bewältigung der Pandemie ist ein desweite Bildungsplattform und digitale Kompetenzzent- Anfang. Es muss weitergeführt und für künftige Heraus- ren in den Ländern. forderungen weiterentwickelt und gefestigt werden. Der Bund unterstützt die Länder und Kommunen (Beifall bei der SPD) inzwischen über viele, für den Bürger fast unüberschau- Kolleginnen und Kollegen, wir haben in der Corona- bare Programme. Wir haben den BAföG-Anteil der Län- pandemie gesehen, dass nicht alle Kinder von zu Hause der übernommen, ein Sanierungsprogramm für die aus beschult werden konnten, weil ihnen einfach die End- Schultoiletten – 3,5 Milliarden Euro –, ein Programm geräte fehlten. für digitale Endgeräte – 500 Millionen Euro –, Lehrer- laptops – 500 Millionen Euro –, 500 Millionen Euro für (Dr. h. c. Thomas Sattelberger [FDP]: 25 Pro- IT-Administratoren. Insgesamt umfasst der DigitalPakt zent!) inzwischen rund 6 Milliarden Euro. Auch hier gilt: Kein Kind darf zurückgelassen werden, Schaut man in den Bildungsfinanzbericht von 2019, jedes Kind muss es packen. Deshalb müssen wir die Ver- fällt zudem auf, dass sich die öffentlichen Bildungsausga- teilung der Endgeräte an die Lehrkräfte sowie an die ben im Bund und in den Ländern von 2005 bis 2019 Schülerinnen und Schüler beschleunigen. unterschiedlich entwickelt haben: Bei den Ländern haben Sechs Generationen oder 180 Jahre dauert es, bis ein sich die Ausgaben um 66 Prozent erhöht, der Bund inves- Kind von der untersten Einkommensschicht in die Mitte tiert inzwischen 150 Prozent mehr in die öffentliche Bil- der Gesellschaft kommt. Das dauert zu lange. Wir müssen dung, und das auch in Bereichen, für die er originär gar diesen Weg deutlich beschleunigen. Dafür sind in diesem nicht zuständig ist. Haushalt die richtigen Instrumente eingeplant, und daran (Albert Rupprecht [CDU/CSU]: So ist das!) werden wir uns auch halten. Ich freue mich auf die Dis- kussionen. Insofern fordere ich die Bundesländer auf, ihre Prioritä- ten neu zu setzen, so wie es der Bund mit seinen massiven Danke schön. Steigerungen an der Stelle seit dem Jahr 2005 bewiesen hat. Vizepräsidentin Claudia Roth: (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- Vielen Dank, Dr. Karamba Diaby. – Nächste Rednerin: ordneten der SPD) für die CDU/CSU-Fraktion Kerstin Radomski. Natürlich gehört zu diesem Einzelplan nicht nur der (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- Bereich der Bildung, sondern auch die Forschung. Ich (B) ordneten der SPD) möchte auf die Erfolge der Forschung an den Universitä- (D) ten, Fachhochschulen und auch in den außeruniversitären Kerstin Radomski (CDU/CSU): Forschungseinrichtungen eingehen. Im Einzelplan „Bil- Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! dung und Forschung“ stehen dafür 15,6 Milliarden Euro Wir erleben derzeit große Herausforderungen für die Bil- zur Verfügung. Wir stellen Projektfördermittel etwa für dungs- und Wissenschaftslandschaft. Die Coronapande- die Umweltforschung bereit. Hier erforscht man zum mie hat in vieler Hinsicht als Beschleuniger gewirkt. Spä- Beispiel, wie CO2 gebunden und genutzt werden kann. testens seit dem Homeschooling – was heute oft erwähnt Die Infektionsforschung beschäftigt sich mit dem Thema wurde – ist die digitale Transformation in jeder Schule rund um Corona, aber auch mit der sehr wichtigen For- angekommen. Nachdem die Schulen nun wieder geöffnet schung, um neue Antibiotikaarten zu finden. Im Bereich sind, stehen die Schülerschaft, die Lehrer, aber auch die der Bioökonomie fördern wir Pflanzenzüchtung und die Eltern vor den Herausforderungen des neuen Alltags. Es Erforschung nachhaltiger Bodennutzung. geht um die Einhaltung von Hygienevorschriften, um die Liebe Kolleginnen und Kollegen, unsere Bundesbil- Maskenpflicht und um die Frage, wie Bildung in Zukunft dungsministerin hat mit großem Einsatz in den letzten gestaltet wird. Monaten dafür gearbeitet, dass dieser Einzelplan den Deshalb möchte ich als Erstes die heutige Debatte nut- Rekord von 2,2 Milliarden Euro erreicht hat. Dafür danke zen, um allen zu danken, die sich in den Schulen über- ich ganz herzlich. durchschnittlich mit neuen Themen auseinandergesetzt (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- haben, und dazu gehört auch die Digitalisierung. Ich dan- ordneten der SPD) ke sowohl den Schülern, die die Herausforderung ange- nommen haben, als auch den vielen Lehrern, die mit viel Was aber sicherlich nicht zielführend ist – das ist mir in Engagement in den Schulen dazu beigetragen haben, dass dieser Debatte auch aufgefallen –, ist, wenn für Parla- Homeschooling überhaupt stattfinden konnte. mentarier Bildung stets bei einem Universitäts- oder Fachhochschulabschluss endet. Dann bräuchten wir übri- (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie gens in Zukunft kein Geld mehr in die berufliche Bildung bei Abgeordneten der FDP, der LINKEN und zu stecken. Man ist genauso Mensch, wenn man einen des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) beruflichen Schulabschluss gewählt hat, genauso gut ist Zu den notwendigen Veränderungen gehört aber auch es, Meister zu werden; das qualifiziert einen Menschen die Frage, wie digitales Lernen Einzug in den Alltag von sowohl fürs Parlament als auch fürs Leben. Deshalb finde uns allen findet. Von daher ist es sicherlich gut, dass die ich es schwierig, wenn hier immer wieder erwähnt wird: Bundeskanzlerin in der vergangenen Woche zum Schul- Wir müssen gucken, dass alle ihren Universitätsabschluss 22748 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Oktober 2020

Kerstin Radomski (A) schaffen. – Das muss nicht unser Ziel sein, sondern es genau richtig. Aber das ist dem deutschen Erfindergeist (C) geht darum, dass ein Mensch sich selbst verwirklichen auch nicht unbedingt fremd. Wir wollen das aber effizien- kann, dass ein Mensch seinen persönlichen Lebensweg ter machen. Deswegen wird die SprinD für einige Groß- geht und Teil unserer Gesellschaft wird und dabei etwas projekte das sogenannte Tal des Todes überspringen und erreichen kann. nicht nur gute Ideen aufgreifen, sondern auch den Trans- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der fer in die Wirtschaft erfolgreich begleiten. Wir wollen das AfD und der FDP – Dr. Götz Frömming [AfD]: Beste aus zwei Welten vereinen: Ideenreichtum auf der Versteht die SPD nicht! Verstehen die da drü- einen Seite und effektive wirtschaftliche Implementie- ben nicht!) rung in den Markt andererseits. Insgesamt wünsche ich uns für die Haushaltsberatun- (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Stephan gen, dass wir um den besten Weg streiten. Wir werden Albani [CDU/CSU]) sicherlich in dem Einzelplan auch noch etwas verändern. Das kann man im Übrigen auch bei der ersten Tochter- Ich freue mich auf die Beratungen, auf die kollegiale Art, gesellschaft sehen, die gegründet wurde; bei ihr geht es die wir in den letzten Jahren immer gehabt haben diesbe- um eine neue Generation von Höhenwindkrafträdern: so züglich, und wünsche uns allen ein gutes Gelingen bis zur hoch, dass man eine zweite Etage in bestehende Anlagen nächsten Haushaltswoche. einbauen könnte, so günstig, dass man den Ausbau Danke schön. beschleunigen könnte, auch über Deutschland hinaus, und so effizient, dass sie unter Volllast fahren können. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- Das Geheimnis dieser Konstruktion ist übrigens unter ordneten der SPD) anderem ein massiver Treibgurt, der aus den Braunkoh- lebaggern entliehen ist. Nun mögen einige sagen: Mhm, Vizepräsidentin Claudia Roth: ganz nett alles, aber was hat das mit Sprunginnovationen Vielen Dank, Kerstin Radomski. – Die letzte Rednerin: zu tun? – Nun, ich will gerne einmal ein Bild dazu ver- Yasmin Fahimi für die SPD-Fraktion. mitteln. Man stelle sich vor: ein sich dauerhaft drehender Eiffelturm mitten in der Lausitz, dort produziert und (Beifall bei der SPD) betrieben.

Yasmin Fahimi (SPD): (Zuruf von der AfD: Wie schön!) Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das wäre ein wahrer Sprung für die Energiewende und Was ist in der Krise ebenso wichtig wie Schutz und für den notwendigen Strukturwandel in dieser Region. Sicherheit? (B) (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Dr. Götz (D) (Stephan Brandner [AfD]: Olaf Scholz!) Frömming [AfD]: Landschaftsverschandelung – Das stimmt: „Olaf Scholz“ ist eine richtige Antwort. ist das!) (Beifall bei der SPD) Ich weiß, das ist alles noch Zukunftsmusik, es gibt keine Erfolgsgarantien. Aber das ist der Reiz bei SprinD, 100 Punkte für die Kollegen hier an der Seite. – Aber und viele andere wichtige Projekte sind noch in der Pipe- worüber ich eigentlich reden wollte – das hängt allerdings line. In Zukunft werden wir vielleicht Alzheimer damit zusammen –, ist: Perspektiven für die Zukunft bekämpfen können oder das erste Holodeck in Deutsch- schaffen, Zuversicht, dass es besser wird. Und dafür land bauen. Ich freue mich jedenfalls auf diese weitere darf man eben nicht einfach nur sparen, wie die Ewig- Arbeit. gestrigen glauben, sondern muss auch in die Zukunft investieren. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) (Beifall bei der SPD) Lassen Sie mich zum Schluss noch ein weiteres Zukunftsprojekt benennen, bei dem wir Perspektiven Das ist jedenfalls das sozialdemokratische Verständnis für die Zukunft schaffen müssen: Das ist die Ausbildung. von Generationengerechtigkeit. Ich will das an zwei Bei- In der Tat, bei der Ausbildung müssen wir erst einmal spielen deutlich machen: dafür sorgen, dass überhaupt weiter Ausbildungsplätze Die Bundesagentur für Sprunginnovationen wird ja bestehen. Deswegen ist der Schutzschirm und sind die von einigen ein bisschen belächelt. Nun kann sie aber 500 Millionen Euro ganz, ganz elementar und richtig. mit voller Kraft voraus ihre Arbeit aufnehmen: 31 Millio- Frau Ministerin, ich wünsche mir nur eines: Wir müs- nen Euro sind im Haushalt für das nächste Jahr einge- sen jetzt zusehen, dass dieses Paket auch fliegt. Deswe- plant. Ich wage mal folgenden Vergleich: Für mich ist gen: Lassen Sie uns in den nächsten Wochen und Mona- die SprinD quasi die deutsche Variante des Silicon Valley, ten kurzfristig nachjustieren an den Stellen, an denen es (Zurufe von der AfD: Oh!) gegebenenfalls noch Verbesserungsbedarf gibt: bei den aber effizienter und technologieoffener. Es werden eben Prämien, bei der Frage der überbetrieblichen Ausbil- nicht einfach nur ein paar Start-ups in die Wüste gesetzt dungsstätten im Handwerk oder aber auch für die außer- und dann sich selbst überlassen – mit im Übrigen recht betrieblichen Ausbildungsstätten in unterversorgten Re- überschaubaren Quoten, was die Marktgängigkeit und gionen. die Etablierung im Markt angeht, von unter 1 Prozent. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das gilt auch für Ich will nicht schmälern, welcher Mut und welche Tat- einige andere Punkte, zum Beispiel für das Programm kraft dahinterstehen. Spinnereien ernst zu nehmen, ist zur Förderung der Berufsorientierung, das leider einen Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Oktober 2020 22749

Yasmin Fahimi (A) Minderabfluss nicht nur in diesem, sondern auch schon Vizepräsidentin Claudia Roth: (C) im letzten Jahr hatte. Ich bitte darum, dass wir das jetzt Vielen Dank, Yasmin Fahimi. – Weitere Wortmeldun- anpacken. Wir können es uns im doppelten Wortsinn gen zu diesem Einzelplan liegen nicht vor. nicht leisten, dass diese Gelder nicht abgerufen werden. Wir brauchen jetzt eine schnelle und flexible Handha- Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesord- bung dieses Programms und digitale Angebote im Netz. nung angekommen. Alle Ministerien sind aufgefordert, jetzt ihre Handlungs- fähigkeit zu beweisen und nicht abzuwarten, ob die Pro- Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundes- gramme benötigt werden; sie sollen möglichst schnell tages auf morgen, Freitag, den 2. Oktober 2020, 9 Uhr, und flexibel auf die Strecke gebracht werden. ein. In diesem Sinne freue ich mich auf die Präzisierungen Die Sitzung ist geschlossen. Ich wünsche Ihnen noch im Haushaltsplan. einen schönen Restabend. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) (Schluss: 19.57 Uhr)

(B) (D)

Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Oktober 2020 22751

(A) Anlage zum Stenografischen Bericht (C)

Anlage 1 Entschuldigte Abgeordnete Abgeordnete(r) Abgeordnete(r)

Bas, Bärbel SPD Pohl, Jürgen AfD Brugger, Agnieszka BÜNDNIS 90/ Remmers, Ingrid DIE LINKE DIE GRÜNEN Scheer, Dr. Nina SPD Domscheit-Berg, Anke DIE LINKE Schneidewind-Hartnagel, BÜNDNIS 90/ Dörner, Katja BÜNDNIS 90/ Charlotte DIE GRÜNEN DIE GRÜNEN Siebert, Bernd CDU/CSU Esdar, Dr. Wiebke SPD Steinke, Kersten DIE LINKE Faber, Dr. Marcus FDP Trittin, Jürgen BÜNDNIS 90/ Freihold, Brigitte DIE LINKE DIE GRÜNEN Friesen, Dr. Anton AfD Wagenknecht, Dr. Sahra DIE LINKE Gabelmann, Sylvia DIE LINKE Weiler, Albert H. CDU/CSU Gebhart, Dr. Thomas CDU/CSU Weingarten, Dr. Joe SPD Höchst, Nicole AfD Weyel, Dr. Harald AfD Irlstorfer, Erich CDU/CSU Wiese, Dirk SPD

(B) Kamann, Uwe fraktionslos Zdebel, Hubertus DIE LINKE (D) Kartes, Torbjörn CDU/CSU Zimmermann, Pia DIE LINKE Kessler, Dr. Achim DIE LINKE * aufgrund gesetzlichen Mutterschutzes Klinge, Dr. Marcel FDP

Kotré, Steffen AfD Anlage 2

Launert, Dr. Silke CDU/CSU Erklärung nach § 31 GO Leidig, Sabine DIE LINKE des Abgeordneten Dr. André Hahn (DIE LINKE) zu der Abstimmung über die Beschlussempfehlung Maas, Heiko SPD des Petitionsausschusses – Sammelübersicht 629 zu Petitionen, Beschlussempfehlung 2, lfd. Nr. 2 Mackensen, Isabel* SPD (Behörden und Verwaltungsverfahren) Müller (Chemnitz), Detlef SPD (Tagesordnungspunkt 4 o) Müller, Bettina SPD Hiermit möchte ich erklären, warum ich wie auch die Fraktion Die Linke nicht dem Vorschlag der Mehrheit des Müller-Böhm, Roman FDP Petitionsausschusses folge, die Petition 1-19-06-200- 014069 abzuschließen, also zu den Akten zu legen. Oehme, Ulrich AfD Die Petentin stößt mit ihrem Anliegen, dem Parlamen- Ortleb, Josephine SPD tarischen Kontrollgremium (PKGr), der G10-Kommis- sion sowie dem Bundesbeauftragten für den Datenschutz Paschke, Markus SPD und die Informationsfreiheit (BfDI) einen direkten Kon- trollzugriff auf die Datennetzwerke der deutschen Nach- Pasemann, Frank AfD richtendienste zu ermöglichen, ein wichtiges Handlungs- Peterka, Tobias Matthias AfD feld für die Kontrolle der Geheimdienste an. Zu Recht weist sie auf eine Audiobotschaft des UN-Sonderberich- Pilger, Detlev SPD terstatters für das Recht auf Privatsphäre, Herrn Joseph Cannataci, aus dem November 2018 hin, in der jener hervorhob, dass diese Form der Kontrollbefugnis in den Zudem gilt: Mit der forcierten Entwicklung immer Ländern Frankreich, Norwegen, der Schweiz und den neuer Überwachungstechnologien durch die Geheim- Niederlanden bereits gängige Praxis ist. dienste weltweit, auch die bundesdeutschen, halten die Aus diesem Grund ist die Aussage in der Beschluss- bestehenden Kontrollstrukturen nicht länger Schritt. empfehlung des Petitionsausschusses, ein solch datenba- Neben rechtlichen Befugnissen fehlt es einer wirksamen sierter Kontrollzugriff würde die „sicherheitspolitisch Kontrolle auch an entsprechend leistungsfähigen Werk- erforderliche internationale Zusammenarbeit wesentlich zeugen und technischem Fachwissen, um moderne erschweren“, nicht nachvollziehbar. Ebenso muss die Methoden der Datenanalyse, der Datenfilterung, der Feststellung zurückgewiesen werden, dem BfDI erman- Mustererkennung und des Datenaustausches zu verstehen gele es angesichts einschlägig spezialgesetzlich veran- und gezielt kontrollieren zu können. Sollen ein Miss- kerter Datenschutzbestimmungen nicht an Kontrollbe- brauch von Daten und die Umgehung rechtlicher Stan- fugnissen über die Nachrichtendienste. Tatsächlich dards ausgeschlossen werden, ist eine Reform der Auf- bindet das BND-Gesetz den BfDI an Einschränkungen: sichtsgremien hin zu einer datenbasierten Aufsicht über Seine Prüfkompetenz erstreckt sich nicht auf die Einrich- die Geheimdienste dringend geboten. tung gemeinsamer Dateien, die von einem ausländischen Nachrichtendienst betrieben werden, ebenso wenig auf Auch ich beklage seit Langem das Fehlen einer wirk- Daten, die von einem ausländischen Nachrichtendienst samen datenbasierten Aufsicht. Daher teile ich das Anlie- in eine vom BND errichtete Datei eingespeist werden gen der Petentin und stimme gegen den Abschluss des (§ 28 BNDG). Petitionsverfahrens.

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