Der Nationalsozialismus im Kreis zwischen 1938 und 1945

Dissertation

zur Erlangung des Doktorgrades der Philosophie an der Karl-Franzens-Universität

eingereicht von Mag. Martin Amschl

am

Institut für Geschichte

Erstbegutachter: O.Univ.-Prof. Dr.phil. Dr.h.c. Helmut Konrad Zweitbegutachter: Ao.Univ.-Prof. Dr.phil. tit.Univ.-Prof. Dieter-Anton Binder

2015

Vorwort

Mein besonderer Dank gilt zunächst allen, die mich bei der Erstellung dieser Arbeit in fachlicher Hinsicht unterstützt haben. Allen voran Professor Eduard Staudinger. Durch die Teilnahme an einem seiner Pro-Seminare, kam ich auf die Idee, den Nationalsozialismus in meinem Heimatbezirk zu erforschen. In der Folge hat er mich immer wieder unterstützt und mir zahlreiche Tipps und Anregungen gegeben. Meine Entwürfe hat er stets mit großer Genauigkeit durchforstet und kritisch begutachtet, was der Qualität der vorliegenden Arbeit mit Sicherheit gut getan hat. Dasselbe gilt für meinen Dissertationsbetreuer Professor Helmut Konrad.

Jede fachliche Unterstützung wäre jedoch vergebens gewesen, hätte ich nicht die Kraft gefunden, über Jahre hinweg an meiner Arbeit dranzubleiben. Diese Kraft schöpfte ich unter anderem auch aus den zahlreichen angenehmen außeruniversitären Aktivitäten. Mein besonderer Dank gilt daher all meinen Freundinnen und Freunden, mit denen ich die Jahre des Studiums verbringen durfte. Ihr habt diese Zeit für mich zu einem Lebensabschnitt gemacht, an den ich später gerne zurückdenken werde.

All das hätte jedoch ohne die Unterstützung durch meine Familie nicht gereicht, um diese Arbeit abzuschließen. Abschließend danke ich daher meiner Mutter, meinem Großvater und meiner Großtante in tiefster Verbundenheit für ihre Unterstützung und ihr Vertrauen in mich.

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung ...... 1 2. Forschungsstand und Arbeitsansatz ...... 3 3. Allgemeines zum Steiermark und zum Kreis Voitsberg ...... 10 4. Zwischen Gau und Ortsgruppe - Die Kreisleitung und ihre Funktion ...... 30 5. ...... 41 6. Nationalsozialismus von 1938 bis 1945 im Kreis Voitsberg ...... 67 Kriegsbeginn und Verstärkung der Repression ...... 90 Angriff auf die Sowjetunion ...... 126 Kriegswende ...... 152 Niedergang der NS-Herrschaft ...... 190 7. Verfolgung und Widerstand ...... 204 8. Entnazifizierung und Aufarbeitung ...... 253 9. Kurzbiografien von ausgewählten Funktionären der lokalen NS-Führungsriege ..... 282 10. Zusammenfassung ...... 319 11. Quellen- und Literaturverzeichnis ...... 329 12. Anhang ...... 335

1. Einleitung

Auch 70 Jahre nach dem Zusammenbruch des NS-Regimes nimmt das öffentliche Interesse an der Geschichte des Nationalsozialismus nicht ab. Vor allem zu so genannten Jubiläumsjahren erscheint eine regelrechte Flut an wissenschaftlichen und populärwissenschaftlichen Publikationen zur NS-Zeit. Obwohl diese Zeitperiode damit zu den besterforschten der deutschen Geschichte,1 welche von 1938-1945 auch die österreichische Geschichte war, gehört, gibt es dabei noch immer zahlreiche Themenfelder, die bislang wenig bis überhaupt nicht erforscht wurden.

Zu diesen Feldern gehört der Bereich Nationalsozialismus in der Region im Allgemeinen und die Erforschung der führenden Nationalsozialisten vor Ort im Speziellen. Zu letzteren zähle ich die lokale NS-Führungsriege vom Kreisleiter und den Mitarbeitern der Kreisleitung bis zu den Ortsgruppenleitern, den Bürgermeistern und den Ortsbauernführern. Eine Sonderstellung nehmen dabei die Kreisleiter ein. Diese Gruppe von Parteifunktionären wurde in der bisherigen Forschung, bis auf wenige Ausnahmen,2 konsequent vernachlässigt. Für Österreich gibt es noch überhaupt keine publizierte Kreisleiterstudie. Die Vernachlässigung der Kreisleiterforschung verwundert insbesondere deshalb, weil die Kreisleiter als Verbindungsstelle zwischen dem und den Ortsgruppenleitern, in der heutigen Sprache ausgedrückt, so etwas wie das mittlere Management der NSDAP waren. Helmuth Friedrichs, der Hauptamtsleiter im Stab des Stellvertreters des „Führers“ ging Anfang 1940 sogar so weit, sie als „die entscheidenden Schlüsselstellen der Partei“ zu bezeichnen.3 Warum also gibt es bis heute so wenige Publikationen über die Kreisleiter? Dafür gibt es meines Erachtens zwei Hauptgründe. Zum einen die schlechte Quellenlage und zum anderen ein nach wie vor zu geringes Interesse an der Aufarbeitung regionalgeschichtlicher Aspekte der NS- Zeit.4

1Vgl.: Jürgen John/ Horst Möller/ Thomas Schaarschmidt (Hrsg.), Die NS-Gaue. Regionale Mittelinstanzen im zentralistischen Führerstaat, in: Schriftenreihe der Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte Sondernummer (2007), 7. 2 Zu nennen sind hier vor allem die Kreisleiterstudien von Fait, Klepsch, Rademacher, Stellbrink und Roth. 3 Vgl.: Michael Rademacher, Die Kreisleiter der NSDAP im Gau Weser-Ems, Marburg/Maribor 2005, 9. 4 Die 468 Seiten lange Voitsberger Ortschronik beschäftigt sich zum Beispiel nur 11 Seiten lang mit dem Nationalsozialismus und geht auf Akteure vor Ort überhaupt nicht ein. Vgl. Ernst Lasnik, 750 Jahre Stadt Voitsberg, Voitsberg 1995. Für die 2011 erschienene Bezirkstopographie gilt ähnliches. Vgl.: Bernhard Reismann, Allgemeine Geschichte des Bezirkes 1848-2005, in: Walter Brunner (Hg.), Geschichte und Topographie des Bezirkes Voitsberg. Band 1: Allgemeiner Teil, Graz 2011 und Walter Brunner (Hg.), Geschichte und Topographie des Bezirkes Voitsberg. Band 2: Bezirkslexikon, Graz 2011, Zusatz-CD. 1

Meine Arbeit verstehe ich deshalb vor allem als einen Beitrag zur Erforschung regionalgeschichtlicher Aspekte der NS-Zeit am Beispiel des Kreises Voitsberg (ein bisher kaum gezielt erforschtes Feld) und zur Kreisleiterforschung. Da sich diese beiden Felder natürlich überschneiden und wechselseitig bedingen, werde ich versuchen, sie so gut wie möglich zu verknüpfen, um im Rahmen der Arbeit möglichst viele Aspekte des Nationalsozialismus in der Region und seiner Protagonisten ans Licht zu bringen.

Dabei geht es in erster Linie um die kritische Aufarbeitung eines „dunklen Teiles“ der Geschichte des Bezirks Voitsberg, über den man in den Jahren nach 1945, wie im restlichen Österreich, einen Mantel des Schweigens hüllte. Innerhalb dieser Aufarbeitung werden die Personen, welche den Nationalsozialismus im Kreis Voitsberg prägten und die Handlungen welche sie im Dienste ihre Ideologie durchführten, im Vordergrund stehen. Die Voitsberger Opfer des Nationalsozialismus werden allerdings ebenfalls ihren Platz in dieser Arbeit bekommen.

Neben Tätern und Opfern wird auch das Verhalten des Großteils der Bevölkerung untersucht, der in keine der beiden Kategorien fiel. Dabei geht es mir hauptsächlich darum, zu erforschen, inwieweit sich der Nationalsozialismus innerhalb der Kreisbevölkerung durchsetzen konnte. Dabei wird es wichtig sein festzustellen, welche Faktoren für deren Beeinflussung entscheidend waren. Es stellt sich die Frage ob Begeisterung für die NS-Ideologie, Anpassung bzw. Opportunismus oder Angst vor der brutalen Verfolgung die Hauptgründe für die Machterhaltung der Nationalsozialisten waren. Denn ohne die Unterstützung eines guten Teils der Bewohner des Kreises Voitsberg hätte sich die NS-Herrschaft nicht so lange halten können. Von Interesse wird auch die Frage sein, inwieweit sich die Nationalsozialisten bei der Beherrschung der Bevölkerung auf Propaganda, oder auf wirtschaftliche und außenpolitische Erfolge stützen konnten und inwieweit sie auf Repressionsmaßnahmen zurückgreifen mussten. Zusätzlich dazu ist es noch wichtig festzustellen, wie sehr sich der Schwerpunkt zwischen Propaganda und Repression im Laufe der Jahre, im Zuge der ausbleibenden Kriegserfolge und der sich verschlechternden wirtschaftlichen Lage veränderte.

Ein weiteres zentrales Thema der Arbeit ist die Beschäftigung mit der Funktion der lokalen NS-Führungsriege im „Dritten Reich“. Dabei soll vor allem gezeigt werden, dass die in der Nachkriegszeit lange gängige Theorie, den Nationalsozialismus und seine Verbrechen Hitler und seiner näheren Umgebung zuzuschreiben und damit gleichzeitig die Verantwortung auf

2 diesen Personenkreis zu beschränken, nicht mehr haltbar ist. Die lokale NS-Führungsriege war ein wesentlicher Bestandteil der Stabilität des NS-Regimes. Das Wirken der vielen Nationalsozialisten vor Ort machte es dem Regime erst möglich, die Bevölkerung in ihrem Sinne zu beeinflussen und in letzter Konsequenz auch in weiten Teilen zu kontrollieren. Zu diesem Schluss kommt auch Ian Kershaw in seinem Werk über das Ende NS-Deutschlands. Er hebt die Bedeutung der NSDAP-Funktionäre vor Ort bei der Aufrechterhaltung des NS- Systems in einer Phase hervor, in welcher der Krieg schon längst verloren war und jeder weitere Tag um den er fortgesetzt wurde, nur noch zusätzliches Leid über die Bevölkerung brachte.5 Die NS-Führungsriege des Kreises Voitsberg spielte in den letzten Kriegsmonaten eine ähnliche Rolle.

Die Arbeit soll überdies Anstoß für die weitere Erforschung des Nationalsozialismus im Voitsberg sein und anderen Historikern als Basis für eigene Arbeiten zu diesem Thema dienen. Daher ist sie im Grunde ein erster Versuch, die Geschehnisse im Kreis Voitsberg in den Jahren zwischen 1938 und 1945 und dabei vor allem die NS-Protagonisten gezielt zu erforschen und auf möglichst viele Bereiche einzugehen, die bisher unerforscht geblieben sind. In diesem Sinne ist meine Arbeit eine Annäherung an eine Vielzahl von Einzelteilen, aus denen sich der Nationalsozialismus im Kreis Voitsberg zusammensetzte.

2. Forschungsstand und Arbeitsansatz

Wie schon erwähnt, gehörte das Thema Regionalität im Nationalsozialismus lange nicht zu den bevorzugten Forschungsobjekten der NS-Geschichte. Dasselbe gilt auch für die Erforschung der handelnden Akteure auf dieser Ebene. Bis in die 1960er Jahre wurden Bereiche, die unterhalb der Reichsebene lagen, so gut wie überhaupt nicht untersucht. Dies mag zum Teil an der kategorischen Absage der Nationalsozialisten an den Föderalismus liegen,6 den sie auch mit allen Mitteln zu zerstören versuchten, ist aber möglicherweise auch als Versuch zu werten, die alleinige Verantwortung für den Nationalsozialismus und seine Verbrechen Adolf Hitler und seinem engeren Personenkreis zuzuschreiben.

5 Vgl.: Ian Kershaw, Das Ende. Kampf bis in den Untergang. NS-Deutschland 1944/45, München 2011. 6 Thomas Schaarschmidt, Regionalität im Nationalsozialismus – Kategorien, Begriffe, Forschungsstand, in: Schriftenreihe der Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte Sondernummer (2007), 13. 3

Laut Wolfgang Benz ist der eher geringe Verfolgungswille der österreichischen Nachkriegsjustiz vor allem auch durch das geringe Interesse der österreichischen Bevölkerung an der Verfolgung der NS-Täter bedingt.7 Dieses fehlende Interesse gilt aber neben der Verfolgung auch für die Erinnerung an die Verbrecher der NS-Herrschaft. Grund für diesen Umstand ist zum Teil das Verlangen, die Vergangenheit hinter sich zu lassen. Vor allem aber spiegelt das öffentliche Desinteresse am nationalsozialistischen Treiben vor Ort den nach dem Ende der NS-Herrschaft weit verbreiteten gesellschaftlichen Kompromiss, von den schrecklichen Taten der Nationalsozialisten wenig bis nichts gewusst zu haben und schon gar nicht daran beteiligt gewesen zu sein, wider. Diese „Lebenslüge der ersten Generation“8 lässt sich möglicherweise noch für die Gräueltaten, die auf weit entfernten Kriegsschauplätzen hinter den Fronten passiert sind, aufrechterhalten, bricht jedoch in sich zusammen, sobald man die NS-Verbrechen in der Region, in der Stadt oder im Dorf, in dem man selbst lebte, thematisiert. Daher ist es für die österreichische Bevölkerung nach dem Krieg nur logisch gewesen, die NS-Zeit in der eigenen Region und ihre Geschehnisse nicht an die große Glocke zu hängen. Dass diese Logik aber eine höchst unmoralische ist, welche die Aufarbeitung des Nationalsozialismus in Österreich bis heute behindert, steht natürlich außer Frage.

Ein Interesse daran, von den Aktivitäten der Nationalsozialisten vor Ort zu berichten, bestand allerdings auch auf Seiten der Regionalhistoriker kaum. Wie erwähnt, beschäftigte sich die Voitsberger Stadtchronik noch im Jahr 1995 auffallend wenig mit den Auswirkungen des Nationalsozialismus im Kreis Voitsberg und überhaupt nicht mit seinen Protagonisten.9 Ebensowenig wird im ersten Band der neuesten 2012 erschienenen 358 Seiten umfassenden Stadtchronik von Voitsberg auf die lokale NS-Führungsriege eingegangen. Auf den 13 Seiten in denen die Ereignisse zwischen März 1938 und Mai 1945 beschrieben werden, befinden sich abgesehen von einer Auflistung der Mitglieder der ersten Kreisleitung keine Informationen zu den führenden Voitsberger Nationalsozialisten. Es wird weder auf das Wirken der Voitsberger , noch auf jenes der NS-Bürgermeister eingegangen. Auch der aus dem Bezirk stammende Kreisleiter Eissner wird mit keinem Wort erwähnt. Die zahlreichen Bilder zur NS-Zeit zeigen lediglich jubelnde Menschen, Wehrmachtstruppen und

7 Vgl.: Wolfgang Benz, Positionen, Tendenzen, Defizite in der NS-Forschung, in: Heimo Halbrainer/ Gerald Lamprecht/ Ursula Mindler (Hrsg.), NS-Herrschaft in der Steiermark. Positionen und Diskurse, Graz 2012, 22. 8 Wolfgang Benz, Positionen, Tendenzen, Defizite in der NS-Forschung, in: Heimo Halbrainer/ Gerald Lamprecht/ Ursula Mindler (Hrsg.), NS-Herrschaft in der Steiermark. Positionen und Diskurse, Graz 2012, 20. 9 Vgl.: Ernst Lasnik, 750 Jahre Stadt Voitsberg, Voitsberg 1995. Anmerkung 4. 4 den mit Hakenkreuzen beflaggten Voitsberger Hauptplatz. Parteifunktionäre sind auf keinem Bild zu erkennen.10

Ebenfalls wenig ergiebig in Bezug auf den Nationalsozialismus vor Ort sind die zahlreichen anderen Ortschroniken aus dem Bezirk Voitsberg. Wenn die Zeit des Nationalsozialismus überhaupt erwähnt wird, dann so gut wie immer nur ohne Bezugnahme auf die NS-Akteure vor Ort. An dieser Vorgehensweise änderte sich im Laufe von gut drei Jahrzehnten leider nur wenig. Eine vollständige Auswertung der bisherigen Ortschroniken aus dem Bezirk Voitsberg, in Hinblick auf die Erforschung des Nationalsozialismus wird im Kapitel Entnazifizierung und Aufarbeitung stattfinden.11 Für die vorliegende Dissertation bedeutet diese Ausgangslage sowohl Hindernis als auch Chance. Ein Hindernis stellt die schlechte Forschungslage natürlich insofern dar, als dass sie wenig Ansatzpunkte für die Erforschung der lokalen NS-Führungsriege liefert. Daraus entsteht jedoch die Chance ein interessantes Themenfeld fast vollkommen unabhängig von Beeinflussungen durch bisherige Forschungsarbeiten zu untersuchen.

Einiges mehr zum Nationalsozialismus in der Region erfährt man aus der 2011 vom Steiermärkischen Landesarchiv im Rahmen der „Großen geschichtlichen Landeskunde der Steiermark“ herausgegebenen „Geschichte und Topographie des Bezirks Voitsberg“ in zwei Bänden. Von einer wirklich systematischen Aufarbeitung der NS-Zeit im Bezirk ist man aber auch hier noch immer meilenweit entfernt. Den Nationalsozialismus, vor allem als etwas von außen Kommendes zu betrachten ist, wie schon in der Voitsberger Ortschronik von 1995, die vorherrschende Deutungsweise im ersten Band, der den Titel „Allgemeiner Teil“ trägt.12 Deutlich wird dies vor allem durch ein weitest gehendes Fehlen von Informationen über die NS-Akteure vor Ort. Des Weiteren wird auf die deutlich nationalsozialistische Haltung des in der Region noch immer verehrten Heimatdichters Hans Kloepfer nicht ausreichend eingegangen.13 Dies geschieht trotz der Tatsache, dass Kloepfer als einer der Wegbereiter des Nationalsozialismus in der Weststeiermark gilt.14 Für den Dichter, der seine Kunst auch immer wieder in den Dienst des Nationalsozialismus gestellt hatte, wurde 1958 in Köflach

10 Vgl. Ernst Lasnik, Voitsberg. Porträt einer Stadt und ihrer Umgebung, Band 1, Voitsberg 2012, 133-146. Der zweite Band beschäftigt sich überhaupt nicht mit dem Nationalsozialismus. 11 Vgl.: 271-281. 12 Vgl.: Bernhard Reismann, Allgemeine Geschichte des Bezirkes 1848-2005, in: Walter Brunner (Hg.), Geschichte und Topographie des Bezirkes Voitsberg. Band 1: Allgemeiner Teil, Graz 2011, 160-196. 13 Vgl:. Ebd. 14 Vgl.: Dieter A. Binder, Die Epoche der Epochenverschlepper, in: Heimo Halbrainer/ Gerald Lamprecht/ Ursula Mindler (Hrsg.), NS-Herrschaft in der Steiermark. Positionen und Diskurse, Graz 2012, 487. 5 sogar ein Denkmal errichtet.15 Außerdem sind bis heute zahlreiche Straßen in der Weststeiermark nach ihm benannt. Eine umfassende Aufarbeitung und damit verbunden auch eine Neubewertung des gesamten Wirkens von Hans Kloepfer, welche letzten Endes in der Dekonstruktion seines Mythos in der weststeirischen Bevölkerung, sowie in der Umbenennung der zahlreichen Straßen, die seinen Namen tragen, münden sollte, sind meines Erachtens absolut überfällig.

Fairerweise muss man zum ersten Band der Voitsberger Bezirkschronik aber auch sagen, dass es bislang nicht in den Aufgabenbereich einer solchen Chronik fiel, den Nationalsozialismus vor Ort umfassend und kritisch aufzuarbeiten. Dafür ist die Zielsetzung von Bezirkschroniken, einen Überblick über die Geschehnisse im Raum des Bezirks von der Frühgeschichte bis zur Gegenwart zu geben, auch ungeeignet. Dies wird auch bei einem Blick auf zahlreiche andere Regionalchroniken deutlich.

Als außerordentlich hilfreich für meine Arbeit erwies sich hingegen der zweite Band der Chronik, das „Bezirkslexikon“. Dieses besteht aus Einträgen zu den bestehenden und ehemaligen Gemeinden des Bezirks. Vor allem den Bürgermeisterlisten kommt eine große Bedeutung zu. Des Weiteren sind auch teilweise NS-Aktivitäten in den einzelnen Gemeinden verzeichnet. Jedoch fehlt auch hier die Systematik, sodass sich ein alles andere als kohärentes Bild vom Nationalsozialismus in den Gemeinden des Bezirks ergibt.16 Von großer Wichtigkeit für die Entwicklung des Nationalsozialismus in den Jahren der Ersten Republik ist die Zusatz-CD, welche unter anderem die Wahlergebnisse in den Gemeinden des Bezirks beinhaltet. Durch sie lässt sich die Stärke der NSDAP bis zum Jahr 1930 gut abschätzen. Leider fehlen die Ergebnisse der Gemeinderatswahl 1932, bei welcher die Nationalsozialisten steiermarkweit den Durchbruch schafften.17 Durch Recherchen in alten Ausgaben des Voitsberg-Köflacher Wochenblattes aus dem Wahljahr gelang es im Zuge dieser Arbeit dennoch, einige Gemeindeergebnisse zu eruieren und einen Einblick in das Wahlergebnis im Bezirk zu bekommen. Insgesamt zeigen die beiden Bände der Voitsberger Bezirkschronik, dass, verglichen mit ähnlichen Publikationen über Gemeinden des Bezirks, deutlich mehr zum Nationalsozialismus vor Ort zu finden ist. Allerdings wurden die Erkenntnisse nicht systematisch in den ersten Band eingearbeitet, sondern eher sporadisch im zweiten Band, auf

15 Vgl.: Ebd. 489. 16 Vgl.: Walter Brunner (Hg.), Geschichte und Topographie des Bezirkes Voitsberg. Band 2: Bezirkslexikon, Graz 2011. 17 Vgl.: Walter Brunner (Hg.), Geschichte und Topographie des Bezirkes Voitsberg. Band 2: Bezirkslexikon, Graz 2011, Zusatz-CD. 6 die einzelnen Gemeinden verteilt. Eine wirkliche Aufarbeitung sieht anders aus. Dieser Befund gilt allerdings nicht nur für den Bezirk Voitsberg, sondern für weite Teile der Steiermark.

In einem größeren Kontext betrachtet, machte erst Peter Hüttenbrenners 1969 erschienene Gauleiterstudie die Forschung zum Nationalsozialismus in der Region salonfähig und zeigte, dass dieser „die Realität vor Ort prägte und von ihr mitbestimmt wurde.“ 18 Mit der Zeit folgten weitere Gau- und Regionalstudien, welche sich aber in erster Linie mit ganzen Gauen beschäftigten.19 Diese Studien waren dazu gedacht, die Lücken in der Landes- oder Regionalgeschichte zwischen 1933 und 1945 (bzw. 1938-1945) zu füllen und ein allgemeines Bild von größeren Regionen im Nationalsozialismus zu zeichnen Die systematische Erforschung der NS-Zeit in der Steiermark, steht aber dennoch erst am Anfang.20. Der 2012 erschienen und bereits mehrfach zitierte Sammelband „NS-Herrschaft in der Steiermark“ ist dabei ein erster bedeutender Schritt und daher auch für diese Arbeit von großer Bedeutung.

Forschungen zur NS-Geschichte unterhalb der Gauebene erwiesen sich als noch schwieriger. Erst in den letzten 20 Jahren kam es in Deutschland zu einer Reihe von Publikationen, welche die Kreisebene betrafen.21 Allerdings sind die Studien über die NS-Kreise und ihre Kreisleiter noch weit davon entfernt, an die Dichte der Gau- bzw. Gauleiterstudien heranzukommen. Ausschlaggebend dafür ist in erster Linie die schwierige Quellenlage. Jedoch spielt auch ein noch immer sehr geringes Interesse von Seiten der Historiker/innen am Nationalsozialismus in der Region eine gewisse Rolle.

Die bisherigen Forschungen zur Kreisebene weisen daher eine dementsprechend große Heterogenität bezüglich der Forschungsmethoden auf. Dies muss aber nicht unbedingt hinderlich sein, da man dadurch als Historiker nicht in ein enges Forschungskorsett gedrängt wird, sondern eigene Ansätze entwickeln kann. Einen Mangel an solchen Ansätzen gibt es in den von mir als Sekundärliteratur herangezogenen Kreisleiterstudien wahrlich nicht. Biographische, typisierende und quantifizierende Ansätze aller Art sind in besagten Studien

18 Schaarschmidt, Regionalität im Nationalsozialismus, 14. 19 Vgl.: Martin Broszat u.a. (Hrsg.), Bayern in der NS-Zeit, München/Wien 1977-1983. 20 Vgl.: Heimo Halbrainer/Gerald Lamprecht/Ursula Mindler, NS-Herrschaft in der Steiermark-Einleitung, in: Heimo Halbrainer/ Gerald Lamprecht/ Ursula Mindler (Hrsg.), NS-Herrschaft in der Steiermark. Positionen und Diskurse, Graz 2012, 13. 21 Vgl.: Anmerkung 2. 7 vorzufinden. Gemeinsam ist all diesen Forschungen jedoch die schlechte Quellenlage, insbesondere bei den Kreisleitungsakten.22

Ich persönlich habe mich für einen eher biographischen Ansatz entschieden. Laut Martin Kohli ermöglicht solch ein Ansatz „einen methodischen Zugang zum sozialen Leben […], der 1. möglichst umfassend ist, 2. auch die Eigenperspektive der handelnden Subjekte thematisiert und 3. die historische Dimension berücksichtigt.“23 Außerdem kommt eine solche Vorgehensweise dem „Wesen“ des NS-Systems am nahsten, da dieses selbst im Vergleich zu anderen autoritären Herrschaftsformen extrem personalisiert war.24 Der biographische Ansatz ist aber auch aufgrund meiner Hauptquellen sinnvoll. Dazu zählen die Volksgerichtsakten der beiden Kreisleiter Anton Weißensteiner und Hubert Eissner, in denen auch deren Tätigkeit im Kreis Voitsberg, aufgearbeitet wird. Sie ermöglichen einen aufschlussreichen Blick auf den Werdegang der beiden Kreisleiter und auch zum Teil auf deren Amtsführung. Leider kommt durch die Konzentration auf strafrechtlich relevante Aspekte ihrer Amtszeit der Blick auf die ebenfalls aussagekräftigen Routinetätigkeiten, welche die Arbeit als Kreisleiter mit sich brachte, zu kurz. Aufgrund der Art der Quelle ist dies jedoch absolut verständlich. Dasselbe gilt für die Volksgerichtsakten der Ortsgruppenleiter. Erschwerend kommt im Fall der Ortsgruppenleiter noch hinzu, dass nur zu 25 der insgesamt 36 Ortsgruppenleiter, die während der Zeit der NS-Herrschaft im Kreis Voitsberg dieses Amt bekleideten, Volksgerichtsakten vorhanden sind.

Eine weitere Hauptquelle, das Voitsberg-Köflacher Wochenblatt, liefert trotz der durchgängig präsenten NS- Propaganda auch zuverlässige Informationen über die Aktivitäten der Kreisleiter und weiterer NS-Funktionäre vor Ort und ist daher in biographischer Hinsicht wertvoll. Vor allem die parteiamtlichen Nachrichten sind dabei von Bedeutung. Leider ging ihr Anteil am Gesamtinhalt der Zeitung während des Krieges immer stärker zurück. An ihre Stelle traten vor allem Wehrmachtsberichte und andere kriegsbezogene Nachrichten. Daneben sank auch die Zahl der Seiten pro Ausgabe immer weiter. Dies hat zur Folge, dass Informationen über die Aktivitäten der lokalen NS-Führungsriege mit Fortschreiten des Krieges immer spärlicher werden. Zu den Hauptquellen gehören noch die NSDAP-Parteiakten aus dem Bundesarchiv Berlin-Lichterfelde. Dabei lieferte vor allem die Parteikorrespondenz,

22 Vgl.: Michael Rademacher, Die Kreisleiter der NSDAP, 11. 23 Martin Kohli, Wie es zur biographischen Methode kam und was daraus geworden ist. Ein Kapitel aus der Geschichte der Sozialforschung, in: Zeitschrift für Soziologie 10, (1981) 3, 273. 24 Vgl.: Ian Kershaw, Das Ende. Kampf bis in den Untergang. NS-Deutschland 1944/45, München 2011, 33. 8 sofern vorhanden eine Fülle von Informationen über die NS-Führungsriege im Kreis Voitsberg. Dazu stellten sich die Informationen aus der NSDAP-Mitgliederkartei als sehr nützlich heraus, vor allem hinsichtlich des zeitlichen Eintritts in die Partei.

Für die Kontextualisierung der letzten Kriegsmonate werde ich mich auf Ian Kershaws Buch „Das Ende“ konzentrieren. Darin geht er der Frage nach, warum das Dritte Reich buchstäblich bis zum Ende einen verlorenen Krieg kämpfte und nicht früher kapitulierte. Neben einigen anderen Faktoren schreibt er auch den lokalen NS-Führungsriegen große Bedeutung für die Fortsetzung des sinnlosen Kriegs zu. Je schwächer die Zentralregierung wurde, desto stärker gingen wichtige Entscheidungen auf die Kreis- und Ortsebene über.25

Macht eine Typisierung für die Gauleiter aufgrund der bereits erschienenen Studien, einen gewissen Sinn, ist eine solche bei den Kreisleitern noch nicht möglich. Vielleicht wird sie aufgrund der Vielzahl von Kreisleitern und Persönlichkeitsstrukturen selbst bei Erforschung jedes einzelnen, wovon man noch weit entfernt ist, auch in Zukunft nicht möglich sein. Mit Blick auf die beiden von mir untersuchten Kreisleiter stimme ich Barbara Fait zu, dass für die Amtsführung der Kreisleiter individuelle Charaktereigenschaften entscheidend waren und deren Handlungsweisen sich kaum typisieren lassen werden.26

Den Ansatz der Komparatistik werde ich aber zum Beispiel im Fall der von der NSDAP vorgegebenen Kriterien für Kreisleiter anwenden. Anhand dieser Kriterien versuchte die NSDAP, den Idealtypus des zu definieren. Aufgrund der großen Heterogenität der NS-Kreisleiter ist es interessant zu sehen, inwieweit die Voitsberger Kreisleiter diesem von der Partei propagierten Typus entsprachen oder nicht. Vergleiche mit bereits erforschten Kreisen wären zwar möglich, sind aber aufgrund der großen regionalen Unterschiede und der Tatsache, dass es bisher keine auch nur ansatzweise systematische Erforschung aller 8327 österreichischen Kreise gibt, meiner Meinung nach nur in manchen Fällen aussagekräftig. Vergleiche mit deutschen Kreisen sind aber aufgrund des, verglichen mit Österreich, etwas

25 Vgl.: Ian Kershaw, Das Ende. Kampf bis in den Untergang. NS-Deutschland 1944/45, München 2011, 34. 26 Vgl.: Barbara Fait, Die Kreisleiter der NSDAP nach 1945, in: Martin Broszat/ Klaus-Dietmar Henke/ Hans Woller (Hrsg.), Von Stalingrad zur Währungsreform. Zur Sozialsgeschichte des Umbruchs in Deutschland, München 1988, 213-299. 27 Vgl.: Ursula Mindler, „Die Zigeuner und die Juden sind seit der Gründung des Dritten Reiches untragbar.“ Das Südburgenland im Gau Steiermark und sein Umgang mit der NS-Vergangenheit nach 1945, in: Heimo Halbrainer/ Gerald Lamprecht/ Ursula Mindler (Hrsg.), NS-Herrschaft in der Steiermark. Positionen und Diskurse, Graz 2012, 124, Abb. 3. 9 besseren Forschungsstandes nützlich. Punktuelle komparatistische Ansätze werde ich auch bei der Einordnung des Gaues Steiermark anwenden.

3. Allgemeines zum Gau Steiermark und zum Kreis Voitsberg

Bevor ich näher auf die Akteure eingehen kann, ist es notwendig, ihr Handlungsumfeld zu umschreiben. In diesem Fall der Kreis Voitsberg im Gau Steiermark. Ohne diese Kontextualisierung ist die biographische Beschreibung von Handlungsweisen einzelner Personen nie wirklich sinnvoll.

Der Gau Steiermark wurde in seinen Grenzen endgültig durch das Ostmarkgesetz des Jahres 1939 festgelegt.28 Er umfasste die heutige Steiermark ohne das Ausseerland, aber mit dem südlichen . Die Bevölkerungszahl war verglichen mit anderen Reichsgauen unterdurchschnittlich, allerdings trifft das auf alle österreichischen Gaue zu.29 Gemessen an der Fläche, zählte die Steiermark zu den mittelgroßen Gauen.30 Aufgrund der ausgesprochen niedrigen Bevölkerungsdichte kann man den Gau als nicht-urban geprägt bezeichnen. Auch diese Bezeichnung trifft auf alle österreichischen Gaue, mit Ausnahme des Stadtgaues Wien, zu.31

Wichtiger als diese Fakten ist jedoch die politische Prägung der Steiermark vor 1938. Man kann ohne Zweifel von einer Hochburg der frühen NS-Bewegung sprechen.32 Die Machtergreifung der Nationalsozialisten war großteils schon vor dem Einmarsch der Wehrmacht abgeschlossen und Graz wurde ja bekanntlich von Hitler mit der Bezeichnung „Stadt der Volkserhebung“ geehrt. Martin Moll schreibt dazu: „Als das reichsdeutsche NS- Regime im März 1938 nach Österreich griff, traf es in der Steiermark auf eine nahezu ideale Situation […].“33 Deutschnationale Elemente waren in allen Lebensbereichen überdurchschnittlich stark vertreten. Sogar die steirische Sozialdemokratie verfolgte laut Moll

28 Vgl.: Martin Moll, Der Steiermark 1938-1945. in: Schriftenreihe der Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte Sondernummer (2007), 364. 29 Vgl.: Detlef Schmiechen-Ackermann, Das Potenzial der Komparatistik für die NS-Regionalforschung. – Vorüberlegungen zu einer Typologie von NS-Gauen und ihren Gauleitern anhand der Fallbeispiele Süd- Hannover-Braunschweig, Osthannover und Weser-Ems. in: Schriftenreihe der Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte Sondernummer (2007), 238, Tabelle 2. 30 Vgl.: Detlef Schmiechen-Ackermann, Das Potenzial der Komparatistik, 237, Tabelle 1. 31 Vgl.: Detlef Schmiechen-Ackermann, Das Potenzial der Komparatistik, 238, Tabelle 3. 32 Vgl.: Martin Moll, Der Reichsgau Steiermark, 366. 33 Martin Moll, Der Reichsgau Steiermark, 367. 10 einen, verglichen mit der Bundes-SDAP, sehr deutschnationalen Kurs.34 Der kommunistische Widerstand war, insbesondere bis zum Jahr 1941 als das Deutsche Reich die Sowjetunion angriff, aufgrund des 1939 geschlossenen Hitler-Stalin Paktes, eine zu vernachlässigende Größe.

Auch parteiintern kam es im Großen und Ganzen zu keinen gravierenden Machtkämpfen. Der aus Salzburg stammende, aber in der Steiermark sozialisierte Sigfried Uiberreither wurde als Gauleiter weitestgehend akzeptiert. Eine Tatsache, die aufgrund der extremen Personalisierung der NS-Machtausübung für die Ruhe in der Partei überaus wichtig war. In der Forschung wird Uiberreither heute als sehr starker Gauleiter eingestuft. Sein Pendant auf der zivilen Verwaltungsebene, Regierungspräsident Dr. Müller-Haccius, spielte, anders als in vielen anderen Gauen des Reiches nur eine untergeordnete Rolle. 1944 trat Müller-Haccius, der aus dem „Altreich“ stammte und von Uiberreither wenig gemocht wurde, schließlich zurück.35 Uiberreithers Hausmacht war zunächst die SA.36 Er selbst bekleidete den Rang eines SA-Brigadeführers und besetzte Schlüsselpositionen mit SA-Männern. Der erste Voitsberger Kreisleiter Anton Weißensteiner war ebenfalls seit 1934 hochrangiges SA-Mitglied.37 Für die Annahme einer besonders straffen Führung der Partei und ihrer Gliederungen durch Uiberreither spricht auch die Tatsache, dass der steirische NS-Führungsapparat auch im April 1945 noch keinerlei Auflösungserscheinungen zeigte.38 Dies dürfte zum Teil aber auch daran liegen, dass die Steiermark eines der letzten Gebiete des Dritten Reiches war, auf dem es zu Kampfhandlungen kam. Die Kämpfe betrafen jedoch nur die östlichen Teile des Gaugebiets. Als das „Dritte Reich“ am 8. Mai 1945 kapitulierte, waren große Teile der Steiermark noch nicht von sowjetischen oder westalliierten Truppen befreit worden. Diese Tatsache hat wohl auch einen nicht zu unterschätzenden Beitrag dazu geleistet, dass der NS-Führungsapparat in der Steiermark länger intakt blieb als anderswo. Neben diesen Umständen spielten auch die NS-Funktionäre vor Ort eine zentrale Rolle bei der Aufrechterhaltung der NS-Herrschaft und der bis zuletzt erfolgten Mobilisierung größerer Teile der Bevölkerung für den Krieg.

34 Ebd. 35 Vgl.: Martin Moll, NS-Eliten in der Steiermark und steirische NS-Eliten. Herkunft, Rolle und Selbstverständnis 1938-1945, in: Heimo Halbrainer/ Gerald Lamprecht/ Ursula Mindler (Hrsg.), NS-Herrschaft in der Steiermark. Positionen und Diskurse, Graz 2012, 97. 36 Vgl.: Martin Moll, Der Reichsgau Steiermark, 370. 37 Steiermärkisches Landesarchiv, LGS Graz, VR 5001/47 – 55. 38 Vgl.: Martin Moll, NS-Eliten in der Steiermark und steirische NS-Eliten. Herkunft, Rolle und Selbstverständnis 1938-1945, in: Heimo Halbrainer/ Gerald Lamprecht/ Ursula Mindler (Hrsg.), NS-Herrschaft in der Steiermark. Positionen und Diskurse, Graz 2012, 114. 11

Ein weiteres interessantes Faktum ist die, von prominenten Ausnahmen abgesehen, überwiegend gauinterne Rekrutierung des Führungspersonals. Bei fast allen wichtigen Postenbesetzungen kamen steirische Nationalsozialisten zum Zug.39 Im Gegensatz zum Gau Wien herrschte also eine überwiegend interne Rekrutierungspraxis vor.40 Einen Mangel an geeigneten Nationalsozialisten hat es in der Steiermark offenbar nicht gegeben. Diese waren im Vergleich zu anderen Gauen laut Moll auch überdurchschnittlich stark radikalisiert. Dazu trugen sicher auch die Ereignisse des Juli-Putsches 1934 bei. Diesbezüglich war die Situation im Kreis Voitsberg grundsätzlich anders. Darauf werde ich später noch zurückkommen. Alles in allem kann man aber die Steiermark als einen „Mustergau“ im nationalsozialistischen Sinne bezeichnen.41

Im Gegensatz dazu war der Kreis Voitsberg für die Nationalsozialisten alles andere als ein ideales Terrain. Der aus 62 Gemeinden und 12 NS-Ortsgruppen bestehende Kreis42 war schon seit Ende des 19. Jahrhunderts sozialdemokratisch geprägt. Die vorhandenen Wahlergebnisse aus der Zeit der Ersten Republik zeigen ebenfalls, dass es eine deutliche sozialdemokratische Mehrheit im Bezirk Voitsberg gab.

Betrachtet man die Ergebnisse der Landtags- und Nationalratswahlen im Bezirk Voitsberg, stellt man fest, dass die NSDAP keine große Rolle spielte. Bei den Landtags- und Nationalratswahlen des Jahres 1930 kam sie in kaum einer der 62 Gemeinden des Bezirks über die 5 % Marke. Zu den Hochburgen der NSDAP im Bezirk zählte bei den Wahlen 1930 die Gemeinde Köflach mit 6,4 %.43 Hier gelang es den Nationalsozialisten bereits 1924, ein Mandat im Gemeinderat zu erobern. Bei den Gemeinderatswahlen des Jahres 1932 erreichte die NSDAP in Köflach 8,2 %44 und damit ein Mandat im Gemeinderat. Die Stimmensteigerung im Vergleich zur Wahl 1930, fiel verglichen mit anderen Gemeinden des Bezirks, eher gering aus. Dies lag wahrscheinlich daran, dass viele Köflacher Nationalsozialisten die Wirtschaftspartei, eine Vereinigung rechtsgerichteter Parteien, wählten, welche sich ein knappes Rennen mit den Sozialdemokraten um Platz 1 lieferte.

39 Vgl.: Martin Moll, Der Reichsgau Steiermark., 368-369. 40 Vgl.: Detlef Schmiechen-Ackermann, Das Potenzial der Komparatistik, 246, Tabelle 12. 41 Vgl.: Martin Moll, NS-Eliten in der Steiermark und steirische NS-Eliten. Herkunft, Rolle und Selbstverständnis 1938-1945, in: Heimo Halbrainer/ Gerald Lamprecht/ Ursula Mindler (Hrsg.), NS-Herrschaft in der Steiermark. Positionen und Diskurse, Graz 2012, 115. 42 Vgl.: Ämterführer von Graz und Steiermark. 1. Jahrgang , Graz 1939/1940, 104-105 und 122. 43 Walter Brunner (Hg.), Geschichte und Topographie des Bezirkes Voitsberg. Band 2: Bezirkslexikon, Graz 2011, Zusatz-CD. 44 Voitsberg-Köflacher Wochenblatt, 30. April 1932. 12

Letztendlich gelang es der Wirtschaftspartei 8 der 16 Mandate zu gewinnen, während die SDAP 7 Mandate errang.45 Auch in Kohlschwarz lief die Wahl 1930 für die Nationalsozialisten mit 9,3 %46 Stimmenanteil vergleichsweise gut. 1932 erreichten sie bei den Gemeinderatswahlen bereits 14,1 %47 der Stimmen und ein Mandat.

In lag die NSDAP 1930 verglichen mit Kohlschwarz mit 10,9 % sogar noch etwas besser.48 Bei den Gemeinderatswahlen 1932 wurde die NSDAP bereits zweitstärkste Partei mit 24,4 % der Stimmen und 2 von 8 Mandaten.49 In Piber erreichten die Nationalsozialisten 1930 ihr stärkstes Ergebnis im Bezirk und lagen bereits bei 14,1 %50 der Stimmen. Zwei Jahre später konnten sie ihr Ergebnis bei den Gemeinderatswahlen noch einmal deutlich verbessern und zweitstärkste Fraktion im Gemeinderat werden. Mit 34 % der Stimmen errang die NSDAP 3 von 10 Mandaten51 und ließ die Christlich-Sozialen deutlich hinter sich. Nur die Sozialdemokraten lagen mit 44,2 %52 vor den Nationalsozialisten. Nur kurze Zeit nach der Wahl schlossen sich die Sozialdemokraten von Piber größtenteils der NSDAP an.53 Die kleine Gemeinde Piber, heute ein Teil von Köflach, war ohne Zweifel die Hochburg des frühen Nationalsozialismus im Bezirk Voitsberg.

In der Stadt Voitsberg konnte die NSDAP 1924 ein Mandat erringen. 1930 lag sie bei den Landtags- und Nationalratswahlen aber knapp unter 5 %54. Bei den Gemeindetagswahlen des Jahres 1932 gelang es ihr jedoch unter der Führung des Bezirksrichters Dr. Hans Diethmar ihren Stimmenanteil mit 12,8 % zu verdreifachen. 55 Mit diesem Ergebnis gelang es den Nationalsozialisten die Christlich-Sozialen hinter sich zu lassen und 2 der 1656 Mandate im Voitsberger Gemeinderat zu erringen. Die SDAP blieb jedoch mit 11 Mandaten die eindeutig

45 Ebd. 46 Walter Brunner (Hg.), Geschichte und Topographie des Bezirkes Voitsberg. Band 2: Bezirkslexikon, Graz 2011, Zusatz-CD. 47 Voitsberg-Köflacher Wochenblatt, 30. April 1932. 48 Walter Brunner (Hg.), Geschichte und Topographie des Bezirkes Voitsberg. Band 2: Bezirkslexikon, Graz 2011, Zusatz-CD. 49 Voitsberg-Köflacher Wochenblatt, 30. April 1932. 50 Walter Brunner (Hg.), Geschichte und Topographie des Bezirkes Voitsberg. Band 2: Bezirkslexikon, Graz 2011, Zusatz-CD. 51 Voitsberg-Köflacher Wochenblatt, 30. April 1932. 52 Ebd. 53 Vgl.: Walter Brunner (Hg.), Geschichte und Topographie des Bezirkes Voitsberg. Band 2: Bezirkslexikon, Graz 2011, 245. 54 Walter Brunner (Hg.), Geschichte und Topographie des Bezirkes Voitsberg. Band 2: Bezirkslexikon, Graz 2011, Zusatz-CD. 55 Voitsberg-Köflacher Wochenblatt, 30. April 1932. 56 Ebd. 13 beherrschende Kraft in Voitsberg.57 In Bärnbach schafften es die Nationalsozialisten 1930 ebenfalls nicht über 5 % der Stimmen zu erreichen.58 Zwei Jahre später schafften sie allerdings mit 7,8 % der Stimmen und einem Mandat den Einzug in den Gemeinderat.59 Alles in allem gelang es der NSDAP 1930 nur in 4 Gemeinden einen Stimmenanteil von über 5 % zu erreichen. Bezirksweit lag sie bei 2,1 %.60

Ein Blick auf das Gesamtergebnis der Landtags- und Nationalratswahlen des Jahres 1930 im Bezirk Voitsberg zeigt eine deutliche Vorherrschaft der Sozialdemokraten. Die SDAP erhielt insgesamt 9035 Stimmen und lag mit 44,7 % der abgegebenen Stimmen deutlich auf dem ersten Platz.61 An zweiter Stelle landete die Christlich-Soziale Partei mit 5.400 Stimmen bzw. 26,7 %.62 Ein knappes Duell um den dritten Platz lieferte sich der Schober-Block, ein Bündnis aus Nationalem Wirtschaftsblock und Landbund mit dem Heimat-Block, dem politischen Arm der Heimwehr. Letztendlich erhielt der Heimat-Block 2669 Stimmen bzw. 13,2 % und wurde drittstärkste Partei, während der Schober-Block knapp dahinter mit 2600 Stimmen bzw. 12,9 % bezirksweit, den 4. Platz belegte. 63 Dahinter landeten die Nationalsozialisten mit 417 Stimmen bzw. 2,1 %.64 Die Kommunisten erhielten lediglich 99 Stimmen bzw. 0,5 % und waren somit die schwächste politische Kraft im Bezirk Voitsberg.65 Alles in allem war das Ergebnis der NSDAP im Bezirk Voitsberg in jeder Hinsicht unterdurchschnittlich. Sowohl der österreichweite Stimmenanteil der NSDAP (3 %), als auch jener in der Steiermark (3,5 %) lagen über dem im Bezirk Voitsberg. Noch weiter entfernt war das Bezirksergebnis von den 5,8 %, welche die NSDAP in der Obersteiermark erreichte.66

Einen Gesamtüberblick über das Bezirksergebnis der Gemeindetagswahl 1932 zu geben, ist aufgrund des bereits erwähnten Fehlens zahlreicher Gemeindeergebnisse schwierig. Fest steht jedoch, dass die Sozialdemokraten die Oberhand in den größeren Gemeinden des Bezirks hatten und dort auch den Bürgermeister stellten. Ausnahme war die Stadt Köflach, wo es dem

57 Ebd. 58 Vgl.: Walter Brunner (Hg.), Geschichte und Topographie des Bezirkes Voitsberg. Band 2: Bezirkslexikon, Graz 2011, Zusatz-CD. 59 Voitsberg-Köflacher Wochenblatt, 30. April 1932. 60 Vgl.: Walter Brunner (Hg.), Geschichte und Topographie des Bezirkes Voitsberg. Band 2: Bezirkslexikon, Graz 2011, Zusatz-CD. 61 Ebd. 62 Ebd. 63 Ebd. 64 Ebd. 65 Ebd. 66 Vgl.: Kurt Bauer, Der Weg zum Juliputsch. Zu Struktur und Dynamik des Nationalsozialismus in der Steiermark von 1932 bis 1934. In: Heimo Halbrainer/Martin F. Polaschek, Aufstan, Putsch und Diktatur. Das Jahr 1934 in der Steiermark, Graz 2007, 95. 14 rechtem Lager gelang, die Macht zu erringen. Alles in allem blieb die SDAP, zählt man die Einzelergebnisse der 16 Gemeinden, in denen das Ergebnis der Wahl bekannt ist, zusammen, wie schon 1930 stärkste Kraft des Bezirks. Die NSDAP legte jedoch in einzelnen Gemeinden deutlich zu.67

Letztendlich beruhte die Dominanz der SDAP im Bezirk Voitsberg auf ihrer Stärke in den Städten und größeren Gemeinden. In den drei größten Gemeinden des Bezirks erreichte sie 1930 jeweils deutlich über 50 %. 1932 gelang es ihr in Bärnbach sogar weit über zwei Drittel der Stimmen zu erringen. Diese Stärke spiegelte sich letztlich auch in den Aktivitäten des Schutzbundes während des Februaraufstandes 1934 wider. Es gelang dem Schutzbund in kurzer Zeit, 500 schwerbewaffnete Mitglieder in Voitsberg zusammenzuziehen. Um die Kämpfer in Schach zu halten, mussten neben Gendarmerie und Heimwehr das Alpenjägerregiment Nr. 9 des Bundesheeres mit 140 und einem Minenwerferzug eingesetzt werden. In den anderen Gemeinden des Bezirks gab es während des Februaraufstandes ebenfalls Aktivitäten des Schutzbundes. Diese waren allerdings vom Ausmaß her geringer als in Voitsberg. Letztendlich entschied sich der Voitsberger Bürgermeister und Schutzbundführer Hans Steiner am 14. Februar 1934 dazu, den hoffnungslosen Kampf aufzugeben, um weiteres Blutvergießen zu vermeiden. Steiner selbst flüchtete danach über Eibiswald nach Jugoslawien.68

Den Christlich-Sozialen gelang es 1930 in den meisten Gemeinden des Bezirks eine Mehrheit zu erlangen. Allerdings waren die gewonnenen Gemeinden überwiegend Kleingemeinden mit wenigen abgegebenen Stimmen. Außerdem kann man davon ausgehen, dass die Christlich- Sozialen sehr unter dem starken Abschneiden des Heimat-Blocks und des Schober-Blocks litten, da diese beiden Parteien ebenfalls um die Wählerschaft rechts der Mitte buhlten. Ihr Ergebnis bei den Gemeinderatswahlen 1932 einzuschätzen, ist aber kaum möglich, da sie nur in vier von 16 ausgewerteten Gemeinden als eigenständige Partei antrat. In allen anderen Gemeinden war sie Teil der Wirtschafts- und Ständepartei, wobei es nicht möglich ist festzustellen, wie groß ihr Einfluss innerhalb dieses rechten Wahlbündnisses war.

Ein politisch relevanter Faktor waren die Nationalsozialisten unter Bezirksleiter Leitl 1930 im Bezirk Voitsberg eindeutig noch nicht. Dies änderte sich bei den Gemeindetagswahlen 1932

67 Vgl.: Voitsberg-Köflacher Wochenblatt, 30. April 1932. 68 Vgl.: Bernhard Reismann, Allgemeine Geschichte des Bezirkes 1848-2005, in: Walter Brunner (Hg.), Geschichte und Topographie des Bezirkes Voitsberg. Band 1: Allgemeiner Teil, Graz 2011, 172-173. 15 schlagartig. Dieser Schluss lässt sich trotz des Fehlens eines Großteiles der Gemeindeergebnisse ziehen. In 7 von den 16 Gemeinden, deren Ergebnisse vorliegen, gelang es der NSDAP in den Gemeinderat einzuziehen. Die Organisation des Wahlkampfs hatte Bezirksleiter Dr. Otto Benda, der 1931 von Leitl, welcher aus unbekannten Gründen versetzt wurde, die Kreis-NSDAP übernahm, inne.69 In manchen Gemeinden wurden die Nationalsozialisten bereits zur zweitstärksten Kraft. Damit lagen sie insgesamt immer noch mehr als deutlich hinter den Sozialdemokraten und ebenfalls weit hinter den verschiedenen Wirtschafts-und Ständevereinigungen, welche als Sammelparteien des rechten Lagers in den meisten der ausgewerteten Gemeinden die Hauptkonkurrenten der SDAP waren. Jedoch gelang es der NSDAP im Vergleich zu 1930 die Schwelle der politischen Bedeutung zu überschreiten und spürbaren Einfluss im politischen Leben des Bezirks zu erreichen. So stark wie in anderen Teilen der Steiermark war sie jedoch nicht. Diesen Schluss kann man aus dem Vergleich mit den Ergebnissen der NSDAP in der Obersteiermark im Allgemeinen und im Ennstal im Speziellen ziehen. In Leoben, Knittelfeld und Mürzzuschlag erreichten die Nationalsozialisten beinahe die Marke von 20 Prozent. Übertroffen wurden diese Ergebnisse mit 24 Prozent noch in Liezen und Irdning. Die kleine Gemeinde Untertal war mit einem Stimmenanteil von 89 Prozent die NS-Hochburg innerhalb der Steiermark. Untertal lag im damaligen Gerichtsbezirk Schladming. In der Stadt Schladming kam die NSDAP auf 33 Prozent.70

Obwohl es den Nationalsozialisten bis zum Verbot 1933 gelang, ihre Schlagkraft immer weiter zu erhöhen, blieben sie alles in allem während der frühen 1930er Jahre nur eine kleine bis mittlere Kraft im politischen Machtgefüge des Bezirks Voitsberg. Wie in anderen Teilen der Steiermark nahmen die Nationalsozialisten im Kreis Voitsberg 1933 Kontakte zum ebenfalls verbotenen regierungsfeindlichen Flügel des Steirischen Heimatschutzes auf. Im Oktober 1933 kam es in einem Stollen des Bergbaus Zangtal, im Gebiet der Gemeinde Voitsberg, zu einem Beratungstreffen zwischen Führern der NSDAP und des Heimatschutzes. An dem Treffen nahmen unter anderem Bezirksleiter Alois Killer und Bezirkskassier Karl Strasser teil. Es ging dabei hauptsächlich um die Besprechung der politischen Lage und um die Bestellung neuer Ämterführer. Des Weiteren wurde versucht, bestehende Differenzen

69 Vgl.: Voitsberg-Köflacher Wochenblatt, 29. April 1933. 70 Kurt Bauer, Der Weg zum Juliputsch. Zu Struktur und Dynamik des Nationalsozialismus in der Steiermark von 1932 bis 1934. In: Heimo Halbrainer/Martin F. Polaschek, Aufstand, Putsch und Diktatur. Das Jahr 1934 in der Steiermark, Graz 2007, 96. 16 zwischen den beiden Organisationen auszuräumen.71 Im an die Beratung traf sich ein kleinerer Ausschuss in der Wohnung Strassers, welcher von 1940 bis 1943 die Leitung der NSDAP-Ortsgruppe Voitsberg innehatte. Der Gendarmerieposten Voitsberg erfuhr jedoch von dem Treffen, führte in Strassers Wohnung eine Hausdurchsuchung durch und verhaftete alle Teilnehmer.72

Das in Strassers Wohnung gefundene Protokoll des Treffens zeigt, dass es innerhalb der Führung der NSDAP durchaus Vorbehalte gegen eine Zusammenarbeit mit dem Heimatschutz gab. Allerdings wurde auch festgehalten, dass die Kooperation zwischen NSDAP und Heimatschutz in Köflach gut funktionieren würde.73 Strasser und Killer wurden bereits drei Tage nach ihrer Verhaftung wieder auf freien Fuß gesetzt.74 Am 27. Februar 1934 wurde Karl Strasser zu einer Woche strengem Arrest verurteilt. Alois Killer erhielt einen Monat strengen Arrest.75 Beide setzten nach ihrer Haftentlassung ihre führende Tätigkeit in der NSDAP-Voitsberg fort.

Ein Hinweis auf die relative Schwäche des Nationalsozialismus im Bezirk ist das weitestgehende Ausbleiben von NS-Aktivitäten während des Juli-Putsches 1934. Der Aufstandsplan sah vor, dass sich die SA-Einheiten des Bezirkes Voitsberg an der Einschließung und der später geplanten Stürmung von Graz beteiligen sollten.76 In der Nacht vom 25. auf den 26. Juli, in welcher es steiermarkweit zu den schwersten Kämpfen kam, blieb es im gesamten Bezirk Voitsberg ruhig. 77 Als die Köflacher SA am 27. Juli schließlich den Befehl zum Losschlagen erhielt, weigerte sie sich, wahrscheinlich aufgrund des mittlerweile absehbaren Scheiterns des Putsches, auszurücken.78 Ähnliches ereignete sich im nahe gelegenen .79 Lediglich minimale Erfolge konnten von den Putschisten erzielt werden. So gelang es einigen Nationalsozialisten am 27. Juli gegen 23 Uhr, die Telefonleitung zwischen Söding und zu unterbrechen. Auch die Telefondrähte zwischen dem Gendarmerieposten Großsöding und dem Postamt wurden etwas später

71 LGS Graz, Vr 4046/33. 72 VKW, 3. Februar 1934. 73 LGS Graz, Vr 4046/33. 1-7. 74 Ebd. 54. 75 Ebd. 80. 76 Vgl.: Hans Schafranek, Sommerfest mit Preisschießen. Die unbekannte Geschichte des NS-Putsches im Juli 1934, Wien 2006, 144. 77 Vgl.: Kurt Bauer, „Heut`ist der zahlende Tag“. Der nationalsozialistische Juliputsch 1934 in der Steiermark – das Beispiel St. Gallen, in: Heimo Halbrainer/ Gerald Lamprecht/ Ursula Mindler (Hrsg.), NS-Herrschaft in der Steiermark. Positionen und Diskurse, Graz 2012, 47. 78 Vgl.: Ebd. 79 Vgl.: Eb. 242. 17 gekappt.80 Ebenfalls unterbrochen wurde die Fernsprechleitung Köflach-Pack-Klagenfurt und die Leitung zwischen Pack und dem kärntnerischen Preitenegg.81 Das Voitsberg-Köflacher Wochenblatt berichtete in seiner Ausgabe nach dem Putsch von keinen nennenswerten Zwischenfällen und lobte vor allem die Arbeit der Gendarmerie.82

Bei einem Vergleich des Februaraufstandes der Sozialdemokraten mit dem Juliputsch fällt auf, dass der Februaraufstand im Bezirk Voitsberg deutlicher spürbar war. Dies gilt sowohl für das Ausmaß der Aktivitäten als auch für deren Intensität. An die Stärke des Schutzbundes kamen SA und Steirischer Heimatschutz nicht heran. Letztendlich zeigt der Vergleich klar, dass die Sozialdemokratie 1934 im Bezirk Voitsberg noch deutlich stärker war als der Nationalsozialismus.

Außerdem gab es schon im Vorfeld des Putsches Probleme mit der SA-Standarte 27, die auch den Bezirk Voitsberg umfasste. Der Grund dafür war die Tatsache, dass steiermarkweit die ehemaligen Heimatschutzführer als erste in die NS-Putschpläne eingeweiht wurden. Dies erwies sich in der Obersteiermark als Vorteil.83 Die SA-Standarte 27, zu der auch der im Bezirk Voitsberg stationierte SA-Sturm 7 unter dem Kommando des damaligen Kreisleiters Ferdinand Koschull gehörte84, wurde jedoch ausschließlich von altgedienten SA-Mitgliedern geleitet, die nie im Heimatschutz waren.85 Aufgrund dieser Tatsache galt sie in den Augen der von ehemaligen Mitgliedern des Steirischen Heimatschutzes dominierten Brigade Mittelsteiermark, der die Standarte unterstellt war, wohl als unzuverlässig. Daher wurde sie erst sehr spät vom geplanten Putsch unterrichtet, was das ohnehin schon vorhandene beiderseitige Misstrauen noch verstärkte.86

Nicht zuletzt aufgrund dieser Ereignisse kam es nach dem Juli 1934 zu einer Spaltung der NS- Bewegung im Bezirk. Auf der einen Seite standen die an NSDAP und SA angegliederten ehemaligen Mitglieder des Steirischen Heimatschutzes und auf der anderen jene

80 Vgl.: Bernhard Reismann, Allgemeine Geschichte des Bezirkes 1848-2005, in: Walter Brunner (Hg.), Geschichte und Topographie des Bezirkes Voitsberg. Band 1: Allgemeiner Teil, Graz 2011, 174. 81 Vgl.: Voitsberg-Köflacher Wochenblatt, 28. Juli 1934. 82 Vgl.: Ebd. 83 Vgl.: Kurt Bauer, „Heut` ist der zahlende Tag“. Der nationalsozialistische Juliputsch 1934 in der Steiermark – das Beispiel St. Gallen, in: Heimo Halbrainer/ Gerald Lamprecht/ Ursula Mindler (Hrsg.), NS-Herrschaft in der Steiermark. Positionen und Diskurse, Graz 2012, 50. 84 Vgl.: Hans Schafranek, Sommerfest mit Preisschießen, 46. 85 Vgl.: Ebd., 54. 86 Vgl.: Ebd. 18

Parteimitglieder, die seit jeher Nationalsozialisten waren.87 Die Führungsfigur der Heimatschützer war der Mühlenbesitzer Hubert Eissner. Dieser war von 1927 bis zum Verbot 1933 Mitglied des Heimatschutzes.88 Danach schloss er sich der NSDAP an. In den Kreisen der alteingesessenen Nationalsozialisten war Eissner nur wenig beliebt. Dies lag hauptsächlich an seiner Teilnahme an einer „Befriedungsaktion“.89 Im Zuge dieser Aktion trat er nach dem gescheiterten Juli-Putsch des Jahres 1934 für die bedingungslose Einfügung der Nationalsozialisten in die Vaterländische Front ein.90 Dennoch wurde Eissner im Juli 1936, unmittelbar nach Abschluss des Juli-Abkommens zwischen dem Deutschen Reich und Österreich, von Gauleiter Sepp Helfrich zum Kreisleiter von Voitsberg ernannt. Hauptgrund für Eissners Ernennung war sein großes Ansehen in der Bevölkerung. Schon bald nach Eissners Amtsantritt ergaben sich jedoch Meinungsverschiedenheiten zwischen ihm und den Vertretern des offiziellen Parteikurses. Eissner konnte sich letztendlich nur bis April 1937 an der Spitze der Kreis-NSDAP behaupten. Seine Ablösung erfolgte aufgrund von Gehorsamsverweigerung. Dafür dürften Differenzen mit dem Kurs des Landesleiters der NSDAP Josef Leopold ausschlaggebend gewesen sein. Nach seiner Absetzung weigerte sich Eissner, vor einem Parteischiedsgericht zu erscheinen. Ein Ausschluss aus der NSDAP erfolgte trotzdem nicht.91 Dass Eissner weiterhin für die NSDAP aktiv blieb, ist daraus abzuleiten, dass er am 17. November 1937 zusammen mit dem Voitsberger Bezirksleiter Alois Killer verhaftet wurde und vor Gericht zugab, Kurierfahrten für die NSDAP erledigt zu haben.92

Nachfolger Eissners als Kreisleiter wurde der pensionierte Lehrer Fritz Lecaks aus Steinberg.93. Zur Zeit der nationalsozialistischen Machtübernahme war Eissner in der Kreis- NSDAP zwar nicht an führender Stelle aktiv. Dennoch erfreute er sich bei den ehemaligen Heimatschützern des Bezirkes einer gewissen Beliebtheit und wurde von Sepp Helfrich dem Gauleiter der Steiermark protegiert, auf dessen Anregung er 1936 auch das Kreisleiteramt ausgeübt hatte.94

87 StLa, VR 5001/47 - 264 88 LGS Graz, Vr 4167/37- 59-63. 89 StLa, VR 5089/47 – 99a und VR 5001/47 - 274 90 StLa, VR 5089/47 - 109 91 LGS Graz, Vr 4167/37. 104-105. 92 Ebd. 40. 93 LGS Graz, Vr 4042/37-133. 94 StLa, VR 5089/47 – 99, 19

Einen interessanten Einblick in die Organisationsstruktur der NSDAP bietet ein Bericht der Bundespolizeidirektion aus dem November 1937.95 Dieser wurde anlässlich eines überwachten Treffens der steirischen NSDAP-Führung am 17. Oktober 1937 in Steinhaus am Semmering angefertigt. Aufgrund der Teilnahme an besagtem Treffen kam es zur Verhaftung des Voitsberger Kreisleiters Fritz Lecaks. Diese führte in weiterer Folge auch zur Festnahme von Bezirksleiter Killer und Hubert Eissner. Aus dem Bericht der Bundespolizeidirektion geht hervor, dass die steirische NSDAP in ihrer Organisationsstruktur, anders als nach dem „Anschluss“, zwischen Kreisen und Bezirken unterschied.96 Ein Parteikreis umfasste dabei mehrere Bezirke, die nicht zwangsläufig mit den geographischen Bezirksgrenzen übereinstimmen mussten. Ende 1937 bestanden in der Steiermark die Kreise Gröbming, Judenburg, Leoben, Graz, Leibnitz, Voitsberg, Hartberg und Weiz.97 Im Kreis Voitsberg der die geographischen Bezirke Voitsberg und Deutschlandsberg umfasste bestanden die Parteibezirke Voitsberg, Deutschlandsberg, Stainz und Eibiswald. Im Parteibezirk Voitsberg gab es 30 Ortsgruppen, in Stainz 20, in Deutschlandsberg 25 und in Eibiswald 15.98 Aus diesen Zahlen geht hervor, dass die Organisationsdichte der NSDAP im geographischen Bezirk Deutschlandsberg weitaus höher war als jene in Voitsberg. Dies setzte sich auch nach dem „Anschluss“ fort, als beide Bezirke zu Parteikreisen umgewandelt wurden. Obwohl sowohl Größe als auch Einwohnerzahl der Kreise vergleichbar waren, gab es in Voitsberg nur 12 Ortsgruppen, während in Deutschlandsberg 19 Ortsgruppen bestanden.99

Größter und sichtbarster Erfolg der NSDAP im Bezirk Voitsberg in der Zeit des Ständestaates war die Unterwanderung der Gemeinde Oswaldgraben. Deren Bürgermeister Johann Leitner wurde im September 1937 wegen nationalsozialistischer Gesinnung abgesetzt. Außerdem wurde der Gemeinderat aufgelöst. Die Amtsgeschäfte übernahm der Kainacher Bürgermeister Johann Fraißler.100

Die Bezirks-NSDAP war vor dem „Anschluss“ alles in allem tief gespalten. Auch die für Bewohner/innen des Bezirkes Voitsberg hinlänglich (auch noch heute) bekannte Konkurrenz zwischen den Städten Voitsberg und Köflach dürfte dabei eine Rolle gespielt haben. Erhärtet

95 Vgl.: LGS Graz, Vr 4042/37. 96 Vg.: Ebd. 97 Ebd. 125. 98 LGS Graz, Vr 4167/37-56. 99 Vgl.: NS-Ämterführer 1939/1940. 100 Vgl.: Vgl.: Walter Brunner (Hg.), Geschichte und Topographie des Bezirkes Voitsberg. Band 2: Bezirkslexikon, Graz 2011, 233. 20 wird diese Vermutung durch die Tatsache, dass sich die Kreis-NSDAP im Zuge der Wahlwerbung für die Abstimmung über den „Anschluss“ am 10.4.1938 lange über den Ort der Eröffnungskundgebung stritt. Voitsberg kam natürlich als Bezirkshauptstadt dafür in Frage, während Köflach für seine länger zurückreichende NS-Tradition bekannt war.101 Der Streit wurde erst so knapp vor der Kundgebung beigelegt, dass selbst das Voitsberg-Köflacher Wochenblatt in seiner großen Ankündigung den Ort noch offen ließ. Letztendlich fand die Veranstaltung in Voitsberg statt. 102

Aufgrund dieser angespannten Situation entschied Gauleiter Uiberreither, auf Empfehlung des burgenländischen Landeshauptmannes Tobias Portschy, den nicht aus der Steiermark stammenden Anton Weißensteiner als Kreisleiter einzusetzen, um die Situation im Kreis zu beruhigen.103 Weißensteiner wurde in Niederösterreich geboren und gehörte zur Führungsriege der burgenländischen Nationalsozialisten. Wie viele andere Nationalsozialisten aus dem Burgenland musste auch Weißensteiner nach der Auflösung des Gaues Burgenlandes mit einem anderen Posten versorgt werden.104 Zuvor war er 1936 Kreisleiter des im Mai 1938 ebenfalls aufgelösten Kreises Mattersburg, in dem sich mit der Ortsgruppe Mattersburg die älteste NSDAP-Ortsgruppe des Burgendlandes befand, gewesen.105 Nach dem „Anschluss“ war er Kreiswahlleiter in Mattersburg und Mitglied des burgenländischen Landtages, beides Funktionen die nach der Volksabstimmung und der Auflösung des Burgenlandes obsolet geworden waren. 106

Noch vor dem Eintreffen Weißensteiners Anfang Mai 1938 leitete ein „Reichsdeutscher“ namens Jacobs den Kreis. Dieser wird im Voitsberg-Köflacher Wochenblatt als temperamentvoller Redner beschrieben und war aufgrund seiner Herkunft aus einer Arbeitergegend im Rheinland besonders für den sozialdemokratisch geprägten Kreis Voitsberg geeignet. 107 Auch nach dem Amtsantritt Weißensteiners im Juni 1938 blieb Jacobs

101 Die erste Köflacher Ortsgruppe wurde laut Eigendarstellung bereits 1921 gegründet. Voitsberg-Köflacher Wochenblatt Nr. 16, 16. April 1938. 102 Vgl.: VKW, 2. April 1938. Es wird lediglich klargestellt, dass die Kundgebung in Voitsberg oder Köflach stattfindet. 103 StLa, VR 5001/47 - 264 104 Vgl.: Ursula Mindler, „Die Zigeuner und die Juden sind seit der Gründung des Dritten Reiches untragbar.“ Das Südburgenland im Gau Steiermark und sein Umgang mit der NS-Vergangenheit nach 1945, in: Heimo Halbrainer/ Gerald Lamprecht/ Ursula Mindler (Hrsg.), NS-Herrschaft in der Steiermark. Positionen und Diskurse, Graz 2012, 125. 105 Hans Brettl, Nationalsozialismus im Burgenland. Opfer. Täter. Gegner, Innsbruck 2012, 38. 106 StLA, VR 5001/47 - 309 107 Voitsberg-Köflacher Wochenblatt, Nr. 14, 2. April 1938. 21 noch einige Monate in Voitsberg, um die Arbeit der Kreispartei zu überwachen.108 Anfangs löste die Ernennung eines Ortsfremden große Verwunderung in der Bevölkerung aus, jedoch sollte sich die Ernennung Weißensteiners zum Kreisleiter als Glücksfall für die NSDAP herausstellen. 109

Alles in allem also war das Handlungsumfeld der untersuchten Akteure im Kreis Voitsberg vor allem parteiintern relativ schwierig. Nach der Machtübernahme gab es für die Nationalsozialisten noch viel zu tun. Ohne zu viel vorwegzunehmen, kann aber jetzt schon die Aussage getroffen werden, dass ihnen aus der stark sozialdemokratisch orientierten Bevölkerung keine grundsätzliche Abneigung entgegenschlug. Erste Stimmungsberichte der Gendarmerie aus dem März 1938 berichteten von einer abwartenden Stimmung unter den Sozialdemokraten.110 Obwohl der Kreis Voitsberg allgemein betrachtet in vielerlei Hinsicht für die Nationalsozialisten ein schwierigeres Terrain war als andere Teile der Steiermark, wurde auch hier der „Anschluss“ überwiegend begrüßt. Die Zustimmung für den „Anschluss“ ist auch aus einigen Gendarmerieberichten herauszulesen. Laut eines Berichts des Gendarmeriepostens Bärnbach aus dem März 1938 waren 80 Prozent der Bärnbacher von den Nationalsozialisten begeistert. Sozialdemokraten und Kommunisten verhielten sich ruhig.111 In Köflach wurde die Bevölkerung durch den „Anschluss“ sogar in einen „wahren Taumel versetzt.“112 Ähnlich lautende Berichte sind auch von den Gendarmerieposten Salla, Piber, Edelschrott und erhalten geblieben.113 Darauf konnten die NSDAP und die handelnden Akteure aufbauen.

In organisatorischer Hinsicht schuf die NSDAP auf dem Gebiet der 62 Gemeinden des Kreises Voitsberg 12 Ortsgruppen. Dabei wurden natürliche Mittelpunkte eines größeren Siedlungsgebietes zum Sitz der Ortsgruppe gemacht. Auf schon bestehende Ortsgruppen wurde dabei wenig Rücksicht genommen.114 Der Aufbau einer in verwaltungstechnischer Hinsicht effektiven Organisation stand im Vordergrund. Es folgt eine Auflistung der

108 StLa, VR 5001/47 - 277 109 StLa, VR 5001/47 - 274 110 Vgl.: Bernhard Reismann, Allgemeine Geschichte des Bezirkes 1848-2005, in: Walter Brunner (Hg.), Geschichte und Topographie des Bezirkes Voitsberg. Band 1: Allgemeiner Teil, Graz 2011, 181. 111 StLa, BH VO 1938, Karton 207 Zl 14 Bericht des Gendarmeriepostens BÄrnbach an den Bezirkshauptmann 28. März 1938. 112 StLa, BH VO 1938, Karton 207 Zl 14 Bericht des Gendarmeriepostens Köflachan den Bezirkshauptmann 28. März 1938. 113 Vgl.: StLa, BH VO 1938, Karton 207 Zl 14 Gendarmerieposten Salla, Piber Edelschrott, Stallhofen und Groß-Söding an den Bezirkshauptmann jeweils 26. März 1938. 114 Vgl.: VKW, 18. Juni 1938 22

Ortsgruppen des Kreises Voitsberg inklusive Einwohnerzahl, Fläche, Ortsgruppenleiter und Gemeinden, aus denen sich die Ortsgruppe zusammensetzte.115

Bärnbach Die Ortsgruppe Bärnbach setzte sich aus den Gemeinden Bärnbach, Piber, Piberegg und Hochtregist zusammen. Sie erstreckte sich über eine Fläche von 37,29 km². Mit 4.820 Einwohnern war die Ortsgruppe Bärnbach die drittbevölkerungsreichste des Kreises. Erster Ortsgruppenleiter war der Gasthauspächter August Holowat, der auch Bürgermeister und Ortsbauernführer von Piber war. Des Weiteren war er auch noch in der Kreisleitung tätig. Dort bekleidete er den Posten des Kreisamtsleiters der Nationalsozialistischen Kriegsopferversorgung (NSKOV). Außerdem war er für kurze Zeit Kreisführer der Nationalsozialistischen Reichskriegerkameradschaft (NSRKK). Nachdem Holowat im August 1939 kurzfristig zur Wehrmacht eingerückt war, gab er den Posten des nach seiner Rückkehr ab. Sein Nachfolger als Ortsgruppenleiter von Bärnbach wurde der Kaufmann Friedrich Weifert. Im Dezember 1941 wurde Weifert, der nun selbst zur Wehrmacht einberufen wurde, von Max Suppanz ersetzt. Dieser rückte im März 1943 zur Organisation Todt ein. Für Suppanz übernahm der Schlosser Anton Lipp die Führung der Ortsgruppe Bärnbach und behielt diese bis zum Ende der NS-Herrschaft. Lipp war zuvor Ortsbeauftragter der DAF Bärnbach gewesen.

Edelschrott Hirschegg-Piber, Hirschegg-Rein, Kreuzberg, Pack, Modriach und die Gemeinde Edelschrott bildeten die Ortsgruppe Edelschrott. Sie umfasste hauptsächlich höher gelegene Gebiete des Kreises. Es wohnten 3.359 Personen im Gebiet der Ortsgruppe. Die Ortsgruppe umfasste eine Fläche von 187 km². Damit war Edelschrott die mit Abstand größte Ortsgruppe des Kreises Voitsberg. Zugleich war sie auch die Ortsgruppe mit der geringsten Bevölkerungsdichte. Erster Ortsgruppenleiter war Peter Flecker, in dessen Gasthaus bereits 1931 Versammlungen der NSDAP stattgefunden hatten. Nachfolger Fleckers wurde im Juni 1940 der Volksschuldirektor Herbert Bleymaier. Als dieser im Mai 1941 in die Untersteiermark

115 Informationen über Einwohnerzahl, Ortsgruppenleiter und Gemeinden im Juni 1938 aus VKW, 18. Juni 1938. Angaben über die nachfolgenden Ortsgruppenleiter stammen entweder aus dem VKW oder aus den Akten der Bezirkshauptmannschaft Voitsberg. Da diese erste Übersicht über die Ortsgruppen bewusst kurz gehalten wurde finden sich die genauen Quellenangaben im ausführlichen Kapitel 5, dass die NS-Herrschaft im Kreis Voitsberg ereignisgeschichtlich aufarbeitet. Die Fläche der Ortsgruppen ergibt sich aus der Addition der Fläche der dazugehörigen Gemeinden. Die Flächenangaben stammen dabei aus dem 2. Band der Voitsberger Bezirkschronik und aus dem Ämterführer von Graz und Steiermark für den Zeitraum 1939/1940. 23 abberufen wurde, übernahm der Arzt Franz Lemler den Posten des Ortsgruppenleiters. Dieser leitete bis zu diesem Zeitpunkt die NSV innerhalb der Ortsgruppe Edelschrott. Lemler übersiedelte bereits im September 1942 nach Judenburg und gab die Leitung der Ortsgruppe an den Schuhmachermeister Josef Flecker ab, der auch Bürgermeister der Gemeinde Edelschrott war. Flecker behielt beide Ämter bis zum Ende des Krieges.

Geistthal Die Ortsgruppe Geistthal bestand lediglich aus der kleinen Gemeinde Geissthal. Gerade einmal 1.262 Einwohner lebten in dieser. Damit war Geistthal die Ortsgruppe mit der geringsten Bevölkerungszahl. Die von Bergen umgebene Ortsgruppe umfasste 36,37 km². Als Grund dafür, dass Geistthal eine eigene Ortsgruppe bildete wurde die geographische Sonderlage angeführt.116 Erster Ortsgruppenleiter war Josef Zierler, der diese Funktion auch bis zum Kriegsende innehatte. Er war der einzige Ortsgruppenleiter des Kreises, der seinen Posten ununterbrochen von der Machtübernahme der Nationalsozialisten bis zum Ende der NS-Herrschaft ausübte.

Gradenberg Salla, Graden, Gradenberg-Piber und die Gemeinde Gradenberg selbst bildeten das Gebiet der Ortsgruppe Gradenberg. Diese wurde von 2.840 Einwohnern bevölkert. Das Gebiet der Ortsgruppe hatte eine Größe von 76,62 km². Erster Ortsgruppenleiter war der Standesbeamte Gottfried Slamnig. Dieser rückte im Februar 1940 zur Wehrmacht ein. Franz Fiedler folgte ihm nach und behielt den Ortsgruppenleiterposten bis zum Ende des NS-Regimes.

Kainach Das Gebiet der Ortsgruppe Kainach umfasste die gleichnamige Gemeinde, Kohlschwarz und Gallmannsegg. Damit deckte es den äußersten Norden des Kreises ab. Die Ortsgruppe wurde von 2.045 Einwohnern bewohnt. Diese lebten auf einer Fläche von 83,26 km². Erster Ortsgruppenleiter war der Kaufmann Franz Rössl. Ab 1940 übernahm Rössl das Amt des Kainacher Bürgermeisters und wurde als Ortsgruppenleiter abgelöst. Für ihn übernahm Hans Binegger den Ortsgruppenleiterposten. Dieser wurde im Mai 1941 in die Untersteiermark abberufen. Sein Nachfolger, der Trafikant Johann Talker übte das Amt des Ortsgruppenleiters bis zum Kriegsende aus. Neben seiner Tätigkeit als Ortsgruppenleiter war Talker auch Mitglied des Kainacher Gemeinderats.

116 Vgl.: VKW, 18. Juni 1938 24

Köflach Die Ortsgruppe Köflach bestand aus den Gemeinden Köflach, Pichling und Rosental. Sie lag im Zentrum des Kreises. Mit 7.215 Einwohnern war Köflach die zweitbevölkerungsreichste Ortsgruppe im Kreis. Sie erstreckte sich über eine Fläche von 12,92 km² und war damit die kleinste im Kreis Voitsberg. Außerdem hatte sie von allen Ortsgruppen des Kreises Voitsberg die höchste Bevölkerungsdichte. Die Ortsgruppe Köflach bestand bereits seit Anfang der 1920er Jahre und war damit die älteste des Kreises. Auch die ersten Ortsorganisationen von SA und Hitlerjugend wurden in Köflach gegründet. Direkt nach dem „Anschluss“ war Hans Teichmann Ortsgruppenleiter. Nach dessen Tod übernahm im Juni 1938 Fritz Glück die Leitung der Ortsgruppe Köflach. Dieser trat Ende Oktober 1940 aus gesundheitlichen Gründen zurück. Von November 1940 bis zum Ende der NS-Herrschaft führte Kreisleiter Hubert Eissner die Ortsgruppe der NSDAP-Köflach.

Lankowitz Das Gebiet der Ortsgruppe Lankowitz umfasste die Gemeinden Gößnitz, Kemetberg, Kirchberg, Puchbach und Lankowitz. Die Ortsgruppe umfasste eine Fläche von 59,07 km². Auf dieser lebten 4.288 Personen. Erster Ortsgruppenleiter war der Gast- und Landwirt Franz Roth, der auch Bürgermeister der Gemeinde war.117 1940 wurde Roth außerdem zum Kreiswalter der NSV bestellt. Roths Nachfolger als Ortsgruppenleiter wurde 1939 Rudolf Moswitzer, der bis dahin die NSV innerhalb der Ortsgruppe geleitet hatte. Im September 1942 wurde Moswitzer von Hofer abgelöst. Dieser hatte das Amt des Ortsgruppenleiters bis zum Ende des NS-Regimes inne.

Ligist Die Ortsgruppe Ligist umfasste die Gemeinden Krottendorf, Unterwald, Oberwald, St. Johann, Steinberg, Grabenwarth, Gaisfeld und Ligist. Diese hatten zusammen eine Fläche von 62,62 km². Insgesamt zählte das Gebiet der Ortsgruppe 3.812 Einwohner. In geographischer Hinsicht lag Ligist im Süden des Kreises. Erster Ortsgruppenleiter war Fritz Kals. Im Jänner 1940 wurde Kals von Johann Kaier abgelöst. Der Obsthändler Kaier war seit 1939 Bürgermeister der Gemeinde Ligist. Im November 1943 gab Kaier sowohl das Amt des Ortsgruppenleiters, als auch das Bürgermeisteramt ab. Kaiers Nachfolger als

117 Vgl.: Walter Brunner (Hg.), Geschichte und Topographie des Bezirkes Voitsberg. Band 2: Bezirkslexikon, Graz 2011, 190. 25

Ortsgruppenleiter wurde der Tabaktrafikant Josef Puchas, der zuvor Leiter der NSV der Ortsgruppe Ligist war. Puchas behielt das Ortsgruppenleiteramt bis zum Ende des NS- Regimes. Am 8. Mai 1945 beging er Selbstmord.

Mooskirchen Stögersdorf, Moosing, Hallersdorf, Köppling, Pichling bei Mooskirchen, Groß-Söding, Klein- Söding, Neudorf bei Mooskirchen und die Gemeinde Mooskirchen selbst bildeten die Ortsgruppe Mooskirchen. Sie lag im Südosten des Kreises. Zusammen mit Stallhofen war Mooskirchen die Ortsgruppe mit den meisten Einzelgemeinden. Die Fläche der Ortsgruppe Mooskirchen betrug 35,96 km². Insgesamt lebten 2.698 Personen auf dem Gebiet der Ortsgruppe. Erster Ortsgruppenleiter war der Fleischermeister Peter Pensold. Dieser wurde aber bald von Peter Puff abgelöst, der das Ortsgruppenleiteramt bis Mitte September 1939 ausübte. Puffs Nachfolger war Fritz Pernhaupt. Auf ihn folgte nach seiner Einberufung zur Wehrmacht im März 1941 Ernst Jeszensky, der von Beruf Bahnhofsvorstand des Södinger Bahnhofs war. Jeszensky war der einzige Ortsgruppenleiter des Kreises Voitsberg, der auch in einem anderen Kreis eine Ortsgruppe geleitet hat. Vor seiner Ernennung zum Ortsgruppenleiter von Mooskirchen führte er die NSDAP-Ortsgruppe von Pölfing-Brunn im Kreis Deutschlandsberg. Jeszensky wurde im Juli 1944 als Ortsgruppenleiter abgesetzt, da man ihn für ein Zugunglück mit sieben Toten, welches sich in seinem Bahnabschnitt ereignete, verantwortlich machte. Bis zum Ende der NS-Herrschaft leitete Peter Penold die Ortsgruppe Mooskirchen.

St. Martin am Wöllmißberg Kleinwöllmiß, Großwöllmiß und St. Martin bildeten die Ortsgruppe St. Martin am Wöllmißberg. Dieses Gebiet ist ident mit jenem der heutigen Gemeinde St. Martin am Wöllmißberg. In der Ortsgruppe St. Martin am Wöllmißberg lebten 1.457 Personen. Diese bevölkerten eine Fläche von insgesamt 25,6 km². Erster Ortsgruppenleiter war der Bauer Vinzenz Strommer. Bereits im August 1938 bat er jedoch um seine Ablösung und wurde durch den Lehrer Josef Gruber ersetzt. Als dieser versetzt wurde übernahm Hans Steinwieder im Jänner 1939 den Ortsgruppenleiterposten. Dieser wurde im Juli 1941 vom Kreisleiter seines Amtes enthoben, aus der NSDAP ausgeschlossen und bald darauf zur Marine eingezogen. Als Nachfolger Steinwieders wurde der Bauer Peter Moser eingesetzt. Moser, der das Ortsgruppenleiteramt bis zum Ende der NS-Herrschaft innehatte, war auch Bürgermeister der Gemeinde Kleinwöllmiß.

26

Stallhofen Die Ortsgruppe Stallhofen umfasste die Gemeinden Aichegg, Södingberg Raßberg, Kalchberg, Muggauberg, Gasselberg, Neudorf bei St. Johann, Hausdorf und Stallhofen. Mit neun Einzelgemeinden lag die Ortsgruppe Stallhofen zusammen mit jener von Mooskirchen kreisweit an der Spitze. Das Gebiet der Ortsgruppe lag im Osten des Kreises und erstreckte sich über eine Fläche von insgesamt 48,98 km². Insgesamt lebten 4.000 Menschen im Bereich der Ortsgruppe Stallhofen. Erster Ortsgruppenleiter war der Landwirt Alois Kollegger, der bereits seit 1936 die illegale NSDAP-Ortsgruppe Stallhofen und den SA-Sturm 23 anführte. Kollegger wurde im Oktober 1940 als Lagerleiter nach Wagna beordert. Dort war er an der Umsiedlung der „Buchenlanddeutschen“ beteiligt. Als Ortsgruppenleiter wurde er von Ludwig Lettmayer abgelöst. Lettmayer war Obersturmbannführer der SA und Führer der SA- Standarte des Kreises Voitsberg. Ab 1943 bekleidete er zusätzlich den Posten des Kreisbauernführers. Er behielt diese Ämter bis zum Ende des NS-Regimes.

Voitsberg Das Gebiet der Ortsgruppe Voitsberg umfasste die Gemeinden Tregist, Kowald, Arnstein, Lobming, Lobmingberg, Thallein und die Kreisstadt Voitsberg. Dies entspricht den heutigen Grenzen der Stadt Voitsberg. Mit 7.776 Einwohnern war die Ortsgruppe Voitsberg die größte des Kreises. Sie umfasste eine Fläche von 28,53 km². Erster Ortsgruppenleiter war Harald Lautner. Der Apotheker Lautner wurde nach seiner Einberufung zur Wehrmacht im Oktober 1940 vom Beamten Karl Strasser abgelöst. Strasser war auch Vizebürgermeister der Stadt Voitsberg. Er übte das Amt des Ortsgruppenleiters bis Februar 1943 aus. Auf Strasser, der in die Untersteiermark abkommandiert worden war, folgte Alois Killer. Der Bahnbeamte Killer war 1934 und 1937 Bezirksleiter der NSDAP Voitsberg. Nach dem „Anschluss“ wurde er Kreispersonalamtsleiter. Killer übte das Amt des Voitsberger Ortsgruppenleiters bis zum Ende des NS-Regimes aus.

Wer innerhalb der NSDAP die Einteilung der Ortsgruppen festlegte ist nicht vollständig eruierbar. Der kommissarische Kreisgeschäftsführer Thomas Trummer war jedenfalls daran beteiligt, worauf er in dem von ihm selbst verfassten Zeitungsartikel, in welchem die Neugründung der Ortsgruppen bekanntgegeben wurde, hinwies. Inwieweit die Nationalsozialisten vor Ort mitentscheiden konnten, ist nicht bekannt. Er übernahm in der Folge das Amt für Heimbeschaffung der steirischen Hitlerjugend. Innerhalb der HJ hatte er

27 den Rang eines Obergefolgschaftsführers inne.118 Trummers Nachfolger als Kreisgeschäftsführer wurde der Musiklehrer Karl Neuhold.119 Dieser stammte aus Voitsberg und war ein sogenannter „Alter Kämpfer“. Im Jahr 1934 wurde ihm wegen Betätigung für die NSDAP seine Waffe abgenommen.120 Außerdem war Neuhold Hauptscharführer der SS und Führer des SS-Sturms 5/38.121 Schon im Dezember desselben Jahres übernahm jedoch Hubert Bogler den Posten des Kreisgeschäftsführers.122 1940 wurde schließlich der Voitsberger Wenzel Peking zum Kreisgeschäftsführer ernannt.123 Die Gemeinden, ihre Grenzen und ihre Verwaltung waren von der Neueinteilung der Ortsgruppen des Kreises vorerst nicht betroffen. Es wurde allerdings angekündigt, dass dies zu einem späteren Zeitpunkt ebenfalls geändert werden sollte. Dabei würde die Zahl der Gemeinden ebenfalls verringert und ihre Grenzen mit denen der Ortsgruppen vereinheitlicht werden.124 Zu dieser Reform kam es allerdings, wahrscheinlich aufgrund des Kriegsausbruchs, nicht mehr.

Eine große personelle Kontinuität gab es bei den Ortsgruppenleitern nicht. Die zwölf Ortsgruppen des Kreises Voitsberg hatten zwischen 1938 und 1945 insgesamt 36 Ortsgruppenleiter. Der größte Teil der 24 Ablösungen von Ortsgruppenleitern erfolgte kriegsbedingt. Neun Ortsgruppenleiter verloren ihr Amt durch Einberufung zur Wehrmacht, einer durch Einrückung zur Organisation Todt. In zwei Fällen wurden Ortsgruppenleiter in die Untersteiermark versetzt. Drei Ortsgruppenleiter traten entweder aus eigenem Entschluss oder infolge gesundheitlicher Belastung bzw. Überarbeitung zurück. Weitere drei wurden ihres Postens enthoben. Drei stiegen hingegen in der Parteihierarchie auf und legten deshalb das Ortsgruppenleiteramt nieder. Zwei Ortsgruppenleiter verließen den Kreis Voitsberg aus beruflichen Gründen. Ein Ortsgruppenleiter starb wenige Monate nach seinem Amtsantritt.125

Die Altersstruktur der Ortsgruppenleiter änderte sich im Laufe der Jahre. Von 26 Ortsgruppenleitern ist das Geburtsdatum bekannt. Der durchschnittliche Ortsgruppenleiter war, betrachtet man die gesamte Zeitspanne der NS-Herrschaft, zum Zeitpunkt seines Amtsantritts 40,2 Jahre alt. Zum Zeitpunkt der NS-Machtübernahme und der Etablierung der 12 Ortsgruppen betrug das Durchschnittsalter der Ortsgruppenleiter 37,5 Jahre. Dieses stieg

118 NS-Ämterführer 1939/1940, 124. 119 VKW, 19. November 1938. 120 Zl 14 Wa 1/35-1935 24. Oktober 1934. 121 Zl 14 Hu 1/2-1938 20. Juli 1938. 122 VKW, 31. Dezember 1938. 123 BArch, PK, Wenzel Peking. 124 Vgl.: VKW, 18. Juni 1938. 125 Vgl. Kapitel: Kurzbiographie der lokalen NS-Führungsriege. 28 bis 1. Jänner 1942 auf genau 45 Jahre. Bei Kriegsende war der durchschnittliche Ortsgruppenleiter bereits 49,3 Jahre alt.126 Aus diesen Zahlen wird ersichtlich, dass der Alterschnitt der Ortsgruppenleiter überdurchschnittlich stark anstieg. Dieser Umstand war hauptsächlich darauf zurückzuführen, dass jüngere Ortsgruppenleiter zur Wehrmacht eingezogen wurden. Ihre Plätze wurden in der Regel von älteren Nationalsozialisten eingenommen.

Daten zum Bildungsgrad sind bei 22 Ortsgruppenleitern vorhanden. Einen akademischen Titel besaßen nur zwei von ihnen. Acht Ortsgruppenleiter besuchten lediglich die Volksschule. Abgesehen von einer Ausnahme leiteten diese allesamt ländliche und eher kleine Ortsgruppen. Die restlichen zwölf Ortsgruppenleiter besuchten nach der Volksschule entweder eine Hauptschule oder eine Bürgerschule.127

Im Bezug auf die berufliche Sozialisation der Ortsgruppenleiter ist ein eindeutiger Überhang an wirtschaftsbezogenen Berufen feststellbar. Von den 32 Ortsgruppenleitern, deren Berufe bekannt sind, gingen zwölf einer Tätigkeit mit wirtschaftlichem Hintergrund nach. Fünf waren Bauern, fünf Beamte, drei Lehrer, einer Arzt und einer Apotheker. Zwei waren in landwirtschaftlichen Hilfsberufen tätig und zwei übten ein Handwerk aus. Obwohl es sich beim Kreis Voitsberg um einen Bezirk mit großem Industrieanteil handelte, gehörte lediglich ein Ortsgruppenleiter der industriellen Arbeiterklasse an.128

Was die religiöse Ausrichtung betrifft, war die überwiegende Mehrzahl der Ortsgruppenleiter ohne Glaubensbekenntnis bzw. bezeichnete sich als gottgläubig. Sechs der 25 Ortsgruppenleiter, bei denen Daten zur Religionszugehörigkeit bekannt sind, gehörten der katholischen Kirche an. Diese führten, mit einer Ausnahme, vergleichsweise kleine und überwiegend ländlich geprägte Ortsgruppen an.129 Betrachtet man die grundsätzliche Gegnerschaft zwischen Nationalsozialismus und katholischer Kirche, ist es durchaus erstaunlich, dass fast ein Viertel der untersuchten Ortsgruppenleiter Katholiken waren. Zieht man noch hinzu, dass die katholischen Ortsgruppenleiter zu über 80 % im ländlichen Raum amtierten, wird klar, dass sich die katholische Kirche am Land gut gegen die antireligiöse Komponente der nationalsozialistischen Ideologie behauptete.

126 Vgl.: Ebd. 127 Vgl.: Ebd. 128 Vgl.: Ebd. 129 Vgl.: Ebd. 29

Im Hinblick auf die politische Sozialisation der Ortsgruppenleiter ist festzustellen, dass die allermeisten von ihnen ihre politische Karriere bei der NSDAP begonnen haben. Lediglich vier Ortsgruppenleiter waren vor ihrem Eintritt in die NSDAP in einer anderen politischen Partei tätig. Zwei waren Mitglieder der SDAP, einer Mitglied der CSP bzw. später der VF und einer Mitglied im Landbund. Ämter hatten jedoch nur die beiden letztgenannten inne.130 Wie zu erwarten betätigte sich die überwiegende Mehrheit der Ortsgruppenleiter bereits in der Zeit vor dem „Anschluss“ für die NSDAP. Von 28 Ortsgruppenleitern, deren diesbezügliche Daten bekannt sind, waren 24 bereits vor der NS-Machtübernahme aktive Nationalsozialisten. Bezogen auf die vier anderen, ist festzustellen, dass diese ausschließlich kleine und ländlich geprägte Ortsgruppen leiteten.131

Obwohl es mit den Statuten der NSDAP nicht vereinbar war, bekleideten einige Ortsgruppenleiter neben ihrem Parteiamt auch ein staatliches Amt. Sechs Ortsgruppenleiter waren zeitweise auch Bürgermeister einer Gemeinde innerhalb ihrer Ortsgruppe. Außerdem kam es auch vor, dass Ortsgruppenleiter nebenbei andere Posten in der NSDAP besetzten. Fünf Ortsgruppenleiter hatten gleichzeitig ein Amt in der Kreisleitung inne. Drei waren zur selben Zeit Ortsgruppenleiter und Ortsbauernführer. Zu einer solchen Ämterkumulation kam es schwerpunktmäßig unmittelbar nach dem „Anschluss“ und gegen Ende der NS- Herrschaft.132

4. Zwischen Gau und Ortsgruppe - Die Kreisleitung und ihre Funktion

Zu den wichtigsten Aufgaben der NSDAP zählte laut Hitler die „Erziehung des Menschen.“133 Natürlich traf dies auch auf die Kreisleitungen zu. Allerdings nahm die Kreisleitung in dieser Hinsicht eine besondere Funktion ein. In der Organisation der NSDAP stand die Kreisleitung nämlich zwischen dem Gau und der Ortsgruppe. Damit war sie ein wichtiges Bindeglied zwischen der mit der Reichsleitung in Kontakt stehenden Gauleitung und der Ortsgruppe, die mehr oder weniger direkt in Kommunikation mit der Bevölkerung arbeitete. Sie stand

130 Vgl.: Ebd. 131 Vgl.: Ebd. 132 Vgl.: Ebd. 133 Vgl.: Christine Müller-Botsch, Den richtigen Mann an die richtige Stelle. Biographien und politisches Handeln von unteren NSDAP-Funktionären, Frankfurt 2009, 25. 30 einerseits hierarchisch hoch genug, um auf Entscheidungen auf lokaler Ebene einzuwirken, betreute aber andererseits ein überschaubares Gebiet und war für die Bevölkerung im Gegensatz zur „fernen Gauleitung“ deutlich wahrnehmbar. Erste Ansätze zur Errichtung von Kreisleitungen finden sich schon in „Mein Kampf“.134 Dennoch wurden sie erst nach der Reichstagswahl im Juli 1932, in der die NSDAP erstmals stärkste Partei wurde, flächendeckend eingeführt.135

Die Schaffung der Kreisleitungen war Teil einer von Gregor Strasser erarbeiteten Parteireform der NSDAP. Für die Besetzung der Kreisleiterposten waren der zuständige Gauleiter sowie der Gauinspektor verantwortlich. Zunächst waren die meisten Kreisleiter ehrenamtlich tätig und bezogen daher kein Geld von der Partei. Nach der Machtübernahme der NSDAP erhielten zahlreiche Kreisleiter Versorgungsposten. Erst ab 1936 wurde von Rudolf Hess darauf gedrängt die Kreisleitungen reichsweit zu hauptamtlichen Arbeitsstellen zu machen. Im 1937 erschienenen Organisationsbuch der NSDAP wurden die Kreisleitungen als die unterste hauptamtlich geleitete Dienststelle der Partei bezeichnet. Die Besoldung der Kreisleiter wurde ebenfalls erst 1937 einheitlich geregelt. Bis dahin wurden Kreisleiter in verschiedenen Gauen unterschiedlich bezahlt. Die monatlichen Bezüge der Kreisleiter setzten sich in der Folge aus einem nach Dienstjahren zwischen 400 und 800 RM brutto gestaffelten Grundgehalt, einer Verheiratetenzulage von 30 RM, einer gestaffelten Kinderzulage sowie einer Aufwandsentschädigung zusammen.136 Dieses Gehaltsschema wurde nach dem „Anschluss“ wahrscheinlich auch auf das wirtschaftlich schwächere Gebiet der „Ostmark“ angewendet. Der Voitsberger Kreisleiter Weißensteiner erhielt bei seinem Amtsantritt ein Monatsgehalt von 370 RM netto. Im Laufe der Jahre steigerte sich sein Gehalt auf 450 RM netto.137 Ab April 1941 wurde das Grundgehalt der Kreisleiter reichsweit erhöht und außerdem an die Größe des Kreises, dem sie vorstanden, angepasst. Ein Jahr darauf folgte eine weitere Erhöhung der Bezüge für alle Kreisleiter. Ihr Gehalt erreichte nun in etwa die Höhe der Bezüge eines Landrates.138

134 Vgl.: Ebd., 337. 135 Vgl.: ebd. 136 Wolfgang Stelbrink, Die Kreisleiter der NSDAP in Westfalen und Lippe. Versuch einer Kollektivbiographie mit biographischem Anhang, Münster 2003, 46-54. 137 VrR 5001/47 138 Wolfgang Stelbrink, Die Kreisleiter der NSDAP in Westfalen und Lippe. Versuch einer Kollektivbiographie mit biographischem Anhang, Münster 2003, 54-55. 31

In organisatorischer Hinsicht war die Kreisleitung für die Ortsgruppen im Kreis verantwortlich. Wie viele Ortsgruppen dabei auf einen Kreis kamen, wurde nicht einheitlich geregelt. Der Voitsberger Kreisleitung unterstanden wie schon erwähnt 12 Ortsgruppen. Im gesamten NS-Staat gab es 1944 auf 808 Kreise verteilt, 28.376 Ortsgruppen.139 Statistisch gesehen bestand ein durchschnittlicher Kreis also aus etwas mehr als 35 Ortsgruppen. So gesehen war der Kreis Voitsberg ein Kreis mit sehr wenigen Ortsgruppen. Dies zeigt sich auch im innersteirischen Vergleich. Lediglich im Kreis Murau gab es weniger Ortsgruppen. Selbst im Parteikreis Mureck, der mit dem Landkreis Radkersburg identisch und deutlich kleiner und bevölkerungsärmer als der Kreis Voitsberg war, bestanden zwölf Ortsgruppen. Der durchschnittliche steirische Kreis bestand aus knapp 20 Ortsgruppen und lag damit ebenfalls recht deutlich unter dem reichsweiten Schnitt. Steiermarkweit erreichte lediglich der Kreis Graz-Land die reichsweite Durchschnittsanzahl von 35 Ortsgruppen.140 Dies ist darauf zurückzuführen, dass der Gau Steiermark im Vergleich mit den anderen Reichsgauen im Bezug auf die Fläche und vor allem auf die Einwohnerzahl ein eher kleiner Gau war.

Die Bevölkerungszahl eines Kreises sollte ungefähr um die 50.000 Einwohner/innen betragen.141 Mit 42.000 Einwohnern lag der Kreis Voitsberg etwas unter dieser Marke. Im Vergleich mit der durchschnittlichen Zahl an Ortsgruppen pro Kreis lag die Einwohnerzahl des Kreises Voitsberg um einiges näher an den Vorstellungen der NS-Parteiorganisation für einen durchschnittlichen Parteikreis. Unterschieden wurde außerdem generell zwischen Stadt- und Landkreisen. Innerhalb der Steiermark war Graz der einzige Stadtkreis.

Die Kreisleitung war die höchste Parteidienststelle eines Kreises. 1944 gab es im gesamten „Deutschen Reich“ 808 Kreisleitungen. Diese waren auf die 42 Reichsgaue verteilt.142 Ein Beispiel für die deutliche Wahrnehmbarkeit der Kreisleitung im Gegensatz zur Gauleitung ist die Tatsache, dass im Kreis Voitsberg häufig Einwohner in die Kreisleitung zitiert wurden.143 Auch das Vortragen von Anliegen oder das Einreichen von Gesuchen an die Kreisleitung waren keine Seltenheit.144

139 Vgl.: Kershaw, Das Ende, 116. 140 NS-Ämterführer 1939/1940, 112-123. 141 Vgl.: Michael Rademacher, Die Kreisleiter der NSDAP, 241. 142 Vgl.: Kershaw, Das Ende, 116. 143 Vgl.: VR Akten 5001/47 und 5089/47. 144 Vgl.: ebd. 32

Vor dem Juli 1932 war es den Gauleitern wie bereits erwähnt freigestellt, ob sie für bestimmte Regionen ihres Gaues Kreisleitungen einrichteten. Innerhalb der NSDAP im Bezirk Voitsberg gab es zu dieser Zeit bereits den Posten des Bezirksleiters. Bis 1931 übte Heinrich Leitl diese Funktion aus. Auf ihn folgte vor den Gemeindetagswahlen 1932 Dr. Otto Benda, der bis zu seinem Tod 1933 das Bezirksleiteramt innehatte. Benda war Chemiker und wurde von der steirischen NSDAP auch als Gauredner eingesetzt.145

Neben dem Kreisleiter waren noch vier bis fünf weitere Funktionäre hauptamtlich eingestellt. Genaue Vorschriften, welche Ämter hauptamtlich besetzt werden mussten, liefert das Organisationshandbuch der NSDAP jedoch nicht. 146 Es finden sich auch keine Hinweise auf eine Oberbegrenzung für Posten, die eine Kreisleitung haben durfte. Die Größe der Kreisleitungen war dementsprechend variabel. Die Voitsberger Kreisleitung umfasste 1938 ganze 30 Posten. Obwohl komparatistische Methoden, wie schon ausgeführt, auf das Thema Kreisleitungen bezogen nicht wirklich aussagekräftig sind, ist es doch interessant zu bemerken, dass viele untersuchte Kreisleitungen aus dem „Altreich“ mit weit weniger Personal auskamen.147 Eine mögliche Erklärung ist der große Zustrom von Postenjägern in die NSDAP nach dem „Anschluss“. Der Beauftragte für die Volksabstimmung, Gauleiter Bürckel, drohte diesen auch per Zeitung und verkündete, etliche von ihnen bereits in Haft genommen zu haben.148 Im Laufe der NS-Herrschaft nahm die Zahl der hauptamtlich angestellten Kreisleitungsmitarbeiter im Kreis Voitsberg deutlich ab. Laut Kreisstabsamtsleiter Wendelin Peking, der 1943 auch das Kreispersonalamt übernahm, waren gegen Ende des Krieges lediglich zwei Mitglieder der Kreisleitung hauptamtlich angestellt.149

Die Kreisleitung Voitsberg bestand 1938, wie schon erwähnt, aus 30 Mitarbeitern. Diese wurden namentlich in der ersten Juniausgabe des Voitsberg-Köflacher Wochenblatt angeführt150. Der NS-Ämterführer des Jahres 1939/1940 führte dagegen nur noch 11 Posten an.151 Weitere Mitarbeiterlisten sind nicht vorhanden. Es ist jedoch davon auszugehen, dass während des Krieges manche Posten nicht mehr nachbesetzt wurden. Außerdem konnte ein

145 Vgl.: Voitsberg-Köflacher Wochenblatt, 29. April 1933. 146 Vgl.: Michael Rademacher, Die Kreisleiter der NSDAP, 244. Ständig besetzt (ob hauptamtlich oder nicht) mussten die Ämter des Kreisorganisationsleiters, des Kreisschulungsleiters, des Kreispropagandaleiters und des Kreispersonalamtsleiters sein. 147 Vgl.: Ebd. 148 Voitsberg-Köflacher Wochenblatt, Nr. 13, 26. März 1938. 149 LGS Graz, Vr 5279/48-39. 150 Voitsberg-Köflacher Wochenblatt, Nr. 23, 4. Juni 1938. 151 Ämterführer von Graz und Steiermark. 1. Jahrgang, Graz 1939/1940, 122. 33

Mitarbeiter der Kreisleitung auch zwei Ämter in dieser innehaben. Neben dem bereits erwähnten Doppelfunktionär Wendelin Peking war Hubert Eissner neben seiner Tätigkeit als Kreisleiter zusätzlich noch Kreiswirtschaftsberater.152

Nach dem Kreisleiterposten waren die Ämter des Kreisgeschäftsführers, des Kreisorganisationsleiters, des Kreispersonalamtsleiters, des Kreisbauernführers, des Kreisschulungsleiters und des Kreispropagandaleiters von besonderer Bedeutung. Der Kreispropagandaleiter war deshalb besonders wichtig, weil er den Kreisleiter gut bei seiner Hauptaufgabe, der Gewinnung der Menschen für den Nationalsozialismus, unterstützen konnte. Das Kreispropagandaamt war analog zum Gaupropagandaamt aufgebaut. Es bestand aus den Hauptstellen „Aktive Propaganda“, „Film“, „Rundfunk“ und „Kultur“. Diese Hauptstellen hatten jeweils eigene Leiter. Die Gesamtverantwortung trug jedoch der Kreispropagandaleiter.153 Daneben waren natürlich auch die Kreisobmänner der angeschlossenen Verbände, allen voran DAF und NSV, von großer Bedeutung und sind daher in die Kategorie der nationalsozialistischen Führungsriege im Kreis einzuordnen.

Die endgültige Etablierung der Voitsberger Kreisleitung erfolgte erst knapp drei Monate nach dem „Anschluss“.154 Zunächst hatte sie ihren Sitz im Voitsberger Rathaus am heutigen Hauptplatz, welcher damals schon in Adolf-Hitler Platz umbenannt worden war. Sprechstunden fanden wochentags von 9 bis 12 Uhr statt.155 Diese Möglichkeiten der Vorsprache bei der Kreisleitung wurden von der Bevölkerung sehr stark genutzt. So stark, dass die Mitarbeiter der Kreisleitung sehr bald durch den großen Andrang überlastet waren. So wurde der Parteienverkehr in der Kreisleitung bereits im Oktober 1938 auf Montag, Mittwoch und Freitag beschränkt.156 Im Jänner 1939 erfolgte die Umsiedlung der Kreisleitung in die Villa Baumann.157

Besonders beliebt war ein Termin beim Kreisleiter persönlich. Dies veranlasste Kreisgeschäftsführer Neuhold dazu, sich im November 1938 in einem Zeitungsartikel im Rahmen der parteiamtlichen Nachrichten an die Kreisbevölkerung zu wenden. In diesem führte er aus, dass die Sprechstunden des Kreisleiters noch immer von zahlreichen Personen

152 Vgl.: VR 5089/47 -5. 153 Organisationshandbuch der NSDAP. 154 Vgl.: VKW, 14. Juni 1938. 155 Vgl.: VKW, 10. September 1938 156 Vgl.: VKW, 8. Oktober 1938. 157 Vgl.: VKW, 31. Dezember 1938. 34 besucht werden, welche Anliegen vortragen, die auch vom Ortsgruppenleiter erledigt werden könnten. Alle Parteimitglieder und der Rest der Bevölkerung sollten insbesondere politische Beurteilungen für die Kinderbeihilfe, Ehestandsdarlehen und Einbürgerungsgesuche zuerst dem Ortsgruppenleiter vortragen. Bei anderen Angelegenheiten gelte es die Sprechstunden einzuhalten.158

Gelöst werden konnte das Problem jedoch auch durch diesen Aufruf nicht endgültig. Daher war es ab Februar 1939 nur noch möglich, nach Zuteilung durch den Ortsgruppenleiter beim Kreisleiter vorzusprechen.159 Im Prinzip wurde durch dieses Vorgehen die Arbeitsbelastung an die Ortsgruppenleiter weitergegeben.

Die erste Voitsberger Kreisleitung im Juni 1938: Kreisleiter: Anton Weißensteiner Adjutant des Kreisleiters: Werner Leitner Geschäftsführer: Thomas Trummer Organisationsamt, Kreiswahlinspektor: Willibald Ulz Statistik: Wendelin Peking Ausbildung: Wilhelm Janusch Schulungsamt: Helmut Kersch Aktive Schulung: Josef Miklau Personalamt: Alois Killer Kassenleiter: Johann Wograndl Hilfskassenobmann: Rudolf Gosch Propagandaamt: Max Emer Kultur: Karl Romich Rundfunk: Hans Forstner Film: Max Koren Presseamt: Josef Schuster Amt für Volksgesundheit: Ernst Bouvier Kreisobmann DAF: Andreas Kattnigg Kreisbauernführer: Ignaz Bauer Kreiswalter RDB: Hubert Bogler

158 Vgl.: VKW, 19. November 1938. 159 Vgl.: VKW, 11. Februar 1939. 35

Kreiswalter NSLB: Karl Krainz Rechtsamt: Albin Resch Beauftragter für Rassenpolitik: Heinz Roblegg Wirtschaftsberater: Helmut Borovsky Amt für Kommunalpolitik: Leopold Hofbauer Kreiswalter NSBDT: Rudolf Wacha Kreisbeauftragter NSKOV: August Holowat Kreiswalter NSV: Franz Wurm Kreisfrauenschaftsleiterin: Elsa Stabler Kreisgericht: Viktor Römich Kreiswart KdF Karl Mansky

Ein Blick auf die berufliche Sozialisation der Kreisleitungsmitarbeiter bringt einige interessante Erkenntnisse hervor. Obwohl der Kreis Voitsberg einen überdurchschnittlich hohen Arbeiteranteil hatte und in der Ersten Republik von der SDAP dominiert wurde, gehörten der Kreisleitung nur zwei Arbeiter an. Wie schon bei den Ortsgruppenleitern war die Arbeiterschaft auch bei den Mitgliedern der Kreisleitung stark unterrepräsentiert. Lediglich der Schlosser Andreas Kattnigg und der Elektriker Karl Mansky übten einen klassischen Arbeiterberuf aus. In der Masse waren die Mitglieder der Kreisleitung Lehrer oder übten einen Beruf mit wirtschaftlichem Hintergrund aus. Von den 27 Mitgliedern der ersten Kreisleitung, deren Berufe bekannt sind, gehörten mehr als die Hälfte einer der beiden Kategorien an. Zehn hatten einen Beruf mit wirtschaftlichem Hintergrund (Weißensteiner, Ulz, Römich, Forstner, Borovsky, Hofbauer, Holowat, Killer, Wograndl, Gosch). Sechs waren Lehrer (Leitner, Krainz, Kersch, Emer, Romich und Miklau). Dazu kamen zwei Ärzte (Bouvier und Roblegg), zwei Anwälte (Schuster und Resch), zwei Techniker (Janusch und Wacha), ein Bauer (Ignaz Bauer), ein Fotograf (Max Koren) und ein Beamter (Bogler). Die im Ämterführer für die Jahre 1939/1940 enthaltene Liste der Voitsberger Kreisleitungsmitglieder umfasste, wie bereits erwähnt, nur noch elf Personen. Von den zehn Personen, deren Berufe bekannt sind, übten vier einen Beruf mit wirtschaftlichem Hintergrund aus, vier waren Lehrer, einer Arbeiter und einer Anwalt. Fest steht auch, dass die überwiegende Mehrheit der Mitglieder der Kreisleitung einen höheren Bildungsgrad innehatte als die Durchschnittsbevölkerung.

36

Was die Herkunft der Kreisleitungsmitglieder betrifft, ist auffallend, dass anders als bei der Besetzung der Ortsgruppenleiterposten, viele Führungspositionen von Personen eingenommen wurden, die in der Ständestaatszeit, im NS-Jargon als Systemzeit oder illegale Zeit bezeichnet, keine Funktion in der NSDAP des Kreises Voitsberg innehatten. Wie bereits erwähnt, stammte Kreisleiter Weißensteiner aus dem Burgenland und war Kreisleiter von Mattersburg. Von dort brachte er seinen Vertrauten Johann Wograndl mit, der fortan die Leitung des Finanzwesens der NSDAP im Kreis Voitsberg übernahm.160 Der für die Organisation der Volksabstimmung vom 10. April 1938 zuständige Kreiswahlleiter Gottfried Bayer wurde zwar in Köflach geboren, hatte seinen Lebensmittelpunkt jedoch im Bezirk Graz-Land.161 Nach der Volksabstimmung kehrte er dorthin zurück und übernahm die Leitung der NSDAP-Ortsgruppe Kainbach.162 Als Kreiswahlinspektor und späterer Kreisorganisationsleiter fungierte auf Bayers Veranlassung der ihm gut bekannte Willibald Ulz. Dieser stammte ebenfalls aus dem Bezirk Graz-Land und kam erst im November 1937 in den Bezirk Voitsberg, wo er in der Gemeinde Bärnbach als Buchhalter der Glasfabrik Oberdorf tätig war.163 Kreiswalter der NSV wurde Franz Wurm, der kurzzeitig illegaler Gauleiter der NSDAP Steiermark war und ebenfalls nicht aus dem Kreis Voitsberg stammte.164

Der harte Kern der illegalen Nationalsozialisten des Kreises Voitsberg kam auch bei jenen Führungspositionen innerhalb der Kreisleitung, die mit Einheimischen besetzt wurden, nicht immer zum Zug. So wurde mit Thomas Trummer eine Person Kreisgeschäftsführer, die sich niemals illegal für die NSDAP betätigt hatte und deshalb auch von alteingesessenen Nationalsozialisten angefeindet wurde und sich nur bis August 1938 als Kreisgeschäftsführer halten konnte.165 Ähnliches gilt für Kreiswirtschaftsberater Helmut Borovsky, der in der Ständestaatszeit Mitglied des Voitsberger Gemeinderats war, jedoch im Gegensatz zu Trummer nicht abgesetzt wurde.166 Von den wichtigsten Kreisleitungsposten wurden lediglich das Kreispersonalamt, das Kreispropagandaamt, das Kreisschulungsamt, die Kreisbauernschaft und die DAF des Kreises von führenden illegalen Nationalsozialisten des Bezirks Voitsberg geleitet.167 Dieser Umstand sollte sich erst im Laufe der nächsten Monate

160 LGS Graz, Vr 4607/47-35. 161 LGS Graz, Vr 4493/47-166. 162 NS-Ämterführer 114. 163 LGS Graz, Vr 4493/47. 164 LGS Graz, Vr 4042/47-145. 165 LGS Graz, Vr 2978/50-64. 166 LGS Graz, Vr 1357/47. 167 37 und Jahre ändern, als einige Illegale im Zuge der zahlreichen Nachbesetzungen doch noch wichtige Posten in der Kreisleitung übernahmen.

Neben der bereits mehrfach erwähnten Tatsache der inneren Zerstrittenheit der einheimischen Nationalsozialisten spielten zwei weitere Punkte eine wichtige Rolle in der NS- Personalpolitik des Kreises Voitsberg. Dabei handelte es sich um die Faktoren Beliebtheit in der Bevölkerung und wirtschaftliche bzw. administrative Fähigkeiten. Sowohl die Berufung Trummers als auch jene Borovskys wurden aufgrund der Tatsache durchgeführt, dass beide einen hohen Bildungsgrad sowie große wirtschaftliche bzw. administrative Fähigkeiten vorzuweisen hatten. Außerdem waren sie innerhalb der Bevölkerung sehr beliebt.168 Unterstrichen wird die Wichtigkeit der benannten Faktoren durch folgende Aussage. Der erste Voitsberger Kreisleiter Jacobs war für zahlreiche Postenbesetzungen verantwortlich und kommentierte seine Besetzungspolitik gegenüber dem Voitsberger Ortsgruppenleiter Lautner so: „Für Führungspositionen sind die charakterliche und wirtschaftliche Fähigkeit wichtiger als die Illegalität.“ Jacobs tätigte diese Aussage im Zusammenhang mit den von vielen illegalen Nationalsozialisten kritisieren Vorschlägen Lautners für die Besetzung der Bürgermeisterposten im Bereich der Ortsgruppe Voitsberg.169

Die Besetzung der einzelnen Posten der Kreisleitung fluktuierte in den folgenden Jahren sehr stark. Dies gilt sowohl für die Zeit vor dem Krieg, als einige nicht aus dem Kreis stammende Funktionäre nach dem Aufbau der Kreisleitung ihre Funktion an Nationalsozialisten aus dem Kreis Voitsberg weitergaben, was dazu führte, dass einige illegale Nationalsozialisten doch noch führende Positionen in der Kreisleitung übernahmen, als auch für die Kriegszeit, als zahlreiche Mitglieder der Kreisleitung zum Wehrdienst einberufen wurden. In manchen Fällen war aber auch der Übertritt in den Staatsdienst der Grund für das Ausscheiden aus der Kreisleitung. Diese Veränderungen werden nun, soweit bekannt, kurz angeführt. Ein Anspruch auf absolute Vollständigkeit ist dabei nicht gegeben. Dies liegt zum Teil daran, dass der NS-Ämterführer für die Steiermark nach der Ausgabe 1939/1940 nicht mehr erschien. Daher musste ich versuchen, die personellen Wechsel in der Kreisleitung vor allem anhand von Zeitungsberichten, Entnazifizierungsakten und in seltenen Fällen anhand der Akten der Bezirkshauptmannschaft Voitsberg für die Jahre 1938 bis 1945 nachzuvollziehen. Allerdings ist die Parteikorrespondenz in den Bezirkshauptmannschaftsakten unterrepräsentiert. Des

168 Vgl.: LGS Graz, Vr 1357/47 und LGS Graz, Vr 2978/50. 169 LGS Graz, 7024/47-53. 38

Weiteren wurde nicht jeder Wechsel in der Kreisleitung in der Zeitung erwähnt, von den Gründen für den Wechsel ganz zu schweigen. Dazu kommt, dass mit Fortdauer des Krieges der Platz für parteiinterne Angelegenheiten im Voitsberg-Köflacher Wochenblatt immer weiter abnahm, da nun Berichte von den Kriegsschauplätzen großen Raum einnahmen. Zum Teil lässt sich auf Veränderungen in der Kreisleitung auch aus Akten des Bundesarchivs in Berlin schließen. Dies gilt jedoch lediglich für jene Fälle, in denen eine solche Veränderung in einer Parteikorrespondenzakte angesprochen wurde. Wenn Gründe für die Umbesetzung einer Stelle bekannt sind, werde ich auf diese im ereignisgeschichtlichen Kapitel Nationalsozialismus von 1938 bis 1945 im Kreis Voitsberg eingehen.

Veränderungen 1938: Kreisgeschäftsführer: Neuhold

Veränderungen 1939/1940: Kreiswalter NSV: Walter Senegacnik Kreiswirtschaftsberater: Hubert Eissner Kreisfrauenschaftsleiterin: Irmgard Blumauer Kreisorganisationsleiter: Willibald Ulz/Franz Roth Kreispropagandaleiter: Willibald Ulz Kreispresseamt: Otto Beidl Film: Julius Malek Kreisgeschäftsführer: Wenzel Peking Kreiswalter NSV: Franz Roth Kreishilfskassenobmann: Karl Strasser

Veränderungen 1941: Kreiswalter NSLB: Walter Senegacnik Amt für Kommunalpolitik: Hans Blumauer Kreispersonalamtsleiter: Karl Krainz Kreispropagandaleiter: Fuchs Kreisschulungsleiter: Helmut Kersch

Veränderungen 1942: Kreispropagandaleiter: Pircher

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Kreisobmann DAF: Burgstaller Kreisbeauftragter NSKOV: Lamich

Veränderungen 1943: Kreisbauernführer: Ludwig Lettmayer Kreisfrauenschaftsleiterin: Hermine Kien Kreispropagandaleiter: Wenzel Peking Kreisorganisationsleiter: Heinz Dobrovsky

Veränderungen 1944: Kreisschulungsleiter: Kroisel Kreiswalter NSV: Heinz Pochlatko

Die erwähnte starke Personalfluktuation innerhalb der NS-Führungsriege war kein Spezifikum des Kreises Voitsberg. Aus zahlreichen anderen Arbeiten zum Nationalsozialismus in der Region geht ebenfalls hervor, dass es kaum Kontinuität innerhalb der hohen regionalen Parteiorganisation gab. Welche Faktoren für diesen Umstand ausschlaggebend waren, ist nicht vollständig aufzuklären. Claudia Roth geht von einer „Permanenz der Inkompetenz“ in der regionalen Führungsriege der NSDAP aus.170

Diesem Urteil kann ich mich, was den Kreis Voitsberg betrifft, nicht anschließen. Grund dafür ist die Tatsache, dass die meisten Postenwechsel während der Kriegszeit stattfanden. Bedingt waren sie meist durch Einberufungen zum Kriegsdienst. Dies stellte auch Wolfgang Stelbrink in seiner Arbeit über die Kreisleiter in Westfalen und Lippe fest. Stelbrink betont in seiner Kreisleiterstudie die hohe Zahl der kriegsbedingten Wechsel innerhalb der NS- Führungsriege. So waren in den 36 Parteikreisen in Westfalen und Lippe lediglich sechs Kreisleiter von Beginn bis Ende des Zweiten Weltkrieges im Amt. Für die Mitglieder der Kreisleitung ist eine ähnliche Tendenz festzustellen.171 Innerhalb der Voitsberger Kreisleitung kam es mindestens elf Mal zu einem durch Einrückung zur Wehrmacht oder zur SS bedingten Personalwechsel. Einige führende Nationalsozialisten wurden ab 1941 auch in die Untersteiermark versetzt. Von den Mitgliedern der Kreisleitung betraf dies Ernst Bouvier,

170 Vgl.: Claudia Roth, Parteikreis und Kreisleiter der NSDAP unter besonderer Berücksichtigung Bayerns, München 1997, 140. 171 Wolfgang Stelbrink, Die Kreisleiter der NSDAP in Westfalen und Lippe. Versuch einer Kollektivbiographie mit biographischem Anhang, Münster 2003. 40

Helmut Kersch, Karl Strasser und Karl Romich dauerhaft. Kreisbauernführer Ignaz Bauer und der Kreisamtsleiter des NSLB Walter Senegacnik wirkten dort nur für kurze Zeit, kehrten danach in den Kreis Voitsberg zurück und nahmen dort wieder ihre alten Posten ein.

Da Inkompetenz nur in drei Fällen zur Ablösung von führenden regionalen Nationalsozialisten führte, allesamt Ortsgruppenleiter kleinerer Ortsgruppen, war sie im Kreis Voitsberg keineswegs der Hauptgrund für die zahlreichen personellen Veränderungen auf der Ebene der Kreisleitung und der Ortsgruppenleitungen. Insbesondere die Kreisleiter als wichtigste Vertreter der lokalen NS-Führungsriege dürften ihre Aufgaben zur Zufriedenheit des erfüllt haben. So wurde Kreisleiter Weißensteiner nicht wegen Inkompetenz abgelöst, sondern weil er in der Parteihierarchie aufstieg und den Posten des Gauamtsleiters der DAF übernahm. In manchen Fällen ist außerdem eine altersbedingte Ablösung wahrscheinlich. Außerdem wechselten im Kreis Voitsberg einige hohe Parteifunktionäre in den Staatsdienst.

5. Kreisleiter

Die wichtigste und prestigeträchtigste Stelle innerhalb der Kreisleitung war natürlich der Kreisleiterposten. Der Kreisleiter war der höchste Repräsentant der Partei im Kreis. Er musste die Kreisleitung zusammenstellen. Bei der Auswahl der Mitarbeiter hatte er völlig freie Hand. Er musste sich nur dem Gauleiter gegenüber verantworten.172 Dies führte natürlich zu einer Machtkonzentration in der Hand einer einzelnen Person, die für das gesamte NS-System typisch war. Diese extreme Form der personalisierten Herrschaft marginalisierte letztendlich alle anderen Mitarbeiter der Kreisleitung, da diese im Gegensatz zum Kreisleiter keine Sanktionsgewalt den Ortsgruppen gegenüber hatten173 und auch nicht in Kontakt zum „allmächtigen“ Gauleiter standen. Die Ortsgruppenleiter hatten zwar innerhalb ihrer Ortsgruppe absolute Handlungsfreiheit, waren aber dem Kreisleiter gegenüber für das Funktionieren der Parteiarbeit vor Ort verantwortlich und mussten sich seinen Weisungen beugen. Außerdem durften sie sich nicht direkt an den Gauleiter wenden, sondern mussten den Dienstweg einhalten und bei Beschwerden oder Anliegen zuerst den Kreisleiter

172 Vgl.: Michael Rademacher, Die Kreisleiter der NSDAP, 18. 173 Ausnahmen waren natürlich Mitglieder der Kreisleitung, die gleichzeitige auch Ortsgruppenleiter waren. Im Kreis Voitsberg waren dies August Holowat, der gleichzeitig Kreisbeauftragter der NSV und Ortsgruppenleiter von Bärnbach war, sowie Hubert Eisner, der Kreiswirtschaftsberater und Ortsgruppenleiter von Köflach war. 41 kontaktieren, der dann entscheiden konnte, ob der Gauleiter hinzugezogen wird.174 Dem Kreisleiter unterstanden überdies auch alle angeschlossenen Verbände der Partei im Kreis.175 Mit Kriegsbeginn vergrößerte sich die Macht der Kreisleiter. Dies gilt insbesondere für die letzten Kriegsmonate, in denen sie das Kommando über den in ihrem Kreis innehatten. Außerdem fungierten sie gegen Ende des NS-Regimes als Kreisverteidigungskommissare und dienten dem Gauleiter anstelle der regulären Behörden bevorzugt als Exekutivorgane.176 Die Machtfülle der Kreisleiter war also enorm. Allerdings wurde für ein Versagen der Kreisleitung auch nur der Kreisleiter vom Gauleiter zur Verantwortung gezogen. Das war für den Kreisleiter sozusagen die Kehrseite der personalisierten Herrschaft. Die Persönlichkeit des Kreisleiters war daher von kaum zu überschätzender Bedeutung.

Der Kreisleiter war zuallererst der oberste Hoheitsträger der Partei auf Kreisebene und daher in gewisser Weise auch ihr Aushängeschild und eine Personifizierung ihrer Ideologie. Er wurde auf Vorschlag des Gauleiters von Hitler persönlich ernannt. Diese persönliche Ernennung durch Hitler erfolgte jedoch im Laufe der Jahre immer seltener, da dessen Interesse für Parteiangelegenheiten, insbesondere während der Kriegsjahre, immer weiter schwand. 177

Die beiden Voitsberger Kreisleiter wurden zwar von Hitler persönlich ernannt, allerdings geschah dies erst mit großer Verspätung. Anton Weißensteiner wurde laut Angaben aus seinem Lebenslauf, den er im Zuge seiner Ernennung zum Gauobmann der DAF am 7. Februar 1943 verfasste, „ab 25. November 1939 vom Führer zum Kreisleiter des Kreises Voitsberg ernannt.“178 Die Ernennung erfolgte erst 17 Monate nachdem er die Führung der Kreisleitung übernommen hatte. Für Hubert Eissner liegt ein Ernennungsschreiben von der Reichsleitung der NSDAP in München vor. Aus dem Schreiben geht eindeutig hervor, dass er „vom Führer“ zum Kreisleiter ernannt wurde. Diese offizielle Anerkennung erfolgte jedoch erst mehr als vier Jahre nachdem Eissner zum ersten Mal die Kreisleitung übernommen hatte und zweieinhalb Jahre nachdem er Weißensteiner endgültig als Kreisleiter ablöste.179

174 Vgl.: Michael Rademacher, Die Kreisleiter der NSDAP, 241. 175 Vgl.: Michael Rademacher, Die Kreisleiter der NSDAP, 242. 176 Wolfgang Stelbrink, Die Kreisleiter der NSDAP in Westfalen und Lippe. Versuch einer Kollektivbiographie mit biographischem Anhang, Münster 2003. 177 Vgl.: Michael Rademacher, Die Kreisleiter der NSDAP, 241. 178 StLa, VR 5001/47 - 239 179 BArch, PK, Hubert Eissner 42

Wahrscheinlich ist, dass die Reichsleitung der NSDAP im Fall Weißensteiner abwartete, ob er sich als Kreisleiter bewährte und erst danach durch die Zustimmung Hitlers die endgültige Ernennung vornahm. Was Eissner betrifft, wäre außerdem die durch den Krieg bedingte Einschränkung der Parteiarbeit eine weitere Erklärungsmöglichkeit für die Verzögerung seiner offiziellen Bestätigung als Kreisleiter. Letztendlich wurden aber weder Weißensteiners noch Eissners Macht durch die Tatsache, dass sie erst verhältnismäßig lange nach der Übernahme des Kreisleiterpostens von Hitler bestätigt wurden, im Geringsten geschmälert. Letztendlich war für die Macht der Kreisleiter die Rückendeckung durch den Gauleiter, welcher sie für diese Position vorschlug, der entscheidende Faktor.

Den Kreisleitern wurde „für ihr Hoheitsgebiet das politische Hoheitsrecht übertragen. Sie vertreten in ihrem Bereich die Partei nach innen und außen und sind verantwortlich für die gesamtpolitische Lage in ihrem Hoheitsgebiet.“180 Diese Passage aus dem Organisationshandbuch der NSDAP ist offensichtlich sehr vage gehalten und lässt viel Spielraum für Interpretationen zu. Dass dieses politische Hoheitsrecht teilweise auch sehr spezielle Rechte umfasste, macht die Tatsache deutlich, dass jeder steirische Kreisleiter 1938 eine gewisse Anzahl an Parteimitgliedern auswählen durfte, welchen dann die „Ehre“ zu Teil wurde am Reichsparteitag in Nürnberg teilnehmen zu dürfen.181 Der Einfluss, den der Kreisleiter auf die führenden NSDAP-Mitglieder in seinem Hoheitsgebiet hatte, war ebenfalls sehr groß. Einmischungen von anderen Stellen waren sehr schwierig. Sogar die mächtige Gestapo musste sich damit abfinden, dass Verhaftungen von Politischen Leitern, Mitarbeitern der Parteidienststellen sowie Gliederungsführern nur durchgeführt werden durften, wenn zuvor der Kreisleiter in Kenntnis gesetzt worden ist. Dieser konnte Einspruch gegen die Verhaftung erheben. Sollte er dies tun, musste die vorgesetzte Parteidienststelle, also der Gauleiter, eine Entscheidung treffen.182 Die immer wieder angeführte „Menschenführung“ ist ein mehr als schwammiger Begriff aus dem NS-Duktus. Dementsprechend vielfältig waren die Bereiche, in denen der Kreisleiter Aktionen setzen konnte. Die Hauptbereiche, denen sich also ein Kreisleiter widmete, waren mehr oder weniger ihm selbst überlassen. Es gab nur wenige konkrete Tätigkeiten, zu denen ein Kreisleiter verpflichtet war.

180 Organisationshandbuch der NSDAP 1937, S. 98. 181 Vgl.: VKW, 6. August 1938. 182 StLa, BH VO 1938, Karton 210 Zl 14 Na 6 25. November 1938: 43

Zu diesen Tätigkeiten zählte unter anderem die Abfassung von Stimmungsberichten für die Partei.183 Laut Rademacher war dies sogar die wichtigste Aufgabe, die ein Kreisleiter zu bewältigen hatte.184 Neben dem Kreisleiter hatte übrigens auch sein staatliches Pendant, der Landrat, Stimmungsberichte zu erstellen. Dass sich der Kreisleiter bzw. die Mitglieder der Kreisleitung sowie die Ortsgruppenleiter und der Landrat dabei im Kreis Voitsberg gegenseitig über Veränderungen in der Stimmungslage der Bevölkerung austauschten, ist aus den vorhandenen Akten eindeutig zu erkennen.

Ein weiteres klar definiertes Tätigkeitsfeld war die Erstellung politischer Gutachten. Diese Gutachten wurden über Bewerber für den öffentlichen Dienst sowie allgemein über Personen, die als politisch unzuverlässig galten, abgefasst. Besonders bei der Ernennung oder Beförderung von Beamten spielten die politischen Gutachten des Kreisleiters eine bedeutende Rolle.185 Allerdings beschränkte sich die Ausstellung von politischen Gutachten bei weitem nicht auf diese. In der Praxis konnte ein politisches Gutachten einen Bürger vor der Verfolgung durch die Gestapo schützen oder ihn dieser Verfolgung erst aussetzen. Es konnte darüber entscheiden, ob er eine Arbeitsstelle (nicht nur im öffentlichen Dienst) überhaupt erst erhielt und ob er sie im Zweifelsfall behalten konnte. Im Falle von Personen, welche die deutsche Staatsbürgerschaft nicht besaßen, konnte eine Stellungnahme des Kreisleiters entscheidend für die Erteilung eine Aufenthaltsgenehmigung und eine spätere Erlangung der Staatsbürgerschaft sein.

Unmittelbar nach dem „Anschluss“ schienen verschiedenste Parteistellen Gutachten ausgestellt zu haben. Ein Schreiben von Rudolf Hess stärkte jedoch die Position der Kreisleiter in diesem Bereich. Laut der Weisung des „Stellvertreters des Führers“ bezüglich der Abgabe politischer Gutachten vom Dezember 1938 waren nur politische Hoheitsträger vom Kreisleiter aufwärts zur Abgabe politischer Beurteilungen und zur Ausstellung von politischen Unbedenklichkeitserklärungen berechtigt. Offiziell mussten sich die Kreisleiter an einige Richtlinien halten. „.Die Kreisleiter haben sich die Unterlagen für die politische Beurteilung der einzelnen Volksgenossen durch ihre Personalämter von den für den Wohnort des einzelnen zuständigen Ortsgruppen- bzw. Stützpunktleitern, sowie nötigenfalls von ihren des RDB, des NSLB usw. beschaffen zu lassen. Außerdem ist in jedem Falle beim

183 Vgl.: Kreisleiterstudien von Rademacher, Roth und Klepsch. 184 Vgl.: Michael Rademacher, Die Kreisleiter der NSDAP, 266. 185 Vgl.: Michael Rademacher, Die Kreisleiter der NSDAP, 346. 44

SD Rückfrage zu halten.“186 Dass bei der Flut von politischen Gutachten, die ein Kreisleiter im Laufe der Zeit abzugeben hatte, diese Richtlinien nicht immer eingehalten wurden, liegt auf der Hand. Auch der Hinweis von Hess, dass die Beurteilungen frei von persönlichen und unsachlichen Gesichtspunkten sein sollen, war in der Praxis eher Wunschdenken, was auch bei einigen Beurteilungen der Voitsberger Kreisleiter deutlich wurde.

Abgesehen von den beiden erläuterten Aufgaben wurden dem Kreisleiter von Partei oder Staat keine weiteren konkreten Vorschriften für seine Amtsführung gemacht. Was den Bereich der Gutachten betrifft, so ist dies natürlich auf den ersten Blick auch ein Eingriff in die Kompetenzen des Landrates, der die staatliche Verwaltung des Kreises ausübte. Gesetzlich wurde das Verhältnis zwischen Kreisleiter und Landrat erst mit der „Anordnung über die Verwaltungsführung in den Landkreisen“ vom 28.12.1939 geregelt. Die „Menschenführung“ war dabei alleinige Aufgabe des Kreisleiters. Dem Landrat durfte er Anregungen zu behördlichen Vorhaben und Maßnahmen geben und ihn auf maßgebliche Punkte der „Menschenführung“ aufmerksam machen. In die laufende Verwaltung durfte er sich allerdings nicht einmischen.187 Die Anordnung über die Verwaltungsführung war letztendlich aber auch keine absolute Abgrenzung der Kompetenzen von Staat und Partei. Mit dem Argument der „Menschenführung“ konnte sich der Kreisleiter prinzipiell in viele Kompetenzen des Landrates einmischen. Ein Konkurrenzverhältnis ist aber meines Erachtens dennoch alles andere als vorprogrammiert. Martin Moll schreibt dazu für den steirischen Bereich allerdings: „[…] außerdem waren die Kreisleiter, wie auch im Reich üblich, in ständige Konflikte mit den Landräten […] verwickelt“.188 Dieser Aussage muss ich jedoch, was den Kreis Voitsberg betrifft, widersprechen. Im Kreis Voitsberg gibt es keine Anzeichen für Kompetenzstreitigkeiten zwischen den Landräten und den beiden Kreisleitern. In den Prozessen gegen die Kreisleiter Eissner und Weißensteiner sagten Mitarbeiter des Landrates sogar zugunsten der Kreisleiter aus und sprachen über die gute Zusammenarbeit und die Nichteinmischung der Kreisleiter in staatliche Angelegenheiten.189

Vor allem die Aussage von Willibald Kral, der die gesamte Zeit der NS-Herrschaft über Beamter beim Landrat war, ist dabei aufschlussreich. Der bekannte Sozialdemokrat, der nach

186 StLa, BH VO 1938, Karton 210 Zl 14 Na 7/1-1938 22. Dezember 1938. 187 Vgl.: Michael Rademacher, Die Kreisleiter der NSDAP, 245. 188 Martin Moll, NS-Eliten in der Steiermark und steirische NS-Eliten. Herkunft, Rolle und Selbstverständnis 1938-1945, in: Heimo Halbrainer/ Gerald Lamprecht/ Ursula Mindler (Hrsg.), NS-Herrschaft in der Steiermark. Positionen und Diskurse, Graz 2012, 101-102. 189 Vgl.: StLa, VR 5001/47 und VR 5089/47, insbesondere VR 5089/47 – 151 45 dem Krieg kurz die Leitung der Bezirkshauptmannschaft Voitsberg übernahm,190 arbeitete von Oktober 1939 bis Februar 1943 unter dem Landrat Dr. Hermann Lutz, einem „Reichsdeutschen“. Dass es auch in dieser Zeit zu keinerlei Streitigkeiten zwischen den höchsten Vertretern von Staat und Partei kam, widerspricht, zumindest was den Kreis Voitsberg betrifft, der These, wonach „reichsdeutsche“ Landräte besonders konfliktfreudig im Umgang mit „ostmärkischen“ Kreisleitern waren. Generell wäre der Faktor der „reichsdeutschen“ Landräte in der Steiermark kein Grund von vorneherein von einem Kompetenzgerangel zwischen Landrat und Kreisleiter auszugehen, da 1941 nur 5 von 16 steirischen Landräten aus dem „Altreich“ stammten.191 Darunter war auch der Voitsberger Landrat Dr. Lutz, welcher mit einer Amtszeit von drei Jahren und vier Monaten sogar der längst dienende Landrat im Kreis Voitsberg war. Der Kreis Voitsberg hatte in der Zeit zwischen März 1938 und Mai 1945 insgesamt einen Bezirkshauptmann, Dr. Schmidinger, der bereits seit 1937 Bezirkshauptmann war und diesen Posten nach dem „Anschluss“ beibehielt, und vier verschiedene Landräte.192 Die Fluktuation in der höchsten Stelle der staatlichen Verwaltung des Kreises war also um einiges größer als jene auf der höchsten Parteiebene.

Mit dem letzten Landrat, Dr. Ernst Friedrich, der diesen Posten von Lutz übernahm, scheinen Probleme von vorneherein so gut wie ausgeschlossen gewesen zu sein. Friedrich war nämlich das erste NSDAP-Mitglied, das im Kreis Voitsberg die Position des Landrates innehatte.193 Gegen Ende des Krieges fungierte er sogar als Kreisredner und hielt Ansprachen.194 Im Vergleich zu seinen Vorgängern schlug Friedrich auch im Umgang mit den Bürgermeistern des Kreises Voitsberg einen schärferen Ton an. Im September 1944 wies er diese an, Ausländern nur noch in allerdringendsten Fällen Reisegenehmigungen auszustellen. Außerdem seien solche Genehmigungen nur noch im Einverständnis mit der Gendarmerie und

190 Vgl.: Walter Brunner (Hg.), Geschichte und Topographie des Bezirkes Voitsberg. Band 2: Bezirkslexikon, Graz 2011, 331. 191 Vgl.: Martin Moll, NS-Eliten in der Steiermark und steirische NS-Eliten. Herkunft, Rolle und Selbstverständnis 1938-1945, in: Heimo Halbrainer/ Gerald Lamprecht/ Ursula Mindler (Hrsg.), NS-Herrschaft in der Steiermark. Positionen und Diskurse, Graz 2012, 102. 192 Im zweiten Band der Bezirkschronik scheinen fälschlicherweise nur drei Landräte auf. Vgl.: Walter Brunner (Hg.), Geschichte und Topographie des Bezirkes Voitsberg. Band 2: Bezirkslexikon, Graz 2011, 331. Nicht angeführt ist dabei Dr. Otto Reinhart, der von Februar 1943 bis Juni 1944 den Landrat leitete. Vgl. VKW, 20. Februar 1943 und VKW, 10. Juni 1944. Die in der Bezirkschronik ebenfalls zu findende Angabe, dass Dr. Josef Pleunik ab 25.8. 1938 mit der Leitung des Landrates betraut wurde, stimmt nicht ganz, da die Bezirkshauptmannschaft Voitsberg erst im Dezember 1938 zum Landrat umgewandelt wurde. Vgl.: VKW, 3. Dezember 1938. Genau genommen fungierte Pleunik noch drei Monate als Bezirkshauptmann, bevor er erster Landrat des Kreises Voitsberg wurde. 193 Vgl.: VKW, 10. Juni 1944. 194 Vgl.: VKW, 7. Oktober 1944. 46 dem Arbeitsamt zu erteilen. Gegen Ende des Briefes drohte der Landrat den Bürgermeistern damit, diese bei einem Verstoß gegen seine Anordnung persönlich haftbar zu machen.195

Friedrichs Vorgänger verfasste im Mai 1944 einen ähnlichen Brief an die Bürgermeister und Gendarmeriepostenkommandanten des Kreises. In diesem hieß es, dass aufgrund des Überhandnehmens von Fahrten von Ostarbeitern, Reisegenehmigungen für Bahn- und Busbenutzung nur im Einvernehmen zwischen Gendarmerie und Bürgermeister auszustellen seien. Außerdem ist der strengste Maßstab bei der Erteilung der Genehmigungen anzulegen. Der Einzige inhaltliche Unterschied zwischen beiden Schreiben ist die Tatsache, dass in jenem von Friedrichs Vorgänger Dr. Otto Reinhart das Arbeitsamt nicht erwähnt wird. Wirklich aufschlussreich ist jedoch die Tatsache, dass Reinhart auf Drohungen gegenüber den Bürgermeistern des Kreises Voitsberg verzichtete.196 Die Ernennung des NSDAP-Mitgliedes Friedrich zum Landrat ist mit Sicherheit darauf zurückzuführen, dass die NS-Führung in der letzten Phase des Krieges absolut verlässliche Personen an den zentralen Schaltstellen des Staates haben wollte. Dies schien sich am ehesten durch die Einsetzung eines Parteimitgliedes als Landrat sicherstellen zu lassen.

Eine enge Zusammenarbeit zwischen Landrat und Kreisleiter gab es im Bereich der Erteilung von Aufenthaltsgenehmigungen für Ausländer und im Bereich der Einbürgerungen. Volksdeutsche wurden generell in beiden Bereichen bevorzugt behandelt. In manchen Fällen war die Volkszugehörigkeit jedoch nicht sofort festzustellen. Dies lag entweder daran, dass der Antragssteller im Feld Muttersprache zwei Angaben gemacht hat, z.B. Deutsch/Slowenisch oder daran, dass die von ihm angegebene deutsche Volkszugehörigkeit bzw. Muttersprache vom zuständigen Bürgermeister oder vom Landrat bezweifelt wurde. In diesen Fällen bat der Landrat den Kreisleiter der NSDAP darüber zu entscheiden, ob die betreffende Person als volksdeutsch zu bezeichnen ist. Die Personen deren Volkszugehörigkeit zweifelhaft war, mussten zur Feststellung ihrer Volkszugehörigkeit persönlich beim Kreisleiter vorsprechen, der nach eigenem Ermessen eine Entscheidung traf, die er dann an den Landrat weitergab. In allen zehn erhalten gebliebenen Fällen aus dem Jahr 1940, in denen der Kreisleiter eine solche Entscheidung traf, folgte der Landrat ohne

195 StLa, BH VO, 1943 Zl 14 Pa 1/45-44 8. September 1944: 196 StLa, BH VO, 1943 Zl 14 Pa 1/18-44 15. Mai 1944 47

Nachfrage der Einschätzung des Kreisleiters.197 Ein weiteres Beispiel für die große persönliche Macht, welche die Kreisleiter innehatten.

Insgesamt wurde die deutsche Volkszugehörigkeit der Antragssteller in neun von zehn Fällen von den Kreisleitern Eissner und Weißensteiner bestätigt. Sieht man sich die Fälle im Einzelnen an, wird schnell klar, wie willkürlich die für die Betroffenen so wichtige Entscheidung, welchem Volk sie nun angehören, getroffen wurde. Außerdem ist auch ein gewisser Unterschied in der Handhabung der Fälle und vor allem im Ton, zwischen Weißensteiner und Eissner zu bemerken. Weißensteiner bejahte die deutsche Volkszugehörigkeit der Personen die bei ihm vorsprachen in allen zwei erhalten gebliebenen Fällen. Zum Teil waren seine Begründungen jedoch recht abenteuerlich. So im Falle von Frau Rovanschek. Der Landrat ersuchte Weißensteiner im Oktober 1940 darum festzustellen, ob Rovanschek, die jugoslawische Staatsbürgerin war und sich als „Volksdeutsche“ bezeichnete, tatsächlich im nationalsozialistischen Sinne als „volksdeutsch“ einzustufen sei. Der Bürgermeister von Pichling verneinte dies.198 In seiner Beurteilung stellte Kreisleiter Weißensteiner eineinhalb Monate später fest, dass Rovanschek slowenischer Abstammung sei. Sie spreche schlecht deutsch und werde es als alte Frau (74 Jahre) wohl auch nicht mehr besser lernen. Jedoch sei sie in politischer Hinsicht einwandfrei. „Sie ist eine anständige Frau, deren größter Wunsch es ist hierher zu gehören.“ Weißensteiner kommt letztendlich zu dem Schluss, dass Rovanschek als deutsche Volksangehörige zu betrachten sei. Wie üblich schloss sich der Landrat diesem Schluss an und erteilte die Aufenthaltsbewilligung.199

Eissner schien etwas strengere Maßstäbe bei der Beurteilung der Volkszugehörigkeit angelegt zu haben. Für die von ihm beurteilten Personen hatte er auch in Fällen, in denen er deren deutsche Volkszugehörigkeit bejahte, oftmals nur Verachtung über, was er auch zum Ausdruck brachte. So bezeichnete er in zwei Fällen die Antragssteller zwar als „volksdeutsch“ aber auch als primitive Menschen. Es handelte sich in den beiden Fällen übrigens um ein Ehepaar deren Schreib- und Lesefähigkeit er getestet hatte.200 Noch deutlicher wurde er im Fall des polnischen Bergarbeiters Nikolaus Lenko, der schon lange im Kreis Voitsberg lebte und um die Einbürgerung ansuchte. Der Landrat zweifelte an der von Lenko angegebenen deutschen Volkszugehörigkeit und bat Eissner um eine Stellungnahme dazu. Eissner

197 Vgl.: StLa, BH VO, 1940. 198 StLa, BH VO, 1940, Zl 14 Ro 6/2-40 1. Oktober 1940. 199 StLa, BH VO, 1940, Zl 14 Ro 6/7-40 19. November 1940. 200 Vgl.: StLa, BH VO, 1940, Zl 14 So 3/1-40 10. Juni 1940 und Zl 14 So 4/2-40 29. Juni 1940. 48 bescheinigte Lenko mangelhaftes Schreib- aber gutes Sprechvermögen. Jedoch sei Lenko „Trinker und Asozialer, der unwürdig ist der deutschen Volksgemeinschaft anzugehören.“ Der Einbürgerungsantrag wurde in der Folge abgelehnt.201

Neben der Zusammenarbeit zwischen Landrat und Kreisleiter im Bereich der Aufenthaltsgenehmigungen und Einbürgerungen gibt es weitere Bereiche, in denen die höchsten Vertreter von Staat und Partei im Kreis Voitsberg an einem Strang zogen. So zum Beispiel in der Frage der Verdunkelungsregelung. Im Oktober 1941 bat der Landrat den beim Luftgaukommando XVII die Aufhellung der Straßenbeleuchtung bis 24 Uhr für die Städte Voitsberg und Köflach zu bewilligen. Die Bürgermeister von Voitsberg und Köflach hatten ihn um ein derartiges Ansuchen gebeten. Als Gründe gaben sie das hohe Verkehrsaufkommen wegen des Schichtwechsels (22-23 Uhr) in den Bergbaubetrieben und die Angst der weiblichen Bevölkerung vor ausländischen Arbeitern an. Kreisleiter Eissner schloss sich der Forderungen der Bürgermeister und des Landrates an und bat den Reichsstatthalter für den Fall einer Ablehnung des Vorschlages darum, sich wenigstens dafür einzusetzen, dass die Straßenbeleuchtung bis 22 Uhr in Betrieb bleiben darf.202 Zunächst wurde die verlängerte Inbetriebnahme der Straßenbeleuchtung von der Möglichkeit der Abschaltung der gesamten Beleuchtung von einer Dienststelle aus abhängig gemacht. Eine entsprechende Anlage wurde im März 1942 beim Landratsamt eingebaut. Dennoch verhandelten Landrat und Kreisleiter bis zum August 1942 ohne Ergebnis mit dem Reichsstatthalter und dem Luftgaukommando XVII über die Angelegenheit.203 Ob sich Landrat und Kreisleiter letztendlich durchsetzen konnten, ist nicht bekannt. Fakt ist jedoch, dass sich die obersten Vertreter von Staat und Partei gemeinsam um eine Lösung bemühten.

Ein weiteres Beispiel ist die Diskussion um die Errichtung einer Vertretung des Reichsbundes der Haus- und Grundbesitzer. Die Landesstelle des erwähnten Bundes fragte im Juni 1942 beim Landrat an, ob es möglich sei, im Kreis Voitsberg eine Bezirksstelle zu eröffnen. Landrat Dr. Lutz sprach daraufhin umgehend mit Kreisleiter Eissner über die Angelegenheit. Aus der Antwort des Landrates an die Landesstelle des Reichsbundes der Haus- und Grundbesitzer geht hervor, dass sich Landrat und Kreisleiter einig waren, die Einrichtung einer Bezirksstelle abzulehnen. Als Begründung gaben beide an, dass die Einrichtung einer Dienststelle dieser Interessensvertretung im Kreis Voitsberg bei der Bevölkerung, angesichts

201 StLa, BH VO, 1940, Zl 14 Le 6/1-40 10. Juni 1940. 202 StLa, BH VO, 1941, Zl 14 Vo 14/1-41 und Vo 14/2-41 10. Oktober und 13. Oktober 1941. 203 StLa, BH VO, 1941, Zl 14 Vo 14/3-41 13. März 1942 und 21. August 1941. 49 des herrschenden Wohnungsmangels, nicht gut ankommen würde. Daher lehnte man das Ansuchen aus taktischen Gründen ab.204

Bereits einen Monat davor zeigten Landrat Lutz und Kreisleiter Eissner, dass sie auch bei Spannungen zwischen Partei und Staat an einem Strang ziehen konnten. Der Ortsgruppenleiter von Mooskirchen, Ernst Jeszensky, der gleichzeitig Bahnhofsvorstand von Söding war, beschwerte sich bei Kreisleiter Eissner in brieflicher Form darüber, dass in den letzten Monaten immer mehr Jugendliche aus den Voitsberger Industriegebieten nach Söding kommen, um sich hier „maßlos“ zu betrinken. Bei einer Rücksprache mit der Gendarmerie berief sich der zuständige Gendarmeriemeister auf eine alte Bestimmung, welche ihm angeblich verbietet, bei solchen betrunkenen Jugendlichen einzuschreiten, wenn sie nicht ausdrücklich etwas anstellten. Da Bahnorgane Amtscharakter haben, welche sie aber durch ihren Dienst nicht ausüben können, war die Gendarmerie laut Jeszensky der Auffassung, alles, was auf bahneigenem Grund geschieht, gehe sie nichts an. Seine Beschwerde gegen die staatliche Verwaltung, der er mehr oder weniger Untätigkeit und Versagen vorwarf, beschloss Jeszensky mit folgender Spitze: „Es sind dies also die berüchtigten formaljuristischen Standpunkte unserer Behörden, von denen der Führer so bitter in seiner letzten Rede gesprochen hat“.205

Der Mooskirchener Ortsgruppenleiter fühlte sich anscheinend von den staatlichen Stellen im Stich gelassen und war wohl auch darüber verärgert, dass er als Ortsgruppenleiter der Gendarmerie keine Befehle geben konnte. Daher wandte er sich an den Kreisleiter und erhoffte sich dabei ein Eingreifen des obersten Hoheitsträgers der NSDAP im Kreis zu seinen Gunsten. Jeszensky und Eissner waren im Übrigen alte Bekannte. Im Oktober 1934, Jeszensky war damals noch Bahnbeamter in Köflach, gehörten beide zu einer Gruppe von fünf Köflachern denen von der Gendarmerie aufgrund ihrer nationalsozialistischen Einstellung die Waffen abgenommen wurden.206 Seinen Posten als Ortsgruppenleiter von Mooskirchen dürfte Jeszensky wohl zum Teil auch dieser frühen Verbindung mit Eissner zu verdanken haben.

Kreisleiter Eissner entschied nach der Eingabe von Jeszensky dennoch, nicht auf Konfrontationskurs mit den staatlichen Stellen zu gehen, sondern den Brief Jeszenskys an den

204 StLa, BH VO, 1942, Zl 14 Re 2/62-42 13. Juni 1942. 205 StLa, BH VO, 1942, Zl 14 Ge 1/1-42 4. Mai und 12. Mai 1942. 206 StLa, BH VO 1938, Karton 206 Zl 14 Wa 1/37-1935 24. Oktober 1938. 50

Landrat weiterzuleiten und von diesem ein Eingreifen der Gendarmerie zu erbitten. Den Gauleiter informierte Eissner nur vom Problem des Verhaltens der Jugendlichen auf bahneigenem Gelände. Im besagten Brief an den Gauleiter vom 23. Mai 1942 erwähnte er die Beschwerde Jeszenskys über die staatliche Verwaltung und deren angebliche Untätigkeit nicht.207 Außerdem fragte er bei der Direktion der Graz-Köflacher Eisenbahn- und Bergbaugesellschaft nach, ob diese ein Eingreifen der Gendarmerie auf bahneigenem Grund überhaupt wünsche, auch wenn dieses nicht vom Bahnvorstand gefordert werden würde. Aus dem Antwortschreiben der Direktion geht hervor, dass diese sich ein Eingreifen der Gendarmerie nur nach expliziter Aufforderung der Stationsleiter wünscht. Jeszenskys Schreiben habe laut Direktion nur darauf abgezielt sicherzustellen, dass die Gendarmerie auch tatsächlich kommt, wenn sie gerufen werde.208 Letztlich blieb es also beim status quo.

Am 28. Mai informierte der Landrat die Kreisleitung der NSDAP davon, dass die Abgabe von Alkohol an Jugendliche durch Gastwirte im Gebiet von Söding und Ligist, durch eine entsprechende Unterrichtung und Verwarnung der Gastwirte bereits abgestellt wurde. Der Gendarmerieposten habe die Weisung erhalten, dem Missstand soweit wie möglich entgegenzutreten. Des Weiteren erklärte er dem Kreisleiter die Gesetzeslage bezüglich des Einschreitens von Gendarmerie auf bahneigenem Grund. Auf Anforderung rücke die Gendarmerie laut Wissen des Landrates immer aus, sodass der Vorwurf des Ortsgruppenleiters nicht gerechtfertigt sei. Dennoch habe er dem Gendarmerieposten Söding nochmals die Weisung erteilt, auf Anforderung des Stationsvorstandes tätig zu werden.209 Damit war die Angelegenheit erledigt.

In den Jahren der NS-Herrschaft im Kreis Voitsberg stellte die Kreisleitung, wie bereits kurz erwähnt, dem Landrat in vielen Fällen Informationen zur Verfügung, die er in seinen Lageberichten an den Reichsstatthalter weitergab. Umgekehrt informierte der Landrat die Kreisleitung von zahlreichen neuen Richtlinien und Verordnungen aber auch von politischen Vorkommnissen über die ihm von der Gendarmerie berichtet wurde. Oftmals ersuchte man sich auch gegenseitig um Hilfe oder nahm gemeinsam gegenüber einer anderen Instanz Stellung.210

207 StLa, BH VO, 1942, Zl 14 Ge 1/1-42 23. Mai 1942. 208 StLa, BH VO, 1942 Zl 14 Ge 1/1-42 12. Mai, 18. Mai 1942 und 23. Mai 1942. 209 StLA, BH VO, 1942, Zl 14 Ge 1/3-42 28. Mai 1942. 210 StLa, BH VO 1938-1945. 51

Was den Punkt Kompetenzgerangel zwischen Kreisleiter und Landrat betrifft, kann ich also abschließend sagen, dass dieses im Kreis Voitsberg, sofern es überhaupt stattfand, nicht relevant war. Die Polykratie, welche auf den obersten Ebenen des NS-Staates vorherrschte, lässt sich daher meines Erachtens nicht automatisch auf die Kreisebene übertragen. Ausschlaggebend für eine effektive Zusammenarbeit zwischen Landrat und Kreisleiter waren wohl in erster Linie die jeweiligen Persönlichkeiten der obersten Protagonisten von Staat und Partei auf Kreisebene.

In Bezug auf die berufliche Sozialisation der Kreisleiter ist es aufgrund des Fehlens umfassender, in diesem Fall das gesamte Reichsgebiet betreffender Studien, schwer festzustellen, welche Berufsgruppen eher den Posten des Kreisleiters stellten. Eine für den Gau Weser-Ems durchgeführte Untersuchung zeigt, dass die Kreisleiter überwiegend aus dem unteren Mittelstand stammten. Darunter waren in der Mehrheit Kaufleute, Beamte und leitende Angestellte. Dieser Umstand wird darauf zurückgeführt, dass die Kreisleitertätigkeit in hohem Maße administrative und wirtschaftliche Fähigkeiten erforderte.211 Ähnlich verhielt es sich im Kreis Voitsberg. Sowohl Anton Weißensteiner als auch Hubert Eissner übten kaufmännische Berufe aus. Weißensteiner war Bankbeamter, Eissner sogar Besitzer einer eigenen Mühle.212 Wirtschaftliche Fähigkeiten waren also bei beiden im Prinzip gegeben. Solche Fähigkeiten benötigten die Kreisleiter schon alleine aufgrund der Tatsache, dass die Kreisleitungen im Gegensatz zu den Gauleitungen keine finanziellen Mittel von der Reichsleitung erhielten. Ausgaben, die solche Mittel erforderten, mussten beim Reichsschatzmeister der NSDAP in München beantragt werden.213 Dass dieser auf ein effektives und nachvollziehbares Wirtschaften der Kreisleitungen Wert legte, versteht sich von selbst. Kreisleiter, die auch eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübten, waren natürlich besser für dieses Aufgabenfeld geeignet und hatten wohl auch größere Chancen, zusätzliches Geld von der Reichsleitung zu lukrieren. Die Wichtigkeit von administrativer Arbeit unterstreicht ein Aufruf Eissners, aus dem Juni 1940. In diesem machte er die führenden Parteimitglieder auf die Notwendigkeit der genauen Erledigung schriftlicher Parteiarbeit aufmerksam.214 Dieser Umstand deutet darauf hin, dass viele Parteimitglieder wohl nicht über die administrativen Fähigkeiten des Kreisleiters verfügten oder schriftliche Arbeit, so gut es ging, zu vermeiden versuchten. Im Bezug auf den Ausbildungsgrad der Kreisleiter waren

211 Vgl.: Michael Rademacher, Die Kreisleiter der NSDAP, 11-12. 212 Vgl.: StLa, VR 5001/47 und VR 5089/47. 213 Vgl.: Michael Rademacher, Die Kreisleiter der NSDAP, 245. 214 Vgl.: VKW; 8. Juni 1940. 52 diese im Gau Weser-Ems gebildeter als der Durchschnitt der Bevölkerung.215 Dies trifft auch auf die beiden Voitsberger Kreisleiter zu. Hubert Eissner besuchte nach der Hauptschule noch eine Fachschule. Anton Weißensteiner absolvierte sogar eine Handelsakademie. Eissner liegt mit diesem Abschluss, vergleicht man ihn mit dem Ausbildungsniveau der untersuchten Kreisleiter im Gau Weser-Ems, im Durchschnitt, Weißensteiner im oberen Drittel. Zwar waren beide Kreisleiter „gebildeter“ als der Durchschnitt des Kreises Voitsberg, zur Gruppe der am besten gebildeten Personen, den Akademikern, zählten sie aufgrund ihres fehlenden Universitätsabschlusses jedoch nicht.

Bei der politischen Sozialisation der Kreisleiter verhält es sich ähnlich wie im Bereich der beruflichen Sozialisation. Umfassende Untersuchungen liegen nicht vor. Für den Kreis Voitsberg ist festzustellen, dass Anton Weißensteiner aufgrund seines geringen Alters bereits voll und ganz in der NSDAP sozialisiert wurde. Hubert Eissner war bereits 1919 Mitglied des Deutschen Turnverbandes der Gemeinde Köflach.216 Oftmals war der Deutsche Turnverband eine Tarn- bzw. Vorfeldorganisation für politische Betätigung im völkischen und nationalsozialistischen Sinne. Später war Eissner lange Zeit Mitglied des Steirischen Heimatschutzes, der zwar faschistisch ausgerichtet war, allerdings auch in einem Konkurrenzverhältnis zur NSDAP und vor allem zur SA stand. Erst 1933 schloss er sich, nach der Spaltung des Heimatschutzes in einen regierungstreuen und einen dem Nationalsozialismus näher stehenden Flügel, letzterem an. Folgt man den Kategorien der politischen Sozialisation, die für den Gau Weser-Ems verwendet wurden,217 sind sowohl Weißensteiner als auch Eissner in den Bereich der „völkisch sozialisierten Kreisleiter“ einzuordnen.

Betrachtet man die Altersstruktur der Kreisleiter, gibt es neben dem Gau Weser–Ems noch diesbezügliche Untersuchungen für die Gaue Schleswig-Holstein, Westfalen-Nord, Westfalen-Süd und Köln-Aachen. Außerdem findet sich in der Parteistatistik der NSDAP für das Jahr 1935 eine Klassifikation aller damals amtierenden Kreisleiter nach Altersklassen.218 Der Vergleich mit den Voitsberger Kreisleitern zeigt, dass Hubert Eissner mit einem Alter zwischen 37 Jahren bei seinem Amtsantritt als illegaler Kreisleiter und 46 Jahren bei Kriegsende, je nach Betrachtungsweise, in die Kategorie der 31 bis 40- jährigen und in die

215 Vgl.: Michael Rademacher, Die Kreisleiter der NSDAP, 190. 216 Ernst Lasnik, Altes Leben im Bezirk Voitsberg, Graz 2001, 22. 217 Vgl.: Michael Rademacher, Die Kreisleiter der NSDAP, 177. 218 Vgl.: Michael Rademacher, Die Kreisleiter der NSDAP, 187 und Wolfgang Stelbrink, Die Kreisleiter der NSDAP in Westfalen und Lippe 71-73 und 318. 53

Kategorie 41 bis 50-jährigen fällt. Zählt man beide Kategorien zusammen so fielen 1935 82,1 Prozent aller Kreisleiter des Deutschen Reiches in Eissners Altersklasse. Anton Weißensteiner, der schon mit 25 Jahren das Amt des Kreisleiters übernahm und mit 28 Jahren aus dem Amt ausschied, fällt aufgrund seines niedrigen Alters sogar in die Kategorie der 18 bis 30-jährigen, welcher nur 14,3 Prozent der untersuchten Kreisleiter angehörten. Als Weißeinsteiner 1941 mit 28 Jahren das Kreisleiteramt aufgrund seiner Einrückung zur Waffen-SS endgültig niederlegte, waren reichsweit nur noch knapp unter drei Prozent der Kreisleiter unter 30 Jahre alt. Kein Kreisleiter aus dem Gau Westfalen-Süd war bei seinem Amtsantritt jünger. Im Gau Weser-Ems gab es ebenso, wie im Gau Westfalen-Nord nur einen einzigen Kreisleiter der zum Zeitpunkt seines Amtsantritts jünger war als Weißensteiner. Dabei handelte es sich um die Kreisleiter von Emden-Land und Münster-Land. 219 Beide übernahmen ihr Amt jedoch bereits im Jahr 1932 und waren zum Zeitpunkt von Weißensteiners Amtsantritt bereits älter als dieser. Laut Barbara Fait galt 1942 der 27-jährige Kreisleiter von Freising in Oberbayern als jüngster Kreisleiter Deutschlands.220 Es ist daher davon auszugehen, dass Weißensteiner im Jahr 1938 einer der jüngsten, wenn nicht sogar der jüngste Kreisleiter des gesamten NS-Staates war.

Eine Ausnahme, zumindest verglichen mit drei anderen Gauen war Anton Weißensteiner auch aufgrund seines innerparteilichen Aufstieges. Von den 70 Kreisleitern aus dem Gau Weser- Ems erreichten nur zwei nach ihrer Funktion als Kreisleiter eine höhere Stellung innerhalb der NSDAP.221 Etwas höher, aber immer noch auf niedrigem Niveau lag der Anteil der Kreisleiter von Westfalen und Lippe (Gau Westfalen-Nord und Westfalen-Süd) denen ein Karrieresprung gelang. Von den 142 untersuchten Kreisleitern gelang es nur 16 innerhalb der NSDAP weiter aufzusteigen. Bei genauerer Aufschlüsselung bezogen auf die beiden Gaue zeigt sich, dass in Westfalen-Nord neun von 77 Kreisleitern die parteiinterne Karriereleiter hinaufkletterten. In Westfalen-Süd gelang dies sieben von 65 Kreisleitern.222 Weißensteiner nutzte hingegen den Posten des Kreisleiters als Karrieresprungbrett und wurde im Jahr 1943 zum Gauobmann der DAF in der Steiermark berufen.223

Der Posten des Kreisleiters galt innerhalb der NSDAP als Dienststellung. Unabhängig von der Dienststellung gab es in der Hierarchie der NSDAP sogenannte Dienstränge. Insgesamt gab es

219 Vgl.: Ebd. 220 Barbara Fait, Die Kreisleiter der NSDAP nach 1945, 234. 221 Vgl.: Michael Rademacher, Die Kreisleiter der NSDAP, 197. 222 Vgl.: Wolfgang Stelbrink, Die Kreisleiter der NSDAP in Westfalen und Lippe, 66-68. 223 Vgl.: StLa, VR 5001/47 -55. 54

28 solcher Ränge. Für Kreisleiter waren die Ränge 8 bis 12 vorgesehen. Die Ränge 13 bis 17 bekleideten in der Regel Ortsgruppenleiter. Untersuchungen aus den Gauen Westfalen-Nord und Westfalen-Süd zeigen, dass die für eine gewisse Dienststellung vorgesehenen Dienstränge nicht immer erreicht wurden. Einige in Kriegszeiten ernannte Kreisleiter hatten Ränge zwischen Nr. 13 und Nr. 15 inne. Der häufigste Rang, den ein Kreisleiter innehatte, war der eines Bereichsleiters. Innerhalb des Ranggefüges der NSDAP stand man damit an 11. Stelle.224 Auf der gleichen Stufe stand Anton Weißensteiner als Kreisleiter von Voitsberg. Seine Beförderung zum Gauobmann der DAF zog in der Folge keinen Aufstieg im Dienstrang nach sich.225 Etwas weiter unten in der Hierarchie stand Hubert Eissner, der erst während des Krieges zum Kreisleiter ernannt wurde. Er bekleidete ab Mai 1944 den Rang eines Hauptabschnittsleiters, welcher innerhalb der NSDAP an 12. Stelle stand.226

Was den schon oft erwähnten Bereich der „Menschenführung“ betrifft, ist es schwierig, eine klare Definition zu finden. Laut Organisationshandbuch war der Kreisleiter „für die gesamte politische, kulturelle und wirtschaftliche Gestaltung aller Lebensäußerungen nach nationalsozialistischen Grundsätzen“227 verantwortlich, kurz gesagt ein riesiger Bereich, der von keinem Kreisleiter komplett bewältigt werden konnte. Der Amtsführung nach eigenem Gutdünken waren damit Tür und Tor geöffnet, insbesondere wenn er, wie im Fall der beiden Voitsberger Kreisleiter, das volle Vertrauen des Gauleiters genoss. Geht man davon aus, dass die „Menschenführung“ darin bestand, die Bevölkerung von der nationalsozialistischen Weltanschauung und Lebensweise zu überzeugen, so hatte der Kreisleiter im Grunde nach der Ausschaltung des nach der Zerschlagung der Sozialdemokratie durch den Ständestaat verbliebenen Arbeitervereinswesens, nur das Christentum, welches in den Kirchen ebenfalls eine Art von „Menschenführung“ betrieb, als organisierte Konkurrenz. Durch den Einbruch in kirchliche Domänen wie Hochzeit oder Taufe versuchten die Nationalsozialisten die Menschen von der Kirche zu entfernen. Da sie aufgrund von Rücksichtnahme auf breite Bevölkerungskreise, die der Kirche gegenüber positiv eingestellt waren, diese Feste nicht verbieten konnten, mussten sie versuchen, die Menschen auf propagandistische Weise der Kirche zu entfremden und ihnen Alternativen zu den kirchlichen Festen anbieten. Die Kreisleiter sollten dazu das Vorbild in ihrem Kreis abgeben. Bezeichnenderweise fand die

224 Wolfgang Stelbrink, Die Kreisleiter der NSDAP in Westfalen und Lippe, 75. 225 StLa VR 5001/47 226 BArch, PK, Hubert Eisner. 227 Organisationshandbuch, 130. 55 erste „Weihestunde“ im Kreis Voitsberg, die Alternative zur kirchlichen Hochzeitsfeierlichkeit, anlässlich der Hochzeit von Kreisleiter Weißensteiner statt.228

Inwieweit der Kreisleiter seine „Menschenführung“ erfolgreich ausüben konnte, war aber nur einer der Faktoren, die über sein politisches Schicksal bestimmten. Von existenzieller Wichtigkeit war es für den Kreisleiter auch, ein gutes Auskommen mit dem Gauleiter zu finden. Dieser setzte ihn ein und konnte ihn auch wieder absetzen. Die Gunst des Gauleiters konnte der Kreisleiter durch gute persönliche Kontakte mit diesem und auch durch erfolgreiche „Menschenführung“, resultierend in der Gewinnung der Kreisbevölkerung für den Nationalsozialismus und seine Weltanschauung, gewinnen.

Daher komme ich zu dem Schluss, dass die Hauptaufgabe, die allen Kreisleitern gemein war, darin bestand, die Bevölkerung für den Nationalsozialismus zu gewinnen. Der Kreisleiter musste als oberster „Führer“ in seinem Kreis versuchen, den Zusammenhalt der Partei zu garantieren, ihr Auftreten in der Öffentlichkeit zu koordinieren und die Bevölkerung ohne Unterlass für NS-Werte zu begeistern. Dies bedingte aber an die Bevölkerung angepasste Amtsführung, was wiederum regional völlig verschiedene Schwerpunktsetzungen erforderte. Ein Kreisleiter eines ländlich geprägten Kreises musste natürlich völlig andere Schwerpunkte setzen als Kreisleiter in städtischen Kreisen oder solchen mit großem Arbeiteranteil. Daher ist, wie schon eingangs erwähnt, eine einheitliche Typisierung der Kreisleiter so gut wie unmöglich. Einen Vergleich der beiden Voitsberger Kreisleiter mit anderen Kreisleitern der „Ostmark“ durchzuführen ist aufgrund mangelnder vergleichbarer Regionalstudien, die auch den Kreisleiter und seine Person ausreichend miteinbeziehen, kaum möglich. Allerdings ist ein Vergleich der Voitsberger Kreisleiter mit dem „Idealbild“, welches die NS-Führung von einem Kreisleiter zeichnete, möglich.

Obwohl im Organisationsbuch der NSDAP nichts über bestimmte Eigenschaften steht, über die ein Kreisleiter verfügen sollte, bildete sich in NS-Kreisen bald so etwas wie eine Vorstellung vom „idealen Kreisleiter“ heraus. Zusammengefasst findet man diese Vorstellung vom „Idealtypus des Kreisleiters“ in einem 1936 erschienenen Artikel mit dem Titel „Die Kreisleiter.“ Verfasser war Helmut Sündermann, der Stellvertreter von Hitlers Reichspressechef Otto Dietrich. Sündermanns Artikel, der in der gesamten Reichspresse erschien, hatte wohl den Auftrag, dem Volk die Kreisleiter auf idealisierte Art und Weise

228 Vgl.: VKW, 17. September 1938 und 24. September 1938. 56 näher zu bringen, liefert aber auch einen interessanten Eindruck davon, was sich die NS- Propaganda unter einem „perfekten Kreisleiter“ vorstellte. In der Folge werde ich auf diese Vorstellung vom „idealen Kreisleiter“ näher eingehen und sie mit der Realität in Form der beiden Voitsberger Kreisleiter vergleichen.

Das wichtigste Kriterium für den „idealen Kreisleiter“ war der frühe Parteieintritt. Sündermann schreibt dazu: „Jeder dieser Männer hat in der Kampfzeit der Bewegung seinen Mann gestanden, jeder war einst Pionier der Partei in seinem Heimatkreis, jeder aber hat auch manche Bewährungsprobe gehabt, um sein Amt als Kreisleiter sich in der Aufbauzeit hart zu verdienen.“229 Grundsätzlich trifft die Vorstellung vom „alten Kämpfer“ als Kreisleiter wohl in den meisten Fällen zu. Es musste ja auch im Interesse der Partei sein, einen solch wichtigen Posten mit „altgedienten Mitgliedern“ zu besetzen. Auch Claudia Roth hebt in ihrer Kreisleiterstudie hervor, dass es das generelle Ziel der NS-Personalpolitik war, die Hoheitsträgerposten mit langjährigen Parteiaktivisten zu besetzen.230

Die von Sündermann beschriebene „Kampfzeit“ war im „Altreich“ die Zeit vor der Machtübernahme 1933. Für Österreich gilt die Zeit der Illegalität von 1933 bis zur Machübernahme 1938 als „Kampfzeit“. Etwaige berufliche Rückschläge oder gar Gefängnisstrafen aufgrund der politischen Betätigung galten als besondere Auszeichnungen, die man sich in diesen Jahren erwerben konnte. Beide Voitsberger Kreisleiter entsprachen in dieser Beziehung dem Idealtypus. Anton Weißensteiner trat der NSDAP und der SA bereits am 1. Oktober 1934 bei.231 Wegen seiner Betätigung für die NS-Bewegung wurde er festgenommen und verbrachte sechs Wochen in Haft. Außerdem verlor er seinen Posten bei der Sparkasse Sauerbrunn.232 Dafür wurde er nach der Machtübernahme von der Partei als „Alter Kämpfer“ anerkannt und mit einem Darlehen von 2.000 Reichsmark aus dem Reichsfonds „Alte Kämpfer“, für die Zeit seiner Arbeitslosigkeit, entschädigt.233 Hubert Eissner war ursprünglich Mitglied des steirischen Heimatschutzes. Er trat der NSDAP am 1. Mai 1934 bei und wurde wie Weißensteiner als „Alter Kämpfer“ anerkannt.234 Eine Verhaftung wegen verbotenen Waffenbesitzes am 19. Februar desselben Jahres und ein in der

229 Zitiert nach Rademacher, Die Kreisleiter der NSDAP, 9. 230 Vgl.: Claudia Roth, Parteikreis und Kreisleiter der NSDAP unter besonderer Berücksichtigung Bayerns. München 1997. 231 StLa, VR 5001/47 - 238 232 StLa, VR 5001/47 - 239 233 StLa, VR 5001/47 - 29 234 StLa, VR 5089/47 – 5 und VR 5089/47 - 169. 57

Folge ausgesprochenes Waffenverbot deuten sogar auf eine weiter zurückreichende Aktivität in der NS-Bewegung hin.235

Im weiteren Verlauf seines Artikels verweist Sündermann noch auf die erforderliche Praxisorientiertheit des „idealen Kreisleiters“ und stellt klar, dass es keine Berufsgruppe gibt, die für das Amt des Kreisleiters besonders geeignet wäre. Dass der Kreisleiter als „ein Mann aus dem Volk“ erscheint, war für die NS-Führung von großer Bedeutung. 236 Der Kreisleiter sollte eine Persönlichkeit sein, „zu der der Volksgenosse Vertrauen haben muss“, „der nichts ferner liegt als leerer Formalismus. Er ist der Mann, der seinen Mitarbeitern mit dem Instinkt und dem Blick für das Wesentliche […] die Richtung vorgibt.“ 237 Diese Formulierung macht einmal mehr die Machtfülle des Kreisleiters deutlich. Auf Formalitäten musste der „ideale Kreisleiter“ anscheinend nicht achten. Dennoch waren in der Realität sehr wohl Verwaltungsfähigkeiten erwünscht. Inwieweit die Voitsberger Kreisleiter praxisorientierte Persönlichkeiten waren, lässt sich nicht eindeutig feststellen. Interessant ist hingegen zu bemerken, dass beide einen kaufmännischen Beruf ausübten. Weißensteiner war Sparkassenbeamter und Eissner sogar Besitzer einer Mühle.

Obwohl in Sündermanns Artikel nicht ausdrücklich erwähnt, dürften rhetorische Fähigkeiten eine große Rolle bei der Besetzung des Kreisleiterpostens gespielt haben. In Rademachers Kreisleiterstudie wird im Abschnitt „rhetorische Fähigkeiten“ zwar das Gegenteil behauptet, seine Meinung stützt sich aber nur auf eine Aussage des Gauleiters Röver.238 Dieser sagte dem Kreisleiter des Kreises Ammerland: „Man braucht nicht reden können. Die Hauptsache ist die, dass man ein anständiger Kerl ist und das Vertrauen der Bevölkerung besitzt.“239 Im Kreis Voitsberg verhielt sich die Sache eindeutig anders. Dies zeigt sich alleine schon daran, dass die beiden Voitsberger Kreisleiter von allen Funktionären der lokalen Führungsriege mit Abstand die meisten Reden hielten.240 Daher ist davon auszugehen, dass die Gauleitung der NSDAP und die höheren NS-Funktionäre, die oft bei Reden der Kreisleiter anwesend waren, diese als gute Redner einschätzten. Ansonsten wäre ihr Redeeinsatz entweder überhaupt nicht so hoch ausgefallen oder nach sehr kurzer Zeit zurückgeschraubt worden. Die bereits

235 StLa, VR 5089/47 – 19. 236 Zitiert nach Rademacher, Die Kreisleiter der NSDAP, 9. 237 Ebd. 238 Vgl.: Michael Rademacher, Die Kreisleiter der NSDAP, 185 239 Ebd. 240 Vgl.: VKW, 1938-1945 58 erwähnte Aufgabe der Kreisleiter, oberster „Propagandist des Kreises“ zu sein setzt ebenfalls ein gewisses rhetorisches Geschick voraus.

Für die tatsächliche NS-Personalpolitik dürften, mit Ausnahme des frühen Parteieintrittes, die Kriterien des „idealen Kreisleiters“ eine untergeordnete Rolle gespielt haben. Es gab sicher eine große Anzahl an Nationalsozialisten, die viele, bis alle Idealkriterien erfüllten, aber dennoch nicht Kreisleiter wurden. Für den Kreis Voitsberg gab es zahlreiche Nationalsozialisten, die um einiges früher als Hubert Eissner in der NSDAP gewesen waren und eher, um die Formulierung von Sündermann zu gebrauchen, zu den „Pionieren der NSDAP im Kreis“ gehörten. Hier sind vor allem Helmut Kersch und August Holowat zu nennen, die bereits 1926 in die NSDAP eintraten. Mit Mitgliedsnummern knapp über 50.000 erhielten beide später sogar das „Ehrenzeichen der alten Parteimitglieder“, für das weder Weißensteiner noch Eissner in Frage kamen.241

Viel wichtiger als dem Idealtypus des Kreisleiters zu entsprechen, war in der Praxis das Ansehen in der Bevölkerung und vor allem die Beziehung zum Gauleiter oder zu anderen NS- Größen. Die Bekanntschaft mit Tobias Portschy trug zum Beispiel wesentlich mehr zu Weißensteiners Ernennung zum Kreisleiter bei als alle seine Charaktereigenschaften oder „Verdienste aus der Kampfzeit“.242 Portschy kam sogar kurz nach Weißensteiners Amtsantritt nach Voitsberg und verbürgte sich persönlich für diesen.243 Ähnlich verhielt sich die Sache bei Eissner. Er verdankte sein parteiinternes Überleben nach der gescheiterten „Befriedungsaktion“ 1934 und seiner Absetzung als Kreisleiter im März 1937 nur seinem guten Kontakt zum damaligen Gauleiter Sepp Helfrich. Dieser brachte ihn unmittelbar nach dem „Anschluss“ als Kreisleiter ins Gespräch, was von den Voitsberger NS-Führern aus der illegalen Zeit jedoch abgelehnt wurde.244 Den Kreisleiterposten bekam Eissner später im Prinzip über die Person Weißensteiners, der ihn im August 1939, als Helfrich seine Führungsposition in der steirischen NSDAP bereits an Sigfried Uiberreither, seinen Nachfolger als Gauleiter, verloren hatte, zum Kreiswirtschaftsberater und im Dezember 1940 zum Ortsgruppenleiter von Köflach machte. Gute Beziehungen waren also das Um und Auf für eine steile Karriere in der NSDAP.

241 Vgl.: BArch, PK, Helmut Kersch. 242 Vgl.: Vor allem StLa, VR 5001/47 – 264. Portschy: „Den Namen Weißensteinter habe ich dem Gauleiter namhaft gemacht.“ 243 Vgl.: VKW, 18. Juni 1938. 244 StLa, VR 5089/47 - 89 59

Die Voitsberger Kreisleiter Die wichtigste Aufgabe eines Kreisleiters war es, die Bevölkerung für den Nationalsozialismus zu gewinnen. Dafür war es natürlich wichtig, die Zustimmung der Bevölkerung zu gewinnen. Dies gilt vor allem für Gegenden, die vor 1938 noch nicht als nationalsozialistische Hochburgen galten, so auch für den Kreis Voitsberg. Aufgrund der extremen Personalisierung der NS-Herrschaftspraxis, war die Person des Kreisleiters von großer Bedeutung für den Nationalsozialismus vor Ort.

Unmittelbar nach dem „Anschluss“ hatte ein „reichsdeutscher“ Kreisleiter namens Jacobs die Führung der Voitsberger Kreis-NSDAP inne. Nationalsozialisten aus dem Raum Voitsberg spielten nur eine untergeordnete Rolle. Selbst der Kreiswahlleiter nach Jacobs, die Nummer zwei im Kreis, stammte aus dem Kreis Graz-Land. Von Seiten der Gauleitung war jedoch vorgesehen, einen Einheimischen zum Kreisleiter zu ernennen. In Frage kam Hubert Eissner, der sich jedoch aufgrund der Umstrittenheit seiner Person innerhalb der Kreispartei nicht durchsetzen konnte.245 Drei Monate lang schafften es die führenden Nationalsozialisten des Kreises Voitsberg nicht, sich auf einen Kreisleiter zu einigen. Zu groß war der noch immer vorhandene Gegensatz zwischen alteingesessenen Nationalsozialisten und ehemaligen Heimatschützern. Nach einer mehrwöchigen Konkurrenzsituation wurde schließlich im Mai 1938 der aus dem Burgenland stammende Anton Weißensteiner zum ersten Kreisleiter berufen. Am 1. Juni 1938 trat er sein Amt schließlich an. Obwohl die Bevölkerung zunächst von seiner Berufung überrascht war246, wurde Weißensteiner zumindest von den Nationalsozialisten vor Ort sofort akzeptiert. Der zu diesem Zeitpunkt erst 25-jährige Weißensteiner war als „alter Kämpfer“ anerkannt. So war er z.B. aufgrund nationalsozialistischer Betätigung im Mai 1936 inhaftiert und von der Gemeindesparkasse Sauerbrunn entlassen worden.247 Außerdem war er Bezirksleiter248 und Kreiswahlleiter in Mattersburg gewesen.249 Darüber hinaus hatte er auch aufgrund seiner SA-Mitgliedschaft die volle Unterstützung Uiberreithers. Seine Vormachtstellung in der Kreispartei nutzte er sehr klug aus. Er schaffte es, die ehemaligen Heimatschützer voll und ganz in die Partei zu integrieren. Auf seine Veranlassung wurde auch der lange Zeit innerparteilich kaltgestellte Heimatschützer Hubert Eissner, wieder in den Parteidienst zurückberufen und bekleidete ab

245 Vr 5001/47-264. 246 Vgl.: ebd. 247 StLa, VR 5001/47 - 239 248 Ursula Mindler, Tobias Portschy. Biographie eines Nationalsozialisten. Die Jahre bis 1945, Eisenstadt 2006, 50. 249 StLa, VR 5001/47 - 309 60

August 1939 den wichtigen Posten des Kreiswirtschaftsberaters.250 Eissner war von nun an so etwas wie der zweite Mann im Kreis, vertrat Weißensteiner während dessen durch seine im April 1940 durch Einrückung zur Waffen-SS bedingte Abwesenheit und wurde später auch Weißensteiners Nachfolger.

Eine von Weißensteiners ersten Handlungen war die Auflösung aller noch bestehenden Kulturvereine, was ihm vor allem von Seiten der Arbeiterschaft Widerstand einbrachte.251 Gleichzeitig versuchte er aber auch, die Arbeiterschaft, durch verschiedene Aufrufe für den Nationalsozialismus zu gewinnen.252 Eine Bestrebung, welche die gesamte Kreispartei mittrug. Besonders auffällig ist dabei die positive Darstellung der sozialdemokratischen Arbeiter als „Verführte“, die immerhin an „etwas geglaubt und für etwas gekämpft“ hatten, im Gegensatz zu den Mitgliedern der Vaterländischen Front, die von der NSDAP als „brutale Unterdrücker“ bezeichnet wurden.

Inwiefern diese Bemühungen von Erfolg gekennzeichnet waren, lässt sich nicht eindeutig sagen, allerdings gab es von Seiten der sozialdemokratischen Arbeiterschaft keinen sichtbaren Widerstand gegen Weißensteiner. Vor allem gegen bekannte Sozialdemokraten leitete Weißensteiner keine Maßnahmen ein. Karl Bergmann, nach 1945 Obmann der Parteiorganisation der SPÖ in Voitsberg, erklärte sogar, dass Weißensteiner 15 Anzeigen gegen ihn ignoriert habe und ihn lediglich zu einigen Gesprächen in die Kreisleitung zitiert hätte. Im Laufe dieser habe Weißensteiner versucht, Bergmann zum Nationalsozialismus zu bekehren und gab ihm den Rat, sich politisch nicht zu betätigen.253 Ähnlich verhielt es sich mit dem späteren Nationalrat und Bürgermeister von Voitsberg, Hans Blümel, der sein Gasthaus aufgrund einer Intervention Weißensteiners offen halten durfte.254

Warum verhielt sich der durch und durch nationalsozialistische Kreisleiter so? Dafür kann es meines Erachtens nur einen Grund geben: Werbung für die NSDAP und nicht zuletzt die eigene Person. Weißensteiner war als Kreisleiter vor allem daran interessiert, keine Unruhe in seinem Kreis aufkommen zu lassen. Eine Verhaftung der beiden oben genannten Personen, verbunden mit einer Verschickung ins KZ, hätte auf die Bevölkerung alles andere als einen

250 Vgl.: StLa, VR 5089/47 – 99. 251 StLa, VR 5089/47 - 11 252 Vgl.: Artikel in einigen Ausgaben des VKWs 1938 und 1939. 253 Vgl.: StLa, VR 5001/47 – 197 und 263 254 Vgl.: StLa, VR 5001/47 – 262. 61 guten Eindruck gemacht und der Person Weißensteiner und damit auch dem lokalen Nationalsozialismus mit Sicherheit geschadet.

In Bezug auf den kommunistischen Widerstand zeigt sich ein anderes Bild. In die Amtszeit Weißensteiners fiel die größte Verhaftungswelle der Gestapo im Kreis. Zwischen Juli und September 1941 wurden 160 Personen, zum überwiegenden Teil Kommunisten, verhaftet. Später beteuerte Weißensteiner, alles versucht zu haben, die Verhafteten vor der Internierung ins KZ zu bewahren und ihre Angehörigen mit Hilfe der NSV und der Kreisfrauenschaft unterstützt zu haben. Von einer solchen versuchten Hilfe für die Verhafteten fehlt jedoch jeglicher Anhaltspunkt in den Akten.255 Materielle Unterstützung für die Angehörigen wurde allerdings in allen mir bekannten Fällen bewilligt.256 Die finanzielle Höhe der Unterstützung richtete sich nach der Anzahl der zu versorgenden Kinder und betrug zwischen 28 und 60 Reichsmark im Monat.257

Weißensteiners Amtszeit wurde einmal, zwischen April und Oktober 1940, durch seinen Dienst in der Waffen SS, er hatte den Rang eines Unterscharführers258, unterbrochen.259 Während seiner Abwesenheit übte Hubert Eissner das Amt des Kreisleiters aus. Nach Weißensteiners zweiter Einrückung von Dezember 1941 bis Jänner 1943 kehrte er nicht mehr auf seinen alten Posten zurück, sondern übernahm die Führung der Deutschen Arbeitsfront im gesamten Gau Steiermark. Ein Indiz dafür, dass die Gauleitung mit seiner Arbeit als Kreisleiter zufrieden war. Bei schlechter Amtsführung hätte man ihn wohl kaum ins „NS- Führungskorps“ der Steiermark berufen.

Nachfolger Weißensteiners war der Köflacher Hubert Eissner. Ab November 1940 war Eissner auch Ortsgruppenleiter von Köflach.260 Der Mühlenbesitzer Eissner hatte eine mehr als schwierige Amtszeit. Unabhängig von seiner Person verschlechterte sich die Stimmung im Kreis mit der Kriegslage immer mehr. Als Eissner im Dezember 1941 endgültig Weißensteiner nachfolgte, erlitt die Wehrmacht gerade vor Moskau ihre erste große Niederlage.

255 Vgl.: StLa, VR 5001/47 256 Vgl.: ebd. 257 Vgl.: StLa, VR 5001/47 – 73-74 258 StLa, VR 5001/47 – 27. 259 StLa, VR 5001/47 – 235. 260 StLa, VR 5089/47 – 170. 62

Zu Beginn seiner Amtszeit hatte er sich fast ausschließlich mit den Angehörigen der verhafteten Widerstandskämpfer auseinanderzusetzen. Sämtliche Gnadengesuche wurden von ihm, im Falle von zum Tode Verurteilten, negativ beantwortet.261 Eissner erklärte später, dass es ihm von der Gauleitung verboten worden war, solche Gesuche zu befürworten.262 Auch den Einsatz für andere, später von der Gestapo verhaftete Menschen, lehnte er ab. Einmal erklärte er der Frau eines Widerstandskämpfers dazu, er habe bisher damit einfach kein Glück gehabt.263

Bekannten Sozialdemokraten gegenüber verhielt sich Eissner, wie schon Weißensteiner vor ihm, diplomatisch. Anzeigen gegen einen als Sozialdemokrat bekannten Beamten des Landrates Voitsberg ignorierte er.264 Im Gegensatz zu Weißensteiner waren Eissner einige der Beschuldigten, die zu ihm vorgeladen wurden, schon länger persönlich bekannt. Aus den VR- Akten kann man eindeutig den Schluss ziehen, dass Eissner diese, gegenüber ihm unbekannten Personen, bevorzugt behandelte.265 Besonders aufschlussreich ist die Aussage von Maria E.,266 die Eissner schon 15 Jahre kannte, da er Stammgast in dem Gasthaus war, in dem sie als Kellnerin arbeitete. Ihr Mann wurde wegen kommunistischer Betätigung zu 3 Jahren schwerem Kerker verurteilt. Als Eissner davon erfuhr, bat er sie, ein Gnadengesuch zu verfassen und vermittelte ihr Arbeit in der Köflacher Schuhfabrik. Obwohl Maria E. selbst fünf Mal angezeigt wurde, leitete er diese Anzeigen niemals weiter. Als die Gestapo dennoch davon erfuhr, verfasste er ein Leumundsschreiben für die Beschuldigte. Einmal tadelte er in ihrer Gegenwart sogar einen und sagte ihm, er solle aufhören, ihn wegen jeder Kleinigkeit zu belästigen. Andere Angehörige von verurteilten Kommunisten mussten andere Erfahrungen machen und wurden von Eissner in manchen Fällen sehr rücksichtslos behandelt.267 So zum Beispiel Maria G., deren Mann ebenfalls wegen kommunistischer Betätigung verhaftet worden war. Auf ihre Bitte, er möge ein Gnadengesuch für ihren Mann abfassen, antwortete Eissner, dies nicht tun zu können und auch wenn er es könnte, nicht tun zu wollen.268

261 Vgl.: StLa, VR 5089/47 – 21-23; 29, 43-46, 119-120. 262 Vgl.: StLa, VR 5089/47-99a 263 StLa, VR 5089/47 – 119. 264 StLa, VR 5089/47 – 152. 265 Vgl.: StLa, VR 5089/47 266 StLa, VR 5089/47 -115. 267 Vgl.: StLa, VR 5089/47. 268 StLa, VR 5089/47 – 113. 63

Gegen Ende der NS-Herrschaft bestand Eissners Tätigkeit vor allem im Abhalten von Durchhaltereden, in denen er immer wieder verkündete, die Städte „Voitsberg und Köflach bis zum letzten Mann halten“ zu wollen.269 Einen Anflug von „Lokalpatriotismus“ zeigte er in der Frage der Glasfabrik Köflach. Als 1944 die Kugellagererzeugung der Steyr-Werke durch Luftangriffe eingeschränkt war, sollte diese unter Demontage der bisherigen Einrichtungen der Glasfabrik nach Köflach verlegt werden. Dagegen wehrte sich Eissner mit allen Mitteln. Es gelang ihm letztendlich auch, die Demontage der Glasfabrik zu verhindern, wofür ihm die Leitung der Fabrik nach dem Krieg ihren Dank aussprach.270

In der zweiten Hälfte des Krieges hatte Eissner neben der sich verschlechternden Stimmung in der Bevölkerung auch das Problem, die Moral der NSDAP-Mitglieder selbst aufrecht zu erhalten. Als oberster Nationalsozialist des Kreises war er insbesondere für den Zustand der Kreispartei verantwortlich. So wurde bereits im August 1943 aus Voitsberg berichtet, dass viele Parteimitglieder ihr Parteiabzeichen nicht mehr tragen würden. 1944 und 1945 verstärkte sich diese Entwicklung weiter. 271 Dieser Trend war allerdings keineswegs auf den Kreis Voitsberg beschränkt. Im gesamten Reich verlor die NSDAP Ende 1944 rasch an Autorität und Ansehen. Immer mehr Menschen machten die Nationalsozialisten für die katastrophale Situation verantwortlich.272 Solchen reichsweiten Trends konnten Eissner und die Kreis NSDAP nur beschränkt entgegenwirken. Als Motivationshilfe für seine Funktionäre setzte das NS-Regime nun auch auf Repression gegen ihre eigenen Parteimitglieder. So wurde zum Beispiel der Kreisleiter von Bromberg, welcher beim Vorrücken der Sowjetarmee Ende Jänner 1945 von seinem Posten geflohen war, aus der Partei ausgeschlossen und anschließend in ein Strafbataillone abkommandiert. Solche Maßnahmen, in Verbindung mit der in einem Rundschreiben anlässlich des 25. Jahrestages der Verkündung des Parteiprogramms der NSDAP enthaltenen scharfen Drohung an nachlässige Parteifunktionäre, wurden immer häufiger. Am 1. April folgte eine weitere Botschaft von Bormann, in der er im Namen von Hitler die Gauleiter, die Kreisleiter und die Gliederungsführer aufforderte, bis „zum letzten zu kämpfen und zu siegen oder zu fallen“.273

269 StLa, VR 5089/47 – 12. 270 StLa, VR 5089/47 - 212-213 271 Vgl.: Bernhard Reismann, Allgemeine Geschichte des Bezirkes 1848-2005, in: Walter Brunner (Hg.), Geschichte und Topographie des Bezirkes Voitsberg. Band 1: Allgemeiner Teil, Graz 2011, 186-192. 272 Vgl.: Kershaw, Das Ende, 308-309. 273 Vgl.: Kershaw, Das Ende, 312-313 und 444. 64

In zahlreichen Fällen hielten sich Kreisleiter fanatisch an diese Weisung. Im Kreis Schwäbisch Gmünd und in Heilbronn ordneten sie noch kurz vor dem Einmarsch der Amerikaner Hinrichtungen von bekannten NS-Gegnern und Hausbewohnern, die eine weiße Fahne hissten, an.274 Zu ähnlichen Vorfällen, bei denen ebenfalls Gegner des NS-Regimes oder einfache Bürger, die sich weigerten, ihre Stadt zu verteidigen und diese kampflos übergeben wollten, hingerichtet wurden, kam es auch in den bayerischen Kreisen Regensburg und Altötting. In beiden Fällen war der Kreisleiter die treibende Kraft hinter den Maßnahmen.275 Der Kreisleiter von Magdeburg sorgte dafür, dass 1.000 KZ-Häftlinge, welche vor den anrückenden Amerikanern aus dem KZ Mittelbau-Dora durch seinen Kreis getrieben wurden, knapp vor ihrer Befreiung getötet wurden.276

Letztendlich verfehlten die Botschaften der Parteiführung an ihre lokale Führungsriege ihre Wirkung auch im Kreis Voitsberg nicht, wo es ebenfalls zu einigen Endphasenverbrechen kam, welche jedoch allem Anschein nach nicht zentral organisiert wurden, sondern auf Eigeninitiative fanatischer Nationalsozialisten zurückzuführen waren. Den Verbrechen der letzten Kriegstage fielen vor allem Juden aus Ungarn auf den Todesmärschen durch das Kreisgebiet zum Opfer.277 Die führenden Nationalsozialisten des Kreises engagierten sich bis zuletzt für das Regime und dessen Ziel, den Krieg weiter fortzusetzen. An ihrer Spitze stand der Kreisleiter, dessen Befehlsgewalt nun das höchste Ausmaß erreichte.

Von Vorteil für die „Aufrechterhaltung der Ordnung“ war die Tatsache, dass die staatliche Bürokratie sowie die Parteimacht in den nicht bereits von den Alliierten befreiten Gebieten noch einigermaßen funktionierten. Wobei zu bemerken ist, dass nun auch viele NSDAP- Mitglieder Tätigkeiten in der Verwaltung übernahmen.278 Im Kreis Voitsberg stand bereits seit Juni 1944 mit Dr. Ernst Friedrich ein Mitglied der NSDAP als Landrat an der Spitze der staatlichen Verwaltung.279 Von seinen Vorgängern war keiner Mitglied in der NSDAP. Der Machtzuwachs der NSDAP auf der Verwaltungsebene machte diese zwar nicht effektiver, trug jedoch dazu bei, den Zugriff der Nationalsozialisten auf Staat und Gesellschaft zu stärken.280

274 Vgl.: Kershaw, Das Ende, 449. 275 Vgl.: Kershaw, Das Ende, 469-471. 276 Vgl.: Kershaw, Das Ende, 458. 277 Vgl.: S. 76 278 Vgl.: Kershaw, Das Ende, 388. 279 Vgl.: VKW, 1. Juli 1944. 280 Vgl.: Kershaw, Das Ende, 531. 65

Bis zuletzt tat auch Eissner alles in seiner Macht Stehende, um die Kreisbevölkerung „kämpferisch zu stimmen“. Versucht wurde dies vor allem durch Propagandatätigkeit und Repression. Letzten Endes waren die letzten Versuche, die Bevölkerung von der bereits deutlich sichtbar gescheiterten Ideologie des Nationalsozialismus noch einmal wirklich zu überzeugen, vergeblich. Vor allem die Repressionsdrohungen des Regimes dürften die Bevölkerung ruhig gehalten haben. In der Folge richtete sich die Propaganda auch im Kreis Voitsberg vor allem an die eigenen Parteimitglieder, um wenigstens diese „bei der Stange“ zu halten. Trotz aller Anzeichen eines nahen Endes blieb die Bevölkerung im Kreis Voitsberg nach außen ruhig. Ob dafür die Angst vor der Zukunft oder den Repressionen des NS- Regimes ausschlaggebend war, ist nicht eindeutig festzustellen. Das NS-System, mit dem Kreisleiter an der Spitze funktionierte im Kreis Voitsberg, wenn auch mit deutlichen Einschränkungen, jedenfalls bis zum Ende des Krieges.

Abschließend betrachtet zeigte die Amtsführung beider Kreisleiter eine deutliche Anpassung an die lokalen Verhältnisse. Beide versuchten, so gut es ihnen möglich war, Schaden für die NSDAP und die eigene Person zu vermeiden, was sich vor allem in der vergleichsweise milden Behandlung der Sozialdemokraten im Bezirk zeigte. Die Umsetzung dieser „Befriedungsstrategie“ scheint den Kreisleitern vor allem in den ersten fünf Jahren der NS- Herrschaft in Österreich weitgehend gelungen zu sein. Auf eine über die Unzufriedenheit mit der NSDAP hinausgehende Unbeliebtheit der Kreisleiter deutet in den von mir untersuchten Akten nichts hin.

Das Verhältnis der beiden Kreisleiter zur staatlichen Verwaltung war entspannt. Für ein Konkurrenzverhältnis fehlt jeglicher Hinweis. Vor allem Eissner inszenierte sich selbst als Verfechter der Kreisinteressen, was er möglicherweise aufgrund seiner Herkunft auch war. Seine Macht nutzte Eissner auch in mehreren Fällen dazu, ihm bekannten Personen zu helfen. Wie beliebt oder unbeliebt beide Kreisleiter in der Bevölkerung waren, lässt sich abschließend allerdings nicht genau feststellen. Dass keiner von beiden abgesetzt wurde, wie es vor allem in Kreisen des „Altreiches“ oft der Fall war, zeigt, dass sie zumindest nicht übermäßig auf Ablehnung stießen. Auch die Zahl der negativen Prozessaussagen in den Volksgerichtsprozessen gegen die Voitsberger Kreisleiter von Bewohnern/innen des Bezirks ist überraschend gering. Vor allem Weißensteiner scheint im Sinne der nationalsozialistischen

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Ideologie, ein „guter Kreisleiter“ gewesen zu sein, sonst wäre er kaum in die steirische NSDAP-Führung aufgestiegen.

Eine ausreichende Kontextualisierung für den Rest der Arbeit sollte nun gewährleistet sein. Daher werde ich den Schwerpunkt nunmehr auf den regionalgeschichtlichen Aspekt legen. Die NS-Herrschaft und ihre Auswirkungen werden dabei in chronologischer Reihenfolge beschrieben. Im Mittelpunkt steht die NS-Führungsriege im Kreis Voitsberg sowie ihr Werdegang, ihre Handlungen und ihr Einfluss auf die Prägung des regionalen Nationalsozialismus. Besonders viel Platz wird den beiden Voitsberger Kreisleiter Anton Weißensteiner und Hubert Eissner eingeräumt, da sie aufgrund der personalisierten Herrschaftsstruktur des NS-Staates mit Abstand am meisten Macht im Kreis innehatten. Außerdem wird der Frage, wie sich die Einstellung der Bevölkerung des Kreises Voitsberg zum Nationalsozialismus im Laufe der Jahre änderte, nachgegangen werden.

6. Nationalsozialismus von 1938 bis 1945 im Kreis Voitsberg

Bereits kurz nach dem Inkrafttreten des Berchtesgadener Abkommens vom 12. Februar 1938 stiegen die nationalsozialistischen Aktivitäten auch im Bezirk Voitsberg sprunghaft an. Am 13. Februar wurden 20 junge Nationalsozialisten in Köflach verhaftet, weil sie einen Demonstrationsmarsch durchführten. Alle Verhafteten wurden jedoch schnell wieder freigelassen. Ebenfalls auf freien Fuß gesetzt wurden zwei Nationalsozialisten, die seit einiger Zeit wegen nationalsozialistischer Betätigung inhaftiert waren. Dies geht aus einem Bericht hervor, den der Bezirkshauptmann dem Sicherheitsdirektor der Steiermark übermittelte. Letzterer gab ihm am 16. Februar die schriftliche Anweisung, politische Gefangene zu entlassen, Verfahren gegen Feinde des Ständestaates abzubrechen und Strafaufschübe gegen bereits wegen illegaler politischer Betätigung Verurteilte zu verlängern.281 Neben den beiden Enthaftungen wurden die laufenden Verfahren gegen fünf Nationalsozialisten, darunter das Verfahren gegen den illegalen Bezirksleiter der NSDAP Alois Killer, eingestellt. Bei 28 Nationalsozialisten wurde der Strafaufschub verlängert.282

281 StLa, BH VO 1938, Karton 206 Zl 14 A 4/38 16. Februar 1938. 282 StLa, BH VO 1938, Karton 206 Zl 14 A 4/1-1938 21. Februar 1938. 67

Schon knapp eine Woche nach der ersten Demonstration in Köflach konnten sich am 19. Februar im gleichen Ort 500 Nationalsozialisten ungehindert zu einem Demonstrationszug formieren. Sie sammelten sich vor dem Gasthaus von Friedrich Nörres, der bereits beim von den Nationalsozialisten angezettelten Bergarbeiterstreik des Jahres 1933 eine führende Rolle einnahm. Die meisten Teilnehmer stammten aus Köflach und Maria Lankowitz. Veranstalter der Demonstration war Franz Zeltner. Auf Nachfrage des Gendarmeriepostenkommandanten von Köflach gab Zeltner offen zu, dass er Ortsgruppenleiter der NSDAP Köflach sei. Als ihn der Postenkommandant auf den illegalen Charakter der Demonstration hinwies, ignorierte Zeltner ihn ganz einfach. Ein Einschreiten gegen die Demonstranten hätte laut Angaben der Gendarmerie keinen Erfolg gehabt, da ihre Anzahl zu groß war.283 Unmittelbar vor der Demonstration in Köflach fand in der Nachbargemeinde Maria Lankowitz ein NS-Aufmarsch mit 50 Teilnehmern statt. Diese schlossen sich in der Folge der Köflacher NS-Demonstration an.284 Die NS-Kundgebung in Köflach markierte den Startschuss einer Reihe von Demonstrationen am nächsten Tag in Ligist, Mooskirchen und Stallhofen, die alle nach dem gleichen Muster wie in Köflach abliefen. Wie schon bei der Demonstration in Köflach schritt die Gendarmerie nicht energisch ein und übernahm hauptsächlich eine Beobachterfunktion.285

In Mooskirchen nahmen 250 Personen an einem Demonstrationsmarsch teil. Dabei hielt der Handelsangestellte Josef Schneeflock eine kurze Rede, in der er sich positiv über das Berchtesgadener Abkommen äußerte und dafür Hitler und sogar Schuschnigg seinen Dank aussprach.286 Angeführt wurde der Demonstrationszug von der Ortsmusikkapelle Mooskirchen.287 Nach dem Ende der Kundgebung veranstalteten 30 bis 40 Teilnehmer auf ihrem Heimweg einen Fackelzug durch die Gemeinde Ligist. Angeführt wurden sie vom erst 21-jährigen Lehramtskandidaten Hans Kürzl, der die Hitlerjugend des Bezirks Voitsberg führte.288 Nach dem „Anschluss“ wurde Kürzl Führer des Voitsberger HJ-Banns 560 und führte außerdem den Jungbann an. Innerhalb der Hitlerjugend hatte er den Rang eines Hauptgefolgschaftsführers inne.289 Die NS-Kundgebung in Stallhofen wurde wohl von den

283 StLa, BH VO 1938, Karton 210 Zl 14 Na 1/11-1938 Bericht des Gendarmeriepostens Köflach an den Bezirkshauptmann 21. Februar 1938 284 StLa, BH VO 1938, Karton 210 Zl 14 Na 1/12-1938. 285 Vgl.: StlA, BH VO 1938, Karton 210 Zl 14 Na 1/13-1938, Zl 14 Na 1/10-1938 und Zl 14 Na 1/8-1938 jeweils 21. Februar 1938. 286 StlA, BH VO 1938, Karton 210 Zl 14 Na 1/8-1938. Bericht des Gendarmeriepostens Groß-Söding (zuständig für die Gemeinde Mooskirchen) 21. Februar 1938. 287 StLa, BH VO 1938, Karton 207 Zl 14 La 3/2-1938. März 1938. Lageberichte der Bezirkshauptmannschaft Voitsberg an den Sicherheitsdirektor des Bundes für das Land Steiermark Februar 1938. 288 StlA, BH VO 1938, Karton 210 Zl 14 Na 1/13-1938 Bericht des Gendarmeriepostens Ligist 21. Februar 1938. 289 NS-Ämterführer, 1939/1940, 124. 68

Ortsgruppen Stallhofen und Geistthal gemeinsam veranstaltet. Dieser Schluss liegt nahe, da die Gendarmerie Josef Zierler und Alois Kollegger, die nach dem „Anschluss“ Ortsgruppenleiter von Geistthal bzw. Stallhofen wurden, als Führer der Veranstaltung idendifizierte. Von der Gendarmerie auf das Demonstrationsverbot angesprochen, versicherte Kollegger dafür zu sorgen, dass von seinen Leuten strengste Disziplin gehalten werde.290

Die größte NS-Demonstration vor dem „Anschluss“ fand in Voitsberg statt. Am 24. Februar fanden sich bei einer Kundgebung der Vaterländischen Front anlässlich der Radioübertragung der Rede von Bundeskanzler Schuschnigg vor der Bundesversammlung 1700 Nationalsozialisten aus dem ganzen Bezirk zu einer Gegenveranstaltung ein.291 Helmut Kersch, ein Lehrer aus Köflach, der später als Kreisschulungsleiter der NSDAP und Gauredner fungierte, hielt die Hauptrede des Abends. Eine Auflösung der Demonstration wäre laut Gendarmeriebericht ohne Waffengewalt nicht möglich gewesen und wurde daher nicht versucht. Nach Schluss der Rede wurde ein Fackelzug unter Vorantritt der Werkskapelle Hödlgrube am Hauptplatz veranstaltet. Alle Teilnehmer trugen Hakenkreuzarmbinden und Hakenkreuzabzeichen, sowie auch Parteiabzeichen. Genau beobachtet wurde von der Gendarmerie die Zugehörigkeit der Demonstranten zu verschiedenen sozialen Schichten. „Die Teilnehmer am Fackelzug stammten aus allen Ständen der Bevölkerung, besonders war die Intelligenz (Richter, Lehrer, Ärzte, Rechtsanwälte) ferner auch Gewerbetreibende, weiters Arbeiter und schließlich eine nicht geringe Anzahl von Bauern vertreten“.292 Zu Ruhestörungen ist es nicht gekommen. Ein Zusammenstoß mit vaterländischen Kreisen (500 Personen hörten sich die Schuschnigg-Rede im Festsaal Voitsberg an) blieb wegen entsprechender Sicherheitsvorkehrungen aus. Führend an der Demonstration beteiligt waren neben Kersch noch Alois Killer und Dr. Gerhard Amlacher.293 Dass Dr. Amlacher von Beruf Bezirksrichter war, ist bezeichnend für die starke nationalsozialistische Durchsetzung des Staatsapparates.

In den Tagen nach der Demonstration trat eine merkliche Beruhigung ein. Der Wechsel in der Landesführung der Vaterländischen Front hat wohl dazu beigetragen. Im Bericht des

290 StlA, BH VO 1938, Karton 210 Zl 14 Na 1/10-1938 Bericht des Gendarmeriepostens Stallhofen, 21. Februar 1938. 291 Vgl.: Bernhard Reismann, Allgemeine Geschichte des Bezirkes 1848-2005, in: Walter Brunner (Hg.), Geschichte und Topographie des Bezirkes Voitsberg. Band 1: Allgemeiner Teil, Graz 2011, 178-179. 292 StLa, BH VO 1938, Karton 207 Zl 14 La 3/2-1938. März 1938. Lageberichte der Bezirkshauptmannschaft Voitsberg an den Sicherheitsdirektor des Bundes für das Land Steiermark Februar 1938. 293 Vgl. ebd. und StLa, BH VO 1938, Karton 210 Zl 14 Na 1/14-1938 24. Februar 1938. Bericht des Gendarmeriepostens Voitsberg. 69

Bezirkshauptmannes Dr. Josef Schmidinger an den steirischen Sicherheitsdirektor hieß es dazu: „Die nationalen Kreise, mit welchen der Bezirkshauptmann in Verbindung steht, erwarten auch in der Bezirksführung der VF eine Klärung.“294 Wie stark der Bezirkshauptmann mit den sogenannten nationalen Kreisen in Verbindung stand, wurde wohl erst nach dem „Anschluss“ weiten Teilen der Bevölkerung klar. Schmidinger durfte nämlich trotz des Regimewechsels weiterhin Bezirkshauptmann bleiben. Dasselbe gilt für einige Gendarmeriepostenkommandanten und Bürgermeister des Bezirks Voitsberg.

Bemerkenswert ist die Tatsache, dass das Voitsberg-Köflacher Wochenblatt schon am Tag des „Anschlusses“ der NS-Propaganda zur Verfügung stand. Das zuvor christlich-soziale Blatt begrüßte die Eingliederung Österreichs ins „Deutsche Reich“ und druckte ein Gedicht von Ottokar Kernstock mit dem Titel „Das Hakenkreuz“ ab.295 Neben Hans Kloepfer ist Kernstock der zweite dem Nationalsozialismus zugeneigte Heimatdichter, nach dem im Bezirk Voitsberg noch immer Straßen benannt sind. Kloepfer veröffentlichte eine Woche nach Kernstock einen Artikel mit dem Titel „Adolf Hitler, der Österreicher“, in dem er Hitler in höchsten Tönen lobte.296 Bereits am 11. März sprach Helmut Kersch bei einer Versammlung in Köflach.297 Tags zuvor war es in Lankowitz zu einem Zwischenfall gekommen. Die Lankowitzer Frontmiliz forderte zwei Nationalsozialisten mit Gewehr im Anschlag dazu auf, ihre Binden abzunehmen. Als diese den Vorfall meldeten, versammelten sich 60 Nationalsozialisten und forderten die Abrüstung der Frontmiliz.298 Letztendlich wurden die Milizionäre ohne Widerstand entwaffnet.299 Ihr Einsatz markiert die letzten „Zuckungen der Macht des Ständestaates“ im Bezirk.

Noch vor der Ankunft deutscher Truppen begannen die Nationalsozialisten in den Gemeinden damit, die wichtigsten Institutionen unter ihre Kontrolle zu bringen, um damit den Systemwechsel so schnell wie möglich voranzutreiben. So wurde bereits am 12. März bekannt gegeben, dass Alois Killer die Überwachung der Voitsberger Wirtschaftsbetriebe übernimmt. Killer saß während der so genannten „Kampfzeit“ insgesamt 16 Wochen im

294 StLa, BH VO 1938, Karton 207 Zl 14 La 3/2-1938. März 1938. Lageberichte der Bezirkshauptmannschaft Voitsberg an den Sicherheitsdirektor des Bundes für das Land Steiermark Februar 1938. 295 Vgl.: VKW, 12. März 1938. 296 Vgl.: VKW, 19. März 1938. 297 Vgl.: VKW, 12. März 1938. 298 Vgl.: Bernhard Reismann, Allgemeine Geschichte des Bezirkes 1848-2005, in: Walter Brunner (Hg.), Geschichte und Topographie des Bezirkes Voitsberg. Band 1: Allgemeiner Teil, Graz 2011, 179. 299 Vgl.: VKW, 12. März 1938. 70

Gefängnis und war eine der Führungsfiguren der Ortsgruppe Voitsberg. Ignaz Bauer und Sepp Steinle übernahmen die Führung der Bezirksbauernkammer.300

Der Machtwechsel in den Gemeindeämtern und anderen staatlichen Institutionen ging bezirksweit sehr unterschiedlich vonstatten. Nicht in allen Gemeinden mussten die Bürgermeister überhaupt abdanken. Acht der 62 Bürgermeister des Bezirks durften ihren Posten behalten. Zu ihnen zählten der Bürgermeister von Aichegg Bartholomäus Schild, der Bürgermeister von Kreuzberg Johann Godl, der Mooskirchener Bürgermeister Konrad Hauswirth , der Bürgermeister von Piberegg Josef Roll III , der Bürgermeister von St. Martin am Wöllmißberg Johann Lais, der Bürgermeister von Steinberg Michael Wipfler und der Bürgermeister von Unterwald Hermann Truschnigg.301 Auch der Gößnitzer Bürgermeister Peter Gruber, welcher der Gemeinde seit 1924 vorstand, durfte sein Amt nach der NS- Machtübernahme vorerst behalten. Schon 1939 wurde er jedoch von Ludwig Schutting, einem „alten Kämpfer“ der 1937 wegen des Versuchs der Gründung einer NSDAP-Ortsgruppe verhaftet worden war, abgelöst.302 Alle Gemeinden, in denen der Bürgermeister bleiben durfte, waren vergleichsweise klein und in ländlichem Gebiet gelegen. St. Martin am Wöllmißberg war mit 809 Einwohnern303 die größte Gemeinde, in welcher der Bürgermeister nach dem „Anschluss“ nicht abdanken musste. Bürgermeister Lais war seit 1932 im Amt, behielt seinen Posten den ganzen Krieg über und wurde danach sogar 1950 nochmals zum Bürgermeister gewählt. Er blieb in der Folge allerdings nur bis 1951 im Amt.304 Dasselbe Kunststück gelang Josef Roll III in Piberegg. Dieser war von 1919 bis 1945 Bürgermeister, wurde 1950 wieder zum Bürgermeister gewählt und blieb bis 1969 im Amt.305 Damit waren Lais und Roll in vier verschiedenen Systemen Bürgermeister ihrer Gemeinden. Beide gehörten in der Ersten Republik der Christlich-Sozialen Partei und in der Zweiten Republik der ÖVP an.306 Ein besonderer Coup gelang den Nationalsozialisten in der Arbeitergemeinde

300 Vgl.: VKW, 19. März 1938 und S. 24 301 Vgl.: Walter Brunner (Hg.), Geschichte und Topographie des Bezirkes Voitsberg. Band 2: Bezirkslexikon, Graz 2011. 302 Vgl.: Walter Brunner (Hg.), Geschichte und Topographie des Bezirkes Voitsberg. Band 2: Bezirkslexikon, Graz 2011, 63. 303 Ämterführer von Graz und Steiermark. 1. Jahrgang, Graz 1939/1940, 104. 304 Walter Brunner (Hg.), Geschichte und Topographie des Bezirkes Voitsberg. Band 2: Bezirkslexikon, Graz 2011, 297 305 Vgl.:Walter Brunner (Hg.), Geschichte und Topographie des Bezirkes Voitsberg. Band 2: Bezirkslexikon, Graz 2011, 250. 306 Vgl.:Walter Brunner (Hg.), Geschichte und Topographie des Bezirkes Voitsberg. Band 2: Bezirkslexikon, Graz 2011, Zusatz-CD. 71

Kowald. Dort setzten sie den vom Ständestaat 1934 abgesetzten sozialdemokratischen Bürgermeister Felix Lesky wieder ein.307

In den drei bevölkerungsreichsten Gemeinden des Bezirks Voitsberg, Köflach und Bärnbach mussten die alten Bürgermeister gehen. Bärnbachs neuer Bürgermeister wurde Josef Walter, der dieses Amt bis zum Ende des Krieges ausübte.308 In Köflach dankte der neue Bürgermeister Franz Zeltner seinem Vorgänger Franz Herunter von der Vaterländischen Front sogar für dessen gute Arbeit in den letzten Jahren.309 Herunter blieb auch Obmannes des Vorstandes der Volksbank Köflach. Dies geht aus dem Hauptversammlungsbericht des Jahres 1941 hervor. Sein Stellvertreter im Vorstand wurde der spätere Köflacher Bürgermeister Franz Kleinhappl. Im Aufsichtsrat saßen mit Kreisleiter Hubert Eissner, Karl Grabner und Hans Forstner drei weitere hochrangige Nationalsozialisten. Außerdem war Hans Kloepfer stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender.310 Es ist anzunehmen, dass sich Franz Herunter während seiner Zeit als Ständestaatsbürgermeister von Köflach nicht sonderlich stark gegen die Nationalsozialisten engagiert hat. Nicht so versöhnlich ging der Wechsel in Voitsberg vonstatten. Der bisherige Bürgermeister Anton Löser wurde unmittelbar nach dem „Anschluss“ verhaftet und mehrere Wochen im Bezirksgericht Voitsberg interniert.311 Zunächst übernahm Alois Killer die Leitung der provisorischen Gemeindeverwaltung. Erste Amtshandlung war die Umbenennung des Hauptplatzes in Adolf-Hitler Platz.312 Am 23. März wurde Leopold Hofbauer zum neuen Bürgermeister von Voitsberg ernannt.313 Seinem Vorgänger aus dem Ständestaat bürdete er kurze Zeit später die Bezahlung von auf Gemeindekosten angeschafften Büchern der Vaterländischen Front auf.314

Viele der neu eingesetzten NS-Bürgermeister hatten große Probleme mit der Bevölkerung ihrer Gemeinde. Dies gilt vor allem für die ländlichen Gemeinden des Bezirks. So ersuchte Franz Holzapfl, nach dem „Anschluss“ Bürgermeister der Gemeinde Großsöding, die zur Ortsgruppe Mooskirchen gehörte, schon im Juni 1938 um die Erlaubnis für seinen Rücktritt an, da er ständig angefeindet wurde. Die Erlaubnis wurde ihm nicht erteilt und Holzapfl blieb

307 Walter Brunner (Hg.), Geschichte und Topographie des Bezirkes Voitsberg. Band 2: Bezirkslexikon, Graz 2011, 156 308 Vgl.:Walter Brunner (Hg.), Geschichte und Topographie des Bezirkes Voitsberg. Band 2: Bezirkslexikon, Graz 2011, 17. 309 Vgl.: VKW, 19. März 1938. 310 StLa, BH VO 1945, Karton 399 Hauptversammlungsbericht der Volksbank Köflach 20. Mai 1941. 311 LGS Graz, Vr 4493/47-9. 312 Vgl.: Ebd. 313 Vgl.: VKW, 26. März 1938. 314 Vgl.: 9. April 1938. 72 bis Kriegsende Bürgermeister.315 Oftmals war auch ein gewisses Chaos die Folge der eiligen Neubesetzung von Bürgermeisterposten im März 1938. Besonders deutlich wird dies in der Gemeinde Großwöllmiß, die im Jahr 1938 inklusive des Ständestaatsbürgermeisters vier verschiedene Bürgermeister hatte. Einer von ihnen konnte sich sogar nur acht Tage im Amt halten. Letztendlich wurde im Dezember 1938 mit Josef Formayer derselbe Mann Bürgermeister den die Nationalsozialisten nach dem „Anschluss“ abgesetzt haben. Formayer war bereits seit 1934 Bürgermeister von Großwöllmiß und blieb bis zum Ende des NS- Regimes im Amt.316

Der oberste Vertreter der staatlichen Verwaltung des Bezirks, Bezirkshauptmann Dr. Josef Schmidinger, blieb bemerkenswerterweise auch nach dem „Anschluss“ noch ein halbes Jahr auf seinem Posten und scheint in dieser Zeit ein gutes Einvernehmen mit den neuen Machthabern gefunden zu haben.317 Ähnliches gilt für den Bezirksgendarmeriekommandanten Leopold Krenn. Dieser bekleidete diese Position bereits seit Dezember 1934 und blieb nach der nationalsozialistischen Machtübernahme noch über ein Jahr, bis Mai 1939 im Amt.318

Im gesamten Kreis wurde bis Juni 1938 jedoch beinahe die Hälfte aller Postenkommandanten abgelöst. Die Gendarmerieposten, in denen der Kommandant ersetzt wurde, waren Geistthal, Kainach, Ligist, Söding und Voitsberg.319 Wie viele einfache Gendarmeriebeamte innerhalb der verschiedenen Kommandanturen abgelöst wurden bzw. bleiben durften ist nicht bekannt. In prozentualer Hinsicht blieben die Umbesetzungen an der Spitze der Gendarmeriekommandanturen jedoch deutlich hinter jenen in den Gemeindeämtern. Insgesamt wurden 45,5 % aller Gendarmeriekommandanten abgelöst und 87,1 % aller Bürgermeister.

Als am 16. März 1938 die ersten Wehrmachtstruppen der Aufklärungsabteilung 7 aus München den Bezirk erreichten, war die NS- Machtübernahme fürs Erste bereits

315 Vgl.: Walter Brunner (Hg.), Geschichte und Topographie des Bezirkes Voitsberg. Band 2: Bezirkslexikon, Graz 2011, 80-81. 316 Vgl.: Walter Brunner (Hg.), Geschichte und Topographie des Bezirkes Voitsberg. Band 2: Bezirkslexikon, Graz 2011, 82. 317 Vgl.: Ebd, 331. 318 Vgl.: Ebd. 332. 319 Vgl.: Walter Brunner (Hg.), Geschichte und Topographie des Bezirkes Voitsberg. Band 2: Bezirkslexikon, Graz 2011, 73 abgeschlossen.320 Es bedurfte also keiner „von außen über Österreich hereinbrechenden deutschen Truppen“, um den nationalsozialistischen Machtwechsel vor Ort zu bewerkstelligen. Die zahlreichen Funktionäre und Sympathisanten vor Ort reichten dafür aus. Unterdessen war Hans Kloepfer weiterhin propagandistisch für die neuen Herrscher tätig und schwor die Bauern auf den Nationalsozialismus ein.321 Zwei Wochen später sprach er sich für ein Ja bei der kommenden Volksabstimmung, welche den „Anschluss“ legitimierten sollte, aus.322 Ende März begann schließlich eine große Versammlungswelle im Kreis, die für ein Ja bei der Volksabstimmung am 10. April warb. Im Zuge dieser Versammlungswelle besuchte auch Bundeskanzler Arthur Seyss-Inquart das Köflacher Kohlenrevier.323

Ende März wurde ein „reichsdeutscher“ Nationalsozialist namens Jacobs Kreisleiter von Voitsberg. In seiner ersten Rede warb er um die Sozialdemokraten und konstatierte: „Die Arbeiterschaft erkannte erst sehr spät, dass sie durch den Marxismus dem internationalen Judentum diente“, doch der wahre Sozialismus sei der Nationalsozialismus. 324 Diese Botschaft zog sich wie ein roter Faden durch die NS-Propaganda vor der Abstimmung. Neuerlich verwendet wurde diese eigenwillige Deutungsweise erst wieder in der Propaganda nach Beginn des Krieges gegen die Sowjetunion. Über die Haltung der Arbeiterschaft wurden die Nationalsozialisten ausführlich informiert. Aus den Berichten geht hervor, dass ein Großteil der sozialdemokratisch eingestellten Bevölkerung den Nationalsozialisten nicht ablehnend gegenüberstand. So hieß es in einem Bericht der Gendarmerie Köflach aus dem März 1938 auf die sozialdemokratischen Kreise bezogen: „Sie wollen nur überzeugt werden und Tatsachen sehen. An ihrem ehrlichen Willen ist nicht zu zweifeln, denn es befinden sich unter ihnen sehr viele charaktervolle Menschen.“ Laut Einschätzung des Postenkommandanten würden die Sozialdemokraten, wenn sie erst einmal die soziale Fürsorge des neuen Deutschlands kennen lernten, gute und treue Volksgenossen werden.325

Kreiswahlleiter der NSDAP wurde Gottfried Bayer, der zwar in Köflach geboren wurde, jedoch in Graz-Umgebung lebte. Bereits Ende April verließ Bayer den Bezirk wieder.326

320 Vgl.: Bernhard Reismann, Allgemeine Geschichte des Bezirkes 1848-2005, in: Walter Brunner (Hg.), Geschichte und Topographie des Bezirkes Voitsberg. Band 1: Allgemeiner Teil, Graz 2011, 180. 321 Vgl.: VKW, 26. März 1938. 322 Vgl.: VKW, 9. April 1938. 323 Vgl.: VKW, 26. März 1938. 324 VKW, 9. April 1938. 325 StLa, BH VO 1938, Karton 207 Gendarmerieposten Köflach an Bezirkshauptmann 28. März 1938. 326 Vgl.: VKW, 26. März 1938 und VKW, 23. April 1938. 74

Kreiswahlinspektor war Willibald Ulz, ein Vertrauter Bayers.327 Letzterer blieb im Kreis und übernahm in der ersten Kreisleitung das Amt des Kreisorganisationsleiters. Der Anteil der Ja- Stimmen im Bezirk Voitsberg betrug bei der Volksabstimmung am 10. April 99,97 Prozent, was über dem steirischen Durchschnitt lag. In 51 von 62 Gemeinden stimmte die Bevölkerung zu 100 Prozent mit Ja. Dadurch erlangten diese Gemeinden den Status von sogenannten Führergemeinden.328

Nachdem die Institutionen von den Nationalsozialisten übernommen worden waren und die Volksabstimmung stattgefunden hatte, standen die neuen Machthaber nun vor der Aufgabe, die Partei zu einen, eine Kreisleitung einzusetzen, einen Kreisleiter zu finden und auf die schlechte wirtschaftliche und soziale Lage des Bezirks zu reagieren. Dabei stellten sie klar, dass „alte Kämpfer“ der Partei bevorzugt „Arbeit und Brot“ bekommen sollten.329 Eine besondere Rolle sollte im zuvor sozialdemokratisch geprägten Voitsberg der NSV und der DAF zukommen. Für die NSV rührte Hans Kloepfer kräftig die Werbetrommel. Bei einem Besuch in Berlin besichtigte er das Hauptamt der NSV und zeigte sich „überwältigt“.330 Die Versammlungstätigkeit der Nationalsozialisten wurde zwar nach der Volksabstimmung geringer, hörte aber nicht auf. Der Köflacher Bürgermeister Franz Zeltner und der Gauredner Helmut Kersch sprachen am 1. Mai 1938 in Köflach vor über 4.000 Versammelten.331 Prominenten Besuch erhielt der Bezirk noch im gleichen Monat, als der der DAF Robert Ley den Bergbau Karlsschacht besuchte und dort zur Arbeiterschaft sprach und um diese warb.332 Laut Bericht des Gendarmeriepostens Köflach vom Mai 1938 schien sich zumindest ein beträchtlicher Teil der ehemaligen Sozialdemokraten mit der NS- Machtübernahme angefreundet zu haben. „Die sozialdemokratischen Kreise, die letzten Endes doch nur die Wahrung und den Ausbau ihrer sozialen Rechte erstreben, haben sich anscheinend sehr rasch in die neuen Verhältnisse hineingefunden, jedenfalls ist bei ihnen keinerlei Unzufriedenheit mit dem politischen Umschwung wahrzunehmen. Sie erhoffen von der nationalsozialistischen Staatsführung eine soziale Besserstellung und daher hat die Staatsführung auch alle ihre Sympathien.“ Weiters hieß es, dass die sozialdemokratisch

327 Vgl.: VKW, 26. März 1938. 328 Vgl.: Bernhard Reismann, Allgemeine Geschichte des Bezirkes 1848-2005, in: Walter Brunner (Hg.), Geschichte und Topographie des Bezirkes Voitsberg. Band 1: Allgemeiner Teil, Graz 2011, 181. 329 Vgl.: VKW, 23. April 1938. 330 Vgl.: VKW, 30. April 1938. 331 Vgl.: VKW, 7. Mai 1938. 332 Vgl.: VKW 14. Mai 1938 75 eingestellten Bevölkerungsteile von den „sozialen Leistungen“ der neuen Machthaber beeindruckt waren.333

Reichsinnenminister Frick traf im Mai in Edelschrott mit Bezirkshauptmann Schmidinger zusammen. Dieser bat Frick, Voitsberg zur Kreisstadt zu erheben, was letztendlich auch wenig später geschah.334 Mit 1. Juni übernahm der aus dem Burgenland stammende Anton Weißensteiner das Amt des Kreisleiters. Zunächst stieß diese Entscheidung auf Unverständnis innerhalb der Kreispartei. Die erste Tagung der Kreisleitung fand am 15. Juni 1938 im Rathaus Voitsberg statt und sollte die Unruhe schnell beruhigen.335 Weißensteiner leitete die Sitzung im Beisein von Jacobs. Weitere Unterstützung bekam er vom stellvertretenden Gauleiter Tobias Portschy, der sich für ihn verbürgte. In seiner einleitenden Ansprache warnte Weißensteiner die Anwesenden vor inneren Kämpfen, welche „der Bewegung“ nur schaden würden. Weiters verlangte er volle Disziplin von jedem. Anschließend verpflichtete er jeden einzelnen Mitarbeiter der Kreisleitung per Handschlag.336 Der ganze Vorgang unterstreicht einmal mehr die extreme Personalisierung des NS-Herrschaftssystems. Der Kreisleiter verpflichtete in Anwesenheit von höherrangigen Nationalsozialisten jene Parteimitglieder, welche im Rang unter ihm stehen per Handschlag und schwor sie damit auf sich ein. Damit macht er ihnen auch klar, dass sie von ihm abhängig sind. Laut Parteistatuten hatte der Kreisleiter, wie schon erwähnt tatsächlich freie Hand bei der Besetzung und sollte dies nötig sein, auch bei der Umbesetzung der Kreisleitung. Zu seinem persönlichen Adjutanten machte Weißensteiner den SS-Unterscharführer Werner Leitner.337 Aus Mattersburg brachte er den ihm vertrauten Hans Wograndl mit, den er zum Kreiskassenleiter der NSDAP ernannte.338

Die Einteilung der Ortsgruppen und die Ernennung ihrer Leiter erfolgten in derselben Woche.339 Weißensteiner besuchte im Laufe des Jahres alle zwölf Ortsgruppen, wobei sich die Prozedur der ersten Kreisleitungssitzung mehr oder weniger wiederholte.340 Überraschend ist die Tatsache, dass ihm die Leiter der Voitsberger Ortsgruppe, immerhin die größte des Kreises, erst Anfang Juli offiziell vorgestellt wurden. Ortsgruppenleiter Harald Lautner und alle politischen Leiter versicherten Weißensteiner bei dieser Gelegenheit treue

333 StLa, BH VO 1938, Karton 207 Gendarmerieposten Köflach an Bezirkshauptmann 27. Mai 1938 334 Vgl.: VKW, 28. Mai 1938. 335 Vgl.: VKW, 4. Juni 1938 und 18. Juni 1938. 336 Vgl.: VKW, 18. Juni 1938. 337 Vgl.: StLa, BH VO, Zl 14 Wa 1/143. 338 LGS Graz, Vr 4607/47-35. 339 Vgl.: VKW, 18. Juni 1938. 340 Vgl.: VKWs 1938. 76

Gefolgschaft.341 Beim Besuch der Ortsgruppe St. Martin wurde er von Jacobs begleitet.342 Ebenfalls im Juli wurden große Bauvorhaben im Kreis angekündigt, welche zahlreiche Arbeitsplätze schaffen sollten. Des Weiteren fanden zahlreiche DAF-Versammlungen statt.343 Das Bemühen um die Arbeiterschaft zeigte sich deutlich. Laut einer im VKW abgedruckten Statistik soll die Arbeitslosigkeit im Kreis Voitsberg im Zeitraum zwischen März und Juli 1938 von 2.924 auf 1.490 Personen zurückgegangen sein. Dieser Rückgang von 49 Prozent entsprach damit laut VKW in etwa dem steirischen Durchschnitt.344 Die von der Bezirkshauptmannschaft Voitsberg für den Februar 1938 bekannt gegebenen Arbeitslosenzahlen legen jedoch den Schluss nahe, dass der Ausgangswert von 2.924 arbeitslosen Personen übertrieben war. Nach Angaben der Bezirkshauptmannschaft waren mit Stand 15. Februar 1938 lediglich 1.983 Personen arbeitslos.345 Die Angaben des VKW waren mit Sicherheit eine propagandistische Übertreibung. Der August stand wieder verstärkt im Zeichen der Propaganda. Es wurden in erster Linie Werbeveranstaltungen für die DAF abgehalten. Hauptredner waren DAF-Kreisobmann Andreas Kattnigg, Kreisleiter Weißensteiner und NSV-Kreisobmann Franz Wurm.346 Gauleiter Sigfried Uiberreither besuchte den Kreis Voitsberg am 13. August zum ersten Mal und schritt zusammen mit Weißensteiner eine große SA-Formation ab.347

Anfang September hatten die Dienststellen der NSDAP in Voitsberg aufgrund des Reichsparteitages geschlossen. Neben den Eliten der Kreispartei war auch Hans Kloepfer als Ehrengast zum Parteitag eingeladen.348 Ein großes Thema im Kreis war das Hochwasser, welches weite Gebiete heimsuchte. Weißensteiner versprach eine vollständige staatliche Abdeckung der Hochwasserschäden und besuchte die betroffenen Gebiete. In Edelschrott nahm er die Verteilung der Hilfsgüter zusammen mit Kreisbauernführer Ignaz Bauer, Bezirkshauptmann Schmidinger und Kreispersonalamtsleiter Killer sogar persönlich vor.349 Am 17. September 1938 heiratete Weißensteiner in der Bezirkshauptmannschaft Voitsberg. Die Feier wurde von den Kreisamtsleitern veranstaltet und war die erste Weihestunde im

341 Vgl.: VKW, 2. Juli 1938. 342 Vgl.: VKW, 23. Juli 1938. 343 Vgl.: VKW, 2. Juli 1938, 9. Juli 1938 und 16. Juli 1938. 344 Vgl.: VKW, 23. Juli 1938 345 StLa, BH VO 1938, Karton 207 Zl 14 La 3/2-1938 1. März 1938Lageberichte der Bezirkshauptmannschaft Voitsberg an den Sicherheitsdirektor des Bundes für das Land Steiermark für den Februar 1938. 346 Vgl.: VKW, 13. August 1938, 20. August 1938, 27. August 1938. 347 Vgl.: VKW, 20. August 1938. 348 Vgl.: VKW, 3, September 1938. 349 Vgl.: VKW, 3, September 1938 und 10. September 1938. 77

Kreis Voitsberg. Weißensteiners „schönstes Geschenk“ war laut eigener Aussage die Anteilnahme der Parteigenossen.350 Die Ausrichtung der Hochzeit war durch die Tatsache, dass sie auch die erste „Weihestunde“ im Kreis war, im Grunde genommen auch ein politischer Akt Weißensteiners. Er zeigte den Bewohnern und allen voran den Parteimitgliedern des Kreises, wie eine nicht kirchliche Hochzeit auszusehen hatte. Die Privatsache Heirat nutzte Weißensteiner in gewisser Weise dazu, ein politisches Zeichen, gegen die katholische Kirche, welche ja Hochzeiten bis dahin als ihre Domäne sah, zu setzen.

Ende September fand in Voitsberg eine große Treuekundgebung mit über 6.000 Teilnehmern statt.351 Es war dies die bis dahin größte NS-Veranstaltung im Kreis. Im Laufe des Monats Oktober folgten noch einige Mitgliederversammlungen und Schulungsappelle der NSDAP- Ortsgruppen des Kreises. Dabei sprachen Weißensteiner sowie die Kreisschulungsleiter Kersch und Miklau.352 Mitte des Monats riefen Weißensteiner und Kattnigg die Arbeitnehmer des Kreises per Zeitung dazu auf, für das Winterhilfswerk zu spenden. Die Erwartungen der beiden dürften eher gering gewesen sein, da sie lediglich forderten, dass der Kreis Voitsberg steiermarkweit nicht an letzter Stelle stehen dürfe.353 Ende des Monats setzte Weißensteiner eine sozialpolitische Geste. Per Zeitungsartikel stellte er klar, dass er auf der Seite kinderreicher Familien stand und drohte jenen Vermietern, die diese nicht zu leistbaren Bedingungen aufnehmen wollten.354

Im November fanden Volksversammlungen in allen Gemeinden des Kreises statt. Außerdem wurde das erste Voitsberger BDM Werk durch Weißensteiner eröffnet. Des Weiteren eröffnete Weißensteiner in Begleitung des neuen Bezirkshauptmannes Dr. Pleunik das Mütterschulungswerk des Reichsnährstandes in Voitsberg.355 Anfang Dezember wird Pleunik nach der Umwandlung der Bezirkshauptmannschaft in ein Landratsamt zum ersten Landrat des Kreises Voitsberg.356 Uiberreither besuchte den Kreis Voitsberg gegen Ende des Jahres noch drei Mal. Einmal im November, sowie anlässlich der Barbarafeiern im Karlsschacht und im Zuge des Richtfestes für das Dampfkraftwerk Bärnchbach, zweimal im Dezember.357 Das

350 Vgl.: VKW, 17. September 1938 und 24. September 1938. 351 Vgl.: VKW, 1. Oktober 1938. 352 Vgl.: VKW, 8. Oktober 1938, 15. Oktober 1938, 22. Oktober 1938 und 29. Oktober 1938. 353 Vgl.: VKW, 15. Oktober 1938. 354 Vgl.: VKW, 29. Oktober 1938. 355 Vgl.: VKW, 12. November 1938 und 19. November 1938. 356 Vgl.: VKW, 3. Dezember 1938. 357 Vgl.: VKW, 12. November 1938, 10. Dezember 1938 und 17. Dezember 1938. 78

Dampfkraftwerk wurde 1941 in Betrieb genommen.358 Anfang Dezember fand in Anwesenheit Weißensteiners die erste NSDAP-Versammlung in der kleinen entlegenen Ortsgruppe Geistthal statt. Damit hatte die Nationalsozialisten es 1938 geschafft, in jedem Winkel des Kreises mehr oder weniger stark besuchte Werbeversammlungen durchzuführen. Weißensteiner besichtigte sogar persönlich die Wohnquartiere der Lankowitzer Bergarbeiter, zeigte sich schockiert von ihren Lebensbedingungen und versprach die baldige Verbesserung ihrer Lage.359 Dass solche Gesten, welche sich deutlich vom Verhalten der führenden Mitglieder der Vaterländischen Front unterschieden, bei der Arbeiterschaft gut ankamen ist anzunehmen. Größerer Widerstand von Seiten der Arbeiter des Kreises schlug den Nationalsozialisten jedenfalls noch nicht entgegen.

Die Versuche, die Bevölkerung für den Nationalsozialismus zu begeistern, fielen aber dennoch nicht immer auf fruchtbaren Boden. Hinweise dafür liefern die Weigerung einiger Bauern, ihre Hochwasserschadensgutscheine einzulösen, sowie die Tatsache, dass sich Kreisgeschäftsführer Hubert Bogler dazu genötigt sah, die Bewohner des Kreises per Zeitung dazu aufzufordern, NS-Formationen, die mit Fahnen an ihnen vorbeimarschieren auch zu grüßen.360 Zu Weihnachten fand in Köflach die erste Julfeier, das NS-Pendant zur traditionellen christlichen Weihnachtsfeier, des Kreises statt, bei der Helmut Kersch sprach.361 Am 31. Dezember wurde die Übersiedlung der Kreisleitung vom Rathaus in die Villa Baumann bekanntgegeben und Weißensteiner bedankte sich auf der Titelseite des VKW bei seinen Mitarbeitern für ihre Tätigkeit.362

Die ersten neun Monate des Jahres 1939 standen im Zeichen der weiteren Festigung der Parteistrukturen der NSDAP im Kreis, der Etablierung neuer Gemeinderäte, sowie natürlich dem Werben um die Kreisbevölkerung. Dass dabei die NSV eine besondere Rolle spielte, vor allem für die Arbeiterschaft des Kreises, steht außer Frage. Schon zu Beginn des Jahres gab es an der Spitze dieser Organisation einen Wechsel. Der bisherige Kreisamtsleiter Franz Wurm verließ Voitsberg.363 Grund für seinen Weggang war nicht etwa schlechte Amtsführung, sondern die Tatsache, dass sein Werk, der Aufbau der NSV im Kreis, getan war. Die

358 Vgl.: Franz Mittermüller, Der Bezirk als Wirtschaftsraum, in: Walter Brunner (Hg.), Geschichte und Topographie des Bezirkes Voitsberg. Band 1: Allgemeiner Teil, Graz 2011, 297. 359 Vgl.: VKW, 10. Dezember 1938. 360 Vgl.: Ebd. 361 Vgl.: VKW, 24. Dezember 1938. 362 Vgl.: VKW, 31. Dezember 1938. 363 Vgl.: VKW, 7. Jänner 1939. 79

Gauleitung war mit seiner Aufbauarbeit zufrieden und ernannte ihn zum Gauorganisationsleiter der DAF.364 Wurms Nachfolger wurde der aus dem Kreis Voitsberg stammende Lehrer Walter Senegacnik. Seine erste Amtshandlung war die Eröffnung eines Kindergartens in Rosental.365 Ihm unterstanden die seit Oktober 1938 in allen Ortsgruppen des Kreises von Wurm etablierten NSV-Stellen samt ihrer Ortsamtswalter.366 Dass die Stelle des Ortsamtswalters der NSV von großer Bedeutung war und mit führenden Nationalsozialisten in den Ortsgruppen besetzt wurde, zeigt die Tatsache, dass drei der zwölf im Oktober 1938 ernannten Ortsamtswalter später das Amt des Ortsgruppenleiters bekleideten.367 Ein führender Posten in der NSV konnte also durchaus förderlich für die Parteikarriere sein.

Im Jänner des Jahres 1939 fand eine Vielzahl von Werbeveranstaltungen der NSDAP statt. Organisatorisch stellte dies die Partei vor gewisse Probleme, die dazu führten, dass es nötig wurde, Ordnung ins entstehende Chaos der Veranstaltungswelle zu bringen. Zu diesem Zweck wandte sich die Kreisleitung an die Parteimitglieder. Laut einer Verordnung aus dem Jänner 1939 musste für alle Parteiveranstaltung eines Monats bis spätestens zum 25. des Vormonats die Genehmigung des Kreisleiters eingeholt werden.368

Am 30. Jänner fand in Ligist ein Akt des katholischen Widerstandes statt. Auf Veranlassung von Kaplan Franz Gölles wurde am Turm der Pfarrkirche eine rot-weiß-rote Fahne mit Doppeladler gehisst. Ortsgruppenleiter Kals meldete der Kreisleitung den Vorfall. Die Kreisleitung forderte daraufhin die Verhaftung des Kaplans.369 Bei der folgenden Hausdurchsuchung wurden in der Kirche zahlreiche Garnituren Jungvolksblusen des verbotenen katholischen Jungreichbundes sichergestellt. Diese wurden jedoch nicht bei Gölles, sondern bei Kaplan Hubmann gefunden.370. Nach zehn Tagen Schutzhaft wurde Kaplan Hubmann schließlich auf freien Fuß gesetzt.371 Beim fürstbischöflichen Ordinariat wurde die Versetzung Hubmanns beantragt. Im Februar 1939 teilte die Gestapo dem Landrat

364 LGS Graz, Vr 4898/46-100. 365 Vgl.: Ebd. 366 Vgl.: VKW, 15. Oktober 1938. 367 Franz Lemler der Ortsamtswalter in Edelschrott wurde 1941 Ortsgruppenleiter, Rudolf Moswitzer wurde bereits 1939 Ortsgruppenleiter von Lankowitz und Josef Puchas 1943 Ligister Ortsgruppenleiter 368 Vgl.: VKW, 21. Jänner 1939. 369 StLa, BH VO 1938, Karton 208 Zl 14 Li 15/38 31. Jänner 1939. 370 Vgl.: Bernhard Reismann, Allgemeine Geschichte des Bezirkes 1848-2005, in: Walter Brunner (Hg.), Geschichte und Topographie des Bezirkes Voitsberg. Band 1: Allgemeiner Teil, Graz 2011, 185. 371 Vgl.: Franz Mittermüller, Religion und Glauben im Bezirk Voitsberg, in: Bernhard Reismann, Allgemeine Geschichte des Bezirkes 1848-2005, in: Walter Brunner (Hg.), Geschichte und Topographie des Bezirkes Voitsberg. Band 1: Allgemeiner Teil, Graz 2011, 573. 80 schließlich mit, dass Hubmann bis spätestens 1. August 1939 aus dem Kreis Voitsberg zu versetzen ist.372 Letztendlich zog Kaplan Hubmann nach Hitzendorf um.373 Franz Gölles wurde ebenfalls versetzt. Er blieb jedoch im Kreis Voitsberg und übte die Kaplanstätigkeit bis 1945 in der Pfarre Stallhofen aus.374 Als die Gestapobeamten Hubmann zum Gendarmerieposten Ligist brachte, mussten sie zu ihrer Überraschung feststellen, dass in der Kanzlei des Postens ein Gedenkbild für das österreichische Bundesheer, unterschrieben vom ehemaligen Heeresminister Vaugion hing. Der Gendarmeriepostenkommandant Alois Grinschgl wurde aufgefordert, das Bild zu entfernen, was er auch tat.375Für Grinschgl hatte der Vorfall um das Gedenkbild keine Konsequenzen. Die Vorfälle rund um die Hissung der rot-weiß-roten Fahne auf dem Turm der Ligister Kirche wurden auch ausführlich im Lagebericht des Landrates behandelt. Ansonsten meldete er der Gauleitung, dass abgesehen vom Gebiet der Ortsgruppe Edelschrott, wo die Bevölkerung aufgrund zahlreicher nicht gehaltener Versprechen der NSDAP schlecht gestimmt sei, politische Zufriedenheit herrsche. Von Seiten der Arbeiterschaft wurden teilweise die hohen Beiträge an die DAF kritisiert.376

Des Weiteren führte die Gestapo bei den Schwestern Anna und Maria Decrinis eine Hausdurchsuchung durch, bei der eine Unmenge monarchistischer Bilder und Dollfußbilder gefunden wurden. Beide wurden als besonders fanatische Katholiken beschrieben. Außerdem stünden sie ständig mit dem Pfarrhof in Verbindung. Anna Decrinis wurde im September 1939 für kurze Zeit wegen eines angeblichen Verstoßes gegen das Heimtückegesetz festgenommen.377

Anfang Februar fand in Kainach die erste große „Führerbesprechung“ des neuen Jahres statt. Dort wurde bekanntgegeben, dass Hubert Eissner vom Kreisleiter persönlich zum Mitarbeiter in der Kreiswirtschaftsberatung unter Dr. Helmut Borovsky ernannt wurde.378 Der Wechsel Eissners spielte sich vor dem Hintergrund der Tatsache ab, dass einige Ortsfremde, welche nach dem „Anschluss“ Führungspositionen in der Kreisleitung erhalten hatten, den Kreis nach getaner Arbeit wieder verließen. Die Suche nach geeigneten Führungspersönlichkeiten aus dem Kreis selbst bewirkte auch den Aufstieg des parteiintern nicht unumstrittenen Köflachers

372 StLa, BH VO 1938, Karton 208 Zl 14 Li 15/5-1938 22. Februar 1939. 373 StLa, BH VO 1938, Karton 208 Zl 14 Li 15/7-1938 10. August 1939. 374 Sophie Bramreiter, Krottendorf-Gaisfeld. Erlebtes-Erforschtes-Erzähltes, Krottendorf-Gaisfeld 2014, 671. 375 StLa, BH VO 1938, Karton 208 Zl 14 Li 15/4-1938 7. Februar 1939. 376 StLa, BH VO, Zl 14 Wi 1/3. 377 Vgl.: Bernhard Reismann, Allgemeine Geschichte des Bezirkes 1848-2005, in: Walter Brunner (Hg.), Geschichte und Topographie des Bezirkes Voitsberg. Band 2: Bezirkslexikon, 174. 378 Vgl.: VKW, 11. Februar 1939. 81

Hubert Eissner. Wenige Tage zuvor wurde Eissner ebenfalls von Weißensteiner persönlich zum Gemeinderat in Köflach ernannt. Dieser ernannte auch den neuen Voitsberger Gemeinderat, dem mit Viktor Kriehuber auch der Herausgeber des Voitsberg-Köflacher Wochenblattes angehörte. Getreu den NS-Leitlinien der personalisierten Herrschaft gab Weißensteiner noch bekannt: „Wir Nationalsozialisten wollen in den Gemeinderäten ganze Persönlichkeiten sehen“.379

Kriehuber war auch Inhaber der Voitsberger Volksbibliothek und sympathisierte schon vor dem „Anschluss“ mit dem Nationalsozialismus.380 So war er stellvertretender Obmann der Voitsberger Ortsgruppe des Deutschen Schulvereins Südmark und Obmann des Verbandes Deutschvölkischer Angestellter, Arbeiter und Gehilfen in Voitsberg.381 Im Deutschen Schulverein Südmark waren in der Zeit des Ständestaates neben Kriehuber noch zahlreiche andere prominente Nationalsozialisten des Kreises Voitsberg tätig. Dr. Gerhard Amlacher war Obmann der Ortsgruppe Voitsberg und Hans Kloepfer Obmann der Ortsgruppe Köflach.382 In einer Sammlungsliste für den Verein aus dem Februar 1938 waren mit Max Emer, Karl Krainz, Hella Mirtl, Josef Walter und Friedrich Weifert fünf Nationalsozialisten die nach dem „Anschluss“ wichtige Posten im Kreis Voitsberg übernahmen als Spendensammler für den Verein vermerkt.383 Emer fungierte nach dem „Anschluss“ als Kreispropagandaleiter, Krainz als NSLB-Kreiswalter, Mirtl war als Kreisamtsleiterin für die Überwachung der Beziehungen zwischen der einheimischen Bevölkerung und den ausländischen Arbeitern zuständig, Walter wurde Bürgermeister von Bärnbach und Weifert Ortsgruppenleiter der NSDAP-Bärnbach. Auch für Kriehuber machte sich seine Tätigkeit bezahlt. Unmittelbar nach der NS- Machtübernahme wurde das VKW nicht wie viele andere Zeitungen geschlossen, sondern diente unter Kriehubers Führung maßgeblich der nationalsozialistischen Propaganda. Mit seiner Aufnahme in den Gemeinderat von Voitsberg erfuhr er nun durch den Kreisleiter persönlich Anerkennung für seine Dienste für den Nationalsozialismus.

Betrachtet man die Rolle von Kreisleiter Weißensteiner bei der Etablierung der neuen staatlichen Verwaltungsstrukturen, so ist festzustellen, dass seine Macht bis tief in die Gemeindeämter reichte. So ernannte er im März 1939 den neuen Bürgermeister von Gradenberg und nahm Vorschläge für die Besetzung des Amtes des Lankowitzer

379 Vgl.: VKW, 18. Februar 1939. 380 StLa, BH VO 1938, Karton 206 Zl 14 Bu 1/4-1938 2. Juni 1938. 381 StLa, BH VO 1938, Karton 212 Zl 14 Ve 6/1-38 30. März 1938. 382 StLa, BH VO 1938, Karton 212 Zl 14 Ve 6/1-38 30. März 1938 383 StLa, BH VO 1938, Karton 211 Zl 14 Schu 2/1-1938 3. Februar 1938. 82

Bürgermeisters entgegen.384 Letztendlich setzte sich der bisherige Ortsgruppenleiter Franz Roth durch. Die Vereidigung der Bürgermeister und der Gemeinderäte konnte ebenfalls vom Kreisleiter durchgeführt werden. Dass dies aber nicht verpflichtend vorgeschrieben war, zeigt die Tatsache, dass die Vereidigung der Gemeinderäte, der im Gebiet der Ortsgruppe Bärnbach liegenden Gemeinden Bärnbach, Piber, Piberegg und Hochtregist vom Bärnbacher Ortsgruppenleiter August Holowat vorgenommen wurde, der selbst Bürgermeister von Piber war.385 Viele prominente Nationalsozialisten des Kreises saßen auch in den Gemeinderäten. In Voitsberg waren der spätere Bürgermeister Alfred Grabner, Kreiswirtschaftsberater Helmut Borovsky und der Kreisamtsleiter des Amtes für Volksgesundheit Dr. Ernst Bouvier Mitglieder des Gemeinderates. Insgesamt bestand der Voitsberger Gemeinderat aus zwölf Ratsherren und vier Beigeordneten. Amtskleidung war überraschenderweise der Steireranzug. Ernannt wurden alle Gemeinderäte für sechs Jahre.386

In politischer Hinsicht war die Lage im ersten Quartal des Jahres 1939 im Kreis Voitsberg weitgehend ruhig. Dass das NS-Regime im Kreis zusehends beliebt wurde, zeigte der Tag der deutschen Polizei. Dort bekam man in jeder Gemeinde gegen eine Spende für die NSV ein Abzeichen. Kreisweit wurde dem Landrat danach gemeldet, dass aufgrund der zahlreichen Spenden deutlich mehr Abzeichen benötigt worden wären.387 Nur vereinzelt kam es zu nicht regimekonformen Verhalten seitens der Bevölkerung. Den gröbsten Fall von politischer Widerstandsäußerung stellte, das bereits beschriebene Hissen der rot-weiß-roten Flagge am Pfarrturm dar. Ansonsten blieben Anzeigen oder Verhaftungen die Ausnahme.388 Lediglich im Bereich des Gendarmeriepostens Groß-Söding kam es zu zwei politisch motivierten Verhaftungen. In einem dieser Fälle wurden durch anonyme Briefe an die Kreisleitung Voitsberg Parteifunktionäre der NSDAP-Ortsgruppe Mooskirchen arg beschimpft und angegriffen. Die Gestapo forschte daraufhin die Verfasserin der Briefe aus und verhaftete sie.389

Die Stimmung der Bevölkerung war grundsätzlich gut, jedoch gab es in einzelnen Schichten und Regionen des Kreises Unzufriedenheit mit den NS-Machthabern. Innerhalb der Arbeiterschaft wurden, vor allem in den Städten und Bergbaugebieten des Kreises, vereinzelt

384 Vgl.: VKW, 11. März 1939 und 18. März 1939. 385 Vgl.: VKW, 11. März 1939. 386 Vgl.: VKW, 18. Februar 1939, 8. April 1939 und 10. Juni 1939. 387 StLa, BH VO, 1939, Zl 14 Po 1/3. 388 Vgl.:StLa, BH VO 1939 Karton 251, Zl 14 Wi 1 Jänner bis März 1939. 389 StLa, BH VO 1939 Karton 251, Zl 14 Wi 1 Groß-Söding 28. Jänner 1939. 83

Klagen über zu geringe Löhne bei zu hohen Abgaben laut.390 Der Gendarmerieposten Köflach berichtete dem Landrat, dass die Unzufriedenheit der Arbeiterschaft von marxistischen Elementen geschürt werde. Außerdem hetze auch ein sowjetischer Propagandasender die Arbeiter gegen das NS-Regime auf.391

In den ländlichen Gebieten des Kreises hatten die Nationalsozialisten vor allem mit der unverändert katholischen Einstellung der Bevölkerung zu kämpfen. So meldete der Gendarmerieposten Stallhofen dem Landrat, dass die Bevölkerung des Rayons zwar grundsätzlich mit dem NS-Regime einverstanden sei, jedoch sehr religiös ist und die Ansicht herrsche, dass der Nationalsozialismus gegen die Kirche und die Religion eingestellt sei. Dies stelle laut Postenkommandant das Haupthindernis für eine weitere Verbreitung der NS- Ideologie dar.392 In der Landgemeinde Krottendorf war die katholisch und ehemals vaterländische eingestellte Bevölkerung sehr teilnahmslos. Parteiveranstaltungen waren dort sehr schlecht besucht.393 Ausgesprochen schlecht war die Stimmung jedoch lediglich im Bereich des Gendarmeriepostens Edelschrott. Der Postenkommandant äußerte sich dazu dem Landrat gegenüber folgendermaßen: „In politischer Hinsicht herrscht viel Missstimmung, weil verschiedene Versprechungen, die im Vorjahre gemacht wurden, bis heute kaum wahrnehmbar eingehalten wurden, die Arbeitslosen in vielen Fällen, obwohl sie bedürftig wären, entweder gar keine oder erst nach Wochen einige Mark Arbeitslosenunterstützung bekommen haben.“ Weiters hieß es das Vertrauen der Bevölkerung werde zu schwanken beginnen falls nicht konkrete Tatsachen für eine Besserung der wirtschaftlichen Verhältnisse auch in Edelschrott, das mit Rücksicht auf seine gebirgige Lage als Notstandsgebiet bezeichnet wurde, sichtbar werden würden.394 Im Folgemonat meldete der Postenkommandant, dass in politischer Hinsicht, vor allem wegen der kaum eingetretenen wirtschaftlichen Besserung im Bereich der Landwirtschaft, große Zurückhaltung herrsche, ohne dass jedoch etwas gegen die NS-Regierung gesagt werde.395 Edelschrott bildete was die Stimmungslage der Bevölkerung betrifft kreisweit jedoch eine Ausnahme.

390 Vgl.: StLa, BH VO 1939 Karton 251, Zl 14 Wi 1 Voitsberg 31. Jänner 1939 und 28. Februar 1939, Köflach 31. Jänner 1939, 28. Februar 1939 und 1. April 1939, Bärnbach 1. April 1939, Maria Lankowitz 25. Februar 1939. 391 StLa, BH VO 1939 Karton 251, Zl 14 Wi 1 Köflach 28. Febuar und 1. April 1939. 392 StLa, BH VO 1939 Karton 251, Zl 14 Wi 1 Stallhofen 1. Februar 1939. 393 StLa, BH VO 1939 Karton 251, Zl 14 Wi 1 Landrat an Gauleitung 1. März 1939. 394 StLa, BH VO 1939 Karton 251, Zl 14 Wi 1 Edelschrott 30. Jänner 1939. 395 StLa, BH VO 1939 Karton 251, Zl 14 Wi 1 Edelschrott 27. Februar 1939. 84

In Hinblick auf die außenpolitische Lage herrschte im Kreis Voitsberg zu Jahresbeginn große Besorgnis vor einem Kriegsausbruch. Als die Zerschlagung und Eingliederung der „Rest- Tschechei“ jedoch durchgeführt war und nicht zu einem Kriegsausbruch führte, legte sich die Angst der Bevölkerung. Besagte Eingliederung führte ebenso wie die Okkupation des Memellandes durch das Deutsche Reich zu einer Verbesserung der Stimmung innerhalb der Kreisbevölkerung.396

In wirtschaftlicher Hinsicht war die Lage von einem allgemeinen Aufschwung gekennzeichnet. Im Großen und Ganzen wurden die wirtschaftlichen Verhältnisse von allen Gendarmerieposten als gut bezeichnet.397 Im Jänner 1939 verzeichnete der Handel im Kreis Voitsberg den höchsten Umsatz seit Jahren. Außerdem ging die Arbeitslosigkeit stark zurück.398 Problematisch war jedoch der starke Landarbeitermangel, der fast ausnahmslos in allen Wirtschafts- und Sicherheitsberichten thematisiert wurde. Im Lagebericht des Landrates an den Gauleiter für den Monat Februar beklagte dieser 600 freie Landarbeiterposten, die nicht nachbesetzt werden könnten. Die Lebensmittelversorgung der Bevölkerung funktionierte dennoch gut. An Sozialleistung wie Kinderbeihilfen und Ehestandsdarlehen wurden im ersten Jahr der NS-Herrschaft 180.000 RM an die Bevölkerung ausgezahlt.399 Ein Mangel herrschte jedoch an Südfrüchten und Textilien.400

Fasst man die politische und wirtschaftliche Lage ein Jahr nach dem „Anschluss“ zusammen, so ist festzustellen, dass die Nationalsozialisten ihre Macht konsolidiert hatten. Aktiver Widerstand wurde von der Kreisbevölkerung nicht geleistet. Vereinzelte Missstände wie die geringen Löhne der Arbeiterschaft, der Landarbeitermangel oder die aus nationalsozialistischer Sicht noch immer viel zu starke klerikale Einstellung weiter Teile der Landbevölkerung schlugen nicht in eine allgemeine Ablehnung des neuen Regimes um. Alles in allem war die Stimmung für die NS-Machthaber günstig. Dies war hauptsächlich auf den wirtschaftlichen Aufschwung, die stark gesunkene Arbeitslosigkeit und die außenpolitischen Erfolge zurückzuführen. All das wurde den Nationalsozialisten vom Großteil der Bevölkerung als Verdienst angerechnet. Darauf konnten sie in ihrer weiteren Arbeit aufbauen.

396 Vgl.: StLa, BH VO 1939 Karton 251, Zl 14 Wi 1 Jänner bis März 1939. 397 Vgl.: StLa, BH VO 1939 Karton 251, Zl 14 Wi 1 Jänner bis März 1939. 398 StLa, BH VO 1939 Karton 251, Zl 14 Wi 1 Landrat an Gauleiter Jänner bis März 1939. 399 StLa, BH VO 1939 Karton 251, Zl 14 Wi 1 1. März 1939. 400 Vgl.: StLa, BH VO 1939 Karton 251, Zl 14 Wi 1 Jänner bis März 1939. 85

Im April ließ sich auch Hans Kloepfer wieder einmal für die NS-Propaganda einspannen und verfasste ein im VKW abgedrucktes Gedicht anlässlich des einjährigen Jubiläums von Hitlers Besuch in Graz.401 Zu Hitlers 50. Geburtstag am 20. April 1939 war Kreisleiter Weißensteiner wie alle anderen Kreisleiter des Reichs in Berlin. Mit ihm durften auch die Vertreter der „alten Köflacher Garde“, August Ablasser und Ernst Godl sowie der ehemalige Voitsberger Ortsgruppenleiter aus dem Jahr 1924 und spätere Bezirksleiter Heinrich Leitl an den Geburtstagsfeierlichkeiten teilnehmen. Dort trafen sie mit Sepp Glatz und Ludwig Lippan zwei alte Parteimitglieder aus dem Kreis wieder, die nach ihrer Flucht ins Deutsche Reich mittlerweile in Berlin Karriere gemacht hatten. 402

Anfang Mai ging die Führung der Kreisfrauenschaft von Elsa Stabler auf Hermine Blumauer über. Außerdem wurde August Holowat als Kreisführer des NSRKK von Rittmeister a.D. Unterrichter abgelöst.403 Der Juni begann für die Kreisleitung mit einem Geldsegen. Die Sparkasse Voitsberg-Köflach schenkte ihr aus dem Gewinn 500 RM. Weitere 333,33 RM überwies sie an die SA-Standarte des Kreises.404 Ganz von ungefähr kam die Schenkung jedoch nicht. Sieht man sich die Führung der Sparkasse an, so bemerkt man eine überaus starke nationalsozialistische Prägung derselben. Der Leiter der Sparkasse war Dr. Helmut Borovsky. Er bekleidete innerhalb der Kreisleitung das Amt des Kreiswirtschaftsberaters. Stellvertretender Vorsitzender war der Ortsgruppenleiter der Voitsberger NSDAP, Harald Lautner. Der Voitsberger Bürgermeister Leopold Hofbauer war ebenso Mitglied des Vorstandes wie sein Nachfolger Alfred Grabner. Weitere Vorstandsmitglieder waren der Köflacher Bürgermeister Franz Zeltner sowie sein Nachfolger Alois Brantl.405 Die Vorstandsmitgliedschaft der beiden Bürgermeister war auf den Umstand zurückzuführen, dass die Gemeinde Voitsberg mit 66,67 Prozent und die Gemeinde Köflach mit 33,33 Prozent für die Sparkasse hafteten.406 Vor der NS-Machtübernahme waren die Sparkassen Voitsberg und Köflach jeweils eigenständige Institute. Im 1939 erlassenen Gesetz bezüglich der „Neuordnung des Kreditwesens in der Ostmark“ wurde jedoch bestimmt, dass es zur Vermeidung von unnötiger Konkurrenz pro Kreis nur eine Sparkasse geben darf.407 Daraufhin wurden die Sparkassen Voitsberg und Köflach zur Sparkasse Voitsberg-Köflach vereinigt.

401 Vgl.: VKW, 15. April 1939. 402 Vgl.: VKW, 15. April 1939, 22. April 1939 und 6. Mai 1939. 403 Vgl.: VKW, 13. Mai 1939. 404 StLa, BH VO, 1939, Zl 14 Vo 1/26. 405 StLa, BH VO, 1939, Zl 14 Vo 1/10. 406 StLa, BH VO, 1940, Zl. 14 Vo 14/1-1940 20. Juni 1940. 407 Werner Rauchenwald, Die Grazer Sparkassen Chronik 1825-2000. Hintergründe und Fakten zur Geschichte der Grazer Sparkasseninstitute, Graz 2000, 526-527. 86

Mitte Juni 1939 fand die erste Kreistagung der DAF in Anwesenheit von Weißensteiner statt, der bei dieser Gelegenheit seine enge Verbundenheit mit der DAF, deren Gauobmann er ab 1943 werden sollte, zum Ausdruck brachte. Der Kreisobmann der DAF, Andreas Kattnigg, konnte Weißensteiner melden, dass bereits 10.000 Personen im Kreis Mitglieder der DAF waren. Außerdem verfügte die Organisation bereits über 1.000 ehrenamtliche Mitarbeiter.408 Bedenkt man, dass der Kreis Voitsberg zu diesem Zeitpunkt ca. 42.000 Einwohner hatte ist die Zahl von 10.000 DAF-Mitgliedern, also knapp einem Viertel der Kreisbevölkerung, durchaus aussagekräftig und ein Indiz für den Erfolg der nationalsozialistischen Bemühungen, möglichst viele Menschen in ihre Organisationen einzubinden. Erstmals scheint es laut Lagebericht des Landrates kreisweit keine Arbeitslosen gegeben zu haben, was die Stimmung der Kreisbevölkerung positiv beeinflusste.

In politischer Hinsicht blieb die Lage im Kreis Voitsberg im zweiten Quartal des Jahres 1939 weitgehend unverändert. Die politische Lage wurde in fast ausnahmslos allen Wirtschafts- und Sicherheitsberichten als ruhig oder günstig bezeichnet.409 Im April kam es jedoch zu einer von der Gestapo durchgeführten Verhaftungswelle. Die Verhaftungen betrafen hauptsächlich kommunistisch eingestellte Arbeiter in den Glasfabrikbetrieben Voitsberg, Köflach und Oberdorf (Bärnbach). In Steinberg wurde eine geheime kommunistische Radiosendeanlage gefunden.410 Eine der erwähnten Verhaftungen betraf den Lankowitzer Julius Gellinek, der später eine bedeutende Rolle innerhalb des kommunistischen Widerstandes im Kreis Voitsberg spielen sollte.411

Zwar kam es wie erwähnt kaum zu öffentlichen Widerstandsäußerungen gegen den Nationalsozialismus, dennoch erregten einige Anlässe Unmut innerhalb der Kreisbevölkerung. Dabei ist vor allem die Einführung der sogenannten Trinkgeldablöse zu erwähnen.412 Dabei handelte es sich um ein Gesetz, dem zufolge Gastwirte einen Teil des Trinkgeldes an den Staat abzuführen hatten, was zu einer Verteuerung der Getränkepreise führte. Der Gendarmeriepostenkommandant von Piber berichtete dazu sogar, dass die gesamte Bevölkerung seines Rayons über die Trinkgeldablöse schimpfe.413 In den Städten und

408 Vgl.: VKW, 24. Juni 1939. 409 Vgl.: StLa, BH VO 1939 Karton 251, Zl 14 Wi 1 April bis Juni 1939. 410 StLa, BH VO 1939 Karton 251, Zl 14 Wi 1 Landrat an Gauleiter 29. April 1939. 411 StLa, BH VO 1939 Karton 251, Zl 14 Wi 1 Maria Lankowitz 28. April 1939. 412 Vgl.: StLa, BH VO 1939 Karton 251, Zl 14 Wi 1 Juni 1939 und Landrat an Gauleiter 3. Juni 1939. 413 StLa, BH VO 1939 Karton 251, Zl 14 Wi 1 Piber 24. Juni 1939. 87

Industriegebieten des Kreises Voitsberg waren Teile der Arbeiterschaft weiterhin aufgrund der als zu gering empfundenen Löhne bei gleichzeitig zu hoher Steuerlast unzufrieden.414 Der Gendarmerieposten Köflach berichtete dazu wie schon im Vorquartal, dass die Unzufriedenheit durch kommunistische Aktivisten und einen sowjetischen Propagandasender geschürt werde.415 Obwohl sich die Arbeiterschaft über zu geringe Löhne beklagte, kann man daraus nicht auf eine generelle Ablehnung des NS-Regimes durch die Arbeiterklasse schließen. So berichtete der Gendarmerieposten Voitsberg dem Landrat im Mai 1939: „Nur bei den schon früher stark links orientierten Arbeitern ist Gegnerschaft zur Regierung zu erkennen. Dies äußert sich nicht offen, sondern sehr versteckt, so dass eine Handhabe zum Einschreiten fast nie gegeben ist.“416 Einen Monat später hieß es sogar, dass auch bei einem Großteil der Arbeiterschaft eine tiefe Verbundenheit mit „Staat und Partei“ festgestellt werden konnte, da man diesen das Verschwinden der Arbeitslosigkeit zuschrieb.417

In den ländlichen Gebieten des Kreises Voitsberg änderte sich im Vergleich zum ersten Quartal des Jahres 1939 wenig. Es kam zu keinen ernsthaften Widerstandsäußerungen, jedoch hatten die Nationalsozialisten weiterhin mit der klerikalen Einstellung von Teilen der Landbevölkerung zu kämpfen. Der Gendarmerieposten Geistthal meldete dem Landrat hierzu: „Ein Großteil der hiesigen Bauern läuft noch immer dem Pfarrer nach. So wurden am Geburtstag des Führers teilweise Anbauarbeiten verrichtet, wogegen die Bauern am 25. April 1939 feierten, weil ein Bauernfeiertag (Markustag) war. Mitglieder des BDM gehören noch immer dem Kirchenchor an. Zwei Mitglieder der NSF trugen bei der Auferstehungsprozession die Kleidung des aufgelösten katholischen Jungfrauenvereines. Eine davon trug sogar eine Kirchenfahne.“418 Einen Monat später wurde dem Landrat vom Gendarmerieposten Geistthal jedoch berichtet, dass auch die „schwarze“ Bevölkerung die Sanierung von ländlichen Wegen im Rayonsgebiet würdige und sich rege an nationalen Feiern beteilige.419 Der Lagebericht des Landrates zeigte des Weiteren eine Hebung der Stimmung der Geistthaler Bevölkerung, da die durch das Hochwasser des Vorjahres verursachten Schäden nun endlich behoben wurden.420 Im selben Monat hieß es aus Stallhofen, dass ein Teil der Landbevölkerung nur wegen ihrer fanatischen Einstellung zu

414 Vgl.: StLa, BH VO 1939 Karton 251, Zl 14 Wi 1 Voitsberg 30. April und 27. Mai 1939, Köflach 29. April, 26. Mai und 27. Juni 1939, Bärnbach 27. Juni 1939. 415 StLa, BH VO 1939 Karton 251, Zl 14 Wi 1 Köflach 29. April und 26. Mai 1939. 416 StLa, BH VO 1939 Karton 251, Zl 14 Wi 1 Voitsberg 27. Mai 1939. 417 StLa, BH VO 1939 Karton 251, Zl 14 Wi 1 Voitsberg 27. Juni 1939. 418 StLa, BH VO 1939 Karton 251, Zl 14 Wi 1 Geistthal 26. April 1939. 419 StLa, BH VO 1939 Karton 251, Zl 14 Wi 1 Geistthal 26. Mai 1939. 420 Vgl.: StLa, BH VO 1939 Karton 251, Zl 14 Wi 1 Geistthal April bis Juni 1939. 88

Kirche und Religion nicht für die NSDAP und im Geheimen vielleicht sogar gegen sie eingestellt sei. Außerdem wurden katholische Geistliche verdächtigt diese Stimmung versteckt zu schüren.421 Dennoch sei laut Gendarmeriepostenkommandant die generelle politische Lage als günstig zu bezeichnen.422 Aus den anderen ländlichen Gebieten des Kreises Voitsberg wurde dagegen aus nationalsozialistischer Sicht nur positives berichtet.423 Es scheint als hätte sich auch die Mehrheit des streng religiösen Teils der ländlichen Bevölkerung trotz ihrer grundsätzlichen Differenzen mit dem Nationalsozialismus und dessen antireligiöser Ausrichtung, aufgrund des wirtschaftlichen Aufschwungs mit dem Regime abgefunden zu haben.

Für die Monate April bis Juni 1939 liegen Berichte der Kreisbauernschaft vor. Diese bezeichnete die Stimmung innerhalb der Bauernschaft als allgemein gut. Allerdings meldete der Kreisbauernführer dem Landrat, dass nicht unbeachtet bleiben dürfe, dass die klerikale Seite des Bauerntums, wie auch die Vertreter der Kirche immer wieder versuchen, die Aufbauarbeit des Reichsnährstandes zu sabotieren und dass diese Tätigkeit im Geheimen verhältnismäßig stark betrieben wird.424 Außerdem mache es den Bauern zu schafften, dass die wirtschaftliche Besserung ihrer Lage im Vergleich mit anderen Schichten der Gesellschaft eher gering ausfiel.425 Für den Sommer wurden alle Veranstaltungen der Ortsbauernschaften ausgesetzt, da die meisten Bauern aufgrund des Landarbeitermangels so sehr mit ihren Anbauarbeiten beschäftigt waren, dass sie bisher kaum zu besagten Veranstaltungen erschienen sind.426

In wirtschaftlicher Hinsicht war die Lage im Kreis Voitsberg im zweiten Quartal des Jahres 1939 von einem allgemeinen Aufschwung geprägt. Probleme bereitete den Machthabern nur der obligatorische Landarbeitermangel.427 Dem gegenüber standen große Fortschritte, vor allem im Bereich der Arbeitslosigkeit. Im Mai und Juni 1939 gab es laut Landrat im gesamten Kreis Voitsberg keine Arbeitslosen mehr.428 Dies wirkte sich wie bereits erwähnt äußerst positiv auf die Stimmung der Bevölkerung aus. Spannungen gab es jedoch wegen der zu niedrigen Löhne. Am 30. Juni legte daher, die Belegschaft des Kohlenwerkes Piberstein unter

421 StLa, BH VO 1939 Karton 251, Zl 14 Wi 1 Stallhofen 29. April 1939. 422 StLa, BH VO 1939 Karton 251, Zl 14 Wi 1 Stallhofen 29. April 1939, 31. Mai und 27. Juni 1939. 423Vgl.: StLa, BH VO 1939 Karton 251, Zl 14 Wi 1 April bis Juni 1939. 424 StLa, BH VO 1939 Karton 251, Zl 14 Wi 1 Kreisbauernschaft an Landrat 29. April 1939. 425 StLa, BH VO 1939 Karton 251, Zl 14 Wi 1 Kreisbauernschaft an Landrat 30. Mai 1939. 426 StLa, BH VO 1939 Karton 251, Zl 14 Wi 1 Kreisbauernschaft an Landrat 30. Juni 1939. 427 StLa, BH VO 1939 Karton 251, Zl 14 Wi 1 April bis Juni 1939. 428 StLa, BH VO 1939 Karton 251, Zl 14 Wi 1 Landrat an Gauleiter 1. Juni 1939 und 3. Juli 1939. 89

Führung des ehemaligen sozialdemokratischen Bürgermeisters von Maria Lankowitz, Franz Brunner, die Arbeit in der Grube nieder. Anschließend beschwerte sie sich beim Ortsgruppenleiter wegen andauernder Lohndrückereien.429 Es folgte eine nicht näher beschriebene Intervention der DAF, welche die Lage beruhigte. Von einer Verhaftung Brunners oder davon, dass es für die Streikenden Konsequenzen gab, war in den diesbezüglichen Berichten nichts zu lesen.430 Daher ist davon auszugehen, dass die Angelegenheit einvernehmlich gelöst wurde. Solche Unruhen innerhalb der Arbeiterschaft blieben kreisweit die Ausnahme. In der Regel war die Arbeiterschaft wohl zufrieden darüber wieder Arbeit zu haben.

Im Juli fand das erste „Fest der Namensgebung“ im Kreis statt. Diese Festveranstaltung, welche das NS-Pendant zur kirchlichen Taufe war, wurde von der NS-Frauenschaft veranstaltet.431 Die Kreisleitung setzte im gleichen Monat eine sozialpolitische Geste. Ende des Monats druckte das VKW einen persönlicher Aufruf Weißensteiners an die Waldbesitzer ab, in dem er von ihnen forderte den „Volksgenossen“ das Sammeln von Pilzen und Beeren zu erlauben.432 Anfang August stieg Hubert Eissner zum Kreiswirtschaftsberater auf. Grund dafür war der Weggang Helmut Borovskys, der die Leitung der Landeshypothekenanstalt in Linz übernahm.433 Mitte August besuchte Gauleiter Uiberreither Köflach und wurde wie üblich von Weißensteiner empfangen.434 Wenig später erfolgte die Erhebung der, wie es in einem Artikel des Voitsberg-Köflacher Wochenblattes hieß, „nationalsozialistischen Hochburg“ Köflach zur Stadt.435 Zum Ende des letzten Friedensmonats wurde der Voitsberger Ratsherr und ehemalige Kreisgeschäftsführer Karl Neuhold zum Sekretär des stellvertretenden Gauleiters Tobias Portschy berufen.436 Es ist anzunehmen, dass Portschys Freund Anton Weißensteiner etwas mit der Berufung zu tun hatte.

Kriegsbeginn und Verstärkung der Repression

Als am 1. September 1939 Hitlers Überfall auf Polen begann, war man innerhalb der Kreisparteiführung wohl genauso überrascht wie der Rest der Bevölkerung. Diesen Schluss

429StLa, BH VO 1939 Karton 251, Zl 14 Wi 1 Landrat an Gauleiter 3. Juli 1939 430 StLa, BH VO 1939 Karton 251, Zl 14 Wi 1 Maria Lankowitz 27. Juli 1939. 431 Vgl.: VKW, 8. Juli 1939. 432 Vgl.: VKW, 29. Juli 1939. 433 Vgl.: VKW, 5. August 1939. 434 Vgl.: VKW, 12. August 1939. 435 Vgl.: VKW, 19. August 1939. 436 Vgl.: VKW, 26. August 1939. 90 legt die Tatsache nahe, dass es im VKW, welches am 2. September erschien, keinerlei Äußerungen der führenden Nationalsozialisten des Kreises gab. Möglicherweise wartete man aber auch auf Anweisungen von höherer Stelle, welche die Stoßrichtung der Propaganda vorgeben sollten. Erst eine Woche später äußerte sich Weißensteiner öffentlich zum Krieg. Er widersprach dabei Gerüchten wonach zahlreiche Soldaten aus dem Kreis Voitsberg bereits gefallen seien und drohte deren Urhebern.437 Generell schien die Bevölkerung wenig begeistert vom Kriegsbeginn gewesen zu sein. Kreisweit fielen einige Personen mit Unmutsäußerungen über den Kriegsausbruch auf. So sagte der Edelschrotter Zimmermann Josef Holzerbauer am 10. September in einem Gasthaus, dass alle ihre Waffen wegwerfen sollten. Daraufhin wurde er angezeigt und für zehn Tage in Haft genommen.438 Vom Gendarmerieposten Ligist wurde die klerikal eingestellte Anna Decrinis, bei der schon im Februar 1939 eine Hausdurchsuchung vorgenommen worden war, am 3. September wegen angeblichen Verstoßes gegen das Heimtückegesetz festgenommen. Ihre Überstellung an die Gestapo erfolgte zwei Tage später.439 Letztendlich konnte ihr jedoch nichts nachgewiesen werden, woraufhin das Verfahren eingestellt wurde und Decrinis freikam.440 Ihr Geschäft wurde jedoch auf Anweisung des Ligister Ortsgruppenleiters Fritz Kals geschlossen.441 In Voitsberg und Köflach fanden die ersten NSDAP-Generalappelle nach Kriegsbeginn statt.442 Das Lebensmittelkartensystem, welches zahlreichen Kreisbewohnern schon aus dem Ersten Weltkrieg bekannt war, wurde in modifizierter Form wieder eingeführt.443

Wenig später kam es zur ersten kriegsbedingten Veränderung an der Spitze einer Ortsgruppe im Kreis. Der Bärnbacher Ortsgruppenleiter August Holowat rückte zur Wehrmacht ein und wurde durch Friedrich Weifert ersetzt.444 Ebenfalls im September rückte der Mooskirchner Ortsgruppenleiter Peter Puff zur Wehrmacht ein. Fritz Pernhaupt wurde sein Nachfolger.445 Mitte November erfolgte die Einrückung des Köflacher Bürgermeister Franz Zeltner. Als sein Nachfolger fungierte Alois Brantl, der vorerst die kommissarische Führung der

437 Vgl.: VKW, 9. September 1939. 438 Vgl.: Walter Brunner (Hg.), Geschichte und Topographie des Bezirkes Voitsberg. Band 2: Bezirkslexikon, Graz 2011, 33. 439 Vgl. S. 65. Und StLa BH VO 1939 Karton 248 Zl 14 De 1/3 7. September 1939 440 . BH VO 1939 Karton 250 Zl 14 Sta 12/1 441 StLa, BH VO 1939 Karton 251, Zl 14 Wi 1 Ligist 27. September 1939. 442 Vgl.: Ebd. 443 Vgl.: Vgl.: Bernhard Reismann, Allgemeine Geschichte des Bezirkes 1848-2005, in: Walter Brunner (Hg.), Geschichte und Topographie des Bezirkes Voitsberg. Band 1: Allgemeiner Teil, Graz 2011, 186. 444 Vgl.: VKW, 16. September 1939. 445 Vgl.: VKW, 7. Oktober 1939. 91

Gemeindegeschäfte übernahm.446 Er behielt das Amt jedoch bis 1941.447 Der erste höhere Nationalsozialist des Kreises, der im Krieg fiel, war Josef Mugrauer, Führer des SA-Sturmes 16.448 Am 18. September 1939 gab die Kreisleitung dem Landrat gegenüber bekannt, dass sie auf Aufforderung der Gestapo nun auch dieser alle politischen Anzeigen bekannt geben musste.449 Die Verfolgung der politischen Gegner des Nationalsozialismus wurde so intensiviert. Kreisleiter Weißensteiners erster belegter öffentlicher Auftritt nach Kriegsbeginn fand Ende September in Bärnbach statt, wo er das örtliche Stimmungsbild einholte. Nach der Eroberung Warschaus mussten kreisweit acht Tage, je eine Stunde lang, alle Kirchglocken geläutet werden.450

In politischer Hinsicht blieb Lage im dritten Quartal des Jahres 1939 stabil. Aus Sicht der NS- Herrscher wurde sie durchgehend als günstig bezeichnet.451 Der Kriegsausbruch führte zu einer kurzzeitigen Verschlechterung der Lage, was sich in den bereits erwähnten Anzeigen und Verhaftungen wegen negativer Äußerungen über den Krieg wiederspiegelte. In vielen Fällen steckten Funktionäre der NSDAP hinter den Anzeigen. Dies geht aus einem Bericht des Gendarmeriepostens Köflach an den Landrat eindeutig hervor.452 Neben der kriegsbedingten politischen Repression kam es im Juli 1939 zur Ablösung des Kainacher Pfarrers Alois Voller, der durch seine Reden angeblich Unruhe in die Bevölkerung getragen hatte. Voller wurde daraufhin aus dem Kreisgebiet ausgewiesen.453

Die Stimmung der Kreisbevölkerung blieb bis zum Ausbruch des Krieges größtenteils unverändert und wurde von den Gendarmeriepostenkommandanten dem Landrat gegenüber überwiegend als gut bezeichnet. Unmittelbar danach herrschte eine nervöse Stimmungslage vor. Nach den Meldungen über die Siege der Wehrmacht wich die negative Stimmung der Bevölkerung jedoch allmählich. Nun dominierten Freude und Begeisterung.454 Abgesehen von den Kriegsereignissen blieben die ausschlaggebenden Faktoren für die Stimmungslage der Bevölkerung dieselben wie im Vorquartal. Teile der Arbeiterschaft beschwerten sich

446 Vgl.: VKW, 18. November 1939. 447 Vgl.: Vgl.: Walter Brunner (Hg.), Geschichte und Topographie des Bezirkes Voitsberg. Band 2: Bezirkslexikon, Graz 2011, 136. 448 Vgl.: VKW, 23. September 1939. 449 StLa, BH VO, 1939, Zl 14 Sta 12/3. 450 Vgl.: Bernhard Reismann, Allgemeine Geschichte des Bezirkes 1848-2005, in: Walter Brunner (Hg.), Geschichte und Topographie des Bezirkes Voitsberg. Band 1: Allgemeiner Teil, Graz 2011, 187. 451 Vgl.: StLa, BH VO 1939 Karton 251, Zl 14 Wi 1 Juli bis September 1939. 452 StLa, BH VO 1939 Karton 251, Zl 14 Wi Köflach 26. September 1939. 453 StLa, BH VO 1939 Karton 251, Zl 14 Wi 1 Kainach 25. Juli 1939 und Landrat an Gauleiter 1. August 1939. Mehr zur Ablösung Vollers im Kapitel Widerstand und Verfolgung. 454 StLa, BH VO 1939 Karton 251, Zl 14 Wi 1 September 1939. 92 weiterhin über zu geringe Löhne.455 Für Freude sorgte hingegen die Abschaffung der viel kritisierten Trinkgeldablöse.456

Die wirtschaftliche Lage wurde von der großen Mehrheit der Gendarmeriepostenkommandanten, trotz des noch immer drückenden Landarbeitermangels, bis zum Kriegsbeginn als günstig bezeichnet.457 Im gesamten Kreisgebiet gab es keine Arbeitslosen.458 Lediglich der Gendarmerieposten Geistthal sprach bereits im August 1939 von einem katastrophalen Mangel an Benzin der die Bauern (zu Recht) von einem baldigen Krieg ausgehen ließ.459 Mit dem Kriegsausbruch und der damit verbundenen Einführung von Bezugsscheinen für Lebensmittel, Kleidung und Gebrauchsgegenstände kam es kreisweit zu einer allgemeinen Verknappung von Waren aller Art.460 Dies machte sich laut Gendarmerieberichten zunächst vor allem in den ländlichen Gebieten des Kreises Voitsberg bemerkbar.461 Neben der Verknappung im Angebot wurde die Zuteilung der Bezugsscheine, hauptsächlich von Teilen der Bevölkerung in den Industriegebieten, als zu gering erachtet.462 Im Großen und Ganzen herrschte laut Landrat bezüglich der Einführung der Bezugsscheine jedoch Ruhe und Verständnis vor.463 Der Landarbeitermangel wurde durch die zahlreichen Einberufungen zur Wehrmacht weiter verstärkt, worüber sich Teile der ländlichen Bevölkerung beklagten.464

Im Zusammenhang mit der Eroberung von Warschau fand die erste öffentliche Rede des Kreisleiters nach Kriegsbeginn Mitte Oktober in Ligist statt, wo er zusammen mit Ortsgruppenleiter Kals sprach, der sich über die Anwesenheit des Kreisleiters freute. Ende Oktober sprach Weißensteiner noch im Bärnbacher Gasthaus Hojas.465 Der Voitsberger Landrat Pleunik wurde am 19. September zur Landeshauptmannschaft nach Graz versetzt. Seine Nachfolge trat der „Reichsdeutsche“ Dr. Hermann Lutz an.466 Der neue Landrat

455 Vgl.: StLa, BH VO 1939 Karton 251, Zl 14 Wi 1 Voitsberg 26. Juli 1939, Maria Lankowitz 27. Juli 1939 und Köflach 26. Juli 1939. 456 Vgl.: StLa, BH VO 1939 Karton 251, Zl 14 Wi 1 Juli bis September 1939. 457 Vgl.: Ebd. und Landrat an Gauleiter 1. August 1939. 458 StLa, BH VO 1939 Karton 251, Zl 14 Wi 1 Landrat an Gauleiter 1. August 1939 und 6. September 1939. 459 StLa, BH VO 1939 Karton 251, Zl 14 Wi 1 Geistthal 19. August 1939. 460 Vgl.: StLa, BH VO 1939 Karton 251, Zl 14 Wi 1 Juli bis September 1939. 461 Vgl.: StLa, BH VO 1939 Karton 251, Zl 14 Wi 1 Edelschrott 26. September 1939, Salla 26. September 1939, Groß-Söding 27. September 1939, 462 StLa, BH VO 1939 Karton 251, Zl 14 Wi 1 Köflach 26. September 1939 und Bärnbach 29. September 1939. 463 StLa, BH VO 1939 Karton 251, Zl 14 Wi 1 Landrat an Gauleiter 6. September 1939. 464 StLa, BH VO 1939 Karton 251, Zl 14 Wi 1 Piber 25. September 1939 und Ligist 27. September 1939. 465 Vgl.: VKW, 7. Oktober 1939, 21. Oktober 1939 und 28. Oktober 1939. 466 Vgl.: Walter Brunner (Hg.), Geschichte und Topographie des Bezirkes Voitsberg. Band 2: Bezirkslexikon, Graz 2011, 331. 93 meldete in seinem ersten Lagebericht, dass die Kreisbevölkerung den Kriegsausbruch ruhig aufgenommen habe und die Erfolge der Wehrmacht begrüße. Das Lebensmittelkartensystem wurde ebenso wie die Einführung der Kleiderkarte positiv bewertet. Der Mangel an Landarbeitern verschärfte sich durch den Kriegsausbruch und die damit einhergehenden Einrückungen zur Wehrmacht weiter. Ärger in der Kreisbevölkerung gab es vor allem über die Tabakkürzungen. Außerdem wurde von einigen Verhaftungen wegen „systemfeindlicher Äußerungen“ berichtet.467 Dass auch so manches NSDAP-Mitglied vom Krieg nicht begeistert war zeigt ein Vorfall aus dem Oktober 1939. Ein zeigte ein Mitglied der eigenen Ortsgruppe wegen staatsfeindlicher Äußerungen an.468 Insgesamt lässt sich feststellen, dass die Repression des NS-Regimes gegenüber der eigenen Bevölkerung mit Beginn des Krieges auch im Kreis Voitsberg stärker wurde.

Wahrscheinlich durch den Krieg bedingt kamen im Kreis Voitsberg immer mehr Gerüchte über eine Kultursteuer auf. Kreispropagandaleiter Emer trat diesen Gerüchten öffentlich entgegen.469 Ende November stattete Tobias Portschy dem Kreis einen Besuch ab. Begleitet von Weißensteiner und Ulz besuchte er die Ortsgruppen Köflach, Kainach und Bärnbach.470 In der gleichen Woche sprach Weißensteiner in Köflach zum ersten Mal über die Kriegsursachen, besser gesagt die Kriegsursachen aus Sicht der nationalsozialistischen Propaganda und den weiteren Kriegsverlauf.471 Im Dezember 1939 wurde das Opferbuch im Kreis Voitsberg aufgelegt. Weißensteiner spendete als erster Bürger des Kreises.472 Im selben Monat fand Hans Kloepfers erster propagandistischer Auftritt nach Kriegsausbruch statt. Er las sein Gedicht „Der Führer“ für die Hitlerjugend des Kreises. In diesem schrieb er wohl beeindruckt vom schnellen Sieg über Polen zur Person Hitler: „Ich fasse deines Wesens Allmacht nicht“ und „was wir in der Welt an Großem schauen, es ist dein Werk und seine Kraft bist du“.473

Ebenfalls im Dezember begann die Erfassung von notorischen Blaumachern und Alkoholikern, wie sie im NS-Jargon genannt wurden. Diese Repression stand in unmittelbaren Zusammenhang mit dem Krieg und den dadurch bedingten erhöhten Anstrengungen die

467 StLa, BH VO, 1939, Zl 14 Wi 1/17. 468 StLa, BH VO, 1939, Zl 14 Sta 12/5. 469 Vgl.: VKW, 18. November 1939. 470 Vgl.: VKW, 25. November 1939. 471 Vgl.: Ebd. 472 Vgl.: VKW, 9. Dezember 1939. 473 Vgl.: 9. Dezember 1939 und 16. Dezember 1939. 94

Leistung der eigenen Betriebe zu steigern. Personen, die öfters der Arbeit fernblieben, betrunken zur Arbeit erschienen oder beides, sollten von der DAF und den Ortsgruppen der NSDAP dem Landrat gemeldet werden. Nach einer ersten Verwarnung erfolgten bei wiederholtem Vergehen eine mehrtägige Haftstrafe und ein einjähriges kreisweites Gasthausverbot.474 Bis Ende Jänner 1940 wurden so 65 Personen zu „Trunkenbolden“ erklärt und erhielten Gasthausverbote. In den meisten Fällen wurde sogar eine mehrtägige Haftstrafe verhängt.475 Bei den Anzeigen spielte die DAF, allen voran Kreisobmann Andreas Kattnigg die zentrale Rolle. In zehn Fällen erstattete er selbst Anzeige beim Landrat. In jedem dieser Fälle erfolgte eine Verhaftung.476 Manchmal ging die Anzeige aber auch direkt von den Betrieben, den Bürgermeistern, den Gendarmerieposten, der Kreisleitung oder auch von Privatpersonen aus.477 Anzeigen innerhalb der eigenen Familie, vor allem gegen den Ehepartner, waren ebenfalls keine Seltenheit.478 In manchen Fällen stellten sich solche Anzeigen als unbegründeter Racheakt des Ehepartners heraus.479 Auch Ortsgruppenleiter und Kreisleitung verlangten für einige Personen Gasthausverbote.480 Entscheidend für die Verhängung eines Alkoholverbotes war das Gutachten des zuständigen Amtsarztes. Seiner Empfehlung wurde in fast allen Fällen entsprochen. Den Betroffenen blieb die Möglichkeit, gegen das Gasthausverbot Berufung einzulegen, was viele auch taten. In manchen Fällen war eine solche Berufung auch erfolgreich. Wurde gegen das Alkoholverbot verstoßen, drohte den Betroffenen die Einweisung in ein Arbeitslager. In allen von mir untersuchten Fällen blieben Einweisungen ins Arbeitslager in Admont jedoch die Ausnahme. Die Verhängung von mehrtägigen Haftstrafen beschränkte sich im weiteren Verlauf des Krieges auf Personen, die aufgrund ihres Alkoholismus der Arbeit fernblieben. Des Weiteren ist festzustellen, dass die Anzahl der Anträge auf Verhängung eines Alkoholverbotes in den letzten Kriegsjahren immer weiter zurückging.481

Zum Ende des Jahres entbot Kreisleiter Weißensteiner allen „Volks- und Parteigenossen“ seine Weihnachts- und Neujahrswünsche. Außerdem bedankte er sich bei einem

474 StLa, BH VO, 1939 Zl 14 A 21 475 StLa, BH VO, 1939 Zl 14 A 21/7. 476 Vgl.: StLa, BH VO, 1939 Zl 14 Bu 5/3-7. 477 StLa, BH VO, 1939-1945 478 Vgl.: Vgl.: StLa, BH VO, 1940 Zl 14 We 14/1 21. Oktober 1940; StLa, BH VO, 1941, Zl 14 A 21/14 11. September 1940 und StLa, BH VO, 1942, Zl 14 La 2/1-42 16. Mai 1942 u.a. 479 StLa, BH VO, 1942, Zl 14 La 2/1-42 16. Mai 1942 480 Vgl.: StLa, BH VO, 1939, Zl 14 Su 4/1, Schi 2/2. 481 Vgl.: StLa, BH VO, 1939-1945. 95

Jahresabschlussappell bei seinen Mitarbeitern und den Führern der Gliederungen.482 Ende Dezember erfolgten noch zwei personelle Veränderungen im Kreis. Walter Senegacnik trat als Kreisamtswalter der NSV zurück, um wieder im Schuldienst zu arbeiten und Max Wiedner folgte Leopold Krenn als Kreisführer des Gendarmeriekreises Voitsberg nach.483

Im vierten Quartal des Jahres 1939 hat sich die politische Lage im Kreis Voitsberg aus Sicht der Nationalsozialisten verschlechtert, was zu einer Verstärkung der Repression führte. Dies geht eindeutig aus der dem Landrat von den Gendarmerieposten gemeldeten Zahl der politisch motivierten Anzeigen und Verhaftungen hervor. Insgesamt kam es demzufolge kreisweit zu 16 politisch motivierten Anzeigen und drei politisch motivierten Verhaftungen. Dabei ging es hauptsächlich um Delikte wie das Abhören feindlicher Sender, das Verbreiten von Gerüchten und um Verstöße gegen das Heimtückegesetz.484 Schwerpunkt der Repressionswelle war der Bereich des Gendarmeriepostens Köflach. Von dort wurden dem Landrat von Oktober bis Dezember elf Fälle von anzeigewürdigem nicht-regimekonformen Verhalten gemeldet.485

Was die Stimmungslage der Bevölkerung betrifft, scheint diese vor allem von den eingetretenen wirtschaftlichen Einschränkungen beeinflusst worden zu sein. In zahlreichen Fällen kam es deswegen zu Meckereien. Von den ländlichen Gendarmerieposten Groß-Söding und Geistthal wurde dem Landrat gemeldet, dass sich immer mehr Bauern wegen Benzinmangels beschweren würden.486 In Groß-Söding kam es durch Wehrmachtsrequierierungen auch zu einem Mangel an Pferden.487 Mit dem Bezugsscheinsystem scheint sich die Kreisbevölkerung langsam abgefunden zu haben. Lediglich in Voitsberg wurden Beschwerden über die als zu gering empfundene Zuteilung von Fett laut, während man sich in Maria Lankowitz über einen Mangel an Rauchwaren beschwerte.488 Im Bereich des Gendarmeriepostens Stallhofen kam es, vor allem von Seiten

482 Vgl.: VKW, 23. Dezember 1939. 483 Vgl.: VKW, 23. Dezember 1939 und 30. Dezember 1939. 484 Vgl.: StLa, BH VO 1939 Karton 251, Zl 14 Wi 1 Oktober bis Dezember 1939. 485 Vgl.: StLa, BH VO 1939 Karton 251, Zl 14 Wi 1 Köflach Oktober bis Dezember 1939. 486 Vgl.: StLa, BH VO 1939 Karton 251, Zl 14 Wi 1 Groß-Söding 27. Oktober 1939 und Geistthal 14. Oktober und 22. Dezember 1939. 487 StLa, BH VO 1939 Karton 251, Zl 14 Wi 1 Groß-Söding 27. Oktober 1939 488 Vgl.: StLa, BH VO 1939 Karton 251, Zl 14 Wi 1 Voitsberg 27. Oktober 1939 und Lankowitz Oktober bis Dezember 1939. 96 der weiblichen Bevölkerung, zu Missstimmung wegen der angeordneten Ablieferung von Milch an den Milchring Voitsberg.489

Die wirtschaftliche Lage wurde von den meisten Postenkommandanten des Kreises Voitsberg im vierten Quartal des Jahres 1939 als gut oder zufriedenstellend bezeichnet. Jedoch zählten sie oftmals im gleichen Bericht zahlreiche Bereiche auf, in denen es Probleme gab. An erster Stelle stand dabei wie üblich der Landarbeitermangel, der bis auf wenige Ausnahmen in jedem Bericht thematisiert wurde.490 Eine leichte Besserung der Situation wurde erst ab November durch den Einsatz polnischer Landarbeiter erreicht. Die ersten von ihnen wurden in den Rayons Maria Lankowitz und Kainach eingesetzt.491 In Kainach konnte dadurch der Landarbeitermangel bis Jahresende bereits völlig behoben werden.492 Im Bereich des Handwerks wirkten sich vor allem der Rohstoffmangel und die Einziehung von Arbeitskräften zur Wehrmacht negativ auf die Produktion aus.493 Kurios mutet eine Meldung des Gendarmeriepostens Kainach an, dessen Kommandant den Auswirkungen der gedrosselten Warenzuteilung auch etwas Gutes abgewinnen konnte. Laut seiner Wahrnehmung würden die Leute nun immerhin mehr Geld für Alkohol ausgeben, was dem Gastgewerbe zu gute käme. Der Landrat markierte diese Stelle im Bericht übrigens mit drei Rufzeichen, woraus man wohl schließen kann, dass er von dieser Entwicklung nicht wirklich begeistert war.494

Das Jahr 1940 begann mit einer groß angelegten Werbekampagne der NSV: Laut eigenen Angaben wurden 10.000 der 42.000 Einwohner des Kreises mit Waren im Gesamtwert von 281.320 Reichsmark unterstützt. Außerdem errichtete der NSV drei Kindergärten.495 Sollten diese Zahlen stimmen, wäre das eine durchaus beachtliche Leistung, welche bei den Einwohnern des Kreises sicher gut ankam. Ende des Monats fand eine große Führerbesprechung der NSV statt, bei der auch Kreisleiter Weißensteiner anwesend war.496 Ebenfalls Ende Jänner verkündete Kreisorganisationsleiter Ulz, dass der organisatorische

489 StLa, BH VO 1939 Karton 251, Zl 14 Wi 1 Stallhofen 28. November 1939. 490 Vgl.: StLa, BH VO 1939 Karton 251, Zl 14 Wi 1 Oktober bis Dezember 1939. 491 Vgl.: StLa, BH VO 1939 Karton 251, Zl 14 Wi 1 Maria Lankowitz 29. Dezember 1939 und Kainach 23. November und 26. Dezember 1939. 492 StLa, BH VO 1939 Karton 251, Zl 14 Wi 1 Kainach 26. Dezember 1939. 493 Vgl.: StLa, BH VO 1939 Karton 251, Zl 14 Wi 1 Voitsberg Oktober bis Dezember 1939. 494 StLa, BH VO 1939 Karton 251, Zl 14 Wi 1 Kainach 23. November 1939. 495 Vgl.: VKW, 13. Jänner 1940. 496 Vgl.: VKW, 27. Jänner 1940. 97

Aufbau der NSDAP im Kreis weitestgehend abgeschlossen war.497 Insgesamt hatte es also fast zwei Jahre gedauert, die Kreispartei nach „reichsdeutschem“ Vorbild aufzubauen.

Der Februar stand ganz im Zeichen einer Reihe von NSDAP-Veranstaltungen im Kreis, an welcher sich elf von zwölf Ortsgruppen beteiligten. Lediglich in der abgelegenen Ortsgruppe Geistthal fand keine Veranstaltung statt. Geplant wurden die Versammlungen vor Ort mit dem Motto „Deutsche Arbeit gegen englisch-jüdischen Kapitalismus“ bei einer Tagung der Ortsgruppenpropagandaleiter des Kreises in der Kreisleitung. Geleitet wurde die Tagung von Kreispropagandaleiter Emer und Kreisleiter Weißensteiner. Letzterer sprach selbst bei vier Veranstaltungen in Voitsberg, Bärnbach und Stallhofen. Zuvor hielt er bereits in Köflach eine Rede über die „englische Plutokratie“. Als Vorbereitung auf die Veranstaltungen fand am 6. und 7. Februar auch eine Tagung aller Kreisredner statt. 498 Neben der nach außen wirkenden Veranstaltungswelle fanden im Februar auch wichtige parteiinterne Versammlungen statt. Anfang des Monats waren die wichtigsten NSDAP-Vertreter des Kreises Voitsberg bei der Arbeitstagung der Hoheitsträger des Gaues Steiermark in Graz. Der Blick auf die Liste der anwesenden Hoheitsträger aus dem Kreis gibt darüber Aufschluss, welche Posten innerhalb der NSDAP des Kreises zu den wichtigsten gehörten. Bei der Arbeitstagung waren der Kreisleiter, der Kreisorganisationsleiter, der Kreispersonalamtsleiter, der Kreisschulungsleiter, der Kreisgeschäftsführer, der Kreisbeauftragte der DAF sowie die Ortsgruppenleiter oder ihre Stellvertreter bzw. in einem Fall der Ortsgruppenschulungsleiter anwesend.499

Kriegsbedingt kam es Mitte Februar 1940 zu einer Veränderung an der Spitze der Ortsgruppe Gradenberg. Ortsgruppenleiter Slamnig rückte zur Wehrmacht ein und wurde mit einer großen Veranstaltung, bei der auch Kreisleiter Weißensteiner anwesend war, verabschiedet. Slamnigs Nachfolger wurde Franz Fiedler.500 In Ligist folgte Johann Kaier als Ortsgruppenleiter auf Fritz Kals, der als Nachfolger von Walter Senegacnik Kreisamtswalter der NSV wurde.501 Kaier ist bereits bei den Gemeinderatswahlen 1930 Spitzenkandidat der NSDAP in Ligist gewesen. Außerdem war Kaier bereits seit 1939 Bürgermeister der

497 Vgl.: Ebd. 498 Vgl.: VKW, 3. Februar 1940, 10. Februar 1940 und 17. Februar 1940. 499 Vgl.: VKW, 3. Februar 1940. 500 Vgl.: VKW, 17. Februar 1940. 501 Vgl.: VKW, 3. Februar 1940. 98

Gemeinde Ligist.502 Er war damit der erst zweite Nationalsozialist im gesamten Gebiet des Kreises Voitsberg, der gleichzeitig Ortsgruppenleiter und Bürgermeister war. Im Februar und im März wurde allen Ortsgruppen, die noch keine offizielle NSDAP-Fahne hatten, eine solche im Rahmen einer „Führerbesprechung“ von Weißensteiner persönlich übergeben. Zu den betroffenen Ortsgruppen gehörte Ligist, wo die Fahne am 18. Februar übergeben wurde.503 Geistthal, St. Martin und Stallhofen erhielten ihre Fahnen etwas später.504

Generell dürfte im Kreis zu diesem Zeitpunkt eine für die Nationalsozialisten gute Stimmung geherrscht haben. Die Wirtschafts- und Sicherheitsberichte, welche die Gendarmerieposten des Kreises im ersten Quartal 1940 an den Landrat schickten, lassen einen solchen Schluss zu.505 Von überall aus dem Kreis wurde dem Landrat entweder eine ruhige oder günstige politische Lage gemeldet.506 Die Ergebnisse der Reichsstraßensammlungen und des Opferbuches welche eine deutliche Steigerung (bis zu 450 Prozent) im Vergleich zu den Sammlungen des Jahres 1938 aufwiesen, deuten ebenfalls in diese Richtung.507 Dass die im Voitsberg-Köflacher Wochenblatt angegebenen Zahlen nicht propagandistisch erhöht wurden, ist anzunehmen, da die guten Ergebnisse der Sammlung auch in vier Gendarmerieberichten erwähnt wurden.508

Gröbere Spannungen in politischer Hinsicht gab es lediglich im Bereich des Gendarmeriepostens Groß-Söding. Dort gab es eine große Zahl an so genannten „Meckerern“. Dieses „Meckerunwesen“ nahm erst nach der Verhaftung und anschließenden Verurteilung des Bauern Franz Schreiner wegen Vergehens nach dem „Heimtückegesetz“ ab. Schreiner wurde zu 18 Monaten Haft verurteilt.509 Einen Monat später wurden im gleichen Postenrayon zwei Personen wegen des Verdachts des Abhörens von Auslandssendern bei der Gestapo angezeigt. Einer davon war der Bürgermeister der Gemeinde Fluttendorf, Josef Schmölzer und der andere sein Nachbar. Die anschließend durchgeführten Erhebungen führten dazu, dass Schmölzers Sohn und der erwähnte Nachbar von der Gestapo festgenommen wurden. Nach einigen Tagen Haft wurden beide wieder entlassen. Wegen desselben Delikts wurde Ende

502 Walter Brunner (Hg.), Geschichte und Topographie des Bezirkes Voitsberg. Band 2: Bezirkslexikon, Graz 2011, 174. 503 StLa, BH VO, Karton 294, Zl 14 Wi 1, 26. Februar 1940. 504 Vgl.: VKW, 2. März 1940, 9. März 1940 und 23. März 1940. 505 Vgl.: StLa, BH VO, Karton 294, Zl 14 Wi 1, Jänner bis März 1940. 506 Vgl.: Ebd. 507 Vgl.: VKW, 16. März 1940 und 6. April 1940. 508 Vgl.: StLa, BH VO, Karton 294, Zl 14 Wi 1, Geistthal 22. Februar 1940, Ligist 26. März 1940, Groß-Söding 26. März 1940, Kainach 29. März 1940. 509 StLa, BH VO, Karton 294, Zl 14 Wi 1, Groß-Söding 27. Jänner 1940. 99

Februar der Kaplan der Gemeinde Mooskirchen Franz Gombocz verhaftet. Gombocz kam weniger glimpflich davon und wurde zu zwei Jahren Zuchthaus verurteilt.510 Auch der ehemalige Bürgermeister von Mooskirchen geriet ins Visier der Nationalsozialisten. Die Kreisleitung der NSDAP berichtete dem Landrat im März 1940, dass sich der von den Nationalsozialisten abgesetzte Bürgermeister als Gesuchsteller für verschiedene Personen betätigte und riet zur Vorsicht bei Ansuchen, die von ihm vorgebracht würden.511 Des Weiteren wurde im selben Rayon im Monat März noch eine Frau wegen „Führerbeleidung“ von der Gestapo verhaftet, jedoch nach wenigen Tagen wieder entlassen und ein weiterer Mann namens Simon Kollegger wegen Abhörens ausländischer Sender von Gendarmen des Postens Groß-Söding verhaftet und anschließend an die Gestapo übergeben. Über den weiteren Verbleib von Kollegger ist nichts bekannt.512 Auffällig ist die Konzentration der Verhaftungen auf den Bereich des Rayons Groß-Söding. In allen anderen Orten des Kreises Voitsberg gab es im ersten Quartal 1940 insgesamt nur drei Anzeigen und keine Verhaftung wegen politischer Delikte.513 Kreisweit war die Zahl der Anzeigen bzw. Verhaftungen aus politischen Gründen also vor allem im Vergleich zu späteren Jahren sehr gering. Andererseits begann im Frühjahr 1940 auch der Aufbau einer kommunistischen Widerstandsbewegung im Kreis Voitsberg.514 Dazu mehr im Kapitel Verfolgung und Widerstand.

In wirtschaftlicher Hinsicht gab es im ersten Quartal 1940 trotz allgemein guter Lage die üblichen Probleme für das NS-Regime.515 Diese machten sich vor allem im ländlichen Gebieten bemerkbar. Hier herrschte ein großer Mangel an Landarbeitern, der sich durch die zahlreichen Einberufungen zur Wehrmacht immer weiter verstärkte. In immer mehr Gemeinden wurden nun polnische Arbeiter als Hilfskräfte im landwirtschaftlichen Arbeitsdienst eingesetzt.516 Neben Kainach und Maria Lankowitz, wo die ersten polnischen Arbeiter bereits im Dezember eintrafen, meldete nun auch der Gendarmerieposten Voitsberg deren Ankunft.517 Obwohl in Maria Lankowitz im März 1940 bereits 24 polnische Landarbeiter eingesetzt wurden, gab es noch immer Klagen der bäuerlichen Bevölkerung über

510 Vgl.: StLa, BH VO, Karton 294, Zl 14 Wi 1, Groß-Söding 25. Februar und 26. März 1940. Vgl.: Bernhard Reismann, Allgemeine Geschichte des Bezirkes 1848-2005, in: Walter Brunner (Hg.), Geschichte und Topographie des Bezirkes Voitsberg.. Band 2: Bezirkslexikon, Graz 2011, 209. 511 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wa 1/2 5. März 1940. 512 StLa, BH VO, Karton 294, Zl 14 Wi 1. Groß-Söding. 26. März 1940. 513 Vgl.: StLa, BH VO, Karton 294, Zl 14 Wi 1, Jänner bis März 1940. 514 Vgl.: Bernhard Reismann, Allgemeine Geschichte des Bezirkes 1848-2005, in: Walter Brunner (Hg.), Geschichte und Topographie des Bezirkes Voitsberg. Band 1: Allgemeiner Teil, Graz 2011, 185. 515 Vgl.: StLa, BH VO, Karton 294, Zl 14 Wi 1. Jänner bis März 1940. 516 Vgl.: Ebd. 517 StLa, BH VO, Karton 294, Zl 14 Wi 1. Kainach: 23. Jänner 1940, Lankowitz: Jänner bis März 1940. 100 den Mangel an landwirtschaftlichen Arbeitern.518 Auch in Voitsberg konnte der Arbeitskräftemangel in der Landwirtschaft durch die Zuführung polnischer Arbeiter nur teilweise behoben werden.519 In Kainach hingegen wurde der Landarbeitermangel durch den Einsatz der Polen fürs erste behoben.520 In den Monaten darauf wurde dieser aber wegen der neuerlichen Einberufungen wieder spürbar.521 Die Bauern der Rayons Geistthal und Piber forderten vom Landrat explizit die Zuführung polnischer Landarbeiter für den Arbeitseinsatz.522

In den Industrieregionen des Kreises Voitsberg setzte man vonseiten der NS-Regierung alles daran, die Produktion zu steigern. Von besonderer Wichtigkeit war dabei die Kohlenförderung. In den Bergbaubetrieben wurde die Menge der eingelagerten Sprengmittel fast verdoppelt. Die Steigerung der Einlagerungsmenge wurde im Hinblick auf einen befürchteten kriegsbedingten Lieferengpass im Sprengmittelbereich durchgeführt. Insgesamt befanden sich im März 1940 22 Tonnen Sprengstoff in den Bergbaubetrieben des Kreises Voitsberg.523 Die dort im Laufe des nächsten Jahres immer stärker werdende kommunistische Widerstandsorganisation versuchte bald einen Teil der Sprengmittel für ihre eigenen Zwecke abzuzweigen.524

In materieller Hinsicht gab es von Seiten der Bevölkerung des Kreises Voitsberg Klagen über den Mangel an Petroleum. Dieser Mangel hatte vor allem für jene Bauern, die noch über kein elektrisches Licht verfügten, negative Auswirkungen. In manchen Landgemeinden wurden auch die Futtermittel für landwirtschaftliche Nutztiere knapp. Außerdem löste die im Allgemeinen als zu gering betrachtete Rationierung von Tabakwaren Kritik in der Bevölkerung aus. Teile der Arbeiterschaft, allen voran die Bergarbeiter, beklagten sich weiterhin über zu geringe Löhne im Vergleich zu den hohen Abzügen.525 Alles in allem wurde die wirtschaftliche Lage von den Gendarmeriepostenkommandanten jedoch durchwegs als ruhig, normal oder gut bezeichnet. Die Lebensmittelversorgung lief ebenfalls zum größten Teil ohne Probleme ab.526

518 StLa, BH VO, Karton 294, Zl 14 Wi 1. Lankowitz: 28. März 1940. 519 StLa, BH VO, Karton 294, Zl 14 Wi 1 Voitsberg: 1. April 1940. 520 StLa, BH VO, Karton 294, Zl 14 Wi 1. Kainach: 23. Jänner 1940. 521 StLa, BH VO, Karton 294, Zl 14 Wi 1 Kainach April – Juni 1940. 522 StLa, BH VO, Karton 294, Zl 14 Wi 1. Piber 22. Jänner 1940, Geistthal 23. März 1940, 523 StLa, BH VO, Karton 291, Zl 14 Se 3/1-1940. 524 Vgl. Kapitel Widerstand und Verfolgung. 525 StLa, BH VO, Karton 294, Zl 14 Wi 1 Lankowitz, 26. Februar und 28. März 1940. 526 Vgl.: StLa, BH VO, Karton 294, Zl 14 Wi 1. Jänner bis März 1940. 101

Was den Krieg und dessen Verlauf betrifft, war die Bevölkerung überwiegend zuversichtlich. Die Kriegsereignisse wurden mit großer Spannung verfolgt. In weitesten Teilen der Bevölkerung wurde mit einem guten Ausgang des Krieges gerechnet. Die verschärften Verdunkelungsmaßnahmen stießen ebenfalls auf Verständnis. Deren Durchführung verlief bis auf kleinere Probleme reibungslos.527

Parteiintern wurden alle Weichen dafür gestellt, dass Hubert Eissner während Weißensteiners Einrückung zur Waffen SS, dessen Posten übernahm. Mitte März wurde erstmals über öffentliche Reden Eissners in Voitsberg und Salla berichtet.528 Am 9.April ging die Ablöse vonstatten. Weißensteiner verabschiedete sich von seinen Mitarbeitern mit den Worten „Deutschland muss leben, auch wenn wir sterben müssen“.529 Hubert Eissner erklärte bei seiner Antrittsrede, dass nicht Ehrgeiz sondern Pflichtgefühl ihn zur Übernahme der Kreisleitung veranlasst hätte.530 Bei vielen alteingesessenen Nationalsozialisten dürfte die Berufung des ehemaligen Heimatschützers Eissners dennoch keine Begeisterung ausgelöst haben. Noch im gleichen Monat fand die erste Kreismitarbeiterbesprechung unter dem neuen Kreisleiter statt. Des Weiteren sprach Eissner bei einer Führerbesprechung in Bärnbach, bei einer Besprechung aller Ortsgruppenleiter des Kreises und einer Tagung der BDM- Führerinnen.531 Zu Hitlers Geburtstag verfasste Hans Kloepfer ein weiteres verherrlichendes Gedicht für diesen.532

Als im Mai 1940 der „Westfeldzug“ begann, rechnete der Großteil der Bevölkerung mit einem für das Deutsche Reich guten Ausgang.533 In propagandistischer Hinsicht ging die Tätigkeit der NSDAP im Kreis stark zurück. Kreisleiter Eissner absolvierte dennoch vier öffentliche Auftritte, über die berichtet wurde. Er sprach bei einer von ihm einberufenen Wirtschaftstagung des Kreises bei der auch Gauwirtschaftsberater Armin Dadieu anwesend war und eine Rede hielt, bei der Verabschiedung des Lankowitzer Organisationsleiters, bei einer Muttertagsfeier in Köflach sowie bei einer Arbeitsbesprechung der NS-Frauenschaft des Kreises Voitsberg534.

527 Vgl. Ebd. 528 Vgl.: VKW, 16. März 1940. 529 VKW, 13. April 1940. 530 Vgl.: Ebd. 531 Vgl.: VKW, 20. April 1940, 27. April 1940 und 4. Mai 1940. 532 Vgl.: VKW, 20. April 1940. 533 Vgl.: StLa, BH VO, Karton 294, Zl 14 Wi 1. Mai 1940. 534 Vgl.: VKW, 11. Mai 1940, 25. Mai 1940 und 1. Juni 1940. 102

Anfang Juni fand eine große Arbeitsbesprechung der Kreis-NSDAP statt. Eissner betonte dabei die Notwendigkeit schriftlicher Arbeit für die Partei. Entscheidend sei auch die Haltung der Parteimitglieder. Viele Fragen würden sich laut Eissner von alleine lösen, „wenn das Volk von der NS-Weltanschauung durchdrungen“535 sei. Kreisbauernführer Bauer wurde unterdessen zum Landesbauernrat ernannt.536 Als am 14. Juni 1940 Paris durch deutsche Truppen erobert wurde läuteten im Kreis, wie schon bei der Eroberung Warschaus, acht Tage lang je eine Stunde lang alle Kirchenglocken.537 Der Sieg über Frankreich wurde von der Bevölkerung des Kreises freudig begrüßt.538 Zahlreiche Häuser waren beflaggt und geschmückt.539 Über größere Siegesfeiern der NSDAP im Kreis ist jedoch nichts bekannt. Die Bevölkerung wurde eher auf den Kampf mit dem letzten verbleibenden Kriegsgegner des „Dritten Reiches“, dem britischen Empire eingeschworen.540 Im Sommer 1940 glaubte die Kreisbevölkerung laut Polizeiberichten fest an ein baldiges Kriegsende.541 Die Nationalsozialisten des Kreises äußerten sich aber vorerst nicht zu diesem Thema.

Die Stimmung in der Bevölkerung war in allen Gemeinden des Kreises gut und von Zuversicht geprägt.542 Im gesamten zweiten Quartal des Jahres 1940 gab es lediglich eine politisch motivierte Anzeige und vier politisch motivierte Festnahmen von Kreisbewohnern.543 Drei der Festnahmen fanden in Edelschrott statt, die andere in Lankowitz.544 An diese niedrige Zahl an Festnahmen, welche ein Spiegelbild der für die Machthaber günstigen Situation darstellt, kamen die Nationalsozialisten während ihrer restlichen Herrschaftsjahre nie wieder heran. Das „Dritte Reich“ war am Höhepunkt seiner Beliebtheit beim Volk angekommen. Dies gilt sowohl reichsweit als auch für den Kreis Voitsberg.

535 VKW, 8. Juni 1940. 536 Vgl.: Ebd. 537 Vgl.: Bernhard Reismann, Allgemeine Geschichte des Bezirkes 1848-2005, in: Walter Brunner (Hg.), Geschichte und Topographie des Bezirkes Voitsberg. Band 1: Allgemeiner Teil, Graz 2011, 187. 538 Vgl.: StLa, BH VO, Karton 294, Zl 14 Wi 1 Lankowitz 30. Mai und 30. Juni 1940 und Groß-Söding 26. Juni 1940. 539 StLa, BH VO, Karton 294, Zl 14 Wi 1Groß-Söding 26. Juni 1940. 540 Vgl.: VKW, Juni und Juli 1940. 541 Vgl.: Bernhard Reismann, Allgemeine Geschichte des Bezirkes 1848-2005, in: Walter Brunner (Hg.), Geschichte und Topographie des Bezirkes Voitsberg. Band 1: Allgemeiner Teil, Graz 2011, 187. 542Vgl.: StLa, BH VO, Karton 294, Zl 14 Wi 1 Juni 1940. 543 Vgl. Ebd. 544 Vgl.: StLa, BH VO, Karton 294, Zl 14 Wi 1 Edelschrott 30. April und 30. Mai 1940, Lankowitz 30. Mai 1940. 103

Lediglich in wirtschaftlicher Hinsicht gab es einige Probleme. Diese beschränkten sich jedoch im Wesentlichen auf den durch zahlreiche Wehrmachtseinberufungen weiter verschärften Mangel an Landarbeitern. Die zur Feldarbeit eingesetzten polnischen Arbeiter schafften es nur das Problem zu lindern. Alles in allem waren die Bauern laut Gendarmerieberichten mit ihren polnischen Arbeitskräften und deren Verhalten zufrieden.545 Von der Repression und dem Rassenwahn des NS-Regimes blieben die Polen jedoch auch im Kreis Voitsberg nicht verschont. Im April wurde zum ersten Mal ein polnischer Landarbeiter im Gebiet des Gendarmeriepostens Bärnbach von der Gestapo verhaftet. Grund der Verhaftung war das Abhören ausländischer Sender.546 Einen Monat später wurde eine polnische Landarbeiterin wegen „Rassenschande“ (Geschlechtsverkehr mit einem durchreisenden Wiener) festgenommen.547 In Bärnbach sorgte der Ortsgruppenleiter Friedrich Weifert dafür, dass einer Frau die mit einem polnischen Arbeiter einen Spaziergang unternahm, die Haare abgeschnitten wurden.548

Über die Lage der Industriearbeiterschaft gab es in den Gendarmerieberichten des zweiten Quartals 1940 kaum Auskünfte. Nur aus Kainach wurde gemeldet, dass der Lebensstandard der Arbeiter durch Hinaufsetzung der Preise für einige Lebensmittel und Bedarfsgegenstände gesunken ist.549 Die Gewerbetreibenden der Gemeinde Voitsberg schafften es aufgrund von Material- und Arbeitskräftemangel oftmals nicht ihre Aufträge rechtzeitig zu erledigen.550 Alles in allem jedoch war die wirtschaftliche Lage im Kreis zufriedenstellend.551

Mitte Juni berief Eissner den ersten Schulungsappell für Bürgermeister und Gemeindebeamte ein.552 Wenig später inspizierten Kreisorganisationsleiter Ulz und Kreisfrauenschaftsleiterin Blumauer einige Ortsgruppen des Kreises.553 Kreisleiter Eissner engagierte sich ebenso wie sein Vorgänger stark bei der DAF, an deren Kreisarbeitsbesprechung er Ende Juni ebenso teilnahm wie an einer „Führerbesprechung“ in Bärnbach.554

545 Vgl.: StLa, BH VO, Karton 294, Zl 14 Wi 1 April-Juni 1940. 546 StLa, BH VO, Karton 294, Zl 14 Wi 1 Bärnbach April 1940 547 StLa, BH VO, Karton 294, Zl 14 Wi 1 Köflach 27. Mai 1940. 548 LGS Graz, Vr 4099/47-5. 549 StLa, BH VO, Karton 294, Zl 14 Wi 1 Kainach 26. Juni 1940. 550 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Voitsberg 29. April 1940. 551 Vgl.: StLa, BH VO, Karton 294, Zl 14 Wi 1 April-Juni 1940. 552 Vgl.: VKW, 15. Juni 1940. 553 Vgl.: VKW, 22. Juni 1940. 554 Vgl.: VKW, 29. Juni 1940. 104

Zu einer gewissen Unruhe im Kreis kam es im Juli 1940 unter den wegen des „Frankreichfeldzuges“ aus dem Gau Koblenz-Trier evakuierten Deutschen, die vorübergehend im Kreis Voitsberg untergebracht wurden. Diese wollten sofort nach dem Waffenstillstand in ihre Heimat zurück. Dies war allerdings noch nicht möglich. Eissner wies sie an, Ruhe und Disziplin zu bewahren. Die Rückführung erfolgte letztendlich Ende des Monats.555 Als Folge der Kapitulation Frankreichs kamen nun zahlreiche Franzosen, aber auch Briten als Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter in den Kreis.556 In zahlreichen Gemeinden wurden von nun an Kriegsgefangene in der Landwirtschaft eingesetzt. Die ersten 60 französischen Kriegsgefangenen trafen am 21. und am 22. Juli samt Bewachungsmannschaften in den Gemeinden Maria Lankowitz und Puchbach ein. Unverzüglich wurden sie zu verschiedenen Arbeiten eingesetzt.557 In Geistthal wurden ab September 1940 20 kriegsgefangene Franzosen zu den Herbstanbauarbeiten hinzugezogen.558 Sie wurden von den Bauern als im Vergleich zu den eingesetzten Polen fleißigere Landarbeiter bezeichnet.559 Im Gebiet des Postens Groß-Söding kam es im September 1940 erstmals zu einem Fluchtversuch von französischen Kriegsgefangenen. Vier Franzosen konnten an der Flucht gehindert werden.560 Bereits zwei Monate zuvor war dem Landrat zum ersten Mal von der Flucht eines polnischen Landarbeiters berichtet worden.561

Ende Juli fand unter dem Vorsitz Eissners eine weitere Kreisführerbesprechung in Voitsberg statt. Anton Weißensteiner stattete dem Kreis im Zuge seines Urlaubes einen Besuch ab. Begleitet wurde er vom stellvertretenden Gauleiter Tobias Portschy, der zu Arbeitern in Köflach sprach.562 Zusammen mit Eissner besuchte er Anfang August BDM-Erntehelferinnen aus dem Kreis.563 Bei den zahlreichen DAF-Veranstaltungen welche im August im Kreis Voitsberg stattfanden, sprach unter anderem ein Reichsredner namens Schmidt.564

Mit Beginn des neuen Schuljahres 1940/1941 folgte ein Schlag gegen die katholische Kirche. Der Religionsunterricht wurde erstmals von einem staatlichen Lehrer und nicht mehr vom

555 Vgl.: VKW, 6. Juli 1940 und 27. Juli 1940. 556 Vgl.: Bernhard Reismann, Allgemeine Geschichte des Bezirkes 1848-2005, in: Walter Brunner (Hg.), Geschichte und Topographie des Bezirkes Voitsberg. Band 1: Allgemeiner Teil, Graz 2011, 187. 557 StLa, BH VO, Karton 294, Zl 14 Wi 1 Lankowitz 29. Juli 1940. 558 Vgl.: Walter Brunner (Hg.), Geschichte und Topographie des Bezirkes Voitsberg. Band 2: Bezirkslexikon, Graz 2011, 55. und StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Geistthal September 1940. 559 StLa, BH VO, Karton 294, Zl 14 Wi 1 Geistthal September 1940. 560 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Groß-Söding 25. September 1940. 561 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Ko 22/1 30. Juli 1940. 562 Vgl.: VKW, 3. August 1940. 563 Vgl.: VKW, 10. August 1940. 564 Vgl.: VKW, 17. August 1940. 105

Pfarrer abgehalten.565 In der klerikal eingestellten Gemeinde St. Martin a.W. teilte der Kommandant der Gendarmerie dem Landrat dazu mit, dass die Jugendlichen nun im nationalsozialistischen Sinne belehrt werden.566 Bei einer „Führerbesprechung“ gab der Kreisleiter bekannt, dass aufgrund von Einrückungen die Sprechstunden der DAF gekürzt werden müssten.567 Im September kam es ebenfalls wegen Einrückungen zu einigen personellen Veränderungen in der Kreisleitung. Kreispropagandaleiter Emer und DAF- Kreisobmann Kattnigg rückten zur Wehrmacht ein. Neuer Kreispropagandaleiter wurde Kreisorganisationsleiter Willibald Ulz. Die Führung der NSV im Kreis Voitsberg übernahm Franz Roth. Sein Vorgänger Fritz Kals, der erst seit Jänner 1940 Kreisamtswalter der NSV war, rückte zur Wehrmacht ein.568 Als Vertreter Kattniggs übernahm Rudolf Petri die Führung der DAF des Kreises.569 Ende September wurde die neue Molkerei in Voitsberg mit einer Ansprache von Hubert Eissner eröffnet.570

In politischer Hinsicht verhielt sich die Kreisbevölkerung ruhig. Von allen Gendarmerieposten wurde die politische Lage im dritten Quartal 1940 als ruhig, normal, klaglos oder gut bezeichnet.571 Dass die Stimmung im Kreis Voitsberg sehr gut war, ist auch aus dem Ergebnis der ersten Reichsstraßensammlung des Winterhilfswerkes ersichtlich. Mit 0,58 RM pro Kopf stand Voitsberg gauweit an erster Stelle.572 Die Zahl der politisch motivierten Anzeigen und Festnahmen stieg im dritten Quartal jedoch leicht. Insgesamt wurden vier Personen angezeigt und sieben festgenommen.573 Bei den Verhafteten handelte es sich ausschließlich um Bergarbeiter des Bergbaues Piberstein. Diese wurden von der Gestapo festgenommen und zehn Tage lang im Gefängnistrakt des Amtsgerichts Voitsberg eingesperrt.574

Was die Kriegslage betrifft, herrschte allgemein große Zufriedenheit.575 Der Gendarmerieposten St. Martin a.W. berichtete im Juli 1940: „Alle Bevölkerungsschichten stehen im Bann der Ereignisse und erwarten mit Spannung die endgültige Auseinandersetzung

565 Vgl.: Bernhard Reismann, Allgemeine Geschichte des Bezirkes 1848-2005, in: Walter Brunner (Hg.), Geschichte und Topographie des Bezirkes Voitsberg. Band 1: Allgemeiner Teil, Graz 2011, 183. 566 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 St. Martin a.W. 20. September 1940. 567 Vgl.: VKW, 5. Oktober 1940. 568 LGS Graz, Vr 1699/47. 569 Vgl.: VKW, 7. September 1940. 570 Vgl.: VKW, 12. Oktober 1940. 571 Vgl.: Vgl.: StLa, BH VO, Karton 294, Zl 14 Wi 1 Juli-September 1940. 572 Vgl.: VKW, 27. Juli 1940. 573 Vgl. Ebd. 574 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Lankowitz September 1940. 575 Vgl.: Ebd. vor allem St. Martin a.W. Juli-September 1940 und Lankowitz Juli-August 1940. 106 mit Großbritannien und die Neuordnung Europas. Insbesondere wird lebhaft erörtert, was mit Jugoslawien passieren wird. Die meisten Leute vermuten die baldige Rückkehr der Südsteiermark ins Reich, ohne jedoch positive Tatsachen ins Treffen führen zu können, wenn man sie fragt, welche Gründe sie zu dieser Annahme brachten.“576 Auch die Hoffnung auf einen baldigen Sieg über Großbritannien und den darauf folgenden Frieden war groß.577 Obwohl von den Kriegserfolgen begeistert, blieb die Bevölkerung von St. Martin gegenüber der NS-Ideologie eher zurückhaltend. Dies zeigte sich daran, dass einige Bauern am aufgelassenen Feiertag Maria Himmelfahrt am 15. August 1940 der Arbeit fernblieben. Der Gendarmerieposten äußerte sich in seinem Augustbericht dem Landrat gegenüber folgendermaßen: „Manchen Bauern scheint der Begriff Volksgemeinschaft und Zusammenhalt ziemlich fremd zu sein. Es fehlt am richtigen Opfersinn.“578 Die Bevölkerung des Rayons war Schätzungen der Staatsmacht zu Folge zu 80 Prozent katholisch eingestellt. Staatsfeindliche Tätigkeit wurde dennoch nicht registriert.579

Dies sollte sich im Laufe der Jahre jedoch ändern. St. Martin a.W. wurde in späteren Jahren zur Hochburg des katholischen Widerstandes im Kreis. Meines Erachtens lässt diese Entwicklung darauf schließen, dass die Kriegserfolge die Bevölkerung zwar zufrieden machten und diese ruhig stellten, die grundsätzlich Ablehnung weiter Teile dieser, gegen den anti-katholischen Kurs des NS-Regimes jedoch nicht verschwinden lassen konnten. Sobald die Kriegslage schlechter wurde, trat diese grundsätzliche Ablehnung immer stärker in den Vordergrund und machte sich durch Unmutsäußerungen und durch die Aushöhlung der Autorität der NS-Eliten vor Ort bemerkbar.

In wirtschaftlicher Hinsicht blieb die Situation im dritten Quartal 1940 stabil. Lediglich aus Kainach wurde im August 1940 eine Verschlechterung der Lage der bäuerlichen Bevölkerung gemeldet, da die Getreideernte weit unter dem Durchschnitt blieb. Die Verhältnisse im Handel und im Gastgewerbe wurden im Postengebiet Kainach dagegen weiterhin als zufriedenstellend bezeichnet580 Der Futtermangel für landwirtschaftlich Nutztiere konnte ebenfalls nicht behoben werden. Schätzungen zufolge gab es im Kreis Voitsberg im Verhältnis zum vorhandenen Futter 1000 Stück Rinder zu viel.581 Die kreisweite

576 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 St. Martin a.W. 25. Juli 1940. 577 Vgl.: StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 St. Martin a.W. 25. Juli 1940, 20. August 1940. 578 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 St. Martin a.W. 25. Juli 1940, 20. August 1940. 579 Vgl.: StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 St. Martin a.W. 20. September 1940. 580 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Kainach August 1940. 581 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Lankowitz August 1940. 107 wirtschaftliche Lage der Arbeiterschaft blieb im Wesentlichen unverändert. Auskünfte der Gendarmerieposten zu diesem Thema lassen diesen Schluss zu.582 Vonseiten der Bergarbeiter wurden jedoch weiterhin Beschwerden über zu niedrige Löhne gemeldet.583

Die Erntearbeiten konnten trotz einiger Probleme alles in allem den Verhältnissen entsprechend erfolgreich durchgeführt werden. Gegenteiliges wurde fast nirgends berichtet.584 In den Gemeinden des Rayons Lankowitz wurde die Ernte trotz des noch immer herrschenden Landarbeitermangels fast vollständig eingebracht. Dazu trugen die als Landarbeiter eingesetzten französischen Kriegsgefangenen wesentlich bei.585 Der Postenkommandant von Lankowitz meldete dem Landrat, dass sich ihr Einsatz bewährt habe.586 Die Bauern der Rayons Geistthal, Groß-Söding (30 versprochene Kriegsgefangene sind im Juli 1940 noch nicht eingetroffen) und Ligist beschwerten sich während des dritten Quartals 1940 darüber, dass trotz des bei ihnen herrschenden Landarbeitermangels noch keine französischen Kriegsgefangenen eingetroffen sind.587 Aus Salla wurde darüber berichtet, dass stichhaltige Anträge um u.k. Stellungen von Personen, die in der Landwirtschaft gebraucht würden, nicht immer erfolgreich seien.588 In Ligist zog man mit Beginn der Sommerferien HJ-Angehörige zum vierwöchigen Erntedienst heran.589 Im August und September wurden in den Gemeinden der Rayons Lankowitz, Geisttahl, und Ligist sogar Militärpferde samt Besatzungen zur Erntearbeit eingesetzt.590 In St. Martin a.W. halfen im September freigestellte bayrische Soldaten bei der Durchführung der rückständigen Erntearbeiten.591 Durch solche Maßnahmen gelang es den Machthabern die Landwirtschaft trotz des in den meisten ländlichen Gemeinden herrschenden Landarbeitermangels funktionsfähig zu halten. Zunächst ersetzten vor allem französische Kriegsgefangene die eingerückten heimischen Arbeitskräfte. Der Einsatz von Soldaten der Wehrmacht zu Erntearbeiten blieb im Kreis Voitsberg eine auf das Jahr 1940 beschränkte Maßnahme. Dieser Umstand ist auf die entspannte Kriegslage im dritten Quartal 1940 zurückzuführen, welche eine Freistellung von Wehrmachtspersonal zuließ. In den

582 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Juli-September 1940. 583 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Lankowitz September 1940. 584 Vgl.: StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Juli - September 1940. 585 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Lankowitz August 1940. 586 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Lankowitz September1940. 587 Vgl.: StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Geisttahl 27. August 1940, Groß-Söding 25. Juli 1940, Lankowitz September 1940 und Ligist 27. Juli 1940. 588 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Salla Juli 1940. 589 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Ligist 27. Juli 1940. 590 Vgl.: StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Geistthal August 27. August 1940, Ligist 27. Sepbember 1940, 591 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 St. Martin a.W. 20. September 1940. 108 folgenden Erntesaisonen war eine solche Maßnahme aufgrund der angespannten Kriegslage nicht mehr möglich.

Anfang Oktober kehrte Anton Weißensteiner wieder auf den Posten des Kreisleiters zurück und berief eine große „Führerbesprechung“ ein.592 Eissner wurde nun sein Stellvertreter. Am 30. Oktober trat der Köflacher Ortsgruppenleiter aus gesundheitlichen Gründen zurück. Die Leitung der Ortsgruppe wurde zunächst von Weißensteiner persönlich übernommen. Dieser übergab sie aber unverzüglich an Hubert Eissner. Auch an der Spitze der Voitsberger Ortsgruppe fand ein Wechsel statt. Karl Strasser übernahm die Führung für den zur Wehrmacht eingerückten Harald Lautner. In seiner ersten Rede gab Strasser, der auch das Amt des Vizebürgermeisters der Stadt Voitsberg innehatte, den Bürgermeistern und Ortsbauernführern der Gemeinden auf dem Gebiet der Ortsgruppe Richtlinien für ihre Arbeit vor.593

Im November fand im gesamten Kreis eine von der Kreisleitung organisierte Reihe von Versammlungen mit dem Titel „Ein Jahr Kampf – ein Jahr Sieg“ statt. Im Zuge dieser Veranstaltungen las auch Hans Kloepfer in Köflach. Bei einer Rede von Gauredner Helmut Kersch und einem Reichsredner in der Glasfabrik Oberdorf waren 1.200 Personen anwesend.594 Insgesamt besuchten 5.000 Bewohner des Kreises die Versammlungen.595 Die Veranstaltungen wurden nicht nur in der Presse sondern auch im Wirtschafts- und Sicherheitsbericht des Gendarmeriepostens Ligist als gut besucht bezeichnet.596 Die NSDAP schien sich wohl auch durch die Erfolge des Dritten Reichs im Krieg einer gewissen Beliebtheit bei der Kreisbevölkerung zu erfreuen. Im November wurden zwei Posten innerhalb der Kreisleitung neu besetzt. Neuer Kreispresseamtsleiter wurde Otto Beidl. Julius Malek übernahm die Position des Kreisfilmstellenleiters.597

Im Dezember fand, unter dem Vorsitz von Kreisleiter Weißensteiner eine große „Führerbesprechung“ statt. Außerdem wurden die HJ-Jahrgänge 1921-1922 in die NSDAP überführt.598 Zum Ende des Jahres wandte sich Weißensteiner auf der Titelseite des VKW an

592 Vgl.: Ebd. 593 Vgl.: VKW, 2. November 1940. 594 Vgl.: VKW, 9. November 1940. 595 Vgl.: VKW, 16. November 1940. 596 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Ligist 26. November 1940. 597 Vgl.: Ebd. 598 Vgl.: VKW, 14. Dezember 1940. 109 die Kreisbevölkerung. Er bedankte sich bei „allen deutschen Volksgenossen meines Kreises, besonders aber bei den Soldaten und Kämpfern in der Nationalsozialistischen Bewegung.“599 Zusammen mit Portschy besuchte er eine Vorweihnachtsfeier der NS-Frauenschaft und des BDM im Kreis.600 Am 21. Dezember 1940 fand die letzte große „Führerbesprechung“ des Jahres statt. Kreisleiter Weißensteiner sprach dabei einige Sätze zum kommenden Weihnachtsfest. „Weihnachten wurde früher nur in der Familie gefeiert, nun auch in der Gemeinschaft der Partei.“ Nach seiner Hochzeit war dies nun ein weiterer Versuch Weißensteiners, privaten und kirchlichen Festen eine neue, dem Nationalsozialismus entsprechende, Bedeutung zu geben. Mit der Feststellung, die Welt müsse einsehen, dass es nur eine Weltanschauung, den Nationalsozialismus, geben kann, schloss Weißensteiner die letzte Führerbesprechung des für die Nationalsozialisten erfolgreichsten Jahres überhaupt.601

Die politische Lage im vierten Quartal des Jahres 1940 wurde von den Gendarmerieposten des Kreises weiterhin als ruhig bis günstig bewertet. Es gab acht politisch motivierte Anzeigen und elf politisch motivierte Verhaftungen.602 Damit wurde der Wert des dritten Quartals 1940 recht deutlich übertroffen. Auffällig ist das sich die Wirtschafts- und Sicherheitsberichte der Gendarmerieposten nun verstärkt mit dem kommunistischen Widerstand beschäftigten. Aus Köflach wurde dem Landrat von einer Anzeige gegen einen Schuhmacher wegen kommunistischer Agitation berichtet.603 Im Bereich des Gendarmeriepostens Voitsberg seien, aufgrund ihres niedrigen Verdienstes, vor allem weibliche Arbeiter der kommunistischen Propaganda leicht zugänglich. NSDAP und NSV täten jedoch alles dafür diese Kreise zu beruhigen.604 Von wem genau diese Propaganda ausging, wurde nicht erwähnt und war auch wohl nicht bekannt. In Lankowitz kursierten im Oktober 1940 Gerüchte, wonach es bei den Arbeitern in Donawitz kommunistische Unruhen gegeben habe. Die Gestapo ermittelte gegen die Verbreiter dieser Gerüchte.605

Im Dezember 1940 geriet nach längerer Zeit wieder ein Pfarrer ins Visier der NS-Repression. Der Modriacher Pfarrprovisor Gottfried Friess wurde wegen der Durchführung einer verbotenen Sammlung, deren Ergebnis der Kirche zu Gute kommen sollte, angezeigt. Friess

599 VKW, 21. Dezember 1940. 600 Vgl.: Ebd. 601 Vgl.: VKW, 28. Dezember 1940. 602 Vgl.: StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Oktober - Dezember 1940. 603 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Köflach 27. Dezember 1940. 604 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Voitsberg 27. November 1940. 605 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Lankowitz 30. Oktober 1940. 110 sammelte ohne Bewilligung bei Bauern einen Betrag von 191,90 RM für die Anschaffung von neuen Kirchentüren. Der gesammelte Betrag wurde beschlagnahmt. Die Anzeige wurde an die Gestapo weitergeleitet.606 Besonders hart ging das Regime wieder einmal gegen die im Kreisgebiet tätigen polnischen Landarbeiter vor. Die Darstellung des Sachverhalts einer gegen Polen gerichteten Repressionsmaßnahme bedarf einer kurzen Erklärung. Im November 1940 herrschte im gesamten Kreis Voitsberg ein kriegsbedingtes Tanzverbot. Dieses wurde erst ab Ende Dezember gelockert. Tanzlustbarkeiten waren danach wieder an drei Tagen in der Woche ab 16 Uhr erlaubt.607 Von Anzeigen oder Verhaftungen einheimischer Personen wegen Verstoßes gegen das Tanzverbot ist nichts bekannt. In Ligist wurden jedoch im November neun Polen wegen verbotenen Tanzens bei der Gestapo angezeigt. Sechs von ihnen wurden deswegen sogar für kurze Zeit in Haft genommen.608

Die wirtschaftliche Lage des Kreises Voitsberg blieb im vierten Quartal 1940 praktisch unverändert. Sie wird in den allermeisten Fällen als gut, normal, ruhig oder unverändert bezeichnet.609 Lediglich die Gendarmerieposten Voitsberg, Kainach und Piber berichten in jeweils einem Monat über eine Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage. Die Verschlechterung beschränkte sich jedoch auf die bäuerliche Bevölkerung.610 In Kainach beklagten sich die Bauern im Oktober 1940 über den Mangel an Futter und die geringen Obstpreise. Im gleichen Bericht wurde die allgemeine wirtschaftliche Lage jedoch als gut bezeichnet, da es vonseiten der Arbeiterschaft und des Gewerbes keine Beschwerden gab.611 Etwas schlechter war die wirtschaftliche Gesamtlage wohl in Piber. Gegen Ende des Jahres wurde dem Landrat aus Piber von einer ungünstigen wirtschaftlichen Lage, vor allem bei den Gebirgsbauern, berichtet. Diese würden aufgrund zu geringer Viehpreise zunehmend missmutig werden. Der Bericht schloss mit der Aussage: „In der Ernährungsfrage unseres Volkes geht’s abwärts.“612 Der Vollständigkeit halber muss noch erwähnt werden, dass weiterhin in zahlreichen Berichten ein Mangel an Landarbeitern gemeldet wurde. Dieser wurde wiederum auf die weiterhin zahlreich erfolgenden Einberufungen zur Wehrmacht zurückgeführt.613 Zahlreiche polnische Landarbeiter wollten gegen Ende des Jahres 1940

606 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Edelschrott 30. Dezember 1940 und 25. Jänner 1941. 607 StLa, BH VO, Karton 293 Zl 14 Ta 2/14-39. 608 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Ligist 26. November 1940 609 Vgl.: StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Oktober-Dezember 1940 610 Vgl.: StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Kainach Oktober 1940, Voitsberg 27. Nobember 1940 und Piber 26. Dezember 1940. 611 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Kainach Oktober 1940. 612 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Piber 26. Dezember 1940. 613 Vgl.: StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Oktober-Dezember 1940. 111 bereits in ihre Heimat zurückkehren, da sie sich nur für ein Jahr zum Arbeitsdienst gemeldet haben. Die Heimkehr wurde den Polen jedoch verweigert.614 Außerdem kehrten die zu den Erntearbeiten eingesetzten Militärpferde und ihre Besatzungen wieder zur Wehrmacht zurück.615 Aus Stallhofen wurde dem Landrat erstmals von Hamsterkäufen berichtet.616

In den Industriegemeinden des Kreises blieb die wirtschaftliche Lage der Arbeiterschaft zufriedenstellend.617 Aus den Gemeinden der Rayons Bärnbach und Köflach wurden keine Beschwerden vonseiten der Arbeiter gemeldet.618 Von den Bergarbeitern aus Lankowitz wurden dagegen Beschwerden über zu geringe Löhne und zu hohe Abzüge wahrgenommen.619 Auch Teile der Voitsberger Arbeiterschaft beschwerten sich im Oktober 1940 über die im Vergleich zu ihren Löhnen sehr starke Teuerung. Das Regime schien darauf reagiert zu haben. Im November wurde dem Landrat gemeldet, dass sich die Lage der Arbeiterschaft durch die Gewährung einiger Erleichterungen bei der Entlohnung der Sonntagsarbeit wieder gebessert habe. Dies treffe aber nur auf die männliche Arbeiterschaft zu, was wie bereits erwähnt laut Postenkommandant dazu führte, dass vor allem die weibliche Arbeiterschaft gegnerischer Propaganda leichter zugänglich wäre.620 Besonders schlecht war die Lage bei den Bauarbeitern, da diese nur 58-60 Reichspfennig pro Stunde verdienten und damit oftmals nicht das Auskommen fanden. Dem Handwerks- und Gewerbestand ging es laut Postenkommandant dagegen wirtschaftlich besonders gut.621 Die Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln lief im gesamten Gebiet des Kreises Voitsberg ohne wesentliche Schwierigkeiten ab und kann alles in allem durchaus als gut bezeichnet werden.622

Das Jahr 1941 begann mit einer personellen Neubesetzung der Führung der Ortsgruppe Stallhofen. Alois Kollegger gab die Führung der Ortsgruppe Stallhofen ab. Bereits im Oktober 1940 wurde er nach Wagna geschickt, um das dortige Umsiedlerlager zu leiten. Als Lagerleiter war er an der Umsiedlung der „Buchenlanddeutschen“ beteiligt. Von September 1941 bis Dezember 1941 beteiligte er sich an der Ansiedlung von Gottscheern im Gebiet um

614 Vgl.: StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Lankowitz 28. Dezember 1940 und 28. Jänner 1941. 615 Vgl.: StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Geistthal 26. Oktober 1940 und Ligist 26. Oktober 1940. 616 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Stallhofen Dezember 1940. 617 Vgl.: Ebd. 618 Vgl.: StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Bärnbach und Köflach Oktober-Dezember 1940 619 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Lankowitz 30. Oktober 1940 620 Vgl.: StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Voitsberg 1. November 1940 und 27. November 1940. 621 Vgl.: StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Voitsberg 27. Dezember. 622 Vgl.: StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Oktober-Dezember 1940. 112

Rann/Save. Danach wurde er zur Wehrmacht eingezogen. Kollegger kehrte erst nach dem Krieg wieder nach Stallhofen zurück.623 Er wurde von Ludwig Lettmayer als Ortsgruppenleiter abgelöst.624 Lettmayer war auch Standartenführer der SA- Gebirgsjägerstandarte 12. Er trat bereits 1933 in die NSDAP ein und gehörte zweifellos zu den führenden Nationalsozialisten des Kreises Voitsberg. In der Gemeinde Lankowitz trafen Anfang des Jahres die ersten „Volksdeutschen“ aus dem Buchenland ein.625 In den nächsten Monaten wuchs ihre Zahl auf mehrere Hundert an. Obwohl der Krieg aus Sicht des Deutschen Reiches noch gut lief, machten sich immer mehr Einschränkungen bemerkbar. Die DAF beschloss deshalb, die Öffnungszeiten aller Einzelhandelsgeschäfte im Kreis einheitlich neu zu regeln.626 Aus einem Gendarmeriebericht des Postens Edelschrott geht hervor, dass die neuen einheitlichen Öffnungszeiten, die Geschäfte mussten ab 18 Uhr schließen, von der Bevölkerung als Härte empfunden wurden. Außerdem würden die Kaufleute mit zu wenig waren beliefert werden. Knoblauch und Zwiebeln waren überhaupt nicht mehr erhältlich.627 Vom Landrat wurde dem Postenkommandanten daraufhin eine Neuregelung der Sperrstunde in den Sommermonaten versprochen.628

Mitte Jänner absolvierte Kreisleiter Weißensteiner seinen ersten öffentlichen Auftritt im neuen Jahr. Er überreichte der Gradenbergerin Therese Neuwirth das Goldene Parteiabzeichen. Neuwirth, welche die erste Frau des Kreises war, der diese Auszeichnung zu Teil wurde, trat bereits 1926 der NSDAP bei. Sie gründete die erste Ortsgruppe der NS- Frauenschaft im Kreis in Piber. In der Zeit des Betätigungsverbotes der NSDAP war ihr Haus ein Zentrum der illegalen Parteiarbeit.629 Ebenfalls im Jänner besuchte Gauleiter Uiberreither ein weiteres Mal den Kreis Voitsberg. Zweck des Besuchs war die Besichtigung einer Bergschule in Edelschrott.630 Ende des Monats fand die erste große „Führerbesprechung“ der Kreisleitung im Jahr 1941 statt. Unter Vorsitz des Kreisleiters trafen sich die Mitglieder der Kreisleitung, die Ortsgruppenleiter, die Ortsgruppenorganisationsleiter und die Ortsgruppenpropagandaleiter.631 Diese Auswahl legt den Schluss nahe, dass nach dem Amt des Ortsgruppenleiters die Ämter des Ortsgruppenorganisationsleiter und des

623 Ernst Lasnik, Stallhofen und das mittlere Södingtal. Ein Beispiel steirischer Vielfalt, Stallhofen 1987, 507. 624 Vgl.: VKW, 4. Jänner 1941. 625 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Lankowitz 28. Jänner 1941. 626 Vgl.: Ebd. 627 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Edelschrott 26. Februar 1941. 628 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Edelschrott 26. Februar 1941 und 25. März 1941. 629 Vgl.: VKW, 18. Jänner 1941. 630 Vgl.: VKW, 1. Februar 1941. 631 Vgl.: VKW, 25. Jänner 1941. 113

Ortsgruppenpropagandaleiters zu den in der Praxis wichtigsten in der NS-Hierarchie innerhalb einer Ortsgruppe zählten. Einen ähnlich hohen Stellenwert hatten auf Ortsgruppenebene nur noch die Leiter der DAF und der NSV.

Im Februar bemühte sich die NSDAP, auch entlegene Gebiete des Kreises in ihre Propaganda mit einzubeziehen. So sprach Kreisleiter Weißensteiner in der kleinen Gemeinde Salla.632 Ende Februar fand die Tagung der Ortsbauernführer des Kreises Voitsberg statt. Geleitet wurde sie von Kreisbauernführer Ignaz Bauer und seinem Stabsleiter Maher.633 Ende Februar sollte die erste große Reihe von Veranstaltungen des Jahres stattfinden. Organisiert wurde diese „Versammlungswelle“ bei einer Besprechung der Mitarbeiter der Kreisleitung mit den Ortsgruppenleitern. Weißensteiner forderte dabei von jedem vollen Einsatz.634

Zu Beginn des Monats März sprach Weißensteiner zu den Voitsberger Zellen- und Blockleitern. Dabei legte er Richtlinien für ihre Arbeit fest und referierte zu einigen dringenden Anliegen. Er eröffnete seine Ansprache mit der Feststellung, dass das Vertrauen zu Hitler unerlässlich sei. „Der Führer hat immer Recht“, so Weißensteiner. Des Weiteren nahm er zur verstärkt auftretenden Hamsterei Stellung und forderte die Anwesenden auf, im Namen der Partei den staatlichen Kampf gegen die Preistreiberei zu unterstützen. Im Bezug auf so genannte Fremdvölkische forderte er dazu auf der Bevölkerung eine distanzierte Haltung nahe zu legen.635 In derselben Woche sprach Weißensteiner beim Schulungsappell der Ortsgruppe Bärnbach.636 Am 12. März 1941 fanden im gesamten Kreis „Anschlussfeiern“ statt. Bei der größten Versammlung in Köflach sprachen Kreisleiter Weißensteiner und der Gründer der Ortsgruppe Köflach Ludwig Lippan. Letzterer sprach von der Zeit der Gründung der NSDAP im Kreis und den Auseinandersetzungen mit linken und bürgerlichen Kräften, oder, wie er es ausdrückte, den Kampf gegen den „roten Terror“ und die „Laschheit des Spießertums“.637 Weißensteiners Rede unterschied sich inhaltliche kaum von der Lippans und sprach ebenfalls in dem für die Nationalsozialisten typischen Jargon von der Härte der „Kampfzeit“. Bemerkenswert ist, dass Hubert Eissner, der als Ortsgruppenleiter von Köflach die Veranstaltung eröffnen und schließen sollte, nicht anwesend war. Sein Stellvertreter Zelbinger übernahm diese Aufgabe. Grund für Eissners Fernbleiben könnte die Tatsache

632 Vgl.: VKW, 8. Februar 1941. 633 Vgl.: VKW, 1. März 1941. 634 Vgl.: VKW, 22. Februar 1941. 635 Vgl.: VKW, 8. März 1941. 636 Vgl.: Ebd. 637 VKW, 15. März 1941. 114 gewesen sein, dass er seine politische Laufbahn nicht in der NSDAP, sondern im Steirischen Heimatschutz begann, welcher anfangs in einem Konkurrenzverhältnis zur NS-Bewegung stand. Die „Anschlussfeier“ in Voitsberg wurde vom neuen Ortsgruppenleiter Karl Strasser geleitet.638 Vom 21. bis zum 23. März fand eine große „Versammlungswelle“ mit 24 Veranstaltungen im gesamten Kreisgebiet statt. Insgesamt besuchten 5.000 Personen die verschiedenen Veranstaltungen.639

Was die Industrie im Kreis betrifft, so ist festzustellen, dass sich in den Betrieben bereits kriegsbedingter Arbeitskräftemangel bemerkbar machte. Immer öfter mussten nun Frauen die Plätze der eingerückten Männer einnehmen. Diese sogenannte „Werkablöse“ wurde von den Nationalsozialisten auch propagandistisch inszeniert. Kreisleiter Weißensteiner sprach bei einer solchen Feier.640 Ende März wurde Walter Senegacnik, ehemaliger Kreiswalter der NSV, zum neuen Kreiswalter des Nationalsozialistischen Lehrerbundes (NSLB) ernannt.641 Zur Feier von Hitlers Geburtstag fanden wieder zahlreiche Veranstaltungen im Kreis statt. Weißensteiner hielt in Bärnbach eine Rede und wünschte sich, dass Hitler einmal die Weststeiermark besuchen würde. Hubert Eissner sprach bei der größten Veranstaltung in Köflach vor 3000 Menschen.642

Die politische Lage wurde im ersten Quartal 1941 von den Gendarmeriepostenkommandanten des Kreises als ruhig bis günstig bewertet. Tatsächlich ging die Zahl der gemeldeten politisch motivierten Festnahmen zurück. Es gab im ersten Quartal des Jahres 1941 acht Verhaftungen aus politischen Gründen. 643 Bei fünf der Festgenommenen handelte es sich um Arbeiter des Bergbaues Piberstein.644 Vom selben Bergbau wurde von einer Zunahme des so genannten „Blaumachens“, vor allem bei der jüngeren Arbeitnehmerschaft berichtet.645 Besonders rigoros ging die Gendarmerie gegen zwei Bergarbeiter vor, die bereits zum zweiten Mal wegen unerlaubten Fernbleibens vom Arbeitsplatz belangt wurden. Beide wurden für 21 Tage

638 Vgl.: Ebd. 639 Vgl.: VKW, 22. März 1941 und 29. März 1941. 640 Vgl.: VKW, 15. März 1941. 641 Vgl.: VKW, 29. März 1941. 642 Vgl.: VKW, 26. April 1941. 643Vgl.: StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Jänner-März 1941. 644 Vgl.: StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Lankowitz 28. Jänner 1941 und 25. März 1941. 645 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Lankowitz 28. Jänner 1941. 115 in Haft genommen.646 Abgesehen davon wurde das Verhalten der Belegschaft des Bergbaues Piberstein als gut bezeichnet.647

In der Landgemeinde St. Martin a.W. ließ die Begeisterung für die Sammlungen des NS- Regimes im Vergleich zu den Vormonaten spürbar nach. Dem Landrat wurde davon berichtet, dass die zum Großteil religiös eingestellte Bevölkerung für die allwöchentlichen Sammlungen des Winterhilfswerks trotz Aufklärung von Seiten der Staatsmacht noch immer nicht das richtige Verständnis aufbringt. Die Sammler würden von der Bevölkerung als Bettler betrachtet.648 Bessere Ergebnisse erzielten die Sammlung zum Tag der Deutschen Polizei in den ebenfalls ländlichen Gebieten der Gendarmerieposten Salla und Groß-Söding, sowie die Straßensammlung zugunsten des Winterhilfswerks im Bereich des Gendarmeriepostens Groß- Söding.649 Alles in allem lässt sich jedoch für die ländlichen Gemeinden eine gewisse Unruhe konstatieren. Diese stand hauptsächlich mit den neuerlichen Einberufungen zur Wehrmacht in Zusammenhang.650 Die Folge waren zahlreiche Anträge um u.k. Stellung der Betroffenen. In manchen Fällen wurde der Landrat explizit um Hilfe bei der Genehmigung der Anträge gebeten.651 Der Kriegsverlauf wurde ausnahmslos positiv wahrgenommen. Innerhalb der Kreisbevölkerung rechnete man mit einem baldigen Sieg des Deutschen Reiches.652

Die wirtschaftliche Lage des Kreises erfuhr im ersten Quartal des Jahres 1941 erstmals seit Kriegsbeginn eine deutliche Verschlechterung. Dies geht aus zahlreichen Berichten der Genderarmerieposten hervor. Der obligatorische Landarbeitermangel verschärfte sich kreisweit.653 Aus Piber wurde dem Landrat von einem in diesem Ausmaß bisher noch nie da gewesenen Landarbeitermangel berichtet. Auf machen Bauernhöfen war keine vollwertige männliche Arbeitskraft mehr vorhanden. Um die Zuweisung weiterer Kriegsgefangener wurde dringend ersucht.654 Der Gendarmerieposten Ligist ersuchte ebenfalls im Namen der Bauernschaft um die Zuweisung weiterer Kriegsgefangener und meldete, dass sich bisher lediglich drei Polen und ein Ukrainer als Landarbeiter im Postengebiet befinden würden.655 In Voitsberg kam es zu einer Verknappung von Rohstoffen, welche die Arbeit der

646 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Lankowitz 25. März 1941. 647 Vgl.: StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Lankowitz Jänner-März 1941. 648 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 St. Martin a.W. 23. März 1941. 649 Vgl.: StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Salla 25. Februar 1941 und Groß-Söding 27. März 1941. 650 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 -März 1941. 651 Vgl.: StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Bärnbach 26. Jänner 1941 und St. Martin a.W. 22. Jänner 1941. 652 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Jänner-März 1941. 653 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Jänner- März 1941. 654 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Piber 25. Jänner 1941 und 24. Februar 1941. 655 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Ligsit 23. Februar 1941. 116

Handwerksbetriebe beeinträchtigte. Vor allem die Schuhmacher beklagten sich über die stark gesunkene Lederzufuhr.656 Der Gendarmerieposten Lankowitz meldete einen Mangel an Eisenwaren, Textilien und elektronischen Artikeln in den Gemeinden seines Zuständigkeitsbereichs.657 Im Bereich des Postens Geistthal wurden die Rauchwaren knapp, während in Salla Bezugsscheine für Schuhe nicht in einem ausreichenden Maß vorhanden waren.658 In Voitsberg waren im März 1941 keine Äpfel mehr zu bekommen.659 Aus Kainach wurde über die unzureichende Zulieferung von Wein und Schnaps berichtet.660

Von Teilen der Arbeiterschaft waren weiterhin Beschwerden über zu niedrige Löhne im Vergleich zu den hohen Abgaben zu vernehmen.661 Besonders schlecht ging es den weniger gut verdienenden Arbeitern der Glasfabrik Voitsberg und der Zellulosefabrik Krems. Letzterer stand auch noch die Schließung bevor.662 Die Bevölkerung der überwiegend von Arbeitern bewohnten Gemeinde Bärnbach hatte mit einer „außergewöhnlichen Wohnungsnot“ zu kämpfen. Diese ging sogar so weit, dass einem dem Posten Bärnbach zugeteilten Gendarm seit Monaten keine Wohnung beschafft werden konnte.663

Alles in allem lässt sich, wie bereits erwähnt, für das erste Quartal des Jahres 1941 eine eindeutige Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage im Kreis Voitsberg feststellen. Erstmals wurde von einer Mehrheit der Gendarmerieposten nicht nur über einen Mangel an Arbeitskräften, sondern auch über Warenengpässe berichtet. Obwohl diese Einschränkungen im Vergleich zu den darauffolgenden Jahren als durchaus gering zu bezeichnen sind, schienen sie die Bevölkerung beunruhigt zu haben. Diese Beunruhigung wirkte sich zunächst noch nicht spürbar negativ auf die Haltung der Bevölkerung gegenüber dem Regime aus. Dies lag wohl vor allem daran, dass der Krieg für das Deutsche Reich noch gut lief und es durchaus Hoffnung auf einen baldigen Frieden gab, als dessen Folge sich auch die wirtschaftliche Lage bessern würde.

656 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Voitsberg Jänner-März 1941. 657 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Lankowitz 25. März 1941. 658 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi Geistthal 25. Jänner 1941 und Salla 23. Jänner 1941. 659 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Voitsberg 28. März 1941. 660 Vgl.: StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Kainach Jänner-März 1941. 661 Vgl.: StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Voitsberg Jänner-März 1941 und Lankowitz 28. Jänner 1941. 662 Vgl.: StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Voitsberg 28. Jänner und 27. Februar 1941. 663 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Bärnbach 26. März 1941. 117

Als am 6. April 1941 der Krieg gegen Jugoslawien begonnen wurde, soll der Geschützdonner in der Gemeinde Graden zu hören gewesen sein.664 In den Gemeinden des Gendarmeriepostens Ligist waren während des gesamten Monats April 310 Soldaten der Wehrmacht einquartiert.665 Aus der Gemeinde Lankowitz wurde gemeldet, dass die durch das Gemeindegebiet durchziehenden Truppen von der Bevölkerung herzlich begrüßt wurden.666 Viele Bewohner des Kreises Voitsberg dürften den Krieg mit besonderer Aufmerksamkeit verfolgt haben, da er sich unmittelbar auf ihre Staatsbürgerschaft auswirkte. Im Kreisgebiet befanden sich nämlich laut Bericht des Landrates Anfang April 1941 618 jugoslawische Staatsbürger. Die überwiegende Mehrheit davon galt als volksdeutsch.667

Innerhalb der NSDAP im Kreis Voitsberg zog dieser Krieg abermals Personalumstellungen nach sich. Der Kreisleiter des Amtes für Volksgesundheit Ernst Bouvier wurde in die Untersteiermark abkommandiert, wo er bis zum Ende des Krieges als Arzt und Obermedizinalrat im Krankenhaus Marburg/Maribor tätig war.668 Kreisbauernführer Ignaz Bauer übernahm nach dem „Anschluss“ der Untersteiermark an das Deutsche Reich die Leitung der Kreisbauernschaft Cilli.669 Diese Versetzung war jedoch nicht von Dauer. Bauer kehrte bald auf seinen alten Posten als Kreisbauernführer des Kreises Voitsberg zurück und blieb bis September 1943 in dieser Funktion. Innerhalb der Kreisleitung wurde weiters der Leiter des Kreiskulturamtes Karl Romich in die Untersteiermark abkommandiert.670 Dasselbe gilt für den Kreiswalter des NSLB Walter Senegacnik. Dieser wurde Anfang Mai 1941 zum kommissarischen Kreisschulrat von Marburg ernannt.671 Unter den Lehrern, die aus dem Kreis Voitsberg in die Untersteiermark berufen wurden, befand sich auch Friedrich Aduatz, ein berühmter Maler und späteres Mitglied der Wiener Secession, sowie Ehrenpräsident der Grazer Secession. Aduatz, nach dem die Neue Mittelschule Voitsberg benannt ist, fungierte als kommissarischer Schulleiter in Schönstein im Bezirk Windisch-Grätz.672

Ebenfalls abgelöst wurde der Voitsberger Bürgermeister Leopold Hofbauer. Sein Amt übernahm Alfred Grabner. Auf Hofbauers Posten als Kreisbeauftragter für Kommunalpolitik

664 Vgl.: Bernhard Reismann, Allgemeine Geschichte des Bezirkes 1848-2005, in: Walter Brunner (Hg.), Geschichte und Topographie des Bezirkes Voitsberg. Band 1: Allgemeiner Teil, Graz 2011, 187. 665 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Ligist 25. April 1941. 666 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Lankowitz 22. April 1941. 667 StLa, BH VO 1941, Karton 317 Zl 14 A 1/10 -41 6. April 1941. 668 Vgl.: VKW, 3. Mai 1941 669 StLa, BH VO, 1941, Karton 326 Zl 14 Re 1/287-41. 670 StLa, BH VO, 1941, Karton 326 Zl 14 Re 1/186-41. 671 StLa, BH VO, 1941, Karton 326 Re 1/48-41 2. Mai 1941. 672 StLa, BH VO, 1941, Karton 326 Zl 14 Re 1/75-41. 118 folgte ihm der Rosentaler Bürgermeister Hans Blumauer. Obersturmbannführer Ludwig Lettmayer, der Führer der SA-Gebirgsjägerstandarte 12 welche den Kreis Voitsberg umfasste, verließ ebenfalls den Kreis. Kurzzeitig wurden unter Lettmayers Führung 154 Mann der SA- Gebirgsjägerstandarte 12 in der Untersteiermark eingesetzt. Lettmayer selbst wurde in der Folge dem SA-Einsatzstab in Marburg/Maribor zugeteilt. Wie Kreisbauernführer Bauer blieb aber auch Lettmayer nicht lange in der Untersteiermark. Die Gebirgsjägerstandarte 12 wurde während seiner Abwesenheit von Kreisleiter Anton Weißensteiner persönlich geführt.673 Weißensteiner hatte zu dieser Zeit innerhalb der SA den Rang eines Sturmbannführers inne.674 Wenig später wurden die Ortsgruppenleiter von Edelschrott und Kainach von ihren Posten abberufen. In Edelschrott übernahm Franz Lemler für den Volksschuldirektor Herbert Bleymaier die Führung der Ortsgruppe. Hans Talker löste den Lehrer Hans Binegger in Kainach ab.675 Dass manche Nationalsozialisten freiwillig in die Untersteiermark wollten, zeigt der Fall des Gradener Bürgermeisters Johann Guggi. Dieser suchte von sich aus beim Chef der Zivilverwaltung in der Untersteiermark um seine Versetzung dort hin an. Guggi erklärte dem Landrat, der erst aus zweiter Hand von Guggis Versetzungswunsch erfuhr, dass er nur 92 RM pro Monat verdiente und nicht krankenversichert sei. Außerdem fügte er durchaus ironisch hinzu, dass es wohl keinen guten Eindruck machen würde, wenn ein NS- Bürgermeister der öffentlichen Fürsorge zur Last fallen müsste. Der Landrat sprach sich strikt gegen eine Versetzung aus, da „in der armen Berggemeinde Graden“ kein Ersatz für den Bürgermeister zu bekommen sei. Nach einer Vorsprache beim Landrat nahm Guggi schließlich Abstand von seinem Versetzungswunsch und blieb bis zum Kriegsende Bürgermeister676 Der Fall Guggi zeigt deutlich wie angespannt die Personallage für die Nationalsozialisten bereits war.

Neben den Funktionären der NSDAP wurden auch zahlreiche Gendarmen aus dem Kreis Voitsberg in die Untersteiermark versetzt. Nachweislich betraf eine solche Versetzung mindestens sechs Gendarmen. Unter den Ansuchen um eine Einreisegenehmigung in die Untersteiermark gab es 1941 nämlich sechs Fälle, in denen Verwandte oder Haushaltsangehörige von in die Untersteiermark versetzten Gendarmeriebeamten aus dem Kreis Voitsberg um eine Einreisegenehmigung ansuchten.677 Eine Einreisegenehmigung in die Unterseitermark war bis Anfang Oktober 1941 erforderlich. Allen Personen, die später

673 Vgl.: VKW, 3. Mai und 10. Mai 1941. 674 VR 5001/47-239. 675 Vgl.: VKW, 10. Mai 1941. 676 StLa, BH VO 1941, Karton 325 Zl 14 Re 1/170-41 6. Juni 1941, 26. Juni 1941 und 14. August 1941. 677 Vgl.: StLa, BH VO, 1941, Re 1 119 beim Landrat um einen Durchlassschein für die Untersteiermark ersuchten, wurde mitgeteilt, dass dies nicht mehr nötig sei und ein Lichtbildausweis für die Einreise genügen würde.678 Die Versetzungen begannen bereis unmittelbar nach dem Beginn des Jugoslawienfeldzugs. Aus einem Ansuchen der Haushälterin des Kainacher Gendarmen Franz Reitweger um eine Einreisegenehmigung in die Untersteiermark geht hervor, dass dieser bereits am 16. April 1941 dem Gendarmerieposten Kranichsfeld im Kreis Pettau zugeteilt wurde.679 Die genaue Anzahl der abkommandierten Gendarmen ist nicht bekannt, dürfte aber die bestätigten sechs Versetzungen weit übertroffen haben. Bereits Ende Mai 1941 war die Lage der Gendarmerie so angespannt, dass der Landrat vom Reichsstatthalter die Weisung erhielt, dafür Sorge zu tragen, dass die Gendarmerie auf keinen Fall für irgendwelche Aufgaben außerhalb des Vollzugsdienstes eingesetzt wird. Die Zustände auf den steirischen Gendarmerieposten bezeichnete der Reichstatthalter bei dieser Gelegenheit als „katastrophal“. Der Landrat gab die Weisung an die Gendarmerieposten und die Bürgermeister des Kreises Voitsberg weiter und unterstrich die Dringlichkeit der Lage mit der Feststellung, dass die Gendarmerie kreisweit nur noch ein Viertel ihrer Vorkriegsstärke besaß.680

In manchen Fällen stellten die Versetzungen nur ein Provisorium dar. So war der Postenkommandant des Gendarmeriepostens Köflach Josef Pfeiffenberger zumindest bis Oktober 1941 in Rohitsch-Sauerbrunn eingesetzt. Da er aber laut Bezirkschronik den Gendarmerieposten Köflach vom 1. Juni 1939 bis zum 1. Juli 1945 führte, dürfte sein Aufenthalt in der Untersteiermark nur eine Zwischenstation gewesen sein.681 Ob Pfeiffenberger den Posten Rohitsch-Sauerbrunn anführte oder dort nur einfacher Gendarm war, ist nicht bekannt. Der erste Nachkriegskommandant des Gendarmeriepostens Köflach, Josef Thurner war übrigens auch in der Untersteiermark als Gendarm tätig. Er übte seinen Dienst zumindest bis August 1941 in der Gemeinde Windisch-Grätz aus. Dies geht aus einem Ansuchen seiner Ehefrau um eine Einreisebewilligung für sie und ihre Tochter in die Untersteiermark hervor.682 Ähnlich wie im Fall der Köflacher Gendarmeriepostenkommandanten Pfeiffenberger verhielt es sich auch beim Kommandanten des Gendarmeriepostens Kainach Anton Haas. Dieser tat ebenfalls zumindest bis Oktober 1941 Dienst in der Unterteiermark. In der Bezirkschronik scheint er jedoch von 8. August

678 Vgl.: StLa, BH VO, 1941, Karton 326 Zl 14 Re 1/846-41 und Re 1/867-41. 679 StLa, BH VO, 1941, Karton 326 Zl 14 Re 1/846-41. 680 StLa, BH VO 1940, Karton 289 Zl 14 Po 6/40 22. Mai 1941. 681 Vgl.: StLa, BH VO, 1941, Karton 326 Zl 14 Re 1/885-41 9. Oktober 1941 und Walter Brunner (Hg.), Geschichte und Topographie des Bezirkes Voitsberg. Band 2: Bezirkslexikon, 136. 682 StLa, BH VO, 1941, Karton 326 Zl 14 Re 1/279-41. 120

1938 bis 1. März 1949 als Kommandant des Gendarmeriepostens Kainach auf.683 Wie schon bei Josef Pfeiffenberger ist es auch im Fall von Anton Haas nicht bekannt ob dieser in der Untersteirmark einen Gendarmerieposten führte oder lediglich als einfacher Gendarm im Einsatz war.

Mitte Mai zeigte sich, dass die Nationalsozialisten den Kontakt der Bevölkerung mit den Kriegsgefangenen vehement zu unterbinden versuchten. Ein Gradenberger wurde wegen Hilfeleistung für einen kriegsgefangenen Franzosen zu zwei Monaten Haft verurteilt.684 Hubert Eissner eröffnete Ende des Monats das neue Heim der Kriegerkameradschaft in Köflach.685 Am 2. Juni besuchte Gauleiter Uiberreither neuerlich den Kreis. In Voitsberg wurde er von Ortsgruppenleiter Strasser und Bürgermeister Grabner begrüßt. Kreisleiter Weißensteiner begleitete Uiberreither während der gesamten Fahrt durch den Kreis. Diese führte ihn durch Köflach, wo er von Eissner begrüßt wurde, Edelschrott, Bärnbach und Ligist, wo ihn die jeweiligen Ortsgruppenleiter empfingen. Außerdem besuchte er die Bergarbeiter im Bergbau Karlsschacht.686

Eine Woche später besuchte mit Reichsleiter Philipp Bouhler, dem Chef der Kanzlei des „Führers“ und Hitlers Sonderbeauftragtem für die Aktion T 4, das NS-Euthanasieprogramm dem reichsweit über 70.000 geistig und körperlich behinderte Menschen zum Opfer fielen, eine weitere NS-Größe den Kreis. Begrüßt wurde er von Kreisleiter Weißensteiner.687 Bouhlers Besuch stand wohl in Zusammenhang mit der Aktion T 4. Im Schloss Lankowitz in der Gemeinde Maria Lankowitz befand sich nämlich seit 1877 eine Pflegeeinrichtung für geistig behinderte Frauen. Diese wurde im damaligen Jargon als „Landesirrenfilliale“ bezeichnet.688 Es handelte sich dabei um eine von drei Außenstellen der Steiermärkischen "Landes-Irren-Heil- und Pflegeanstalt Feldhof“ bei Graz. Betreut wurde die Einrichtung vom Orden der Barmherzigen Schwestern. Mit Beginn des Jahres 1941 mussten diese das Schloss räumen, da es als Zwischenquartier für umgesiedelte Buchenlanddeutsche vorgesehen war. Die betroffenen Buchenlanddeutschen waren zuvor im Lager Wagna untergebracht, welches ab 26. Oktober 1940 vom ehemaligen Stallhofener Ortsgruppenleiter Alois Kollegger geleitet

683 StLa, BH VO, 1941, Karton 326 Zl 14 Re 1/849-41 8. Oktober 1941 und Walter Brunner (Hg.), Geschichte und Topographie des Bezirkes Voitsberg. Band 2: Bezirkslexikon, 112. 684 Vgl.: VKW, 17. Mai 1941. 685 Vgl.: VKW; 31. Mai 1941. 686 Vgl.: VKW, 7. Juni 1941. 687 Vgl.: VKW, 14. Juni 1941. 688 StLa, BH VO 1938, Karton 206 Zl 14 A 21/2-40 29. September 1940. 121 wurde.689 Da der erste Brief die Absiedlung der Barmherzigen Schwestern und ihrer Patienten betreffend ebenfalls auf den 26. Oktober 1940 datierte, liegt der Schluss nahe, dass sich Kollegger bezüglich der Frage, wohin Teile der Umsiedler untergebracht werden sollten, mit der NS-Führungsriege des Kreises Voitsberg in Verbindung setzte. Kreisleiter Weißensteiner gab in diesem Brief an das Forstamt Lankowitz an, dass er mit dem Landrat und dem Leiter der Umsiedlungsstelle für Buchenlanddeutsche Rücksprache gehalten hatte und man übereingekommen war den Besitz der Barmherzigen Schwestern zu beschlagnahmen. Von Jänner bis März 1941 sollten die Umsiedler dort untergebracht werden.

Der Abtransport der Patientinnen des Schlosses Lankowitz begann allerdings schon im August 1940.690 Vor Ort koordinierten der Bürgermeister von Maria Lankowitz, Franz Roth sowie der Oberforstmeister Micklitz, ebenfalls NSDAP-Mitglied, die Absiedlung der Barmherzigen Schwestern und ihrer „Patientinnen“. Ende 1940 befanden sich noch 70 geistig behinderte Menschen unter Obhut der Barmherzigen Schwestern im Schloss Lankowitz.691 Im Zuge der Auflassung der Lankowitzer Pflegeanstalt wurden viele der Patientinnen über den Umweg des Grazer Feldhofs in die Vernichtungsanstalt im oberösterreichischen Hartheim transportiert.692 Über Transporte in die als Vernichtungsanstalt genutzte Reichspflegeanstalt Grafeneck-Münsingen gibt es ebenfalls Hinweise. Aus einer Taufmatrikeleintragung des Pfarrers von Salla, Viktor Hysel, geht hervor, dass zwei im Schloss Lankowitz untergebrachte Frauen aus der Gemeinde in der Reichspflegeanstalt Grafeneck-Münsingen „gestorben worden sind“.693 Laut einem Forschungsbericht von Helga Stromberger wurde das Schloss Lankowitz auch noch nach der Auflösung der Pflegeeinrichtung der Barmherzigen Schwestern als staatliche Pflegeeinrichtung genutzt. Des Öfteren wurden dort sogar größere Gruppen mit Patientinnen und Patienten aus dem „Feldhof“ untergebracht und teilweise auch wieder in den „Feldhof“ rücküberstellt.694

689 Ernst Lasnik, Stallhofen und das mittlere Södingtal. Ein Beispiel steirischer Vielfalt, Stallhofen 1987, 507. 690 Helge Stromberger, Forschungsbericht zur Erfassung der steirischen T4 Opfer– Erläuterungen zu Projektabschnitt2 und Datenbank ,STalleDB4‘ (= unveröffentlichter Bericht für die Dokumentationsstelle Hartheim), Klagenfurt 2007, 6-7 691 Peter Weißnar, Maria Lankowitz. Porträt einer Gemeinde, Maria Lankowitz 2015, 106. 692Birgit Poier,„Euthanasie“ in der Steiermark. Nationalsozialistische Gesundheits- und Sozialpolitik gegen Behinderte und psychisch Kranke am Beispiel der Grazer Anstalt „Feldhof“.Ungedr. Dipl.-Arb. Graz 2000, 120. 693 Peter Weißnar, Maria Lankowitz. Porträt einer Gemeinde, Maria Lankowitz 2015, 106. 694 Helge Stromberger, Forschungsbericht zur Erfassung der steirischen T4 Opfer– Erläuterungen zu Projektabschnitt2 und Datenbank ,STalleDB4‘ (= unveröffentlichter Bericht für die Dokumentationsstelle Hartheim), Klagenfurt 2007, 8. 122

Bouhlers Besuch im Kreis Voitsberg diente daher wohl der Besichtigung der nun unter staatlicher Aufsicht stehenden Pflegeanstalt. Gespräche mit Teilen der lokalen NS- Führungsriege über den bisherigen Verlauf der Aktion T4 im Schloss Lankowitz und über deren weitere Fortsetzung dürften mit ziemlicher Sicherheit geführt worden sein. Da die Aktion T4 mit größtmöglicher Geheimhaltung durchgeführt wurde, lässt sich abschließend betrachtet nicht mit letzter Sicherheit feststellen, was der genaue Zweck von Bouhlers Besuch im Kreis Voitsberg war.

Nach dem Ende des Krieges am Balkan wurden 312 „Buchenlanddeutsche“ in das Deutsche Reich eingebürgert und im Kreis Voitsberg angesiedelt.695 Der Kreisleiter sprach bei ihrer Einbürgerungsfeier und ermahnte sie Hitler gegenüber, die Treue zu bewahren.696 In der Kreisbevölkerung hielt sich die Begeisterung über die Ansiedelung der „Buchenlanddeutschen“ allerdings in Grenzen. Von manchen wurden sie sogar angefeindet.697

Die politische Lage im Kreis Voitsberg blieb im zweiten Quartal des Jahres 1941 unverändert. In allen Wirtschafts- und Sicherheitsberichten der Gendarmerieposten des Kreises wird diese wie schon im Quartal zuvor als ruhig, normal, klaglos oder günstig bezeichnet.698 Die Zahl der politisch motivierten Anzeigen und Verhaftungen stieg jedoch im Vergleich zum ersten Quartal des Jahres 1941. Insgesamt wurden dem Landrat im zweiten Quartal fünf politisch motivierte Anzeigen und 11 politisch motivierte Verhaftungen gemeldete.699 Vor allem in Bergbaubetrieben verschlechterte sich die Stimmung der Belegschaft zusehends. Dies geht am deutlichsten aus einem Bericht des Gendarmeriepostens Lankowitz an den Landrat hervor. Dem Landrat wurde im Juni 1941 folgendes gemeldet: „Die inländischen Bergarbeiter des Bergbaues Piberstein arbeiten weniger und zeigen sich mürrisch. Dies führt zu einem Rückgang in der Kohlenproduktion. Ursachen für die Verschlechterung der Stimmung konnten nicht festgestellt werden, doch erscheint der Verdacht begründet, dass sich im Bergwerk mehrere KP-Angehörige befinden, welche die Arbeiterschaft ungünstig beeinflussen.“700

695 Vgl.: Bernhard Reismann, Allgemeine Geschichte des Bezirkes 1848-2005, in: Walter Brunner (Hg.), Geschichte und Topographie des Bezirkes Voitsberg. Band 1: Allgemeiner Teil, Graz 2011, 187. 696 Vgl.: VKW, 24. Mai 1941. 697 Vgl.: Bernhard Reismann, Allgemeine Geschichte des Bezirkes 1848-2005, in: Walter Brunner (Hg.), Geschichte und Topographie des Bezirkes Voitsberg. Band 1: Allgemeiner Teil, Graz 2011, 187. 698 Vgl.: StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 April-Juni 1941. 699 Vgl.: Ebd. 700 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Lankowitz 21. Juni 1941. 123

Mit Argwohn beobachtete das NS-Regime auch die Aktivitäten der katholischen Kirche. In der Gemeinde Gößnitz wurde der aufgelassene Feiertag Maria Himmelfahrt von großen Teilen der Bevölkerung abgehalten. Gegen Leopold Pichler, den Pfarrer der Gemeinde St. Martin a.W., musste die Gendarmerie wegen staatsfeindlicher Äußerungen im Fall Hess einschreiten. Die Gestapo wurde darüber informiert.701 Der Flug von Hitlers Stellvertreter Rudolf Hess nach England hatte im Bereich des Gendarmeriepostens St. Martin a.W. große Bestürzung ausgelöst. Es tauchte die Frage auf, was Hess mit dem Flug nach England bezwecken wollte und welche Ereignisse in der Folge eintreten würden.702

Neben den Wirtschafts- und Sicherheitsberichten der Gendarmerieposten an den Landrat sind für das zweite Quartal 1941 auch Berichte der Bürgermeister von Voitsberg und Arnstein an das Amt für Kommunalpolitik in der Kreisleitung der NSDAP über die Lage im Monat Mai vorhanden. Die allgemeine Stimmung der Bevölkerung beschrieb der Voitsberger Bürgermeister Alfred Grabner als zuversichtlich und gut. Einzelne Kreise, hauptsächlich Leute aus dem ehemaligen roten Lager, würden viel über die russische Frage diskutieren, wobei vielfach zum Ausdruck kam, dass Russland mit England gegen Deutschland in den Krieg eintreten werde. Stark beeindruckt war die Bevölkerung von den überwältigenden und raschen Erfolgen des deutschen Heeres im Südosten. Hauptproblem war für Bürgermeister Grabner die Wohnungsnot. Dazu berichtete er: „Die Wohnungsnot macht sich immer eindringlicher bemerkbar. Täglich erscheinen Volksgenossen, die um Abhilfe in Wohnungsangelegenheiten vorsprechen. Derzeit sind rund 200 Wohnungssuchende vorgemerkt. Die Schaffung von Wohnungen ist dringendstes Gebot.“703 In Arnstein herrschte ebenfalls eine allgemein gute Stimmung. Probleme gab es lediglich mit einigen Bauern. Ortsbauernführer Anton Oberländer meldete, dass bei einer Versammlung der bäuerlichen Bevölkerung die Landwirtsgattin Maria Pölzl die NS-Regierung im Vergleich zur vorigen als schlechter bezeichnet hat. Ihr Gatte Sylvester Pölzl verbreitete das Gerücht, dass die Truppen im Südosten, am 2. Tag des Vormarsches gegen Jugoslawien, bereits 2000 Tote zu beklagen gehabt hätten.704 Ob die gemeldeten Aussagen für die Eheleute Konsequenzen hatten, ist nicht bekannt.

701 Vgl.: StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Lankowitz 21. Juni 1941 und St. Martin a.W. 23. Juni 1941. 702 Vgl.: StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 St. Martin a.W. 23. Mai 1941 703 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Voitsberg 14. Mai 1941. 704 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Arnstein Mai 1941. 124

Die schnellen Erfolge der Wehrmacht im Krieg gegen Jugoslawien und Griechenland lösten überall im Kreis große Freude aus.705 Aus dem Bereich des Gendarmeriepostens St. Martin wurde dem Landrat gemeldet: „Vertrauen auf Führer und Wehrmacht ist stark, besonders bei den Weltkriegsteilnehmern, die auch in Serbien gekämpft haben. Rege Bevölkerungsbeteiligung am Führergeburtstag. Gasthaus war überfüllt.“706 In Lankowitz löste vor allem die Eroberung der Untersteiermark große Freude aus.707 Im Bereich des Gendarmeriepostens Salla mischte sich im Mai 1941 in die Freude der Bevölkerung über die Wehrmachtserfolge nach der Veröffentlich der neuesten Verlustmeldungen Trauer, was zu einer leisen Depression in der Stimmungslage führte.708 Aus einem Bericht des Gendarmeriepostens Stallhofen geht hervor, dass im Mai im Postenbereich und in Voitsberg Gerüchte über einen bevorstehenden Krieg gegen die Sowjetunion die Runde machten. Daraus wurde der Schluss gezogen, dass der Krieg noch lange dauern würde.709

Die wirtschaftliche Lage des Kreises Voitsberg im zweiten Quartal des Jahres 1941 wurde in den Wirtschafts-und Sicherheitsberichten der Gendarmerieposten überwiegend als unverändert, ruhig oder normal bezeichnet.710 Der Landarbeitermangel war längst zur Gewohnheit geworden. Auf einem Bericht des Gendarmeriepostens Piber, der wieder einmal den Mangel an Landarbeitern im Postenbereich in den Mittelpunkt stellte, vermerkte der Landrat handschriftlich neben dem betreffenden Abschnitt „überall dasselbe“.711 Neben den fast überall präsenten Kriegsgefangenen, deren Anzahl im Übrigen noch immer als zu gering empfunden wurde712, kamen nun auch erstmals Landarbeiter aus Kroatien zum Einsatz.713 Diese reisten jedoch bereits nach kurzer Zeit zum größten Teil wieder ab, da sie mit den ihnen angebotenen Löhnen nicht zufrieden waren.714 Die Kroaten genossen die Freiheit der ungehinderten Abreisemöglichkeit da das Regime, im Gegensatz zu Franzosen und Polen, die Staatsangehörigen eines verbündeten Staates nicht zur Arbeit zwingen konnte.

705 Vgl.: StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 April-Juni 1941. 706 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 St. Martin a.W. 22. April 1941 707 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Lankowitz 22. April 1941 708 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Salla 23. Mai 1941. 709 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Stallhofen 27. Mai 1941. 710 Vgl.: StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 April-Juni 1941. 711 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Piber 25. April 1941. 712 Vgl.: StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Piber, Voitsberg, Groß-Söding und Ligist April-Juni 1941. 713 Vgl.: StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 April-Juni 1941. 714 Vgl.: StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Groß-Söding 27. Mai 1941 und 27. Juni 1941 und Ligist 26. Mai und 26. Juni 1941. 125

Der kreisweite Mangel an Waren konnte auch im zweiten Quartal des Jahres 1941 nicht behoben werden. Dieser hat sich sogar noch leicht verschärft. Engpässe wurden nun neben den bisher knappen Waren auch in der Versorgung mit Kleesamen, Taschenbatterien, Bier und nicht alkoholischen Getränken gemeldet. Dies geht aus zahlreichen Wirtschafts- und Sicherheitsberichten der Gendarmerieposten des Kreises hervor. Die Versorgung mit lebenswichtigen Artikeln funktionierte hingegen weiterhin den Verhältnissen entsprechend recht gut. 715

Die wirtschaftliche Lage der Industriearbeiterschaft des Kreises blieb angespannt. Klagen der Arbeitnehmer über zu geringe Löhne und zu hohe Steuern nahmen zu. Vor allem in den unteren Einkommensklassen herrschte bereits eine deutlich spürbare Missstimmung.716 Immer mehr Arbeiter wurden auch zum Wehrdienst eingezogen. Dies hatte zur Folge, dass ausländische Arbeiter nun auch zur Arbeit in Industriebetrieben herangezogen wurden. Unter den ca. 1000 Arbeitern des Bergbaues Piberstein befanden sich im zweiten Quartal 1941 bereits 43 französische Kriegsgefangene, 14 Kroaten und einige Slowenen.717

Angriff auf die Sowjetunion

Am 22. Juni 1941 begann Hitlerdeutschland mit dem Angriff auf die Sowjetunion jenen Krieg, der wesentlich zum Ende der NS-Herrschaft beitragen sollte. In propagandistischer Hinsicht reagierte man im Kreis Voitsberg etwas schneller als zu Beginn des Zweiten Weltkrieges. Der Kreisobmann der DAF rief zum „vollen Einsatz an der Heimatfront“ auf. Eissner sprach in Köflach von der alles zersetzenden Kraft des Feindes im Osten.718 In den folgenden Tagen dominieren Nachrichten über den Krieg das VKW. Erst Mitte Juli liest man, in einem Bericht über eine Rede Eissners in Gradenberg, wieder etwas über die Aktivitäten der NS-Führungsriege im Kreis. Diese Rede hatte allerdings den Krieg gegen Großbritannien zum Thema.719 Welche Stimmung bei der Bevölkerung des Kreises Voitsberg unmittelbar nach dem Bekanntwerden des Krieges gegen die Sowjetunion herrschte, ist schwer einzuschätzen, da dieses Thema in den Wirtschafts- und Sicherheitsberichten der

715 Vgl.: StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 April-Juni 1941. 716 Vgl.: StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Voitsberg, Köflach und Lankowitz April-Juni 1941. 717 Vgl.: StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Lankowitz 22. April 1941 und 21. Juni 1941. 718 Vgl.: VKW, 28. Juni 1941. 719 Vgl.: VKW, 19. Juli 1941. 126

Gendarmerieposten nur vereinzelt erwähnt wurde. Dies liegt zum Teil daran, dass einige dieser Berichte bereits vor dem 22. Juni 1941 oder erst kurz danach abgeschickt wurden. So meldete der Gendarmerieposten St. Martin a.W. dem Landrat am 23. Juni 1941: „Die Kriegsereignisse im Osten sind noch nicht zur Kenntnis der gesamten Bevölkerung gelangt. Daher kann die Stimmung dieser in diesem Belang noch nicht beurteilt werden.“720 Die Bevölkerung im Bereich des Gendarmeriepostens Stallhofen war im Allgemeinen zuversichtlich, was den Krieg gegen die Sowjetunion anging. Nur einzelne erwarteten sich negative Auswirkungen.721 Aus Kainach wurde hingegen gemeldet, dass der Krieg gegen die Sowjetunion die Bevölkerung überraschte und auf weite Kreise lähmend wirkte.722 In den Wirtschafts- und Sicherheitsberichten der folgenden Monate dominierten Meldungen über Verhaftungen von Kommunisten.723 Dazu mehr im Kapitel Verfolgung und Widerstand.

Gegen Ende des Monats Juli stand dann eine Spinnstoffsammlung im Mittelpunkt der Propaganda. Die NSDAP übernahm dabei die Organisation. Weißensteiner sprach bei einem Kreisschulungsappell ausführlich über dieses Thema.724 Am 31. Juli instruierte Weißensteiner im Zuge eines Kreisappells die anwesenden NSDAP-Mitglieder über den Zweck und die Ausrichtung der Propaganda und unterstrich damit die Bedeutung dieses Bereiches.725 Anfang August besuchte Gauleiter Uiberreither zum ersten Mal nach dem Beginn des Krieges gegen die Sowjetunion den Kreis Voitsberg. Dabei legte er besonderes Augenmerk auf die Arbeiterschaft. Unter anderem sprach er zu den Bergarbeitern in Piberstein.726 Hier wohnte er der Auszeichnung von 99 Bergarbeitern mit einer Dienstzeit von 25 Jahren oder mehr bei. Rund 600 Gefolgschaftsmitglieder und ihre Angehörigen waren anwesend. Da die Gesamtgefolgschaft samt Angehörigen über 1000 Personen zählte, wurde die Teilnahme an der Feierlichkeit vom Gendarmeriepostenkommandanten von Lankowitz als gering bezeichnet.727 Diese geringe Teilnahme spiegelt den Unmut von Teilen der Arbeiterschaft den Nationalsozialisten gegenüber wider. Dieser Unmut ist wohl auf die zahlreichen Verhaftungen von kommunistischen Bergarbeitern zurückzuführen. Ende des Monats fand unter der Leitung des Landrates Dr. Lutz eine Arbeitstagung aller Bürgermeister des Kreises statt. Köflacher Bürgermeister war zu diesem Zeitpunkt bereits Franz Kleinhappl, ein führender Aktivist des

720 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 St. Martin a.W. 23. Juni 1941. 721 Vgl.: StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Stallhofen 27. Juni 1941. 722 Vgl.: StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Kainach 27. Juni 1941. 723 Vgl.: StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Juli-September 1941. 724 Vgl.: VKW, 27. Juli 1941. 725 Vgl.: VKW, 2. August 1941. 726 Vgl.: VKW, 9. August 1941. 727 Vgl.: StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Lankowitz 21. August 1941. 127 nationalsozialistischen Bergarbeiterstreiks von 1933, der Alois Brantl am Monatsanfang abgelöst hatte.728

Erst Ende August, also ganze zwei Monate nach dem Angriff auf die Sowjetunion, wurden erstmals Äußerungen von Kreisleiter Anton Weißensteiner zu diesem Thema öffentlich gemacht. Im Zuge einer Versammlung der Voitsberger Ortsgruppe sprach er ausführlich über den Bolschewismus. „Am Bolschewismus ist alles jüdisch“, so Weißensteiner. Außerdem sei der jüdische Schwiegervater Stalins der eigentliche „Sowjetherrscher“. Im späteren Verlauf der Rede zitierte er noch einige antisemitische Äußerungen Henry Fords. Zum Abschluss forderte er von seinen Mitarbeitern „Disziplin und Haltung“.729 Auffällig ist, dass sich die Aktivitäten der führenden Nationalsozialisten des Kreises im August und September 1941 vor allem im Umfeld von Soldatenverbänden abspielten. Hubert Eissner sprach bei Tagesbesprechungen der NSRKK und der NSKOV. Kreisleiter Weißensteiner hielt bei der Verleihung von Ehrenkreuzen in Bärnbach eine Rede. Bei der Dekorierung von Teilnehmern des Ersten Weltkrieges in Köflach sprachen beide öffentlich.730 Während Weißensteiner die Verleihung der Ehrenkreuze in Bärnbach vornahm, überreichte Ortsgruppenleiter Karl Strasser den Voitsberger Weltkriegsteilnehmern ihre Ehrenkreuze.731

Beginnend mit September ließ sich Weißensteiner immer öfter von Hubert Eissner vertreten. So sprach Eissner bei großen Kundgebungen in Voitsberg und in Köflach vom „verratenen Sozialismus“ und er vertrat Weißensteiner auch bei einer Mitarbeiterbesprechung in Bärnbach.732 Das Motiv wahrer und falscher Sozialismus rückte nun immer stärker in den Vordergrund der NS-Propaganda.733 So seien laut Eissner sowohl der Bolschewismus als auch die „Plutokratie“ vom „Weltjudentum“ gesteuert. In diesen Reden rückte Eissner die zentralen Elemente der antisemitischen und antibolschewistischen NS-Ideologie in den Vordergrund. Den Sozialismus beanspruchte er für die NS-Bewegung. „Wahren Sozialismus“ vertrete nur die NSDAP, so Eissner.734 Diesen wahren Sozialismus bezeichnete er bei der Ernennung des neuen Köflacher DAF-Ortsleiters als „Deutschen Sozialismus“.735 Als besondere Propagandawaffe benutzten die Nationalsozialisten Norbert Raffler. Der kommunistische

728 Vgl.: VKW, 9. August 1941 und 23. August 1941. 729 Vgl.: VKW, 30. August 1941. 730 Vgl.: VKW, 23. August 1941, 30. August 1941 und 6. September 1941. 731 Vgl.: VKW, 13. September 1941. 732 Vgl.: VKW, 13. September 1941 und 27. September 1941. 733 Vgl.: VKW September, Oktober und November 1941. 734 Vgl.: VKW, 13. September 1941. 735 Vgl.: VKW, 4. Oktober 1941. 128

Bergarbeiter war im Oktober 1939 verhaftet worden, da er auf offener Straße „Heil Moskau“ gerufen hatte.736 Nach seiner Enthaftung floh er in die Sowjetunion und berichtete nun über seine durchwegs negativen Erfahrungen dort. Für die NS-Propaganda nahm er die Rolle des „Bekehrten“ ein. Ob sein Erlebnisbericht in dem er ausführlich von der Zeit seiner Flucht, seiner Internierung in einem NKWD-Lager bis zur Befreiung durch deutsche Truppen berichtet, von ihm selbst stammt und korrekt ist, bleibt freilich fraglich. Fest steht, dass der Bericht in fünf Ausgaben des VKW als Fortsetzungsgeschichte abgedruckt wurde und sich vorzüglich zu Propagandazwecken eignete.737 Raffler wurde in der Folge zur Wehrmacht eingezogen und fiel im September 1943 an der Ostfront.738

Die politische Lage im dritten Quartal des Jahres 1941 war von der Aufdeckung und Zerschlagung der kommunistischen Widerstandsorganisation des Kreises Voitsberg geprägt. Dabei wurden bis Jahresende insgesamt 160 Personen, hauptsächlich Bergarbeiter verhaftet. Viele von ihnen bezahlten für ihren Widerstand mit dem Leben. Die genaueren Umstände der Zerschlagung der kommunistischen Widerstandsbewegung werden im Kapitel Verfolgung und Widerstand beschrieben.739 Abgesehen von den Verhaftungen, die im Zusammenhang mit der Vernichtung der kommunistischen Zellen standen, gab es im dritten Quartal 1941 sechs politisch motivierte Anzeigen und vier politisch motivierte Verhaftungen.740 Der Frage warum sich der Kommunismus, trotz der intensiven NS-Propaganda, innerhalb der Arbeiterschaft großer Beliebtheit erfreute, wurde vonseiten der Obrigkeit kaum nachgegangen. Lediglich der Gendarmerieposten Voitsberg versuchte im August 1941 dem Landrat im selben Bericht, in dem er von der Festnahme von 50 Kommunisten im Postengebiet berichtete, klar zu machen, dass die kommunistischen Propagandaerfolge auf die schlechte Entlohnung der Arbeiterschaft zurückzuführen sind. Anschließend stellte er jedoch fest, dass ein guter Teil der verhafteten kommunistischen Aktivisten zu jenen Teilen der Arbeiterschaft gehörte, denen es wirtschaftlich nicht so schlecht ginge. 741 In den ländlichen Gebieten des Kreises machte sich neben dem kommunistisch motivierten aktiven Widerstand auch der passive Widerstand der katholischen Bevölkerung bemerkbar. Der aufgelassene Feiertag Maria Himmelfahrt wurde vom Großteil der im Bereich des Rayons Lankowitz lebenden bäuerlichen Bevölkerung und

736 Vgl.: Vgl.: Walter Brunner (Hg.), Geschichte und Topographie des Bezirkes Voitsberg. Band 2: Bezirkslexikon, Graz 2011, 255. 737 Vgl.: VKW, 4. Oktober 1941, 11. Oktober 1941, 18. Oktober 1941, 25. Oktober 1941 und 1. November 1941. 738 Vgl.: VKW, 11. September 1943. 739 Vgl.: S. 106-108 740 Vgl.: Vgl.: StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Juli-September 1941. 741 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Voitsberg 29. August 1941. 129 insbesondere von den religiösen Bewohnern der Gemeinde Gößnitz als Feiertag gehalten. Dadurch waren Produktionsausfälle zu verzeichnen.742

Der Einstellung der Bevölkerung des Kreises Voitsberg zum Krieg gegen die Sowjetunion im dritten Quartal des Jahres 1941 auf den Grund zu gehen, ist schwierig. Dies liegt wie bereits erwähnt vor allem daran dass vor allem in den Wirtschafts- und Sicherheitsberichten der einzelnen Gendarmerieposten die Meldungen von Verhaftungen von Kommunisten oder von kommunistischen Aktivitäten oder dem Ausbleiben solcher dominierten.743 Außerdem könnte das Fehlen von Berichten betreffend der Einstellung der Bevölkerung zum Feldzug im Osten auch darauf zurückzuführen sein, dass sich die Kreisbewohner zu diesem Thema wenig oder nur zurückhaltend äußerten. Aus jenen Gendarmerieberichten, die den Krieg gegen die Sowjetunion und die Einstellung der Bevölkerung zu diesem thematisieren, lässt sich der Schluss ziehen, dass die zu Beginn vorhandene große Spannung einer, durch die ersten Erfolge der Wehrmacht ausgelösten, leichten Zuversicht gewichen ist.744 Ähnlich klingt die Einschätzung des Voitsberger Bürgermeister in einem der wenigen erhalten gebliebenen Berichten an das Amt für Kommunalpolitik in der Kreisleitung der NSDAP. In diesem Bericht teilt Bürgermeister Grabner dem Kreisamtsleiter für Kommunalpolitik Blumauer mit, dass die militärischen Erfolge der Wehrmacht im Osten von der Bevölkerung mit Befriedigung zur Kenntnis genommen werden würden.745

In wirtschaftlicher Hinsicht erfuhr die Lage des Kreises Voitsberg im dritten Quartal 1941 eine spürbare Verschlechterung, vor allem im Bereich der Industriearbeiterschaft. Die wirtschaftlichen Probleme traten nun auch in den Industriegemeinden in den Vordergrund.746 In der Gemeinde Voitsberg verschlechterte sich die Lage auch im Handwerks- und Gewerbestand durch die Verknappung von Material und durch die zahlreichen Einberufungen zur Wehrmacht. Letztere wirkten sich ebenfalls auf die Landwirtschaft aus. In der Arbeiterschaft sorgten vor allem die niedrigen Löhne für Unzufriedenheit. Ein weiteres Mal forderte der Postenkommandant vom Landrat eine Besserstellung von Arbeitern der niedrigeren Lohnstufen.747

742 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Voitsberg 21. August 1941 743 Vgl.: StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Juli-September 1941. 744 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Juli-September 1941. 745 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Voitsberger Bürgermeister an Amt für Kommunalpolitik. Lagebericht für September 1941. 7. Oktober 1941. 746 Vgl.: StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Juli-September 1941. 747 Vgl.: StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Voitsberg Juli-September 1941. 130

In den Industriebetrieben des Kreises wurde der Anteil der ausländischen Arbeitskräfte, hauptsächlich Franzosen, Kroaten und Slowenen nach dem Angriff auf die Sowjetunion deutlich erhöht. Diese ausländischen Arbeiter verhielten sich je nach ihrer Herkunft und dem Ort, an dem sie eingesetzt wurden, unterschiedlich.748 Mit den Kroaten war man aufgrund ihrer hohen Lohnforderungen und ihrer Neigung bei Nichterfüllung dieser, wieder in ihre Heimat zurückzukehren, unzufrieden.749 Die in der Schuhfabrik und in der Glasfabrik Köflach eingesetzten französischen Arbeiter verhielten sich dagegen laut Gendarmeriebericht aus dem August 1941 zufriedenstellend.750 Am Ausbau der Glasfabrik Köflach waren bis September 1941 auch 40 ungarische Arbeiter beteiligt, welche danach wieder nach Ungarn zurückkehrten.751 Der Gendarmerieposten Lankowitz meldete dagegen im September 1941: „Von 35 im Bergbau eingesetzten französischen Kriegsgefangenen haben 30 seit Anfang September ihre Arbeitsleistung derart vermindert, dass der Verdacht der passiven Resistenz besteht. Nach Ansicht der Betriebsführung des Pibersteiner Kohlenbergbaues ist die verminderte Arbeitsleistung der Kriegsgefangenen auf Arbeitssabotagepropaganda zurückzuführen, die infolge der nachsichtigen Behandlung von Seiten der militärischen Vorgesetzten möglich ist.“752 Aufgrund dieser passiven Resistenz und wegen der zahlreichen Verhaftungen von Kommunisten, bis Ende September waren im Bergbau Piberstein allein 35 Arbeiter verhaftet worden, sank die tägliche Fördermenge an Kohle um fast 10 Prozent. Waren es zu Beginn des Quartals noch 520 Tonnen Kohle, die täglich gefördert wurden sank, dieser Wert bis Ende September auf 480 Tonnen pro Tag.753 Angesichts der durch den Krieg gegen die Sowjetunion nötig gewordenen Steigerung der industriellen Leistung des Deutschen Reiches waren diese Zahlen für die Nationalsozialisten katastrophal.

In den ländlichen Gemeinden des Kreises Voitsberg war die wirtschaftliche Lage im dritten Quartal des Jahres 1941 stabil, jedoch weiterhin von einem Mangel an Landarbeitern geprägt. Außerdem verschärfte sich der Mangel an Gebrauchsgegenständen und Rohstoffen, allen voran Benzin nach dem Angriff auf die Sowjetunion auf dem Lande deutlich. 754 Unmut machte sich auch über die vielen Vorschriften welche die Bauern vom Reichsnährstand

748 Vgl.: StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Voitsberg, Köflach und Lankowitz Juli-September 1941. 749 Vgl.: StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Köflach 25. August 1941, Voitsberg 30. Juli 1941 und 29. September 1941, Groß-Söding 26. August 1941 und Kainach 27. Juli 1941. 750 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Köflach 25. August 1941. 751 StLa, BH VO, Karton 286 Zl 14 Ku 8/11-40 2. September 1941. 752 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Lankowitz 24. September 1941. 753 Vgl. Ebd. 754 Vgl.: StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Juli-September 1941. 131 bekamen bemerkbar. Im Bereich des Gendarmeriepostens St. Martin a.W. beschwerten sich zahlreiche Bauern über die Anordnung zur Versiegelung von Butterrührkübeln. Der Postenkommandant charakterisierte diese Bauern folgendermaßen: „Es handelt sich dabei um einzelne unverbesserliche Egoisten, denen der Begriff Volk oder Volkswirtschaft fremd ist. Außerdem sind sie klerikal eingestellt.“755 Wie tief der Katholizismus in der Bevölkerung der Ortsgruppe St. Martin a.W. verankert war, zeigt die Tatsache, dass selbst Ortsgruppenleiter Johann Steinwieder trotz mehrmaliger Aufforderung von Kreisleiter Weißensteiner nicht aus der katholischen Kirche austrat. Weißensteiner bezeichnete die Ortsgruppe St. Martin gegenüber Steinwieder als die schlechteste im gesamten Kreis, da der Pfarrer und nicht die NSDAP regiere. Als Steinwieder auf Druck Weißensteiners seinen Austritt aus der katholischen Kirche vortäuschte, kam der Kreisleiter dahinter, sorgte im Juli 1941 für seine Absetzung als Ortsgruppenleiter und leitete ein Parteigerichtsverfahren gegen ihn ein. Nur zwei Wochen nach seiner Absetzung musste Steinwieder zur Marine einrücken. Dort erhielt er von der NSDAP seinen Ausschlussbescheid. Er war damit der einzige Ortsgruppenleiter des Kreises Voitsberg, der aus der NSDAP ausgeschlossen wurde.756

Andere Sorgen als den Klerikalismus der Bevölkerung hatte der Postenkommandant von Geistthal. Er forderte vom Landrat den Erlass einer Verordnung, der zu Folge Familien mit Kindern zwischen 14 und 16 Jahren, diese zur Behebung des Arbeitskräftemangels den Bauern als Landarbeiter zur Verfügung zu stellen sollten. Anschließend bezeichnete er jene Familien, die dies nicht freiwillig tun würden als unsozial. Der Bürgermeister von Geistthal hatte die Namen der betreffenden Familien bereits in seinem monatlichen Lagebericht an die Kreisleitung der NSDAP weitergegeben.757 Neben solchen Maßnahmen zur Beschaffung von landwirtschaftlichen Arbeitskräften setzte das NS-Regime weiter auf Kriegsgefangene und ausländische Arbeiter. Aus der Gemeinde Krottendorf wird erstmals vom Einsatz britischer Kriegsgefangener als Landarbeiter berichtet.758 Generell gab es mit den in der Landwirtschaft eingesetzten Kriegsgefangenen wenige Probleme. Von Fluchten wird im gesamten dritten Quartal 1941 nichts berichtet.759 Dies sollte sich mit weiterem Fortgang des Krieges recht deutlich ändern.

755 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 St. Marin a.W. 24. August 1941. 756 LGS Graz, Vr 3357/47; 41-42. 757 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Geistthal 26. September 1941. 758 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Ligist 26. August 1941. 759 Vgl.: StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Juli-September 1941. 132

Am 11. Oktober besuchte anlässlich des 100. Geburtstages von Franz Schreiner, des letzten „Oeverseekämpfers“ von 1864, Gauleiter Uiberreither erneut den Kreis und nahm in Begleitung von Weißensteiner und Strasser an den Feierlichkeiten teil.760 Die Feier für Schreiner, der dem Infanterieregiment 27 angehörte, begann um 15:00 mit einem Abmarsch vom Gasthof Kuttroff zum Festsaal Voitsberg. Dort wurde um 15:30 der Gauleiter empfangen. Nach dem Ende der Ehrung folgte der Abmarsch vom Festsaal durch die Schillerstraße zum Adolf Hitlerplatz. Dort fand ein Vorbeimarsch vor dem Jubilar, dem Gauleiter und den Ehrengästen, welche vor dem Rathaus Aufstellung nahmen, statt.761

Am 25. Oktober nahm der Gauleiter zusammen mit Weißensteiner und Eissner an einem Schulungsapell der Ortsgruppe Lankowitz teil.762 Gegen Ende des Monats Oktober 1941 erreichte die Propaganda für den „wahren Sozialismus“ schließlich ihren Höhepunkt. Zahlreiche Großkundgebungen für die „Schaffenden“, an denen Tausende Personen teilnahmen, fanden im gesamten Kreisgebiet statt. Der Kreisleiter gelobte dabei bis zum Sieg weiterzumachen. 763 Sein weiterer Einsatz im Dienste des NS-Regimes sollte sich aber außerhalb des Kreises Voitsberg abspielen. In der Führung der Kreispartei kam es nämlich im November 1941 zu einem Wechsel. Weißensteiner hielt am Ende des Monats seine letzte Kreisarbeitsbesprechung mit den Ortsgruppenleitern und den Kreisleitungsmitarbeitern ab.764 Seinen letzten öffentlichen Auftritt hatte er bei einer Tagung der Ortsbäuerinnen des Kreises Voitsberg im Dezember.765 Danach rückte er erneut zur Waffen-SS ein und blieb bis Anfang 1943 an der Ostfront. Nach seiner Rückkehr von der Front wurde er Gauobmann der DAF und folgte damit seinem alten Freund Tobias Portschy auf diesem Posten.766

Nachfolger Weißensteiners wurde der Köflacher Hubert Eissner, der die Führung der Kreisleitung im Dezember 1941 übernahm. Er wurde dabei zunächst als „Kriegskreisleiter“ bezeichnet.767 Weißensteiners Position als Führer der SA-Gebirgsjägerstandarte 12 übernahm der in November aus der Untersteiermark zurückgekehrte Ludwig Lettmayer.768 Auch an der Spitze der NSDAP-Ortsgruppe Bärnbach gab es einen Wechsel. Für den eingerückten

760 Vgl.: VKW, 18. Oktober 1941. 761 Vgl.: StLa, BH VO, 1940, Zl 14 Sche 8/41. 762 Vgl.: VKW, 1. November 1941. 763 Vgl.: Ebd. 764 Vgl.: VKW, 29. November 1941. 765 Vgl.: VKW, 6. Dezember 1941. 766 Vgl.: StLa, VR 5001/47 767 Vgl.: VKW, 3. Jänner 1942. 768 Vgl.: VKW, 15. November 1941 und 20. Dezember 1941. 133

Ortsgruppenleiter Weifert übernahm Max Suppanz die Führung der Ortsgruppe.769 Zu Weihnachten wandte sich Weißensteiner, der zu diesem Zeitpunkt bereits bei der SS eingerückt war über das VKW an die Kreisbevölkerung. Er kündigte an, dass Blockwarte jeden Haushalt des Kreises zwecks Spendensammlung besuchen würden. Abschließend bedankte er sich bei der Bevölkerung für die Anstrengungen des vergangen Jahres.770

Die politische Lage im Kreis Voitsberg wurde im vierten Quartal des Jahres 1941 von allen Gendarmerieposten entweder als normal, ruhig, klaglos oder günstig bezeichnet.771 Sieht man sich die einzelnen Wirtschafts- und Sicherheitsberichte genauer an, verwundert einen diese Einschätzung doch ziemlich. Die Verhaftungswelle im Zusammenhang mit der Zerschlagung der kommunistischen Widerstandsorganisation im Kreis, hatte zwar ihren Höhepunkt überschritten, hielt aber noch immer an. Darauf wird im Kapitel Verfolgung und Widerstand näher eingegangen. Auch die Zahl der sonstigen politisch motivierten Anzeigen und Verhaftungen erfuhr im Vergleich zum dritten Quartal eine große Steigerung. Insgesamt gab es im vierten Quartal 1941 im gesamten Kreisgebiet neben den Verhaftungen von Kommunisten zehn politisch motivierte Verhaftungen und sieben politisch motivierte Anzeigen.772 Dies deutet eindeutig auf eine Verschlechterung der politischen Lage für das NS-Regime hin. Auch mit den ausländischen Arbeitern bekamen die Nationalsozialisten zunehmend Probleme. In den Bergbaubetrieben gab es zahlreiche Fluchten von slowenischen Arbeitern. So meldete der Gendarmeriepostenkommandant von Bärnbach dem Landrat im Oktober 1941: „Sechs slowenische Bergarbeiter wurden wegen Arbeitsverweigerung und Blaumachens eingesperrt. Von insgesamt 20 zugewiesenen Bergarbeitern des Bergbaus Oberndorf sind 14 geflüchtet. Im Bergwerk Hödlgrube sind von den 33 zugewiesenen Bergarbeitern 14 geflüchtet. Viele sollen ins Rheinland abgewandert sein, wo die Bergarbeiter angeblich bessere Löhne bekommen.“773 Auch aus dem Bereich des Gendarmeriepostens Köflach wurde dem Landrat über Unzuverlässigkeit und Fluchten von slowenischen Bergarbeitern berichtet.774 Die Fluchten könnten neben den niedrigen Löhnen auch mit den schlechten Arbeitsbedingungen im Bergbau zu tun gehabt haben. Von den 30 slowenischen

769 Vgl.: VKW, 6. Dezember 1941. 770 Vgl.: VKW, 24. Dezember 1941. 771 Vgl.: StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Oktober-Dezember 1941. 772 Vgl.: Ebd. 773 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Bärnbach 24. Oktober 1941. 774 Vgl.: StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Köflach 24. Oktober 1941 und 25. November 1941. 134

Arbeitern, die der Glasfabrik Oberndorf in Bärnbach zugewiesen wurden, floh nämlich kein einziger.775

In wirtschaftlicher Hinsicht blieb die Lage des Kreises Voitsberg im vierten Quartal des Jahres 1941 weiter angespannt. Der Mangel an Arbeitskräften in Landwirtschaft und Industrie verschärfte sich durch die erhöhte Zahl an Einberufungen weiter. Außerdem nahm der Mangel an zahlreichen für die Bevölkerung wichtigen Materialien, Gebrauchsgegenständen, Konsumgegenständen und Rohstoffen zu.776 Dazu seien nur einige Beispiele erwähnt. In der Glasfabrik Köflach konnte die Produktion trotz des Ausbaues und der Einstellung zahlreicher ausländischer Arbeiter nicht gesteigert werden. Grund dafür war die aufgrund von Mangel an Zugwaggons stockende Zufuhr der für die Glaserzeugung benötigten Rohstoffe, Sand und Soda.777 Aus einem Bericht des Köflacher Bürgermeisters und Kreisfachgruppenleiters der DAF Franz Kleinhappl an den Landrat und die Kreisleitung der NSDAP geht des Weiteren hervor, dass trotz aller Bemühungen das „Wohnungselend“ zu beseitigen noch immer ein großer Mangel an Wohnungen herrschte.778 Im Bereich des Gendarmeriepostens Voitsberg hatte der Mangel an Branntweinen und anderen branntweinhaltigen Getränken die Bildung von Menschenmengen in einem Ausmaß von 150-200 Personen vor der einzigen Likörfabrik zur Folge.779 Kreisweit herrschte ein massiver Mangel an Schuhen. Aus dem Bereich des Gendarmeriepostens Kainach wurde dem Landrat im November 1941 gemeldet, dass Schwerstarbeiter die von Fabriken gelieferten Schuhe aufgrund ihrer schlechten Qualität (Holzsohlen) als unbrauchbar ablehnen würden. Die ortsansässigen Schuhmacher waren aufgrund von Ledermangel nicht mehr in der Lage die Bevölkerung mit Schuhen zu versorgen.780 Die unzureichende Belieferung der Bevölkerung mit Schuhen führte dazu, dass im selben Postengebiet einen Monat später zahlreiche Kinder deswegen den Schulbesuch einstellen mussten.781

Erfreulichere Nachrichten für die NS-Machthaber gab es aus dem Bergbau Piberstein. Dort konnte im Oktober 1941 die Tagesproduktion an Kohle von 480 auf 550 Tonnen erhöht werden. Dem Landrat wurde dazu gemeldet: „Die Betriebsleitung hegt die Ansicht, dass

775 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Bärnbach 24. Oktober 1941. 776 Vgl.: StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Oktober-Dezember 1941. 777 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Köflach 24. Oktober 1941. 778 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Köflacher Bürgermeister an Kreisleitung und Landrat, 15. November 1941. 779 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Voitsberg 29. November 1941. 780 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Kainach 27. November 1941. 781 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Kainach 27. Dezember 1941. 135 durch die Verhaftungen der kommunistischen Bergarbeiter es nunmehr an Rädelsführern für die kommunistische-passive Resistenzpropaganda fehlt. Nur dies und auch die Erfolge unserer Wehrmacht im Osten, kann nach Ansicht der Betriebsleitung die übrige Arbeiterschaft, deren zahlenmäßiger Einsatz immer derselbe war, zu dieser nie dagewesenen Tagesleistungssteigerung angespornt haben.“782 Da im selben Monat im Bergbau Piberstein noch immer Verhaftungen durchgeführt wurden, kann man die gesteigerte Arbeitsleistung der Belegschaft auch als Ausdruck der Besorgnis vor weiteren Verhaftungen deuten. In anderen Industriebetrieben gab es dagegen verstärkt Unmutsbekundungen über die Arbeitsbedingungen. Sieben Arbeiterinnen der Glasfabrik Oberndorf legten aus Protest gegen den Entzug ihrer Schwerarbeiterkarten die Arbeit um drei Stunden früher als üblich nieder. Erst nach Aufforderung durch die Gestapo und der Zusicherung des weiteren Erhalts der Schwerarbeiterkarten durch die Fabriksleitung nahmen die Frauen ihre Arbeit wieder auf.783 Im Kohlebergbau Zangtal der im Bereich des Gendarmeriepostens Voitsberg lag, herrschte im Dezember 1941 ebenfalls große Unruhe. Die Bergarbeiter, von denen viele einige Nutztiere hielten, kritisierten die neuen Bestimmungen über die Berechnung des Schlachtgewichts für Selbstversorger. Der DAF-Kreisamtsleiter Rudolf Petri hielt daraufhin nach einer Intervention des Betriebsobmannes des Werks Zangtal einen Appell zu diesem Thema ab, der von der Belegschaft laut Bericht des Gendarmeriepostens Voitsberg mit Befriedigung zur Kenntnis genommen wurde. Auf ungeteilte Zustimmung kann der Vortrag von Petri allerdings nicht gestoßen sein, da im selben Bericht gemeldet wurde, dass ein Zwischenrufer verhaftet und in den Gefängnistrakt des Amtsgerichts Voitsberg eingeliefert wurde.784

Was die Kriegslage im vierten Quartal des Jahres 1941 betrifft, waren weite Teile der Bevölkerung vor allem in den Monaten Oktober und November noch zuversichtlich.785 Besonders groß war die Zuversicht im Bereich des Gendarmeriepostens Stallhofen.786 Von dort wurde dem Landrat im Oktober 1941 gemeldet, dass die wenigen die zu Beginn des Feldzuges gegen die Sowjetunion Schwierigkeiten erwartet haben, ihre Meinung geänderte hätten.787 Auch als der Vormarsch der Wehrmacht im Dezember in Stocken geriet und erste Nachrichten von Rückschlägen im Ostfeldzug auch zur Bevölkerung durchdrangen, war der

782 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Lankowitz 21. Oktober 1941. 783 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Bärbach 27. Dezember 1941. 784 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Voitsberg 30. Dezember 1941. 785 Vgl.: StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Oktober-Dezember 1941. 786 Vgl.: StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Stallhofen Oktober-Dezember 1941. 787 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Stallhofen 27. Oktober 1941. 136 größte Teil bäuerlich geprägten Bevölkerung des Postengebietes noch zuversichtlich.788 Dies ist umso erstaunlicher, wenn man sich die Wirtschafts- und Sicherheitsberichte der anderen Gendarmerieposten aus dem Dezember 1941 ansieht. In diesen wurde ausnahmslos über die Stimmung der Bevölkerung für den Monat Dezember den Krieg betreffend geschwiegen.789 Im Bereich des Gendarmerieposten Groß-Söding machte sich bereits im Oktober eine gewisse Sorge unter der Bevölkerung breit. Dem Landrat wurde berichtet: „Die Bevölkerung freut sich über die Erfolge der Wehrmacht, fürchtet jedoch, dass die Soldaten den russischen Winter mit seinen Härten nicht aushalten werden können. In dieser Beziehung wird die Bevölkerung mit dem Hinweis aufgeklärt, dass die Oberste Führung gut für die Soldaten vorgesorgt habe.“790 Die Befürchtungen bezüglich der mangelnden Vorbereitung der Wehrmachtssoldaten auf den russischen Winter waren jedoch vollkommen berechtigt. Die „Oberste Führung“ hatte in diesem Punkt schlicht und einfach nicht vorgesorgt. Dies sollte dramatische Auswirkungen haben.

Im Winter 1941/1942 erlitt die Wehrmacht ihre ersten großen Niederlagen. Diese Rückschläge, der Kriegseintritt der Vereinigten Staaten von Amerika und die steigende Zahl der Gefallenen wirkten sich natürlich negativ auf die Stimmung in der Bevölkerung aus. Die Nationalsozialisten im Kreis mussten auf diese veränderte Stimmungslage reagieren. Auf die Lage an der Front gingen sie dabei allerdings nicht ein. Vielmehr reagierte die NS- Propaganda vor Ort mit Aufrufen an die Bevölkerung an der Heimatfront, „für den Sieg zu kämpfen“.791 Der erste Aufruf des neuen Kreisleiters Huber Eissner behandelte ebenfalls diese Thematik. Er forderte die Kreisbevölkerung auf, alles für den „Sieg gegen den Bolschewismus, die jüdische Pest des 20. Jahrhunderts“ zu geben und bedankte sich für die rege Teilnahme an der Sammelaktion „Woll- und Wintersachen für die Front“.792 Auch Hans Kloepfer schrieb wieder im Sinne der NS-Propaganda und grüßte die steirischen Frontsoldaten in Gedichtform.793 Laut Angaben der Gradener Pfarrchronik war zwar vielen Einwohnern schon klar, dass der Krieg verloren sei, jedoch wurde auch vermerkt, dass die NS-Propaganda „vorzügliche Arbeit leiste“, da der Großteil der Bevölkerung trotz der schweren Rückschläge noch immer an einen Sieg glaubte.794

788 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Bärnbach 27. Dezember 1941. 789 Vgl.: StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Dezember 1941. 790 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Groß-Söding 27. Oktober 1941. 791 Vgl.: VKW, Dezember, Jänner, Februar 1942. 792 Vgl.: VKW, 17. Jänner 1942. 793 Vgl.: VKW, 24. Jänner 1942. 794 Vgl.: Bernhard Reismann, Allgemeine Geschichte des Bezirkes 1848-2005, in: Walter Brunner (Hg.), Geschichte und Topographie des Bezirkes Voitsberg. Band 1: Allgemeiner Teil, Graz 2011, 187. 137

Ende Jänner 1942 folgte ein „Ehrungsfest für Bergmänner“ des Kreises, bei dem Eissner in Begleitung des Gauorganisationsleiters und des Gauobmanns der DAF erschien und eine Rede hielt. Bei der ersten Arbeitsbesprechung der Kreisleitung mit den Ortsgruppenleitern und den Führern der Teilorganisationen der NSDAP wurden die Richtlinien für die Arbeit des Jahres 1942 festgelegt. Diese sahen unter anderem einen durch Einrückungen deutlich geringeren Rednereinsatz vor. Kreisschulungsleiter Kersch hielt außerdem einen Vortrag über Amerika.795 Schon mit Jahresbeginn 1942 wurden die ersten Kirchenglocken im Kreis abgenommen und zur Metallgewinnung eingeschmolzen, was allerdings nirgends auf ungeteilte Freude stieß.796 Neben dem Versuch die Stimmung der Kreisbevölkerung im Allgemeinen zu heben, zielte die NS-Führung mit ihrer Propaganda auch auf die Parteimitglieder ab. So hielt Kreisleiter Eissner im Februar bei einer Mitgliederversammlung in Bärnbach eine Rede, in der er die Schwierigkeiten der Parteiarbeit im Krieg ansprach und die NSDAP-Mitgliedern mit der Bemerkung, die NSDAP sei immer „eine Auslese der Besten“ gewesen anzuspornen versuchte.797

Besonderen Aktionismus legte die Kreisleitung im März an den Tag. Die politischen Leiter der Kreisleitung reinigten persönlich den Platz vor dem Voitsberger Kriegerdenkmal.798 Mit der Ausführung dieser Arbeit wollten sie wohl Volksnähe demonstrieren. Immer öfter tauchte seit dem Winter 1941/1942 der Zusatz „Kriegs“ vor den Amtsbezeichnungen verschiedener NS-Funktionäre auf. Dies ist darauf zurückzuführen, dass immer mehr hochrangige Nationalsozialisten eingezogen wurden und es für die Dauer des Krieges nicht geplant war sie an ihre Posten zurückzubeordern. Der neue „Kriegskreispropagandaleiter“ Pircher kündigte für den gleichen Monat einen „Versammlungssturm“ im Kreis an.799 Es blieb allerdings bei zwei Großveranstaltungen in Voitsberg und Köflach, bei denen Hubert Eissner sprach.800

Die politische Lage im Kreis Voitsberg verschlechterte sich im ersten Quartal des Jahres 1942 gegenüber dem Vorquartal geringfügig. In den Wirtschafts- und Sicherheitsberichten der Gendarmerieposten des Kreises wird zwar weiterhin überwiegend von einer ruhigen,

795 Vgl.: VKW, 31. Jänner 1942. 796 Vgl.: Bernhard Reismann, Allgemeine Geschichte des Bezirkes 1848-2005, in: Walter Brunner (Hg.), Geschichte und Topographie des Bezirkes Voitsberg. Band 1: Allgemeiner Teil, Graz 2011, 187-188. 797 Vgl.: VKW, 7. März 1942. 798 Vgl.: VKW, 14. März 1942. 799 Vgl.: VKW, 21. März 1942. 800 Vgl.: VKW, 28. März 1942. 138 normalen, klaglosen oder günstigen politischen Lage gesprochen, jedoch steigt in den selben Berichten die Zahl der angeführten Beschwerden von Seiten der Bevölkerung an. Vor allem der Mangel an Lebensmitteln und die dadurch verursachte Kürzung der Lebensmittelrationen sorgten für schlechte Stimmung in der Bevölkerung.801 Dass diese sich auch unterschwellig gegen das NS-System richtete, zeigt ein Bericht des Gendarmeriepostens Geistthal aus dem Jänner 1942 in dem es hieß, dass bereits seit zwei Monaten kein Kochsalz mehr zu bekommen ist. Die Bauern kochen nun mit rotem Viehsalz und begannen ihre Lage mit jener der „Systemzeit“ (Zeit des Ständestaats) zu vergleichen, da man dort auch Viehsalz aß.802 Dies ist durchaus als Kritik daran zu verstehen, dass die von den Nationalsozialisten 1938 angekündigte rasche Verbesserung der Lebensbedingungen der Bevölkerung nicht eingetroffen ist.

Ein weiterer Beleg für die sich verschlechternde Stimmung ist die Zahl der politisch motivierten Verhaftungen. Insgesamt wurden im ersten Quartal des Jahres 1942 kreisweit 19 Personen aus politischen Gründen verhaftet, was den Höchstwert seit Kriegsausbruch bedeutete. Unter den 19 Verhafteten waren elf ausländische Arbeiter. Diese wurden wegen Arbeitsvertragsbruchs und kommunistischer Äußerungen festgenommen.803 Eine Bergarbeiterin aus Voitsberg wurde wegen verbotenen freundschaftlichen Umgangs mit einem französischen Kriegsgefangenen verhaftet.804 Im Bereich des Gendarmeriepostens Edelschrott wurde ein einheimischer Landarbeiter wegen Geschlechtsverkehrs mit einer Polin inhaftiert.805 Damit standen 13 von 19 durchgeführten Verhaftungen mit ausländischen Arbeitskräften in Verbindung.

Zum „Schutz“ der einheimischen Bevölkerung vor entflohenen Kriegsgefangenen wurde im ersten Quartal 1942 auch im Kreis Voitsberg die Landwacht aufgestellt. Die Aufstellung ging auf einen Befehl des Reichsführers SS Heinrich Himmler zurück, den der Landrat im Jänner 1942 an die Gendarmerieposten des Kreises weiterleitete.806 Bis Mitte Februar waren in allen Rayons der Gendarmerie Landwachtposten eingerichtet worden.807 Die Vereidigung der Landwachtmänner erfolgte am 27. Februar 1942. Die Landwachtmänner trugen eine 8 cm

801 Vgl.: StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Jänner-März 1942 802 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Geistthal 28. Jänner 1942. 803 Vgl.: StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Jänner-März 1942 804 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Voitsberg 28. Februar 1942. 805 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Edelschrott 27. Jänner 1942. 806 StLa, BH VO, 1942, Karton 352 Zl 14 La 1/1942 17. Jänner 1942. 807 StLa, BH VO, 1942, Karton 352 Zl 14 La 1/1942 19. Februar 1942. 139 breite Armbinde, die mit dem Aufdruck Landwacht und dem Dienstsiegel des Landrates versehen war.808 Kreisweit bestanden 37 Landwachtposten mit einer Stärk von insgesamt 252 Mann. Die meisten Landwachtposten, fünf an der Zahl, verteilt auf die Gemeinden Lankowitz, Puchbach, Kemetberg, Gößnitz und Kirchbach, wurden im Bereich des Gendarmeriepostens Lankowitz eingerichtet. Mit 51 Mann war die zahlenmäßige Stärke der Landwacht im Bereich des Gendarmeriepostens St. Martin a.W. am höchsten. 809

Die Landwacht hatte umfangreiche Befugnisse inne. Diese wurden vom Reichsführer SS Heinrich Himmler festgelegt. In einem Erlass Himmlers, der auch an den Voitsberger Landrat ging, hieß es dazu: „Flüchtige Kriegsgefangene und solche Personen, die im Herumtreiben die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährden, dürfen von Landwachtmännern festgenommen, gefesselt, nach Waffen und gefährlichen Gegenständen durchsucht werden. Hausdurchsuchungen zu ihrer Ergreifung dürfen ebenfalls durchgeführt werden.“810 Schusswaffengebrauch durch Landwachtmänner wurde in vier Fällen genehmigt. Die Waffe durfte aus Notwehr oder zur Verhinderung einer Flucht nach einmaligen Halt Rufens gebraucht waren. Außerdem war der Waffeneinsatz gestattet, wenn ein Festzunehmender etwaige Verteidigungswaffen nicht ablegte oder durch sonstige Maßnahmen seiner Festnahme bzw. seinem Abtransport aktiven Widerstand entgegensetzte. Die Festgenommenen waren vor dem Abtransport darüber zu informieren, notfalls auch mit Zeichensprache, dass im Falle der Flucht von der Schusswaffe Gebrauch gemacht werde. Eine verschärfte Regelung galt für den Fall, dass Landwachtmänner auf entflohene sowjetische Kriegsgefangene treffen sollten. Auf diese musste ohne Vorwarnung geschossen werden. Alleinverantwortlich für die Anordnung des Waffengebrauchs war der Führer der jeweiligen Landwachteinheit.811 „In allen Fällen muss die Waffe so nachdrücklich angewandt werden, dass der volle Erfolg- die Festnahme bzw. die Unschädlichmachung des Festzunehmenden - gewährleistet ist.“812

In die Aufstellung der Landwacht wurde auch die NSDAP eingebunden. Ein Erlass von Martin Bormann, der an die Gau- und Kreisleitungen der NSDAP ging, besagte, dass die NSDAP die Aufstellung der Landwacht, mit der die staatlichen Stellen beauftragt waren, mit allen Mitteln fördern sollte. Die Kreisleiter hatten dabei die Aufgabe sich mit den Polizeidienststellen bezüglich der Aufstellung der Landwacht in Verbindung zu setzen. Alle

808 StLa, BH VO, 1942, Karton 352 Zl 14 La 1/3 21. Februar 1942. 809 StLa, BH VO, 1942, Karton 352 Zl 14 La 1/1942 19. Februar 1942. 810 StLa, BH VO, 1943, Karton 369 Zl 14 11. August 1942. 811 Vgl. Ebd. 812 Ebd. 140

Hoheitsträger der NSDAP sollten die Bevölkerung über die Landwacht und deren Zweck unterrichten.813 Ob Nationalsozialisten bei der Auswahl der einzelnen Landwachtpostenführer bevorzugt wurden, ist aufgrund der Aktenlage nicht eindeutig zu beantworten. Von den zur lokalen Führungsriege des Kreises Voitsberg zählenden Nationalsozialisten hatten nur zwei bei Aufstellung der Landwacht einen Führungsposten in dieser inne. August Holowat, der nach dem „Anschluss“ Ortsgruppenleiter der NSDAP Bärnbach war und später in der Kreisleitung die Führung der NSKOV und kurze Zeit auch des NSRKK innehatte, führte die Landwacht Piber an. Holowat war auch Bürgermeister und Ortsgruppenführer von Piber. Johann Lais, Bürgermeister und Ortsbauernführer von St. Martin a.W. führte den Landwachtposten St. Martin-Niesenberg. Im selben Rayon war Peter Moser, Ortsgruppenleiter der NSDAP St. Martin a.W. und Bürgermeister von Kleinwöllmiß, Mitglied der Landwacht Klein-Wöllmiß. Abgesehen von Moser war kreisweit kein Mitglied der NS- Führungsriege einfacher Landwachtmann. Was die Führung der Landwachtposten betrifft, so lässt sich aus den vorliegenden Dokumenten der Schluss ziehen, dass Personen, welche im Ersten Weltkrieg gekämpft hatten, bevorzugt wurden. Mitentscheidend für ihre Stellung innerhalb der Landwacht war in manchen Fällen auch der militärische Rang, den sie früher einmal innehatten.814

Die wirtschaftliche Lage im Kreis Voitsberg verbesserte sich im ersten Quartal des Jahres 1942 nicht. Die immer zahlreicher werdenden Einberufungen sorgten weiterhin für Probleme in Industrie und Landwirtschaft, da sie den ohnehin schon großen Mangel an Arbeitskräften deutlich verstärkten. Der Postenkommandant von Groß-Söding meldete dem Landrat diesbezüglich: „Die Bauern meinen, wenn es so weitergeht, werden im Sommer kaum männliche Arbeitskräfte übrig bleiben.“815 Auch von den Bauern aus dem Bereich des Gendarmeriepostens Piber wurde der Landrat mit Nachdruck darum gebeten ihnen weitere Kriegsgefangene zuzuweisen, da sonst die Felder nicht bestellt werden könnten.816 Den Landrat dürften solche Meldungen nicht mehr sonderlich berührt haben. In manchen Fällen notierte er neben den Klagen über den Landarbeitermangel „überall dasselbe“.817 Zur Linderung des Arbeitskräftemangels wurden ab März 1942 auch erstmals zivile Ostarbeiter eingesetzt. Eine dementsprechende Meldung erhielt der Landrat vom Gendarmeriepostenkommandanten aus Ligist. Die Ostarbeiter wurden zunächst in jenen

813 StLa, BH VO 1943, Karton 369 Zl 14 La 1/1-43 9. Dezember 1942. 814 StLa, BH VO, 1942, Karton 352 Zl 14 La 1/1942 19. Februar 1942. 815 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Groß-Söding 27. Jänner 1942. 816 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Piber 25. Februar 1942. 817 Vgl.: StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Jänner-März 1942. 141

Gemeinden des Rayons eingesetzt, in denen sich keine Kriegsgefangenen im Arbeitseinsatz befanden.818 In manchen Fällen scheint es zu einem regelrechten Gerangel um ausländische Arbeitskräfte gekommen zu sein. Der Postenkommandant von Geistthal ersuchte den Landrat im Jänner 1942 um eine weitere Zuteilung von Kriegsgefangenen als Arbeitskräfte und beschwerte sich im weiteren Verlauf seines Berichts darüber, dass zahlreiche französische Kriegsgefangene zur Arbeit in den Industriebetrieben abgezogen wurden.819 Dort sollten sie wohl auch die verhafteten kommunistischen Bergarbeiter ersetzen.

Im Bereich der Versorgungsfrage schaffte es das NS-Regime nicht, die großen Mängel zu beheben. Besonders großer Mangel herrschte kreisweit an Salz. Dies gilt sowohl für Speisesalz als auch für Viehsalz.820 Außerdem fehlte es vor allem in den Industriegemeinden des Kreises an alkoholischen Getränken wie Schnaps, Wein und Bier.821 Im Bereich des Gendarmeriepostens Bärnbach wurden Vorkehrungen für die bevorzugte Versorgung der Bergarbeiter mit Schnaps, Sardinen und Rauchwaren getroffen.822 In ländlichen Gemeinden fehlte es weiterhin an brauchbaren Schuhen. Wie bereits zuvor aus Kainach wurde dem Landrat nun auch aus dem Bereich des Gendarmeriepostens Geistthal davon berichtet, dass zahlreiche Kinder wegen schlechten Schuhwerks die Schule nicht besuchen konnten.823 Die Bauern im Rayon St. Martin a.W. beklagten sich über die zu geringe Zuweisung von Bezugsscheinen für Gebirgsschuhe.824 In Salla reichte die Milchzulieferung nicht für die gesamte Bevölkerung aus.825 Aus dem Bereich des Gendarmeriepostens Stallhofen wurde dem Landrat gemeldet, dass die Versorgung der Bevölkerung mit Brot aufgrund der unregelmäßigen Anlieferungszeiten des Brotes aus Voitsberg mangelhaft sei.826 In der Ernährungsfrage griffen die NS-Machthaber nun auch zum Mittel der Repression. Ein Köflacher wurde wegen „Schwarzschlachterei“ verhaftet.827

Alles in allem lässt sich aus den vorliegenden Berichten der Schluss ziehen, dass die Bevölkerung des Kreises Voitsberg im Winter 1941/1942 die Härten des Krieges in einem

818 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Ligist 27. März 1942. 819 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Geistthal 28. Jänner 1942. 820 Vgl.: StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Bärnbach 27. Februar 1942, Voitsberg 27. Jänner 1942, Geistthal 28. Jänner 1942 und 25. Februar 1942 und Kainach 27. Jänner 1942 und 27. Februar 1942. 821 Vgl.: StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Bärbach 27. Februar 1942 und Köflach 24. Jänner 1942. 822 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Bärnbach 27. Februar 1942. 823 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Geistthal 28. Jänner 1942. 824 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 St. Martin a.W. 23. Februar 1942. 825 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Salla, 27. Februar und 27. März 1942. 826 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Stallhofen 27. Februar 1942. 827 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Köflach 24. Februar 1942. 142 bisher nicht gekannten Maß zu spüren bekam. Dies trifft in erster Linie auf die Mangelerscheinungen in der Versorgung der Bevölkerung mit lebenswichtigen Artikeln zu. Am deutlichsten wird dieser Umstand daran sichtbar, dass nun zum ersten Mal auch die Versorgung mit Grundnahrungsmitteln nicht mehr reibungslos funktionierte. Auch der durch die immer zahlreicher werdenden Einberufungen zur Wehrmacht ausgelöste Mangel an Arbeitskräften war nun in allen Lebensbereichen deutlich spürbar geworden. Dazu kam noch die Knappheit an verschiedenen Materialien und Rohstoffen. Berücksichtigt man die Lage an der Ostfront, die von schweren Rückschlägen der Wehrmacht gekennzeichnet war, und die stetig steigende Zahl politisch motivierter Festnahmen, muss man den Schluss ziehen, dass die NS-Herrschaft im Kreis Voitsberg den Höhepunkt ihrer Beliebtheit bereits bei weitem überschritten hatte. Der aktivistische kommunistische Widerstand konnte zwar nicht mehr in Erscheinung treten, da er durch die Verhaftungswelle des Vorjahres praktisch ausgelöscht war. Dennoch mussten die Nationalsozialisten des Kreises mit dem Widerstand von Teilen der ausländischen Arbeiterschaft fertig werden, sowie mit einer immer geringeren Zustimmung der einheimischen Bevölkerung für ihre Politik. Der letzte Punkt wog besonders schwer, da man aufgrund der zahlreichen eingerückten NS-Funktionäre weniger Mittel denn je für Propagandaaktivitäten hatte und nun immer häufiger auf Repressionsmaßnahmen angewiesen war, um die Bevölkerung weiterhin unter Kontrolle zu halten.

Im April 1942 stagnierte die nationalsozialistische Propagandatätigkeit im Prinzip. Sogar Kreisleiter Eissner sprach nur auf zwei Versammlungen in Piber und Köflach.828 Im Mai verstärkte sich dieser Trend sogar noch. Im gesamten Kreis fand mit dem „Fest für deutsche Mütter“ lediglich eine größere Veranstaltung der NSDAP statt.829 Erst im Juni kam die Propagandatätigkeit wieder stärker in Schwung. Eissner besuchte zusammen mit dem Wiener Vizebürgermeister die Berg- und Glasarbeiter im Bereich der Ortsgruppe Bärnbach. Erneut war die Arbeiterschaft die Zielgruppe der NS-Propaganda. Außerdem besuchte der stellvertretende Gauleiter Tobias Portschy den Kreis.830 Mitte Juni hielt der Kreisleiter eine Rede vor der Erzieherschaft des Kreises Voitsberg.831 Der Monat endete mit einem Aufruf Eissners, mit dem er die Kreisbevölkerung zur regen Teilnahme an der Reichsstraßensammlung des DRK aufforderte.832

828 Vgl.: VKW, 11. April 1942 und 18. April 1942. 829 Vgl.: VKW, 23. Mai 1942. 830 Vgl.: VKW, 6. Juni 1942. 831 Vgl.: VKW, 20. Juni 1942. 832 Vgl.: VKW, 27. Juni 1942. 143

Die politische Lage im Kreis Voitsberg besserte sich im zweiten Quartal des Jahres 1942 nicht. Dies geht eindeutig aus den Wirtschafts- und Sicherheitsberichten der einzelnen Gendarmerieposten hervor. Vor allem die Kürzung der Brotrationen wirkte sich negativ auf die Stimmung der Bevölkerung aus. Dies gilt vor allem für die städtischen Gemeinden des Kreises. Insgesamt wurden im zweiten Quartal 1942 20 Personen aus politischen Gründen verhaftet, was einen neuen Höchstwert darstellte. Die höchste Anzahl an politisch motivierten Festnahmen, sieben an der Zahl, führte der Gendarmerieposten Köflach durch.833Wie schon in den Monaten zuvor stand die Mehrheit der Verhaftungen im Zusammenhang mit ausländischen Arbeitskräften und Kriegsgefangenen.834 Drei Frauen aus den Bereichen der Gendarmerieposten Voitsberg und Lankowitz wurden wegen verbotenen Umgangs mit französischen Kriegsgefangenen festgenommen.835 Jene Frau, die in Lankowitz verhaftet wurde, half einem französischen Kriegsgefangenen sogar bei dessen Fluchtvorbereitungen.836 Trotz harter Maßnahmen konnten die Nationalsozialisten den, in manchen Fällen durchaus freundschaftlichen, Kontakt der einheimischen Bevölkerung mit Kriegsgefangenen und ausländischen Arbeitern nicht effektiv unterbinden. Im weiteren Verlauf des Krieges nahm die Tendenz zum freundschaftlichen Umgang mit diesen, der nationalsozialistischen Repression zum Trotz, sogar immer stärker zu.

Zu verstärkten Konflikten kam es auch zwischen den Nationalsozialisten und der katholisch eingestellten Landbevölkerung. Der Postenkommandant von Lankowitz meldete dem Landrat im April, dass Bauern und Dienstboten an aufgelassenen Bauernfeiertagen der Arbeit fern blieben. 837 Maria Himmelfahrt und Fronleichnam wurden von der bäuerlichen Bevölkerung ebenfalls als Feiertage gehalten.838 Vom Landrat forderte der Lankowitzer Postenkommandant eine Verordnung, welche die Bauern zur Arbeit an Feiertagen zwingen sollte.839 Besonders ungünstig war die Lage für die nationalsozialistischen Machthaber in der Gemeinde St. Martin a.W. Dort wurden im zweiten Quartal 1942 gleich zwei Pfarrer abgelöst.840 Zunächst wurde Leopold Pichler, der bereits seit Mai des Vorjahres in einen groben Konflikt mit der Ortsgruppe der NSDAP St. Martin a.W. verwickelt war am 1. April

833 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Köflach April-Juni 1942. 834 Vgl.: StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 April-Juni 1942. 835 Vgl.: StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Voitsberg 29. Juni 1942 und Lankowitz 19. Juni 1942. 836 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Lankowitz 19. Juni 1942. 837 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Lankowitz 20. April 1942. 838 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Lankowitz 19. Mai 1942 und 19. Juni 1942. 839 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Lankowitz 20. April 1942. 840 Vgl.: StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 St. Martin a.W. 23. April 1942 und 22. Mai 1942.. 144 durch Walter Wankmüller, der aus dem Kreis Leibnitz kam, abgelöst.841 Dieser wurde jedoch bereits am 15. Mai wieder zurückversetzt. Sein Nachfolger wurde Rochus Kohlbach, ehemaliger Chefredakteur des klerikalen Grazer Volksblattes, der aus der Gemeinde Hirschegg nach St. Martin a.W. kam. Der Postenkommandant von St. Martin a.W. verfasste für den Landrat im Mai 1942 einen Kohlbach betreffenden Bericht: „Es gehen Gerüchte um, dass er nach dem „Anschluss“ längere Zeit in Haft war. Die katholische Bevölkerung betrachtet ihn daher als Märtyrer. Sein Antrittsgottesdienst war ungewöhnlich stark besucht. Von der Ortsgruppe der NSDAP wurde an diesem Tag zum gleichen Zeitpunkt eine Muttertagsfeier angesetzt. Jedoch kamen sogar jene Frauen denen das Mutterkreuz verliehen wurde erst mit eineinhalbstündiger Verspätung zur Feier, da sie in der Kirche waren.“ 842 Tatsächlich wurde Kohlbach nach dem „Anschluss“ verhaftet. Insgesamt verbrachte er drei Monate im Gefängnis. Bereits einen Monat vor der zitierten Meldung des Postenkommandanten musste eine von der Ortsgruppe der NSDAP angesetzte Morgenfeier anlässlich Hitlers Geburtstags wegen einer gleichzeitig stattfindenden Messe verschoben werden.843 Dies zeigt eindeutig, dass die Mehrzahl der Gemeindebewohner der Kirche gegenüber der NSDAP den Vorzug gab.

In wirtschaftlicher Hinsicht scheint sich die Lage der Bevölkerung des Kreises Voitsberg im zweiten Quartal 1942, abgesehen von der Kürzung der Brotrationen, leicht gebessert zu haben. Es wurden im Vergleich zum ersten Quartal viel weniger Mängel an Lebensmitteln, Gebrauchsgegenständen und Rohstoffen gemeldet. Der Trend den Mangel an Arbeitskräften durch ausländische Arbeiter auszugleichen verstärkte sich weiter.844 Im Bereich des Gendarmeriepostens Bärnbach waren bereits 55 Polen und Ukrainer in der Landwirtschaft beschäftigt.845 In den Gemeinden des Gendarmeriepostens Ligist wurden alleine im Mai 19 neue zivile Ostarbeiter eingesetzt.846 Auch sowjetische Kriegsgefangene wurden ab Mai 1942 als Arbeitskräfte eingesetzt. Erste diesbezügliche Meldungen kamen aus dem Gebiet des Gendarmeriepostens Kainach.847 Einige Wirtschafts- und Sicherheitsberichte behandelten auch den gesundheitlichen Zustand der neu angekommenen Arbeitskräfte. Aus Voitsberg wurde dem Landrat gemeldet, dass die aus dem Generalgouvernement eingetroffenen

841 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 St. Martin a.W. 23. April 1942. 842 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 St. Marin a.W. 22. Mai 1942. 843 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 St. Martin a.W. 23. April 1942. 844 Vgl.: StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 April-Juni 1942. 845 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Bärnbach 26. Juni 1942. 846 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Ligist 27. Mai 1942. 847 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Kainach 27. Mai 1942. 145

Arbeitskräfte teilweise so ausgehungert waren, dass sie erst nach mehreren Wochen zu schwerer Arbeit verwendet werden konnten.848 Durch diese Arbeitskräfte bekam die Bevölkerung des Kreises Voitsberg nun mit eigenen Augen zu sehen, wie schlecht die Menschen in den vom NS-Regime besetzten Gebieten behandelt wurden.

Abgesehen von der Erhöhung der Anzahl ausländischer Arbeitskräfte setzten die Nationalsozialisten des Kreises auch auf die maximale Ausschöpfung der verbliebenen einheimischen Arbeitskräfte. In der Gebirgsgemeinde Salla zog der Ortsbauernführer alle arbeitsfähigen Personen zur Landarbeit heran.849 Aus Lankowitz wurde dem Landrat der erfolgreiche Abschluss der Frühjahrsanbauarbeiten gemeldet. Dieser Erfolg war vor allem durch den Einsatz von weiblichen Arbeitskräften möglich geworden.850 Ein weiterer Versuch von Seiten der Bauern, dem Landarbeitermangel entgegenzutreten, waren Ansuchen um u.k. Stellungen in Verbindung mit Bitten an den Landrat diese zu unterstützen. Eine Antwort auf diese oft gestellte Forderung ist im zweiten Quartal 1942 nur auf eine Anfrage des Gendarmeriepostens Piber erhalten geblieben. Der Landrat teilte dem Postenkommandanten mit, dass u.k. Stellungen derzeit schwer möglich wären. Man solle ihm daher nur die krassesten Fälle melden. In diesen würde er sich mit der Kreisbauernschaft in Verbindung setzen, um weitere Schritte einzuleiten.851

In den Industriebetrieben des Kreises Voitsberg kehrte nach den turbulenten Monaten langsam Ruhe ein.852 Aus dem Bereich des Gendarmeriepostens Lankowitz wurden bereits seit Beginn des Jahres 1942 keine weiteren Verhaftungen von Arbeitern des Bergbaues Piberstein wegen kommunistischer Betätigung gemeldet. Die Kohlenförderung konnte ebenfalls gesteigert werden.853 Jedoch kam es in den Bergbaubetrieben des Kreises weiterhin zu Fluchten von ausländischen Arbeitern. Aus dem Lager des Bärnbacher Bergwerks Marienschacht flohen im Juni 1942 zwei britische Kriegsgefangene. Beide wurden im Kreis Wolfsberg wieder eingefangen.854 Der Umstand, dass Schwerstarbeiter von der Kürzung der Lebensmittelrationen ausgenommen wurden, löste in Voitsberg allgemeine Befriedigung aus.855

848 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Voitsberg 30. Mai 1942. 849 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Salla 28. April 1942. 850 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Lankowitz 19. Juni 1942. 851 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Piber 25. Juni 1942. 852 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 April-Juni 1942. 853 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Lankowitz 20. April 1942. 854 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Bärnbach 26. Juni 1942. 855 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Voitsberg 30. April 1942. 146

Mitte des Jahres 1942 scheint sich unabhängig von der sich leicht bessernden Lage an den Fronten die Kriegsmüdigkeit in der Kreisbevölkerung ausgebreitet zu haben. Dazu wuchs der Unmut über die NSDAP. Das Regime reagierte darauf mit drakonischen Strafen. So wurde ein Köflacher nach dem „Heimtückegesetz“ zu zwei Jahren Haft verurteilt.856 Dass man auch parteiintern immer nervöser wurde, zeigte sich daran, dass Karl Strasser, Ortsgruppenleiter von Voitsberg, im VKW bekanntgab, er werde seine politischen Leiter und die Ortsbauernführer persönlich für ein klagloses Funktionieren der Parteiarbeit verantwortlich machen.857

Die NS-Propaganda konnte einer Ausbreitung der reservierten und kritischen Stimmung im Kreis nicht mehr wirklich wirksam entgegentreten. Stärker als Weißensteiner konzentrierte sich Eissner bei seinen Propagandabemühungen auf die ländlichen Gegenden des Kreises. Anfang Juli 1942 besuchte er das abgelegene Dorf Modriach und hielt dort eine Rede vor Bergbauern. Mitte des Monats leitete er zusammen mit Kreisbauernführer Bauer die Arbeitstagung der Kreisbauernschaft. Anfang August sprach Eissner zu den Bauern aus dem Gebiet der Ortsgruppe Kainach. Etwas später sprach er noch im ebenfalls ländlichen Gradenberg.858 Abgesehen von einer Rede bei der Schuljahresschlussfeier der Hauswirtschafsschule Bärnbach, bei der er den Mädchen sagte, es müsse ihr Ziel sein, eine „tüchtige Hausfrau und Mutter“ 859 zu werden, blieben die Ansprachen in den abgelegenen Kreisgebieten seine einzigen öffentlichen Reden im Juli und August. Bemerkenswert ist die Konzentration auf ländliche Gebiete und auf die Tagung der Kreisbauernschaft vor allem deshalb, weil sein Vorgänger Weißensteiner sich eher auf die DAF konzentrierte und vor allem in den Städten gesprochen hatte. Der August stand außerdem im Zeichen des 75. Geburtstages von Hans Kloepfer. Gauleiter Uiberreither besuchte zu diesem Anlass den Kreis und übermittelte sogar Glückwünsche von Propagandaminister Goebbels.860

Dass zahlreiche kommunistische Widerstandskämpfer aus dem Kreisgebiet in den folgenden Monaten hingerichtet wurden, wurde im VKW nur am Rande erwähnt.861 Ihre Verhaftung ein Jahr zuvor verschwieg die Zeitung völlig. Es dominierten Berichte über eine

856 Vgl.: VKW, 4. Juli 1942. 857 Vgl.: VKW, 25. Juli 1942. 858 Vgl.: VKW, 4. Juli 1942, 18. Juli 1942, 8. August 1942 und 15. August 1942.. 859 VKW, 11. Juli 1942. 860 Vgl.: VKW, 15. August 1942 und 22. August 1942. 861 Vgl.: VKW, 5. September 1942, 10. Oktober 1942 und 17. Oktober 1942. 147

Propagandaaktion sondergleichen. Vom 24. bis zum 30. August soll Gauleiter Uiberreither eine Woche als einfacher Bergarbeiter im Karlsschacht gearbeitet haben.862 Innerhalb der Kreis-NSDAP kam es im September zu zwei größeren Umbesetzungen. In Lankowitz löste Hofer Rudolf Moswitzer als Ortsgruppenleiter ab und in Edelschrott übernahm Josef Flecker dieses Amt vom nach Judenburg übersiedelten Franz Lemler.863 Flecker war ebenfalls Bürgermeister von Edelschrott. Damit gehörte er zu den wenigen Mitgliedern der NS- Führungsriege des Kreises Voitsberg, die gleichzeitig sowohl Ortsgruppenleiter als auch Bürgermeister waren. Zum Zeitpunkt von Fleckers Amtsantritt gab es mit Johann Kaier aus Ligist und Peter Moser aus Kleinwöllmiß nur zwei weitere Ortsgruppenleiter, die auch das Bürgermeisteramt ausübten. Unmittelbar nach dem „Anschluss“ war August Holowat eineinhalb Jahre lang sowohl Ortsgruppenleiter von Bärnbach als auch Bürgermeister der auf dem Gebiet der Ortsgruppe liegenden Gemeinde Piber.

Die Erfolge, welche die Wehrmacht an der Ostfront im Sommer 1942 erzielen konnte, wirkten sich kaum positiv auf die Stimmung in der Bevölkerung aus. In politischer Hinsicht blieb die Lage im Kreis Voitsberg im dritten Quartal des Jahres 1942 für die Nationalsozialisten unverändert. Insgesamt gab es von Juli bis September 17 politisch motivierte Verhaftungen und 18 politisch motivierte Anzeigen, was einen Höchststand bei den politisch motivierten Anzeigen bedeutete. Die Mehrzahl der Verhaftungen und Anzeigen stand im Zusammenhang mit französischen Kriegsgefangenen und ausländischen Arbeitern.864 Wie bereits erwähnt, schaffte es das NS-Regime nicht, den Kontakt der heimischen Bevölkerung mit diesen zu unterbinden. In erster Linie waren Frauen von der Repression der NS-Machthaber betroffen. Im Zuge der Vereitelung eines Fluchtversuchs des in der Glasfabrik Voitsberg beschäftigten Kriegsgefangenen Paul Doubont fand die Gendarmerie bei der Durchsuchung seiner Sachen die Anschriften von elf Frauen und drei Männern, die ebenfalls in der Glasfabrik beschäftigt waren. Bei der Überprüfung der betreffenden Personen fand die Gendarmerie im Spind der Hilfsarbeiterin Josefine Konrad ein Foto, sowie ein Liebesbrief von Doubont. Konrad wurde verhaftet, die anderen Beschuldigten angezeigt. Doubont wurde ins Stalag Wolfsberg überstellt.865 Im Bereich des Gendarmeriepostens Groß-Söding verhaftete die Gendarmerie zwei Frauen wegen würdelosen

862 Vgl.: VKW, 5. September 1942. 863 Vgl.: VKW, 26. September 1942 und 3. Oktober 1942. 864 Vgl.: StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Voitsberg Juli-September 1942. 865 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Voitsberg 29. Juli 1942. 148

Verhaltens gegenüber französischen Kriegsgefangenen und übergab sie der Gestapo.866 Der Gendarmerieposten Edelschrott erstellte im August 1942 einen Bericht, in dem es um das aus Sicht der Gendarmeriebeamten schlechte Verhalten von einigen Einheimischen gegenüber den im Postenbereich eingesetzten französischen Kriegsgefangenen ging. Der Bericht wurde der Gestapo zur weiteren Entscheidung vorgelegt.867

Auch innerhalb der NSDAP kam es bereits zu Unmutsbekundungen. Das Voitsberger NSDAP-Mitglied Franz Hackl wurde im Juli 1942 wegen staatsfeindlicher Äußerungen angezeigt. Von den politischen Hoheitsträgern der NSDAP wurde Hackl als politisch unverlässlich bezeichnet. Im selben Monat wurden einige Angehörige des Voitsberger HJ- Streifendienstes wegen Unstimmigkeiten innerhalb der Organisation von der Hitlerjugend beurlaubt.868

Nach längerer Ruhezeit machten sich im Kreisgebiet im Sommer 1942 wieder kommunistische Aktivisten bemerkbar. Im Bereich des Gendarmeriepostens Voitsberg wurde eine Person wegen kommunistischer Betätigung verhaftet und eine weitere angezeigt.869 Am 30. September 1942 wurden zwei der im Vorjahr verhafteten Voitsberger Kommunisten, Johann Jandl und Albin Kaiser in Wien hingerichtet.870 Zuvor waren mit dem Köflacher Heinrich Janko und dem Voitsberger Anton Langmann bereits zwei inhaftierte Kommunisten im Gefängnis verstorben.871 Langmann, der im Kohlenbergbau Rosental arbeitete, wurde im August 1941 von der Gestapo Graz im Zuge der Aufdeckung einer kommunistischen Organisation im Kreis Voitsberg verhaftet. Nachdem er sich am 19. August 1942 in der Untersuchungshaft erhängte, wurde er vier Tage später in Voitsberg beerdigt. Der Ortsgruppenleiter der NSDAP-Voitsberg Karl Strasser, ließ das Begräbnis beobachten und verfasste einen Bericht darüber, welchen er der Kreisleitung der NSDAP und dem Landrat zukommen ließ.872 Bemerkenswert ist die Tatsache, dass Langmann, obwohl er Suizid beging, kirchlich beerdigt wurde. Am Leichenzug nahmen etwa 100 Personen teil. Drei Viertel davon waren Frauen. Unter den Frauen befanden sich viele, deren Männer oder Familienangehörige sich ebenfalls wegen kommunistischer Betätigung in Untersuchungshaft befanden oder bereits

866 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Groß-Söding 27. Juli 1942. 867 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Edelschrott 25. August 1942. 868 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Voitsberg 29. Juli 1942. 869 Vgl.: StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Voitsberg 31. August 1942. 870 StLa, VR 5001/47 -77-79. 871 Ebd. 872 Vgl.: StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 NSDAP-Ortsgruppe Voitsberg an Kreisleitung und Landrat 25. August 1942. 149 verurteilt worden waren. Pedantisch führte Ortsgruppenleiter Strasser in seinem Bericht die Namen zahlreicher Begräbnisteilnehmer an. So schrieb er: „.Es waren unter anderem die Frauen der zum Tode verurteilten KP-Führer Suppan, Kaiser, Unger, Krepeck und Pajk aus Köflach, Voitsberg, Bärnbach und Krems beim Begräbnis.“873 Alle erwähnten Ehefrauen wurden innerhalb der nächsten zwei Monate durch die Hinrichtung ihrer Männer zu Witwen. Neben diesen Frauen gab Strasser auch die Namen von 17 weiteren Begräbnisteilnehmern an Kreisleitung und Landrat weiter. Zum Verlauf des Begräbnisses berichtete er unter anderem: „Am Grab wurden fünf Kränze und mehrere Blumensträuße niedergelegt. Frauen der zum Tode verurteilten warfen hasserfüllte Blicke in die Zusehermenge und tuschelten sich gegenseitig zu.“874

Der ausführliche Bericht Strassers über das Begräbnis von Langmann zeigt eindeutig, wie sehr die lokale nationalsozialistische Führungsriege bestrebt war alle Vorgänge in ihrem Hoheitsbereich zu kontrollieren. Selbst das Begräbnis eines Feindes des Nationalsozialismus wurde genutzt um Informationen über das Verhalten der namentlich bekannten Sympathisanten des Verstorbenen und des Kommunismus zu gewinnen. Dieser Umstand unterstreicht eindrucksvoll den totalitären Machtanspruch und die absolute Machtausübung welche die Nationalsozialisten auf lokaler Ebene durch die Vertreter ihrer Führungsriege vor Ort zur Schau stellten.

Auch die katholisch eingestellte Bevölkerung des Kreises verhielt sich weiterhin bei vielen Gelegenheiten anders, als es die Nationalsozialisten von ihnen erwarteten. So meldete der Postenkommandant von Lankowitz dem Landrat im Juli und August 1942, dass Teile der bäuerlichen Bevölkerung des Postengebiets an den aufgelassenen Feiertagen Peter und Paul, Maria Heimsuchung und Maria Himmelfahrt der Arbeit fernblieben. Der am 8. September stattfindende ebenfalls aufgelassene Feiertag Maria-Geburt wurde vom stark religiös eingestellten Teil der Bauernschaft wie schon die aufgelassenen Feiertage zuvor abgehalten. An den Feierlichkeiten nahmen diesmal auch zahlreiche auswärtige Gäste, vor allem Wallfahrer aus Kärnten teil.875

873 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 NSDAP-Ortsgruppe Voitsberg an Kreisleitung und Landrat 25. August 1942. 874 Ebd. 875 Vgl.: StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Lankowitz 20. Juli 1942, 20. August 1942 und 20. September 1942. 150

Die wirtschaftliche Lage des Kreises Voitsberg scheint sich im dritten Quartal 1942 leicht gebessert zu haben. In ihren Berichten an den Landrat bezeichneten die Postenkommandanten des Kreises diese als normal, unverändert, hoffnungsvoll oder günstig.876 Vor allem der chronische Mangel an Landarbeitern hat vielerorts spürbar nachgelassen. Nur noch zwei Gendarmerieposten meldeten einen spürbaren Mangel an Landarbeitern.877 Vier Posten berichteten dem Landrat, dass der Landarbeitermangel völlig bzw. weitestgehend behoben worden sei.878 Auf die Gründe, die zur Behebung des Landarbeitermangels führten, ging nur der Kommandant des Gendarmeriepostens Voitsberg explizit ein. Dieser meldete dem Landrat im August 1942: „Der Landarbeitermangel wurde durch den Einsatz von Ostarbeitern weitestgehend behoben.“879 Der massive Einsatz solcher Arbeitskräfte war mit Sicherheit auch in den anderen Regionen des Kreises für die Linderung des Landarbeitermangels verantwortlich. Die genaue Zahl der eingesetzten ausländischen Arbeiter im dritten Quartal 1942 ist aus zwei Postengebieten bekannt. Im Bereich des Gendarmeriepostens Ligist waren im September 1942, 98 ausländische Arbeiter im Einsatz. Unter ihnen befanden sich 20 französische und acht britisch Kriegsgefangene.880 Im Rayon des Postens Kainach waren im Juli, 50 ausländische Arbeiter (Slowenen, Kroaten, Ukrainer und Tschechen) im Einsatz.881 Über den meist schlechten Zustand der aus den vom Deutschen Reich besetzten Gebieten in Osteuropa eingetroffenen Arbeiter liegen ebenfalls Meldungen vor. Aus Lankowitz wurde dem Landrat berichtet, dass viele der eingesetzten Ostarbeiter jung und schwächlich waren und daher nicht zu schweren Arbeiten herangezogen werden könnten.882 Der Kommandant des Gendarmerieposten Kainach meldete dem Landrat im Juli 1942: „Der Landarbeitermangel wurde durch Zuweisung von Ukrainern zum Großteil behoben. Die meisten sind jedoch unterernährt und finden mit ihren Rationen kaum das Auskommen.“883

In den Industriebetrieben des Kreises kam es weiterhin zu Unruhe und Fluchten unter den ausländischen Arbeitern.884 Zehn dem Dampfkraftwerk Voitsberg zugewiesene griechische Zivilarbeiter nahmen die Arbeit erst nach energischer Intervention des Gendarmeriepostens

876 Vgl.: StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Voitsberg Juli-September 1942. 877 Vgl.: StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Piber 22. August 1942 und 26. September 1942 und Lankowitz Juli-September 1942. 878Vgl.: StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Voitsberg 31. August 1942, St. Martin a.W. 25. September 1942, Kainach 27. Juli 1942 und Salla 27. August 1942. 879 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Voitsberg 31. August 1942. 880 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Ligist 27. September 1942. 881 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Kainach 27. Juli 1942. 882 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Lankowitz 20. August 1942. 883 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Kainach 27. Juli 1942. 884 Vgl.: StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Juli-September 1942. 151 auf.885 Die Stimmung der einheimischen Arbeiterschaft scheint sich nicht verändert zu haben. Aus Piber wurde dem Landrat berichtet, dass die Erhöhung der Brotrationen die Arbeiterklasse freue.886 Dagegen beklagten sich Köflacher Arbeiter über die geringe Zulieferung von Milch und Gemüse.887 Die Kohleproduktion in den Bergbaubetrieben des Kreises blieb im dritten Quartal 1942 stabil.888

Kriegswende

In propagandistischer Hinsicht fand das nächste große Ereignis erst wieder Anfang Oktober im Zuge des Erntedankfestes der Kreisbauernschaft statt. Eissner und Bauer hielten dabei die Hauptreden.889 Mitte des Monats folgte ein großer Spendenaufruf an die „Schaffenden“ des Kreises.890

Im November sprach Eissner bei einer Gedenkfeier für die „Toten der Bewegung“ und des Ersten Weltkrieges. Dabei meinte er zynisch „aus ihren Opfern wird neues Leben entstehen.“891 Im von NS-Deutschland ausgelösten Zweite Weltkrieg sollte der Großteil der Todesopfer noch bevorstehen. Die im November 1942 erfolgte Einkesselung einer deutschen Armee in Stalingrad lieferte erste Anzeichen dafür. Am 25. November, also nicht lange nach der Einschließung der 6. Armee, berief Eissner eine Dienstbesprechung der Kreisleitung ein, an der die Kreismitarbeiter, die Ortsgruppenleiter und die „Führer“ der Gliederungen teilnahmen. Dort erhielten sie eine die aktuellen Ereignisse betreffende Schulung.892 Dass es dabei um die Ereignisse an der Ostfront und in Nordafrika, wo sich Rommels Armee auf dem Rückzug befand, sowie die Landung der Westalliierten im zum mit dem Deutschen Reich verbündeten Vichy-Frankreich gehörenden Gebiet Nordafrikas ging, ist anzunehmen. Der Glaube an einen baldigen Sieg dürfte nun auch bei den fanatischen Nationalsozialisten des Kreises erschüttert gewesen sein.

885 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Voitsberg 30. September 1942. 886 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Piber 26. September 1942. 887 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Köflach 25. August und 25. September 1942. 888 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Lankowitz 20. Juli 1942 und 20. August 1942. 889 Vgl.: VKW, 10. Oktober 1942. 890 Vgl.: VKW, 24. Oktober 1942. 891 Vgl.: VKW, 14. November 1942. 892 Vgl.: VKW, 28. November 1942. 152

Anfang Dezember fand eine große Totenfeier für Ludwig Bregar, den Gründer der Voitsberger Hitlerjugend, statt, der an der Ostfront gefallen war. Eissner sprach dabei angeblich vor 2.000 Menschen.893 Ansonsten war der Dezember geprägt von einigen Propagandaveranstaltungen. Der Kreisleiter sprach dabei bei einem Appell im Hammerwerk Krenhof und bei einer Veranstaltung für die bäuerliche Jugend. Außerdem war er mit Hans Kloepfer bei einer Versammlung des „Volksbundes für das Deutschtum im Ausland“ in Köflach. Kloepfer war Obmann dieser Vereinigung.894 Bei der Kreisbürgermeistertagung in Voitsberg versuchte der Kreisleiter den Bürgermeistern Mut zuzusprechen und würdigte ihre Arbeit.895 Außerdem fand noch eine Mitarbeiterbesprechung der Kreisleitung statt.896 In seiner Neujahrsbotschaft forderte Eissner die Bevölkerung über das VKW dazu auf zusammenzuhalten und „in heißer Liebe zu unserem Volk für den Sieg zu arbeiten“. Bei einem Schulungsappell der Ortsgruppe Bärnbach sprach der Kreisleiter vom „Wiederaufleben des Mongolensturms unter jüdisch-bolschewistischer Führung“.897 Damit versuchte er bewusst Ängste in der Bevölkerung zu schüren.

Die politische Lage des Kreises Voitsberg im vierten Quartal des Jahres 1942 einzuschätzen ist schwierig, da für den Dezember keine Gendarmerieberichte erhalten geblieben sind. In den Monaten Oktober und November blieb die Einschätzung der Stimmung in der Bevölkerung im Wesentlichen gegenüber dem dritten Quartal unverändert. Dasselbe gilt für die Zahl der politisch motivierten Verhaftungen und Anzeigen. Auffallend ist die hohe Anzahl der Anzeigen und Festnahmen wegen Hamstereidelikten, Preisüberschreitungen und Schwarzschlachtungen.898 Im Oktober und November kam es zu zwei Verhaftungen und 18 Anzeigen wegen solcher Delikte. Bei beiden Verhafteten handelte es sich um Schwarzschlachter. Die Anzeigen wurden hauptsächlich wegen Hamstereidelikten erstattet.899 Allein im Bereich des Gendarmeriepostens Groß-Söding wurden im November 1942 über 2.500 kg Äpfel beschlagnahmt. Die weit verbreitete Hamsterei konnte das NS-Regime damit aber nicht unterbinden. Im November meldete der Gendarmerieposten Ligist dem Landrat, dass trotz Razzien, Anzeigen und der Beschlagnahmung von 2.102 kg Äpfeln weiterhin Obst

893 Vgl.: VKW, 5. Dezember 1942. 894 Vgl.: VKW, 12. Dezember 1942 und 19. Dezember 1942. 895 Vgl.: VKW, 12. Dezember 1942. 896 Vgl.: VKW, 24. Dezember 1942. 897 Vgl.: VKW, 1. Jänner 1943. 898 Vgl.: StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Oktober-November 1942. 899 Vgl.: Ebd. 153 gehamstert wurde.900 Zum ersten Mal seit Kriegsbeginn kam es in Köflach zur Festnahme eines Kreisbewohners, der von der Wehrmacht desertiert war.901

Wie schon bei der Bewertung der politischen Lage ist es auch im Bereich der wirtschaftlichen Lage aufgrund des Fehlens der Gendarmerieberichte aus dem Dezember 1942 schwierig, einen Gesamtüberblick über das vierte Quartal 1942 zu geben. Die Meldungen der Gendarmeriepostenkommandanten des Kreises an den Landrat im Oktober und November 1942 lassen jedoch auf eine leichte Besserung der wirtschaftlichen Lage schließen.902 Vor allem die Obsternte fiel in Teilen des Kreises sehr gut aus.903 Außerdem gab es nur noch aus dem Bereich des Gendarmeriepostens Piber Beschwerden über einen Mangel an landwirtschaftlichen Arbeitskräften.904 Dieser konnte jedoch im November durch Zuweisung von Arbeitskräften behoben werden. Dem Landrat wurde nun auch aus Piber von einer Besserung der wirtschaftlichen Lage im landwirtschaftlichen Bereich berichtet.905 Von der Zuweisung der Arbeitskräfte unterrichtete der Landrat den Gendarmerieposten Piber persönlich. Im selben Schreiben forderte er den Postenkommandanten dazu auf die Bauern darauf hinzuweisen, dass sie weitere Anforderungen an Arbeitskräften zeitgerecht über den Ortsbauernführer an das Arbeitsamt zu richten haben. Nur noch besonders krasse Fälle seien ihm persönlich zu melden.906

Die gute Ernte war hauptsächlich auf den massiven Einsatz ausländischer Arbeiter, vor allem aus dem Osten zurückzuführen. Dass man von Seiten der NS-Machthaber wenig Rücksicht auf diese Arbeitskräfte nahm, geht aus zwei Gendarmerieberichten hervor. Der Postenkommandant von Edelschrott meldete dem Landrat, dass zwölf im Postengebiet eingesetzte Polen und Ostarbeiter wegen schlechter Arbeitsleistung einer „handgreiflichen Belehrung“ unterzogen wurden.907 In der Obstverwertung Söding waren die Arbeitsverhältnisse so schlecht, dass 14 Ostarbeiterinnen flohen. Nach ihrer Flucht beschwerten sie sich beim Arbeitsamt Graz über ihre katastrophalen Arbeitsbedingungen. Nach einer Untersuchung gab das Arbeitsamt den Ostarbeiterinnen Recht und forderte die

900 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Ligist 27. November 1942. 901 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Köflach 24. Oktober 1942. 902 Vgl.: StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Oktober-November 1942. 903 Vgl.: StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Bärnbach 27. November 1942, Voitsberg 27. Oktober 1942 und Groß-Söding 25. Oktober 1942. 904 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Piber 26. Oktober 1942. 905 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Piber 25. November 1942. 906 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Piber 26. Oktober 1942. Antwort des Landrats auf den Gendarmeriebericht des Monats Oktober. 907 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Edelschrott 23. November 1942. 154

Betriebsleitung der Obstverwertung zu Verbesserungen auf.908 Alle Polen und Ostarbeiter waren dazu verpflichtet, ein entsprechendes Abzeichen zu tragen. Bei Nichttragen des Abzeichens musste eine Organmandatsstrafe bezahlt werden. Eine solche Strafzahlung mussten im November 1942 20 Polen und Ostarbeiter im Bereich des Gendarmeriepostens Edelschrott leisten.909

In den Industriebetrieben des Kreises konnte die Produktion ebenfalls gesteigert werden. Im Bergbau Piberstein wurden nun täglich 620 Tonnen Kohle gefördert. Insgesamt waren dort 963 Arbeiter beschäftigt. Unter ihnen waren 73 Ostarbeiter.910 Auch in anderen Bergbaubetrieben des Kreises nahm die Anzahl von Ostarbeitern in der Belegschaft zu. So wurden dem Bergbau Oberdorf im Bereich des Gendarmeriepostens Bärnbach allein im Oktober 1942 gleich 40 sowjetische Bergarbeiter zugewiesen.911 Natürlich gab es auch Fluchten und Fluchtversuche der im Bergbau tätigen Ostarbeiter. Der Gendarmerieposten Köflach meldete dem Landrat im November die Flucht von zwölf aus der Sowjetunion stammenden Bergarbeitern. Sieben wurden wieder eingefangen und an die Gestapo übergeben.912 Aus dem Arbeitslager des Bergbaus Zangtal im Bereich des Gendarmeriepostens Voitsberg, flohen ebenfalls im November drei Ostarbeiter.913 Auch unter den in der Landwirtschaft eingesetzten Ostarbeitern kam es zu Fluchten. Im Bereich des Gendarmeriepostens Salla flohen im Oktober 1942 drei Ostarbeiter in Richtung Obersteiermark. Alle drei wurden kurze Zeit später in St. Michael wieder aufgegriffen.914

Da die ausländischen Arbeiter meist schlecht ausgestattet waren, dies traf insbesondere auf Polen und Ostarbeiter zu, wurden sie in vielen Fällen von Bauern oder anderen Stellen mit Steireranzügen ausgestattet. Dieser Umstand war der NS-Führung ein Dorn im Auge. Am 12. Oktober 1942 informierte der Reichsstatthalter den Landrat des Kreises Voitsberg davon, dass eine Polizeiverordnung erlassen wurde, welche das Tragen von Steirertracht durch Ausländer nicht deutscher Volkszugehörigkeit verbietet. Der Landrat gab diese Anweisung an die Kreisleitung der NSDAP, die Kreisstelle der Wirtschaftsgruppe Einzelhandel, die Bürgermeister und die Gendarmerieposten des Kreises Voitsberg weiter. Übertretungen gegen

908 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Groß-Söding 25. Oktober 1942. 909 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Edelschrott 26. November 1942. 910 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Lankowitz 26. November 1942. 911 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Bärnbach 27. November 1942. 912 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Köflach 26. November 1942. 913 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Voitsberg 30. November 1942. 914 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Salla 24. Oktober 1942 155 die Verordnung sollten mit 150 RM Geldstrafe oder mit sechs Wochen Arrest geahndet werden.915 In der Praxis war die Einhaltung des Trachtenverbots für Ausländer aufgrund des allgemeinen Kleidungsmangels jedoch kaum möglich. Dies geht eindeutig aus den Gendarmerieberichten der nächsten Monate hervor. Neben ausländischen Arbeitern wurden auch Sträflinge zu Arbeitszwecken eingesetzt. So meldete der Gendarmerieposten Voitsberg dem Landrat: „Die Heranziehung von Sträflingen für kriegswirtschaftliche Arbeiten hat sich bewährt.“916 Die Nationalsozialisten bedienten sich bereits aller Mittel bei der Ersetzung der zum Kriegsdienst eingezogenen einheimischen Arbeiter.

Im Bereich der Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln trat im Oktober und November 1942 eine leichte Besserung ein. Aus einigen Gendarmerieberichten geht hervor, dass die Fleisch- und Brotrationen erhöht wurden. Dieser Umstand wurde von der Bevölkerung mit Befriedigung zur Kenntnis genommen.917 Dagegen erreichten den Landrat zahlreiche Beschwerden über den herrschenden Wassermangel, der vor allem Gebirgsbauern stark betraf.918 Alles in allem hat sich die Lebensmittelsituation innerhalb des Kreises Voitsberg in den Monaten Oktober und November jedoch, hauptsächlich wegen der guten Obsternte, gebessert.

Im Jänner des Jahres 1943 gab es, abgesehen von einem Konzert des Winterhilfswerkes, bei dem auch Hans Kloepfer ein Gedicht las,919 nur eine größere Veranstaltung. Der 10. Jahrestag der Machtübernahme Hitlers in Deutschland wurde groß gefeiert. Eissner äußerte sich dabei zum Krieg: „Im totalen Krieg ist jeder Mensch, ob Mann oder Frau, Soldat“.920 Ende Jänner fand eine weitere Bürgermeistertagung in Voitsberg statt, bei der Hubert Eissner eine Rede hielt.921 Im Februar wurde der Voitsberger Ortsgruppenleiter Karl Strasser in die Untersteiermark abkommandiert. Seine Nachfolge trat der bisherige Kreispersonalamtsleiter Alois Killer an.922

915 StLa, BH VO, Karton 355 Zl 14 Ste 4/42 bzw. 4/1-42 12. und 21. Oktober 1942. 916 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Voitsberg 27. Oktober 1942. 917 Vgl.: StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Köflach 24. Oktober 1942, Voitsberg 27. Oktober 1942 und Edelschrott 25. Oktober 1942. 918 Vgl.: StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Lankowitz 26. November 1942, Geistthal 23. November 1942 und Kainach 26. Oktober 1942 und 26. November 1942. 919 Vgl.: VKW, 30. Jänner 1943. 920 VKW, 6. Februar 1943. 921 Vgl.: Ebd. 922 Vgl.: VKW, 27. Februar 1943. 156

Obwohl die negativen Auswirkungen des Krieges schon allerorts spürbar waren, forderte Kreisleiter Eissner bei einer Besprechung der Kreismitarbeiter und „der führenden Männer der Ämter und Wirtschaft“, dass die „Leistung des deutschen Volkes“ gesteigert werden müsse.923 An der Spitze der staatlichen Verwaltung löste am 17. Februar Dr. Otto Reinhart, den bisherigen Landrat Dr. Hermann Lutz ab, der neuer Landrat im Kreis Rann in der Untersteiermark wurde.924

Im März begannen gemäß der Rede von Joseph Goebbels im Berliner Sportpalast die ersten spürbaren Maßnahmen für den „totalen Kriegseinsatz“. Dabei kam den Ortsbauernführern besondere Bedeutung zu. Kreisleiter Eissner teilte der Bevölkerung mit, dass jeder Einwohner des Kreises, der vom Ortsbauernführer für landwirtschaftliche Hilfstätigkeiten angefordert werden würde, sich diesem zur Verfügung zu stellen habe. Bei einer Rede vor den Ortsbauernführern, in Anwesenheit von Kreisbauernführer Bauer, instruierte er diese persönlich dementsprechend.925 Ebenfalls bedingt durch den „totalen Kriegseinsatz“ gab die Kreisleitung bekannt, dass in Zukunft immer mehr Läden wegen Einrückungen geschlossen werden.926 Alles in allem verschlechterte sich die Stimmung im Kreis durch die Niederlagen an allen Fronten aus nationalsozialistischer Sicht massiv. Hinzu kamen die Schilderungen von Wehrmachtsurlaubern aus dem Kreis, die der Bevölkerung ein realistisches Bild vom Verlauf des Krieges lieferten.927 Soldaten die im Kreisgebiet auf Heimaturlaub waren mussten generell aufpassen was sie der einheimischen Bevölkerung erzählten. Immer öfter bekamen auch sie die Repression des NS-Regimes zu spüren. So wurde im März 1943 ein Wehrmachtsangehöriger der sich in Köflach auf Heimaturlaub befand nach dem Heimtückegesetz angezeigt.928 In Voitsberg wurde der Wehrmachtsurlauber Franz Bleiweiß bei der Gestapo angezeigt. Er äußerte sich im Kaufgeschäft Hackl folgendermaßen zur Lage an der Ostfront: „Die Front ist verloren […] die Verpflegung der Soldaten ist schon sehr schlecht“.929

Ende des Monats verabschiedete sich Anton Weißensteiner, der vom Dienst bei der Waffen- SS durch u.k. Stellung befreit wurde um die Führung der DAF in der Steiermark zu

923 Vgl.: VKW, 20. Februar 1943. 924 Vgl.: Ebd. 925 Vgl.: VKW, 6. März 1943. 926 Vgl.: VKW, 10. April 1943. 927 Vgl.: Bernhard Reismann, Allgemeine Geschichte des Bezirkes 1848-2005, in: Walter Brunner (Hg.), Geschichte und Topographie des Bezirkes Voitsberg. Band 1: Allgemeiner Teil, Graz 2011, 188. 928 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Köflach 26. März 1943. 929 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Voitsberg März 1943. 157

übernehmen auch persönlich vom Kreis Voitsberg. Eissner berief dazu eine Feierstunde ein. In seiner Abschiedsrede bedankte sich Weißensteiner bei seinen Mitarbeitern, insbesondere bei jenen, die von Anfang an mit ihm zusammenarbeiteten, für ihre „treue Gefolgschaft“.930 Im Bereich des Gendarmeriepostens St. Martin a.W. ging nach Bekanntwerden der Berufung Weißensteiners zum Gauobmann der DAF folgender Spruch um: „Hamsterst du a halbe Sau dann kommst du zum Gau, hamsterst du a ganze gleich, vielleicht kommst du dann gar ins Reich.“ Dieser Spruch spielte auf Gerüchte an, wonach Weißensteiner ein halbes Schwein gehamstert haben soll.931 Am 27. März besuchte Gauleiter Uiberrreither den Kreis. Er hielt eine Rede in Großsöding und begleitete Eissner zu einer Zellenversammlung in Krems im Gebiet der Ortsgruppe Voitsberg.932 An der Spitze der Ortsgruppe Bärnbach vollzog sich ein weiterer Wechsel. Anton Lipp wurde neuer Ortsgruppenleiter. Sein Vorgänger Max Suppanz rückte zur Organisation Todt ein.933

Die politische Lage im Kreis Voitsberg verschlechterte sich aus nationalsozialistischer Sicht im ersten Quartal des Jahres 1943 massiv. Hauptauslöser waren die Niederlagen des Deutschen Reiches an allen Fronten. Daneben wirkten sich auch Versorgungsprobleme negativ auf die Stimmung der Bevölkerung auf. Insgesamt wurden im ersten Quartal 1943, 21 Personen aus politischen Gründen verhaftet. Die Anzahl der politisch motivierten Anzeigen erreichte mit 110 einen neuen Rekordwert. Beim größten Teil der Anzeigen ging es um Hamsterei und Schwarzschlachterei.934 Bei den Verhaftungen waren Bergarbeiter überdurchschnittlich stark betroffen. Im Februar 1943 wurden die beiden Voitsberger Bergarbeiter Christian Kidric und Franz Binder wegen des Abhörens von Radiosendern aus England, der Sowjetunion und der Schweiz verhaftet. Außerdem wurde Kidrics Ehefrau wegen der Verbreitung von Gerüchten angezeigt.935 Christian Kidric starb während der Verbüßung seiner Haftstrafe am 21. August 1944.936 Ansonsten standen die meisten anderen Verhaftungen in Zusammenhang mit ausländischen Arbeitskräften und Kriegsgefangenen.937

Die Zahl der Verhafteten war im ersten Quartal des Jahres 1943 bereits so hoch, dass es an geeigneten Orten, an denen sie gefangen gehalten werden konnten, fehlte. Dies galt vor allem

930 Vgl.: VKW, 27. März 1943. 931 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 St. Martin.a.W. 25. Februar 1943. 932 Vgl.: VKW, 27. März 1943 und 3. April 1943. 933 Vgl.: VKW, 3. April 1943. 934 Vgl.: StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Jänner-März 1943. 935 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Voitsberg Februar 1943. 936 StLa, VR 5001/47 -77-79. 937 Vgl.: StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Jänner-März 1943. 158 für jene, die nur wenige Tage inhaftiert waren und danach entweder freigelassen oder an die Gestapo überstellt wurden. Die meisten Gemeindearreste waren nämlich nicht ausbruchssicher. Daher forderte die Gauleitung den Landrat des Kreises Voitsberg dazu auf, Gemeindearreste, die sich in schlechtem Zustand befanden und nicht ausbruchsicher waren instand zu setzen. Außerdem mussten in Kainach und St. Martin a.W. neue Gemeindearreste errichtet werden. Die Arbeiten sollten sofort in Angriff genommen werden. Die Kosten für den Neubau und die Instandsetzungen trugen die Gemeinden.938

Dass dies bei den Gemeinden, die einen komplett neuen Gemeindearrest errichten mussten, auf wenig Gegenliebe stieß und man sich beim Neubau nicht gerade beeilte, zeigt ein Briefwechsel zwischen dem Landrat Dr. Reinhart, dem Gendarmeriepostenkommandanten des Rayons Kainach und dem Bürgermeister der Gemeinde Kainach, Franz Rössl. Dieser Briefwechsel dokumentiert das Gerangel um den Bau des Kainacher Gemeindearrests, der sich zehn Monate hinzog.939 Im Mai 1943 meldete der Kainacher Bürgermeister dem Landrat, dass ein geeigneter Raum für den Gemeindearrest ausfindig gemacht wurde. Baumaterial war vorhanden, jedoch fehlten Arbeitskräfte für den Bau.940 Am 13. Juli wurde schließlich die Fertigstellung des Gemeindearrests bekannt gegeben. Bereits neun Tage später informierte der Gendarmerieposten Kainach den Landrat darüber, dass der Kainacher Gemeindearrest nicht den Anforderungen entsprach. Die Eisenstäbe waren zu schwach und Fenster mussten in sieben Fällen erst eingebaut werden. Daraufhin forderte der Landrat den Bürgermeister von Kainach auf, die Missstände innerhalb von 14 Tagen zu beheben.941 Über einen Monat später wurde Dr. Reinhart schließlich die vermeintliche Fertigstellung des Gemeindearrests gemeldet. Dieser bezweifelte jedoch die Angaben des Bürgermeisters und fragte beim Postenkommandanten der Kainacher Gendarmerie nach, ob der Arrest wirklich fertiggestellt sei.942 Ende Oktober gab Rössl schließlich zu, dass der Arrestraum doch noch nicht fertiggestellt werden konnte. Es fehlten Decken und Strohsäcke sowie die Vergitterung für die Fenster.943 Bis zur Behebung der Mängel und der endgültigen Fertigstellung des Gemeindearrests dauerte es noch bis Jänner 1944. Der Landrat persönlich musste dafür sorgen, dass vom Wirtschaftsamt Bezugsscheine für Decken und Strohsäcke an die Gemeinde

938 StLa, BH VO, 1943, Karton 368 Zl 14 Ae 1/1-43 25. März 1943 939 Vgl.: StLA, BH VO 1943, Karton 368 Zl 14 Ae 1/2-Ae 1/11 25. Mai 1943-10. Jänner 1944. 940 StLa, BH VO 1943, Karton 368 Zl 14 Ae 1/2-43 25. Mai 1943. 941 StLa, BH VO 1943, Karton 368 Zl 14 Ae 1/6-43 22. Juli 1943 942 StLa, BH VO 1943, Karton 368 Zl 14 Ae 1/8-43 30. August 1943 und 13. September 1943. 943 StLa, BH VO 1943, Karton 368 Zl 14 Ae 1/9 30. Oktober 1943. 159

Kainach ausgestellt wurden.944 In St. Martin a.W. wurde der Gemeindearrest zwar bereits im Juli 1943 fertiggestellt, jedoch stieß der Bau bei Teilen der Bevölkerung auf Widerstand und führte zu Unmutsäußerungen.945 Darauf wird bei der Aufarbeitung der politischen Lage im zweiten Quartal 1943 näher eingegangen werden.

In den ländlichen Bereichen des Kreises Voitsberg nahm der hauptsächlich passive Widerstand gegen das NS-Regime zu. Kreisweit wurden der Faschingsdienstag, der Josefitag und der Marienfeiertag von der bäuerlichen Bevölkerung beinahe ausnahmslos gefeiert.946 Der Gendarmerieposten Lankowitz meldete dem Landrat im März 1943, dass die bäuerliche Bevölkerung den Josefitag und den Mariatag trotz gegenteiliger Anordnungen des NS- Regimes weiterhin als Feiertage hielt. Im selben Bericht schätzte der Postenkommandant, dass die Bauern in seinem Rayon zu 70 Prozent religiös eingestellt waren.947 Im Bereich des Gendarmeriepostens Kainach wurde dem Landrat ebenfalls davon berichtet, dass die ländliche Bevölkerung weiterhin ihren althergebrachten Feiern huldigte.948 Der Postenkommandant von Geistthal meldete dem Landrat im März 1943 zur Religionsfrage folgendes: „Die Bevölkerung ist streng katholisch. Der Pfarrer hat großen Einfluss auf sie.“949 Gegen den Pfarrer der Landgemeinden Graden, Josef Schmidt wurde ebenso wie gegen Willhelm Fleiter, den Pfarrer der Landgemeinde Piber, Ermittlungen wegen angeblicher staatsfeindlicher Äußerungen geführt.950 Grund für die Ermittlungen gegen Schmidt war ein anonymes Schreiben, das Ende 1942 bei der Kreisbauernschaft einging. Besagtes Schreiben wurde von einem Bauer an die Kreisbauernschaft übergeben. Am 10. Februar 1943 teilte der Landrat der Gestapo mit, dass laut polizeilichen Ermittlungen Schmidt der Verfasser des Schreibens sei. Letztendlich wurde Pfarrer Schmidt von der Gestapo verwarnt.951 Der Inhalt des Schreibens ist nicht bekannt.

Am angespanntesten war die Situation jedoch mit Sicherheit im Bereich des Gendarmeriepostens St. Martin a.W. Dort hatte der Pfarrer die Bevölkerung fest in der Hand. Unter der katholischen Bauernschaft nahmen monarchistische Strömungen zu. Der

944 StLa, BH VO 1943, Karton 368 Zl 14 Ae 1/10-43 5. November 1943 und Zl 14 Ae 1/11-43 10. Jänner 1944 945 StLa, BH VO 1943, Karton 368 Zl 14 Ae 1/5-43 21. Juli 1943. 946 StLa, BH VO 1943, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Gendarmeriekreisposten an Kommandant der Steirischen Gendarmerie 1. April 1943. 947 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Lankowitz 26. März 1943. 948 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Kainach 27. März 1943. 949 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Geistthal 24. März 1943. 950 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Piber 26. März 1943. 951 StLa, BH VO, Karton 370 Zl 14 Oe 1/2-43 10. Februar 1943 und 2. März 1943. 160

Personalamtsleiter der Ortsgruppe der NSDAP St. Martin a.W. brachte im Februar 1943 in Erfahrung, dass in der Bevölkerung wieder verstärkt von Otto Habsburg gesprochen wurde. Einen Monat später wurde dem Landrat vom Gendarmeriepostenkommandanten kurz und knapp gemeldet, dass viele Bauern Otto Habsburg als Herrscher einsetzen wollten. Die Einstellung weiter Teile der Bevölkerung zum NS-Regime war ausgesprochen negativ. Außerdem scheint die NSDAP und ihre Führungsriege vor Ort eher schwach gewesen zu sein. An der Heldengedenkfeier, die am 21. März 1943 stattfand, nahmen die Gliederungen der NSDAP nicht teil. 952

Was die Kriegslage betrifft, wurde die Bevölkerungen des Kreises Voitsberg im ersten Quartal 1943 immer pessimistischer. Dies geht aus zahlreichen Berichten der Gendarmerieposten des Kreises an den Landrat hervor.953 In Voitsberg wurde die Stimmung im Jänner 1943 vom Gendarmeriepostenkommandanten als gedrückt bezeichnet.954 Dasselbe gilt für die Stimmung der Bewohner im Bereich des Gendarmeriepostens Groß-Söding. Die dort ansässige Landbevölkerung wurde durch die Rückschläge im Osten und die lange Kriegsdauer entmutigt.955 Aus St. Martin a.W. und Stallhofen wurde dem Landrat gemeldet, dass sich die Bevölkerung nach einem Ende des Krieges sehnte.956 Weiten Teilen der Bevölkerung des Kreises dürfte nun klar geworden sein, dass der Krieg wohl nicht mehr gewonnen werden würde.

In wirtschaftlicher Hinsicht machte sich der „Totale Krieg“ stark bemerkbar. Der Mangel an Waren aller Art nahm im ersten Quartal 1943 im Kreis Voitsberg deutlich zu.957 Außerdem wurden die Fleischrationen gekürzt, was zu Beschwerden in der Bevölkerung führte.958 Zahlreiche Gasthäuser und Friseursalons mussten schließen. Im Bereich des Gendarmeriepostens Voitsberg wurde dies von der Bevölkerung missbilligt.959 Außerdem erhöhte sich durch den totalen Kriegseinsatz die Anzahl der Frauen, die zum Arbeitseinsatz herangezogen wurden. Immer öfter waren auch Frauen aus dem Mittelstand davon betroffen. Deren Haltung zum ihnen auferlegten Arbeitseinsatz ließ jedoch einem Bericht des

952 Vgl.: StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 St. Martin a.W. 25. Februar und 24. März 1943. 953 Vgl.: StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Jänner-März. 954 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Voitsberg 28. Jänner 1943. 955 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Groß-Söding 24. März 1943. 956 Vgl.: StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Stallhofen 26. März 1943 und St. Martin a.W. 24. März 1943. 957 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Jänner-März 1943. 958 Vgl.: StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Piber 28. Jänner 1943. 959 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Voitsberg März 1943. 161

Kreisgendarmeriepostens zufolge zu wünschen übrig.960 In weiten Teilen des Kreises griff die Hamsterei weiterhin stark um sich. Bei Razzien wurden vom Gendarmerieposten Ligist alleine im Jänner 1943, 1.560 kg Äpfel, die auf Schmuggelwegen nach Wien gebracht werden sollten, beschlagnahmt.961 Der Gendarmerieposten Voitsberg meldete dem Landrat im Februar und März 1943 die Beschlagnahmung von insgesamt 1.170 kg Äpfeln und damit einhergehend Anzeigen gegen 49 Personen.962 Bei der Überprüfung der Ausstellung von Lebensmittelbezugskarten ging die Gendarmerie sehr genau vor. Sogar ein Mitglied der NS- Führungsriege des Kreises Voitsberg geriet ins Visier der Ermittler. Im Februar 1943 informierte der Gendarmerieposten Köflach den Gendarmeriekreisführer davon, dass Hans Blumauer, Bürgermeister von Rosental und Leiter des Amtes für Kommunalpolitik in der Kreisleitung der NSDAP möglicherweise zu Unrecht drei Fettkarten für Normalverbraucher bezog. Blumauer der Selbstversorger war und eine Kuh, sowie 30 a Wiesengrund besaß standen diese Karten nicht zu. Zwei Mitarbeiterinnen des Gemeindeamtes Rosental sagten aber für Blumauer aus und gaben wie er selbst an, dass es sich beim Bezug der Fettkarten um ein Versehen handelte. Letztendlich beließ es die Gendarmerie bei einer Beanstandung Blumauers.963

In den ländlichen Gebieten des Kreises Voitsberg nahm der Landarbeitermangel wegen der erhöhten Zahl an Einberufungen wieder zu.964 Die Zahl der ausländischen Arbeitskräfte stieg weiterhin an. Aus einigen ländlichen Gegenden liegen genaue Zahlen über das Ausmaß des Einsatzes ausländischer Arbeiter vor. Im Bereich des Gendarmeriepostens St. Martin a.W. waren 90 Personen aus dem Ausland (Polen, Ukrainer, Ostarbeiter, britische und französische Kriegsgefangene) als Landarbeiter tätig.965 Vom Gendarmerieposten Geistthal wurde dem Landrat der Einsatz von 28 ausländischen Arbeitskräften (sechs Polen, elf Ukrainer und elf französische Kriegsgefangene) gemeldet. Im Bereich des Gendarmeriepostens Kainach waren 100 Ostarbeiter beschäftigt. 50 von ihnen arbeiteten im Güterwaggonbau. Zusätzlich wurden noch 20 französische Kriegsgefange eingesetzt.966 Am höchsten von allen bekannten Gebieten war die Zahl der ausländischen Arbeiter im Rayon des Gendarmeriepostens Stallhofen. Dort waren 179 Fremdarbeiter tätig. Bei den 121 zivilen Arbeitern handelte es sich hauptsächlich

960 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Gendarmeriekreisposten an Kommandant der Steirischen Gendarmerie 1. April 1943. 961 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Ligist 25. Jänner 1943. 962 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Voitsberg Februar und März 1943. 963 StLa, BH VO, Karton 371 Zl 14 Re 2/46-43 19. Februar 1943 und 8. März 1943. 964 Vgl.: StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Jänner-März 1943. 965 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 St. Martin a.W. 24. März 1943. 966 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Kainach 27. März 1943. 162 um Ostarbeiter. Ansonsten waren einige Polen und Ukrainer unter ihnen. Bei den Kriegsgefangenen handelte es sich ausschließlich um 58 Franzosen, die in fünf Lagern untergebracht waren.967

Die Einberufung von immer mehr einheimischen Arbeitern führte weiterhin auch in den Industriebetrieben des Kreises zu Problemen. Im Kohlenbergbau Piberstein wurden in den ersten beiden Monaten des Jahres 1943 gleich 80 Arbeiter zum Wehrdienst eingezogen. Dies führte zu einem Rückgang der Kohlenproduktion auf 590 Tonnen pro Tag im Jänner. Im Februar konnte die Tagesproduktion durch den Einsatz von ausländischen Arbeitern und einheimischen Frauen wieder auf 630 Tonnen Kohle gesteigert werden.968 Die Arbeitsdisziplin der Industriearbeiterschaft des Kreises Voitsberg wurde vom Kreisgendarmeriekommandanten als verhältnismäßig gut beurteilt. Dazu trug die Bestrafung von „Blaumachern“ bei, welche abschreckend wirkte.969

Sowohl bei den ausländischen Landarbeitern, als auch bei den ausländischen Industriearbeitern kam es immer häufiger zu Fluchten.970 Aus dem Arbeitslager Rosental flohen im März 1943 drei britische Kriegsgefangene.971 In Voitsberg flohen im Februar 1943 drei Ostarbeiter aus dem Lager des Bergwerks Zangtal.972 Vom Gendarmerieposten Edelschrott wurde dem Landrat gemeldet, dass sich ausländische Arbeiterinnen schwängern ließen, um in ihre Heimat abgeschoben zu werden.973 Außerdem stieg kreisweit die Zahl der Organmandatsstrafen gegen ausländische Arbeiter.974

Die Einstellung der Kreisbevölkerung zu den ausländischen Arbeitskräften wich weiterhin in vielen Fällen von der von den Nationalsozialisten geforderten Linie ab. Mit verstärkter Aufmerksamkeit verfolgten die Nationalsozialisten daher die im gesamten Gebiet des Kreises Voitsberg die immer enger werdende Beziehung zwischen ausländischen Arbeitern und der einheimischen Bevölkerung. Der Gendarmeriekreisposten meldete dem Kommandanten der steirischen Gendarmerie in seinem Lagebericht für den Monat März, dass einige Gastwirte

967 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Stallhofen 26. März 1943. 968 Vgl.: StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Lankowitz 26. Jänner 1943 und 25. Februar 1943. 969 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Gendarmeriekreisposten an Kommandant der Steirischen Gendarmerie 1. April 1944. 970 Vgl.: StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Jänner-März 1943. 971 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Köflach 26. März 1943. 972 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Voitsberg Februar 1943. 973 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Edelschrott 26. Jänner. 974 Vgl.: StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Jänner-März 1943. 163 angezeigt wurden, da sie alkoholische Getränke an Kriegsgefangene ausgegeben hatten. Im selben Bericht stellte er auch folgendes fest: „Die Beziehung von Bauern zu seit langer Zeit eingesetzten Kriegsgefangenen beginnt familiär zu werden.“975 Im Bergbau Piberstein wurde im März 1943 eine Hilfsarbeiterin wegen freundschaftlichen Umgangs mit einem französischen Kriegsgefangenen festgenommen.976 Vom Gendarmerieposten St. Martin a.W. wurde dem Landrat gemeldet, dass die Bevölkerung den ausländischen Arbeitskräften mit christlicher Nächstenliebe begegnete. Außerdem pflegten die Einwohner einen herzlichen Umgang mit britischen und französischen Kriegsgefangenen. Daran sei laut Postenkommandant hauptsächlich die weibliche Bevölkerung schuld.977 Bei der Überwachung der ausländischen Arbeitskräfte und deren Beziehungen zur einheimischen Bevölkerung wurde die Gendarmerie ab Jänner 1943 von der Kreis-NSDAP unterstützt. Insgesamt waren 46 ausgewählte NSDAP-Mitglieder und Funktionäre des Kreises Voitsberg dafür zuständig. Diese arbeiteten unmittelbar mit den lokalen Gendarmerieposten zusammen. Landrat und Kreisleiter wurden über die Tätigkeiten der zur Überwachung eingesetzten „Parteigenossen“ und deren Erkenntnissen laufend unterrichtet.978 Mehr dazu im Kapitel Verfolgung und Widerstand.

Vielerorts fehlte es weiterhin an der notwendigen Kleidung für die ausländischen Arbeitskräfte. Verschärft wurde dieser Umstand durch die bereits erwähnte Verordnung, die ihnen das Tragen der steirischen Landestracht verbat. Vom Gendarmerieposten Köflach wurde der Landrat im März 1943 darauf hingewiesen, dass es dadurch zu Problemen kam. Eine effektive Umsetzung der Verordnung war nicht möglich, da manche ausländischen Arbeiter nur die ihnen von ihren Arbeitgebern zur Verfügung gestellte Steirertracht als Bekleidung besaßen und kein Ersatz verfügbar war.979

Im April fand nach längerer Unterbrechung wieder eine stark beworbene „Versammlungswelle“ mit 20 Veranstaltungen im Kreis statt.980 Über die Besucherzahl wurden keine Angaben mehr gemacht. Die NS-Frauenschaft startete im April ebenfalls eine rege Propagandatätigkeit und richtete 13 Versammlungen mit insgesamt über 1.000

975 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Gendarmeriekreisposten an Kommandant der Steirischen Gendarmerie 1. April 1944. 976 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Lankowitz 26. März 1943. 977 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 St. Martin a.W. 24. März 1943. 978 StLa, BH VO, 1942 A 8/1-42 6. Jänner 1943. 979 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Köflach 26. März 1943. 980 Vgl.: VKW, 3. April 1943. 164

TeilnehmerInnen aus. Kreisleiter Eissner sprach bei jeder einzelnen Veranstaltung. Mit der zunehmend ernster werdenden Kriegslage verschärfte sich auch der Ton seiner Reden. Während einer Versammlung meinte er: „Der ewige Jude setzt alles daran, das deutsche Volk auszurotten“.981 Die Feiern zu Hitlers Geburtstag gingen um einiges zurückhaltender vonstatten als in den Jahren davor. Lediglich in Köflach fand eine größere Feier statt bei der Eissner sprach. Außerdem fanden unter dem Vorsitz des Kreisleiters die Parteiaufnahmefeiern für HJ-Angehörige statt.982 Die Muttertagsfeiern waren der propagandistische Höhepunkt des Monats Mai. Eissner würdigte dabei die Opferbereitschaft der Mütter.983

Im Juni fand eine große DAF-Arbeitsbesprechung im Kreis Voitsberg statt. Anton Weißensteiner nun bereits in seiner Funktion als Gauobmann der DAF und der von der Wehrmacht zurückgekehrte DAF-Kreisobmann Karting, kündigten den Beginn der Operation „Beseitigung der Leistungshemmnisse“ an.984 Wenig später überreichte Weißensteiner den Betriebsführern der Glasfabrik und des Bergbaus Oberdorf die erste Anerkennungsurkunde im „Kriegsleistungskampf der deutschen Betriebe 1942/1943“.985 Ende des Monats besuchte die Reichsleiterin des BDM den Kreis und wurde von Eissner begrüßt.986

Die Stimmung der Bevölkerung des Kreises Voitsberg verschlechterte sich im zweiten Quartal des Jahres 1943 deutlich. Dies geht aus den Wirtschafts- und Sicherheitsberichten der Gendarmerieposten eindeutig hervor. Die politische Lage wurde zwar in manchen Teilen des Kreises noch als normal, unverändert oder gut bezeichnet, jedoch mehrten sich auch Berichte darüber, dass die Einstellung der Bevölkerung ängstlich und die Stimmung gedrückt sei.987 Der Gendarmeriepostenkommandant von St. Martin a.W. bezeichnete die politische Lage in seinem Rayon im Juni 1943 sogar als labil und die Stimmung als pessimistisch.988 Die NS- Machthaber reagierten darauf mit verstärkter Repression. Mit 40 politisch motivierten Verhaftungen wurde im zweiten Quartal 1943, zählt man jenes Quartal, in dem der Großteil des kommunistischen Widerstandes zerschlagen wurde, nicht dazu, ein neuer Höchstwert erreicht. Mehrheitlich trafen diese Verhaftungen ausländische Arbeiter. Auch die Zahl der Fluchten von ausländischen Arbeitern und Kriegsgefangenen nahm ein bis dahin nicht

981 Vgl.: VKW, 17. April 1943. 982 Vgl.: VKW, 24. April 1943. 983 Vgl.: VKW, 22. Mai 1943. 984 Vgl.: VKW, 12. Juni 1943. 985 Vgl.: VKW, 19. Juni 1943. 986 Vgl.: VKW, 26. Juni 1943. 987 Vgl.: StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 April-Juni 1943. 988 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 St. Martin a.W. 25. Juni 1943. 165 erreichtes Ausmaß an. Von April bis Juni 1943 flohen insgesamt 34 ausländische Arbeiter und Kriegsgefangene. 15 konnten noch im Kriegsgebiet wieder eingefangen werden. Im Sinken begriffen war dagegen die Zahl der politisch motivierten Anzeigen. Dass diese nur bei 34 lag, hatte jedoch damit zu tun, dass es nur noch vereinzelt Razzien gegen Hamsterer gab. Die unmittelbaren Sicherheitsverhältnisse vor Ort wurden von den Postenkommandanten allerorts als günstig bezeichnet.989

Neben der Gendarmerie sorgte nun auch in immer stärkerem Ausmaß die Landwacht für Ordnung. Wie stark die Landwacht im Kreis Voitsberg im zweiten Quartal war, lässt sich nicht einschätzen, da in vielen Sicherheitsberichten zwar das Vorhandensein von Landwachtposten erwähnt wird, jedoch nicht, wie stark diese Posten besetzt waren. Lediglich im Bereich des Gendarmeriepostens Stallhofen wurde die Stärke der Landwacht angegeben. Im April und Mai 1943 bestand diese aus 14 und im Juni aus 13 Mann, was eine deutliche Erhöhung der Anfangsstärke von 9 Mann bedeutete.990 Ein Landwachtmann aus Edelschrott beobachtete im Juni 1943 eine Lehrerin, die in einem Waldstück einen französischen Kriegsgefangenen küsste. Die Lehrerin wurde angezeigt, der Franzose musste ins Lager Wolfsberg zurückkehren.991

Mit Argwohn beobachteten die NS-Herrscher die immer stärker werdende Rückkehr der katholischen Kirche in das Alltagsleben der Kreisbevölkerung. Von den meisten Pfarrern des Kreises wurde die von den Nationalsozialisten eingeführte Sommerzeit nicht eingehalten.992 Im gesamten Kreisgebiet wurden Christi Himmelfahrt und Fronleichnam von den Bauern fast durchwegs als Feiertag gehalten.993 Aus Voitsberg wurde dem Landrat eine starke Beteiligung am von ihm selbst bewilligten Fronleichnamsumzug gemeldet. Der Umzug fand jedoch obwohl er im Freien erlaubt gewesen wäre innerhalb der Kirche statt. Dies lag daran, dass einige Teilnehmer, möglicherweise NSDAP-Mitglieder oder andere lokale Amtsträger, nicht in der Öffentlichkeit gesehen werden wollten.994

989 Vgl.: StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 April-Juni 1943. 990 Vgl.: StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Stallhofen April-Juni 1943. 991 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Edelschrott 26. Juni 1943. 992 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Gendarmeriekreisposten an Kommandant der Steirischen Gendarmerie 1. Mai 1943. 993 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Gendarmeriekreisposten an Kommandant der Steirischen Gendarmerie 1. Juli 1943. 994 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Voitsberg 30. Juni 1943. 166

Noch dramatischer für die Nationalsozialisten war die Lage in den ländlichen Gebieten des Kreises. In Lankowitz nahm die bäuerliche Bevölkerung fast vollständig an den Osterfeierlichkeiten teil. Außerdem wurde der Fronleichnamstag von den Bauern erneut als Feiertag gehalten.995 Zusätzlich dazu kamen an Sonntagen immer mehr Wallfahrer in die Gemeinde.996 Der Gendarmeriepostenkommandant von Geistthal berichtete dem Landrat in jedem seiner Berichte aus dem zweiten Quartal 1943 kurz und knapp davon, dass die Bevölkerung in seinem Rayon streng katholisch ist und der Pfarrer großen Einfluss auf sie ausübt.997 Im Juni merkte er noch an, dass die Veranstaltungen des Pfarrers viel zahlreicher besucht wurden als jene der NSDAP.998 Im Bereich des Gendarmeriepostens Stallhofen wurde der Fronleichnamstag von der gesamten Bevölkerung als Feiertag gehalten. Die vom Regime für den 16. Mai angesetzte Muttertagsfeier wurde vom Stallhofener Pfarrer um eine Woche verschoben. Als Resultat wurde die Feier tatsächlich am 23. Mai abgehalten.999 Im Bereich des Gendarmeriepostens Kainach nahm die Zahl der Kirchenbesucher stetig zu.1000 Vereinzelt waren auch monarchistische Elemente im Kreis Voitsberg aktiv. Diese sahen laut einer Erhebung des Gendarmeriekreispostens in einer Rückkehr der Habsburger die einzige Rettung vor dem Bolschewismus.1001

Am kritischsten war die Lage für die Nationalsozialisten weiterhin im Gebiet des Gendarmeriepostens St. Martin a.W. Dort richtete sich die Stimmung laut Postenkommandant nach den Einflüsterungen der Kirche. Der Einfluss des Pfarrers Rochus Kohlbach weitete sich aus.1002 Dazu äußerte sich der Kommandant des Gendarmeriekreispostens Voitsberg im April 1943 folgendermaßen: „Der Pfarrer von St. Martin a.W. Dr. Rochus Kohlbach (ehemaliger Redakteur des Grazer Volksblattes) versteht es meisterhaft die ohnehin schon vorher zum Klerikalismus neigende Landbevölkerung der NSDAP zu entfremden und sie ausschließlich für seine Dienste einzuspannen.“1003 Kohlbachs Gottesdienste wurden entgegen den NS- Vorgaben von ukrainischen Arbeitern besucht. An der Fleischweihe am Ostersamstag nahmen auch Ostarbeiter teil. Der Postenkommandant von St. Martin schrieb dem Landrat zu diesen

995 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Lankowitz 25. April 1943 und 25. Juni 1943. 996 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Lankowitz 25. Mai 1943. 997 Vgl.: StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Geistthal April-Juni 1943 998 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Geistthal 27. Juni 1943. 999 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Stallhofen 27. Mai und 29.Juni 1943. 1000 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Kainach 27. April und 27. Mai 1943. 1001 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Gendarmeriekreisposten an Kommandant der Steirischen Gendarmerie 1. Juni 1943. 1002 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 St. Martin a.W. 24. April und 24. Mai 1943. 1003 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Gendarmeriekreisposten an Kommandant der Steirischen Gendarmerie 1. Mai 1943. 167

Vorfällen in einem resignierenden Ton: „Die Bevölkerung betrachtet dies als selbstverständlich. Der Völkische Gedanke scheint ihnen fremd zu sein.“1004 Auch in anderen Orten des Kreises nahm man es mit der getrennten Abhaltung von Gottesdiensten für Einheimische und ausländische Arbeiter nicht so genau. Die Gestapo wurde vom Gendarmeriekreisposten darüber informiert, dass im Juni 1943 nicht nur Ukrainer, sondern auch Ostarbeiter, Polen und Deutsche an einem griechisch-katholischen Gottesdienst in Piber teilnahmen.1005 Am widerspenstigsten war die katholisch eingestellte Bevölkerung dennoch in St. Martin a.W. Johann Krammer, Bauer und ehemaliger christlich-sozialer Bürgermeister von St. Martin a.W. äußerte sich im Zuge des Baues eines Arrests in der Gemeinde, dass man einen solchen nicht brauche und im Gegensatz zur Umbruchszeit diesmal die anderen eingesperrt werden würden. Der Postenkommandant charakterisiert Krammer folgendermaßen: „Krammer ist schon alt, ein verbissener Kirchengeher und nur dem Pfarrer hörig.“1006 Dass Krammer nicht angezeigt wurde, dürfte er seinem Alter und seiner starken Stellung innerhalb der Dorfgemeinschaft zu verdanken gehabt haben.

Führt man sich die Berichte der ländlichen Gendarmerieposten des Kreises Voitsberg vor Augen, wird eines deutlich: Die Autorität der NS-Führungsriege vor Ort erodierte in einem beträchtlichen Maße. An die Stelle der Nationalsozialisten traten die örtlichen Pfarrer. Dass es in den stark katholischen Gebieten, welche zuvor erwähnt wurden, trotzdem zu wenigen Anzeigen kam, dürfte wohl darauf zurückzuführen sein, dass die Pfarrer nicht auf direkten Konfrontationskurs mit dem NS-Regime gingen. Die Kirchenbesucher werden sie aller Wahrscheinlichkeit nach ebenfalls diesbezüglich instruiert haben. Außerdem ist anzunehmen, dass es aufgrund der weitverbreiteten katholisch- und zum Teil auch monarchistisch motivierten anti-nationalsozialistischen Stimmung weniger Denunziationen gab als anderswo. Der Zustrom vom Nationalsozialismus enttäuschter Personen in Richtung einzig staatlich geduldeter „Konkurrenzorganisation“ nahm bis Kriegsende immer stärker zu. Aufseiten der katholischen Eliten brauchte man also nur noch die Niederlage des NS-Regimes abzuwarten, um die NS-Führungsriege im eigenen Ort wieder loszuwerden und selbst auch offiziell wieder ihre Rolle zu übernehmen.

1004 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 St. Martin a.W. 24. Juni 1943. 1005 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Gendarmeriekreisposten an Kommandant der Steirischen Gendarmerie 1. Juli 1943. 1006 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 St. Martin a.W. 24. Mai 1943. 168

Die Kriegslage betreffend gab sich die Kreisbevölkerung keinen Illusionen mehr hin. In weiten Teilen des Kreises wirkten sich die Ereignisse an den Fronten negativ auf die Stimmung der Bevölkerung aus.1007 Aus den städtischen Gendarmerieposten wurde dem Landrat gemeldet, dass die Bevölkerung beunruhigt und verängstigt wegen der Niederlage des Afrikakorps sei.1008 Die Bevölkerung der Stadt Voitsberg zeigte sich zusätzlich noch wegen der anhaltenden Partisanenaktivität in der Untersteiermark beunruhigt. Der Wille zum Durchhalten sei allerdings laut Einschätzung des Postenkommandanten noch vorhanden.1009 Im Bereich des Gendarmeriepostens Stallhofen verschlechterte sich die Stimmung, da es im Osten zu keiner Offensive kam.1010 Am ehesten war defätistische Stimmung innerhalb der Landbevölkerung verbreitet. Kreisweit sorgte außerdem das Ausbleiben von U-Boot Erfolgen für Beunruhigung.1011 Alles in allem wurde nun deutlich sichtbar, dass die Kriegsereignisse sich im Gegensatz zu den Jahren 1939, 1940 und 1941 nur noch negativ auf die Stimmung der Bevölkerung auswirkten.

In wirtschaftlicher Hinsicht blieb die Lage der Kreisbevölkerung im zweiten Quartal 1943 angespannt. Die Kürzung der Fleischrationen löste vor allem in den Industriegemeinden des Kreises Voitsberg Verstimmungen aus. Zum Teil konnten diese Verstimmungen durch die Erhöhung der Brotrationen ausgeglichen werden.1012 Außerdem löste die Wiedereröffnung zahlreicher im Vorquartal stillgelegter Gasthäuser Befriedigung bei den Betroffenen aus. Die NSDAP-Führungsriege des Kreises zeigte sich aufgrund der Wiedereröffnungen jedoch unzufrieden. Sie sah in dieser Maßnahme eine Beschädigung des Ansehens der mit der Schließungsaktion betrauten Partei- und Staatsstellen.1013 Sowohl in den ländlichen, als auch in den städtischen Gebieten des Kreises, mangelte es an Kleidung und Schuhen.1014 Der Gendarmeriekreisposten berichtete dem Kommandanten der steirischen Gendarmerie allerdings auch, dass sich die Bevölkerung die Auswirkungen des totalen Kriegseinsatzes alles in allem viel ärger vorgestellt hätte.1015

1007 Vgl.: StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 St. Martin a.W. April-Juni 1943. 1008 Vgl.: StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Voitsberg 27. Mai 1943 und Köflach 26. Mai 1943. 1009 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Voitsberg 30. Juni 1943. 1010 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Stallhofen 29. Juni. 1011 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Gendarmeriekreisposten an Kommandant der Steirischen Gendarmerie 1. Juni 1943 und 1. Juli 1943.. 1012 Vgl.: StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 April-Juni 1943. 1013 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Gendarmeriekreisposten an Kommandant der Steirischen Gendarmerie 1. Juni 1943. 1014 Vgl.: StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Köflach 26. Juni 1943, Ligist April-Juni 1943 und Piber 25. Juni 1943. 1015 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Gendarmeriekreisposten an Kommandant der Steirischen Gendarmerie 1. Mai 1943. 169

Die Erhöhung der Arbeitszeit auf neun Stunden pro Tag wurde jedoch von den Arbeitern kritisiert. Auf die Arbeitsleistung wirkte sie sich ebenfalls nicht positiv aus.1016 Allerdings verhielt sich die einheimische Arbeiterschaft Berichten des Gendarmeriepostens Köflach zu Folge trotz der Arbeitszeiterhöhung ruhig.1017 Möglicherweise fürchtete man sich auf Seiten der Arbeiterschaft davor, bei aufsässigen Verhalten zur Wehrmacht eingezogen zu werden oder man hatte noch immer die brutale Repression gegen die kommunistischen Arbeiter aus dem Jahr 1941 vor Augen. Dass Einziehungen zur Wehrmacht immer öfter stattfanden, zeigen Meldungen des Gendarmeriepostens Lankowitz. Ersetzt wurden die Eingezogenen durch ausländische Arbeitskräfte.1018 Dass dies nicht ohne Wirkung auf die Produktion blieb, zeigt die Tatsache, dass im Mai 1943 die tägliche Kohlenförderung um 60 Tonnen auf einen Wert von 560 Tonnen pro Tag zurückging.1019

Die Zahl der ausländischen Zivilarbeiter und der Kriegsgefangenen war kreisweit im zweiten Quartal 1943 im Steigen begriffen.1020 In seinem halbjährlichen Bericht an die Gestapo meldete der Landrat mit Stand 30. Juni, 3.103 ausländische Arbeiter im Gebiet des Kreises Voitsberg. Im Vergleich zum letzten Bericht bedeutete dies eine Steigerung von 150 Personen. Vor allem die Zahl der Zivilarbeiter aus dem Generalgouvernement und jene der Ostarbeiter stieg an, während bei den Sonstigen ein deutlicher Rückgang zu verzeichnen war. Aus dem Generalgouvernement stammten 1.166 Arbeiter. 1.041 Personen wurden als Ostarbeiter bezeichnet. In beiden Kategorien stellten Ukrainer die absolute Mehrheit der Arbeiter. Insgesamt befanden sich 1.372 ukrainische Arbeiter im Gebiet des Kreises Voitsberg. Unter den Sonstigen stellten die Slowenen in Bezug auf die Nationalität mit 402 Personen die größte Gruppe. Die Zahl der sogenannten deutschen Volkstumsangehörigen, die da sie noch nicht deutsche Staatsbürger waren, als ausländische Arbeiter geführt wurden, hatte sich im Vergleich zum Dezember 1942 mehr als halbiert. Bezogen auf die Staatsangehörigkeit war die Personengruppe der ehemals jugoslawischen Staatsangehörigen und Schutzangehörigen mit 497 die mit Abstand größte unter den Sonstigen.1021

1016 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Gendarmeriekreisposten an Kommandant der Steirischen Gendarmerie 1. Juli 1944. 1017 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Köflach 26. Mai 1943 und 26. Juni 1943. 1018 Vgl.: StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Lankowitz 26. Mai 1943 und 25. Juni 1943. 1019 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Lankowitz 25. Mai 1943. 1020 Vgl.: StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 April-Juni 1943. 1021 StLa, BH VO 1945, Karton 397 Zl 14 1/15-43 1. Juli 1943. 170

Aus dem Postengebiet Groß-Söding wurde dem Landrat im April 1943 berichtet, dass die einheimischen Landarbeiter durch zahlreiche Einrückungen verschwunden seien.1022 Wie in allen anderen Gegenden des Kreises nahmen nun Frauen und vor allem ausländische Arbeitskräfte ihre Plätze ein. Die Arbeitsbedingungen letzterer waren, genauso wie ihre Versorgung mit Lebensmitteln, im Allgemeinen sehr schlecht. Sogar der Gendarmeriepostenkommandant von Bärnbach meldete dem Landrat im April 1943: „Die Verpflegung im Hauptlager Bärnbach, in dem Ostarbeiter und Polen untergebracht sind, lässt zu wünschen übrig.“1023 Am 9. Juni 1943 weigerten sich 80 Ostarbeiter und Ukrainer in der Holzwarenfabrik Dr. Sandner in Voitsberg, nach der Mittagspause weiterzuarbeiten. Grund dafür war die schlechte Verpflegung. Der stellvertretende Betriebsführer brachte sie wieder zum Arbeiten. Die Gendarmerie nahm daraufhin drei Ostarbeiterinnen und einen Ukrainer als Rädelsführer fest. Bei den ausländischen Landarbeitern schien die Verpflegung besser funktioniert zu haben. Der Voitsberger Postenkommandant meinte gegenüber dem Landrat diesbezüglich, dass die Bauern ihre ausländischen Arbeiter zu gut behandeln würden.1024 Tatsächlich wurde in St. Martin a.W. ein Gastwirt zu 100 RM Strafe verurteilt, weil er an Kriegsgefangene Bier ausgeschenkt hatte.1025 Im Bereich des Gendarmeriepostens Groß- Söding halfen französische Kriegsgefangene, laut Bericht des Postenkommandanten, freiwillig bei der Löschung des Brandes einer Mühle.1026 Das Verbot bezüglich des Tragens von Steireranzügen durch ausländische Arbeiter konnte im gesamten Gebiet des Kreises Voitsberg in der Praxis nicht umgesetzt werden. Dies wurde dem Landrat, im Mai 1943, also zwei Monate nachdem ihn der Gendarmerieposten Köflach bereits auf diesbezügliche Probleme hingewiesen hatte, auch vom Kreisgendarmerieposten deutlich gemacht. Gegen ausländische Arbeiter, die weiterhin den Steireranzug trugen, konnte laut Gendarmeriekreisführer nicht eingeschritten werden, da Ersatzkleidungsstücke für diese noch immer nicht vorhanden waren.1027

Im Juli besuchte Karl Schreiber, ein Ritterkreuzträger aus dem Kreis Voitsberg, seine Heimatstadt Köflach. Der Besuch, in dessen Verlauf er auch mit Kreisleiter Eissner zusammentraf, wurde von der NSDAP auch propagandistisch ausgeschlachtet.1028 Anfang

1022 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Groß-Söding 25. April 1943 1023 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Bärnbach 27. April 1943. 1024 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Voitsberg 30. Juni 1943. 1025 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 St. Martin a.W. 24. April 1943. 1026 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Groß-Söding 26. April 1943. 1027 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Gendarmeriekreisposten an Kommandant der Steirischen Gendarmerie 1. Mai 1943. 1028 Vgl.: VKW, 24. Juli 1943. 171

August besuchte Gauleiter Uiberreither erneut den Kreis und nahm an einer Veranstaltung von Rosentaler Jungmädeln teil.1029 Im Verlauf des Monats fanden ansonsten keine größeren Propagandaveranstaltungen statt. Kreisleiter Eissner bemühte sich im August vor allem um die Disziplin der Parteimitglieder. Bei einer Mitgliederversammlung der Ortsgruppe Bärnbach meinte er: „Alle Verdienste um die Bewegung sind ausgelöscht, wenn sie nicht täglich erneuert werden“1030. In Voitsberg ermahnte er die NSDAP-Mitglieder: „Parteigenosse zu sein bedeutet nicht größere Rechte, sondern größere Pflichten“. In Bezug auf die Propagandaarbeit gab er folgende Richtlinie vor: „Wir müssen dem Volk endlich eines lernen: Den Feind zu hassen. Dieser Hass ist der dunkle Bruder der hell lodernden Liebe zu unserem Volke“1031. Die drastische Form, in welcher der Kreisleiter selbst die eigenen Parteimitglieder ermahnte zeigt, wie schwer er es zunehmend hatte, die „Moral im Kreis“, für die er dem Gauleiter gegenüber persönlich verantwortlich war, aufrechtzuerhalten. Mitte des Monats besuchte DAF-Gauobmann Weißensteiner den Kreis Voitsberg und sprach zu den Ortsobmännern, Betriebsobmännern und Stoßtruppführern der DAF.1032 Immer öfter fanden nun auch Veranstaltungen der NS-Frauenschaft für Verwundete statt. Ende des Monats sprach Kreisleiter Eissner bei einer solchen Veranstaltung.1033

In politischer Hinsicht verschlechterte sich die Lage für die Nationalsozialisten im Kreis Voitsberg im dritten Quartal des Jahres 1943 kontinuierlich. Dies geht aus zahlreichen Wirtschafts- und Sicherheitsberichten der Gendarmeriepostenkommandanten an den Landrat hervor. In den meisten Berichten wird die Stimmung in der Bevölkerung als schlecht, niedergeschlagen, pessimistisch, gedrückt oder negativ bezeichnet.1034 Laut eines Berichts des Kreisgendarmeriekommandanten, welchen er im August 1943 an den Kommandanten der Steirischen Gendarmerie schickte, war die Stimmung vor allem bei der bäuerlichen Bevölkerung des Kreises gedrückt. Diesen Umstand führte er auf eine rege versteckte Propagandatätigkeit des Klerus zurück.1035 Allerdings gab es Berichte über schlechte Stimmung innerhalb der Bevölkerung auch aus den Industriegemeinden des Kreises.1036 Die

1029 Vgl.: VKW, 14. August 1943. 1030 VKW: 28. August 1943. 1031 VKW: 4. September 1943. 1032 Vgl.: VKW, 18. September 1943. 1033 Vgl.: VKW, 25. September 1943. 1034 Vgl.: StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Juli-September 1943. 1035 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Gendarmeriekreisposten an Kommandant der Steirischen Gendarmerie 30. August 1943. 1036 Vgl.: StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Juli-September 1943. 172

Anzeigen wegen staatsfeindlicher Äußerungen stiegen kreisweit leicht an.1037 Insgesamt wurden dem Landrat im Gebiet des Kreises Voitsberg im dritten Quartal 1943 von 53 politisch motivierten Verhaftungen, was einen neuen Höchstwert bedeutete und 17 politisch motivierten Anzeigen berichtet. Wie üblich waren mehrheitlich ausländische Arbeitskräfte von der nationalsozialistischen Verfolgung betroffen. Insgesamt wurden dem Landrat im dritten Quartal 1943, 39 Fluchten von ausländischen Arbeitern und Kriegsgefangenen gemeldet. Die Zahl und die Stärke der Landwachtposten wurden kreisweit erhöht.1038 Mängel gab es in manchen Gebieten bei der Bewaffnung der Landwacht.1039

In den Industriegemeinden des Kreises wuchs die Angst der Nationalsozialisten vor einem Wiedererstarken der kommunistischen Bewegung. Dass es durchaus noch kommunistische Arbeiter gab, geht aus einem Bericht des Gendarmeriekreispostens an den Landesgendarmeriekommandanten hervor. Darin wird letzterem davon berichtet, dass die kommunistischen Arbeiter in letzter Zeit wieder ein selbstsicheres Auftreten zur Schau stellten. Aus dem Bereich des Gendarmeriepostens Bärnbach wurde dem Landrat gemeldet, dass vom 1. bis 6. September die Landwacht zur Verhinderung kommunistischer Streu- und Schmieraktionen eingesetzt wurde.1040 Von allen Industriegemeinden des Kreises schien sich die Stimmung in Voitsberg am deutlichsten verschlechtert zu haben. Im August 1943 wurde dem Landrat berichtet, dass viele NSDAP-Mitglieder ihre Parteiabzeichen nicht mehr tragen würden. Außerdem hörten viele Bewohner bereits Feindsender. Der Postenkommandant schlug dem Landrat daher vor, den politisch Unzuverlässigen ihren Kurzwellenempfang zu nehmen.1041 Des Weiteren berichtete er dem Landrat von folgendem Vorfall: „Vor der Verschickung einiger französischer Kriegsgefangener vom Bahnhof Voitsberg aus nach Fohnsdorf (Grubenunglück) versammelten sich zahlreiche Frauen und unterhielten sich in freundschaftlicher Art und Weise mit den Franzosen. Hildegard Schweiger fiel dabei besonders auf. Sie rief einen der Franzosen zur Seite und gab ihm eine Schachtel Zigaretten. Danach winkte sie ihm mit einem Taschentuch nach.“ Schweiger wurde bei der Gestapo angezeigt.1042 Dass sich zahlreiche Frauen in aller Öffentlichkeit von französischen Kriegsgefangenen verabschiedeten und somit indirekt den engen Kontakt, den sie mit ihnen

1037 Vgl.: StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Gendarmeriekreisposten an Kommandant der Steirischen Gendarmerie 1. August 1943 und 30. August 1943. 1038 Vgl.: StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Juli-September 1943. 1039 Vgl.: StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 St. Martin a.W. 25. August 1943 und Ligist 26. Juli und 26. August 1943. 1040 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Bärbach 27. September 1943. 1041 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Voitsberg 29. August 1943 und 29. September 1943. 1042 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Voitsberg 29. August 1943. 173 pflegten, zur Schau stellten zeigt deutlich, dass die Forderung des NS-Regimes nach einem zurückhaltenden Umgang mit Kriegsgefangenen kaum Anklang fand.

Noch stärker als in den Industriegemeinden verschlechterte sich die politische Lage für die NS-Machthaber in den ländlichen Bereichen des Kreises Voitsberg. Der Postenkommandant von Stallhofen meldete dem Landrat im September 1943, dass die Bevölkerung seines Rayons streng religiös und in politischer Hinsicht mehr oder weniger anti-nationalsozialistisch eingestellt war. Zahlreiche Personen waren der Überzeugung, dass das Deutsche Reich den Krieg verloren habe und das alte Österreich mit Otto Habsburg als Regent wiederentstehen werde. Der Stallhofener Pfarrer Vinzenz Kickenweitz wurde im selben Monat wegen der unerlaubten Abhaltung eines Anbetungstages von der Gestapo verwarnt.1043 Aus Piber wurde dem Landrat eine Zunahme der Zahl der Kirchenbesucher gemeldet.1044 Ein solcher Trend war laut Bericht des Gendarmeriekreispostens im dritten Quartal des Jahres 1943 im gesamten Gebiet des Kreises Voitsberg zu beobachten.1045 In vielen Landgemeinden wurden, wie schon in den Jahren zuvor, aufgelassene Feiertage trotzdem von der bäuerlichen Bevölkerung gehalten.1046 In St. Martin a.W. holten einige Mütter ihre Kinder sogar vom HJ-Dienst ab um sie am Fronleichnamsgottesdienst teilnehmen zu lassen.1047 Im August 1943 meldete der Postenkommandant von St. Martin a.W. dem Landrat: „Die Bauern erwarten eine Änderung der staatlichen Haltung der Kirche gegenüber. Grüß Gott ist öfter zu hören als der deutsche Gruß. Auch auf deutschen Gruß wird mit Grüß Gott geantwortet.“1048 Im Bereich des Gendarmeriepostens Edelschrott ermittelte die Gendarmerie gegen den Pfarrer von Hirschegg-Rein, Alfred Morre. Dieser hatte sich zuvor angeblich gegenüber einer Schülerin der Lehrerbildungsanstalt staatsfeindlich geäußert. Im Oktober wurde er schließlich deswegen bei der Gestapo angezeigt.1049

Was die Kriegslage betrifft, löste im dritten Quartal 1943 vor allem die im Juli 1943 erfolgte alliierte Landung in Sizilien, in Verbindung mit der darauf folgenden Kapitulation Italiens Besorgnis innerhalb der Bevölkerung des Kreises aus. Des Weiteren wirkten sich die Rückschläge an der Ostfront negativ auf die Stimmung der Kreisbevölkerung aus. Nach der

1043 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Stallhofen 27. September 1943. 1044 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Piber 26. Juli 1943. 1045 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Gendarmeriekreisposten an Kommandant der Steirischen Gendarmerie 30. August 1943. 1046 Vgl.: StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Juli-September 1943. 1047 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 St. Martin a.W. 24. Juli 1943. 1048 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 St. Martin a.W. 25. August 1943. 1049 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Edelschrott 28. September 1943 und 28. Oktober 1943.. 174 raschen Besetzung Italiens durch die Wehrmacht beruhigte sich die Stimmung wieder etwas.1050 Vom Gendarmerieposten Voitsberg wurde dem Landrat gemeldet, dass die Bevölkerung nun die Möglichkeit zur Rückgewinnung Südtirols sah.1051

In wirtschaftlicher Hinsicht blieb die Lage im Kreis Voitsberg im dritten Quartal 1943 einigermaßen stabil. Von der Mehrheit der Gendarmerieposten wurde sie als unverändert, zufriedenstellend oder den Verhältnissen entsprechend gut bezeichnet.1052 Der obligatorische und durch weitere Einrückungen zur Wehrmacht stärker gewordene Landarbeitermangel konnte jedoch trotz des Einsatzes ausländischer Arbeiter nicht ausreichend behoben werden. Die ausländischen Arbeitskräfte wurden von der Exekutive als zum größten Teil arbeitsam bezeichnet. Fast alle französischen Kriegsgefangenen wurden in den Zivilarbeiterstand überführt, was ihre Arbeitslust deutlich steigerte. Unter den britischen Kriegsgefangenen nahm die Unruhe jedoch zu.1053 Das Arbeitskommando Pichling musste im September 1943 aufgelöst werden, da die britischen Kriegsgefangenen aus denen das Kommando bestand wegen zu schlechter Behandlung nicht mehr bei den Pichlinger Bauern arbeiten wollten.1054

Am schlimmsten war die Situation jedoch noch immer für die Ostarbeiter. Der Gendarmerieposten Voitsberg meldete dem Landrat im Juli 1943, dass diese eine ganze Schicht lang mit dem Frühstück (Tee und ein Stück Brot) auskommen müssten. Der Postenkommandant sah die ständigen Fluchten der Ostarbeiter dadurch begründet. Außerdem würden sich die unterschiedlichen Verpflegungsrationen zwischen Ostarbeitern, Polen und Ukrainern, letztere bekamen mehr Rationen als die Ostarbeiter, nachteilig auf die Arbeitsleistung der Ostarbeiter auswirken. Der Postenkommandant forderte die Vereinheitlichung der Rationen bezogen auf die Arbeitsleistung.1055 Auch der Gendarmeriekreisposten meldete dem Kommandanten der steirischen Gendarmerie, dass die Ostarbeiter vollkommen unzureichend ernährt wurden. Die Eingaben scheinen erfolgreich gewesen zu sein. Ab August 1943 wurden die Rationen für Ostarbeiter, Polen und Ukrainer auf das gleiche Niveau gebracht.1056 Im Hauptlager der Alpine-Montan Gesellschaft in

1050 Vgl.: StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Juli-September 1943. 1051 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Voitsberg 29. Juli 1943. 1052 Vgl.: StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Juli-September 1943. 1053 Vgl.: StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Gendarmeriekreisposten an Kommandant der Steirischen Gendarmerie 30. August 1943. 1054 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Köflach 25. September 1943. 1055 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Voitsberg 29. Juli 1943. 1056 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Gendarmeriekreisposten an Kommandant der Steirischen Gendarmerie 1. August 1943 und 30. August 1943. 175

Bärnbach beklagten sich die dort untergebrachten Ostarbeiter jedoch weiterhin über mangelnde Verpflegung. Im selben Monat flohen 18 Ostarbeiter innerhalb des Rayons des Gendarmeriepostens Bärnbach. Zehn davon konnten wieder eingefangen werden.1057

In den Industriegemeinden des Kreises kam es im dritten Quartal 1943 verstärkt zu einem Mangel an Lebensmitteln und Rauchwaren. Dies traf vor allem die Industriearbeiterschaft schwer.1058 Im Bereich des Gendarmeriepostens Voitsberg waren die Bergarbeiter im August 1943 wegen der neuerlichen Kürzung der Rauchwarenzuteilung unzufrieden.1059 In Köflach wurde dieser Umstand ebenso kritisiert. Außerdem beklagte sich die Bevölkerung dort zusätzlich über das Fehlen von Bier und Wein und über den beschränkten Mostausschank.1060 Im Bereich des Gendarmeriepostens Bärnbach mangelte es an Bier, Milch und Speiseöl.1061 Die von der Rauchwarenkürzung betroffene Bevölkerung behalf sich in vielen Fällen damit, ihre Brotkarten mit Ostarbeitern gegen Zigaretten zu tauschen.1062

Anfang Oktober 1943 fand ein Wechsel an der Spitze der Kreisbauernschaft statt. Der Stallhofener Ortsgruppenleiter Ludwig Lettmayer löste Iganz Bauer als Kreisbauernführer ab. Möglicherweise ist Bauers Ablösung auf die sich verschlechternde Stimmung der Bauern des Kreises zurückzuführen, denn bei Versammlungen mit dem Kreisbauernführer drückten diese ihren Unmut über die Ablieferungspflichten sehr deutlich aus.1063 Mit seiner Bitte an die Bauern des Kreises, am Bauernfeiertag Peter und Paul am 29. Juni, der von den Nationalsozialisten offiziell abgeschafft worden war zu arbeiten hatte Bauer sich ebenfalls kaum durchsetzen können.1064 Hinzu kamen ausgeprägte monarchistische Tendenzen auf Seiten der Bauern, welche spätestens seit Anfang 1943 immer stärker wurden. Laut einem Bericht des Gendarmeriepostens St. Martin erhofften sich die Bauern dadurch ein besseres staatliches Verhältnis zur katholischen Geistlichkeit. Dass sich aber noch nicht alle Bauern vom Nationalsozialismus abgewandt hatten, zeigt die Tatsache, dass die Gendarmerie ihre die „Habsburgaffinität“ der Bauern betreffenden Informationen von einem nationalsozialistisch

1057 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Bärnbach 27. August 1943. 1058 Vgl.: StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Juli-September 1943. 1059 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Voitsberg 29. August 1943. 1060 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Köflach 26. Juli 1943. 1061 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Bärnbach 27. August und 27. September 1943. 1062 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Gendarmeriekreisposten an Kommandant der Steirischen Gendarmerie 1. August 1943. 1063 Vgl.: Franz Mittermüller, Die Landwirtschaft im Bezirk Voitsberg, in: 5, in: Walter Brunner (Hg.), Geschichte und Topographie des Bezirkes Voitsberg. Band 1: Allgemeiner Teil, Graz 2011, 384. 1064 Vgl.: Franz Mittermüller, Religion und Glauben im Bezirk Voitsberg, in: Walter Brunner (Hg.), Geschichte und Topographie des Bezirkes Voitsberg. Band 1: Allgemeiner Teil, Graz 2011, 572. 176 eingestellten Bauern bekommen hatte.1065 Ende des Monats November 1943 erfolgte die bis dahin strengste Bestrafung von Schwarzschlächtern aus dem Kreis. Ein Mann und eine Frau wurden zu acht bzw. drei Jahren Haft verurteilt.1066 Seinen ersten öffentlichen Auftritt hatte der neue Kreisbauernführer Lettmayer zusammen mit Eissner dann bei der Erntedankfeier in Voitsberg.1067 Als Kreisbauernführer, SA-Standartenführer und Ortsgruppenleiter hatte er nach dem Kreisleiter die größte Machtfülle aller Nationalsozialisten im Kreis. Man kann durchaus sagen, dass er so etwas wie die Nr. 2 der Kreis- NSDAP war. Mitte Oktober eröffnete Eissner die „Woche der schaffenden Jugend“, in welcher zahlreiche Propagandaveranstaltungen speziell für jüngere Menschen des Kreises stattfanden. Die Versammlungen standen unter dem Motto: „Der Sieg wird unser sein“.1068

Zu Beginn des Monats November wechselte die Führung in der ländlichen Ortsgrupp Ligist. Josef Puchas, der bis dahin die NSV innerhalb der Ortsgruppe Ligist geleitet hatte, folgte auf Johann Kaier, der aufgrund seiner Einberufung zur Wehrmacht auch das Amt des Bürgermeisters abgab.1069 Kaiers Nachfolger als Ligister Bürgermeister wurde Eduard Hetzendorf.1070 Mit dem „Heldengedenktag“ und der Eröffnung des „bäuerlichen Berufsertüchtigungswerkes“ fanden im November nur zwei große Veranstaltungen der NSDAP statt. Eissner hielt zu beiden Anlässen eine Rede.1071 An der Spitze der Kreisfrauenschaft der NSDAP fand im Dezember ein Wechsel statt. Die langjährige Leiterin Irmgard Blumauer wurde bei einer Feier in Beisein der Gaufrauenschaftsleiterin und Kreisleiter Eissners verabschiedet. Hermine Krenn wurde ihre Nachfolgerin.1072 Mitte Dezember besuchte Gauleiter Uiberreither in Begleitung von Gauobmann Weißensteiner die Barbarafeiern im Köflach-Voitsberger Kohlenrevier. Kreisleiter Eissner war ebenfalls anwesend.1073 Ansonsten sprach der Kreisleiter im Dezember lediglich zu den Führern der Hitlerjugend des Kreises.1074 In der letzten Dezemberwoche empfing Uiberreither alle Kreisleiter der Steiermark und gab die Richtlinien für die Arbeit des kommenden Jahres

1065 Vgl.: Walter Brunner (Hg.), Geschichte und Topographie des Bezirkes Voitsberg. Band 2: Bezirkslexikon, Graz 2011, 131. 1066 Vgl.: VKW, 4. Dezember 1943. 1067 Vgl.: VKW, 9. Oktober 1943. 1068 Vgl.: VKW, 23. Oktober 1943 und 30. Oktober 1943. 1069 Vgl.: VKW, 6. November 1943. 1070 Walter Brunner (Hg.), Geschichte und Topographie des Bezirkes Voitsberg. Band 2: Bezirkslexikon, Graz 2011, 174. 1071 Vgl.: VKW, 13. November 1943 und 27. November 1943. 1072 Vgl.: VKW, 11. Dezember 1943. 1073 Vgl.: VKW, 18. Dezember 1943. 1074 Vgl.: VKW, 11. Dezember 1943. 177 vor.1075 In seiner Neujahrsbotschaft im VKW bereitete Kreisleiter Eissner die Kreisbevölkerung mit den Worten „Das neue Jahr wird noch härter werden“ auf die Zukunft vor.1076 Die sich verschlechternde Lage an allen Fronten vor Auge versuchte er damit wohl der Bevölkerung keine Hoffnungen auf eine baldige Besserung ihrer Situation zu machen welche sich, dass wusste Eissner wohl auch, nicht erfüllen würden.

Die politische Lage im Kreis Voitsberg blieb im vierten Quartal des Jahres 1943 alles andere als gut für die NS-Herrscher. Von den Gendarmerieposten des Kreises wurde die Stimmung der Bevölkerung überwiegend als unverändert oder normal, in wenigen Fällen als gut oder zufriedenstellend und ansonsten als gedrückt und pessimistisch beschrieben. Letzteres traf vor allem auf die ländlichen Bereiche des Kreises zu.1077 Einen leichten Anstieg gab es bei der Zahl der staatsfeindlichen Äußerungen.1078 Dasselbe gilt für die Anzahl der politisch motivierten Verhaftungen im vierten Quartal 1943, welche mit 62 wieder deutlich stieg und neuerlich einen Höchstwert erreichte. Wie gewöhnlich waren ausländische Arbeiter am stärksten von diesen Verhaftungen betroffen. Außerdem wurden dem Landrat 66 politisch motivierte Anzeigen gemeldet. Dies bedeutete einen drastischen Anstieg im Vergleich zum Vorquartal und einen der höchsten Werte seit Kriegsbeginn, sieht man vom jenem Quartal ab, in dem der kommunistische Widerstand im Kreis Voitsberg zerschlagen wurde.1079 Überdurchschnittlich hoch war die Zahl der Anzeigen wegen Nicht-Einhaltung der Verdunkelungsvorschriften. Vom Gendarmerieposten Bärnbach wurden im Dezember 1943, 20 Personen deswegen angezeigt.1080

Unter den aus politischen Gründen Verhafteten, befanden sich auch vier Wehrmachtssoldaten aus dem Kreis Voitsberg.1081 Im November wurde der aus dem Bereich des Gendarmerieposten Lankowitz stammende Soldat Johann Zwanzger wegen staatsfeindlicher Äußerungen festgenommen. Einen Monat später wurde vom selben Gendarmerieposten der fahnenflüchtige Soldat Franz Lackner festgenommen und dem Landschützenbattalion 5/891

1075 Vgl.: VKW, 8. Jänner 1944. 1076 Vgl.: VKW, 1. Jänner 1944. 1077 Vgl.: StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Oktober-Dezember 1943. 1078 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Gendarmeriekreisposten an Kommandant der Steirischen Gendarmerie 1. November 1943. 1079 Vgl.: StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Oktober-Dezember 1943. 1080 Vgl.: StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Bärnbach 27. Dezember 1943. 1081 Vgl.: StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Oktober-Dezember 1943 und Gendarmeriekreisposten an Kommandant der Steirischen Gendarmerie 1. Dezember 1943. 178 in Voitsberg übergeben.1082 Besonders spektakulär war die Festnahme des Deserteurs Franz Dollnig, der sich seit langer Zeit bei seinen Eltern versteckt gehalten hatte. Die Festnahme fand im November 1943 in Kohlschwarz im Gebiet des Gendarmeriepostens Kainach statt.1083 Unterstützt wurden die Kainacher Gendarmen durch Beamte aus Voitsberg. Der Postenkommandant von Voitsberg verfasste auch den diesbezüglichen Bericht an den Landrat. Aus diesem Bericht geht hervor, dass Dollnig seit Mai 1943 fahnenflüchtig war und von seinen Eltern unterstützt wurde. Zum weiteren Verlauf des Falles Dollnig schrieb der Postenkommandant: „Dollnig unternahm vor der Einlieferung ins Landesgericht Graz einen Fluchtversuch, der aber misslang. Gegen Dollnig wurde beim Gericht der Division 418 Anzeige erstattet. Seine Eltern wurden wegen Begünstigung eines Deserteurs angezeigt.“ 1084 Am 23. Dezember 1943 wurde Franz Dollnig zum Tode verurteilt. Seine Hinrichtung erfolgte am 4. Mai 1944 im Grazer Straflandesgericht.1085 Bereits einen Monat zuvor wurde der Deserteur Johann Reinisch aus Modriach von einem Gendarmen angeschossen und festgenommen. Sowohl Dollnig, als auch Reinisch waren noch nicht an der Front gewesen und wurden vor dem Einsatz fahnenflüchtig.1086

Obwohl die Sicherheitslage im Kreis Voitsberg im vierten Quartal 1943 noch von allen Gendarmerieposten als gut bezeichnet wurde, begann man damit die Landwacht massiv zu verstärken.1087 Die Stärke der einzelnen Landwachtposten dürfte sich an der Fläche, die sie zu bewachen hatten und nicht nur an der Einwohnerzahl der von ihnen überwachten Gebiete orientiert haben. Der Landwachtposten des bevölkerungsreichen Rayons Köflach war im November 1943 nur 60 Mann stark.1088 Jener in Voitsberg bestand im Dezember 1943 aus 93 Mann und wurde im Vergleich zum Vormonat um 50 Mann verstärkt.1089 Im ländlichen Postengebiet Groß-Söding bestand die Landwacht im November aus 66 Mann, also mehr als in Köflach und einen Monat darauf bereits aus 72 Mann, verteilt auf 11 verschiedene Posten.1090 Im Bereich des Gendarmerieposten Stallhofen wurde die Stärke der Landwacht

1082 Vgl.: StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi Lankowitz 26. November 1943 und 27. Dezember 1943. 1083 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Kainach 27. November 1943. 1084 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Voitsberg 29. November 1943. 1085 Vgl.: Franz Mittermüller, Die Landwirtschaft im Bezirk Voitsberg, in: 5, in: Walter Brunner (Hg.), Geschichte und Topographie des Bezirkes Voitsberg. Band 1: Allgemeiner Teil, Graz 2011, 190. 1086 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Gendarmeriekreisposten an Kommandant der Steirischen Gendarmerie 1. Dezember 1943. 1087 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Oktober-Dezember 1943. 1088 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Köflach 26. November 1943. 1089 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Voitsberg 27. Dezember 1943. 1090 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Groß-Söding 27. November 1943 und 22. Dezember 1943. 179 von Oktober bis Dezember 1943 von 12 auf 46 Mann erhöht und damit fast vervierfacht.1091 Kreisweit waren die Landwachtmänner noch immer schlecht bewaffnet. Meist standen ihnen nur Schrotgewehre und Jagdgewehre zur Verfügung.1092

Während es dem NS-Regime auch mit Hilfe von Verhaftungen gelang, den Widerstand im Kreis Voitsberg innerhalb der Arbeiterschaft gering zu halten, hielt der passive Widerstand der katholischen Kirche weiter an. Kreisweit wurde Allerheiligen als Feiertag abgehalten.1093 Im Bereich des Gendarmeriepostens Ligist, in welchem die Geistlichkeit seit Kriegsbeginn in keinen Konflikt mit den NS-Herrschern verwickelt war, wurde ein Pfarrer wegen der verbotenen Abhaltung eines Gottesdienstes an einem Werktag bei der Gestapo angezeigt.1094 Die erstmals seit Kriegsbeginn erfolgte Anzeige gegen einen Ligister Pfarrer könnte auch damit zusammenhängen, dass der vergleichsweise gemäßigt agierende Ortsgruppenleiter Johann Kaier, der im September 1943 seine Einberufung zur Wehrmacht erhielt, durch Josef Puchas abgelöst wurde.1095 Die Angehörigen von gefallenen Soldaten aus dem Rayon St. Martin a.W. bestanden stets auf einer kirchlichen Totenfeier. Pfarrer Rochus Kohlbach ließ zu diesem Zweck ein zwei Meter hohes Birkenkreuz aufstellen, da er die Feiern nicht vor dem Kriegerdenkmal, dem von der NS-Führungsriege des Ortes dafür vorgesehenen Platz, abhalten wollte.1096 Aus den Bereichen der Gendarmerieposten Söding und St. Martin a.W. wurde dem Landrat von den Postenkommandanten gemeldet, dass sich die Bauern zum Teil weigern ihrer Ablieferungspflicht nachzukommen. In St. Martin a.W. gab der Gendarmeriepostenkommandant dem Ortsbauernführer einen Teil der Schuld dafür.1097

In Bezug auf die Kriegslage drückte der negative Verlauf der Schlachten im Osten die Stimmung der Kreisbevölkerung.1098 Nach Hitlers Rede am 8. November 1943 soll sich die Stimmung allerdings wieder gebessert haben.1099 Die Landbevölkerung beachtete den Verlauf der Partisanenkämpfe in der Untersteiermark mit großer Aufmerksamkeit und hielt ein

1091 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Stallhofen Oktober-Dezember 1943. 1092 Vgl.: StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Gendarmeriekreisposten an Kommandant der Steirischen Gendarmerie 1. Dezember 1943 und Voitsberg 29. November 1943. 1093 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Gendarmeriekreisposten an Kommandant der Steirischen Gendarmerie 1. Dezember 1943 1094 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Ligist 27. Dezember 1943. 1095 Vgl.: LGS Graz, Vr 1970/47; 18-19. 1096 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 St. Martin a.W. 27. November 1943. 1097 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Stallhofen 27. Oktober 1943 und St. Martin a.W. 27. November 1943. 1098 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi Gendarmeriekreisposten an Kommandant der Steirischen Gendarmerie 1. November 1943. 1099 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi Gendarmeriekreisposten an Kommandant der Steirischen Gendarmerie 1. Dezember 1943. 180

Übergreifen auf die restliche Steiermark für möglich. Genährt wurden solche Befürchtungen durch Erzählungen älterer Jahrgänge, die in der Untersteiermark zur Partisanenbekämpfung eingesetzt waren. In Voitsberg war die Bevölkerung auch aufgrund der Luftangriffe auf Graz beunruhigt.1100 Die Haltung der Kreisbevölkerung wurde von den Postenkommandanten des Kreises jedoch alles in allem als gut beurteilt.1101 Dies dürfte aber vor allem darauf zurückzuführen sein, dass sich aufgrund der brutalen Repression der NS-Machthaber kaum jemand traute, offen gegen die Fortsetzung des Krieges Stellung zu beziehen.

Die wirtschaftliche Lage des Kreises Voitsberg verschlechterte sich im vierten Quartal des Jahres 1943 deutlich. Überall häuften sich die Mängel an Materialien, Rohstoffen und Gebrauchsgegenständen aller Art. Im Bereich des Gendarmeriepostens Kainach war der Mangel an Petroleum im Dezember sogar so stark, dass die Gendarmerie nach Einbruch der Dunkelheit ihren Dienst einstellen musste.1102 Im Dezember 1943 wurde der Landrat darüber informiert, dass sogar der Bürgermeister von St. Martin a.W. vergeblich um Schuhe angesucht hatte.1103 Wie schon im Jahr zuvor setzte eine starke Hamstereitätigkeit in der Bevölkerung ein.1104 Im Bereich des Gendarmeriepostens Köflach wurden bei einer Razzia bei einem Bergarbeiter 135 kg Äpfel sichergestellt.1105 Noch stärker ausgeprägt war die Hamsterei in den ländlichen Gebieten des Kreises. Aus dem Bereich des Gendarmeriepostens Groß-Söding wurde dem Landrat im Oktober 1943 die Beschlagnahmung von 2.400 kg gehamsterten Obstes seit 30. September gemeldet. Der Verkauf des Obstes wurde von Personen aus der Obersteiermark und aus dem Gau Niederdonau durchgeführt.1106

Im gesamten Kreisgebiet nahm auch der Landarbeitermangel wieder zu. Grund dafür waren die Einberufungen älterer Jahrgänge, die bis dahin noch vom Kriegsdienst verschont geblieben waren. Die zahlreichen ausländischen Landarbeiter konnten die Situation nur noch etwas lindern, aber nicht beheben. Ähnliches gilt für die Industriebetriebe des Kreises.1107 Aus Berichten der Gendarmerieposten Voitsberg und Lankowitz geht hervor, dass im vierten Quartal 1943 erstmals auch italienische Kriegsgefangene zur Arbeit im Bergbau eingesetzt

1100 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Voitsberg 29. November 1943. 1101 Vgl.: StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Oktober-Dezember 1943 und Wi Gendarmeriekreisposten an Kommandant der Steirischen Gendarmerie 1. November 1943 und 1. Dezember 1943. 1102 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Kainach 26. Dezember 1943. 1103 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 St. Martin a.W. 27. Dezember 1943.. 1104 Vgl.: StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Oktober-Dezember 1943. 1105 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Köflach 26. November 1943. 1106 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Groß-Söding 27. Oktober 1943. 1107 Vgl.: StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Oktober-Dezember 1943. 181 wurden.1108 In Lankowitz beklagten sich diese über schlechte Verpflegung. Der Postenkommandant bat darauf den Landrat Anweisungen zur Verpflegung dieser in der Gemeinschaftsküche der anderen ausländischen Arbeiter zu geben.1109 Alles in allem wurde die Arbeitsleistung der ausländischen Arbeitskräfte als zufriedenstellend eingestuft.1110 Der Fluchtdrang der ausländischen Arbeiter, vor allem der Ostarbeiter unter ihnen, blieb jedoch ungebrochen.1111 Der gute Kontakt der einheimischen Bevölkerung mit den ausländischen Arbeitern und Kriegsgefangenen blieb ebenfalls bestehen. Im Dezember 1943 wurden zwei Bergarbeiter aus dem Bereich des Gendarmeriepostens Voitsberg verhaftet, da sie mit sowjetischen Kriegsgefangenen Handel betrieben. Ein dritter Bergarbeiter wurde deswegen angezeigt.1112 Die britischen Kriegsgefangenen im Bereich des Gendarmeriepostens Ligist wurden im selben Monat abgezogen, da die einheimische Bevölkerung verstärkten Umgang mit ihnen pflegte.1113 Letztlich war der enge Kontakt der einheimischen Bevölkerung mit den ausländischen Arbeitern und Kriegsgefangenen vor allem in den ländlichen Gebieten eine logische Folge des Umstandes, dass es besonders in diesen Gegenden bereits mehr ausländische als einheimische Arbeitskräfte gab. Außerdem hat die rassistische NS-Ideologie wahrscheinlich auch bei nicht geringen Teilen der Bevölkerung keine Wirkung mehr auszuüben vermocht.

Insgesamt befanden sich laut Bericht des Landrates an die Gestapo mit Stand 31. Dezember 1943 3.762 ausländische Arbeiter im Gebiet des Kreises Voitsberg. Dies bedeutete eine Steigerung um 659 Personen innerhalb eines halben Jahres. Verantwortlich für diese Steigerung war hauptsächlich der verstärkte Einsatz von Ostarbeitern. Ihre Zahl stieg von 1.041 auf 1.734, womit sie erstmals die größte Gruppe der ausländischen Arbeitskräfte stellten. Die Zahl der Zivilarbeiter aus dem Generalgouvernement blieb mit 1.183 ebenso stabil wie die Zahl der Sonstigen mit 845. Unter den Zivilarbeitern aus dem Generalgouvernement und den Ostarbeitern stellten wiederum die Ukrainer jeweils die absolute Mehrheit. Insgesamt befanden sich 1.906 ukrainische Arbeiter im Gebiet des Kreises Voitsberg, was einen fast 50-prozentigen Anstieg im Vergleich zum Juni 1943 bedeutete. Etwas mehr als jeder zweite ausländische Arbeiter im Kreis Voitsberg war Ukrainer. Unter

1108 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Voitsberg 29. November 1943 und Lankowitz 27. Dezember 1943. 1109 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Lankowitz 27. Dezember 1943. 1110 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi Gendarmeriekreisposten an Kommandant der Steirischen Gendarmerie 1. Dezember 1943. 1111 Vgl.: StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Oktober-Dezember 1943. 1112 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Voitsberg 27. Dezember 1943. 1113 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Ligist 27. Dezember 1943. 182 den Sonstigen änderte sich wenig. Die Slowenen blieben auf die Nationalität bezogen die größte Gruppe, während die ehemaligen Jugoslawen und Schutzangehörigen die größte Gruppe bezogen auf die Staatsbürgerschaft stellten.1114

Anfang Jänner 1944 fand die erste Besprechung des „steirischen Parteiführerkorps“ in Graz statt. Uiberreither teilte den Kreisleitern dabei mit, dass dem Luftschutz im kommenden Jahr besondere Bedeutung zukommen wird.1115 Am 30. Jänner fanden trotz der sich ständig verschlechternden Kriegslage erneut große Feiern anlässlich der Machtübernahme der NSDAP 1933 statt. Kreisleiter Eissner sprach bei der Feier in Köflach und sagte: „Am Ende des Krieges steht die Vernichtung des deutschen Volkes oder der größte Sieg der Weltgeschichte. Der Glaube wird wie schon in der Zeit vor der Machtübernahme zum Sieg führen.“1116 In Bärnbach nutzte Ortsgruppenleiter Lipp die Feiern, welche lediglich parteiintern abgehalten wurden, dazu genaue Verhaltensanweisungen für die NSDAP- Mitglieder der Ortsgruppe vorzugeben.1117 Bei Reden anlässlich einer Bauernversammlung in Lobmingberg und eines Betriebsappells der Betriebsgemeinschaften Karlsschacht und Rosental betonte Kreisleiter Eissner, dass Hitler „der größte Garant für den Sieg“ sei. Der Betriebsappell wurde sogar für die anwesenden „Ostarbeiter“ verdolmetscht und von ihnen angeblich gut aufgenommen.1118 Dass die „Ostarbeiter“ von ihrer Arbeit in Wirklichkeit nicht begeistert waren zeigte eine im Dezember 1943 durchgeführte Urlaubsaktion der DAF. Bei dieser Aktion wurden 25 Ukrainer auf Heimaturlaub geschickt. Nur einer von ihnen kehrte zurück.1119 Wie wichtig der Karlschacht war, zeigt die Tatsache, dass 1944 mit 764.000 Tonnen Kohle mehr als die Hälfte der im Kreis geförderten Kohle (1,5 Millionen Tonnen) aus diesem Werk stammte.1120

In Bezug auf die Frauen des Kreises meinte Eissner bei einer Versammlung der NS- Frauenschaft Ende Februar in Voitsberg, dass diese in der Lage seien „im Kampf um Sein oder Nichtsein Großes zu leisten“. Was den Umgang mit „Ausländern“ betrifft sollten sie sich

1114 StLa, BH VO 1945, Karton 397 Zl 14 Aa 2/1-44 6. Jänner 1944. 1115 Vgl.: VKW, 15. Jänner 1944. 1116 Vgl.: VKW, 5. Februar 1944. 1117 Vgl.: VKW, Ebd. 1118 Vgl.: VKW, 19. Februar 1944. 1119 Vgl.: Franz Mittermüller, Der Bezirk als Wirtschaftsraum, in: Walter Brunner (Hg.), Geschichte und Topographie des Bezirkes Voitsberg. Band 1: Allgemeiner Teil, Graz 2011, 294. 1120 Vgl.: Franz Mittermüller, Bergbau und Hüttenwesen, in: Walter Brunner (Hg.), Geschichte und Topographie des Bezirkes Voitsberg. Band 1: Allgemeiner Teil, Graz 2011, 481. 183

„zurückhaltend und würdevoll“ verhalten.1121 Mit dieser Anweisung reagierte Eissner auf die immer wieder vorkommenden Fälle, in denen Frauen aus dem Kreis Beziehungen mit Kriegsgefangenen eingingen. Kreisbauernführer Ludwig Lettmayer sprach Ende Februar zum ersten Mal auf einer großen Versammlung in Köflach, welche nichts mit der Kreisbauernschaft zu tun hatte.1122 Dies zeigt, dass Lettmayer im Gegensatz zu seinem Vorgänger, welcher sich ausschließlich auf Angelegenheiten der Kreisbauernschaft konzentriert hatte auch für andere propagandistische Aufgaben zuständig war. Am Ende des Monats fanden im gesamten Kreis noch Parteiaufnahmefeiern statt.1123 Wie viele Personen im Zuge dieser Feierlichkeiten in die NSDAP aufgenommen wurden, ist nicht bekannt. Im Jahr darauf fand eine solche Aufnahme jedenfalls nicht mehr statt. Bei einer Mitarbeiterbesprechung der Ortsgruppe Voitsberg stellte Ortsgruppenleiter Killer fest, dass es eine Fülle von Problemen gebe deren Lösung die Mitarbeit aller erforderte.1124

Im März 1944 besuchte ein weiterer Ritterkreuzträger aus dem Kreis in Begleitung von Kreisleiter Eissner seine Heimatstadt Köflach. Auch dieser Besuch wurde zu Propagandazwecken genutzt. 1125 Ein ähnliches Schauspiel veranstaltete Eissner wenig später für den ersten Ritterkreuzträger der Stadt Voitsberg.1126 Bei einer Versammlung der Voitsberger NSDAP-Mitglieder Ende des Monats drückte der Kreisleiter seine Hoffnung aus, dass „die Koalition der Feinde vielleicht zerbrechen“ werde.1127 Damit wiederholte Eissner auf lokaler Ebene dieselben Propagandamotive die Hitler und Goebbels reichsweit verwendeten.

In politischer Hinsicht blieb die Lage im Kreis Voitsberg im ersten Quartal des Jahres 1944 aus nationalsozialistischer Sicht weitgehend stabil. Von den Gendarmeriepostenkommandanten des Kreises wurde die Stimmung der Bevölkerung überwiegend als unverändert bezeichnet. Einige Gendarmerieposten meldeten dem Landrat zwischenzeitlich sogar eine gute politische Lage in ihrem Rayon. Begründet wurde die gute Lage allerdings nicht. Andere dagegen schätzten die Stimmung der Bevölkerung als gedrückt und pessimistisch ein. Vermeintlich gut war die politische Lage noch im Bereich der

1121 Vgl.: VKW, 26. Februar 1944. 1122 Vgl.: Ebd. 1123 Vgl.: VK, 4. März 1944. 1124 Vgl.: Ebd. 1125 Vgl.: VKW, 11. März 1944. 1126 Vgl.: VKW, 25. März 1944. 1127 Vgl.: VKW, 1. April 1944. 184

Gendarmerieposten Piber, Edelschrott und Kainach. Von den anderen ländlichen Gendarmerieposten wurde die Stimmungslage der Bevölkerung überwiegend negativ beurteilt. Dies gilt vor allem für die Postengebiete St. Martin a.W., Groß-Söding, Geistthal und Stallhofen. 1128 Aus St. Martin a.W. wurde dem Landrat im Jänner 1944 berichtet, dass überall Kriegsmüdigkeit und Gleichgültigkeit vorherrschen würden. Im Monat darauf war im Gendarmeriebericht zu lesen, dass die Bevölkerung der NS-Politik gegenüber eindeutig negativ eingestellt war.1129 In den städtischen Gemeinden blieb die Lage weitestgehend unverändert.1130

Die Sicherheitsverhältnisse im Kreis Voitsberg wurden weiterhin allerorts als günstig bezeichnet. Allerdings geht aus den Berichten auch hervor, dass die Landwacht immer öfter ausrücken musste. Meistens ging es dabei um die Jagd auf entflohene ausländische Arbeiter und Kriegsgefangene.1131 Von Seiten der NS-Machthaber bemühte man sich nun auch die Landwacht besser zu schulen. Anfang des Jahres 1944 erschien das „Befehlsblatt für die Stadt- und Landwacht“. Darin waren Tipps für Landwachtmänner enthalten.1132 Außerdem gab es, als zusätzliche Motivation für die Mitglieder der Landwacht, Geldbelohnungen für gute Leistungen. Die an Landwachtmänner des Kreises Voitsberg ausgezahlten Beträge reichten dabei von 50 bis zu 400 RM.1133 Im Bereich des Gendarmeriepostens St. Martin a.W. wurden im Februar und März 1944 acht geflohene sowjetische Kriegsgefangene und zwei geflohene Ostarbeiter von Landwachtmännern festgenommen.1134 Die Festnahmen wurden vom Landwachtposten Großwöllmiß durchgeführt. Dem Landwachtmann Josef Formayer, der auch Bürgermeister von Großwöllmiß war, wurde dafür eine Belohnung von 300 RM ausgezahlt.1135 Von der Landwacht Edelschrott wurden im Februar 1944 zwei aus dem Lager Lankowitz entflohene italienische Kriegsgefangene aufgegriffen.1136 Über die Stärke der Landwacht wurde dem Landrat nun regelmäßiger und genauer Bericht erstattet als im Vorjahr. Die Bewaffnung der Landwacht verbesserte sich mancherorts. Im Bereich des Gendarmeriepostens Groß-Söding wurde die Bewaffnung der Landwachtmänner mit

1128 Vgl.: StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Jänner-März 1944. 1129 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 St. Martin a.W. 24. Jänner 1944 und 25. Februar 1944. 1130 Vgl.: StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Jänner-März 1944. 1131 Vgl.: StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Jänner-März 1944. 1132 StLa, BH VO 1944, Karton 383. 1133 Vgl.: StLA, BH VO 1944; Karton 383 La. 1134 Vgl.: StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi St. Martin a.W. 25. Februar 1944 und 25. März 1944. 1135 StLa, BH VO, 1944, Karton 382 Zl 14 La 1/8-44 14. März 1944 1136 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Edelschrott 27. Februar 1944. 185

Gewehren sichergestellt.1137 Der Postenkommandant von Ligist beschwerte sich hingegen weiterhin über die schlechte Bewaffnung der Landwacht.1138

Was die Kriegslage betrifft, breitete sich die Verunsicherung innerhalb der Bevölkerung des Kreises Voitsberg im ersten Quartal 1944 weiter aus. Überall herrschten Besorgnis und Pessimismus vor. Vom Postenkommandanten von Voitsberg wurde dem Landrat im Februar 1944 gemeldet, dass die Bevölkerung wegen der Ereignisse an der Ostfront und in Italien besorgt zeigte. Unter den sowjetischen Kriegsgefangenen und den polnischen Arbeitern löste die Entwicklung an den Fronten jedoch Freude aus. Außerdem wuchs die Angst vor Luftangriffen. Interessanterweise scheinen die Voitsberger die Vorgänge in Italien genauer betrachtet zu haben als jene an der Ostfront.1139. Der Postenkommandant von Stallhofen hingegen gab in seinen Berichten explizit die Ereignisse an der Ostfront als Auslöser für die gedrückte Stimmung der Bevölkerung an.1140 Auch für den Bereich des Gendarmeriepostens St. Martin a.W. wurde im März 1944 die Lage an der Ostfront als Ursache für die sich verschlechternde Stimmung genannt.1141 Bereits einen Monat zuvor meldete der Postenkommandant dem Landrat: „Die Bevölkerung, vor allem Alte, hoffen auf das Kriegsende. Die Haltung der Bevölkerung kann als nicht einsatzfreudig angesehen werden.“1142 Aus dem Bereich des Gendarmerieposten Lankowitz wurde dem Landrat gemeldet, dass die Bevölkerung wegen der Einflüge von Feindfliegern besorgt war. 1143 Die Bewohner des Rayons Groß-Söding waren aufgrund der Bombenangriffe auf Graz verunsichert. Dasselbe gilt für die Bevölkerung der Gemeinden innerhalb des Rayons Ligist.1144 Die Gemeinden der beiden Rayons wiesen von allen Gebieten des Kreises die kürzeste Entfernung zur Stadt Graz auf.

In wirtschaftlicher Hinsicht blieb die Lage im Kreis Voitsberg im ersten Quartal 1944 für das NS-Regime unbefriedigend. Der kreisweite Mangel an Materialien, Rohstoffen und Gebrauchsgegenständen konnte nicht behoben werden. Die Kreisbevölkerung musste deswegen weitere Einschränkungen in Kauf nehmen, was sich natürlich negativ auf die

1137 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Groß-Söding 25. März 1944. 1138 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Ligist 27. Jänner 1944. 1139 Vgl.: StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Voitsberg 28. Februar 1944 und 30. März 1944. 1140 Vgl.: StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi Stallhofen Jänner-März 1944. 1141 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 St. Martin a.W. 25. März 1944. 1142 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 St. Martin a.W. 25. Februar 1944. 1143 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Lankowitz 25. Februar 1944 1144 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Groß-Söding 25. März 1944 und Ligist 27. Februar 1944 und 28. März 1944. 186

Stimmung auswirkte.1145 So wurde der Ausfall der Busverbindung nach Modriach und Hirschegg von den Einwohnern des Rayons Edelschrott als untragbar empfunden.1146 In Köflach mangelte es im März 1944 bereits an grundlegenden Lebensmitteln wie Milch und Gemüse.1147 Was die Hamsterei betrifft, so ging die Gendarmerie im Bereich des Gendarmerieposten Söding sogar bereits dazu über das Hamstern von kleineren Mengen nicht mehr zu beanstanden.1148

Die Arbeitskräftefrage spitze sich im gesamten Kreisgebiet weiter zu. Dies war wie schon im Vorquartal auf die verstärkten Einberufungen zur Wehrmacht zurückzuführen, welche nun auch immer öfter ältere Jahrgänge trafen. Im Bereich des Gendarmeriepostens Groß-Söding waren im Februar 1944 bereits 203 ausländische Arbeiter und Kriegsgefangen beschäftigt.1149 Unter den ausländischen Arbeitern im gesamten Kreisgebiet hielt die Fluchtwelle weiterhin an.1150 Britische Kriegsgefangene verweigerten außerdem immer öfter die Arbeit. Vom Gendarmeriepostenkommandanten von St. Martin a.W. wurde dem Landrat folgendes gemeldet: „In der Landwirtschaft beschäftigte britische Kriegsgefangene wollen nicht bei Blockleiter Pölzl arbeiten, da sie dort mehr arbeiten müssten und an einem separaten Tisch zu sitzen haben.“1151 Die französischen Arbeiter im Postengebiet suchten immer stärker Anschluss an die Familien bei denen sie tätig waren, was ihnen laut Postenkommandant von der „schwarzen“ Bevölkerung nicht schwer gemacht wurde. Im März 1944 wurde bekannt, dass ein französischer Arbeiter eine einheimische Frau geschwängert hatte. Ein weiterer pflegte seit langer Zeit ein Liebesverhältnis zu einer ukrainischen Arbeiterin und ließ sich davon nicht abbringen.1152

Innerhalb der NS-Führungsriege des Kreises Voitsberg wuchs die Sorge darüber, die Kontrolle über die ausländischen Arbeiter zu verlieren und damit verbunden auch die Sorge um die eigene Sicherheit. Johann Talker, Ortsgruppenleiter von Kainach suchte im März 1944 beim Landrat um die Ausstellung eines Waffenpasses an, da er infolge seiner Tätigkeit als Ortsgruppenleiter mit In- und Ausländern dienstliche Aussprachen vornehmen musste und Wege und Gänge zu besorgen hatte, die das Tragen einer Waffen gerechtfertigt erscheinen

1145 Vgl.: StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Jänner-März 1944. 1146 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Edelschrott 28. Jänner 1944. 1147 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Köflach 27. März 1944. 1148 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Groß-Söding 26. Jänner und 25. März 1944. 1149 Stallhofen StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 26. Februar 1944. 1150 Vgl.: StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Jänner-März 1944. 1151 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 St. Martin a.W. 25. Februar 1944. 1152 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 St. Martin a.W. 25. Februar 1944 und 25. März 1944. 187 lassen würden.1153 Talker war bereits seit 1941 Ortsgruppenleiter von Kainach, suchte aber erst jetzt um einen Waffenpass an. Dies legt den Schluss nahe, dass er die Situation in seinem Hoheitsgebiet nun als so bedrohlich ansah, dass sie das Tragen einer Waffe erforderlich machte. Die Kainacher Gendarmerie unterstützte den Antrag mit der Begründung, dass Talker als Ortsgruppenleiter im gegebenen Fall an Sonderaktionen die mit der Sicherheit des Staates und der Partei zu tun haben teilnehmen würde. Als weiteres Argument führte der Gendarmeriepostenführer folgendes an: „Auch sind in der Ortsgruppe Kainach über 100 ausländische Arbeiter und dazu noch Kriegsgefangene in der Landwirtschaft eingesetzt mit denen Auseinandersetzungen nicht ausgeschlossen sind.“ Die Ausstellung des Waffenpasses wurde schließlich vom Landrat genehmigt.1154 Generell stieg im Laufe des Jahres 1944 die Zahl der Anträge um einen Waffenschein im Vergleich zu den Vorjahren kreisweit enorm an. Es finden sich zahlreiche diesbezügliche Anfragen von Betriebsführern, Lagerführern, Bürgermeistern, Ortsbauernführern und Mitarbeitern der Kreisleitung.1155

Aus den Gendarmerieberichten des ersten Quartals 1944 wird ersichtlich, dass es den Nationalsozialisten immer schwerer fiel, die ausländischen Arbeiter und Kriegsgefangenen unter Kontrolle zu halten. Es mussten immer mehr Ressourcen für ihre Bewachung, die Überwachung ihres Verhaltens, sowie für die Bestrafung von Fehltritten verwendet werden. Was den Kontakt der einheimischen Bevölkerung, vor allem zu französischen Kriegsgefangenen und Arbeitern betrifft, scheint sich die NS-Führungsriege vor Ort, vor allem in den ländlichen Gebieten des Kreises zum Teil schon damit abgefunden zu haben, diesen nicht wie gewünscht steuern zu können. Alles in allem kann man aber feststellen, dass die ausländischen Arbeitskräfte trotz aller Probleme die sie den Nationalsozialisten machten, der Hauptgrund dafür waren, dass die Wirtschaft im Kreis Voitsberg noch nicht völlig zusammengebrochen war.

Anfang April sprach Kreisleiter Eissner zusammen mit Hans Kloepfer und Ritterkreuzträger Passegger auf einer Kampfkundgebung in Köflach. Abgesehen von den Veranstaltungen anlässlich Hitlers Geburtstags sollte dies die einzige Kundgebung im April 1944 sein.1156 Im VKW wurde als weitere kriegsbedingte Maßnahme bekanntgegeben, dass Druckaufträge nur

1153 StLa, BH VO 1944, Karton 384, Zl 14 Wa 1/36-44 25. März 1944. 1154 StLa, BH VO 1944, Karton 384, Zl 14 Wa 1/45-44 4. April 1944. 1155 Vgl.: StLa, BH VO 1944, Karton 384, Zl 14 Wa. 1156 Vgl.: VKW; 8. April 1944 und 22. April 1944. 188 mehr in dringenden Fällen erledigt werden könnten.1157 Schlimmer als der Mangel an Papier war jedoch der Mangel an Nahrungsmitteln, der sich vor allem in den Städten verstärkte. Der Gendarmerieposten Köflach meldete dem Landrat im April 1944, wie schon im Monat zuvor, einen Mangel an Milch. Die Arbeiterschaft beschwerte sich unterdessen über einen Mangel an Bier. Auch Most wurde nicht mehr ausgeschenkt.1158

In den ländlichen Bereichen des Kreises Voitsberg war ein Mangel an Lebensmitteln noch nicht spürbar. In drei Gendarmerieberichten aus den ländlichen Rayons Ligist, St. Martin a.W. und Lankowitz wurde die wirtschaftliche Lage sogar als gut bezeichnet.1159 Die katholisch eingestellte bäuerliche Bevölkerung wurde von den Nationalsozialisten auch im Bereich der Lebensmittelversorgung argwöhnisch beobachtet. Der Landrat wies die Bürgermeister des Kreises darauf hin, dass in bäuerlichen Kreisen Hochzeiten und Beerdigungen mit großem Aufwand betrieben werden würden. „Der Verdacht liegt nahe, dass die verwendeten Lebensmittel unter Umgehung der kriegswirtschaftlichen Bestimmungen beschafft werden“. Die Bürgermeister wurden in der Folge dazu aufgefordert die Bevölkerung in diesen Belangen aufzuklären und besonders krasse Fälle zur Anzeige zu bringen. Eine Anzeige hätte vor allem dann zu erfolgen wenn der Bauer, der eine üppige Hochzeit oder Beerdigung ausrichtete, seiner Ablieferungspflicht noch nicht nachgekommen war.1160

Im gesamten Mai gab es keine einzige größere Veranstaltung der NSDAP im Kreis. Der Kreisleiter hielt lediglich Mitarbeiterbesprechungen in Kainach, Köflach und Gradenberg ab.1161 Im Juni gab es nur eine Veranstaltung für die Arbeiter des Kreises, auf der Eissner und DAF-Kreisobmann Kattnigg sprachen.1162 Die Veranstaltung fand am 6. Juni statt, also genau an dem Tag, an dem die Westalliierten mit ihrer Landung in der Normandie Hitlerdeutschland einen weiteren schweren Schlag versetzten. Am 26. Juni 1944 wurden von einer Streife des Gendarmeriepostens Voitsberg, der Landwacht und der HJ im Gebiet der Gemeinde Tregist drei britische Versorgungsfallschirme gefunden. Darin befanden sich laut Auskunft des Gendarmeriekreispostens Kleidungsstücke, Verbandszeug, zahlreiche Waffen und über 17.000 Stück Munition. Der Inhalt der Versorgungsfallschirme fehlte größtenteils. Nach den

1157 Vgl.: VKW, 22. April 1944. 1158 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Köflach 26. April 1944. 1159 Vgl.: StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Ligist 27. April 1944, St. Martin a.W. 24. April 1944 und Lankowitz 24. April 1944. 1160 StLa, BH VO, 1944, Karton 382 Zl 14 Fa 6/1944 25. April 1944 1161 Vgl.: VKW, 6. Mai 1944, 13. Mai 1944 und 20. Mai 1944. 1162 Vgl.: VKW, 10. Juni 1944. 189

Tätern wurde gefahndet.1163 Dass die Versorgungsfallschirme für Partisanen oder Wehrmachtsangehörige abgeworfen wurden, ist anzunehmen. Erste Meldungen über die Sichtung von Wehrmachtsdeserteuren erfolgten allerdings erst im Oktober 1944.1164

Am 27. Juni 1944 verstarb Hans Kloepfer, ein wesentlicher ideologischer Wegbereiter des Nationalsozialismus in der Weststeiermark. An der Trauerkundgebung nahmen 3.600 Personen teil, darunter auch die Kreisleiter von Voitsberg und Deutschlandsberg, Gauleiter Uiberreither und Regierungspräsident Müller-Haccius.1165 Es sollte Uiberreithers vorletzter Besuch im Kreis Voitsberg sein. Im Juli fand eine „Kampfkundgebung“ in Voitsberg statt, bei der Eissner unbeirrt von der Lage und im Sinne der nationalsozialistischen Durchhalteparolen meinte: „Wir wollen uns nun mehr denn je um den Führer scharen, noch besser kämpfen, arbeiten und unsere Pflicht tun“.1166

Die Landwacht wurde nun immer stärker in die NS-Parteistruktur eingebunden. Im Juli 1944 wurde dem Landrat vom Gendarmerieposten Voitsberg berichtet, dass alle Landwachtmänner des Rayons nun von der SA ausgebildet wurden.1167 Im Bereich des Gendarmeriepostens Ligist wurde die Landwacht durch Ortsgruppenleiter Josef Puchas reorganisiert. Neben einer Verstärkung um 29 Mann veränderte sich ab 16. Juli auch die Führungsstruktur. Neuer Führer aller Landwachtposten im Bereich der Ortsgruppe Ligist wurde nun der Ligister Bürgermeister Eduard Hetzendorf, der außerdem den Rang eines Hauptmannes der Reserve innehatte.1168

Niedergang der NS-Herrschaft

Als Reaktion auf das Attentat vom 20. Juli 1944 bekannten die weststeirischen Industriebetriebe über das VKW dem Gauleiter gegenüber ihre Treue zu Hitler.1169 Aus den Wirtschafts- und Sicherheitsberichten der Gendarmerieposten geht hervor, dass der größte Teil der Bewohner des Kreises Voitsberg den Anschlag verurteilte. In allen Postengebieten

1163 StLa, BH VO 1944, Karton 382, Zl 14 Fe1/11-44 3. Juli 1944 und Zl 14 Vo 1/59-44 26. Juni 1944 1164 Siehe Seite 148. 1165 Vgl.: VKW, 1. Juli 1944. 1166 Vgl.: VKW, 22. Juli 1944. 1167 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Voitsberg 28. Juli 1944. 1168 StLa, BH VO, Karton 382 Zl 14 La 1/40-44 19. Juli 1944. 1169 Vgl.: VKW, 29. Juli 1944. 190 mit Ausnahme von St. Martin a.W. war nach Bekanntwerden des Attentatsversuches auf Hitler laut Berichten der Postenkommandanten Empörung und Entrüstung die vorherrschende Reaktion innerhalb der Bevölkerung.1170

Einen Tag nach dem Attentat wurde Major von Bieberstein, der Leiter des Heeresfohlenaufzuchtsamtes Piber, verhaftet. Wenig später wurde er jedoch wieder aus der Haft entlassen.1171 Bei der Verhaftung des Majors könnte es sich um einen Racheakt von Nationalsozialisten aus dem Kreis Voitsberg gehandelt haben. Bieberstein beschwerte sich nämlich im Dezember 1943 beim Landrat, bei der Kreisbauernschaft und beim Ortsgruppenleiter von Bärnbach über Gerüchte, welche das Heeresfohlenaufzuchtsamt Piber betrafen. Diese Gerüchte beinhalteten den Vorwurf, dass Mitarbeiter seines Amtes unbegrenzt Milch bezögen, ohne Gewichtsbeschränkung Schlachtungen durchführen dürften und ihre Schweine mit Milch und Weizenschrott fütterten. Als Urheber dieser Gerüchte bezeichnete er August Holowat, den Bürgermeister und Ortsbauernführer von Piber. Den Landrat ersuchte er darum, gegen Holowat Anzeige zu erstatten.1172.

Im März 1944 ersuchte von Bieberstein um die Freistellung von fünf seiner Mitarbeiter von der Landwacht, da diese innerhalb des Heeresfohlenaufzuchtsamts Piber bereits für den Luftschutz verantwortliche waren.1173 Zu diesem Ansuchen nahm der Gendarmeriekreisführer Maximilian Wiedner, der ebenfalls Obersturmführer der SS war, Stellung. Wiedner sprach sich gegen die Freistellung der fünf betroffenen Mitarbeiter vom Landwachtdienst aus. Bürgermeister und Ortsbauernführer Holowat, der außerdem den Landwachtposten Piber anführte, habe ihm außerdem mitgeteilt, dass in der bäuerlichen Bevölkerung Unmut darüber herrsche, dass innerhalb des Heeresfohlenaufzuchtsamtes die Tendenz spürbar sei, Gefolgschaftsmitglieder vom Dienst für die Allgemeinheit auszunehmen. Ob innerhalb der bäuerlichen Bevölkerung von Piber wirklich Unmut über das Heeresfohlenaufzuchtamt herrschte, ist nicht bekannt. Möglicherweise übertrug Holowat seine eigene Abneigung gegen diese Einrichtung und deren aristokratischen Leiter auf die bäuerliche Bevölkerung. Am 17. April teilte der Landrat Major von Bieberstein mit, dass sein Ansuchen nicht genehmigt worden war.1174 Der Major ließ die Sache allerdings nicht auf sich beruhen, sondern setzte

1170 Vgl.: StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Juli 1944. 1171 Vgl.: Vgl.: Walter Brunner (Hg.), Geschichte und Topographie des Bezirkes Voitsberg. Band 2: Bezirkslexikon, Graz 2011, 245. 1172 StLa, BH VO, Karton 371, Zl 14 Vo 1/116-43 6. Dezember 1943 1173 StLa, BH VO, Karton 382, Zl 14 La 1/13-44 29. März 1944. 1174 StLa, BH VO, Karton 382, Zl 14 La 1/18-44 3. April 1944. 191 sich mit der Wehrmachtskommandantur Graz in Verbindung. Die Kommandantur wies den Landrat im Anschluss auf diverse Erlässe des R.d.L. und Ob.d.L. Hermann Göring hin, laut welchen im Luftschutz eingeteilte Organe keine andere Verwendung finden dürften.1175 Daraufhin mischte sich auf Ansuchen des Landrats Gendarmeriekreisführer Wiedner ein weiteres Mal in die Angelegenheit ein, der die Argumente der Wehrmachtskommandantur als nicht schlüssig zurückwies. Die ganze Angelegenheit zog sich bis Juni 1944 hin und endete mit einem Kompromiss. Wie sich herausstellte, waren zwei der fünf betroffenen Landwachtmänner Wehrmachtsangehörige. Diese wurden vom Dienst in der Landwacht entbunden. Die anderen drei mussten allerdings weiterhin Dienst in der Landwacht tun.1176 Wie Bieberstein darauf reagierte, ist nicht bekannt. Fest steht jedoch, dass sich Major von Bieberstein mit seiner Anzeige gegen Holowat und den Schreiben in denen er sich für die Freistellung von Gefolgschaftsmitgliedern von der Landwacht stark machte und sein Ziel damit in zwei Fällen auch erreichte, bei den Nationalsozialisten nicht gerade beliebt gemacht hatte.

Es ist durchaus anzunehmen, dass August Holowat nach den Ereignissen des 20. Juli 1944 die Chance sah, den ihm unliebsamen Wehrmachtsoffizier verhaften zu lassen. Holowat war zweifelsohne ein fanatischer Nationalsozialist und Teil der NS-Führungsriege des Kreises Voitsberg. Er trat der NSDAP bereits 1926 bei und bekam die Mitgliedsnummer 50.443. Im Oktober 1940 wurde ihm das „Ehrenzeichen der Alten Parteimitglieder verliehen“.1177 Nach dem „Anschluss“ wurde er zwischenzeitlich Kreisleiter der NSKOV und Ortsgruppenleiter in Bärnbach. Außerdem war er Kreisführer der NSRKK.1178 Diese Ämter gab er allerdings ab, nachdem er zum Bürgermeister und Ortsbauernführer von Piber ernannt wurde. Wie schon erwähnt war er auch Führer der Landwacht Piber. Kein anderer Nationalsozialist im Kreis Voitsberg hatte jemals so viele verschiedene Führungsämter inne. Die Festnahme des Majors erfolgte laut Gendarmeriebericht des Postens Piber auf Befehl der Staatspolizeistelle Graz1179, diese wurde aber wohl erst von Holowat und Wiedner auf von Bieberstein und sein widerspenstiges Verhalten aufmerksam gemacht. Bieberstein blieb wie erwähnt nicht lange in Haft und kehrte daraufhin aus seinen alten Posten zurück.

1175 StLa, BH VO; Karton 382, Zl 14 La 1/32 20. Mai 1944. 1176 StLa, BH VO, Karton 382, Zl 14 La 1/36 -44 2. Juni 1944. 1177 BArch, PK, August Holowat. 1178 Vgl.: VKW, 11. Juni 1938. 1179 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Piber 25. Juli 1944. 192

Am 23. Juli hielt sich Gauleiter Uiberreither ein letztes Mal im Kreis Voitsberg auf. Er besuchte ein von Unwettern betroffenes Gebiet im Bereich des Gendarmeriepostens Edelschrott.1180 Ende Juli empfing Eissner zusammen mit Lettmayer den Ritterkreuzträger Rießle, ein Mitglied der SA-Gebirgsjägerstandarte 12.1181 Im August 1944 fand im „Haus der Deutschen Arbeit“ in Graz eine Besprechung statt, zu der das „Führerkorps des Gaues“ und die Ortsgruppenleiter einberufen wurden.1182 Nach diesem Treffen wurden in der gesamten Steiermark „Kreiskommissionen zur Durchführung des totalen Kriegseinsatzes“ gebildet. Die Kreisleiter wurden als Vorsitzende der Kommissionen eingesetzt. Ihre Aufgaben hatten sie nach den Richtlinien des Reichsverteidigungskommissars, im Falle der Steiermark Gauleiter Uiberreither, durchzuführen. Eine Gaukommission überwachte die Arbeit der Kreiskommissionen. Den Kreis betreffende Vorschläge konnte jeder Bewohner bei der Kreiskommission zu Handen des Kreisleiters einreichen.1183

Ein weiteres wichtiges Propagandamittel, dass die Nationalsozialisten einsetzten, um den „Durchhaltewillen“ der Bevölkerung zu stärken, war die von ihnen gezielt verbreitete „Angst vor dem Feind“. So sagte Kreisleiter Eissner in einer Rede vor Arbeitern der Glasfabrik Oberdorf Anfang September: „Der Feind wird nicht nach der politischen Einstellung des Einzelnen fragen, sondern ausnahmslos alles Deutsche ausrotten“ 1184. Bei einem Betriebsappell Mitte des Monats verkündete er dann: „Eher den Tod als in der Knechtschaft leben“.1185 Damit schürte er in der Bevölkerung möglicherweise bereits bestehende Ängste weiter. Auch mit diesem Propagandamittel folgte Eissner auf lokaler Ebene dem auf Gau- und Reichsebene verwendeten Konzept.

Unterdessen verstärkte sich im gesamten Kreisgebiet der Einsatz von Zwangsarbeitern. Allein im Rayon des Gendarmeriepostens Stallhofen mussten im Juli 1944, 211 Ukrainer und Franzosen für das „Dritte Reich“ arbeiten.1186 Diese Zahl stieg bis Ende 1944 sogar nochmals auf 221 ausländische Arbeiter, darunter 56 französische Kriegsgefangene, welche in vier Lagern untergebracht waren, an.1187 Insgesamt befanden sich laut Bericht des Landrates an die

1180 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Edelschrott 28. Juli 1944. 1181 Vgl.: VKW, 5. August 1944. 1182 Vgl.: VKW, 12. August 1944. 1183 Vgl.: VKW, 26. August 1944. 1184 VKW, 9. September 1944. 1185 Vgl.: VKW, 16. September 1944. 1186 Vgl.: Vgl.: Walter Brunner (Hg.), Geschichte und Topographie des Bezirkes Voitsberg. Band 2: Bezirkslexikon, Graz 2011, 307. 1187 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Stallhofen 27. November 1944. 193

Gestapo mit Stand 30. Juni 1944, 3.901 ausländische Arbeiter im Gebiet des Kreises Voitsberg. Dies stellte eine moderate Steigerung von 139 Personen im Vergleich zum Dezember 1943 dar. Die größte Gruppe stellten mit 1.801 Personen weiterhin die Ostarbeiter. 1.226 Personen fielen in die Kategorie Zivilarbeiter aus dem Generalgouvernement und 874 in die Kategorie Sonstige. Im Gegensatz zum letzten Bericht wurde die Zahl der Ukrainer unter den Ostarbeiter nicht mehr gesondert aufgeführt. Lediglich bei den Zivilarbeitern aus dem Generalgouvernement wurden die einzelnen Nationalitäten aufgeschlüsselt. Unter ihnen waren 700 Ukrainer, 524 Polen und 2 Russen. Bei den Sonstigen stellten in Hinblick auf die Nationalität weiterhin die Slowenen die stärkste Gruppe. Im Bereich der Staatsangehörigkeit blieb ebenfalls unverändert die Gruppe der ehemaligen Jugoslawen und Schutzangehörigen die stärkste.1188

Dass die Wirtschaft des Kreises Voitsberg nun beinahe vollständig von ausländischen Arbeitskräften abhängig war, zeigt auch ein Blick auf den Personalstand des Steinbruchs Gradenberg und des Güterwagenbaus im Bereich des Rayons Ligist. Die Gesamtbelegschaft des Steinbruchs Gradenberg betrug im Oktober 1944 54 Personen. 35 von ihnen waren Ostarbeiter. In den Güterwagenbaubetrieben des Rayons Ligist waren ebenfalls 54 Personen beschäftigt. Unter ihnen befanden sich sogar 41 Ostarbeiter.1189 Auch die Zahl der im Kreis Voitsberg festgehaltenen italienischen Militärinternierten stieg immer weiter an. Dies geht aus einem Schreiben des Landrats an den Reichsstatthalter aus dem September 1944 hervor. In diesem forderte der Landrat die schnellstmögliche Übersendung von 300 vorläufigen Fremdenpässen, da diese für die passtechnische Behandlung der italienischen Militärinternierten dringend benötigt würden.1190

Aufgrund der steigenden Zahl an ausländischen Arbeitern und Kriegsgefangenen wurden auch die Landwachtposten des Kreises kontinuierlich verstärkt. Dies geschah zum Teil auch um zur Wehrmacht eingezogene Landwachtmänner zu ersetzen. Das Alter der eingesetzten Landwachtmänner stieg ebenfalls. Besonders aufschlussreich sind dabei zwei Berichte der Gendarmerieposten Kainach und St. Martin a.W. vom August 1944. Darin wird dem Landrat berichtet, dass die Landwachtposten Kainach, Afling und Gallmannsegg um insgesamt 98 Mann verstärkt wurden. Der älteste neu eingesetzte Landwachtmann, der seinen Dienst beim Landwachtposten Kainach versah, wurde am 13. August 1866 geboren und war damit zum

1188 StLa, BH VO, Karton 397 Zl 14 Aa 2/15-44 1. Juli 1944. 1189 StLa, BH VO, Karton 371 Zl 14 Se 2/78-44 1. November 1944 1190 StLa, BH VO, Karton 370 Zl 14 Pa 1/46-44 9. September 1944. 194

Zeitpunkt seiner Einberufung 77 Jahre alt.1191 Im Bereich des Rayons St. Martin a.W. wurde die Landwacht um 28 Mann verstärkt. Sechs davon waren über 70 Jahre alt. Der älteste Landwachtmann war Angehöriger des Postens Klein-Wöllmiß und zum Zeitpunkt seiner Einberufung bereits 76 Jahre alt.1192 Laut einem Schreiben des Reichsinnenministeriums, welches dem Landrat vorlag, mussten die eingezogenen Landwachtmänner, egal welchen Alters, keiner ärztlichen Voruntersuchung unterzogen werden. Sie mussten lediglich „rüstig sein“.1193 In Bezug auf den Mangel an einheimischen Männern im Kreis Voitsberg sprechen diese beiden Berichte Bände. Außerdem deutet die Tatsache, dass man nun bereits Männer weit jenseits des 70. Lebensjahres zum Dienst mit der Waffe heranzog, auf ein sehr hohes Ausmaß an Verzweiflung innerhalb von staatlicher Verwaltung und NSDAP im Kreis Voitsberg hin.

Trotz aller Anstrengungen und Notmaßnahmen fiel es dem NS-Regime immer schwerer, die ausländischen Arbeiter in ihrem Sinne zu kontrollieren und zu bestrafen. So konnte auch die Einschränkung ihrer Reisefreiheit aufgrund Personalmangels nicht mehr vollständig aufrechterhalten werden. Anfang Juli 1944 wurde die SA gebeten, die überlasteten staatlichen Stellen bei der Kontrolle der Fahrkartenausgabestellen zu unterstützen. Dies geht aus einem Schreiben des Landrates an Ludwig Lettmayer, den Standartenführer des Kreises Voitsberg hervor, das dieser auf Veranlassung des und der Gestapo Ende Juni 1944 verfasste. Die Kontrollen waren vorläufig am Samstag und am Sonntag bei den wichtigsten Zügen an den Bahnhöfen Voitsberg und Köflach durchzuführen.1194 Der Erfolg der Aktion war überschaubar. Lediglich in Köflach wurden drei Ostarbeiter von SA-Männern an der Benutzung der Eisenbahn gehindert.1195 Im September 1944 musste der Landrat dem Reichsstatthalter letztendlich mitteilen, dass im Kreis Voitsberg aufgrund von Personalmangel keine Bahnhofskontrollen von unberechtigt reisenden ausländischen Arbeitskräften mehr durchgeführt werden könnten.1196

Ende September fand unter Vorsitz Hubert Eissners die letzte große Mitarbeiterbesprechung der Kreisleitung mit den Ortsgruppenleitern und den „Gliederungsführern“ statt.1197 Zu

1191 StLa, BH VO, Karton 382 Zl 14 La 1/40-44 11. August 1944. 1192 StLa, BH VO, Karton 382 Zl 14 La 1/40-44 14. August 1944. 1193 StLa, BH VO, Karton 369 Zl 14 La 1/1-43 18. Februar 1943. 1194 StLa, BH VO 1943, Karton 370 Zl 14 Pa 1/29-44 27. Juni 1944 1195 StLa, BH VO 1943, Karton 370 Zl 14 Pa 1/29-44 3. Juli 1944. 1196 StLa, BH VO 1943, Karton 370 Zl 14 Pa 1/51-44 29. September 1944 1197 Vgl.: VKW, 30. September 1944. 195 diesem Zeitpunkt machten sich, bedingt durch den totalen Kriegseinsatz, bereits massive Einschränkungen im öffentlichen Leben bemerkbar. Zeitungen wurden aufgrund von Papiermangel reichsweit auf ein paar Seiten beschränkt oder ganz eingestellt. Als Folge dieser Maßnahmen erschienen im März 1945 von reichsweit 4789 Zeitungen der Vorkriegszeit nur noch 458.1198 Das Voitsberg-Köflacher Wochenblatt als wichtigste Zeitung des Kreises verringerte seinen Umfang deutlich, wurde aber nicht eingestellt.1199 Für die NS-Propaganda im Kreis war die Zeitung wohl das zentrale Medium um ihre Botschaften zu verbreiten. Das gute Verhältnis des Herausgebers Kriehuber zur lokalen NS-Führung dürfte für die Weiterführung ebenfalls eine Rolle gespielt haben.

Der Oktober begann noch einmal mit einer personellen Umbesetzung in der Kreisleitung. Heinz Pochlatko wurde neuer Kreisobmann der NSV.1200 Während des gesamten Monats herrschte ein letztes Mal rege Propagandatätigkeit. So fand Anfang Oktober die letzte große „Versammlungswelle“ im Kreis statt. Der stellvertretende Gauleiter Tobias Portschy sprach bei einer Veranstaltung in Voitsberg. Kreisleiter Eissner hielt bei Versammlungen in Köflach, Bärnbach, Grabenwarth und Ligist Reden. Bemerkenswert ist die Tatsache, dass sich nun auch der Landrat Dr. Ernst Friedrich an der Propagandatätigkeit beteiligte. Friedrich wurde als Parteigenosse und Kreisredner bezeichnet und sprach in Kainach.1201 Der Anfang Juni neu eingesetzte Landrat Friedrich war das erste Parteimitglied in dieser Funktion.1202 Die Stimmung konnten die Nationalsozialisten vor Ort durch diese letzten Propagandaanstrengungen allerdings nicht mehr verbessern. In weiten Teilen der Bevölkerung war die NSDAP bereits extrem unbeliebt. In St. Martin weigerten sich beispielsweise zahlreiche Bauern ihrer Ablieferungspflicht nachzukommen.1203 Auf den Gradenberger Ortsgruppenleiter Franz Fiedler wurde im Herbst 1944 sogar ein Schussattentat verübt.1204

Langsam aber sicher wurden auch Aktivitäten der Koralmpartisanen im Kreis Voitsberg bemerkbar. Der Schwerpunkt lag dabei in der zweiten Jahreshälfte des Jahres 1944 im

1198 Vgl.: Kershaw, Das Ende, 119 und 386. 1199 Vgl.: VKW, September 1944 bis April 1945. 1200 Vgl.: VKW; 7. Oktober 1944. 1201 Vgl.: VKW, 7. Oktober 1944 und 14. Oktober 1944. 1202 Vgl.: VKW, 10. Juni 1944. 1203 Vgl.: Vgl.: Walter Brunner (Hg.), Geschichte und Topographie des Bezirkes Voitsberg. Band 2: Bezirkslexikon, Graz 2011, 298. 1204 Vgl.: Walter Brunner (Hg.), Geschichte und Topographie des Bezirkes Voitsberg. Band 2: Bezirkslexikon, Graz 2011, 69. 196

Bereich des Polizeirayons Edelschrott. Auch Wehrmachtsdeserteure hielten sich ab Oktober in abgelegenen Gebieten des Kreises auf.1205 Der Gendarmerieposten Geistthal berichtete dem Gendarmeriekreisführer am 14. Oktober 1944 davon, dass in seinem Postengebiet vier Deserteure gesehen worden waren. Diese suchten abgelegene Höfe auf um sich bei den Bauern Verpflegung zu beschaffen. Bei einer Bäuerin deckten sich drei von ihnen mit Brot und Fleisch ein, während der Vierte Wache stand. Laut Aussage der Bäuerin sprach der Anführer der Deserteure steirischen Dialekt. Er erkundigte sich nach der Stärke der Gendarmerie, der Landwacht und der SA in Geistthal. Zwei der Männer trugen Wehrmachtsuniformen. Bewaffnet waren sie mit deutschen Maschinenpistolen.1206

Am 18. Oktober 1944 wurde die Gründung des Volkssturmes durch eine von Himmler in Ostpreußen gehaltene Rede bekannt gegeben. In diesem sollten alle Männer zwischen 16 und 60 Jahren, welche zum Tragen von Waffen fähig waren und noch keinen Kriegsdienst leisteten, einberufen werden.1207 Vier Tage später informierte Kreisleiter Eissner bei einer Veranstaltung in Mooskirchen die Kreisbevölkerung von der Aufstellung des Volkssturmes. Er selbst übernahm die Führung dieses „letzten Aufgebotes“.1208 Ende Oktober 1944 teilte Gendarmeriekreisführer Wiedner dem Landrat mit, dass grundsätzlich auch Landwachtmänner im Alter zwischen 16 und 60 Jahren im Volkssturm erfasst werden sollten, diese aber bis auf weiteres bei ihren Landwachteinheiten verbleiben sollten.1209 In den Landwachteinheiten dienten jedoch wie schon erwähnt ohnehin zahlreiche Männer, die sogar für den Volkssturm bereits zu alt waren. Im November folgte in den meisten Ortsgruppen des Kreises Voitsberg die Vereidigung des Volkssturmes. SA-Obersturmbannführer Ludwig Lettmayer nahm diese in Voitsberg, Stallhofen und Bärnbach vor. Kreisleiter Eissner sprach bei der Vereidigung des Köflacher Volkssturmes und sagte: „Es gilt zu kämpfen, und wenn es sein muss, kämpfend zu sterben.“1210

In den kleineren Ortsgruppen wurde die Vereidigung von den Ortsgruppenleitern durchgeführt. So vereidigten in St. Martin a.W. und in Geistthal die Ortsgruppenleiter Moser bzw. Zierler den Volkssturm.1211 Genaue Zahlen über die Stärke des Volkssturms im

1205 Vgl.: Bernhard Reismann, Allgemeine Geschichte des Bezirkes 1848-2005, in: Walter Brunner (Hg.), Geschichte und Topographie des Bezirkes Voitsberg. Band 1: Allgemeiner Teil, Graz 2011, 189-191. 1206 StLa, BH VO 1944, Karton 383, Zl 14 Vo 1/99-44 14. Oktober 1944. 1207 Vgl.: Kershaw, Das Ende, 133 und 161. 1208 Vgl.: VKW, 28. Oktober 1944. 1209 StLa, BH VO 1944, Karton 382 Zl 14 La 1/90-44 31. Oktober 1944. 1210 Vgl.: VKW, 25. November 1944. 1211 Vgl.: VKW, 25. November 1944 und 2. Dezember 1944. 197 gesamten Kreis sind nicht eruierbar. In Lankowitz wurden z.B. von Ortsgruppenleiter Hofer am 19. November 1944, 465 Mann vereidigt. Die Führung des Volkssturms Lankowitz übernahm der Kreisführer des NSRKK Major a.d. von Unterrichter.1212 Im Bereich des Gendarmeriepostens Edelschrott wurde der Volkssturm gemeinsam mit der Landwacht ausgebildet.1213 Viele Volkssturmmänner aus dem Kreis Voitsberg wurden beim Bau des so genannten Südostwalls eingesetzt. Manche mussten auch noch in der Oststeiermark gegen Einheiten der Roten Armee kämpfen. Bei diesen Kämpfen verloren viele der schlecht ausgebildeten und schlecht bewaffneten Männer ihr Leben.1214

Bei all seinen „militärischen Unzulänglichkeiten“ diente der Volkssturm dennoch als Instrument nationalsozialistischer Mobilisierung, Organisation und Reglementierung. Daher war er vor allem für die Festigung der NS-Herrschaft im Inneren von Bedeutung.1215 Außerdem wurde durch die Gründung des Volkssturmes auch die Macht der NSDAP gestärkt, was sich schon allein daran zeigte, dass Gauleiter und Kreisleiter die Kommandopositionen innerhalb der Organisation des Volkssturmes übernahmen. Praktisch jeder Aspekt der Verteidigung in den noch nicht „umkämpften Reichsgebieten“ wurde nun von den NS- Funktionären übernommen. Dabei konnten sie sich auf die noch immer unbeugsame Haltung einer starken Minderheit der Bevölkerung verlassen, welche sich nach wie vor strikt weigerte die Niederlage des NS-Regimes zu akzeptieren.1216

In großen Teilen der Bevölkerung wurde das Ende des Krieges und damit auch das Ende der NS-Herrschaft aber schon herbeigesehnt. Mitte November 1944 berichtete der Ortsgruppenelter von Ligist der Kreisleitung davon, dass sich defätistische Äußerungen unter den Bauern häuften.1217 Ein ernüchterndes Bild zeichnete auch die Kreisbauernschaft in einem Bericht, das vierte Quartal des Jahres 1944 betreffend. Der Landrat wurde in diesem Bericht darüber informiert, dass die Stimmung in der bäuerlichen Bevölkerung wegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten und wegen der politischen und militärischen Rückschläge gedrückt sei.1218 Der freundschaftliche Umgang der einheimischen Bevölkerung mit den ausländischen Arbeitern nahm immer stärker zu. So berichtete der Postenkommandant von St. Martin a.W.

1212 Vgl.: Bernhard Reismann, Allgemeine Geschichte des Bezirkes 1848-2005, in: Walter Brunner (Hg.), Geschichte und Topographie des Bezirkes Voitsberg. Band 1: Allgemeiner Teil, Graz 2011, 190. 1213 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Edelschrott 27. November 1944. 1214 Ernst Lasnik, Voitsberg. Porträt einer Stadt und ihrer Umgebung, Voitsberg 2012, 142. 1215 Vgl.: Kershaw, Das Ende, 135. 1216 Vgl.: Kershaw, Das Ende, 237 und 271. 1217 StLa, BH VO 1943, Karton 368 Zl 14 De 1/7-44 17. November 1944. 1218 StLa, BH VO 1942, Karton 352, Quartalsbericht der Kreisbauernschaft an den Landrat 4. Jänner 1945. 198 dem Landrat im November 1944: „Einige Polen und Ukrainer meldeten sich bei Bauern freiwillig zum Mais schälen. Sie wurden von den Bauern bewirtet und durften bis weit über Mitternacht zu Musik tanzen. Dies wurde von der Polizei abgestellt. Die Schuldigen wurden zur Verantwortung gezogen.“1219 Dieser Vorgang zeigt, dass sich Teile der Bevölkerung nun immer offensichtlicher über die Verhaltensregeln der Nationalsozialisten hinwegsetzten. Dass die Fraternisierung zwischen ausländischen Arbeitern und einheimischen Bauern jedoch von der Polizei abgestellt wurde und dass die Schuldigen zur Verantwortung gezogen wurden, beweist allerdings auch, dass das NS-Regime gestützt auf Aktivisten vor Ort, noch immer in der Lage war, nicht systemkonformes Verhalten zu registrieren und in der Folge auch zu bestrafen.

Im gesamten Dezember 1944 fand nur noch eine öffentliche Veranstaltung der NSDAP statt. Kreisleiter Eissner sprach dabei zu in den Kreis Voitsberg umgesiedelten Deutschen aus dem Südosten.1220 Ansonsten hielt die Kreis-NSDAP lediglich eine parteiinterne Versammlung der NS-Frauenschaft statt an der Eissner ebenfalls teilnahm.1221 In seiner Neujahrsbotschaft auf der Titelseite des VKW meinte der Kreisleiter zurückhaltend: „Der Kreis Voitsberg hat die Anforderungen des totalen Krieges nicht schlechter überstanden als andere Kreise des Gaues“. Außerdem gelte es den vielen Gerüchten durch Agitation verstärkt entgegenzutreten.1222

Das Jahr 1945 begann mit den ersten Todesopfern infolge von Bombardierungen im Gebiet des Kreises Voitsberg.1223 Der erste Luftangriff wurde am 3. Jänner 1945 von fünf Jagdbombern durchgeführt. Die Ziele der im Tiefflug durchgeführten Angriffe lagen in Pichling bei Köflach, Rosental, Voitsberg und dem Voitsberger Ortsteil Krems. Getroffen wurden industrielle Einrichtungen und Anlagen der Eisenbahn. Die anvisierten Ziele wurden mit Bomben beworfen und mit Bordwaffen beschossen. Kreisweit gab es vier Tote und neunzehn Verletzte. Unter den Toten befand sich mit Heinz Dobrovsky der Kreisorganisationsleiter der NSDAP. Eine Ostarbeiterin fiel den Luftangriffen ebenfalls zum Opfer.1224 Die Gedenkveranstaltung für die Opfer des Luftangriffes nutzte Eissner, der eine

1219 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 St. Martin a.W. 25. November 1944. 1220 Vgl.: VKW; 23. Dezember 1944. 1221 Vgl.: VKW, 30. Dezember 1944. 1222 Vgl.: Ebd. 1223 Vgl.: VKW, 6. Jänner 1945. 1224 StLa, BH VO 1945, Karton 397 Zl 14 Fe 1/2-45 3. Jänner 1945 199

Rede hielt, für politische Zwecke aus.1225 Dass die Vorkehrungen für den Schutz der Bevölkerung gegen Luftangriffe in den Städten des Kreises mangelhaft waren, zeigt der Köflacher Gendarmeriebericht aus dem November des Vorjahres. In diesem Bericht beklagte sich der Postenkommandant im Namen der Bevölkerung beim Landrat über einen Mangel an Luftschutzräumlichkeiten.1226 Die in dieser Intensität bislang nicht vorgekommenen Luftangriffe auf den Kreis Voitsberg, die dazu noch von Tieffliegern mit relativ kurzer Reichweite durchgeführt wurden, zeigten der Kreisbevölkerung wie nahe der Krieg bereits an sie herangekommen war.

Das Näherrücken der Front wurde abgesehen von den Luftangriffen auch durch die zahlreichen Flüchtlinge, die den Kreis Voitsberg erreichten spürbar. Es handelte sich dabei hauptsächlich um Volksdeutsche aus dem Balkangebiet die vor der vorrückenden Sowjetarmee und den Tito-Partisanen flohen. Am 16. Jänner 1945 meldete der Landrat dem Reichsstatthalter, dass sich im Gebiet des Kreises Voitsberg bereits 817 Volksdeutsche die aus Kroatien geflohen waren, aufhielten. Unter ihnen befanden sich 290 Kinder. Die Flüchtlinge wurden in drei Auffangstellen in Voitsberg (411 Personen), Köflach (311 Personen) und Mooskirchen (95 Personen) erfasst. In Köflach wurde ein eigenes Lager für die Geflohenen eingerichtet. Die überwiegende Mehrheit der Flüchtlinge kam jedoch in Privatquartieren unter.1227

Die Zahl der ausländischen Arbeitskräfte stieg ebenfalls weiter an und erreichte gegen Ende des Jahres 1944 einen Höchstwert. Der Landrat meldete der Gestapo, dass sich Anfang Jänner 4.349 ausländische Arbeiter im Gebiet des Kreises Voitsberg befanden. Dies bedeutet einen Anstieg von 448 Personen im Vergleich zum Juni 1944. Mit 1.985 Personen stellten weiterhin die Ostarbeiter die größte Gruppe. Danach folgten die Zivilarbeiter aus dem Generalgouvernement mit 1.316 Personen. Die Zahl der sonstigen ausländischen Arbeiter betrug 1.048. Ukrainer wurden nun erstmals nicht mehr getrennt aufgelistet. Unter den Sonstigen befanden sich im Bereich der Staatsangehörigen bereits 17 verschiedene Gruppen. Im Bereich der Nationalitäten wurden 22 verschiedene Völker aufgelistet. Unter den Staatsangehörigen stellten nun die Italiener mit 484 erstmals die größte Gruppe. Dasselbe gilt für den Bereich der Nationalität. Hier waren die Italiener mit 443 Arbeitern in der Mehrheit.

1225 Vgl.: VKW, 13. Jänner 1945. 1226 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Köflach 26. November 1944. 1227 StLa, BH VO 1945, Karton 397, Zl 14 Au 1/2-45 16. Jänner 1945. 200

Der größte Teil der Italiener fiel mit 375 Personen in den Bereich der entlassenen Militärinternierten.1228

Mitte Jänner fanden einige Bauernversammlungen im Kreis statt, bei denen Eissner und Lettmayer sprachen.1229 Im Februar organisierte die NSDAP eine Versammlung in St. Martin a. W., bei der Lorenz Schmied, ein Ritterkreuzträger, von Eissner und Lettmayer begrüßt wurde.1230 Danach endete offensichtlich die öffentliche Versammlungstätigkeit der NSDAP im Kreis. Auf „fruchtbaren Boden“ wären große Reden zu diesem Zeitpunkt ohnehin nicht mehr gefallen. Reichsweit wurden Mitglieder der NSDAP bereits von einem Großteil der Bevölkerung verachtet. Vor allzu deutlicher Meinungsäußerung hüteten sich die Menschen allerdings, da die Nationalsozialisten noch immer zu brutaler Repression fähig waren.1231 Im weiteren Verlauf des Monats sprach der Kreisleiter nur bei einer Mitgliederversammlung der Voitsberger NSDAP.1232 Generell verstärkte die Kreis-NSDAP nun ihre Propaganda nach innen. Wenigstens die eigenen Parteimitglieder sollten noch motiviert werden.

Im März 1945 besuchte Anton Weißensteiner in seiner Funktion als Gauobmann der DAF ein letztes Mal den Kreis Voitsberg. Er sprach zu Orts- und Betriebsobmännern der DAF des Kreises. Ein von Ortsgruppenleiter Alois Killer geleiteter Schulungsappell der Ortsgruppe Voitsberg war die letzte bestätigte NS-Versammlung im Kreis.1233 Für den 22. April 1945 wurde eine „Massenversammlung“ in Köflach angekündigt, auf der Kreisleiter Eissner sprechen sollte.1234 Ob die Veranstaltung tatsächlich stattfand ist unbekannt.

In den letzten Kriegswochen kam es auch im Kreis Voitsberg zu einigen Endphasenverbrechen. Der Schwerpunkt lag dabei im Bereich des Gendarmeriepostens Ligist. Am 7. April 1945 wurde der desertierte Wehrmachtssoldat Johann Köb im Rayon Ligist von einer aus vier Mann bestehenden Volkssturmstreife unter Führung von Hermann Wipfler am Rande eines Waldstücks entdeckt. Als Köb, der sich in Wehrmachtsuniform befand, wieder zurück in den Wald lief, nahmen die Volkssturmmänner die Verfolgung des unbewaffneten Deserteurs auf. Der Volkssturmmann Anton Klug schoss auf Köb und traf ihn an der Hüfte

1228 StLa, BH VO 1945, Karton 398 Zl 14 Au 1/1-45 2. Jänner 1945 1229 Vgl.: VKW, 20. Jänner 1945. 1230 Vgl.: VKW, 17. Februar 1945. 1231 Vgl.: Kershaw, Das Ende, 279. 1232 Vgl.: VKW; 17. Februar 1945 und 24. Februar 1945. 1233 Vgl.: VKW, 31. März 1945. 1234 Vgl.: VKW, 14. April 1945. 201 und am Bauch. Köb wurde daraufhin ins Gaukrankenhaus Voitsberg eingeliefert, wo er seinen Verletzungen erlag.1235

Am selben Tag traf eine aus 1.000 bis 1.2000 ungarischen Juden bestehende Kolonne, welche sich auf einem Todesmarsch von der ungarischen Grenze nach Mauthausen befand, im Kreis Voitsberg ein. Zwei Tage lang wurden die Juden durch den Kreis Voitsberg getrieben. Bewacht wurden sie dabei von SA- und Volkssturmmännern, aus den auf der Strecke des Todesmarsches gelegenen Gemeinden. Am späten Nachmittag des 9. April wurden sie beim Gaberlschutzhaus an Volkssturmmänner des Kreises Judenburg übergeben.1236 Zwei mündliche Berichte über die Tage, in denen der Transport den Kreis Voitsberg passierte, schildern eindringlich das Elend der Juden. Louis Novak, ein politischer Häftling, der sich nach seiner Flucht in einem Bauernhaus in Arnstein versteckt hielt, erfuhr vom Sohn des Bauern, der zur Wachmannschaft des Transportes gehörte, über dessen Ablauf. „Die Juden […] befanden sich bei der Übernahme in Krems in einem entsetzlichen Zustand. Die Kleider zerlumpt und verdreckt, von ganzem Schuhwerk keine Rede mehr, seit Tagen kein warmes Essen, nur hie und da ein Stückchen Brot, das eben ausreichte, um die ausgemergelten Körper von Ungarn bis in die Steiermark schleppen zu können. In Krems erhielten sie das erste warme Essen und ein Kilogramm Brot, dann ging der Marsch weiter […]“.1237 Der Lemberger Jude Benedikt Friedman, der unter dem Namen Stefan Mendocha Zwangsarbeiter im Bezirk Voitsberg war, schilderte seine Eindrücke folgendermaßen: „Der grausige Zug hatte nichts Menschliches mehr an sich, es war ein Zug von Gespenstern, Nachtmahren am hellichten Tag, ein Zug lebender Leichen, der da vor unseren entsetzten Augen vorüberzog.“1238

Am 27. April wurden in Oberwald und Unterwald, je ein flüchtiger KZ-Häftling und in Ligist drei Deserteure von SS und Volkssturmmännern erschossen.1239 Der in Oberwald getötete KZ-Häftling stammte aus Polen und wurde von einer Streife unter der Führung von Dipl.-Ing. Friedrich Pießlinger erschossen und an Ort und Stelle begraben. Pießlinger wurde im August

1235 StLa, BH VO 1945, Karton 399, Zl 14 Vo 1/16 7. April 1945 1236 Vgl.: Heimo Halbrainer, „Trauriges Gegenstück zum Eisenerzer Judenmassaker“. Der Todesmarsch ungarisch-jüdischer Zwangsarbeiterinnen durch den Bezirk Judenburg. In: Heimo Halbrainer/Michael Schiestl (Hgg.), Adolfburg statt Judenburg. NS-Herrschaft: Verfolgung und Widerstand in der Region Aichfeld- Murboden, Graz 2011, 123-126. 1237 Ebd. 122. 1238 Ebd. 126. 1239 Walter Brunner (Hg.), Geschichte und Topographie des Bezirkes Voitsberg. Band 2: Bezirkslexikon, Graz 2011, 175. 202

1947 zu drei Jahren Haft und Vermögensverfall verurteilt.1240 Die Endphasenverbrechen im Raum Ligist führten am 25. Juni 1945 zur Verhaftung von fünf Ligistern durch Staatspolizeibeamte. Zu den Verhafteten gehörte auch Franz Freisinger, der zum Zeitpunkt seiner Verhaftung noch immer als Postenkommandant des Gendarmeriepostens Ligist fungierte. Auch Hermann Wipfler und Anton Klug, der den tödlichen Schuss auf den Deserteur Köb abgab, wurden verhaftet. Klug wurde wegen der tödlichen Schüsse verhaftet. Wipflers Verhaftung erfolgte „wegen seiner Funktionen und seines brutalen Handelns“ in den letzten Kriegsmonaten. Hermann Wipfler war Bürgermeister und Ortsbauernführer von Unterwald, sowie Blockleiter der NSDAP-Ligist und SA-Mann. Bei den restlichen drei Festgenommenen handelte es sich um die zwei weiteren Mitglieder der von Wipfler geführten Volkssturmpatrouille, die für den Tod Köbs verantwortlich war und Ingenieur Grabner, dem die „übereifrige Verfolgung von KZ-Flüchtlingen“ vorgeworfen wurde.1241

Ein „Ostarbeiter“ wurde noch am 2. Mai vom Gößnitzer Bürgermeister, Johann Schutti erschossen.1242 Aus Schuttis Haus, das Teil eines Bauernhofes im Gebiet von Hochgößnitz war,1243 waren zuvor zwei Laib Brot gestohlen worden. Mit einem Gewehr bewaffnet machte sich Schutti auf die Suche nach den „Tätern“. Den ersten Ostarbeiter, den er antraf, nahm er fest. Den Festgenommenen, der die gestohlenen Brote nicht bei sich hatte, wollte Schutti nach Lankowitz bringen, um ihn dort der Gendarmerie zu übergeben. Als der Ostarbeiter zu fliehen versuchte, wurde er von Schutti, der auch Zellenleiter der NSDAP-Ortsgruppe Lankowitz war, in den Rücken geschossen. Der Ostarbeiter der wenige Tage vor seiner Befreiung wegen zwei Laib Brot, deren Diebstahl nie aufgeklärt wurde, sterben musste hieß Alexander Jewzenko und war im Zentrallager 1 in Bärnbach untergebracht.1244

Am 5. Mai meldete der Gendarmerieposten Geistthal die Sichtung von sechs Deserteuren. Der Bauernsohn Anton Raffler hatte diese im Haus seiner Eltern entdeckt und den Gendarmerieposten informiert. Zwischen den Deserteuren und einer Wehrmachtsstreife kam es daraufhin zu einem Feuergefecht, bei dem der Führer der Streife, Stabsintendant Gärtner, getötet wurde. Ein Deserteur namens Kurt Rathke, Rottenführer aus Stukhof bei Danzig, wurde mit durchschossenem Unterschenkel am Dachboden des Hauses gefunden. Die

1240 Ernst Lasnik, Voitsberg. Porträt einer Stadt und ihrer Umgebung, Voitsberg 2012, 142. 1241 StLa, BH VO 1945, Karton 399 Zl 14 V 2/44-45 25. Juni 1945 1242 Vgl.: Walter Brunner (Hg.), Geschichte und Topographie des Bezirkes Voitsberg. Band 2: Bezirkslexikon, Graz 2011, 261. 1243 Peter Weißnar, Maria Lankowitz. Porträt einer Marktgemeinde, Maria Lankowitz 2015, 368. 1244 StLa, BH VO 1945, Karton 399 Zl 14 Vo 1/23-45 3. Mai 1945. 203 restlichen fünf Deserteure konnten entkommen. Rathke sagte aus, dass auf der Gleinalpe eine Gruppe von Deserteuren in der Stärke von 18 Männern unter der Führung von drei Unteroffizieren oder Unterscharführern aufhielt. Diese waren mit MG 42, M.Pi, Handgranaten, Gewehren und Pistolen bewaffnet. Der Gendarmerieposten Geistthal forderte daraufhin von der Wehrmacht die Säuberung des Gebiets.1245 Ob diese Säuberung tatsächlich stattfand, ist aufgrund der allgemeinen Kriegslage, bis zur Kapitulation des Deutschen Reiches sollte es nur noch drei Tage dauern, zu bezweifeln.

Am 7. Mai erreichten die ersten sowjetischen Truppen den Kreis. Einen Tag später, am Tag der deutschen Kapitulation, folgten Truppen der britischen Armee. Das Kreisgebiet wurde zunächst in eine britische und eine sowjetische Besatzungszone geteilt.1246 Der Ligister Ortsgruppenleiter Josef Puchas beging am 8. Mai Selbstmord kurz vor dem Eintreffen der Roten Armee Selbstmord.1247 Kreisbauernführer Ludwig Lettmayer und Andreas Kattnigg, der Kreisobmann der DAF, wurden von der Roten Armee verhaftet und in die Sowjetunion gebracht. Kattnigg kehrte nach langer Gefangenschaft wieder nach Voitsberg zurück. Lettmayer starb in einem sowjetischen Lager.1248

7. Verfolgung und Widerstand

Ein mit der nationalsozialistischen Herrschaft untrennbar verbundenes Merkmal ist die Verfolgung von politischen Gegnern und so genannten rassischen Feinden. Daher werde ich mich auch mit dem Thema Verfolgung und Widerstand im Kreis Voitsberg beschäftigen. Soweit es möglich ist, werde ich auch versuchen, die Rolle, welche die NS-Führungsriege im Kreis bei der Durchsetzung der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft spielte, näher zu beleuchten.

NS-Machtübernahme Bereits in der Nacht vor dem Tag des „Anschlusses“ fanden im Kreis Voitsberg die ersten Verhaftungen statt. Dabei haben es die lokalen Nationalsozialisten vor allem auf Personen

1245 StLa, BH VO 1945, Karton 399 Zl 14 Vo 1/23-45 5. Mai 1945 1246 Zum Kriegsende in der Steiermark siehe: Felix Schneider, Kriegsende, in: Geschichte der Steiermark. Vom Bundesland zur europäischen Region. Die Steiermark von 1945 bis heute, Graz 2004, 9-35. 1247 Vgl.: Walter Brunner (Hg.), Geschichte und Topographie des Bezirkes Voitsberg. Band 2: Bezirkslexikon, Graz 2011, 175. 1248 Vgl.: StLa, VR 5089/47 -10. 204 abgesehen, welche sich in der Zeit des Ständestaates als besonders erbitterte Gegner der NSDAP erwiesen hatten. Zu den ersten Verhafteten zählte der Betriebsassistent des Bergbaues Karlschacht und Bezirkskommandant der Frontmiliz Karl Willhelm. Bis 2. Juni 1938 wurde er ohne Urteil und Einvernahme festgehalten.1249 Der Voitsberger Rayonsinspektor Josef Gaspar wurde ebenfalls in Haft genommen, da er strikt gegen die Nationalsozialisten vorgegangen war. In Köflach wurde Schuldirektor Alfons Kellner, aufgrund seiner scharf anti-nationalsozialistischen Haltung sofort nach dem „Anschluss“ verhaftet.1250 Zu den Bürgermeistern des Bezirks Voitsberg die nach dem „Anschluss“ verhaftet wurden, zählten der Ligister Bürgermeister Dr. Anton Saurugg und der Voitsberger Bürgermeister Anton Löser. Beide wurden einige Wochen im Bezirksgericht Voitsberg festgehalten.1251 Saurugg kam schließlich nach einer Intervention von Kreisärzteführers Bouvier frei und durfte weiter als Distriktsarzt in Ligist arbeiten. Löser verließ nach seiner Entlassung aus der Haft das Kreisgebiet.1252 Als Zentrale für die unmittelbar nach dem „Anschluss“ durchgeführten Verhaftungen fungierte die im Voitsberger Rathaushof errichtete provisorische Kreisleitung. Durchgeführt wurden die Festnahmen von der lokalen SS. Deren Führung hatte zu diesem Zeitpunkt die oberste Polizeigewalt im Kreis Voitsberg inne.1253 Anführer des Voitsberger SS-Sturms war der spätere Kreisgeschäftsführer der NSDAP Karl Neuhold.1254

Verfolgung der jüdischen Bevölkerung Untrennbar mit dem Nationalsozialismus verbunden ist die grausame Verfolgung und Vernichtung der Jüdinnen und Juden. Im Kreis Voitsberg begann bereits im März 1938 mit Hilfe der einzelnen Gendarmerieposten die Erhebung aller jüdischen BürgerInnen. Neben den Personalien wurde die Gendarmerie auch angewiesen die Vermögensverhältnisse, etwaige Vorstrafen und den Leumund der erfassten Personen bekannt zu geben. Außerdem sollte eine etwaige politische Betätigung oder Mitgliedschaften bei den Freimaurern gemeldet werden.1255 Laut Angaben der Gendarmerieposten Voitsberg und Köflach lebten 8 Juden im Bezirk Voitsberg,1256 davon sechs in der Stadt Voitsberg und zwei in Köflach. Keiner von

1249 Steininger, Nationalsozialismus in Voitsberg, 87. 1250 Vgl.: Bernhard Reismann, Allgemeine Geschichte des Bezirkes 1848-2005, in: Walter Brunner (Hg.), Geschichte und Topographie des Bezirkes Voitsberg. Band 1: Allgemeiner Teil, Graz 2011, 180. 1251 LGS Graz, Vr 4493/47-9. 1252 LGS Graz, Vr 6296/47-49. 1253 LGS Graz, Vr 4493/47-71. 1254 Ebd. 173. 1255 StLa, BH VO 1938, Karton 207 Zl 14 J 4/1 21. März 1938. 1256 StLa, BH VO 1938, Karton 207 Zl 14 J 4/1 24. März 1938 und Zl 14 J 4/2 25. März 1938. 205 ihnen hat sich politisch betätigt oder war Mitglied bei den Freimaurern. Auch das Ansehen der Juden innerhalb der Bevölkerung war gut. Der Postenkommandant von Voitsberg beendete seinen Bericht mit der Bemerkung: „Alle angeführten Juden werden allgemein als sehr anständige und humane Leute beschrieben.“1257

Die erste Stufe des organisierten NS-Terrors gegen die jüdische Bevölkerung war der als Arisierung bezeichnete Raub ihres Vermögens. Die rechtliche Grundlage für die Arisierungen bildete die Verordnung vom 26. April 1938, welche die Juden dazu verpflichtete, ihr gesamtes den Wert von 5.000 Reichsmark übersteigendes Vermögen anzumelden. Für den Ablauf der Arisierungen in der Steiermark war die im Mai 1938 geschaffene Vermögensverkehrsstelle in Graz zuständig. Auf Kreisebene waren die Kreiswirtschaftsämter und verschiedene NSDAP- Parteidienststellen (Kreisleiter, Ortsgruppenleiter usw.) für die wirtschaftliche und politische Beurteilung der Ariseure zuständig.1258 In der Regel kam es daher zur Übernahme jüdischer Vermögenswerte durch Nationalsozialisten. Im Kreis Voitsberg verfügten nur die in Köflach wohnhaften Kaufleute Ignaz und Klara Braun und die ehemaligen Voitsberger Kaufleute Ludwig und Gisela Weiß, sowie deren Tochter Nelly Blüh und ihr Ehemann Max Blüh über ein nennenswertes Vermögen.

Von der Gendarmerie Köflach wurde Ignaz Braun folgendermaßen beurteilt: „Ignaz Braun betreibt in Köflach eine sehr gut gehende Gemischtwarenhandlung und dürfte über Bargeld verfügen, dessen Höhe jedoch nicht erhoben werden konnte.“ Zusammen besaßen die Eheleute Braun fünf Häuser in Rosental und Köflach. Beide waren unbescholten und genossen einen guten Leumund.1259

Vorbestraft war lediglich das Voitsberger Ehepaar Ludwig und Gisela Weiß. Bei den Vorstrafen handelte es sich um Finanzvergehen aus den Jahren 1910, 1923 und 1929. Ludwig Weiß war insgesamt siebeneinhalb Monate inhaftiert, während Gisela Weiß einmal zu zwei Monaten bedingter Haft verurteilt wurde. Dennoch genossen beide laut Auskunft der Gendarmerie Voitsberg in der Bevölkerung einen guten Leumund.1260 Die Vorstrafen von Ludwig Weiß benutzte das NS-Regime jedoch als Vorwand, um ihn festzunehmen. Der

1257 StLa, BH VO 1938, Karton 207 Zl 14 J 4/1 24. März 1938. 1258 Vgl.: Michael Georg Schiestl, Vertreibung aus dem Alltag. Entrechtung, Enteignung und Verfolgung der Juden in der Region Aichfeld-Murboden. In : Heimo Halbrainer/Michael Schiestl (Hgg.), Adolfburg statt Judenburg. NS-Herrschaft: Verfolgung und Widerstand in der Region Aichfeld-Murboden, Graz 2011, 33-36. 1259 StLa, BH VO 1938, Karton 207 Zl 14 J 4/1 24. März 1938. 1260StLa, BH VO 1938, Karton 207 Zl 14 J 4/2 25. März 1938. 206

Auftrag dazu erging am 14. Juni von der Kriminalpolizeistelle Graz. In der diesbezüglichen Weisung wurde angeordnet, dass alle männlichen Juden, die mit mindestens einer Gefängnisstrafe von mehr als einem Monat bestraft worden sind, in polizeiliche Vorbeugungshaft zu nehmen und ins Konzentrationslager Buchenwald zu überführen waren. Ludwig Weiß wurde schließlich am 20. Juni festgenommen und der Kriminalpolizei Graz übergeben, welche ihn umgehend nach Buchenwald überstellte. Unmittelbar nach der Internierung von Weiß wandte sich der Kreiswirtschaftsberater der NSDAP Helmut Borovsky an Weißs Tochter Nelly Blüh, um ihr die Arisierung seines Besitzes mitzuteilen. Außerdem stellte er ihr gegenüber klar, dass er an der Ausreise ihres Vaters interessiert wäre, da „hierdurch die im Zuge befindliche Arisierung rasch perfektioniert und auch gegenüber der Bevölkerung optisch abgeschlossen werden könnte.“ 1261

Weiß gelang es, nach seiner Entlassung aus dem KZ am 9. November 1938 zusammen mit seiner Frau im Februar 1939 nach Palästina auszuwandern.1262 Seine Tochter, die mittlerweile in Graz wohnte, schaffte es, den beschlagnahmten Pass ihres Vaters, der in der Bezirkshauptmannschaft Voitsberg aufbewahrt wurde zurückzubekommen. Dabei gab sie dem Bezirkshauptmann gegenüber an, dass der Kreisleitung der NSDAP an der dringenden Durchführung der Freigabe des Reisepasses gelegen sei.1263 Ob sie sich dabei auf das Schreiben von Kreiswirtschaftsberater Borovsky bezog, ist nicht bekannt.

Nelly Blüh und ihrem Ehemann Max gelang im Mai 1939 ebenfalls die Ausreise nach Palästina. Zuvor musste Max Blüh, nach seiner im Zuge der „Reichskristallnacht“ in Graz erfolgten Verhaftung am 9. November 1938, dem gleichen Tag an dem sein Schwiegervater Ludwig Weiss aus Buchenwald entlassen wurde, jedoch sieben Monate im KZ Dachau verbringen. Nelly Blüh verbrachte nach einem gescheiterten Grenzübertritt nach Jugoslawien drei Monate in Einzelhaft im Gestapogefängnis am Paulustor in Graz. Haus, Grundstück und Waldparzelle der Blühs waren bereits arisiert und vom Hilfskassenobmann der Kreisleitung der NSDAP und Blutordensträger Rudolf Gosch erworben worden.1264 Nach dem Ende der NS-Herrschaft durfte Gosch noch bis 1947 im Haus der Blühs wohnen. Am 23. Jänner desselben Jahres wurde Gosch wegen seiner Tätigkeit in der NSDAP zu einem Jahr schwerem

1261 StLa, BH VO 1938, Karton 206 Zl 14 Bu 2/1-1938 27. Juni 1938. 1262 Vgl.: Bernhard Reismann, Allgemeine Geschichte des Bezirkes 1848-2005, in: Walter Brunner (Hg.), Geschichte und Topographie des Bezirkes Voitsberg. Band 1: Allgemeiner Teil, Graz 2011, 182-183. 1263 StLa, BH VO 1938, Karton 206, Zl 14 Bu 2/38 28. November 1938. 1264 Steininger, Nationalsozialismus in Voitsberg, 95-97. 207

Kerker und Vermögensverfall verurteilt.1265 Danach übernahm für zwei Jahre die Republik Österreich die Eigentümerschaft. Erst 1949 befand sich das Haus wieder im Besitz der Blühs.1266

Die meisten Juden des Kreises Voitsberg schafften es, bis zum Mai 1939 nach Palästina auszuwandern.1267 Zu diesem Zeitpunkt befanden sich laut Gendarmerieangaben nur noch vier Juden im Kreisgebiet. Alle lebten in der Stadt Voitsberg.1268 Unter ihnen befand sich auch Camilla Zrust, geborene Braun, die nach dem Tod ihres Mannes, der bereits 1938 gestorben war, in Voitsberg blieb. In den 1920er Jahren betrieb sie eines von zwei jüdischen Gemischtwarengeschäften in Voitsberg. Interessanterweise betrieben auch Karl und Alfred Grabner ein solches Geschäft.1269 Karl Grabner war später während der NS-Herrschaft Kreisstellenleiter der Wirtschaftsgruppe Einzelhandel im Kreis Voitsberg.1270 Er verfasste für das Voitsberg-Köflacher Wochenblatt unmittelbar nach dem „Anschluss“ einen antisemitischen Artikel über den zerstörerischen Einfluss jüdischer Geschäftsleute.1271 Alfred Grabner war wie bereits mehrfach erwähnt von 1941 bis 1945 Bürgermeister von Voitsberg. Während seiner Amtszeit wurde Camilla Zrust im Juli 1944 auf Weisung der Gestapo verhaftet und ins Polizeigefängnis Graz gebracht.1272 Danach folgte die Deportation in das KZ Theresienstadt. Sie überlebte und kehrte im Sommer 1945 nach Voitsberg zurück. Camilla Zrusts Tochter Martha, konnte mit der Hilfe des Voitsberger Ortsgruppenleiters Harald Lautner, der ihr gegenüber eine anständige Haltung einnahm, weiter als Stenotypisten bei den Voitsberger Rechtsanwälten Dr. Pendel und Dr. Vogl arbeiten.1273

Die Köflacher Jüdin Klara Braun, welche bereits kurz nach dem „Anschluss“ nach Graz übersiedelte, wurde ebenfalls in das KZ Theresienstadt deportiert.1274 Ihr Vater Salomon Braun betrieb in den 1920er Jahren das zweite jüdische Gemischtwarengeschäft der Stadt Voitsberg. Außerdem war er als Holzhändler tätig.1275 Klara Braun überlebte die Internierung

1265 LGS Graz, Vr 4556/46-107. 1266 Ernst Lasnik, Voitsberg. Porträt einer Stadt und ihrer Umgebung, Band 3: Voitsberg 2012, 358. 1267 Vgl.: Bernhard Reismann, Allgemeine Geschichte des Bezirkes 1848-2005, in: Walter Brunner (Hg.), Geschichte und Topographie des Bezirkes Voitsberg. Band 1: Allgemeiner Teil, Graz 2011, 182-183. 1268 StLa, BH VO, 1939, Zl. 14 Ju 6/1. 1269 Ernst Lasnik, Altes Leben im Bezirk Voitsberg, Graz 2001, 188. 1270 StLa, BH VO, 1942, Karton 355 Zl 14 Ste 4/1-1942. 1271 Vgl.: Steininger, Nationalsozialismus. 1272 StLa, BH VO, 1940, Karton 294, Zl 14, Wi 1 Voitsberg 28. Juli 1944. 1273 Steininger, Nationalsozialismus in Voitsberg, 99. 1274 Bernhard Reismann, Allgemeine Geschichte des Bezirkes 1848-2005, in: Walter Brunner (Hg.), Geschichte und Topographie des Bezirkes Voitsberg. Band 1: Allgemeiner Teil, Graz 2011, 183. 1275 Ernst Lasnik, Altes Leben im Bezirk Voitsberg, Graz 2001, 188. 208 nicht. Sie starb am 14. März 1944 im KZ Theresienstadt.1276 Ihr Ehemann Ignaz Braun starb bald nach der Arisierung seines Köflacher Gemischtwarenladens eines natürlichen Todes. 1277

Ein ebenfalls tragisches Schicksal hatte der jüdische Bäckergehilfe Robert Hahn aus Voitsberg. Hahn, der Funktionär der Sozialistischen Arbeiterjugend war, suchte Ende Jänner 1939 um die Ausreisegenehmigung nach Palästina an. Sowohl der Landrat, als auch der Kreisleiter wurden von der Gestapo um eine Stellungnahme gebeten. Beide hatten nichts gegen Hahns Auswanderung einzuwenden. Kreisleiter Weißensteiner meldete jedoch, dass Hahn über ein Vermögen von 3.000 RM verfüge, was eine Übertreibung darstellte. Laut Auskunft der Sparkasse Voitsberg betrug Hahns Vermögen lediglich 247,36 RM.1278 Letztendlich gelang es Hahn, sich ins jugoslawische Kladovo abzusetzen. Vom Voitsberger Landrat bekam er dazu am 20. Februar 1939 einen Reisepass ausgestellt. Dieser wurde jedoch am 7. September 1940 eingezogen und wieder an den Landrat geschickt, da Hahn nun offiziell als staatenlos galt. Dies machte seine Weiterreise praktisch unmöglich, sodass er in Kladovo festsaß.1279 Nach dem Einmarsch deutscher Truppen 1941 wurde er als Angehöriger des so genannten „Kladovo-Transports“ aufgegriffen und von der SS erschossen.1280

Das Schicksal Robert Hahns hatte auch gravierende Auswirkungen auf seine Familie. Seine Frau Rosa, die genau wie Robert Hahn als staatenlos betrachtet wurde, hatte zusammen mit ihm eine Tochter mit dem Namen Charlotte, welche als „Halbjüdin“ galt. Im Juli 1940 erklärte Rosa Hahn dem Landrat gegenüber, dass sie in Voitsberg bleiben wolle, auch wenn ihr Mann nicht mehr zurückkehren sollte. In eine Scheidung wollte sie einwilligen, wenn sie dadurch wieder die deutsche Staatsbürgerschaft erlangen würde. Die Erlangung der deutschen Staatsbürgerschaft war für sie so wichtig, weil sie die Voraussetzung für eine Arbeitserlaubnis und damit die Grundbedingung zur Versorgung ihrer Kinder war.1281 Aus einem Schreiben des Landrates aus dem Oktober 1941 geht hervor, dass Rosa Hahn als Jüdin galt, da sie mit einem Juden verheiratet war. Vom Tod ihres Mannes hat sie zu diesem Zeitpunkt wohl noch nichts gewusst. Laut Auskunft der staatlichen Stellen befand sich dieser nämlich, deren

1276 DÖW 1277 Vgl.: Bernhard Reismann, Allgemeine Geschichte des Bezirkes 1848-2005, in: Walter Brunner (Hg.), Geschichte und Topographie des Bezirkes Voitsberg. Band 1: Allgemeiner Teil, Graz 2011, 182-183. 1278 StLa, BH VO, 1939, Zl. 14 Re 1/2. 1279 StLa, BH VO, Karton 290, Zl 14 Re 1/160-40. 1280 Vgl.: Bernhard Reismann, Allgemeine Geschichte des Bezirkes 1848-2005, in: Walter Brunner (Hg.), Geschichte und Topographie des Bezirkes Voitsberg. Band 1: Allgemeiner Teil, Graz 2011, 182-183. 1281 StLa, BH VO, 1940, Zl 14 Ha 5/1 29. Juni 1940 und Ha 5/3 13. Juli 1940. 209

Wissen zu Folge, im jüdischen Auswanderungslager Gaboc.1282 Bedenkt man, dass das Kladovo-Massaker aber zum Zeitpunkt der betreffenden Auskunft bereits mehr als zwei Wochen zurücklag, stellt sich natürlich die Frage, ob der Landrat den Tod Robert Hahns bewusst verschwieg oder wirklich nichts davon wusste. Rosa Hahn erlangte schließlich durch die Heirat mit einem Mann aus dem Kreis Voitsberg im Mai 1942 die deutsche Staatsbürgerschaft.1283

Dass Nichtjuden, die mit Juden verheiratet waren, Repressionen zu erleiden hatten, zeigt auch der Fall des Gastwirts Othmar Goll. Er war der Mann der zum altkatholischen Glauben konvertierten Jüdin Helene Goll, welcher die Flucht gelang. Im Jänner 1939 wollte die Gestapo Othmar Goll, der in der Zeit des Ständestaates Funktionär in der Vaterländischen Front und Wehrführer der Freiwilligen Feuerwehr Gaisfeld gewesen war, verhaften und forderte außerdem seinen Ausschluss von der Feuerwehr. Der Landrat gab allerdings der Gestapo gegenüber die Auskunft, dass Goll vor dem „Anschluss“ Nationalsozialisten geholfen hätte. Die Funktion als Wehrführer der Gaisfelder Feuerwehr hatte er ohnehin bereits kurz nach dem „Anschluss“ nach einer Aufforderung des Kreisfeuerwehrführers Georg Bardel zurückgelegt, was von der Bevölkerung der Gemeinde Gaisfeld allerdings nicht gut aufgenommen worden war. Des Weiteren könne von „Rassenschande“ keine Rede sein, da Goll bereits getrennt von seiner Frau lebte, welche zu diesem Zeitpunkt noch in Voitsberg wohnhaft war.1284 Dort besaß sie laut Auskunft der Kreisbauernschaft an den Landrat vom 26. Juni 1939 eine kleine Landwirtschaft, die zur Hälfte ihrem Mann gehörte.1285 Dass Helene Golls Besitzhälfte nicht arisiert wurde, verdankte sie laut späterer Aussage ihres Mannes einer Intervention von Kreiswirtschaftsberater Helmut Borovsky.1286 Unter den Schikanen und der Willkür des NS-Regimes hatte sie dennoch sehr stark zu leiden. Im Dezember des Jahres 1938 fand bei ihr eine Hausdurchsuchung statt. Die Gendarmerie Voitsberg suchte auf Auftrag des Devisenfahndungsamtes Wien nach einem Sparbuch. Die Gendarmen wurden fündig und beschlagnahmten ein Sparkassenbuch der Sparkasse Voitsberg mit einer Einlage von 852,90 RM.1287 Nach Kriegsbeginn sollte allen jüdischen Bürgern des Kreises laut Befehl der Gestapo das Radio abgenommen werden. Von den wenigen Juden, die zu diesem Zeitpunkt noch in Voitsberg lebten, besaß lediglich Helene Goll ein Radiogerät. Dieses wurde ihr am

1282 StLa, BH VO, 1940, Zl 14 Ha 5/8-40 28. Oktober 1941. 1283 StLa, BH VO, 1940, Zl 14 Ha 5/11-40 6. Juli 1942. 1284 StLa, BH VO, 1939, Zl 14 Ju 6/1. 1285 StLa, BH VO, 1939, Zl 14 J 10/5. 1286 LGS Graz, Vr 1357/47-5 1287 StLa, BH VO 1938, Karton 212 Zl 14 Ve 16 15. Dezember 1938 210

28. September abgenommen.1288 Othmar Goll entging letztendlich der Haft und verlor lediglich sein Gasthaus, welches jedoch von seinem Sohn weitergeführt werden durfte.1289 Unmittelbar nach dem Ende der NS-Herrschaft wurde er Bürgermeister der Gemeinde Gasselberg.1290

Neben den Juden wurden auch die im Kreis Voitsberg lebenden sogenannten „jüdische Mischlinge“ erfasst. So bekam der Landrat im Mai 1941 vom Reichsinnenministerium die Namen jener im Kreisgebiet lebenden Personen, die laut Volkszählung des Jahres 1939 zwei oder mehr jüdische Großeltern hatten.1291 Im Anschluss gab der Landrat die Namen der betreffenden Personen an die Bürgermeister der Gemeinden, in denen diese lebten, weiter. Mit der Weitergabe verbunden war eine Weisung des Landrates an die Bürgermeister, in welcher er sie aufforderte, die „jüdischen Mischlinge“ bei der Anlegung der Einwohnerkartei weiter auszuwerten. Der betreffende Erlass durfte nicht öffentlich gemacht werden.1292 Dieser Umstand lässt darauf schließen, dass man die betreffenden Personen mit jüdischen Wurzeln nichts von ihrer Erfassung wissen lassen wollte.

Insgesamt lebten laut den Dokumenten, die der Landrat weitergab, 24 Personen mit zwei oder mehr jüdischen Großeltern im Kreis Voitsberg.1293 Nach der Weitergabe an die Gemeinden verlangte der Voitsberger Bürgermeister Alfred Grabner jedoch die Streichung einer Frau von der Liste, da diese seiner Meinung nach als völlig „arisch“ zu gelten habe. Letztendlich gab der Landrat der Streichung statt, sodass die Zahl der im Kreis Voitsberg lebenden „jüdischen Mischlinge“ auf 23 korrigiert wurde.1294 Im August 1941 forderte das Rassenpolitische Amt der NSDAP-Kreisleitung Voitsberg zwei weitere Personen von der Liste zu streichen, da diese ebenfalls als „arisch“ angesehen wurden. Diese Information gab die Kreisleitung an den zuständigen Gauamtsleiter weiter, welcher wiederum den Landrat zu einer entsprechenden Richtigstellung aufforderte. Diesem Ansuchen entsprach der Landrat umgehend.1295 Damit verringerte sich die Zahl der im Kreis Voitsberg lebenden „jüdischen Mischlinge“ auf 21. Diese lebten in den Gemeinden Rosental, Krottendorf, Tregist, Thallein, Voitsberg,

1288 StLa, BH VO, 1939, Zl. 14, J 14/1. 1289 Vgl.: Bernhard Reismann, Allgemeine Geschichte des Bezirkes 1848-2005, in: Walter Brunner (Hg.), Geschichte und Topographie des Bezirkes Voitsberg. Band 1: Allgemeiner Teil, Graz 2011, 183. 1290 Sophie Bramreiter, Krottendorf-Gaisfeld. Erlebtes-Erforschtes-Erzähltes, Krottendorf-Gaisfeld, 2014, 507. 1291 StLa, BH VO, 1940, Zl 14 Me 9/21-40. 1292 StLa, BH VO, 1940, Zl 14 Me 9/8-40. 1293 Vgl.: StLa, BH VO, 1940, Zl 14 Me 9/21-40. 1294 StLa, BH VO, Me 9/22-40. 1295 Vgl.: StLa, BH VO, 1940, Zl 14 Me 9/26-40. 211

Stögersdorf, Gasselberg und Kainach. Darunter waren sieben Kinder und vier Jugendliche. Die meisten „jüdischen Mischlinge“ gab es in der Gemeinde Voitsberg, wo sechs von ihnen lebten, darunter zwei Kinder und ein Jugendlicher. Mehr als die Hälfte der „jüdischen Mischlinge“, zwölf, lebte auf dem Gebiet der heutigen Stadt Voitsberg. Dies liegt daran, dass jeweils drei von der Erfassung betroffenen Personen in den Gemeinden Thallein und Tregist wohnten, welche heute zur Stadt Voitsberg gehören.1296

Kommunistischer Widerstand und nationalsozialistische Repression Die NS-Gewaltherrschaft richtete sich im Kreis Voitsberg nach der Ausschaltung alter Gegner aus der Zeit des Ständestaates und der Vertreibung der jüdischen Bevölkerung hauptsächlich gegen Kommunisten. Diese waren in den industrialisierten Gegenden des Kreises stark vertreten. Vor allem ab 1941 leisteten sie energischen Widerstand gegen das NS-System. Die Wurzeln des organisierten Widerstandes reichten allerdings ins Frühjahr 1940 zurück.1297

Berichte über Entlassungen und Verhaftungen von angeblichen und tatsächlichen Kommunisten gingen jedoch auch schon 1938 bei den staatlichen Stellen ein. So berichtete der Betriebsleiter der Zellulosefabrik Krems von geheimer kommunistischer Parteitätigkeit in seinem Betrieb. Bei besagtem Betriebsleiter handelte es sich um den fanatischen Nationalsozialisten Friedrich Pießlinger, der in den letzten Kriegstagen an einem Endphasenverbrechen beteiligt war. Dabei kam ein entflohener polnischer KZ-Häftling ums Leben.1298 Seinen Beobachtungen und Meldungen der in der Fabrik beschäftigten Angehörigen der SA zufolge kamen seit Mitte Mai 1938 einige Personen während ihrer Arbeitszeit zu einer bestimmten Zeit an einer versteckten Stelle des Betriebes zu Besprechungen zusammen. Seinem Bericht fügte er eine Liste mit den Namen von 15 angeblichen Kommunisten hinzu. Nachdem der Landrat die Kreisleitung der NSDAP informiert hatte, wurden 10 Arbeiter entlassen. Strafrechtliche Schritte wurden nicht eingeleitet. Unter den Entlassenen befand sich mit Johann Unger der spätere Führer der kommunistischen Ortsgruppe Krems. Unger wurde 1941 zum Tode verurteilt und ein Jahr später hingerichtet.1299

1296 StLa, BH VO, 1940, Zl 14 Me 9/21-40. 1297Vgl.: Friedrich Josef Steininger, Beiträge zur Geschichte des Nationalsozialismus im Kreis Voitsberg, phil. Diss. Graz 1991. 1298 Vgl.: Kapitel: Nationalsozialismus zwischen 1938 und 1945 im Kreis Voitsberg. 1299 StLa, BH VO 1938, Karton 207 Zl 14 Ko 14/1-1938 9. Juli 1938. 212

Im September 1938 verhafteten SA-Männer in einem Köflacher Gasthaus auf eigene Faust drei Personen, die sie als Kommunisten bezeichneten. Der Gendarmerieposten Köflach sah jedoch keine Hinweise auf eine kommunistische Betätigung der drei Verhafteten und gab diese Einschätzungen an die Gestapo weiter, welche alle drei wieder auf freien Fuß setzte. Die Einschätzung der Köflacher Gendarmerie sollte sich zumindest auf eine der drei Personen bezogen, nachträglich als falsch herausstellen. Unter den drei Verhafteten befand sich nämlich mit Bruno Rauch ein bedeutender kommunistischer Widerstandskämpfer. Rauch wurde im Laufe der NS-Herrschaft einer der führenden Vertreter des kommunistischen Widerstandes in der Steiermark. Innerhalb der steirischen Landesorganisation der Österreichischen Freiheitsfront war er bis zu seiner Verhaftung am 26. April 1944 der militärische Leiter.1300 Im selben Jahr wurde er schließlich zum Tode verurteilt und hingerichtet.1301 Wie gut organisiert der kommunistische Widerstand im Kreis Voitsberg 1938 bereits war, ist nicht bekannt.

Organisation und Arten des Widerstandes Die erste kommunistische Widerstandsgruppe des Kreises Voitsberg wurde bereits 1938 gegründet, bestand jedoch lediglich aus einer Zelle um Franz Odert. Nachdem im Frühjahr 1939 im Zuge der Verhaftung der ersten steirischen Landesleitung der Kommunistischen Partei die Voitsberger Zelle zerschlagen wurde, verhaftete die Gestapo auch Odert und zahlreiche andere Mitglieder seiner Gruppe. Wegen Vorbereitung zum Hochverrat wurden sie zu Kerkerstrafen zwischen einem und zwei Jahren verurteilt.1302

Die zweite, weitaus größere und besser organisierte kommunistische Widerstandsorganisation im Kreis Voitsberg wurde im Frühjahr 1940 von den beiden Hilfsarbeitern Johann Jandl und Albin Kaiser gegründet. Kaiser fungierte als Bezirksleiter, während Jandl als Kassier und Verwalter für die von den Ortsgruppen abgelieferten Beiträge verantwortlich war. Schon nach kurzer Zeit konnte die Widerstandsorganisation in den Bergbaubetrieben des Kreises Voitsberg Fuß fassen.1303 Die Gründung der kommunistischen Widerstandsgruppe stand im Zusammenhang mit dem Aufbau einer neuen steirischen Landesleitung der Kommunistischen

1300 Heimo Halbrainer, Widerstand und Opposition in der Region Aichfeld-Murboden. In : Heimo Halbrainer/Michael Schiestl (Hgg.), Adolfburg statt Judenburg. NS-Herrschaft: Verfolgung und Widerstand in der Region Aichfeld-Murboden, Graz 2011, 155-157. 1301 StLa, BH VO 1938, Karton 207 Zl 14 Ko 23/1-1938 21. September 1938. 1302 Heimo Halbrainer, „Sei nicht böse, dass ich im Kerker sterben muss.“ Die Opfer der NS-Justiz in Graz 1938 bis 1945. Ein Gedenkbuch, Graz 2014, 214. 1303 Steininger, Nationalsozialismus in Voitsberg, 55-56. 213

Partei. Herbert Eichholzer, Karl Drews, Dr. Franz Weiß, Josef Neuhold und Anton Kröpfl waren dabei die führenden Köpfe.1304 Der Kontakt zu besagter Landesleitung der KP konnte über den Köflacher Schuhmacher August Watzinger, der aufgrund seiner bald darauf folgenden Einrückung zur Wehrmacht keine führende Rolle im Widerstand einnahm, rasch hergestellt werden.1305 Im Auftrag von Josef Lazic widmete sich Hildegard Burger als Vertreterin der Steirischen KP dem Ausbau der Kommunistischen Partei im Kreis Voitsberg. Bei Beginn des Krieges gegen die Sowjetunion im Juni 1941 bestand die Widerstandsorganisation schon aus 6 Ortsgruppen, die wenn die Ortsgruppe eine gewisse Größe erreicht hatte, zusätzlich in Zellen und Unterzellen unterteilt waren.1306 Die Gesamtstärke der Gruppe wurde nach eigenen Angaben auf 250 bis 280 Mitglieder geschätzt.1307 Aus den Volksgerichtshofverfahren gegen die Voitsberger Kommunisten geht hervor, dass die Gestapo die Zahl der Mitglieder des kommunistischen Widerstandes im Kreis Voitsberg mit 170 bis 180 bezifferte.1308

Es folgt eine Auflistung der Organisation des Kommunistischen Widerstandes im Kreis Voitsberg inklusive Ortsgruppen, Zellen und Unterzellen. Des Weiteren wird auf die Geschichte der einzelnen Ortsgruppen näher eingegangen werden. Dadurch soll ein möglichst genaues Bild von der Entstehung und der Ausbreitung des kommunistischen Widerstandes, seiner Ortsgruppen und Zellen und den dafür verantwortlichen Widerstandskämpfern gezeichnet werden. Die Herkunft, die politische Sozialisation, das Wirken und das Schicksal der einzelnen Ortsgruppenleiter bilden einen weiteren Schwerpunkt. Soweit bekannt werden auch die Namen von Mitgliedern der jeweiligen Ortsgruppen und der Zeitpunkt ihres Eintritts in den Widerstand erwähnt.1309

Bezirksleitung Bezirksleiter: Albin Kaiser Bezirkskassier: Johann Jandl Ortsgruppen: Voitsberg, Krems, Bärnbach, Rosental, Maria Lankowitz, Köflach

1304 Heimo Halbrainer, Information gegen Freiheit oder Widerstand und Verrat am Beispiel der V-Leute der Gestapo in der Steiermark. In: 25. Österreichischer Historikertag. St. Pölten 2008, St. Pölten 2010, 139-141. 1305 Heimo Halbrainer, „Sei nicht böse, dass ich im Kerker sterben muss.“ Die Opfer der NS-Justiz in Graz 1938 bis 1945. Ein Gedenkbuch, Graz 2014, 214. 1306 Ebd., 56. 1307 Ebd. 1308 Institut für Zeitgeschichte München (Hg.), Widerstand als Hochverrat. Die Verfahren gegen deutsche Reichsangehörige vor dem Reichsgericht, dem Volksgerichtshof und dem Reichskriegsgericht1933-1945, München 1998, Fiche 0333. 1309 Ebd. und Steininger, Nationalsozialismus in Voitsberg, 55-56 und StLa, VR 5001/47 -77-79 214

Die Gründung der Bezirksleitung des kommunistischen Widerstandes im Kreis Voitsberg erfolgte im Frühjahr 1940. Albin Kaiser übernahm die Funktion des Bezirksleiters. Kaiser hatte sich schon 1939 für die KP betätigt, indem er im Rahmen der „Roten Hilfe“ Gelder für die Familien von inhaftierten Kommunisten sammelte. Im Februar 1940 traf er sich mit dem ihm gut bekannten August Watzinger, der für ihn eine Verbindung zur KP in Graz herstellte. Mit Johann Jandl, den er ebenfalls schon länger kannte, nahm er im Frühjahr 1940 auf Anregung Watzingers wieder Kontakt auf. Kaiser überzeugte Jandl beim Aufbau einer Widerstandsorganisation führend mitzuwirken. Jandl übernahm dabei die Funktion des Bezirkskassiers. Beide begannen anschließend damit nach Gleichgesinnten zu suchen. Sowohl Kaiser als auch Jandl ernannten dabei Ortsgruppenleiter. Franz Krepek, Viktor Suppan und Julius Gellinek wurden von Kaiser ernannt. Jandl ernannte Franz Pajk, Johann Tripolt und Johann Unger zu Ortsgruppenleitern.

Im Juni 1940 trafen Kaiser und Jandl erstmals mit Hildegard Burger in Graz zusammen. Diese war von nun an ihre Verbindungsperson zur Landesleitung der KP. Burger forderte zunächst, dass der gesamte Mitgliedsbeitrag von 1 RM pro Person nach Graz abgeführt werden müsse. Man einigte sich letztendlich jedoch darauf, dass die Hälfte für örtliche Ausgaben im Kreis Voitsberg bleiben sollte. In der Folge kam Burger bis Juni 1941 laufend mit Kaiser oder Jandl zusammen, teils in Voitsberg, teils in Graz. Die Zusammenkünfte hatten organisatorische Fragen, die Abrechnung der Beiträge und die Versorgung des Bezirks Voitsberg mit kommunistischen Druckschriften zum Gegenstand. Zwischen Herbst 1940 und Juni 1941 erhielt Burger rund 500 RM an Mitgliedsbeiträgen von der Voitsberger Widerstandsgruppe. Das Geld lieferte sie an Josef Lazic ab. Von diesem erhielt sie auch kommunistisches Werbematerial, das sie an die Voitsberger Kommunisten weitergab.1310 Eine unmittelbare Verbindung zwischen Kaiser und der Leitung der KP in Graz stellte sie, wahrscheinlich aus Sicherheitsgründen, nicht her. Der Aufbau der Organisation erfolgte nach dem Verfahren der Ortsgruppengründung, Zellengründung und Erweiterung der Zellen durch Werbung neuer Mitglieder. Ursprünglich war geplant, dass keine Zelle mehr als 5 Mitglieder haben sollte. In der Praxis hielt man sich aber nicht daran. Die Folge waren weitaus größere Zellen in einigen Ortsgruppen. Kaiser und Jandl gelang es innerhalb nur eines Jahres nach ihrem ersten Treffen mit Hildegard Burger im Kreis Voitsberg einen kommunistischen Apparat aufzuziehen, der bei Beginn der Festnahmen im Juli 1941 mindestens 170 bis 180 Mitglieder umfasste.

1310 http://www.doew.at/cms/download/anasd/181_hildegard_burger.pdf. 215

Angaben zufolge, welche Mitglieder des Widerstandes nach dem Krieg machten, belief sich die Stärke des kommunistischen Widerstandes im Kreis Voitsberg sogar auf 250 bis 280 Mitglieder. Ein Blick auf die abgeführten Beiträge lässt ebenfalls auf eine Stärke von deutlich über 200 Personen schließen. Die an Burger abgelieferten Beitragshälften betrugen im Juni 1941 nämlich 145 RM.1311

Albin Kaiser wurde am 1. März 1895 in Wies geboren. Von 1922 bis 1927 gehörte er der Kommunistischen Partei an. Im Jahr 1927 wurde er wegen Trotzkismus aus der KP ausgeschlossen. Bereits 1929 wurde er wieder KP-Mitglied. In der Zeit des Ständestaates wurde Kaiser wiederholt wegen Verdachts verbotener Tätigkeit für die KP festgenommen. 1934 war er für einige Zeit im Anhaltelager Messendorf bei Graz interniert. Ab 1939 war er führend innerhalb der Roten Hilfe aktiv, ehe er ab Februar 1940 mit Johann Jandl den kommunistischen Widerstand im Kreis Voitsberg aufbaute. Zum Zeitpunkt seiner Verhaftung wohnte er in Voitsberg und war als Hilfsarbeiter tätig. Albin Kaiser wurde am 20. Juli 1941 verhaftet, am 31. Juli 1942 zum Tode verurteilt und am 30. September 1942 in Wien hingerichtet.1312

Johann Jandl wurde am 31. März 1903 in Tregist geboren. Von 1922 bis 1928 war er Mitglied der SDAP und der Freien Gewerkschaft. 1931 trat er der KP bei. Zum Zeitpunkt seines Eintritts in den kommunistischen Widerstand wohnte er in Tregist und arbeitete als Hilfsarbeiter. Johann Jandl wurde am 14. Juli 1941 verhaftet, am 31. Juli 1942 zum Tode verurteilt und am 30. September 1942 in Wien hingerichtet.1313

1. Ortsgruppe Voitsberg Ortsleiter: Albin Kaiser (bis Februar 1941), Franz Krepek (von Februar bis Juli 1941) Zellenleiter: Franz Krepek, Albin Kaiser, Nöhrer, Losch und Ledinegg Größe: Mindestens 21 Mitglieder1314

Die Ortsgruppe Voitsberg war die erste des kommunistischen Widerstandes im Kreis. Hier wurden die ersten Mitglieder der Organisation geworben, und zwar von August Watzinger,

1311 Ebd. 1312 Ebd. 1313 Ebd. 1314 Ebd. 216

Albin Kaiser und Johann Jandl. Letzterer veranlasste den Bergarbeiter Ledinegg, den Bauarbeiter Losch, den Tischlergehilfen Weißenhofer und den Pächter Tauber zum Beitritt zur Ortsgruppe. Kaiser gewann in Voitsberg seinen Sohn Albin Schlehner und den Maschinenschlosser Katzler für den Widerstand. Der spätere Ortsgruppenleiter Franz Krepek stieß im April 1940 auf Veranlassung von Ledinegg zur Ortsgruppe hinzu und baute eine eigene Zelle auf. Bereits im Juni 1940 warb Krepek den Bergarbeiter Schönbacher als erstes Zellenmitglied. Im August 1940 überredete er seinen Vater Franz Krepek sen. und im Oktober 1940 den Bergarbeiter Eduard Scherz zum Eintritt in die KP, sodass seine Zelle aus ihm als Zellenleiter und drei Mitgliedern bestand. Scherz und Schönbacher brachten wiederum je ein von ihnen geworbenes Mitglied in die Zelle, sodass die Stärke der Zelle auf sechs Personen anwuchs. Von März 1941 ließ sich Krepek dann auch noch von seiner Freundin Pauline Strohmaier monatlich 1 RM geben. Bis Februar 1941 führte Bezirksleiter Kaiser auch die Ortsgruppe Voitsberg. Ihm erschien es jedoch nicht passend beide Funktionen auszuüben. Krepek wurde daher im Februar oder März 1941 von Kaiser und Jandl dazu bewogen, das Amt des Ortsleiters in Voitsberg zu übernehmen. Kaiser führte jedoch weiterhin die von ihm gegründete Zelle innerhalb der Ortsgruppe Voitsberg. Von der Gestapo wurden 21 Personen der Mitgliedschaft in der Ortsgruppe Voitsberg beschuldigt. Im Juni 1941 versuchte Krepek während seines Urlaubs in Modriach auch dort eine kommunistische Zelle zu gründen. Er stellte an den dortigen Schneidermeister Anton Haas das Ansinnen, der KP beizutreten. Haas weigerte sich jedoch. Im Volksgerichtshofprozess war Haas als Zeuge angeführt.1315 Ob Haas nach Krepeks Anwerbeversuch von sich aus die Gendarmerie kontaktiert hat, ist nicht sicher, aber wahrscheinlich. Krepeks Mutter gab nach dem Krieg im Zuge des Volksgerichtsprozesses gegen Kreisleiter Eissner zu Protokoll, sie vermute, dass Haas, dessen Mutter und der damalige Modriacher Oberlehrer für die Anzeige gegen Franz Krepek verantwortlich waren.1316

Franz Krepek wurde am 4. Mai 1912 in Pölfing-Brunn geboren. Von 1925 bis 1934 hielt er sich in Belgien auf, wo er 1929 für einige Monate Mitglied der dortigen sozialdemokratischen Partei wurde. 1934 kehrte er nach Österreich zurück. 1938 bewarb er sich in Modriach um Aufnahme in die SA, wurde jedoch als Ausländer abgelehnt. Dies war laut eigener Aussage der Grund für seine spätere Tätigkeit in der KP gewesen. Zum Zeitpunkt seines Eintritts in den kommunistischen Widerstand wohnte Krepek in Tregist und arbeitete als Anstreicher. Er

1315 Ebd. 1316 Vr 5089/47-29. 217 wurde am 20. Juli 1941 festgenommen, am 29. Juli 1942 zum Tode verurteilt und am 30. September 1942 in Wien hingerichtet. Sein Vater Franz Krepek sen. starb während der Verbüßung seiner Haftstrafe.

2. Ortsgruppe Krems Ortsleiter: Franz Putz (bis Herbst 1940), Johann Unger (von Herbst 1940 bis Juli 1941) Zellenleiter: August Unger, Leitner und Karl Bretterklieber Größe: Mindestens 19 Mitglieder1317

Der Aufbau der Ortsgruppe Krems (Ortsteil von Voitsberg) wurde vom im Herbst 1940 zur Wehrmacht eingezogenen Fabriksarbeiter Franz Putz geleitet, der auch erster Ortsgruppenleiter war. Sein Nachfolger wurde Johann Unger, den Putz im Sommer 1940 anwarb. Dieser wandte sich nach der Übernahme der Ortsgruppe an den bereits als Zellenleiter für die KP tätigen Bergarbeiter Karl Bretterklieber und wies ihn an, die Beiträge in Zukunft an ihn abzuführen und dabei mitzuhelfen, die Organisation durch Werbung neuer Mitglieder weiter auszubauen, was Bretterkleiber auch tat. Unger selbst warb im Juni 1940 den Kesselheizer Leitner, im Juli oder August 1940 den Bergarbeiter Anton Walzl, im Jänner 1941 seinen Bruder August Unger und im Februar 1941 den Bergarbeiter Klöckl für den Widerstand an. Leitner und Unger gründeten jeweils eigene Zellen und warben dafür neue Mitglieder an. Im Juni 1941 führte Johann Unger 16 RM an Bezirkskassier Jandl ab. Von der Gestapo wurde 19 Personen die Mitgliedschaft in der Ortsgruppe Krems angelastet.

Johann Unger wurde am 18. Oktober 1901 in Voitsberg geboren. Er war von 1921 bis 1933 Mitglied der SDAP und der Freien Gewerkschaft. Außerdem gehörte er ab 1926 dem Schutzbund an. Während der Zeit des Austrofaschismus trat er dem Österreichischen Heimatschutz bei. Zum Zeitpunkt seines Eintritts in den kommunistischen Widerstand wohnte er in Voitsberg und war als Zellulosearbeiter beschäftigt. Johann Unger wurde am 21. Juli 1941 festgenommen, am 29. Juli 1942 zum Tode verurteilt und am 7. Oktober 1942 in Wien hingerichtet.

1317 Institut für Zeitgeschichte München (Hg.), Widerstand als Hochverrat. Die Verfahren gegen deutsche Reichsangehörige vor dem Reichsgericht, dem Volksgerichtshof und dem Reichskriegsgericht1933-1945, München 1998, Fiche 0333. 218

3. Ortsgruppe Bärnbach Ortsleiter: Franz Pajk Zellenleiter: Franz Pajk, Franz Hiebler, Edmund Bonaforte Größe: Mindestens 24 Mitglieder1318

Außerhalb der Gemeinde Voitsberg fasste der kommunistische Widerstand zuerst in Bärnbach Fuß. Bezirkskassierer Jandl warb den ihm gut bekannten Tattner an, der wiederum den Bergarbeiter Franz Pajk anwarb. Im April oder Mai 1940 traf Pajk erstmals mit Bezirkskassier Jandl zusammen. Dieser überzeugte ihn nach den von Bezirksleiter Albin Kaiser festgelegten Kriterien in Bärnbach eine Ortsgruppe der KP zu gründen. Kaiser selbst warb im Herbst 1940 den Bergarbeiter Schirgi für die Widerstandsgruppe an. Ortsgruppenleiter Pajk konnte in der Folge sehr schnell eine große Anzahl von Personen anwerben. Im Sommer 1940 die Bergarbeiter Neuhold, Pirstinger, Ernst Zwirn, Johann Pfeiffer und Franz Knoll, im März 1941 den Bergarbeiter Josef Königshofer und im April 1941 den Bergmann Franz Klug. Den Bergarbeiter Franz Hiebler welcher schnell eine eigene Zelle gründete konnte er ebenso zur Mitarbeit im kommunistischen Widerstand überreden, wie den Bergarbeiter Edmund Bonaforte, der ebenfalls eine Zelle gründete und als Zellenleiter drei Mitglieder unter sich hatte. Im Frühjahr 1940 warb er außerdem den Bergarbeiter Johann Tripolt für den Widerstand an. Dieser gründete und leitete bald danach die Ortsgruppe Rosental. Im Juni 1941 führte Pajk, der bereits im März desselben Jahres eine Verbindung mit Hildegard Burger herstellte und die von ihm gesammelten Beiträge von da an direkt an sie übergab, 11 RM an die Landesleitung der KP ab. Laut Gestapo bestand die Ortsgruppe Bärnbach zum Zeitpunkt ihrer Zerschlagung aus 24 Mitgliedern. Das Hauptgebiet ihrer Tätigkeit war der Bärnbacher Bergbau Marienschacht.

Franz Pajk wurde am 29. Juli 1900 in Rosental geboren. Von 1919 bis 1921 war er Mitglied der Freien Gewerkschaft. Vor 1933 hat er nicht der KP angehört. Zum Zeitpunkt seines Eintritts in die kommunistische Widerstandsorganisation wohnte er in Bärnbach und war dort im Bergbau Marienschacht als Bergarbeiter beschäftigt. Franz Pajk wurde am 21. Juli 1941 festgenommen, am 29. Juli 1942 zum Tode verurteilt und am 7. Oktober 1942 in Wien hingerichtet.

1318 Ebd. 219

4. Ortsgruppe Maria Lankowitz Ortsleiter: Julius Gellinek Zellenleiter: Julius Gellinek, Thomas Kirchleitner, Ernst Kormann, Franz Jammernegg, August Wultschnigg, Max Gubitzer Mitglieder: Mindestens 481319

Im Frühsommer 1940 wurde Julius Gellinek von seinen Arbeitskameraden Thomas Kirchleitner, Franz Jammernegg und Ernst Kormann gefragt, ob er Beziehungen zur KP habe. Danach versuchte er eine Verbindung zur kommunistischen Organisation herzustellen. Dies gelang ihm über die Person des Voitsberger Zellenleiters Ledinegg. Etwa im Spätherbst 1940 teilte Ledinegg Bezirksleiter Albin Kaiser mit, dass es im Bergbau Piberstein in der Gemeinde Maria Lankowitz einen Bergarbeiter namens Julius Gellinek gab, der sich ihm gegenüber bereit erklärt habe, für die KP zu arbeiten. Gellinek traf sich in der Folge mit Kaiser und erhielt von ihm die Anweisung eine Ortsgruppe des kommunistischen Widerstandes in Maria Lankowitz zu errichten. Gellinek teilte Kirchleitner, Jammernegg und Kormann Ende 1940 mit, dass er mit dem Aufbau einer Ortsgruppe der KP in Maria Lankowitz betraut wurde und wies sie an Zellen zu gründen. Außerdem wandte er sich an die Bergarbeiter August Wultschnigg und Max Gubitzer. Er gewann sie für die KP und veranlasste sie weitere Mitglieder zu werben und selbst Zellen zu gründen. Gellinek selbst warb den Verkäufer Ferdinand Petanjek im November 1940, den Bergarbeiter Martin Celestina im Dezember 1940 und Zettl im Jänner 1941 für den Widerstand an. Gellinek schuf vornehmlich im Bergbau Piberstein eine Organisation, in der unter ihm 6 Zellenleiter standen. Mit insgesamt 48 Mitgliedern war die kommunistische Widerstandsgruppe in Maria Lankowitz die größte im Kreis Voitsberg. Gellinek führte die von ihm gesammelten Beiträge an Albin Kaiser und an ab. Die Summe der an Kaiser abgeführten Beiträge stieg von anfangs 6 RM auf zuletzt 48 RM an. Die Ortsgruppe Maria Lankowitz war als erste von der ab Ende Juni 1941 einsetzenden Verhaftungswelle der Gestapo betroffen.

Julius Gellinek wurde am 22. Jänner 1901 in Wien geboren. Er war zwischen 1925 und 1926 Mitglied der Freien Gewerkschaft. 1936 oder 1937 schloss er sich aus Überzeugung der KP an. Zum Zeitpunkt seines Eintritts in den kommunistischen Widerstand wohnte er in Puchbach (heute Gemeinde Maria Lankowitz) und arbeitete im Bergbau Piberstein als

1319 Ebd. 220

Bergmann. Julius Gellinek wurde als erste der Führungspersonen des kommunistischen Widerstandes im Kreis Voitsberg am 3. Juli 1941 verhaftet. Am 29. Juli 1942 wurde er zum Tode verurteilt und am 7. Oktober 1942 in Wien hingerichtet.

5. Ortsgruppe Köflach Ortsleiter: Viktor Suppan Mitglieder: Mindestens 121320

Im Mai 1940 suchte Bezirksleiter Albin Kaiser den Privatbeamten Viktor Suppan aus Köflach in dessen Wohnung auf. Kaiser hatte schon im Jahre 1939 von Suppan laufend Spendengelder für die Angehörigen verhafteter Kommunisten im Rahmen der Roten Hilfe gesammelt. Unter den unterstützten Familien befand sich auch jene des Grazer Kesselschmieds August Pirker. Dieser stammte ursprünglich aus dem Kreis Voitsberg und war Mitglied der ersten Landesleitung der KP.1321 In der Folge forderte Kaiser Suppan dazu auf eine Ortsgruppe des kommunistischen Widerstandes in Köflach zu gründen. Suppan überzeugte bald darauf Johann Pracher davon dem Widerstand beizutreten und selbst neue Mitglieder zu werben. Pracher gewann einige Mitglieder, sodass Suppan eine Zelle mit mindestens 12 Mitgliedern leitete. Die tatsächliche Mitgliederzahl dürfte aber laut Gestapo weit höher gewesen sein, denn Suppan lieferte bis zu 30 RM an Monatsbeiträgen bei Bezirksleiter Kaiser ab.

Viktor Suppan wurde am 8. August 1904 in Köflach geboren. Bis zum Februar 1934 war er Mitglied der SDAP. Von 1932 bis 1933 gehörte er auch dem Schutzbund an. Zum Zeitpunkt seines Eintritts in die kommunistische Widerstandsorganisation wohnte Suppan in Köflach und arbeitete dort als Privatbeamter. Viktor Suppan wurde am 19. Juli 1941 verhaftet, am 29. Juli 1941 zum Tode verurteilt und am 7. Oktober 1942 in Wien hingerichtet. Bis zuletzt blieb er seinen Überzeugungen treu. An seine Frau schrieb er am Tag seiner Hinrichtung: „Um halb 8 Uhr abends bin ich für den Sozialismus gestorben. Vergiss nie, für was ich gestorben bin. Trage das Schicksal mit Mut, wie auch ich es tun muss.“1322

1320 Ebd. 1321 Heimo Halbrainer, Information gegen Freiheit oder Widerstand und Verrat am Beispiel der V-Leute der Gestapo in der Steiermark. In: 25. Österreichischer Historikertag. St. Pölten 2008, St. Pölten 2010, 138 und Heimo Halbrainer, „Sei nicht böse, dass ich im Kerker sterben muss.“ Die Opfer der NS-Justiz in Graz 1938 bis 1945. Ein Gedenkbuch, Graz 2014, 220. 1322 Heimo Halbrainer, „Sei nicht böse, dass ich im Kerker sterben muss.“ Die Opfer der NS-Justiz in Graz 1938 bis 1945. Ein Gedenkbuch, Graz 2014, 277. 221

6. Ortsgruppe Rosental Ortsleiter: Johann Tripolt Zellenleiter: Karl Amreich, Johann Turk, Albin Hatzelhofer, Josef Neuhold Unterzellenleiter: Franz Schuster, Karl Kellner, Karl Pirker, Josef Pessl Mitglieder: Mindestens 471323

Im Juni oder Juli 1940 begann der Aufbau der kommunistischen Widerstandsgruppe in Rosental. Der Schwerpunkt lag dabei im Bergbau Karlschacht. Franz Pajk, der Ortsgruppenleiter der kommunistischen Widerstandsorganisation in Bärnbach, warb den Bergmann Johann Tripolt für die KP an und brachte ihn mit Bezirkskassier Jandl zusammen. Dieser beauftragte ihn mit dem Aufbau der Ortsgruppe Rosental. Tripolt wies im Sommer 1940 den Bergarbeiter Karl Amreich, der durch den Bergarbeiter Opreschnig geworben worden war, an eine Zelle zu gründen und Mitglieder anzuwerben. Im Juli 1940 wurde der Bergarbeiter Albin Hatzelhofer und im November 1940 der Bergarbeiter Josef Turk von der Mitarbeit im kommunistischen Widerstand überzeugt. Beide gründeten bald ihre eigenen Zellen. Amreich, Hatzelhofer und Turk warben zahlreiche andere Bergarbeiter für ihre Zellen an. Die meisten Mitglieder, neun, hatte die Zelle von Amreich. Zusätzlich zu diesen drei Zellen entstand noch eine vierte Zelle die Josef Neuhold, der wie Tripolt vom Bärnbacher Ortsgruppenleiter Franz Pajk für den Widerstand angeworben wurde, leitete. Tripolt warb außerdem im Juni oder Juli 1940 seinen Bruder Karl Tripolt, im Sommer 1940 den Bergarbeiter Gider und im Mai 1941 den Bergarbeiter Pauritsch an. Von der Gestapo wurde 47 Personen die Mitgliedschaft in der Ortsgruppe Rosental des kommunistischen Widerstands angelastet. Die von Tripolt an Bezirkskassier Jandl abgelieferten Beiträge beliefen sich im Juni 1941 auf 47 RM.

Johann Tripolt wurde am 18. Juli 1909 in Köflach geboren. Von 1925 bis 1926 war er Mitglied der Sozialistischen Arbeiterjugend. Mitglied der Freien Gewerkschaft war Tripolt lediglich für sieben Monate im Jahr 1927. Später nahm er an Schutzbundveranstaltungen teil. Im April 1933 wandte Tripolt sich dem Nationalsozialismus zu, trat dem SA-Sturm Rosental bei und blieb einige Zeit in der SA. Tripolt gab vor Gericht an aus Unzufriedenheit mit seinen wirtschaftlichen Verhältnissen zur Tätigkeit in der KP veranlasst worden zu sein. Zum

1323 Ebd. 222

Zeitpunkt seines Eintritts in den kommunistischen Widerstand arbeitete er als Bergmann im Bergbau Karlschacht und wohnte in Untergraden. Johann Tripolt wurde am 20. Juli 1941 verhaftet, am 29. Juli 1942 zum Tode verurteilt und am 7. Oktober 1942 in Wien hingerichtet.

Bei näherer Betrachtung der Ortsgruppen fällt auf, dass das Hauptoperationsgebiet des kommunistischen Widerstandes in den Bergbaubetrieben lag. Die mit Abstand größten Ortsgruppen bestanden in den Gemeinden Rosental und Maria Lankowitz, in denen sich mit dem Karlschacht und dem Bergbau Piberstein große Bergbaugebiete befanden. Die Sozialstruktur der Mitglieder sowie der Führung des kommunistischen Widerstandes war erwartungsgemäß homogen. Mit Ausnahme des Köflacher Ortsgruppenleiters Viktor Suppan, der Beamter war, gehörten alle Ortsgruppenleiter der Arbeiterklasse an.

Einige der führenden Köpfe des kommunistischen Widerstandes im Kreis Voitsberg waren während der Ersten Republik zumindest zeitweise in der Sozialdemokratie engagiert. Johann Unger, Viktor Suppan und Johann Jandl waren viele Jahre lang Mitglieder der SDAP. Jedoch war keiner von ihnen ein Spitzenfunktionär. Die ehemaligen sozialdemokratischen Eliten des Kreises Voitsberg verhielten sich im Gegensatz zu manchen einfachen Sozialdemokraten oder Schutzbundmitgliedern in der NS-Zeit eher passiv. Von Seiten der Nationalsozialisten wurde vor allem unmittelbar nach dem „Anschluss“ massiv um die überwiegend sozialdemokratische Arbeiterschaft geworben, die sich von der neuen Regierung eine Verbesserung ihrer Lebensverhältnisse erhoffte.1324 Einzelne Führungspersönlichkeiten der alten SDAP wurden dabei von der lokalen NS-Führungsriege durchaus mit Nachsicht behandelt. Kreisleiter Weißensteiner schützte beispielsweise die hohen Voitsberger SDAP- Funktionäre Karl Bergmann und Hans Blümel, die er zunächst vergeblich von der nationalsozialistischen Ideologie überzeugen wollte. So durfte Blümel, gegen den viele Anzeigen von nationalsozialistischer Seite vorlagen, nach einer Intervention des Kreisleiters sein Gasthaus offenhalten. Im Gegenzug dafür sollte er sich nicht politisch betätigen, woran er sich allem Anschein nach auch hielt. Ab 1940 arbeitete Blümel, der vor der Zeit des Ständestaates Vizebürgermeister von Voitsberg war, sogar im Reichsluftschutzbund mit. Nach dem Ende des NS-Regimes wurde Blümel Bürgermeister von Voitsberg und Nationalratsabgeordneter. Gegen Bergmann, den späteren Bezirksobmann der SPÖ gingen während der Amtszeit von Kreisleiter Weißensteiner 15 Anzeigen ein, die dieser allesamt ignorierte und ihn wie schon Blümel lediglich dazu aufforderte sich nicht politisch zu

1324 Siehe Kapitel Nationalsozialismus zwischen 1938 und 1945 im Kreis Voitsberg. 223 betätigen. Nach dem Ende des NS-Regimes sagten sowohl Bergmann als auch Blümel in den Volksgerichtsprozessen zugunsten von Weißensteiner aus.1325 Obwohl weder Blümel noch Bergmann mit den Nationalsozialisten kollaborierten, wie zum Beispiel der ehemalige SDAP- Bürgermeister der heute zu Voitsberg gehörenden Gemeinde Kowald, Felix Lesky,1326 trugen sie mit ihrer Zurückhaltung zum Funktionieren der nationalsozialistischen Strategie gegenüber den Sozialdemokraten bei.

Diese Strategie des Entgegenkommens gegenüber den Sozialdemokraten, bei gleichzeitiger rücksichtsloser Verfolgung von Kommunisten, wurde reichsweit zur „politischen Befriedung“ angewandt. Jedoch war die Durchführung dieser generellen Strategie in Gebieten mit großem Arbeiteranteil von besonderer Bedeutung. Alles in allem gelang es der lokalen NS- Führungsriege auch im Kreis Voitsberg die sozialdemokratischen Eliten ruhig zu stellen. Auf ihre Seite ziehen konnten sie allerdings nur die wenigsten. Jedoch war schon die Ruhigstellung der meisten ehemaligen Sozialdemokraten ein großer Erfolg für den NS-Staat.

Die Formen des kommunistischen Widerstandes waren vielfältig. Aktionen wurden sowohl in Betrieben als auch in den Städten des Kreises durchgeführt. Das Ziel des innerbetrieblichen Widerstandes war es vor allem, den Produktionsablauf zu stören. Dies geschah meist durch die vorsätzliche Beschädigung von Maschinen.1327 Laut Karl Kellner, einem Unterzellenleiter der Ortsgruppe Rosental, wurden im Zuge der kommunistischen Tätigkeit im Bergbau Karlschacht mehrere Kilo Sprengstoff gestohlen.1328 Weitere Sprengstoffdiebstähle, allerdings im Bergbau Piberstein, im Bereich der Ortsgruppe Lankowitz, waren der Auslöser für die Aufdeckung und spätere Zerschlagung des kommunistischen Widerstandes.1329

Auch das gemeinschaftliche Fernbleiben von der Arbeit war eine effektive Form des Widerstandes. Des Weiteren gab es Propagandaaktionen, bei denen kommunistische Zeichen und Parolen auf Wände oder Straßen gemalt wurden.1330 Außerdem wurde unter den Mitgliedern der Widerstandsgruppe die kommunistische Flugschrift, „Der Rote Stoßtrupp“

1325 Siehe Kapitel Entnazifizierung und Aufarbeitung 1326 Siehe Kapitel Nationalsozialismus zwischen 1938 und 1945 im Kreis Voitsberg und Kapitel Entnazifizierung und Aufarbeitung. 1327 Ebd., 67. 1328 Steininger, Nationalsozialismus in Voitsberg, 67. 1329 Vgl.: StLa, BH VO 1940 Zl. 14 Wi 3/2-40 und Wi 3/3-40. 1330 Ebd., 68. 224 verbreitet.1331 „Der Rote Stoßtrupp“ wurde vom kommunistischen Lehrer Richard Zach aus Graz herausgegeben. Zwischen Herbst 1940 und Frühjahr 1941 erschienen drei oder vier Ausgaben. Einige Exemplare gelangten über Josef Lazic und Hildegard Burger in den Kreis Voitsberg, wo sie von Kaiser und Jandl an die Ortsgruppenleiter des kommunistischen Widerstandes weitergegeben wurden.1332 Natürlich blieben die Aktivitäten der Voitsberger Kommunisten trotz zahlreicher Vorsichtsmaßnahmen nicht unbemerkt. So meldete der Gendarmerieposten Lankowitz dem Landrat im Juni 1941: „ Die inländische Bergarbeiter des Bergbaues Piberstein arbeiten weniger und zeigen sich mürrisch. Dies führt zu einem Rückgang in der Kohlenproduktion. Ursachen für die Verschlechterung der Stimmung konnten nicht festgestellt werden, doch erscheint der Verdacht begründet, dass sich im Bergwerk mehrere KP-Angehörige befinden, welche die Arbeiterschaft ungünstig beeinflussen.“1333 Einige Verdächtige wurden auch in die Kreisleitung geladen und von Weißensteiner zunächst abgemahnt.1334 Den Hauptschlag gegen den Widerstand führte die Gestapo. Dieser gelang es, bereits kurz nach dem „Anschluss“ im März 1938 die kommunistische Widerstandsbewegung in ihrer Gesamtheit durch V-Leute zu unterwandern.1335 Dies war wohl letztendlich auch ein Grund für die rasche Zerschlagung der Voitsberger Widerstandsgruppe.

Zerschlagung des kommunistischen Widerstandes Die Verhaftungswelle, welche den kommunistischen Widerstand im Kreis Voitsberg praktisch auslöschte, dauerte von Juli bis September 19411336 und begann kurze Zeit, nachdem im Bergbau Piberstein in der Gemeinde Maria Lankowitz eine bedeutende Menge Sprengstoff entwendet worden war.1337 Dieser Diebstahl ereignete sich am 25. Juni 1941,1338 also drei Tage nach dem Beginn des Krieges gegen die Sowjetunion. Der Zeitpunkt dürfte wohl kein Zufall gewesen sein. Wahrscheinlich beschloss der kommunistische Widerstand, der bis dahin durch den Hitler-Stalin Pakt in seiner Handlungsfreiheit beschränkt war, nun

1331 Vgl.: StLa, Vr 5001/47 – 77-79 und Institut für Zeitgeschichte München (Hg.), Widerstand als Hochverrat. Die Verfahren gegen deutsche Reichsangehörige vor dem Reichsgericht, dem Volksgerichtshof und dem Reichskriegsgericht1933-1945, München 1998, Fiche 0333. 1332 http://www.doew.at/cms/download/anasd/181_hildegard_burger.pdf 1333 StLa, BH VO, 1940, Karton 294, Zl 14, Wi 1 Lankowitz 21. Juni 1941. 1334 StLa, VR 5001/47 -64. 1335 Vgl.: Wolfgang Neugebauer, Widerstand in der Steiermark. Zu Struktur, Stellenwert und Größenordnung des steirischen Widerstandes, in: Heimo Halbrainer/ Gerald Lamprecht/ Ursula Mindler (Hrsg.), NS-Herrschaft in der Steiermark. Positionen und Diskurse, Graz 2012, 305. 1336 StLa, VR 5001/47 -77-79. 1337 Vgl.: Walter Brunner (Hg.), Geschichte und Topographie des Bezirkes Voitsberg. Band 2: Bezirkslexikon, Graz 2011, 190. 1338 StLa, BH VO, 1940, Karton 294 Zl. 14 Wa-Wi1, Bericht des Landrates an den Reichsstatthalter vom 26. Juni 1941. 225 aktiver zu werden. Zwischen 16 und 18 Uhr wurden zahlreiche Sprengpatronen gestohlen. Die unmittelbar nach dem Bekanntwerden des Diebstahls eingeleiteten Ermittlungen führte die Gestapo im Einvernehmen mit dem Gendarmerieposten Lankowitz durch.1339 Bis zum 28. Juni gelang es der Gestapo und der Gendarmerie Lankowitz den Diebstahl zu rekonstruieren. Während eines Grubenunfalls eines seiner Kollegen verließ ein Hauer seine Dienststelle und ließ eine versperrte Kiste mit Sprengpatronen zurück. Nachdem der verletzte Kollege versorgt war, kehrte der Hauer an seinen Arbeitsplatz zurück und fand die Kiste aufgebrochen vor. Insgesamt wurden 22 Sprengpatronen mit einem Gewicht von 4,80 kg entwendet. Der Verdacht fiel sofort auf KP-Angehörige. 16 Bergarbeiter kamen als Täter in Frage.1340

Kurze Zeit später, am 3. Juli 1941,1341 wurden die Bergarbeiter Franz Schnidar, Thomas Kirchleitner und Simon Scherr wegen des Sprengstoffdiebstahls verhaftet. Alle drei bestritten den Diebstahl.1342 Laut Gendarmerie wurde im Zuge der Ermittlungen eine kommunistische Zelle aufgedeckt.1343 Da der kommunistische Widerstand steiermarkweit bereits unterwandert war, ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass die Gestapo bereits vor dem Sprengstoffdiebstahl von der Existenz einer kommunistischen Widerstandsorganisation im Bergbau Piberstein wusste. Diesen Schluss legt auch die Tatsache nahe, dass im Jahr 1941 die gesamte steirische Landesleitung der KP zerschlagen wurde. Für die Liquidierung der Landesleitung war Gestapo V-Mann Kurt Koppel verantwortlich. Der hochrangige KP-Funktionär Herbert Eichholzer lieferte Koppel einen detaillierten Bericht über seine Tätigkeit und den Aufbau des kommunistischen Widerstandsnetzwerkes. Dadurch waren der Gestapo die Verbindungen in die Steiermark bekannt. Sie wartete jedoch bis Ende Jänner 1941 zu, um auch die letzten Kontakte durch Beobachtungen in Erfahrung zu bringen, ehe sie ab dem 1. Februar mit den Verhaftungen in der Steiermark begann. Da es der Landesleitung um Drews, Weiß, Neuhold und Kröpfl gelungen war, Kontakte in mehrere Bezirks- und Industriestädte aufzubauen und diese u.a. mit illegaler Literatur und Flugblättern zu versorgen, waren die Folgen für den kommunistischen Widerstand verheerend. In Graz, Graz-Umgebung und im obersteirischen

1339 Ebd. 1340 StLa, BH VO, 1940, Karton 294 Zl 14 Wi 3/2 28. Juni 1941. 1341 StLa, VR 5001/47 -77-79. 1342 Vgl.: StLa, BH VO, 1940, Karton 294 Zl 14 Wi 3/3 12. Juli und 23. Juli 1941. 1343 StLa, BH VO, 1940, Karton 294 Zl 14 Wi 3/3 12. Juli 1941. 226

Fohnsdorf kam es wie im Kreis Voitsberg zu zahlreichen Verhaftungen, welche den kommunistischen Widerstand beinahe auslöschten.1344

Im Bergbau Piberstein wurde zusammen mit den Sprengstoffdieben auch Julius Gellinek, der Leiter der kommunistischen Ortsgruppe von Maria Lankowitz, verhaftet, obwohl er mit dem Diebstahl unmittelbar nichts zu tun hatte.1345 Gellineks Funktion war der Gestapo wohl bereits aufgrund der Informationen des V-Manns Koppel bekannt. Sollte dies nicht der Fall gewesen sein, erfuhr sie jedoch spätestens nach der Verhaftung von Dr. Franz Weiß, Karl Drews, Herbert Eichholzer und Josef Neuhold Anfang Februar 1941 von Gellinek.1346 Das ganze Ausmaß des kommunistischen Widerstandes wurde den Nationalsozialisten im Zuge der zahlreichen Verhaftungen nach und nach klarer. Bis Mitte Juli wurde bekannt, dass Mitgliedsbeiträge (1 RM pro Monat) eingehoben wurden. Außerdem wurde bekannt, dass der Widerstand kommunistische Flugblätter mit dem Titel „Der rote Stoßtrupp“ unter seinen Mitgliedern verbreitete.

Am 10. Juli wurden die Bergarbeiter Vinzenz Rauchegger, Max Riedl, Johann Winterleitner und Ernst Kormann festgenommen und ins Polizeigefängnis Graz eingeliefert.1347 Dies war erst der Anfang der großen Verhaftungswelle. Über das Schicksal der Sprengstoffdiebe Schnidar, Kirchleitner und Scherr ist nichts Genaues bekannt. Ihre Namen scheinen nicht auf der Opferliste des KZ-Verbandes, der Opferliste des DÖW und auch nicht auf dem Denkmal für die ermordeten Widerstandskämpfer des Kreises Voitsberg auf. Daher ist anzunehmen, dass alle drei die NS-Herrschaft überlebt haben.

Am 14. Juli 1941 wurden Franz Jammernegg, August Wultschnigg, Max Gubitzer, Martin Celestina, Johann Riedl, Franz Dengg, Franz Winterleitner, Karl Winterleitner, Lotte Babin und Ferdinand Petanjak festgenommen. Alle Verhafteten gehörten der Ortsgruppe Maria Lankowitz an. Die Verhaftungen führte die Gestapo unter Mitwirkung des Gendarmeriepostens Lankowitz durch. Ferdinand Petanjak und Franz Dengg starben während der Verbüßung ihrer Haftstrafen. Petanjak wurde am 19. Februar 1945 Opfer eines alliierten Bombenangriffs auf Graz, in dessen Verlauf auch die Strafanstalt Karlau, in der er inhaftiert

1344 Heimo Halbrainer, Information gegen Freiheit oder Widerstand und Verrat am Beispiel der V-Leute der Gestapo in der Steiermark. In: 25. Österreichischer Historikertag. St. Pölten 2008, St. Pölten 2010, 139-141. 1345 Vgl.: StLa, BH VO, 1940, Karton 294 Zl 14 Wi 3/3 12. Juli und 23. Juli 1941. 1346 Heimo Halbrainer, „Sei nicht böse, dass ich im Kerker sterben muss.“ Die Opfer der NS-Justiz in Graz 1938 bis 1945. Ein Gedenkbuch, Graz 2014, 210-212. 1347 StLa, BH VO, 1940, Karton 294 Zl 14 Wi 3/3 12. Juli 1941. 227 war, getroffen wurde. Franz Jammernegg fiel dem Massaker in der Strafanstalt Stein an der Donau, am 6. April 1945 zum Opfer.1348

Am selben Tag gelang es der Gestapo bereits mit der Verhaftung von Johann Jandl, den Bezirkskassier des kommunistischen Widerstandes in ihre Gewalt zu bringen. In der Folge wurden zwischen 19. und 21. Juli mit Johann Unger, Franz Pajk, Franz Krepek, Viktor Suppan und Johann Tripolt alle Ortsgruppenleiter des kommunistischen Widerstandes verhaftet. Am 20. Juli wurde Bezirksleiter Albin Kaiser verhaftet. Weniger als ein Monat nach den ersten Verhaftungen befand sich die gesamte Führung des kommunistischen Widerstandes im Kreis Voitsberg hinter Gittern.1349 Die Verhaftungswelle dauerte jedoch weiter an und richtete sich nun gegen die Zellenleiter, Unterzellenleiter und einfachen Mitglieder der Widerstandsorganisation.

Unter Mitwirkung von Beamten der Gendarmerie Lankowitz wurden am 21. Juli 1941 Johann Wenninger, Vinzenz Wenninger, Josef Grünwald, Heinrich Stiboller, Franz Hödl und Heinrich Schellander verhaftet. Wie schon bei der Verhaftungswelle vom 14. Juli gehörten alle Verhafteten der kommunistischen Ortsgruppe Maria Lankowitz an.1350 Vinzenz Wenninger starb während der Verbüßung seiner Haftstrafe am 1. Juni 1944 in der Haftanstalt Stein an der Donau.1351

Am 5. August 1941 erfolgten die Verhaftungen von Edmund Bonaforte, Johann Pfeiffer, Theodor Laber, Franz Hiebler, August Unger, Josef Nöhrer, Florian Ruhri, Karl Bretterklieber, Anton Walzl, Karl Amreich, Josef Turk, Albin Hatzlhofer, Albin Schlehner, Franz Leitner, Johan Klampfl, Josef Birnstingl und Franz Katzler.1352 Theodor Laber kam am 16. Jänner 1945 während der Verbüßung seiner Haftstrafe in der Strafanstalt Karlau in Graz ums Leben. Karl Bretterklieber starb an den Folgen des bereits erwähnten Bombenangriffs vom 19. Februar 1945, der auch seinem Mithäftling Ferdinand Petanjak das Leben gekostet hatte.1353

1348 StLa, BH VO, 1940, Karton 294, Zl 14, Wi 3/3 15. Juli 1941. und Steininger, Nationalsozialismus in Voitsberg, 81-84. 1349 Vgl.: StLa, Vr 5001/47 – 77-79 und Institut für Zeitgeschichte München (Hg.), Widerstand als Hochverrat. Die Verfahren gegen deutsche Reichsangehörige vor dem Reichsgericht, dem Volksgerichtshof und dem Reichskriegsgericht1933-1945, München 1998, Fiche 0333. 1350 StLa, BH VO, 1940, Karton 294, Zl 14, Wi 3/3 22. Juli 1941. 1351 StLa, VR 5001/47 -77-79. 1352 StLa, BH VO, 1940, Karton 294, Zl 14, Wi 3/3 13.8.1941. 1353 StLa, VR 5001/47 -77-79. 228

Am 8. August wurde Pauline Strohmaier, die Freundin von Franz Krepek, wegen der Zahlung von Mitgliedsbeiträgen an diesen verhaftet. Weitere fünf Tage später, am 13. August 1941 wurden Johann Klampfl, Karl Tarmann, Friedrich Prem, Michael Frohmann, Josef Pöllinger, Karl Wretschko und Anton Wretschko festgenommen. Alle Genannten waren als Bergarbeiter im Kohlebergbau Piberstein beschäftigt. Karl Tarmann wurde nach dem Krieg zum Bürgermeister von Maria Lankowitz gewählt.1354

Im Bergbau Marienschacht in Bärnbach wurden im August 1941 Josef Zöhrer, Johann Pürstinger, Ernst Zwirn, Franz Klug, Josef Königshofer, Alois Lagresser, Josef Laky, Hubert Hofer, Josef Neuhold, Franz Hiebler, Norbert Eberhard, Josef Eberhard, Otto Cisar und Franz Knoll verhaftet.1355 Josef Neuhold, Norbert Eberhard und Otto Cisar fielen dem Massaker in der Strafanstalt Stein an der Donau, am 6. April 1945 zum Opfer. 1356

Der Gendarmerieposten Voitsberg meldete am 29. August 1941 die Festnahme von 50 Kommunisten innerhalb des Rayons.1357 Genauere Angaben zum Datum der Verhaftung und zu den Personen wurden nicht gemacht. Aus Köflach erreichte den Landrat im August und September die Nachricht von der Verhaftung von 20 Kommunisten, darunter befand sich mit Heinrich Janko auch ein NSDAP-Mitglied. Im Bericht des Monats Juli war lediglich von Verhaftungen die Rede, ohne eine konkrete Anzahl oder die Namen der betroffenen Personen zu nennen.1358 Heinrich Janko starb bereits am 15. Jänner 1942 während der Verbüßung seiner Haftstrafe im KZ Flossenbürg.1359

In Edelschrott erfolgten vier Verhaftungen von Kommunisten. Außerdem berichtet der Postenkommandant dem Landrat davon, dass der bereits verhaftete Voitsberger Bergarbeiter Franz Krepek, Ortsgruppenleiter der Voitsberger Widerstandsgruppe, im Postengebiet Edelschrott kommunistische Propaganda in Form von Mitgliederwerbung betrieben hatte.1360 Im September 1941 meldete der Bürgermeister der Gemeinde Arnstein dem Landrat die Verhaftung von drei Kommunisten. Es handelte sich dabei um Franz Pick, Franz Walch und

1354 Peter Weißnar, Maria Lankowitz. Porträt einer Marktgemeinde, Maria Lankowitz 2015, 162. 1355 StLa, BH VO, 1940, Karton 294, Zl 14, Wi 1 Bärnbach 25. August 1941. 1356 StLa, VR 5001/47 -77-79. 1357 StLa, BH VO, 1940, Karton 294, Zl 14, Wi 1 Voitsberg, 29. August 1941. 1358 StLa, BH VO, 1940, Karton 294, Zl 14, Wi 1 Köflach 25. Juli 1941, 25. August und 25. September 1941. 1359 StLa, VR 5001/47 -77-79 und DÖW. 1360 StLa, BH VO, 1940, Karton 294, Zl 14, Wi 1 Edelschrott 27 Oktober 1941. 229

Franz Schörgi. Im Anschluss daran stellte der Bürgermeister klar, dass es im Gebiet seiner Gemeinde nach den Verhaftungen keine kommunistische Tätigkeit mehr geben würde.1361 Franz Schörgi fiel dem Massaker in der Strafanstalt Stein an der Donau am 6. April 1945 zum Opfer.1362

Am 16. September wurden Max Mritzer, Franz Münzer, Leopold Vogrinetz, Franz Skralitz, Max Müller und Viktor Baumgartner verhaftet.1363 Die Verhaftungen wurden von der Gestapo und der Gendarmerie Lankowitz durchgeführt.1364 Viktor Baumgartner starb zwischen Ende April und Anfang Mai 1945, während der Verbüßung seiner Haftstrafe in der Justizvollzugsanstalt Kaisheim in Bayern.1365

Insgesamt wurden 160 Personen verhaftet.1366 Parallel zu den Verhaftungen im Bergbau wurde auch im Holzbauwerk Krems in Voitsberg eine Verhaftungswelle durchgeführt.1367 Innerhalb von vier Monaten war der kommunistische Widerstand im Kreis Voitsberg faktisch ausgelöscht. 12 der angeklagten Kommunisten wurde Hochverrat vorgeworfen. Damit wurde der kommunistische Widerstand für alle „Hochverratstaten“ im Kreis Voitsberg während der gesamten Zeit der NS-Herrschaft verantwortlich gemacht.1368

Die Hauptverhandlung gegen die sechs Ortsgruppenleiter des kommunistischen Widerstandes im Kreis Voitsberg fand am 29. Juli 1942 statt. Geführt wurde das Verfahren vom Senat 2 des Volksgerichtshofs. Das Verfahren muss als Schauprozess bezeichnet werden. Die Anklage lautete auf Vorbereitung zum Hochverrat, den Versuch der gewaltsamen Abtrennung der „Alpengaue“ vom Reich und in vier Fällen auch auf die Verbreitung kommunistischer Flugschriften. Als Zeugen wurden bis auf den bereits erwähnten Anton Haas aus Modriach ausschließlich verhaftete Mitglieder des Widerstandes angeführt. Nach der Darstellung des Sachverhalts vonseiten der Reichsanwaltschaft hielt das Gericht vor der Urteilsverkündung lediglich fest, dass alle Angeklagten diesen seinem äußeren Verlauf nach zugegeben hätten.

1361 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Bürgermeister von Arnstein an Landrat, Lagebericht September 1941. 1362 StLa, VR 5001/47 -77-79. 1363 StLa, BH VO, 1940 Karton 294, Zl 14, Wi 1 Lankowitz 24. September 1941. 1364 StLa, BH VO, 1940, Karton 294, Zl 14, Wi 3/3 13.8.1941. 1365 StLa, VR 5001/47 -77-79 und DÖW. Der KZ-Verband gibt den 3. Mai 1945 als Todesdatum an. Laut DÖW starb Baumgartner am 25. April 1945. 1366 StLa, VR 5001/47 -77-79. 1367 Vgl.: Walter Brunner (Hg.), Geschichte und Topographie des Bezirkes Voitsberg. Band 2: Bezirkslexikon, Graz 2011, 159. 1368 Vgl.: Wolfgang Neugebauer, Widerstand in der Steiermark. Zu Struktur, Stellenwert und Größenordnung des steirischen Widerstandes, in: Heimo Halbrainer/ Gerald Lamprecht/ Ursula Mindler (Hrsg.), NS-Herrschaft in der Steiermark. Positionen und Diskurse, Graz 2012, 301. 230

Die Angeklagten Krepek, Pajk, Suppan, Tripolt, Gellinek und Unger wurden schließlich wegen Vorbereitung zum Hochverrat zum Tode verurteilt. Pajk, Tripolt, Gellinek und Unger wurden auch wegen der Verbreitung kommunistischer Flugschriften verurteilt. Vom Anklagepunkt der gewaltsamen Loslösung der Alpengaue vom Reich wurden die Angeklagten freigesprochen.1369

Zwei Tage später, am 31. Juli 1941, fand vor demselben Gericht die Verhandlung gegen Bezirksleiter Albin Kaiser und Bezirkskassier Johann Jandl statt. Mit ihnen war noch Karl Kilzer angeklagt. Letzterer fungierte für die KP als Kurier zwischen Voitsberg und Graz. Die Anklagepunkte waren dieselben wie bei der Verhandlung gegen die Ortsgruppenleiter. Sämtliche Zeugen waren Mitglieder des kommunistischen Widerstandes, darunter auch Hildegard Burger.1370 Diese musste wohl im Anschluss noch bei mehreren Verhandlungen aussagen, da ihr eigener Prozess erst am 20. Mai 1943 stattfand. Burger wurde dabei vom Senat 7 des OLG Wien zum Tode verurteilt.1371 Ihre Hinrichtung erfolgte am 23. September 1943 in Graz.1372 Ihr „Vorgesetzter“ Josef Lazic, an den sie alle Mitgliedsbeiträge ablieferte und von dem sie Werbematerial bekam, wurde bemerkenswerterweise „nur“ zu 8 Jahren Haft verurteilt. Wahrscheinlich war die Tatsache das Lazic, der zum Zeitpunkt seiner Verhaftung in der Wehrmacht diente, vor ein Kriegsgericht und nicht vor das Volksgericht gestellt wurde für seine vergleichsweise milde Strafe ausschlaggebend. Laut Urteilsbegründung wurde von der Verhängung der Todesstrafe gegen Lazic abgesehen, da bei ihm nach seiner Einberufung zur Wehrmacht ein Gesinnungswandel stattgefunden hätte. Außerdem hätte er sich als guter Soldat erwiesen.1373

Kaiser und Jandl wurden wie die ihnen unterstehenden Ortsgruppenleiter des kommunistischen Widerstandes im Kreis Voitsberg zum Tode verurteilt. Verurteilt wurden sie wegen Vorbereitung zum Hochverrat und wegen der Verbreitung kommunistischer Flugschriften. Karl Kilzer wurde ebenfalls zum Tode verurteilt. Alle drei wurden am 30. September 1942 in Wien hingerichtet. In der Urteilsbegründung hieß es in Bezug auf Kaiser und Jandl: „Sie sind in die Reihe der ärgsten und gefährlichsten Staatsfeinde eingetreten, die

1369 Institut für Zeitgeschichte München (Hg.), Widerstand als Hochverrat. Die Verfahren gegen deutsche Reichsangehörige vor dem Reichsgericht, dem Volksgerichtshof und dem Reichskriegsgericht 1933-1945, München 1998, Fiche 0333. 1370 Ebd. 1371 Heimo Halbrainer, Falter 49/14, 3. Dezember 2014. 1372 DÖW 1373 http://www.doew.at/cms/download/anasd/181_hildegard_burger.pdf. 231 die innere Front unterhöhlen und so den Boden für die von ihnen erstrebte Bolschewisierung Deutschlands vorzubereiten versuchen. Sie haben damit ihr Volk verraten und müssen deshalb als Volksverräter mit der härtesten Strafe belegt werden, die das Gesetz zulässt“. An einer anderen Stelle der Begründung führte das Gericht in einem durchaus überraschten Ton an, dass Kaiser und Jandl durch ihre hartnäckigen und systematischen Bestrebungen einen ungewöhnlichen Erfolg erzielt hatten. Durch die Stärke der von ihnen geleiteten Widerstandsorganisation wurde diese laut Gericht zu einer Bedrohung der inneren Sicherheit des Reiches.1374

Den Vorsitz über beide Verhandlungen gegen die leitenden Mitglieder des kommunistischen Widerstandes im Kreis Voitsberg führte der Vizepräsident des Volksgerichtshofs SS- Oberführer Karl Engert. Weiteres fungierten als Richter der Kammergerichtsrat Diescher, SS- Oberführer Friedrich Tscharmann, Oberstudienrat Heinlein sowie der Polizeipräsident von Magdeburg, SS-Brigadeführer Andreas Bolek. Letzterer war von 1927 bis zum Verbot der NSDAP 1933 Gauleiter von Oberösterreich. Als Vertreter des Oberreichsanwalts fungierte der Erste Staatsanwalt Bischoff.1375

Im Mai 1944 wurde mit Bruno Rauch ein weiterer Kommunist aus dem Kreis Voitsberg zum Tode verurteilt. Das Urteil wurde am 4. Jänner 1945 in Graz vollstreckt. 22 verhaftete Kommunisten starben während ihrer Haft, acht davon beim Massaker in der Strafanstalt Stein an der Donau am 6. April 1945, kurz vor ihrer Befreiung. Einige weitere Verurteilte mussten zur Bewährung an die Front und wurden dort getötet, verwundet oder gerieten in Gefangenschaft.1376 Dass es für die Kommunisten und ihre Tätigkeit durchaus Sympathie innerhalb der Kreisbevölkerung gab, zeigte das Begräbnis von Anton Langmann. Dieser hatte sich in der Haft erhängt und wurde dennoch in seiner Heimatstadt Voitsberg kirchlich beerdigt. Am Begräbnis, das vom Voitsberger NSDAP-Ortsgruppenleiter Karl Strasser beobachtet wurde, nahmen über 100 Personen teil.1377

1374 Institut für Zeitgeschichte München (Hg.), Widerstand als Hochverrat. Die Verfahren gegen deutsche Reichsangehörige vor dem Reichsgericht, dem Volksgerichtshof und dem Reichskriegsgericht 1933-1945, München 1998 Fiche 0333. 1375 Ebd. 1376 StLa, VR 5001/47 – 77-79. 1377 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 NSDAP-Ortsgruppe Voitsberg an Kreisleitung und Landrat 25. August 1942. 232

Neben den beschriebenen Hochverratsprozessen, die allesamt mit der Verhängung der Todesstrafe endeten, fanden vor dem Oberlandesgericht Wien zwischen Februar und April 1943 Verfahren gegen über 120 Zellenleiter und einfache Mitglieder des kommunistischen Widerstandes im Kreis Voitsberg statt.1378 In 52 von Friedrich Josef Steininger untersuchten Fällen verhängte der Senat 7 des OLG Wien gegen die Angeklagten Strafen, die sich auf 250 Jahre Zuchthaus summierten. Drei der 52 Angeklagten wurden auch wegen Treuebruchs verurteilt, was sich erschwerend auf ihre Strafe auswirkte. Zwei von ihnen waren Mitglieder der SA, der dritte NSDAP-Mitglied. Dieser wurde 1939 sogar zum Blockleiter in Pichling bestellt.1379 Besonders hohe Haftstrafen wurden gegen die Zellenleiter Karl Amreich (Rosental) und Ernst Kormann (Maria Lankowitz) verhängt. Diese wurden zu jeweils 15 Jahren Kerker verurteilt.1380 Beide sollte die NS-Herrschaft überleben.

Inwieweit die Kreisleitung bzw. die nationalsozialistische Führungsriege des Kreises Voitsberg in die Verhaftungen involviert war, kann nicht eindeutig geklärt werden. Kreisleiter Weißensteiner, der während der Verhaftungswelle oberster Vertreter der NSDAP im Kreis war, behauptete später, sämtliche Verhaftungen gingen von der Gestapo aus.1381 Einzelne Denunziationen gingen aber mit Sicherheit im Laufe der Zeit bei der Kreisleitung ein. Zur genauen Erfassung der 160 Verhafteten fehlten der Kreisleitung aber die Ressourcen. Kreisleiter Eissner hatte es vor allem mit den Angehörigen der Verurteilten zu tun. Diesen verweigerte er die Unterstützung für ihre Gnadengesuche. Im Volksgerichtsprozess gegen ihn rechtfertigte Eissner sich damit, dass ihm von der Gauleitung verboten worden war Gnadengesuche zu befürworten.1382 Dabei könnte es sich allerdings um eine Schutzbehauptung gehandelt haben. Zwar ist in den Akten der Bezirkshauptmannschaft Voitsberg tatsächlich ein Schreiben aufzufinden, dass allen NSDAP-Mitgliedern verbietet Leumundszeugnisse oder Befürwortungen von Gnadengesuchen für „Volksschädlinge“ auszustellen. Dieses von Armin Dadieu auf Auftrag des Gauleiters verfasste Schreiben war allerdings mit 13. August 1943 datiert.1383 Es wurde also über zwei Jahre nach Beginn der Verhaftungswelle und ein Jahr nach den ersten Hinrichtungen von kommunistischen Widerstandskämpfern aus dem Kreis Voitsberg verfasst. Vor dem Jahr 1943 findet sich kein

1378 Heimo Halbrainer, „Sei nicht böse, dass ich im Kerker sterben muss.“ Die Opfer der NS-Justiz in Graz 1938 bis 1945. Ein Gedenkbuch, Graz 2014, 215. 1379 Steininger, Nationalsozialismus in Voitsberg, 77-80. 1380 Heimo Halbrainer, „Sei nicht böse, dass ich im Kerker sterben muss.“ Die Opfer der NS-Justiz in Graz 1938 bis 1945. Ein Gedenkbuch, Graz 2014, 342. 1381 StLa, VR 5001/47 – 64b und Kapitel Nationalsozialismus von 1938 bis 1945 im Kreis Voitsberg. 1382 Vgl.: StLa, VR 5089/47 1383 StLa, BH VO 1944, Zl 14 Le 3/44. 233 solches Rundschreiben. Ob Eissner von der Gauleitung bereits 1942 eine spezielle Anweisung erhielt, die ihm das Unterzeichnen von Gnadengesuchen für die verurteilten Kommunisten verbat, ist nicht bekannt. Beiden Kreisleitern konnte allerdings später im Laufe ihrer Prozesse vor dem Volksgericht kein strafrechtlich relevantes Verhalten im Bezug auf die Zerschlagung der kommunistischen Widerstandsgruppe nachgewiesen werden.1384

Insgesamt fielen 36 kommunistische Widerstandskämpfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft im Kreis Voitsberg zum Opfer. Ihnen wurde neben der Michaelskirche in Voitsberg ein Denkmal gewidmet.

Denkmal für die ermordeten Widerstandskämpfer

Verfolgung, Widerstand und Anpassung – Die katholische Kirche während der NS- Herrschaft Neben der jüdischen Bevölkerung und den Kommunisten waren auch Vertreter der Kirche unter den Verfolgten des NS-Regimes im Kreis Voitsberg. Hitler betrachtete die katholische

1384 Vgl.: StLa, VR 5001/47 und VR 5089/47. 234

Kirche als den ideologischen Hauptgegner für den Nationalsozialismus in Österreich.1385 Da 90,5 Prozent der österreichischen Bevölkerung katholisch waren1386, stellte die Kirche eine potenzielle Bedrohung für den NS-Machtanspruch dar. Obwohl alle österreichischen Bischöfe im März 1938 zu einem Ja bei der Volksabstimmung über den „Anschluss“ aufriefen,1387 was von einer überwiegenden Mehrheit des Klerus und der einfachen Kirchengänger auch begrüßt wurde,1388 erwies sich das Verhältnis zwischen Kirche und Nationalsozialismus bereits wenig später als überaus gespannt. Vor allem im bereits öfters erwähnten Bereich der Menschenführung machte die katholische Kirche den Nationalsozialisten Konkurrenz.

Zu einer ersten Kraftprobe mit der katholischen Kirche im Kreis Voitsberg kam es anlässlich der von Gauleiter Bürckel angeordneten Aufhebung des Feiertages Peter und Paul, der jedes Jahr am 29. Juni stattfindet. Anfang Juli 1938 wies die Gestapo den Bezirkshauptmann an zu ermitteln, ob von kirchlicher Seite gegen die von Gauleiter Bürckel erlassene Aufhebung des Peter und Paul Tages Stellung genommen worden war. Die Erhebungen mussten im Einvernehmen mit der Kreisleitung der NSDAP durchgeführt werden.1389 Anstoß für die Ermittlungen dürfte ein Schreiben des Kreisbauernführers Ignaz Bauer gewesen sein. Dieser meldete der Landesbauernschaft am 30. Juni, dass die Aufhebungsverordnung von Bürckel sabotiert worden war und dass der Klerus von der Kanzel herunter den Peter- und Paulstag nach wie vor zum Feiertag erhob und die Gläubigen sogar aufforderte an diesem Tag keine Arbeit zu verrichten. Des Weiteren schrieb er: „Diese konfessionelle Beeinflussung der Bevölkerung geht sogar so weit, dass z.B. die Gefolgschaft des Kreisbauernführers auf dessen Bitte am Peter und Pauls Tag nunmehr Arbeit zu leisten, erwiderte, dass sie dies keinesfalls tun würde.“1390

Die Ergebnisse der Erhebung zeigten, dass die Aufhebung des Feiertages vor allem in den ländlichen Gebieten des Kreises nicht voll durchgesetzt werden konnte. So meldete der Gendarmerieposten Geistthal, dass die streng katholisch eingestellte Bevölkerung fast zur

1385 Vgl.: Evan Burr Bukey, Hitlers . Popular Sentiment in the Nazi Era 1938-1945, Chapel Hill 2000, 110. 1386 Vgl.: Evan Burr Bukey, Hitlers Austria. Popular Sentiment in the Nazi Era 1938-1945, Chapel Hill 2000, 95. 1387 Vgl.: Michaela Sohn-Kronthaler, Katholische Kirche und Nationalsozialismus in der Steiermark. Forschungsstand und Forschungsdesiderate, in: Heimo Halbrainer/ Gerald Lamprecht/ Ursula Mindler (Hrsg.), NS-Herrschaft in der Steiermark. Positionen und Diskurse, Graz 2012, 167. 1388 Vgl.: Evan Burr Bukey, Hitlers Austria. Popular Sentiment in the Nazi Era 1938-1945, Chapel Hill 2000, 110. 1389 StLa, BH VO 1938, Karton 206 Zl 14 Fe 5/1-1938 8. Juli 1938 1390 StLa, BH VO 1938, Karton 206 Zl 14 Fe 5/2-1938 30. Juni 1938. 235

Gänze an der kirchlichen Feier zum Peter und Paul Tag teilnahm.1391 Ähnlich lautende Berichte gingen auch von den anderen ländlichen Gendarmerieposten ein. Eine Stellungnahme des Pfarrers gegen die Aufhebung des Feiertages wurde jedoch lediglich aus Stallhofen gemeldet. Der Stallhofener Ortsgruppenleiter Alois Kollegger gab an, dass der Pfarrer Vinzenz Kickenweitz gegen Bürckels Verfügung Stellung genommen hatte. Am Peter und Paul Tag forderte er von der Kanzel herunter die Kirchenbesucher auf die Feiertage auch weiter so wie bisher zu halten.1392 Der Streit um den Peter und Paul Tag wiederholte sich während der Zeit der NS-Herrschaft im Kreis Voitsberg jedes Jahr. Wie bereits in der Auswertung der Wirtschafts- und Sicherheitsberichte beschrieben, hielten sich die Bauern in den ländlichen Gemeinden großteils nicht an die Aufhebung des Feiertages. Die lokale NS- Führungsriege stand dieser Haltung mehr oder weniger machtlos gegenüber. Man ließ das Verhalten von Bauern und Kirche anlässlich des Feiertages zwar genau beobachten, schritt aber nicht dagegen ein.

Von Jänner bis Juli 1939 erfolgte im gesamten Kreis eine von der Gendarmerie durchgeführte Durchsuchung der Pfarrbibliotheken nach „NS-feindlichen Büchern“. In Voitsberg forderte Bürgermeister Leopold Hofbauer dazu sogar die Gestapo an.1393 Immer wieder kam es auch zu Kontrollen der in Kirchen aufliegenden Flugblätter und Drucksorten, welche oftmals, auch wenn sie sich nicht gegen den Nationalsozialismus richteten beschlagnahmt wurden. Im August 1940 wurden in den Pfarren Graden, Piber, Lankowitz und Modriach kirchliche Broschüren welche Tipps für die Kindererziehung bei konfessionell gemischten Ehen beinhalteten eingezogen.1394 Für die Nationalsozialisten waren solche Broschüren, auch wenn sie nicht antinationalsozialistisch im engeren Sinn waren, wohl ein nicht zu duldende Einmischung in den Bereich der „Menschenführung“. Ähnliches gilt für die kirchlichen Jugend- und Bibellager, welche bereits im Mai 1940 verboten wurden.1395 Dass man vonseiten des Regimes bei der Bekämpfung der katholischen Konkurrenz dennoch um einiges vorsichtiger vorging als bei der Verfolgung der Hauptfeinde des Nationalsozialismus, der Kommunisten und Juden, ist offensichtlich. Diesbezüglich ist auch ein Schreiben des Landrates aufschlussreich. Besagtes Schreiben erhielt eine Anweisung, die im September des Jahres 1940 an die Gendarmeriepostenkommandanten des Kreises weitergeleitet wurde. In dieser wurde die Gendarmerie aufgefordert, alle Flugblätter die sich in Kirchen in Umlauf

1391 StLa, BH VO 1938, Karton 206 Zl 14 Fe 5/2-1938 20. Juli 1938. 1392 StLa, BH VO 1938, Karton 206 Zl 14 Fe 5/2-1938 20. Juli 1938 5. September 1938. 1393 StLa, BH VO, 1939, Zl 14 Bu 1/25. 1394 StLa, BH VO, 1940, Zl. 14 Pa 7/1 21. August 1940. 1395 StLa, BH VO, 1940, Zl 14 J 11/1 28. Mai 1940. 236 befanden unauffällig zu kontrollieren. Offene Amtshandlungen innerhalb der Kirchen waren dabei aber, wie es der Landrat ausdrückte, aus „grundsätzlichen Erwägungen“ verboten.1396

Bis Ende 1941 wurden alle katholischen Vereine und Bünde im Kreis Voitsberg aufgelöst.1397 Das Vermögen der aufgelösten Vereine ging an nationalsozialistische Organisationen. In allen untersuchten Fällen waren die eingezogenen Vermögen jedoch von geringem Ausmaß. Im März 1941 übermittelte der Landrat dem Gauleiter eine Liste mit den bisher im Kreis Voitsberg aufgelösten katholischen Vereinen inklusive des beschlagnahmten Vermögens. Insgesamt wurden 34 solche Vereine aufgelöst. Das eingezogene Gesamtvermögen betrug lediglich 65,58 RM.1398 Ein gutes Beispiel dafür was mit dem eingezogenen Vermögen geschah, ist die Abwicklung der Auflösung des Marianischen Jungfrauenvereins. Die vier in den Gemeinden Ligist, Mooskirchen, Geistthal und Stallhofen bestehenden Ortsgruppen wurden allesamt im Mai 1941 aufgelöst.1399 Lediglich die Ortsgruppen Ligist und Mooskirchen verfügten über Vermögen. Insgesamt wurden in beiden Ortsgruppen zusammen 25,39 RM konfisziert, welche an die Gauleitung fielen.1400 Von der Ortsgruppe Stallhofen wurden einige Kleider beschlagnahmt, die zunächst der NSV Stallhofen übergeben und später von dieser an die Hilfsstelle Mutter und Kind abgegeben wurden.1401

1942 trug sich in Kainach ein besonders brisanter Fall zu, der für die gesamte Steiermark Auswirkungen nach sich zog. Obwohl durch keine Verordnung verboten, wurden die Proben des Kirchenchors im Pfarrhof von der NSDAP-Ortsgruppe als unzulässig bezeichnet. Nach Anzeige durch den Ortsgruppenleiter der NSDAP Johann Talker und den Bürgermeister Franz Rössl musste der Kainacher Pfarrer bei der Gestapo erscheinen. Von dieser wurde er für kurze Zeit in Haft genommen. Damit war er bereits der zweite Pfarrer von Kainach, der in einen schweren Konflikt mit den Nationalsozialisten verwickelt war. Gegen eine Kaution von 200 RM kam er jedoch bald aus dem Gefängnis frei. Um die Gesetzeslage zu Proben von Kirchenchören im Freien klarer zu definieren erfolgte aufgrund des Vorfalles in Kainach bald darauf ein gauweites Verbot solcher Proben.1402

1396 StLa, BH VO, 1940, Zl. 14 Du 4/1 6. September und 10. September 1940. 1397 Vgl.: Franz Mittermüller, Religion und Glauben im Bezirk Voitsberg, in: Walter Brunner (Hg.), Geschichte und Topographie des Bezirkes Voitsberg. Band 1: Allgemeiner Teil, Graz 2011, 571. 1398 StLa, BH VO, 1940, Zl 14 Ve 3/64-40 13. März 1941. 1399 StLa, BH VO, 1940, Zl. 14 Ki 5/1-40. 1400 Vgl.: StLa, BH VO, 1940, Zl. 14 Ki 5/11-40, Ki 5/15- 40, Ki 5/16-40 und Ki 5/19-40. 1401 StLa, BH VO, 1940, Zl. 14 Ki 5/25-40. 1402 Vgl.: Bernhard Reismann, Allgemeine Geschichte des Bezirkes 1848-2005, in: Walter Brunner (Hg.), Geschichte und Topographie des Bezirkes Voitsberg. Band 1: Allgemeiner Teil, Graz 2011, 184. 237

Gegen Sammlungen der katholischen Kirche ging das NS-Regime generell hart vor. Ende Jänner 1943 wies der Landrat die Gendarmeriepostenkommandanten des Kreises Voitsberg darauf hin, dass alle Geldsammlungen „die in Kirchengebäuden abgehalten werden“, einer behördlichen Bewilligung bedurften, die „zurzeit aber generell nicht erteilt werde“. Dennoch gäbe es Hinweise darauf, dass von katholischer Seite Sammlungen durchgeführt wurden, um finanzielle Mittel für den Ankauf neuer Kirchenglocken zu lukrieren, als Ersatz für jene die bereits ab Anfang 1942 aus Gründen der Metallgewinnung abgenommen wurden. „Wenn Sammlungen heimlich durchgeführt werden, muss dies verhindert und bestraft werden. Das Notwendige ist auf vertraulichem Wege zu veranlassen.“1403

Natürlich traf die Repression nicht nur die katholische Kirche in ihrer Gesamtheit, sondern auch die einzelnen Pfarrer. Schon unmittelbar nach der NS-Machtübernahme begannen auch im Kreis Voitsberg erste Repressalien gegen katholische Geistliche. Bereits im März 1938 wurde Gottfried Hausegger, der Pfarrer von Piber, festgenommen und in Voitsberg inhaftiert.1404 Hausegger war der lokalen NS-Führungsriege wegen seiner antinationalsozialistischen Einstellung verhasst. 1932 war er für eine Anzeige gegen Helmut Kersch verantwortlich, da dieser eine nationalsozialistische Grabrede gehalten hatte. Kersch gab später gegenüber der Gau-NSDAP sogar an, wegen der ständigen Anfeindungen Hauseggers zum Umzug gezwungen worden zu sein.1405 Hauseggers Verhaftung wurde laut Angaben der Bezirkshauptmannschaft von der SA oder der SS durchgeführt.1406 Von 13. März bis 2. Mai 1938 war er über Verfügung der SS und von 2. Mai bis 7. Mai 1938 wegen Verdachts auf ein Vergehen nach § 181 Stg in Haft.1407 Nach seiner Entlassung wurde Hausegger aus dem Kreis versetzt und war kurzzeitig in Stadl bei Murau als Pfarrer tätig.1408 Danach fungierte er als Pfarrer von St. Johann am Tauern. Er behielt seine anti- nationalsozialistische Einstellung bei und meinte bei seiner Predigt anlässlich der Einführung der Kirchensteuerpflicht: „Da müsst ihr euch bei der Partei bedanken“. Daraufhin wurde er erneut von der Gestapo verhaftet, vom Sondergericht Leoben wegen Vergehens nach dem

1403 StLa, BH VO, 1943, Zl 14 Ge 1/1-43 30. Jänner 1943. 1404 Vgl.: Franz Mittermüller, Religion und Glauben im Bezirk Voitsberg, in: Walter Brunner (Hg.), Geschichte und Topographie des Bezirkes Voitsberg. Band 1: Allgemeiner Teil, Graz 2011, 573-574. 1405 LGS Graz, Vr 5818/47-37. 1406 StLa, BH VO 1938, Karton 207 Zl 14 Ka 6/1 31. August 1938. 1407 StLa, BH VO 1938, Karton 207 Zl 14 Ka 6/3-38 17. Jänner 1939. 1408 StLa, BH VO 1938, Karton 207 Zl 14 Ka 6/5-38 29. März 1939. 238

Heimtückegesetz zu sieben Monaten Haft verurteilt und des Gaues verwiesen.1409 In der Folge war Hausegger als Pfarrer in Wien tätig.1410 Ebenfalls unmittelbar nach dem „Anschluss“ erfolgte die Verhaftung des Voitsberger Kaplans Josef Bauer. Nachdem er am 5. April 1938 freigelassen wurde, erhielt er Kreisverbot.1411

Ende 1938 versuchten die Nationalsozialisten Leopold Pichler, den Pfarrer von St. Martin a.W., ablösen zu lassen. Am 29. September 1938 wurde vom Landrat bei der Gestapo eine Anzeige gegen Pichler eingebracht. Im Dezember teilte der Landrat der Gestapo jedoch mit, dass Kreisleiter Weißensteiner ihm gegenüber den Wunsch geäußert habe, dass in der Sache Pichler nichts weiter unternommen werde. Worum es in der Anzeige ging und warum Weißensteiner sich für Pichler einsetzte, ist nicht bekannt.1412 Bis 1941 wurde Pichler mehrmals wegen „staatsfeindlicher Äußerungen“ angezeigt, einmal sogar von einem Mitglied des Pfarrkirchenrates. Durch Mithilfe von Bürgermeister Johann Lais konnte eine Vorladung vor das Sondergericht in Graz jedoch abgewendet werden.1413

Während der Fronleichnamsprozession 1939 wurden in Kainach Teilnehmer von Nationalsozialisten auf das Gröbste verspottet und vom Ortsgruppenleiter Franz Rössl fotografiert. Kurz darauf ersuchte die Gestapo den Landrat des Kreises Voitsberg gegen Voller ein Kreisverbot zu erlassen. Dazu hieß es: „Das ganze Verhalten des Kaplans Voller beweist, dass er ein Gegner des Nationalsozialismus ist und versucht, auf die Schulkinder unerlaubten Einfluss zu gewinnen.“1414 Ende Juni wandte sich der Landrat schließlich an Voller und forderte ihn auf, den Kreis Voitsberg innerhalb von vier Wochen zu verlassen.1415 Voller, der unmittelbar nach dem Ende der NS-Herrschaft als Landeswohnungsreferent der ÖVP-Steiermark fungierte, zog Ende Juli 1939 nach Pöls im Kreis Judenburg um und kehrte nicht mehr in den Kreis Voitsberg zurück.1416

1409 Vgl.: Heimo Halbrainer, Widerstand und Opposition in der Region Aichfeld-Murboden. In : Heimo Halbrainer/Michael Schiestl (Hgg.), Adolfburg statt Judenburg. NS-Herrschaft: Verfolgung und Widerstand in der Region Aichfeld-Murboden, Graz 2011, 161. 1410 Gerald Fuchs, Priester und Ordensleute aus der Pfarre Voitsberg, in: Gottfried Allmer, Voitsberg. Portärt einer Stadt und ihrer Umgebung – Kirchengeschichte, Band 3: Voitsberg 2012, 201. 1411 LGS Graz, Vr 4493/47; 7-9. 1412 StLa, BH VO 1938, Karton 210 Zl 14 Ma 6/3-1938 16. Dezember 1938. 1413 Vgl.: Franz Mittermüller, Religion und Glauben im Bezirk Voitsberg, in: Walter Brunner (Hg.), Geschichte und Topographie des Bezirkes Voitsberg. Band 1: Allgemeiner Teil, Graz 2011, 573. 1414 StLa, BH VO, 1939 Karton 251, Zl 14 Vo 14/39 12. Juni 1939. 1415 StLa, BH VO, 1939 Karton 251, Zl 14 Vo 14/39 24. Juni 1939. 1416 StLa, BH VO, 1939 Karton 251, Zl 14 Vo 14/1-39 3. August 1939 und Vo 32/1 20. Oktober 1946. 239

In Mooskirchen ließ Ortsgruppenleiter Peter Puff den Kaplan Franz Gombocz, der im September 1938 den ebenfalls aus politischen Gründen abgelösten Kaplan Tripler ersetzte, beobachten.1417 Kurz nach Beginn des Zweiten Weltkrieges beantragte Gombocz die Ausstellung eines Reisepasses. Der Landrat verweigerte nach einem Einwand der Gestapo die Genehmigung.1418 Aus einem Schreiben der Gauleitung an den Landrat vom 13. September 1939 geht hervor, dass Gombocz auch zu jenen vier Pfarrern gehörte deren Vermögensverhältnisse und staatsbürgerliche Haltung zu überprüfen worden waren. Der zuständige Großsödinger Gendarmeriepostenführer gab am 22. September bekannt, dass Gombocz über kein Vermögen verfügte und empfahl, ihn weiterhin als Kaplan zu belassen.1419 Die Beobachtung durch die NSDAP-Ortsgruppe wurde jedoch von Puffs Nachfolger Fritz Pernhaupt weiterbetrieben und führten in weiterer Folge dazu, dass Gombocz 1940 wegen Abhörens von Auslandssendern von der Gestapo verhaftet und zu zwei Jahren Zuchthaus verurteilt wurde.1420 Er war zusammen mit Gottfried Hausegger einer von nur zwei katholischen Pfarrern des Kreises Voitsberg, die zu einer Haftstrafe verurteilt wurden. Vier weitere Pfarrer wurden zwar nie verurteilt, befanden sich aber dennoch einige Zeit in Haft. Österreichweit wurden während der NS-Herrschaft 724 Priester inhaftiert.1421

Sehr deutlich wird die Diskriminierung einzelner Pfarrer bei der Vergabe von Reisegenehmigungen und Passierscheinen nach Ausbruch des Krieges. So bekam der Landrat im Mai 1940 von der Gestapo die Weisung, an Geistliche keine Passierscheine für Reisen in die Ostgebiete oder in die besetzten polnischen Gebiete mehr auszustellen. Bereits ausgestellte Passierscheine mussten wieder eingezogen werden.1422 Nicht nur bei Reisen in politisch heikle Gebiete waren Pfarrer benachteiligt. Dies zeigt ein Beispiel aus dem Juni 1941. Heinrich Gsellmann, Pfarrer von Ligist, suchte um Ausstellung eines Reisepasses an, den er für einen Kuraufenthalt in Italien benötigte.1423 Solchen Anträgen wurde üblicherweise vom Landrat stattgegeben, da Italien schließlich ein befreundeter Staat war. Im Fall von Pfarrer Gsellmann fragte der Landrat jedoch drei Tage nach Erhalt des Gesuchs bei der Gestapo nach, ob der Reise angesichts der Tatsache, dass es sich bei Gsellmann um einen

1417 Vgl.: Walter Brunner (Hg.), Geschichte und Topographie des Bezirkes Voitsberg. Band 2: Bezirkslexikon, Graz 2011, 209. 1418 StLa, BH VO, 1939, Zl. 14 Re 1/229. 1419 Ebd. 1420 Vgl.: Walter Brunner (Hg.), Geschichte und Topographie des Bezirkes Voitsberg. Band 2: Bezirkslexikon, Graz 2011, 209. 1421 Vgl.: Evan Burr Bukey, Hitlers Austria. Popular Sentiment in the Nazi Era 1938-1945, Chapel Hill 2000, 99. 1422 StLa, BH VO, 1940, Zl. 14 Pa 1/45 10. Mai 1940. 1423 StLa, BH VO, 1941, Zl 14 Re 1/218-41 18. Juni 1941. 240

Pfarrer handelt, zugestimmt werden darf. Die Gestapo verneinte dies und so bekam Gsellmann keinen Reisepass ausgestellt.1424

Neben solchen Schikanen mussten die Pfarrer auch Eingriffe in alte Bräuche welche ihre Versorgung betraf hinnehmen. Im Mai 1940 instruierte der Landrat auf Weisung der Gestapo, die Bürgermeister und Gendarmerieposten des Kreises Voitsberg bezüglich des Verbots des in ländlichen Gegenden weit verbreiteten Brauches von Lebensmittelsammlungen zugunsten der örtlichen Pfarrer. Dieser Brauch sei mit der gleichmäßigen Verteilung landwirtschaftlicher Erzeugnisse, die während der Kriegszeit erforderlich ist nicht vereinbar. Bereits gesammelte Lebensmittel mussten, sofern sie der Bezugspflicht unterlagen, konfisziert werden.1425

Der Widerstand der Kirche führte vor allem in den letzten Kriegsjahren zu einer beträchtlichen Erosion der NS-Autorität in den ländlich geprägten Gemeinden des Kreises Voitsberg. Aus Geistthal wurde 1943 berichtet, dass die Veranstaltungen des Pfarrers viel zahlreicher besucht wurden als jene der NSDAP.1426 Am deutlichsten machte sich der schleichende Autoritätsverlust der NSDAP in St. Martin a.W. bemerkbar. Die Anzahl und der Umfang der Gendarmerieberichte, welche sich mit dem steigenden Einfluss und der zumindest unterschwellig staatsfeindlichen Tätigkeit der Kirche in dieser Gemeinde befassten, waren höher als in den anderen ländlichen Gemeinden. Als Rochus Kohlbach, der nach dem „Anschluss“ von den Nationalsozialisten für drei Monate inhaftiert wurde, im Mai 1942 die Leitung der Pfarre St. Martin übernahm, waren bereits zwei Pfarrer von dort in andere Gemeinden versetzt worden. Nach Kohlbachs Übernahme, er hatte zuvor die Pfarre Autal geleitet, verstärkte sich der Widerstand der katholischen Bevölkerung der Gemeinde weiter. Alfred Morre, der Pfarrer in Kohlbachs Heimatgemeinde Hirschegg geriet übrigens ebenfalls in einen Konflikt mit den Nationalsozialisten. Er wurde im Oktober 1943 wegen „staatsfeindlicher Äußerungen“ gegenüber einer Schülerin der Grazer Lehrerbildungsanstalt bei der Gestapo angezeigt.1427

Im Jänner 1943 wandte sich der Landrat aufgrund von Beschwerden des Gendarmeriepostens St. Martin a.W. sogar an die Kreisleitung der NSDAP. Diese ersuchte er in „entsprechender

1424 StLa, BH VO, 1941, Zl 14 Re 1/313-41 16. Juli 1941. 1425 StLa, BH VO, 1939, Zl. 14 Sa 4/3-40 31. Mai 1941. 1426 Vgl.: Walter Brunner (Hg.), Geschichte und Topographie des Bezirkes Voitsberg. Band 2: Bezirkslexikon, Graz 2011, 55. 1427 Walter Brunner (Hg.), Geschichte und Topographie des Bezirkes Voitsberg. Band 2: Bezirkslexikon, Graz 2011, 102. 241

Weise“ auf die „Volksgenossen“ in St. Martin. a.W. einzuwirken. Grund für die Beschwerde der Gendarmerie war das Abhängen des Kreuzes während der Führerbesprechungen und der Schulungsappelle der NSDAP-Ortsgruppe. Statt des Kreuzes wurde ein Hitlerbild aufgehängt. Da es vorkam, dass das Kreuz oftmals nach Ende der Besprechung nicht wieder an seinen alten Platz gehängt wurde, sondern am Boden verblieb, bis es Schulkinder am nächsten Schultag dort fanden, gab es Aufregung bei der, wie die Gendarmerie es ausdrückte, „unverrückbar klerikal eingestellten bäuerlichen Bevölkerung“. Das Missfallen über die Behandlung des Kreuzes teilte sogar der Führer einer örtlichen NS-Gliederung. Der Bauer Josef Gruber, der als Führer der NSRKB-Ortsgruppe St. Martin an den besagten Besprechungen teilnahm, blieb diesen in immer öfters fern, da ihm zu sehr über die Kirche geschimpft wurde. Außerdem meinte er, dass er selbst und viele andere katholisch bleiben werden und alle Appelle daran nichts ändern würden.1428

Wie die Kreisleitung der NSDAP auf das Schreiben des Landrates reagierte und ob oder wie sie auf die Bevölkerung von St. Martin a.W. einwirkte, ist nicht bekannt. Fakt ist jedoch, dass etwaige Einwirkungen wohl kaum Wirkung gezeigt haben dürften. Schon im März 1943 musste die Gendarmerie von St. Martin a.W. feststellen, dass Pfarrer Kohlbach die größte Autorität in der Gemeinde war. Seine Anordnungen würden strenger befolgt als die des NSDAP-Ortsgruppenleiters Peter Moser.1429 Kohlbach, so der Postenkommandant der Gendarmerie, hatte die Bevölkerung „fest in der Hand“.1430 Im selben Jahr weigerten sich Mitglieder des BDM der Gemeinde St. Martin, wohl auch aufgrund ihrer klerikalen Einstellung, an öffentlichen Kundgebungen teilzunehmen.1431 Rochus Kohlbach wurde nach dem Ende der NS-Herrschaft zum Dompfarrer von Seckau bestellt und zum Päpstlichen Hausprälaten ernannt. 1957 erlangte er die Ehrenbürgerwürde der Gemeinde Hirschegg und 1962 wurde ihm sogar das Österreichische Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kultur Erster Klasse verliehen. Kohlbach starb am 14. Februar 1964 in Graz und wurde seinem Wunsch entsprechend in Hirschegg begraben.1432

1428 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Landrat an Kreisleitung der NSDAP 3. Jänner 1943. 1429 Vgl.: Bernhard Reismann, Allgemeine Geschichte des Bezirkes 1848-2005, in: Walter Brunner (Hg.), Geschichte und Topographie des Bezirkes Voitsberg. Band 1: Allgemeiner Teil, Graz 2011, 184-185. 1430 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 St. Martin a.W. 24. März 1943. 1431 Vgl.: Walter Brunner (Hg.), Geschichte und Topographie des Bezirkes Voitsberg. Band 2: Bezirkslexikon, Graz 2011, 298. 1432 Ernst Lasnik (Hg.), Hirschegg. Porträt eines weststeirischen Ortes, Hirschegg 1996. 242

Gegensatz zwischen Stadt und Land Im Gegensatz zum Widerstand der katholischen Kirche im ländlichen Bereich des Kreises stehen die katholischen Priester von Voitsberg, Dr. Richard Lebitsch und Köflach Gustav Minichhofer. Sie versuchten es mit Anpassung an das NS-Regime. In neueren Studien über das Verhalten von katholischen Priestern in der Zeit des Nationalsozialismus werden beide zur Gruppe der NS-Sympathisanten gezählt.1433 Richard Lebitsch wurde bald nach dem „Anschluss“ aus Voitsberg abberufen und zum Stadtpfarrer von Leoben-Waasen ernannt. Nach dem Ende des Krieges wurde er von höherer Kirchenstelle resigniert und übernahm im Anschluss daran keine Kirchengemeinde mehr.1434 Dass seine Absetzung aufgrund seiner NS- freundlichen Haltung erfolgte ist anzunehmen.

Der Gegensatz zwischen dem Verhalten der meisten ländlichen Pfarrer zu jenem der Pfarrer in den Städten des Kreises Voitsberg wird auch in den Wirtschafts- und Sicherheitsberichten deutlich. Innerhalb dieser Berichte gab es den Punkt „Konfessionelle Wahrnehmungen.“ Während in den Berichten der Gendarmerieposten Voitsberg und Köflach nur in seltensten Fällen Eintragungen unter diesem Punkt aufschienen, nahmen sie in den Berichten der ländlichen Gendarmerieposten, allen voran St. Martin a.W. meistens viel Platz ein. Außerdem wurden die Pfarrer von Voitsberg und Köflach niemals namentlich in den Berichten erwähnt. In den Berichten ländlicher Gendarmerieposten schienen dagegen immer wieder die Namen von Pfarrern auf. Diese wurden fast ausschließlich im Zusammenhang mit nicht- systemkonformen Verhalten genannt.1435

Dass zumindest Teile der lokalen NS-Führungsriege härter gegen die katholischen Pfarrer des Kreises Voitsberg vorgehen wollten, als es ohnehin der Fall war, zeigen zwei erhalten gebliebene Monatsberichte für die Monate November und Dezember 1941, die der Kreiskommunalamtsleiter der NSDAP, Hans Blumauer an seine vorgesetzte Stelle, das Gaukommunalamt der NSDAP-Steiermark abschickte. Im November 1941 führte Blumauer die im Kreisgebiet kursierenden Gerüchte auf „feindlich orientierte Gerüchtemacher“, dazu zählte er explizit die katholische Kirche, zurück. Deren Ziel war es laut Blumauer, die recht gute und zuversichtliche Stimmung der Kreisbevölkerung zu drücken und das Vertrauen und

1433 Vgl.: Michaela Sohn-Kronthaler, Katholische Kirche und Nationalsozialismus in der Steiermark. Forschungsstand und Forschungsdesiderate, in: Heimo Halbrainer/ Gerald Lamprecht/ Ursula Mindler (Hrsg.), NS-Herrschaft in der Steiermark. Positionen und Diskurse, Graz 2012, 172. 1434 Gerald Fuchs, Die Kapläne in Voitsberg seit 1812, in: Gottfried Allmer, Voitsberg. Portärt einer Stadt und ihrer Umgebung – Kirchengeschichte, Band 3: Voitsberg 2012, 180. 1435 Vgl.: Wirtschafts- und Sicherheitsberichte 1938-1945. 243 die Zuversicht innerhalb dieser zu lockern oder zu stören.1436 Im Lagebericht für den Dezember 1941 beschäftigte sich Kreiskommunalamstleiter Blumauer, der auch Bürgermeister von Rosental war, besonders intensiv dem Verhalten der Pfarrer des Kreises. Letztendlich kam er zu dem Schluss, dass die Inhaftierung aller „Pfaffen“ notwendig wäre, „denn nur sie sind heute die bösen Geister, die uns unter allen Umständen schaden wollen.“ Des Weiteren argwöhnte er, dass „alte Weiber (Kirchenbesucherinnen), die ihr Lebtag im Winter nur die bekannten Umhängetücher trugen, um Wintermäntelbezugscheine kommen (sic). Es macht unbedingt den Eindruck, als ob sie hiezu von feindlicher Seite aufgefordert worden wären.“ Mit feindlicher Seite war natürlich die katholische Kirche gemeint. Neben diesen allgemeinen Einschätzungen geht Blumauer im Speziellen auf angebliche staatsfeindliche Äußerungen des christlich-sozial eingestellten Köflacher Apothekers Mag. Alois Wölfler ein, den er als berüchtigten, gefährlichen und unverbesserlichen „Pfaffenfreund“ charakterisierte.1437 Wölfler war bereits 1938 vom NS-Regime aus politischen Gründen inhaftiert worden.1438 Im Dezember 1942 wurde Wölfler erneut wegen abfälliger Äußerungen angezeigt. Die Gestapo führte daraufhin Ermittlungen durch und nahm ihn für kurze Zeit in Haft.1439 Nach dem Ende des NS-Regimes war Wölfler eines von fünf Mitgliedern der Bezirksberatungskommission bezüglich der Entnazifizierung im Bezirk Voitsberg.1440

Für Blumauer spielte es anscheinend keine Rolle wie sich die Pfarrer im Einzelnen gegenüber dem NS-Regime verhielten. Er sah die katholische Kirche in ihrer Gesamtheit als staatsfeindlich an und forderte wohl deshalb die ausnahmslose Verhaftung aller Pfarrer. Ob der radikale Antiklerikalismus Blumauers, der neben den konkreten Forderungen in seinem Schreiben schon in der verächtlichen Diktion in dem er dieses verfasste deutlich wurde, innerhalb der Kreis-NSDAP mehrheitsfähig oder eher eine Ausnahme war, kann nicht eindeutig festgestellt werden. Fest steht jedoch, dass zumindest in Teilen der lokalen NS- Führungsriege des Kreises Voitsberg die Bekämpfung der katholischen Kirche in ihrer Gesamtheit eindeutig einen sehr hohen Stellenwert einnahm. Da man aber auf Seiten der Nationalsozialisten in Zeiten des Krieges auf die Stimmung der Bevölkerung, die wie erwähnt

1436 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Kreiskommunalamtsleiter an Gauleitung z.H. Gaukommunalamt der NSDAP 15. November 1941. 1437 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Kreiskommunalamtsleiter an Gauleitung z.H. Gaukommunalamt der NSDAP 9. Dezember 1941. 1438 http://www.parlament.gv.at/WWER/PAD_01527/index.shtml 1439 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi Köflach 24. Dezember 1942. 1440 StLa, FLD-Pers-1648. 244 vor allem in den ländlichen Gegenden sehr kirchenfreundlich war, ein Trend, der sich mit Voranschreiten des Krieges immer weiter verstärkte, achten musste, konnte das NS-Regime gegen diese nie mit jener Härte vorgehen, mit der es gegen anderen Gruppierungen vorging. Ob die Intensität der Verfolgung der katholischen Kirche auch ohne diesen Umstand jemals an die brutale Verfolgung des kommunistischen Widerstandes herangekommen wäre, bleibt jedoch fraglich.

Neben dem kommunistischen Widerstand war der Widerstand der katholischen Kirche mit Sicherheit das zweite große Problem für die NSDAP im Kreis Voitsberg. Die Repressalien des NS-Regimes trafen auch diese. Vor allem in den ländlichen und vor der NS- Machtübernahme stark christlich-sozial geprägten Gemeinden des Kreises wuchs der Widerstand der Pfarrer und Kirchgänger während des Krieges immer weiter an, während der kommunistische Widerstand nach einigen verheerenden Schlägen des Regimes, bereits 1942 weitestgehend zusammengebrochen war. Betrachtet man die Art des Widerstandes, stellt man fest, dass der kommunistische Widerstand hochgradig von Aktionismus geprägt war, während der katholische Widerstand eher passiver Natur war und darauf abzielte den eigenen Einfluss auf die Bevölkerung aufrechtzuerhalten und die Autorität der lokalen NS-Führungsriege zu untergraben, ohne dabei jedoch offen auf einen Konfrontationskurs mit dem NS-Regime zu gehen.

Evangelische Kirche In krassem Gegensatz zum katholischen Pfarrer von Voitsberg stand das Verhalten seines evangelischen Pendants Pastor Erwin Alfons Kock. Dieser wurde, nachdem er im Jänner 1940 einen Rundbrief verfasste in dem er die Kirchengemeinde davor warnte den falschen Propheten zu folgen, von der Gestapo vorgeladen. Die Vorladung blieb zunächst noch ohne Folgen. Am 23. Februar 1940 wurde Kock jedoch wegen einer Beerdigungsansprache, die er am 19. Februar für den Sozialisten und ehemaligen Stadtamtsdirektor Rudolf Rossmann hielt, verhaftet und an die Gestapo überstellt. In seiner Ansprache bezeichnete Kock Rossmann als einen guten und fürsorglichen Menschen, der „die wahre Volksgemeinschaft“ repräsentierte. Des Weiteren sei Rossmann laut Kock die populärste Persönlichkeit der Stadt und des Kreises Voitsberg gewesen. Im Hinblick auf Rossmanns sozialistische Gesinnung meinte Kock, dass man von einem Mann der eine „solche Einstellung zu seinen Pflichten und Mitmenschen hat“ nicht verlangen könne „dass er seine Überzeugung über Nacht wechselt.“ Den Nationalsozialisten, genauer gesagt der lokalen NS-Führungsriege, warf er die Kaltstellung

245 von Rossmann vor. Indem er Kock als guten Menschen bezeichnete implizierte er natürlich, dass jene die ihn kaltstellten, schlechte Menschen waren. Kock schloss seine Rede mit dem Satz: „Weder menschliches Lob, noch menschliche Bosheit haben das letzte Wort um das Urteil über das Leben zu sprechen, sondern der ewige und gerechte Richter, der jedem ins Herz zu schauen vermag“.

Kocks Trauerrede soll von etwa 1.000 Personen gehört worden sein. Die Anzeige gegen Kock ging daher sehr wahrscheinlich von lokalen Nationalsozialisten aus, die bei der Rede anwesend waren. Im Zuge der Einvernahmen durch die Gestapo gab Kock zu manchmal ausländische Radiosender gehört zu haben.1441 Am 19. Juni 1940 wurde er aus diesem Grund zu 15 Monaten Haft verurteilt. Mildernd wirkte sich die Tatsache aus, dass Kock in einigen früheren Reden den Nationalsozialismus als wirksamsten Schutz gegen die Gefahr des Bolschewismus bezeichnete.1442 Kock war der einzige evangelische Priester, der während der Zeit des Nationalsozialismus in Österreich, gerichtlich verurteilt wurde.1443 Außerdem wurde er vom Kirchendienst suspendiert und erst 1945 rehabilitiert.1444 Die bis heute gängige und auch zum größten Teil richtige Annahme, dass die evangelische Kirche dem Nationalsozialismus näher stand als die katholische, wurde damit bemerkenswerterweise in der Stadt Voitsberg auf den Kopf gestellt.

Nach der Verhaftung Kocks und der Einsetzung eines neuen Pastors ging von der evangelischen Kirche in Voitsberg keine Widerstandstätigkeit mehr aus. In seiner Gesamtheit war kreisweit natürlich der katholische Widerstand für die Nationalsozialisten ein größeres Problem als jener der evangelischen Kirche, welcher nach der Verhaftung Kocks nicht mehr wahrnehmbar war. Alles in allem ging man vonseiten der Nationalsozialisten gegen die evangelische Kirche als Organisation weniger streng vor als gegen die katholische Kirche. So bestand 1943 mit der Gustav-Adolf-Stiftung noch ein evangelischer Verein im Kreis Voitsberg.1445 Allerdings wurde auch dieser Verein überwacht. Dies geht aus einem Schreiben des Landrats hervor, das dieser auf Auftrag des Reichstatthalters an den

1441 Gottfried Allmer, Voitsberg. Porträt einer Stadt und ihrer Umgebung – Kirchengeschichte, Band 3: Voitsberg 2012, 253-255. 1442 Vgl.: Bernhard Reismann, Allgemeine Geschichte des Bezirkes 1848-2005, in: Walter Brunner (Hg.), Geschichte und Topographie des Bezirkes Voitsberg. Band 1: Allgemeiner Teil, Graz 2011, 184-185. 1443 Vgl.: Wolfgang Neugebauer, Widerstand in der Steiermark. Zu Struktur, Stellenwert und Größenordnung des steirischen Widerstandes, in: Heimo Halbrainer/ Gerald Lamprecht/ Ursula Mindler (Hrsg.), NS-Herrschaft in der Steiermark. Positionen und Diskurse, Graz 2012, 308. 1444 Gottfried Allmer, Voitsberg. Porträt einer Stadt und ihrer Umgebung – Kirchengeschichte, Band 3: Voitsberg 2012, 254. 1445 StLa, BH VO 1943, Karton 371 Zl 14 Ve 4/2-41 10. März 1943 246

Gendarmeriekreisführer von Voitsberg verfasste. In besagtem Schreiben wies der Landrat den Gendarmeriekreisführer an, den Personalstand der Gustav-Adolf-Stiftung streng vertraulich erheben zu lassen.1446

Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene Von der nationalsozialistischen Repression waren natürlich auch die zahlreichen ausländischen Arbeiter und Kriegsgefangenen, sowie generell alle sogenannten „Fremdvölkischen“ im Kreis Voitsberg betroffen. Fluchtversuche oder Arbeitsverweigerungen wurden gnadenlos geahndet. Die Gesamtzahl der verhafteten ausländischen Arbeiter und Kriegsgefangenen lässt sich nicht exakt feststellen. Mit Sicherheit lag sie aber im hohen dreistelligen Bereich.1447 Auch im Alltagsleben wurden „Fremdvölkische“ massiv diskriminiert. Aus einem Schreiben des Landrates aus dem Jahr 1941 geht hervor, dass für polnische Arbeiter ein Besuchsverbot für Kinos herrschte.1448 Ein weiteres Beispiel für die Diskriminierung von Ausländern ist eine vertrauliche Anweisung des Reichstatthalters aus dem Sommer 1943 bezüglich der Mitbenutzung der gemeinschaftlichen Badeeinrichtungen für Ausländer. Der Erlass basierte auf einem Beschluss des Deutschen Gemeindetages und wurde vom Reichstatthalter an den Landrat des Kreises Voitsberg übermittelt, welcher ihn wiederum an die Bürgermeister der Städte Voitsberg und Köflach weitergab. In der Anweisung hieß es: „Badeverbote gegen Angehörige befreundeter Nationen oder solcher auf deren Freundschaft oder wenigstens bereitwillige Mitarbeit an der Neuordnung Europas die politische Führung des Reiches Wert legt sind verboten. Verbote gegen Angehörige von Völkern die das Deutschtum ablehnen sind vertretbar. Ausgenommen sind eindeutschungsfähige Polen.“1449 Obwohl die Anweisung recht schwammig formuliert war, lässt sich daraus ableiten, dass Polen, Osteuropäern und Russen die Benutzung der Schwimmbäder untersagt war. Außerdem stellte der Erlass nicht klar, welche Völker das Deutschtum ablehnen und welche nicht. Dies gab den zuständigen Stellen praktisch freie Hand für den willkürlichen Ausschluss ausländischer Badegäste. Für Heilbäder galten ohnehin strengere Vorschriften. Diese durften nicht gleichzeitig von Deutschen und Ausländern, egal welcher Nationalität, benutzt werden.1450

1446 StLa, BH VO 1943, Karton 370, Zl 14 Ve 4/1-43 8. März 1943 1447 Vgl.: StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wirtschafts- und Sicherheitsberichte der Gendarmerieposten des Kreises 1940-1944. 1448 StLa, BH VO 1941, Karton 325 Zl 14 Po 21/41 19. September 1941. 1449 StLa, BH VO, 1943, Karton 368, Zl 14 Ba 6/43 und Zl 14 Ba 6/1-43 1450 StLa, BH VO, 1943, Karton 368, Zl 14 Ba 6/1-43 18. August 1943. 247

Zu enger Kontakt mit so genannten „Fremdvölkischen“ konnte auch für die einheimische Bevölkerung Konsequenzen bis hin zur Verurteilung zu einer Haftstrafe haben. Bis Ende 1942 war die Gendarmerie alleine für die Unterbindung solcher Kontakte zuständig. Danach wurde sie von der NSDAP unterstützt. Bereits im September 1942 ging diesbezüglich beim Landrat eine von Martin Bormann unterzeichnete Anordnung über den Einsatz der Partei bei der Überwachung fremdvölkischer Arbeitskräfte ein. Das Schreiben trug den Verweis „Streng vertraulich.“1451 Vom Landrat wurde es mit gleichem Wortlaut an die Gendarmerieposten des Kreises weitergeleitet. Es begann mit der Feststellung, dass sich nähere Berührungen zwischen Kriegsgefangenen und im Osten angeworbenen Arbeitern mit „Deutschen Volksgenossen“ häufig nicht vermeiden ließen. Geschlechtsverkehr und alle Beziehungen zwischen Deutschen und Fremdvölkischen, die erfahrungsgemäß zum Geschlechtsverkehr führen, müssten daher unterbunden werden. In der nächsten Passage begründete Bormann die Notwendigkeit des Einsatzes der NSDAP und legte die Richtlinien für diesen fest. „Infolge der kriegsbedingten Schwächung der Polizeikräfte geht diese Aufgabe [Überwachung der Interaktionen zwischen Kriegsgefangenen oder ausländischen Arbeitskräften und Einheimischen] nun an die NSDAP über. Der Kreisleiter hat die Aufgabe zur Überwachung der ausländischen Arbeitskräfte geeignete Parteimitglieder auszuwählen. Die ausgewählten Parteimitglieder werden von der Gestapo über ihren Einsatz aufgeklärt. Von der Kreisleitung werden sie über die zurzeit bestehende besondere rassische Gefährdung unseres Volkes aufgeklärt und über die rassischen Probleme auf dem Laufenden gehalten.“ Die ausgewählten Nationalsozialisten sollten unmittelbar mit der örtlichen Polizeidienststelle, also im Falle des Kreises Voitsberg, mit dem Gendarmerieposten zusammenarbeiten. Dieser war für die Leitung des Einsatzes der „Parteigenossen“ nach den Weisungen der Staatspolizeistelle zuständig. „Die Parteigenossen üben ihre Überwachungstätigkeit in der Form aus, dass sie dem Verhalten der Fremdvölkischen und der deutschen Volksgenossen zu diesen ein besonderes Augenmerk schenken.“ Die Tätigkeit der eingesetzten NSDAP-Mitglieder sollte in erster Linie beobachtender Natur sein. Ermahnungen und Belehrungen sollten die Ausnahme bleiben und nur in krassesten Einzelfällen sollte eingeschritten und Personalien aufgenommen werden.1452

Bis zum Beginn des Einsatzes der NSDAP-Mitglieder vergingen noch vier Monate. Die Kosten trug übrigens nicht die NSDAP selbst, sondern die Staatspolizei. Dies geht aus einem

1451 StLa, BH VO, 1942, Karton 350, Zl. 14 A 8/1-42 3. September 1942. 1452 StLa, BH VO, 1942, Karton 350, Zl. 14 A 8/1-42 6. Jänner 1943. 248

Schreiben der Gestapo an den Landrat hervor.1453 Die ausgewählten Parteimitglieder erhielten einen Sonderausweis der NSDAP. Über ihre Tätigkeit berichteten sie der Gestapo, dem Landrat und dem Kreisleiter. Kreisweit waren zu Beginn des Jahres 1943, 46 „Parteigenossen“ für den Überwachungseinsatz abgestellt worden. Die größte Anzahl an „Überwachern“, gleich acht Personen, stellte die Ortsgruppe Stallhofen. Dies dürfte damit zusammenhängen, dass sich im Bereich des Gendarmeriepostens Stallhofen im ersten Quartal des Jahres 1943 bereits 179 ausländische Arbeiter, darunter 58 französische Kriegsgefangene befanden und das Gebiet flächenmäßig vergleichsweise groß war.1454

Im gesamten Kreis Voitsberg befanden sich mit Stand 20. Dezember 1942, 2953 ausländische Arbeiter. Dies geht aus einem Verzeichnis hervor, dass der Landrat der Gestapo Graz übermittelte.1455 Kriegsgefangene auf Frankreich und Großbritannien, die zum Teil ebenfalls als Arbeitskräfte fungierten, wurden dabei nicht erfasst. Die ausländischen Arbeitskräfte wurden in die drei Kategorien Zivilarbeiter aus dem Generalgouvernement, Ostarbeiter und Sonstige unterteilt. Die Sonstigen wurden wiederum nach Staats- und Volkstumszugehörigkeit erfasst. Von den 2953 ausländischen Arbeitern, die sich im Dezember 1942 im Kreisgebiet aufhielten, gehörten 853 zur ersten, 864 zur zweiten und 1236 zur dritten Kategorie. Innerhalb der dritten Kategorie stellte bezogen auf Staatsangehörigkeit die Gruppe der ehemaligen jugoslawischen Staatsangehörigen mit 734 Personen die absolute Mehrheit. Interessanterweise wurde die Gruppe der Ukrainer auf die ersten beiden Kategorien aufgeteilt. Da im Bereich der Nationalität die Deutschen mit 534 Personen die größte Gruppe der Sonstigen stellten, ist anzunehmen, dass zahlreiche Volksdeutsche aus dem Balkanraum noch nicht eingebürgert worden waren.1456 Diesen Schluss legt auch ein Blick auf dieselbe Statistik für den Juni 1943 nahe. In dieser stellten die Volksdeutschen nur noch die zweitgrößte Volkstumsgruppe. Ihre Zahl schrumpfte von 534 auf 216.1457 Unter den 853 Zivilarbeitern aus dem Generalgouvernement befanden sich 539 Ukrainer und von den 864 Ostarbeitern waren 484 Ukrainer. Damit stellten die Ukrainer die größte Gruppe unter den ausländischen Arbeitskräften.1458 Die weitere zahlenmäßige Entwicklung der ausländischen Arbeitskräfte wurde bereits im ereignisgeschichtlichen Teil der Arbeit geschildert.1459

1453 StLa, BH VO, 1942, Karton 350 Zl 14 A 9/1-42 28. Dezember 1942. 1454 StLa, BH VO, Karton 294 Zl 14 Wi 1 Stallhofen 26. März 1943. 1455 StLa, BH VO 1945, Karton 397 Zl 14 A 1/53-42 22. Dezember 1942. 1456 Ebd. 1457 StLa, BH VO 1945 Karton 397 Zl 14 1/15-43 1. Juli 1943 1458 StLa, BH VO 1945 Karton 397 Zl 14 A 1/53-42 22. Dezember 1942. 1459 Vgl.: Kapitel: Nationalsozialismus von 1938 bis 1945 im Kreis Voitsberg. 249

Bei der Auswahl der „Überwacher“ griff der Kreisleiter zur Hälfte auf NSDAP-Mitglieder zurück, die in der Parteihierarchie bereits einige Schritt nach oben gemacht hatten. So befanden sich unter den 46 „Überwachern“ drei Kreisamtsleiter, acht Zellenleiter, elf Blockleiter und ein Ortsgruppenpersonalamtsleiter. Die restlichen 23 „Überwacher“ wurden als Mitarbeiter der jeweiligen NSDAP-Ortsgruppe bezeichnet.1460 Dass sich die Repression gegen Kriegsgefangene, ausländische Arbeiter und Einheimische die engen Kontakt zu ihnen pflegten mit dem Einsatz der NSDAP auf diesem Feld verstärkte, zeigt die steigende Zahl der Anzeigen und Verhaftungen, die nun auch immer öfter in den Gendarmerieberichten an den Landrat thematisiert wurden. Nicht systemkonformes Verhalten im Umgang mit so genannten „Fremdvölkischen“ konnte jedoch auch der massive Einsatz der NSDAP nicht unterbinden. Trotz aller Repression verstärkte sich der Kontakt zwischen Ausländern und Einheimischen im Laufe des Krieges immer weiter. Dies gilt vor allem für die ländlichen Gebiete des Kreises Voitsberg, wo die bei Bauern eingesetzten ausländischen Arbeiter nicht so streng bewacht werden konnten wie in den Industriegebieten. In den stark katholisch geprägten Bevölkerungsteilen konnte der völkische Gedanke trotz permanenter NS-Propaganda auch nach Jahren nicht wirklich Fuß fassen. Vor allem in den letzten eineinhalb Kriegsjahren verstärkten sich hauptsächlich auf dem Land, die freundschaftlichen Bindungen mancher Einheimischer mit den ausländischen Arbeitskräften und Kriegsgefangenen weiter.

Resümee Abschließend betrachtet kann man die NS-Repression im Kreis Voitsberg in drei Phasen einteilen. In jeder dieser Phasen war eine andere Gruppe das Hauptziel des NS- Repressionsapparates. Zeitlich umfassten die Repressionsphasen die gesamte Zeit der NS- Herrschaft im Kreis Voitsberg. Es ist wichtig festzuhalten, dass die NS-Herrscher zu keinem Zeitpunkt, auch nicht am Höhepunkt ihrer Beliebtheit im Sommer 1940, völlig auf Unterdrückungsmaßnahmen zur Sicherung ihrer Herrschaft verzichteten konnten und dies auch nicht wollten.

In der ersten Phase unmittelbar nach dem „Anschluss“ waren Juden und persönliche Feinde des Nationalsozialismus aus der Zeit des Ständestaates die Hauptopfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft. Zahlreiche bekannte NS-Gegner wurden bereits am Tag des „Anschlusses“ oder sogar in der Nacht davor festgenommen. Unmittelbar nach ihrer

1460 StLa, BH VO, 1942, Karton 350, Zl. 14 A 8/1-42 6. Jänner 1943. 250

Machtübernahme begannen die Nationalsozialisten mit der Verfolgung der jüdischen Bevölkerung. Bis zum Beginn des Zweiten Weltkriegs gelang es ihnen, mit Hilfe der lokalen NS-Führungsriege, fast die gesamte jüdische Bevölkerung des Kreises Voitsberg zu vertreiben. Von der Arisierung ihres Vermögens profitierten Mitglieder der NS-Führungsriege vor Ort. Den meisten Juden des Kreises Voitsberg gelang es durch Auswanderung der NS- Vernichtungsmaschinerie zu entkommen. Der Voitsberger Jude Robert Hahn und die Köflacher Jüdin Clara Braun fielen jedoch der Shoah zum Opfer.

Die zweite Repressionsphase richtete sich gegen die Kommunisten, den ideologischen Hauptfeind der Nationalsozialisten. Diesen gelang es ab dem Jahr 1940 eine weitverzweigte Widerstandsorganisation im Kreis Voitsberg zu gründen. Unter der Führung von Albin Kaiser und Johann Jandl entstanden insgesamt sechs kommunistische Ortsgruppen. Außerdem konnte eine Verbindung zur Landesleitung der steirischen KP hergestellt werden. Vor allem in den Bergbaugebieten des Kreises Voitsberg waren die kommunistischen Widerstandskämpfer sehr aktiv und leisteten sowohl aktiven als auch passiven Widerstand gegen das NS-Regime. Ende Juni 1941, unmittelbar nach dem Beginn des Krieges gegen die Sowjetunion, begann ein umfassender Schlag der Gestapo gegen die Voitsberger Kommunisten. Die Verhaftungswelle, der 160 Personen zum Opfer fielen, stellte den Höhepunkt der NS-Repression im Kreis Voitsberg dar. Nie zuvor und auch nie wieder danach setzten die Nationalsozialisten so viele Ressourcen zur Unterdrückung des Widerstandes im Kreisgebiet ein. Der massive Schlag gegen die Kommunisten war aus nationalsozialistischer Sicht ein voller Erfolg. Im weiteren Verlauf des Krieges konnte der kommunistische Widerstand im Kreis Voitsberg nie mehr auch nur annähernd an seine alte Stärke anknüpfen, was auch aus den Wirtschafts- und Sicherheitsberichten eindeutig hervorgeht.1461 Insgesamt bezahlten 36 Kommunisten aus dem Kreis Voitsberg die NS-Repression mit ihrem Leben. Damit war die Repression gegen die Kommunisten das blutigste Kapitel der NS-Herrschaft im Kreis Voitsberg.

In der dritten Repressionsphase, die von Ende 1942 bis zum Kriegsende dauerte, waren Kriegsgefangene und ausländische Arbeiter die Hauptopfer des NS-Regimes.1462 Die Wirtschafts- und Sicherheitsberichte aus den letzten Kriegsjahren sprechen diesbezüglich eine eindeutige Sprache. Ausländische Arbeiter und Kriegsgefangene wurden zu Tausenden in den

1461 Vgl.: Kapitel: Nationalsozialismus von 1938 bis 1945 im Kreis Voitsberg. 1462 Vgl.: Ebd. 251

Kreis Voitsberg gebracht um die durch Einrückungen einheimischer Männer stark geschwächte Wirtschaft am Leben zu erhalten. Ihre Lebensbedingungen waren überaus schlecht. Dies galt vor allem für Ostarbeiter, Polen und Ukrainer. Kleinste Verstöße gegen die Regeln wurden drakonisch bestraft. Bis in die letzten Kriegstage bezahlten zahlreiche Zwangsarbeiter die NS-Herrschaft mit ihrem Leben. An der Repression gegen die ausländischen Arbeiter waren lokale Nationalsozialisten in hohem Maße beteiligt. Als Betriebsführer oder Werkschutzleute waren sie für die Bewachung der Arbeiter zuständig. Im Falle von Fluchtversuchen wurde die Landwacht alarmiert, die sich ebenfalls aus Männern aus dem Kreis Voitsberg zusammensetzte.

Im Zusammenhang mit der Repression gegen ausländische Arbeiter und Kriegsgefangene wurden auch Einwohner des Kreises Voitsberg Opfer der NS-Repression. Obwohl es streng verboten war und trotz der allgegenwärtigen NS-Propaganda bauten zahlreiche Menschen aus dem Kreis gute Beziehungen zu den Fremden auf. Vom NS-Regime wurden solche Beziehungen jedoch nicht geduldet. Vor allem sexuelle Beziehungen verfolgte man dabei sehr streng. Für die Überwachung der Beziehungen zwischen der einheimischen Bevölkerung war ab Ende 1942 die NSDAP zuständig. Die lokale NS-Führungsriege nahm eine führende Rolle bei der Überwachung der Kontakte zwischen „Volksgenossen“ und „Fremdvölkischen“ ein. Dass sie dabei strenger vorging als die Gendarmerie, welche diese Aufgabe zuvor innehatte, zeigt die im Kreis Voitsberg ab dem vierten Quartal 1942 stark steigende Zahl von Anzeigen und Verhaftungen wegen verbotenen Verhaltens im Umgang mit „Fremdvölkischen“.

Die Repression gegen die katholische Kirche im Kreis Voitsberg erreicht nie das Ausmaß der Intensität der Repression gegen Juden, Kommunisten und Zwangsarbeiter. Dennoch war sie über den ganzen Krieg hinweg spürbar. Schon bald nach dem „Anschluss“ kam es zu Maßnahmen, welche die Tätigkeit der katholischen Kirche beschränkten. Verhaftungen von Pfarrern kamen ebenfalls vor. Aus taktischen Gründen, ein Großteil der Landbevölkerung des Kreises Voitsberg war katholisch, trieb man die Repression aufseiten der Nationalsozialisten nicht so stark voran wie gegen andere Feindbilder des Regimes. Jedoch entwickelte sich auf dem Land ein regelrechter Kleinkrieg zwischen der lokalen NS-Führungsriege und den örtlichen Pfarrern, die vor allem passiven Widerstand gegen das NS-Regime leisteten. Dies führte vor allem in der letzten Kriegsphase zu einer Erosion der nationalsozialistischen Macht in den ländlichen Gegenden des Kreises Voitsberg.

252

Wie stark der Widerstand gegen den Nationalsozialismus im Kreis Voitsberg und die Repression der Nationalsozialisten, verglichen mit anderen Kreisen der Steiermark war, lässt sich schwer sagen. Kreisbezogene quantitative Aufschlüsselungen der Widerstandsakte gegen das NS-Regime gibt es bisher nur im Bereich der Hochverratsfälle. Im Kreis Voitsberg fanden laut dieser Statistik 3,7 % aller Hochverratsfälle in der Steiermark statt. Dies deckt sich ungefähr mit dem Anteil, den die Bevölkerung des Kreises an der steirischen Gesamtbevölkerung hatte. Steiermarkweit wurden über 90 % aller „Hochverratstaten“ von Kommunisten begangen.1463 Im Bezirk Voitsberg wurden diese Taten, wie bereits erwähnt, sogar ausschließlich von Kommunisten verübt. Abschließend betrachtet lässt sich der Schluss ziehen, dass die Intensität des Widerstandes gegen die nationalsozialistische Unterdrückung im Kreis Voitsberg in etwa im steirischen Durchschnitt lag.

Eine substanzielle Bedrohung für die NS-Herrschaft im Kreis Voitsberg stellte weder der aktive Widerstand der Kommunisten und Zwangsarbeiter, noch der passive Widerstand, der von Teilen der katholischen Kirche und der stark katholisch geprägten Landbevölkerung ausging, dar. Dennoch bereiteten die Widerstandsakte des gut organisierten kommunistischen Widerstandes in den Industriegebieten des Kreises und der wachsende Einfluss der katholischen Kirche in den ländlichen Gebieten der lokalen NS-Führungsriege Schwierigkeiten. Auch der mit Fortdauer des Krieges immer stärker werdende Widerstand der im Kreis eingesetzten ausländischen Arbeiter und Kriegsgefangenen, sowie das nicht systemkonforme Verhalten eines Teiles der Kreisbevölkerung diesen gegenüber zeigten den heimischen Nationalsozialisten, dass viele Menschen im Kreis Voitsberg trotz der starken NS- Propaganda in Verbindung mit der gnadenlosen Repression der nationalsozialistischen Exekutive die NS-Herrschaft ablehnten und sich ihr aktiv oder passiv widersetzten.

8. Entnazifizierung und Aufarbeitung Allgemeines In diesem Kapitel meiner Arbeit werfe ich einen Blick auf die Entnazifizierung in Österreich und der Steiermark im Allgemeinen und auf die Prozesse gegen die beiden Voitsberger Kreisleiter und die Ortsgruppenleiter des Kreises Voitsberg im Speziellen. In etymologischer Hinsicht geht das Wort Entnazifizierung auf den englischen Begriff denazification zurück.

1463 Vgl.: Wolfgang Neugebauer, Widerstand in der Steiermark. Zu Struktur, Stellenwert und Größenordnung des steirischen Widerstandes, in: Heimo Halbrainer/ Gerald Lamprecht/ Ursula Mindler (Hrsg.), NS-Herrschaft in der Steiermark. Positionen und Diskurse, Graz 2012, 302. 253

Dieser wurde von einem Politologen im Stab des politischen Beraters von General Eisenhower geprägt. Frühere deutsche Übersetzungsversionen lauteten Denazifikation oder auch Denazifizierung.1464 In Deutschland wurde die Entnazifizierung direkt von den Alliierten durchgeführt. Dasselbe galt in den ersten Monaten unmittelbar nach dem Ende der NS- Herrschaft auch für Österreich. Zwar wurde bereits am 8. Mai 1945 ein vom späteren Bundespräsidenten Adolf Schärf ausgearbeitetes Verbotsgesetz beschlossen, dieses galt aber zunächst nur für die sowjetisch besetzte Zone. Selbiges galt für das Kriegsverbrechergesetz, das am 26. Juni 1945 in Kraft trat.1465 Zusammen wurden die Gesetze als Nationalsozialistengesetze bezeichnet. Erst im Februar 1946 traten beide Entnazifizierungsgesetzte in den von den Westalliierten kontrollierten Zonen Österreichs in Kraft. Ab diesem Zeitpunkt regelten die österreichischen Behörden die Entnazifizierung weitgehend unabhängig von den Alliierten. Ursprünglich wurde zwischen illegalen Nationalsozialisten und anderen unterschieden. Als illegaler Nationalsozialist galt man, wenn man zwischen dem Verbot der NSDAP 1933 und dem „Anschluss“ 1938 der NSDAP angehört hatte. Des Weiteren wurde zwischen belasteten und minderbelasteten Nationalsozialisten unterschieden.1466 Nach dem Nationalsozialistengesetz galten alle Hoheitsträger der NSDAP und ihrer Wehrverbände, sowie Funktionäre, die für ihre illegale Betätigung eine Auszeichnung erhalten hatten als belastet. Unter den belasteten Personen gab es noch jene, die als besonders belastet galten.1467

Das Verbots- und das Kriegsverbrechergesetz wurden bereits im Februar 1947 auf Druck des alliierten Rates novelliert. Die wichtigste Änderung gegenüber dem Verbotsgesetz in seiner ursprünglichen Form betraf die Abgrenzung des Personenkreises, für den das Gesetz seine Anwendung finden sollte. Anstelle formaler Gesichtspunkte (wie vor allem das Datum des Eintrittes in die Partei) wurde das Ausmaß der Aktivität in der NSDAP in den Vordergrund gerückt.1468 Zwischen 1945 und 1955 wurde insgesamt gegen 136.829 Personen Verfahren wegen des Verdachts auf Verbrechen nach dem KVG bzw. dem VG eingeleitet. Gegen

1464 Walter Schuster/Wolfgang Weber, Entnazifizierung im regionalen Vergleich. Bilanz:, In: Walter Schuster/Wolfgang Weber (Hgg.), Entnazifizierung im regionalen Vergleich. Linz 2004, 16. 1465 Vgl.: Walter Schuster/Wolfgang Weber, Entnazifizierung im regionalen Vergleich. Bilanz:, In: Walter Schuster/Wolfgang Weber (Hgg.), Entnazifizierung im regionalen Vergleich. Linz 2004, 38-39. 1466 Walter Schuster/Wolfgang Weber, Entnazifizierung im regionalen Vergleich. Bilanz:, In: Walter Schuster/Wolfgang Weber (Hgg.), Entnazifizierung im regionalen Vergleich. Linz 2004, 23. 1467 Vgl.: Elisabeth Schöggl-Ernst, Entnazifizierung in der Steiermark unter besonderer Berücksichtigung der Justiz, In: Walter Schuster/Wolfgang Weber (Hgg.), Entnazifizierung im regionalen Vergleich. Linz 2004, 218- 220. 1468 Das neue Nationalsozialistengesetz (Bundesverfassungsgesetz über die Behandlung der Nationalsozialisten). Mit Erläuterungen von Rechtsanwalt Dr. Ludwig Haydn, Wien 1947. 254

28.148 Personen wurde Anklage erhoben, 13.607 Personen wurden verurteilt. 341 Angeklagte erhielten Strafen in einem Ausmaß zwischen zehn Jahre Haft bis zur Todesstrafe.1469 Die meisten und wichtigsten Volksgerichtsverfahren wurden zwischen 1945 und 1947 eingeleitet. Danach nahm die Anzahl der Prozesse deutlich ab.1470 Die Entnazifizierung endete in Österreich für Minderbelastete 1948/1949 und für Belastete 1957.1471 Grundlage für das endgültige Ende der Entnazifizierung war das NS-Amnestiegesetz aus dem Jahr 1957. Das KVG wurde damit ebenfalls aufgehoben.1472 Danach wurden alle in der NS-Zeit verübten Straftaten nach österreichischem Strafrecht geahndet.1473 Solche Verfahren waren jedoch äußerst selten. Insgesamt kam es nach 1957 nur noch zu 47 Prozessen gegen NS-Täter.1474 Daraus muss man den Schluss ziehen, dass die österreichische Justiz nach dem Inkrafttreten des NS-Amnestiegesetzes kein besonderes Interesse daran hatte, weiterhin gegen NS- Verbrecher vorzugehen.

Steiermarkweit waren 1946, 92.734 Personen als ehemalige Nationalsozialisten registriert. 22,1 Prozent davon galten als Illegale. Damit war die Steiermark Nummer zwei bei den Registrierten und Nummer drei beim Prozentsatz der Illegalen. Nach den Bestimmungen des novellierten Nationalsozialistengesetzes aus dem Jahr 1947 galten 91.026 Personen als ehemalige Nationalsozialisten. Bemerkenswert ist die Tatsache, dass nach den neuen Bestimmungen nur noch 7,1 Prozent der Gesamtheit der registrierten Nationalsozialisten als illegal galten. Die Steiermark war weiterhin Nummer zwei bei den registrierten Nationalsozialisten, jedoch nur noch Nummer sechs beim Prozentsatz der Illegalen. 1948 waren insgesamt 8,4 Prozent der steirischen Bevölkerung als Nationalsozialisten registriert. Damit lag die Steiermark österreichweit auf Platz fünf.1475 Bis 1955 wurden in Graz und

1469 Vgl.: Walter Schuster/Wolfgang Weber, Entnazifizierung im regionalen Vergleich. Bilanz:, In: Walter Schuster/Wolfgang Weber (Hgg.), Entnazifizierung im regionalen Vergleich. Linz 2004, 38-39. 1470 Martin F. Polaschek, Im Namen der Republik Österreich. Die Volksgerichte in der Steiermark 1945 bis 1955, Graz 1998, 57. 1471 Walter Schuster/Wolfgang Weber, Entnazifizierung im regionalen Vergleich. Bilanz:, In: Walter Schuster/Wolfgang Weber (Hgg.), Entnazifizierung im regionalen Vergleich. Linz 2004, 23. 1472 Vgl.: Elisabeth Schöggl-Ernst, Entnazifizierung in der Steiermark unter besonderer Berücksichtigung der Justiz, In: Walter Schuster/Wolfgang Weber (Hgg.), Entnazifizierung im regionalen Vergleich. Linz 2004,248- 250. 1473 Eva Holpfer, Österreichische PolitikerInnen und Naziverbrechen. Die Auseinandersetzung betreffend die Ahndung von NS-Verbrechen im Plenum des österreichischen Nationalrates zwischen 1945 und 1957. In: Heimo Halbrainer/Martin F. Polaschek (Hgg.), Kriegsverbrecherprozesse in Österreich. Eine Bestandsaufnahme, Graz 2003, 41. 1474 Heimo Halbrainer, Die justizielle Ahndung von NS-Verbrechen in Aichfeld-Murboden, in: Heimo Halbrainer/Michael Schiestl (Hgg.), Adolfburg statt Judenburg. NS-Herrschaft: Verfolgung und Widerstand in der Region Aichfeld-Murboden, Graz 2011, 212. 1475 Vgl.: Dieter Stiefel, Forschungen zur Entnazifizierung in Österreich: Leistungen, Defizite, Perspektiven, In: Walter Schuster/Wolfgang Weber (Hgg.), Entnazifizierung im regionalen Vergleich. Linz 2004, 44-46. 255

Leoben 44.717 Volksgerichtsfälle bearbeitet. Über 4.697 Personen wurden Urteile gefällt.1476 Das Volksgericht setzte sich aus zwei Berufs- und drei Laienrichtern zusammen.1477 Die Bestellung der Schöffen erfolgte zunächst nach einem besonderen Verfahren, welches gewährleistete, dass je ein Schöffe aus der Liste der KPÖ, ÖVP und SPÖ dem Gericht angehörten. Diese Bestimmung wurde allerdings im Jahr wieder 1946 aufgehoben, sodass die Mitwirkung der Parteien nur mehr bei der Anlegung der einheitlichen Schöffenlisten erfolgte. An der Erstellung nahmen vier Angehörige des Straflandesgerichtes, ein Vertreter des Landeshauptmannes, zwei ÖVP-Vertrauenspersonen, eine SPÖ-Vertrauensperson und eine KPÖ-Vertrauensperson teil.1478

In den einzelnen steirischen Bezirken wurden Beratungskommissionen bezüglich der Entnazifizierung eingesetzt. Im Bezirk Voitsberg bestand diese Kommission aus fünf Mitgliedern. Drei der Kommissionsmitglieder wurden von den Parteien entsandt. Vertreter der ÖVP in der Kommission war der von den Nationalsozialisten verfolgte Apotheker Alois Wölfler, der mittlerweile Bezirksleiter der Volkspartei Voitsberg war.1479 Von Dezember 1945 bis November 1949 war er Mitglied des Nationalrats.1480 Der sozialdemokratische Vertreter in der Beratungskommission hieß Bretschneider und war Bezirkssekretär der Voitsberger SPÖ.1481 Weitere Mitglieder waren Anton Pichler, Gspurning und Dr. Corovan.1482

Voitsberger Kreisleiter Anton Weißensteiner und Hubert Eissner wurden von der Staatsanwaltschaft in die Kategorie der „prominenten Nationalsozialisten“ eingeordnet.1483 Beide Kreisleiter zählten zu den besonders belasteten Nationalsozialisten. Insgesamt fielen 6.044 steirische Nationalsozialisten in diese Kategorie.1484 Dies waren 6,1 % aller registrierten steirischen Nationalsozialisten.

1476 Vgl.: Elisabeth Schöggl-Ernst, Entnazifizierung in der Steiermark unter besonderer Berücksichtigung der Justiz, In: Walter Schuster/Wolfgang Weber (Hgg.), Entnazifizierung im regionalen Vergleich. Linz 2004,248- 250. 1477 Vgl.: Elisabeth Schöggl-Ernst, Entnazifizierung in der Steiermark unter besonderer Berücksichtigung der Justiz, In: Walter Schuster/Wolfgang Weber (Hgg.), Entnazifizierung im regionalen Vergleich. Linz 2004, 218- 220. 1478 Martin F. Polaschek, Im Namen der Republik Österreich. Die Volksgerichte in der Steiermark 1945 bis 1955, Graz 1998, 11. 1479 StLa, BH VO 1945, Karton 399 25. Oktober 1945. 1480 http://www.parlament.gv.at/WWER/PAD_01527/index.shtml 1481 StLa, BH VO 1945, Karton 399 Zl 14 Ve 2/4-45 10. September 1945. 1482 FLD-Pers-1648. 1483 Vgl.; Martin F. Polaschek, Im Namen der Republik Österreich. Die Volksgerichte in der Steiermark 1945 bis 1955 (Veröffentlichungen des Steiermärkischen Landesarchives, 23), Graz 1998, 76. 1484 Vgl.: Ebd. 421. 256

Wer als besonders belastet galt, dem drohten die Konsequenzen des § 17 Abs. 2 des Verbotsgesetzes.1485 Sowohl Weißensteiner als auch Eissner drohte zusätzlich jedoch vor allem als Kreisleiter nach § 1 Abs. 6 des Kriegsverbrechergesetzes die Todesstrafe.1486 Der § 1 des aus neun Paragraphen bestehenden KVG betraf Kriegsverbrechen im engeren Sinn. Absatz 6 betraf dabei die höchsten NS-Funktionäre die, auch wenn ihnen keine individuellen Kriegsverbrechen nachgewiesen werden konnten, als „Urheber und Rädelsführer“ in die Kategorie der Kriegsverbrecher fielen. In der ursprünglichen Fassung des Gesetzes betraf § 1 Abs. 6 des KVG Mitglieder der Reichsregierung, die Reichsstatthalter und die höherer SS- und Waffen-SS Führer, sowie Hoheitsträger vom Gauleiter aufwärts. Erst im Zuge der Novellierung des KVG im Jahr 1947 fielen auch die Kreisleiter in diese Kategorie. Die Mehrzahl der durchgeführten Volksgerichtsverfahren betraf nicht Kriegsverbrechen im engeren Sinn, sondern Delikte, die hinter der Front verübt wurden. Dazu zählten Denunziationen, Misshandlungen oder Verletzungen der Menschenwürde.1487 Eine Aufgliederung der 1947 in Österreich nach dem KVG verurteilten Personen zeigt, dass die Hälfte von ihnen wegen des § 7, der das Delikt der Denunziation betraf, verurteilt wurde.1488 Insgesamt wurden vom Grazer Volksgerichtssprengel, Leoben und Klagenfurt zählten ebenfalls zu diesem Sprengel, 1.250 Personen nach dem KVG verurteilt.1489

Angeklagt wurden Weißensteiner und Eissner neben ihrer Funktion als Kreisleiter auch als „Illegale“, aufgrund ihrer NSDAP-Mitgliedschaft zwischen 1933 und 1938. Des Weiteren wurden sie beschuldigt, an der Ermordung von Juden beteiligt gewesen zu sein. Das Gendarmeriebezirkskommando Voitsberg zählte neben Anton Weißensteiner und Hubert Eissner noch Ludwig Lettmayer, der Kreisbauernführer, Ortsgruppenleiter von Stallhofen und im Range eines Obersturmbannführers Führer der SA des Kreises Voitsberg war, zur Kategorie der Kriegsverbrecher. Lettmayer wurde jedoch bereits unmittelbar nach Kriegsende von den Sowjetstreitkräften verhaftet. Er starb bald darauf in der Gefangenschaft. Daher konnte ihm vor dem Volksgericht nicht der Prozess gemacht werden.1490

1485 Vgl.: Ebd. 1486 Vgl.: StLa, VR 5089/47 und VR 5001/47. 1487 Martin F. Polaschek, Im Namen der Republik Österreich. Die Volksgerichte in der Steiermark 1945 bis 1955, Graz 1998, 16. 1488 Ebd. 182. 1489 Ebd. 38. 1490 StLa, Vr 5001/89-7 257

Hubert Eissner wurde am 16. Juni 1945 in Köflach verhaftet und am 23. Juni ins britische Internierungslager Wolfsberg überstellt.1491 Der Prozess gegen ihn verlief relativ unspektakulär. Der Vorwurf, an der Ermordung von Juden beteiligt gewesen zu sein, konnte von der Anklage nicht aufrechterhalten werden und war nicht mehr Gegenstand der Hauptverhandlung. Kein Wunder, da es nur einen Zeugen dafür gab und dieser in seiner Aussage nur von einem „hypothetischen Ausspruch“ Eissners berichtete der folgendermaßen gelautet haben soll: „Es wäre besser man würde die Juden der Reihe nach aufstellen und umlegen“.1492 Mehrere andere Zeugen des „Judentransportes“, der Voitsberg im April 1945 passierte, konnten Eissner nichts Derartiges nachsagen. Es wurde von ihnen nur darüber berichtet, dass Eissner meinte, es wäre ihm lieber, man würde „diese Juden nicht durch meinen Kreis schicken.“1493 Allen weiteren Anklagepunkten gegenüber bekannte er sich für schuldig. In der Folge war er vor allem auf eine milde Strafe aus. Als Eissners Anwalt fungierte ab Juli 1947 Dr. Heinrich Hinkel.1494

Seine Strategie baute Eissner auf Aussagen von verfolgten Personen des Kreises auf, denen er geholfen hatte. Er versuchte sich als gemäßigter Nationalsozialist darzustellen, dem es nur um das wirtschaftliche Wohl Österreichs im Allgemeinen und des Kreises Voitsberg im Besonderen ging. Dabei unterstrich er auch seine gute Beziehung zu Sepp Helfrich, der ebenfalls als gemäßigter Nationalsozialist galt und bereits kurz nach dem „Anschluss“ von Uiberreither entmachtet und als Gauleiter abgelöst wurde.1495 Helfrich wurde übrigens trotz seiner Tätigkeit als Gauleiter nicht nach § 1 Abs. 6 des KVG angeklagt, sondern lediglich nach § 11 des VG zu vier Jahren schwerem Kerker und Vermögensverfall verurteilt.1496 Des Weiteren legte Eissner dem Gericht als entlastendes Beweisstück den von ihm 1934 mitunterschriebenen Aufruf zur „bedingungslosen Einfügung der NSDAP in die Vaterländische Front“ vor.1497

Während der Zeit seiner Inhaftierung in Graz beantragte Eissner zwei Mal, im Juni und im September 1947, seine vorzeitige Haftentlassung.1498 Grund dafür war sein schlechter

1491 StLa, VR 5089/47 – 71. 1492 StLa, VR 50089/47 – 25. 1493 StLa, VR 5089/47 – 99a. 1494 StLa, Vr 5089/47-129 1495 Vgl.: StLa, VR 5089/47. 1496 Vgl.: Martin F. Polaschek, Im Namen der Republik Österreich. Die Volksgerichte in der Steiermark 1945 bis 1955, Graz 1998, 80-81. 1497 StLa, VR 5089/47 – 109. 1498 StLa, Vr 5089/47-103 und Vr 5089/47-141 258

Gesundheitszustand. Bereits während seiner Zeit als Kreisleiter litt Eissner an einer schweren Emphysembronchitis und an einem Magengeschwür.1499 Während seiner Haftzeit war Eissner öfters in ambulanter Behandlung. Er hatte mit Asthma, einer Mittelohrentzündung und einem Bindehautkatarrh im linken Auge zu kämpfen.1500 Beide Ansuchen um Haftentlassung wurden jedoch abgelehnt. Das Gericht begründete die Entscheidung mit dem Verweis darauf, dass Haftbefreiung bei Verbrechen, welche die Todesstrafe oder lebenslange Haft zur Folge haben können unmöglich ist.1501

Am 9. Jänner 1948 wurde Hubert Eissner schließlich zu 10 Jahren schwerem Kerker und Vermögensverlust verurteilt.1502 Das Urteil wurde einhellig gefällt.1503 Strafmildernd wirkte sich Eissners umfassendes Geständnis aus sowie die vom Gericht anerkannte Tatsache, dass er in mehreren Fällen Opfern des Nationalsozialismus Hilfe angeboten hatte.1504 Im steiermarkweiten Vergleich gehörte Eissner zu jenen 45 Nationalsozialisten, die zu Haftstrafen zwischen zehn und 20 Jahren verurteilt wurden. Nur 12 Nationalsozialisten wurden von den steirischen Volksgerichten Graz und Leoben zu höheren Strafen verurteilt. Insgesamt wurden etwas mehr als 3000 Nationalsozialisten von steirischen Volksgerichten zu Haftstrafen verurteilt. Eissner gehörte auch zu jenen 206 Personen, deren Vermögen eingezogen wurde.1505 In der Weststeirischen Volkszeitung, der Nachfolgezeitung des VKW, erschien lediglich ein kleiner Bericht zur Verurteilung Eissners. Seine Strafe wurde dabei als überaus hoch bezeichnet. Zahlreiche Anzeigen gegen Eissner seien überdies laut Informationen der Zeitung von linksradikalen Kreisen ausgegangen.1506 Diese Einschätzung zeigt deutlich, wie weit die Rehabilitation führender Nationalsozialisten vor Ort in der öffentlichen Meinung bereits vorangeschritten war.

Am 18. Februar 1949 reichte Eissners Mutter über dessen neuen Anwalt Dr. Friedrich Trux ein Gnadengesuch für ihn ein.1507 Unterstützt wurde dieses Gesuch maßgeblich von der Glasfabrik Köflach, der steirischen Handelskammer, dem Bürgermeister der Gemeinde Bärnbach, der Bezirks- SPÖ und ÖVP, sowie dem Obersten Sekretär der

1499 StLa, Vr 5089/47-207 1500 StLa, Vr 5089/47-251 1501 StLa, Vr 5089/47-143 1502 StLa, VR 5089/47 – 169. 1503 StLa, VR 5089/47-167 1504 StLa, VR 5089/47 – 171. 1505 Elisabeth Schöggl-Ernst, Entnazifizierung in der Steiermark unter besonderer Berücksichtigung der Justiz, In: Walter Schuster/Wolfgang Weber (Hgg.), Entnazifizierung im regionalen Vergleich. Linz 2004, 248-250. 1506 Vgl.: Weststeirische Volkszeitung, 17. Jänner 1948. 1507Vgl.: StLa, Vr 5089/47-193 und VR 5089/47 – 197 259

Bundesländerversicherung, der während des Krieges als Kompaniechef einer Kriegsgefangenenkompanie in Voitsberg stationiert gewesen war.1508 Die Einstellung zu Eissner innerhalb der Bezirksparteiorganisationen der SPÖ und ÖVP veränderte sich im Vergleich zu ihrer ersten Stellungnahme zu seiner Person völlig. Laut Einschätzung der ÖVP war die Bevölkerung des Bezirks Voitsberg Eissner Ende 1948 nicht unfreundlich gesinnt. Seine Strafe wurde als zu hart angesehen. Außerdem habe sich Eissner sich immer loyal allen Wirtschaftstreibenden gegenüber verhalten und seine Funktionen nicht für die Erlangung persönlicher Vorteile ausgenutzt.1509 Die ÖVP-Kainach bezeichnete in ihrer Stellungnahme vom Oktober 1948 Eissners Einstellung gegenüber allen Bevölkerungsgruppen als menschlich und sozial.1510 Im Februar 1946 war man innerhalb der ÖVP-Bezirksleitung noch der Meinung gewesen, dass Eissner als Kriegsverbrecher zu gelten habe.1511

Besonders bemerkenswert war die plötzliche Unterstützung der SPÖ für das Gnadengesuch. Am 2. Februar 1946 schrieb die Bezirks-SPÖ ans Gericht, dass Eissner „bedenkenlos bereit gewesen [wäre], die Bevölkerung des Kreises zu opfern, um seiner Partei [zu] einem kleinen Aufschub ihres Endes zu verhelfen.“1512 Am 23. November 1948 hatte man aber nichts mehr gegen eine Begnadigung einzuwenden.1513 Die Stadtpartei Köflach schrieb am 1. Oktober 1948 sogar von „seiner Intelligenz“ und der „Wertschätzung, die er in allen Kreisen der Bevölkerung des Bezirkes Voitsberg genossen hat […].“1514 Des Weiteren habe Eissner „seine nationalsozialistische Weltanschauung stets im idealsten Sinne hochgehalten.“1515 Außerdem unterstützte auch der Bürgermeister von Bärnbach, ebenfalls Mitglied der SPÖ Eissners Begnadigung, da dieser sich niemals gegen die Menschenwürde vergangen habe.1516 Schließlich wurde Eissner von Bundespräsident Karl Renner am 13. Juli 1949 begnadigt. Hubert Eissner wurde am 22. Juli 1949 aus der Haft entlassen und kehrte daraufhin nach Köflach zurück.1517

Eissners ansehnliches Vermögen, es betrug laut Schätzung des Gerichts im März 1946 67.186,14 Schilling, war während seiner Haftstrafe beschlagnahmt worden. Im Mai 1957

1508 Vgl.: StLa, VR 5089/47 1509 StLa, VR 5089/47 - 219 1510 StLa, Vr 5089/47-221 1511 StLa, Vr 5089/47 - 9 1512 StLa, VR 5089/47 – 11. 1513 StLa, VR 5089/47 – 218. 1514 StLa, VR 5089/47 – 217. 1515 Ebd. 1516 StLa, Vr 5089/47-233. 1517 StLa, Vr 5089/47-295 und Vr 5089/47-299. 260 beantragte er gemäß des Bundesverfassungsgesetzes vom 18. Juli 1956 betreffend die Vermögensverfallsamnestie die Rückerstattung seines verfallenen Vermögens. Dieses würde er ausschließlich zur Bezahlung seiner Schulden verwenden.1518 Die Vermögensverfallsamnestie ermöglichte den meisten wegen „Formaldelikten“ verurteilten Nationalsozialisten die Wiedererlangung ihres eingezogenen Vermögens.1519 So geschah es auch bei Eissner. Seinem Antrag wurde schnell stattgegeben. Am 7. Juni 1957 bekam er sein beschlagnahmtes Vermögen vollständig rückerstattet.1520

Anton Weißensteiner flüchtete bei Kriegsende nach St. Georgen bei Murau und wurde dort am 29. Mai 1945 von einem Gendarm, der ihn aus Voitsberg kannte, verhaftet.1521 Danach wurde er wie Eissner ins Lager Wolfsberg gebracht. Bis 1948 waren in diesem Lager schätzungsweise 3.000 bis 4.000 Nationalsozialisten interniert.1522 Ihm wurde zusätzlich zu den Vorwürfen, die bereits Eissner gemacht wurden, auch seine Tätigkeit als Gauobmann der DAF und Verbrechen gegen Juden während der NS-Machtübernahme im Burgenland zur Last gelegt. Außerdem soll Weißensteiner den Befehl zur Ermordung von Juden im Lager Liebenau gegeben haben. Ab Oktober 1947 wurde er vom Anwalt Dr. Rudolf Griss vertreten.1523 Weißensteiner bekannte sich der illegalen Mitgliedschaft in der NSDAP und der SA für schuldig, bestritt jedoch an der Ermordung oder Misshandlung von Juden beteiligt gewesen zu sein. Auch im Bezug auf seine Tätigkeit als Kreisleiter bekannte er sich nicht schuldig, da er nie von Hitler ernannt worden war und nach eigener Meinung daher auch offiziell nie Kreisleiter gewesen war.1524 In einem von ihm selbst noch während der NS-Zeit verfassten Lebenslauf stellte Weißensteiner jedoch klar, dass er am 25. November 1939 vom „Führer“ zum Kreisleiter von Voitsberg ernannt wurde.1525

Den Vorwurf an der Ermordung von Juden im Lager Liebenau beteiligt gewesen zu sein konnte Weißensteiner schnell entkräften. Er war in seiner Funktion als Gauobmann für die Verpflegung der durch die Steiermark getriebenen ungarisch-jüdischen Zwangsarbeiter/innen

1518 StLa, Vr 5089/47-313 1519 Martin F. Polaschek, Im Namen der Republik Österreich. Die Volksgerichte in der Steiermark 1945 bis 1955, Graz 1998, 71. 1520 StLa, Vr 5089/47-319. 1521 Vgl.: StLa, VR 5001/47 -182. 1522 Vgl.: Martin F. Polaschek, Entnazifizierung und Kriegsverbrecherprozesse in der Steiermark, in: Heimo Halbrainer/ Gerald Lamprecht/ Ursula Mindler (Hrsg.), NS-Herrschaft in der Steiermark. Positionen und Diskurse, Graz 2012, 414. 1523 Vgl.: StLa, VR 5001/47-111. 1524 Vgl.: StLa, VR 5001/47. 1525 Vgl.: Kapitel: Die Kreisleitung und ihre Funktion 261 verantwortlich. Angeblich soll den Wachmannschaften befohlen haben, Juden umzubringen. Einer seiner Untergebenen, Nikolaus Pichler, wurde dafür zum Tode verurteilt und belastete ihn schwer. Mehrere andere Mitarbeiter der DAF entlasteten Weißensteiner allerdings. Zu diesen DAF-Mitarbeitern gehörte auch Karl Mansky, der Kdf-Kreiswart von Voitsberg und von Ende 1944 bis zum Zusammenbruch des NS-Regimes außerdem Kreisarbeitseinsatzwalter der DAF war. In dieser Funktion nahm er auch an Besprechungen, welche das Lager Liebenau betrafen teil. Weißensteiner habe laut Mansky an solchen Besprechungen überhaupt nicht teilgenommen.1526 Außerdem wurden grobe Zweifel an den Aussagen Pichlers laut. Bei genauem Studium der Akten kommt man tatsächlich zu dem Schluss, dass dieser jeden belastete, um sich selbst auf einen Befehlsnotstand berufen zu können.1527

Für die Transporte von ungarisch-jüdischen Zwangsarbeitern durch die Steiermark und Weißensteiners Rolle dabei interessierte sich neben dem Volksgericht auch die britische Besatzungsmacht. Am 8. August 1947 wurde Weißensteiner dazu von der Investigation Branch der Legal Division des HQ Civil Affairs befragt. Er gab an im März 1945 von Gauleiter Uiberreither bezüglich des Marsches fremdländischer Arbeiter und Juden von der ungarischen Grenze benachrichtigt worden zu sein. Übergriffe gegen Juden sind in Missachtung seiner Anweisungen und ohne seine Kenntnis erfolgt. Den DAF- Kreisobmännern habe er mündlich mitgeteilt, dass Polizeiaktionen grundsätzlich zu unterlassen seien und dass die DAF nur für Betreuungsangelegenheiten zuständig ist.1528 Ebenso wie das Volksgericht verfolgte letztendlich auch die Ivestigation Branch Weißensteiners Involvierung in die Todesmärsche nicht weiter.

Was die Misshandlung von Juden während der Zeit des „Anschlusses“ in Mattersburg betrifft, verhielt sich die Sache schon schwieriger. In der Zeit vor der nationalsozialistischen Machtübernahme befand sich in Mattersburg die größte jüdische Gemeinde des Burgenlandes. Bereits im Juni 1938 war Mattersburg „judenfrei“. Als Zeichen dafür wurde eine weiße Fahne am Kirchturm angebracht.1529 In der Zeit zwischen März 1938 und Juni 1938 war Weißensteiner sowohl Kreisleiter als auch Kreiswahlleiter der NSDAP im Kreis Mattersburg. Mehrere jüdische Zeugen gaben an, von Weißensteiner misshandelt und um Geldbeträge

1526 StLa VR 5001/47-64. 1527 Vgl.: StLa, VR 5001/47. 1528 StLa Vr 5001/47-159. 1529 Hans Brettl, Nationalsozialismus im Burgenland. Opfer. Täter. Gegner, Innsbruck 2012, 383. 262 gebracht worden zu sein.1530 Weißensteiner hielt dem entgegen, dass es sich um eine Verwechslung mit dem damaligen SD-Außenstellenleiter Karl Goda handelte, der ihm ähnlich gesehen hätte.1531 Des Weiteren hielt Weißensteiner den Misshandlungsvorwürfen die positiven Aussagen anderer Juden über seine Person entgegen.1532 Besonders ins Gewicht fiel dabei die Aussage von Ludwig Bräuer, dem nunmehrigen Vorsitzenden des KZ-Verbandes Mattersburg, den Weißensteiner aus dem Rathauskeller, in dem dieser im März 1938 inhaftiert war, holte und ihm den Rat gab, so schnell wie möglich zu verschwinden.1533 Des Weiteren gab Bräuer an, dass er von anderen Juden darüber unterrichtet wurde, dass sich Weißensteiner nie an Misshandlungen beteiligt habe.1534 Zusätzlich behauptete Weißensteiner, sich bei seinem Förderer Portschy, der zu diesem Zeitpunkt Landeshauptmann des Burgenlandes war, für die schnelle Ausreisegenehmigung der Mattersburger Juden eingesetzt zu haben.1535 Diese Behauptung wird von Tagebucheintragungen Portschys bestätigt, der dem Ansuchen Weißensteiners zumindest im Falle einer sechsköpfigen Familie zustimmte.1536

Im Bezug auf seine Tätigkeit als Kreisleiter gab Weißensteiner, wie schon erwähnt, an, niemals offiziell Kreisleiter gewesen zu sein. Außerdem fanden sich wie bei Eissner viele Personen, die für ihn aussagten. Die Hauptentlastungszeugen waren führende Sozialdemokraten des Bezirkes, allen voran der Nationalratsabgeordnete und Voitsberger Bürgermeister Hans Blümel. Diesen versuchte Weißensteiner nach einer eingegangenen Anzeige zwar vom Nationalsozialismus zu überzeugen, gab diesen Versuch aber nach einer Stunde wieder auf. Danach sagte er Blümel schließlich, dieser sei eigentlich „ein Ehrenmensch“ und sah von der Schließung seines Gasthauses ab.1537 Möglicherweise als Gegenleistung dafür arbeitete Blümel ab 1940 im RLB mit. 1944 war er bereits Bereichsführer und im Falle eines Luftalarms für die Betreuung von 300 Personen zuständig. Außerdem war er als Ordner beim Bau eines Luftschutzstollens im Bereich des aufgelassenen Bergbaus Margarethenfriedhof eingesetzt.1538

1530 Vgl.: ebd. 1531 Vgl.: StLa, VR 5001/47 – 178. 1532 Vgl.: StLa, VR 5001/47. 1533 StLa, VR 5001/47 – 261. 1534 Ebd. 1535 StLa, VR 5001/47 – 64 c-d. 1536 Vgl. Ursula Mindler, Portschy, 72-73. 1537 StLa, VR 5001/47 – 262. 1538 StLa, BH VO, 1944, Karton 382, Zl 14 La 1/30-44 23. Mai 1944 263

Die ÖVP-Bezirksleitung Voitsberg setzte sich ebenfalls für Weißensteiner ein. In einem politischen Gutachten aus dem November 1947 hieß es sogar, dass Weißensteiner als Kreisleiter für den Bezirk ohne Zweifel viel positive Arbeit geleistet hätte. Des Weiteren sei Weißensteiner ein Idealist gewesen, „der tatsächlich im Sinne der nationalsozialistischen Ideologie nur das Beste wollte.“ 1539 Diese Einschätzung stellt einen bemerkenswerten Schwenk in der Haltung der Bezirks-ÖVP zu Weißensteiner dar. Nur etwas mehr als eineinhalb Jahre zuvor, am 7. Februar 1946 vertrat sie noch die Meinung, dass Weißensteiner als Kriegsverbrecher zu gelten habe.1540 Am Ende des neuen Gutachtens war die Bezirksleitung der ÖVP der Auffassung, dass es ungerecht wäre, Weißensteiner und andere ehemalige Nationalsozialisten aufgrund eines formalen Gesetzes zu verurteilen. Sollte ihm kein konkretes Delikt nachgewiesen werden können, so sei er „im Sinne einer endlichen Befriedung aus der Haft zu entlassen.“ Mit dem Verweis auf das formale Gesetz spielte die ÖVP darauf an, dass allein die Tatsache Kreisleiter gewesen zu sein bereits mit einer langjährigen Haftstrafe geahndet wurde.

Neben der ÖVP, änderte nun auch die SPÖ ihre Einschätzung zur Person Anton Weißensteiner und seiner Tätigkeit als Kreisleiter. Im Februar 1946 hieß es von Seiten der Bezirksleitung der SPÖ noch, dass Weißensteiner sich durch seine rücksichtslose und brutale Art, in der Arbeiterschaft einen gefürchteten Namen machte. Was die Frage betrifft ob Weißensteiner als Kriegsverbrecher zu gelten habe, war die Bezirks-SPÖ zurückhaltender als die ÖVP. Die knappe Stellungnahme dazu lautete: „Eine Tat, die man als Kriegsverbrechen bezeichnen könnte, ist uns nicht bekannt.“1541 Im Dezember 1947 teilte die Bezirks-SPÖ dem Volksgericht außerdem mit, dass ihr nicht bekannt sei, dass Weißensteiner während seiner Zeit als Kreisleiter Personen geschädigt hätte.1542

Wie schon bei Hubert Eissner drehte sich die Einschätzung von Weißensteiner innerhalb der beiden Großparteien des Bezirkes beinahe um 180 Grad. Aus den rücksichtslosen Kreisleitern, die unbedingt zu verurteilen seien, wurden innerhalb von knapp drei Jahren Personen die keine individuelle Schuld traf und die nur das Beste für den Bezirk Voitsberg und seine Bevölkerung wollten. Im Hinblick auf die Wahlen des Jahres 1949 hatte das taktische Kalkül ehemalige Nationalsozialisten, die den beiden Kreisleitern natürlich nicht

1539 StLa, VR 5001/47 – 205. 1540 StLa, VR 5001/47 – 9. 1541 StLa, VR 5001/47-11. 1542 StLa, Vr 5001/47-207. 264 negativ gesinnt waren, als potenzielle Wähler zu gewinnen, oberste Priorität. Dieser Umstand illustriert anschaulich, wie „erfolgreich“ die Entnazifizierung bzw. die Aufarbeitung des Nationalsozialismus im Kreis Voitsberg war. Ob die milde Beurteilung der Kreisleiter von Seiten der SPÖ auch die Folge der korrekten Behandlung welche beide Kreisleiter führenden Sozialdemokraten der Nachkriegszeit, wie Karl Bergmann und Hans Blümel, zukommen ließen, lässt sich nicht mit Sicherheit feststellen, ist aber durchaus wahrscheinlich. Wie bereits erwähnt, sagte Bergmann für Weißensteiner aus, während Blümel für beide Kreisleiter aussagte.

Das Urteil gegen Weißensteiner erfolgte schließlich am 4. März 1949.1543 Wie schon beim Prozess gegen Hubert Eissner wurde das Urteil einhellig gefällt. Er wurde wegen seiner Tätigkeit als Kreisleiter zu 10 Jahren schwerem Kerker verurteilt. Das Gericht stellte fest, dass es unerheblich sei, ob er von Hitler persönlich oder nur vom Gauleiter ernannt wurde.1544 Freigesprochen wurde Weißensteiner von dem Vorwurf, Juden misshandelt und sich an ihnen bereichert zu haben.1545 Als strafmildernd wirkten sich die günstigen Aussagen ehemals verfolgter Personen, insbesondere jene von Juden aus.1546 Bereits im Jänner 1949 ordnete das Gericht die Beschlagnahmung von Weißensteiner Vermögen an.1547 Im Mai 1946 betrug dieses laut Schätzung des Gerichts 3.600 Schilling.1548 Im Bezug auf die Höhe seiner Strafe und den erfolgten Vermögensentzug gehörte Anton Weißensteiner in der gesamtsteirischen Relation in dieselbe Kategorie wie Hubert Eissner. Weißensteiner verfasste noch im Juli 1949 ein Gnadengesuch.1549 Bundespräsident Renner gab dem Gesuch statt. Anton Weißensteiner wurde am 27. Oktober 1949 aus der Haft entlassen.1550

Für die Kosten seiner Zeit im Lager Wolfsberg und in Graz musste Weißensteiner zunächst selbst aufkommen. Im Februar 1950 wurden ihm 9.607,60 Schilling erlassen. Es handelte sich dabei um die Kosten für die Zeit seiner Lagerhaft in Wolfsberg vom 30. Mai 1945 bis 17. Mai 1947.1551 Im November 1957 beantragte Weißensteiner, der zu diesem Zeitpunkt bereits in Wien lebte, auf Basis des NS-Amnestiegesetzes vom 14. März 1957 die noch immer

1543 StLa, VR 5001/47 - 307 1544 StLa, VR 5001/47 - 308 1545 Ebd. 1546 StLa, VR 5001/47 – 309. 1547 Vr 5001/47-291 18. Jänner 1949. 1548 StLa, Vr 5001/47-33 1549 StLa, Vr 5001/47-331. 1550 StLa, Vr 5001/47-365. 1551 Vr 5001/47-367 13. Februar 1950. 265 ausstehenden Restkosten für seine Haftzeit zu tilgen. Dem Antrag wurde letztendlich stattgegeben.1552

Vergleich mit den Urteilen gegen andere Kreisleiter Ein umfassender Vergleich der Prozesse gegen die beiden Voitsberger Kreisleiter mit den zahlreichen anderen Prozessen gegen Kreisleiter ist im Rahmen dieser Arbeit nicht möglich. Dennoch lohnt sich ein Blick auf einige Urteile gegen Kreisleiter aus der Steiermark und anderen Bundesländern. Dabei fällt auf, dass die Spruchpraxis österreichweit uneinheitlich ausfiel. Anton Weißensteiner verlangte beispielsweise im Jänner 1949 die Rücknahme der Anklage nach dem KVG. Dabei berief er sich auf Urteile gegen den stellvertretenden Gauleiter von Salzburg und gegen Franz Amberger, den Kreisleiter von Murau, die lediglich wegen § 11 des VG verurteilt wurden. Dasselbe gilt für den Kreisleiter von Oberwart Eduard Nicka. Außerdem verwies er auf das Urteil gegen den Kreisleiter von Linz-Stadt, Franz Lanzer, der lediglich zu zweieinhalb Jahren schwerem Kerker verurteilt wurde. Das KVG fand auch in seinem Fall keine Anwendung.1553 Tatsächlich lieferte sich das Volksgericht Linz im Bezug auf die Aburteilung der Kreisleiter in seinem Sprengel einige Auseinandersetzungen mit dem Obersten Gerichtshof. Letzteres hob ein Urteil gegen einen Kreisleiter auf, der lediglich nach § 11 des VG verurteilt wurde. Im Wiederholungsverfahren fällte das Volksgericht jedoch das gleiche Urteil. Generell lässt sich feststellen, dass die Volksgerichte ab 1950 weniger Schuldsprüche wegen Formaldelikten fällten. Diese Praxis beschränkte sich also nicht nur auf das Volksgericht Linz, das allerdings als erstes damit begonnen hatte.1554

Dass man 1947 für das gleiche Delikt zu einer schwereren Strafe verurteilt wurde als 1949 und später, scheint auf den ersten Blick ebenso fragwürdig zu sein wie die unterschiedliche Auslegung des § 1 Abs. 6 des KVG durch die verschiedenen Volksgerichte. In der Praxis machte es für die nach dem KVG verurteilten Kreisleiter jedoch kaum einen Unterschied, da sie ohnehin sehr rasch begnadigt wurden. Weißensteiner, dessen Beschwerde abgelehnt wurde, kam bereits knapp acht Monate nach seiner Verurteilung durch Begnadigung frei.

1552 StLa, Vr 5001/47-379. 1553 StLa, VR 5001/47-293-296 1554 Martin F. Polaschek, Im Namen der Republik Österreich. Die Volksgerichte in der Steiermark 1945 bis 1955, Graz 1998, 45-47 266

Innerhalb der bekannten Urteile gegen steirische Kreisleiter, das Urteil gegen den von Weißensteiner angesprochenen Kreisleiter von Murau ist leider nicht auffindbar, waren die Strafen für Weißensteiner und Eissner durchaus mit denen der meisten anderen Kreisleiter vergleichbar. Karl Bartsch, Kreisleiter von Feldbach erhielt ebenfalls eine Haftstrafe von 10 Jahren. Dasselbe gilt für Franz Tritthart, den Kreisleiter von Graz-Land, Karl Ahorner, der als Kreisleiter von Bruck fungierte und Rudolf Kollik, Kreisleiter von Graz. Sie alle wurden nach § 11 des VG und nach § 1 Abs. 6 des KVG verurteilt. Ihre Verhandlungen fanden 1947 und 1948 statt. Zu 15 Jahren Haft wurde Florian Groß, der Kreisleiter von Hartberg verurteilt, da ihm zusätzlich zu den besagten „Formaldelikten“ in zwei Fällen Denunziationen nachgewiesen werden konnten. Außerdem gab er im April 1945 den Befehl, zwei Gehöfte niederzubrennen.1555

Weitaus schlimmer als Eissner und Weißensteiner traf es die Kreisleiter von Leoben und Weiz. Otto Christandl, Kreisleiter von Leoben wurde wegen der Judenmorde in Eisenerz von einem britischen Militärgericht am 29. April 1946 zum Tode verurteilt und am 21. Juni 1946 hingerichtet. Hand Brandner, Kreisleiter von Weiz, wurde am 9. April 1947 von einem britischen Militärgericht wegen Anstiftung zum Mord zum Tode verurteilt und drei Wochen später hingerichtet. Bereits im August 1946 war er vom Volksgericht Graz zu zehn Jahren Haft verurteilt worden.1556 Neben Christandl und Brandner wurden auch Arnulf Lill, Kreisleiter von Mureck und Anton Rutte, als Nachfolger des bereits erwähnten Karl Bartsch Kreisleiter von Feldbach wegen des Befehls zur Ermordung ungarisch-jüdischer Zwangsarbeiter von einem britischen Gericht zum Tode verurteilt. Die Todesurteile wurden jedoch zu 15 Jahren Haft umgewandelt. Durch die österreichischen Behörden erfolgte danach keine Verfolgung der beiden Kreisleiter mehr.1557 Josef Tomaschitz, der Kreisleiter von Leibnitz wurde bei Kriegsende von jugoslawischen Truppen verschleppt und am 19. Juni 1945 hingerichtet.1558 Gerhard Österreicher, ab 1939 Kreisleiter von Feldbach und von April 1942 bis Dezember 1943 Kreisleiter von Judenburg, wurde noch während des Krieges von Partisanen erschossen. Zum Zeitpunkt seines gewaltsamen Todes im März 1945 war er jedoch nicht mehr als Kreisleiter tätig, sondern fungierte als Deutscher Berater in der zur kurzlebigen faschistischen Italienischen Sozialrepublik (1943-1945) gehörenden Operationszone

1555 Vgl.: Ebd. 88-100. 1556 Vgl.: Martin F. Polaschek, Im Namen der Republik Österreich. Die Volksgerichte in der Steiermark 1945 bis 1955, Graz 1998, 29-30. 1557 Ebd. 92. 1558 Ebd. 100. 267

Adriatisches Küstenland.1559 Dr. Hugo Suete, der Kreisleiter von Deutschlandsberg, konnte sich durch Flucht aus dem Lager Wetzelsdorf seiner Verantwortung entziehen.1560 Eben so wenig wie Suete wurde der Judenburger Kreisleiter Hans Kotz zur Rechenschaft gezogen. Dieser floh am 7. Mai 1947 in Leoben aus dem Gefängnis.1561

Entnazifizierung der Ortsgruppenleiter Neben den Verfahren gegen die Voitsberger Kreisleiter sind noch jene gegen die Ortsgruppenleiter des Kreises Voitsberg erwähnenswert. Wie schon die Kreisleiter wurden auch diese bald nach Kriegsende verhaftet.1562 Ihre Aburteilung durch das Volksgericht Graz erfolgte in den Jahren 1947 und 1948. Angeklagt wurden sie nach § 11 Abs. 1. des Verbotsgesetzes als Hochverräter. Für die Ausübung des Ortsgruppenleiteramtes war diesem Gesetz zufolge ursprünglich ein Strafrahmen von 10 bis 20 Jahren Gefängnis vorgesehen.1563 Keiner der 24 Ortsgruppenleiter des Kreises Voitsberg, zu denen Volksgerichtsakten vorhanden sind, wurde jedoch auch nur zu einer annähernd so hohen Strafe verurteilt.1564

In neun Fällen kam es zu einem Freispruch. Dieser wurde jeweils damit begründet, dass der Angeklagte nicht zum Ortsgruppenleiter ernannt worden war, sondern dieses Amt nur kommissarisch ausübte oder damit, dass dem Angeklagten keine Betätigung für die NSDAP in der illegalen Zeit nachgewiesen werden konnte. In manchen Fällen traf beides zu. Zwei Mal kam es zu einer Einstellung des Verfahrens.1565 Somit endete fast die Hälfte aller untersuchten Verfahren nicht mit einer Verurteilung der angeklagten Ortsgruppenleiter. Die 13 verurteilten Ortsgruppenleiter erhielten Haftstrafen zwischen einem Jahr und 18 Monaten schwerem Kerker. Zusätzlich dazu wurde ihr Vermögen vom Staat eingezogen. Ortsgruppenleiter, die auch höherer Ränge in der SA bekleideten oder Parteiauszeichnungen erhalten hatten, wurden in der Regel zu höheren Strafen verurteilt. In der Praxis war es für die

1559 Heimo Halbrainer, Die justizielle Ahndung von NS-Verbrechen in Aichfeld-Murboden, in: Heimo Halbrainer/Michael Schiestl (Hgg.), Adolfburg statt Judenburg. NS-Herrschaft: Verfolgung und Widerstand in der Region Aichfeld-Murboden, Graz 2011, 201 und 214. 1560 Ebd. 160. 1561 Heimo Halbrainer, Die justizielle Ahndung von NS-Verbrechen in Aichfeld-Murboden, in: Heimo Halbrainer/Michael Schiestl (Hgg.), Adolfburg statt Judenburg. NS-Herrschaft: Verfolgung und Widerstand in der Region Aichfeld-Murboden, Graz 2011, 202. 1562 Nähere Angaben zum genauen Datum der Verhaftung sind im Kapitel Kurzbiographien zu finden. 1563 Vgl.: Heimo Halbrainer, Die justizielle Ahndung von NS-Verbrechen in Aichfeld-Murboden, in: Heimo Halbrainer/Michael Schiestl (Hgg.), Adolfburg statt Judenburg. NS-Herrschaft: Verfolgung und Widerstand in der Region Aichfeld-Murboden, Graz 2011, 203 1564 Vgl.: Vr-Akten der Voitsberger Ortsgruppenleiter. Hubert Eisner der neben seiner Tätigkeit als Kreisleiter auch Ortsgruppenleiter von Köflach war ist dabei nicht miteingerechnet. 1565 LGS Graz, Vr 104/47 Gottfried Slamnig und Vr 6841/46. 268 meisten Verurteilten jedoch unerheblich ob sie zu einem Jahr, zu 15 oder zu 18 Monaten Haft verurteilt wurden, da ihnen die Zeit die sie nach ihrer Überstellung an die österreichischen Behörden in Haft verbracht hatten, auf die im Urteil verkündete Strafe angerechnet wurde. Dadurch kamen sie meistens unmittelbar nach der Urteilsverkündung auf freien Fuß, wenn sich nicht schon zuvor gegen Gelöbnis enthaftet worden waren.1566 Abgesehen von zwei Ortsgruppenleitern verbrachte keiner der Verurteilten nach seiner Urteilsverkündung noch einen Tag im Gefängnis.1567

Es folgt eine Auflistung der Ortsgruppenleiter und ihrer Urteile:

Ortsgruppe Bärnbach: August Holowat 15 Monate1568 Friedrich Weifert 1 Jahr1569 Max Suppanz 18 Monate1570 Anton Lipp Freispruch1571

Ortsgruppe Edelschrott: Peter Flecker Freispruch1572 Herbert Bleymaier Freispruch1573 Josef Flecker 1 Jahr1574

Ortsgruppe Geistthal: Josef Zierler Freispruch1575

Ortsgruppe Gradenberg: Gottfried Slamnig: Verfahren eingestellt1576

1566 Vgl.: Vr-Akten der Voitsberger Ortsgruppenleiter. 1567 Bei den Ausnahmen handlete es sich um Peter Puff Vr 7315/46 und Max Suppanz Vr 3492/47. Beide wurden zu je 18 Monaten schwerem Kerker verurteilt. 1568 LGS Graz, Vr 284/47. 1569 LGS Graz, Vr 4009/47. Weiferts Verurteiltung erfolgte nicht wegen § 11 Vg sondern nach § 4 Vg, da er sich in seiner Zeit als Ortsgruppenleiter nachweislich ein Mal gegen die Menschenwürde vergangen hat. 1570 LGS Graz, Vr 3492/47. 1571 LGS Graz, Vr 2231/47. 1572 LGS Graz, Vr 7728/47. 1573 LGS Graz, Vr 7394/47. 1574 LGS Graz, Vr 6968/47. 1575 LGS Graz, Vr 6045/47. 1576 LGS Graz, Vr 104/47. 269

Franz Fiedler: Freispruch1577

Ortsgruppe Kainach: Franz Rössl Freispruch1578 Johann Talker Freispruch1579

Ortsgruppe Köflach: Fritz Glück 1 Jahr1580

Ortsgruppe Lankowitz: Franz Roth 13 Monate1581

Ortsgruppe Ligist: Johann Kaier 1 Jahr1582

Ortsgruppe Mooskirchen: Peter Pensold Freispruch1583 Peter Puff 18 Monate1584 Ernst Jeszensky 14 Monate1585

Ortsgruppe St. Martin am Wöllmißberg: Vinzenz Strommer Verfahren eingestellt1586 Johann Steinwieder Freispruch1587

Ortsgruppe Stallhofen: Alois Kollegger 1 Jahr1588

1577 LGS Graz, Vr 3448/47. 1578 LGS Graz, Vr 1868/47. 1579 LGS Graz, Vr 6377/47. 1580 LGS Graz, Vr 1232/47. 1581 LGS Graz, Vr 1699/47. 1582 LGS Graz, Vr 1970/47. 1583 LGS Graz, Vr 1607/46. 1584 LGS Graz, Vr 7315/46. 1585 LGS Graz, Vr 3416/47. 1586 LGS Graz, Vr 6841/46. 1587 LGS Graz, Vr 3357/47. 1588 LGS Graz, Vr 3266/47. 270

Ortsgruppe Voitsberg: Harald Lautner 1 Jahr1589 Karl Strasser 1 Jahr1590 Alois Killer 18 Monate1591

In der Aufzählung fehlen Hubert Eissner, Josef Puchas, Fritz Kals, Peter Moser, Rudolf Moswitzer, Hans Teichmann, Fritz Pernhaupt, Hans Binegger, Franz Lemler, Josef Gruber und Ludwig Lettmayer. Dies hat jeweils unterschiedliche Gründe. Eissner wurde nur wegen seiner Funktion als Kreisleiter angeklagt und verurteilt. Puchas nahm sich bei Kriegsende das Leben. Lettmayer wurde von sowjetischen Truppen verschleppt und starb in einem Gefangenenlager. In den Fällen von Moswitzer, Moser, Lemler, Gruber und Binegger konnten keine Akten gefunden werden. Hans Teichmann starb bereits im Juni 1938. Fritz Kals ist im Krieg gefallen.

Aufarbeitung der NS-Zeit in Politik und Geschichtsschreibung Hubert Eissner starb am 16. August 1969 nach langem schwerem Leiden im Alter von 72 Jahren. Eine Woche danach veröffentlichte Dr. Otto Koren in der Weststeirischen Volkszeitung, dem Nachfolger des Voistberg-Köflacher Wochenblattes, einen Nachruf auf Eissner. Darin lobte Koren, der mit Eissner laut eigenen Angaben nach dem Ende der NS- Herrschaft in Graz inhaftiert war, den ehemaligen Kreisleiter in höchsten Tönen. Dieser habe sein ganzes Leben seinem Volke und seiner Heimat geschenkt. Eissner habe außerdem als Kreisleiter „viel gutes getan und viel böses durch seine gütige Art zu verhindern gewusst. Er war wirklich ein guter Kreisleiter.“1592 Eissner sei überdies frei von jeder persönlichen Schuld und daher vom Volksgericht zur Mindeststrafe von 10 Jahren verurteilt worden. Des weiteren hielt Koren fest, dass Eissner aus politischen Gründen aus der Kirche ausgetreten sei, aber trotzdem gläubig war, weswegen der Selbstmord für ihn trotz seiner großen Schmerzen nie eine Option gewesen wäre. Im Nachlass von Eissner befand sich ein Gedicht von Walter Flex, einem patriotischen deutschen Dichter, der im Ersten Weltkrieg fiel, dass am Ende des Artikels abgedruckt wurde. „Das wäre mir ein Arges lebendig begraben zu sein, darum soll am Firste meines Sarges ein heller Knabe schreien: Deutschland. Und wenn ich dann schweige und nicht mehr aus den Brettern steige, dann scharrt mich ruhig ein.“ Der Nachruf

1589 LGS Graz, Vr 2630/47. 1590 LGS Graz, Vr 1810/47. 1591 LGS Graz, Vr 736/46. 1592 Weststeirische Volkszeitung 23. August 1969. 271 schloss mit der Feststellung, dass Eissner ein guter Deutscher, ein guter Steirer und damit auch ein guter Österreicher war.1593

Die Tatsache, dass der höchste Vertreter des Nationalsozialismus im Kreis Voitsberg einen solch positiven Nachruf erhielt, der auch noch in der Bezirkszeitung abgedruckt wurde, sagt einiges über die mehr als mangelhafte kritische Aufarbeitung der NS-Zeit im Bezirk Voitsberg aus. Öffentlich widersprochen wurde dem Nachruf in den folgenden Ausgaben der Weststeirischen Volkszeitung, in der regelmäßig Vertreter aller Parteien zu Wort kamen, übrigens nicht. Lediglich ein den Nachruf betreffender Leserbrief wurde abgedruckt. In diesem bedankte sich der Schreiber bei Dr. Koren und bezeichnete Eissner als sauber und treu.1594 Seltsam mutet auch die Würdigung des Wirkens von Felix Lesky, des NS- Bürgermeister der heute zu Voitsberg gehörenden Gemeinde Kowald, an. Lesky war bereits von 1919 bis 1934 für die SDAP Bürgermeister von Kowald. Nach dem Februaraufstand enthob man ihn seines Amtes. Im Zuge des „Anschlusses“ lief er zu den Nationalsozialisten über, die ihn wieder als Bürgermeister einsetzten. 1965 wurde er zum Ehrenbürger der noch immer sozialdemokratisch dominierten Gemeinde Kowald ernannt.1595 Heute ist in Voitsberg eine Straße nach ihm benannt. In der Gemeinde Edelschrott wurde 1993 der ehemaligen Ortsgruppenleiter Herbert Bleymaier, der in der Zweiten Republik Direktor der Volksschule Edelschrott wurde, einen Posten, den er zuvor schon während der NS-Herrschaft innehatte, mit dem Ehrenring der Marktgemeinde ausgezeichnet.1596 Neben Bleymaier wurden vier weitere Mitglieder der ehemaligen lokalen NS-Führungsriege des Kreises Voitsberg in der Zweiten Republik zu Schuldirektoren ernannt. Dabei handelt es sich um Werner Leitner, der die Volksschule Edelschrott als Vorgänger Bleymaiers leitete1597, Helmut Kersch (Hauptschule Köflach)1598, Julius Malek (Hauptschule Bärnbach) und Max Emer (Hauptschule Krottendorf-Gaisfeld).1599

Die lokale Geschichtsschreibung trug in der Folge nur wenig bis gar nichts zur kritischen Aufarbeitung des Nationalsozialismus im Kreis Voitsberg bei. Ein 1977 von Erika Iberer

1593 Vgl. Ebd. 1594 Weststeiriche Volkszeitung 6. September 1969. 1595 Walter Brunner (Hg.), Geschichte und Topographie des Bezirkes Voitsberg. Band 2: Bezirkslexikon, Graz 2011, 158 und Zusatz-CD. 1596 Ernst Lasnik, Edelschrott. Vom Dorf zur Marktgemeinde, Edelschrott 2008, 352 1597 Ebd. 1598 Ernst Lasnik, St. Martin am Wöllmissberg, St. Martin a.W. 2007, 71. 1599 Walter Brunner (Hg.), Geschichte und Topographie des Bezirkes Voitsberg. Band 2: . Band 2: Bezirkslexikon, Graz 2011, 21 und 168. 272 geschriebenes Buch zur Geschichte Köflachs beschäftigt sich nur auf drei Seiten mit der Zeit des Nationalsozialismus. Auf die NS-Herrschaft vor Ort und deren Protagonisten wird überhaupt nicht eingegangen. Den einzigen Bezug zu Köflach in der NS-Zeit stellen Berichte über den Bau von Bergarbeiterwohnungen, über Luftangriffe und über die große Feier zu Hans Kloepfers 75. Geburtstag, sowie dessen Beerdigung im Jahr 1944 dar. Hans Kloepfers Nähe zu den Nationalsozialisten wird nicht thematisiert.1600

1978 erschien das erste Buch zur Geschichte Bärnbachs. Die Zeit der NS-Herrschaft wird lediglich auf einer Seite behandelt. Wie schon in der Köflacher Chronik aus dem Vorjahr, finden sich keine Informationen zu den Nationalsozialisten vor Ort.1601 Immerhin wird im Gegensatz zu Köflach auf die Opfer des Nationalsozialismus, konkret auf zwei ermordete kommunistische Widerstandskämpfer, hingewiesen. Abgesehen davon beschränkt sich die Beschreibung der NS-Zeit auf den Einmarsch der Wehrmacht, verschiedene Luftangriffe und das Kriegsende mit der damit verbundenen sowjetischen und britischen Besatzung. 1602

In der 1982 erschienenen Bezirksgeschichte „Rund um den heiligen Berg“ von Ernst Lasnik findet sich kein Wort über die NS-Zeit. In besagtem Buch endet die Geschichte des Bezirks Voitsberg vor der Zeit des Nationalsozialismus.1603 Diese Vorgehensweise dürfte in den frühen 1980er Jahren keine Seltenheit gewesen sein. Auch in der ebenfalls 1982 erschienenen Ortschronik von Edelschrott kam der Nationalsozialismus mit keinem Wort vor. Die Geschichte von Edelschrott „endete“ dort bereits 1919.1604 Eine kleine Ausnahme stellt in dieser Hinsicht lediglich die Ortschronik von Stallhofen aus dem Jahr 1987 dar. 1605 Zwar findet sich auch dort keine systematische Aufarbeitung des Nationalsozialismus vor Ort, jedoch finden sich Informationen zu den Ortsgruppenleitern Lettmayer und Kollegger. Letzterer wirkte übrigens an der Erstellung der Chronik mit. Auf seine Person wird in einem eigenen Unterkapitel eingegangen.1606 Außerdem findet sich auch eine Stelle, in der die Ortsgruppengründung der NSDAP beschrieben wird.1607 Trotz der vergleichsweise vielen

1600 Vgl.: Erika Iberer, Köflach, Graz 1977. 1601 Vgl.: Alfred Seebacher-Mesaritsch, Bärnbach. Das Werden einer Stadt, Bärnbach 1978. 1602 Alfred Seebacher-Mesaritsch, Bärnbach. Das Werden einer Stadt, Bärnbach 1978, 32. 1603 Vgl.: Ernst Lasnik, Rund um den Heiligen Berg, Graz/Wien/Köln 1982. 1604 Josef Grabmayer, Edelschrott die sonnige Warte, Edelschrott, 1982. 1605 Vgl.: Ernst Lasnik, Stallhofen und das mittlere Södingtal. Ein Beispiel steirischer Vielfalt, Stallhofen 1987. 1606 Vgl.: Ebd. 507-510. 1607 Ebd. 283. 273

Informationen zum Nationalsozialismus vor Ort kann davon, dass die NS-Zeit „ausführlich behandelt“1608 wird, wie im Vorwort der Ortschronik steht, keine Rede sein.

Obwohl die Bezirksgeschichte, wie bereits erwähnt, auf die NS-Zeit nicht einging, finden sich dort umfangreiche Berichte über Hans Kloepfer. Dabei wird allerdings nicht auf seine Verbindungen zu den Nationalsozialisten hingewiesen. Zur Person Hans Kloepfers wird sogar Wendelin Peking, ehemals Kreisgeschäftsführer/Kreisstabsamtsleiter, Kreisamtsleiter für Statistik und Kreispersonalamtsleiter zitiert. Dieser äußerte sich natürlich nur positiv über Kloepfer. Auf Pekings NS-Vergangenheit wird allerdings nicht hingewiesen.1609 Dasselbe gilt für Dr. Helmut Borovsky. Dieser war Direktor der Sparkasse Voitsberg und direkt nach dem „Anschluss“ bis September 1939 Kreiswirtschaftsberater. Als solcher war er auch an der Arisierung jüdischen Besitzes beteiligt. Dennoch bekam er einen Platz auf der Ehrentafel am Anfang des Buches. Helmut Kersch, während der Zeit der NS-Herrschaft Kreisschulungsleiter und Gauredner der NSDAP, kommt sieben Mal in der Bezirksgeschichte vor. Auf seine NS- Vergangenheit wird, wie schon bei Peking und Borovsky, nicht eingegangen. Dasselbe gilt für Otto Beidl, der ab 1940 das Kreispresseamt leitete, was bei keiner seiner vier Nennungen im Buch erwähnt wird. Eben so wenig wird auf die NS-Betätigungen von Max und Agathon Koren, die ebenfalls in der Chronik erwähnt werden, eingegangen.1610 Agathon Koren fungierte als Zellenleiter in Köflach, während Max Koren innerhalb der Kreispropagandaleitung, welche übrigens von Max Emer geführt wurde, auf den aufgrund seiner zahlreichen Nennungen in anderen Ortschroniken später noch näher eingegangen wird, die Hauptstelle Film leitete. Außerdem war Max Koren Ortspropagandaringleiter von Köflach.1611

Der Bergarbeiterstreik des Jahres 1933 kommt zwar vor, jedoch fehlt dabei der Hinweis darauf, dass dieser von den Nationalsozialisten angezettelt wurde. Die propagandistische Ausschlachtung des Streiks durch die NS-Propaganda wird ebenfalls nicht thematisiert. Lediglich in einem Nebensatz wird erwähnt, dass die streikenden Bergleute tatkräftige Unterstützung von Grazer Studenten erhielten. Dass die Grazer Studentenschaft zu dieser Zeit stark nationalsozialistisch geprägt war und es sich deshalb wohl auch bei diesen Unterstützern um Nationalsozialisten gehandelt haben muss, wird ausgespart. Franz Kleinhappl, von 1941

1608 Ebd. 16. 1609 Ernst Lasnik, Rund um den Heiligen Berg, Graz/Wien/Köln 1982, 221. 1610 Vgl.: Ernst Lasnik, Rund um den Heiligen Berg, Graz/Wien/Köln 1982. 1611 VKW, 21. Jänner 1939. 274 bis 1945 Bürgermeister von Köflach, wird ausdrücklich für die großen Verdienste, die er sich während des Streiks erwarb, gelobt. Kleinhappl wird in der Bezirksgeschichte noch zwei weitere Male erwähnt. Dabei wird er vom Autor zu den bedeutenden Köflacher Persönlichkeiten gezählt. Darauf, dass er ab 1927 dem Steirischen Heimatschutz angehörte und nach dessen Verbot zu den Nationalsozialisten wechselte, wird nicht hingewiesen.1612

Ähnlich verhält es sich in einem 1997 erschienenen Buch über den Bergbau im Bezirk Voitsberg. Hier wird der Bergarbeiterstreik, der übrigens auch die Unterstützung von Hans Kloepfer hatte, ausführlicher behandelt. Dabei wird auch Franz Kleinhappl zitiert, wiederum ohne darauf hinzuweisen, dass er Nationalsozialist war.1613 Das Thema Zwangsarbeit im Bergbau wird ebenfalls eher oberflächlich behandelt. Lediglich von russischen und französischen Arbeitern ist die Rede. Von Zwangsarbeitern aus anderen Ländern, sowie von den miserablen Bedingungen unter denen alle ausländischen Arbeiter ihre Arbeit verrichten mussten, wird nichts erwähnt. Besonders schwer wiegt meines Erachtens die Tatsache, dass auf den kommunistischen Widerstand im Bergbau, den zahlreiche Bergarbeiter mit ihrem Leben bezahlten im gesamten Buch mit keinem Wort eingegangen wird.1614 Die tapferen Bergarbeiter hätten sich für ihre Tätigkeit und den hohen Preis, den sie dafür zahlten, zumindest eine kurze Erwähnung verdient.

Generell lässt sich sagen, dass sich in den wenigen von 1990 bis 1999 erschienenen Ortschroniken kaum etwas an der vorherrschenden Vorgehensweise die Geschichte des Nationalsozialismus auszusparen änderte. In der 1995 erschienenen Voitsberger Stadtchronik kommt der Nationalsozialismus zwar vor, jedoch nimmt er nur einen sehr geringen Teil des Buches ein. Auf Akteure vor Ort wird eben so wenig eingegangen wie auf die Opfer der NS- Herrschaft.1615 Die 1996 erschienene Ortschronik von Hirschegg spart den Nationalsozialismus hingegen wieder komplett aus der Gemeindegeschichte aus. Nur in der Schulchronik wird die NS-Zeit behandelt, ohne jedoch auf Nationalsozialisten vor Ort einzugehen. In einem Artikel über den Pfarrer Rochus Kohlbach wird weiters kurz erwähnt,

1612 Ernst Lasnik, Rund um den Heiligen Berg, Graz/Wien/Köln 1982. 231. 1613 Vgl.: Ernst Lasnik, Das braune Gold. Die Geschichte der weststeirischen Kohlenreviere, Graz/Wien/Köln 1997, 169 und 292. 1614 Ernst Lasnik, Das braune Gold. Die Geschichte der weststeirischen Kohlenreviere, Graz/Wien/Köln 1997, 244-245. 1615 Vgl.: Kapitel: Forschungsstand und Arbeitsansatz. 275 dass er während der NS-Zeit in „Schutzhaft“ genommen wurde und Unannehmlichkeiten vonseiten der politischen Behörden erdulden musste.1616

An der mangelnden Aufarbeitung des Nationalsozialismus änderte sich auch in zahlreichen in jüngerer Vergangenheit erschienenen Ortschroniken nicht viel. So wird im 2006 erschienenen Buch „Das Obere Kainachtal“, welches die Geschichte der drei Gemeinden Kainach, Gallmannsegg und Kohlschwarz zum Thema hat, nicht auf den Nationalsozialismus vor Ort und seine Protagonisten eingegangen. Die Ortsgruppenleiter kommen mit keinem Wort vor.1617 Außerdem wurde bei der Aufzählung der Bürgermeister von Kainach auf Franz Rössl, der als Ortsgruppenleiter der NSDAP fungierte und ab 1939 das Bürgermeisteramt übernahm, „vergessen“.1618

Ein Jahr nach der Kainacher Ortschronik erschien die Ortschronik von St. Martin am Wöllmißberg.1619 In dieser findet sich auch ein Beitrag von Helmut Kersch, dem ehemaligen Kreisschulungsleiter, Kreisschulrat und Gauredner. Am Ende des zweiseitigen Textes steht eine kurze Biografie von Kersch. Auf seine NS-Vergangenheit wurde nicht eingegangen. Jedoch wird auf Kerschs staatliche Funktion, seine Tätigkeit als Kreisschulrat, hingewiesen. Interessanterweise wird auch erwähnt, dass der illegale Nationalsozialist Kersch, der bereits 1926 in die NSDAP eingetreten ist, in den ersten Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg seine Lehrertätigkeit unterbrach. Dass diese Unterbrechung aufgrund seiner Verhaftung und eines Berufsverbots erfolgte, wird dem Leser jedoch genauso verschwiegen, wie Kerschs Verurteilung zu 18 Monaten schwerem Kerker. Besonders befremdlich wirkt das anschließende Lob für Kerschs pädagogische Tätigkeit. Kersch, der nach Aufhebung seines Berufsverbots Deutsch und Geschichte unterrichtete, brachte es in der Zweiten Republik bis zum Hauptschuldirektor in Köflach. In Kerschs Zeitraum als Direktor fiel auch die Schulzeit des Autors der Gemeindechronik an derselben Schule.1620 Vor allem Kersch Geschichtsunterricht wird vom Autor gewürdigt. „Welchem seiner unzähligen Schüler sind nicht seine Geschichtestunden eine bleibende Erinnerung an die Schulzeit“.1621 Ob er im Geschichtsunterricht auf seine eigene NS-Vergangenheit einging oder ob er die NS-Zeit, wie

1616 Ernst Lasnik, Hirschegg. Porträt eines weststeirischen Ortes, Hirschegg 1996. 1617 Ernst Lasnik, Das obere Kainachtal. Aus der Geschichte der Gemeinden Kainach, Gallmannsegg und Kohlschwarz, Kainach/Gallmannsegg/Kohlschwarz 2006. 1618 Ernst Lasnik, Das obere Kainachtal. Aus der Geschichte der Gemeinden Kainach, Gallmannsegg und Kohlschwarz, Kainach/Gallmannsegg/Kohlschwarz 2006, 192. 1619 Vgl.: Ernst Lasnik, St. Martin am Wöllmissberg, St. Martin a.W. 2007. 1620 Vgl.: Erika Iberer, Köflach, Graz 1977 und http://de.wikipedia.org/wiki/Ernst_Reinhold_Lasnik 1621 Ernst Lasnik, St. Martin am Wöllmissberg, St. Martin a.W. 2007, S. 71. 276 es damals durchaus üblich war, aus dem Unterricht ausklammerte, ist nicht bekannt. Bekannt ist allerdings das Geschichtsverständnis, welches Kersch im Jahr 1939 hatte. Damals sprach er über die soziale Frage und vertrat die Meinung, dass die Kluft zwischen Arbeiterschaft und Unternehmertum durch die Irrlehre des Juden Marx ausgelöst worden sei.1622 Außerdem hielt er in seiner Funktion als Gauredner in Graz eine Rede mit dem Thema „Wahrheit und Lüge um den Sozialismus.“1623 Allein die Tatsache, dass jemand wie Helmut Kersch im „roten“ Köflach Hauptschuldirektor werden konnte, lässt den Schluss zu, dass die Aufarbeitung des Nationalsozialismus im Bezirk Voitsberg auch innerhalb der Sozialdemokratie mangelhaft war. Bezeichnenderweise fungierte Kersch 1967 als Herausgeber eines Gedichtbandes von Hans Kloepfer mit dem Titel „Bei meinem Volk zu Gast“.1624

Alles in allem wird in der Ortschronik von St. Martin a.W. auf den Nationalsozialismus vor Ort stärker eingegangen als in den meisten anderen Ortschroniken. Dies ist vor allem darauf zurückzuführen, dass das Gebiet der Gemeinde St. Martin a.W. eine Hochburg des katholischen Widerstandes war. Ein eigenes Unterkapitel mit dem Titel „Die Pfarre während der NS-Zeit“ bietet einen guten Überblick über die Konflikte zwischen Katholizismus und Nationalsozialismus vor Ort. Sogar die Tatsache, dass Pfarrer Leopold Pichler durch Kreisschulrat Helmut Kersch von seinem Dienst als Religionslehrer enthoben wurde, findet Eingang in das Unterkapitel. Auf Kerschs Funktionen in der NSDAP wird jedoch wieder nicht hingewiesen.1625 Auch auf die einheimischen Nationalsozialisten, die durch ihre zahlreichen Anzeigen zu einem Gutteil für die Verfolgung der Pfarrer der Gemeinde St. Martin a.W. verantwortlich waren, wird nicht direkt eingegangen. Jedoch wird im Kapitel zur Schule von St. Martin a.W. klargestellt, dass der ab 1938 amtierende Schulleiter Josef Gruber, sein Name wurde jedoch nicht explizit genannt, sich selbst als alten vielfach verfolgten NS- Kämpfer bezeichnete und seine Eintragungen dementsprechend einseitig waren.1626 Namentlich erwähnt werden jedoch der Ortsbauernführer und Bürgermeister Johann Lais und der Ortsgruppenleiter Hans Steinwieder, was im Vergleich mit anderen Ortschroniken eine Seltenheit darstellt.1627 Auf Max Emers NS-Vergangenheit, es erschien auch in der Ortschronik St. Martin a.W. ein Beitrag von ihm, wurde jedoch wieder nicht hingewiesen.

1622 VKW, 21. Jänner 1939. 1623 VKW, 4. Februar 1939. 1624 Helmut Kersch (Hg.), Bei meinem Volk zu Gast, Graz 1967. 1625 Vgl.: Ernst Lasnik, St. Martin am Wöllmissberg, St. Martin a.W. 2007, 103-108. 1626 Ernst Lasnik, St. Martin am Wöllmissberg, St. Martin a.W. 2007, 151. 1627 Ernst Lasnik, St. Martin am Wöllmissberg, St. Martin a.W. 2007, S. 191 und 347. 277

Im selben Jahr wie die Ortschronik von St. Martin a.W. erschien die aktuelle Bärnbacher Stadtchronik.1628 Die NS-Zeit wird nun auf fünf Seiten behandelt, was im Vergleich mit der Chronik von 1978 immerhin eine Verfünffachung darstellt. Vier der fünf Seiten bestehen jedoch fast ausschließlich aus Bildern. Die schriftliche Aufarbeitung beschränkt sich, wie in der Chronik aus dem Jahr 1978, auf den Einmarsch der Wehrmacht, alliierte Luftangriffe und die Besatzungszeit. Auf die ermordeten kommunistischen Widerstandskämpfer wird eingegangen, auf die Nationalsozialisten vor Ort nicht.1629 Der Bergarbeiterstreik des Jahres 1933 wird dagegen ausführlich thematisiert. Dessen nationalsozialistischer Hintergrund wird allerdings wieder einmal nicht erwähnt. Vor allem die erneute positive Darstellung von Franz Kleinhappl fällt im Zusammenhang mit dem Bergarbeiterstreik auf. Dieser kommt sogar als Zeitzeuge zu Wort. Auf seine spätere Rolle als NS-Bürgermeister von Köflach wird wieder nicht eingegangen.1630 Im umfangreichen Kapitel zum Bärnbacher Kohlebergbau und zur Glasfabrik werden die während der Zeit des Zweiten Weltkriegs dort eingesetzten Zwangsarbeiter mit keinem Wort erwähnt.1631

Die Edelschrotter Ortschronik aus dem Jahr 2008 ist im Vergleich zur Ortschronik von 1982 als kleiner Fortschritt zu werten. Der Nationalsozialismus kommt jetzt immerhin auf drei Seiten im ereignisgeschichtlichen Teil vor.1632 Außerdem findet sich in der Schulchronik ein kurzer Bezug zum Nationalsozialismus.1633 Bedenklich ist allerdings, dass erneut ein Beitrag von Max Emer abgedruckt wurde, ohne auf dessen NS-Vergangenheit hinzuweisen.1634

In der 2009 erschienenen Ortschronik von Södingberg fehlt ein eigenes Kapitel zum Nationalsozialismus. Die NS-Zeit wird lediglich im Unterkapitel „Die letzte Phase des Zweiten Weltkriegs“ kurz erwähnt. Personenbezogene Informationen zum Nationalsozialismus vor Ort fehlen komplett.1635 Es wird lediglich erwähnt, dass einige örtliche Nationalsozialisten im Frühjahr 1945 flüchtenden deutschen Soldaten hinterher geschossen haben. Anstatt ihre Namen und Funktionen zu nennen, wird nur unter dem Begriff „Obernazi“ auf sie Bezug genommen.1636 Im Kapitel zur Volksschule Södingberg kommt,

1628 Vgl.: Ernst Lasnik, Bärnbach. Vom Dorf zur Stadt, Bärnbach 2007. 1629 Vgl.: Ernst Lasnik, Bärnbach. Vom Dorf zur Stadt, Bärnbach 2007, 134-138. 1630 Vgl.: Ernst Lasnik, Bärnbach. Vom Dorf zur Stadt, Bärnbach 2007, 211-213. 1631 Vgl.: Ernst Lasnik, Bärnbach. Vom Dorf zur Stadt, Bärnbach 2007, 177-285. 1632 Ernst Lasnik, Edelschrott. Vom Dorf zur Marktgemeinde, Edelschrott 2008. 1633 Ebd. 171. 1634 Ebd. 4 und 482-486. 1635Vgl.: Ernst Lasnik, Södingberg. Porträt einer Landschaft, Södingberg 2009. 1636 Ernst Lasnik, Södingberg. Porträt einer Landschaft, Södingberg 2009, 402. 278 wieder ohne Hinweis auf seine NS-Vergangenheit, Max Emer vor, der dort im Jahr 1950, also nicht einmal drei Jahre nach seiner Haftentlassung, kurze Zeit provisorischer Schulleiter war.1637

In der 2014 erschienenen Ortschronik der Gemeinde Krottendorf-Gaisfeld kommt Max Emer ebenfalls vor. Emer war von 1965 bis 1974 Direktor der Hauptschule Krottendorf-Gaisfeld. In der Chronik ist ein Zeitungsnachruf auf ihn, er starb 1975, abgedruckt. Außerdem findet sich dort auch ein kurzes anerkennendes Gedicht, in dem sein Wirken als Hauptschuldirektor gewürdigt wird. Auf seine NS-Vergangenheit wird wieder mit keinem Wort eingegangen.1638 Mit einer Länge von 976 Seiten ist die besagte Ortschronik außerordentlich umfangreich. Das Kapitel zum Nationalsozialismus ist jedoch nur 13 Seiten lang.1639 Allerdings wurde im Gegensatz zu allen bisherigen Ortschroniken, durch den Abdruck des Gedichts „Adolf Hitler der Österreicher" von Hans Kloepfer, erstmals auch dezent auf dessen NS-Affinität hingewiesen.1640 Die zitierten Gemeinderatsprotokolle, Zeitungsberichte und die Kirchenchronikauszüge werden auch kritisch kommentiert.1641 Neu ist auch, dass auf regimeübergreifende Kontinuitäten bei anderen Lehrern und Direktoren durchaus kritisch hingewiesen wird. So wird beispielsweise mit ironischem Unterton angemerkt, dass ein Volksschuldirektor Dollfuß Tod bedauerte, den „Anschluss“ begrüßte und 8. Mai 1946 das einjährige Jubiläum der Befreiung feierte.1642 Auf Nationalsozialisten vor Ort wird jedoch in der Chronik nicht namentlich eingegangen.1643 In einem Auszug aus der Kirchenchronik ist jedoch vom Terror der Ortsgrößen die Rede.1644

In der 2011 erschienen dreibändigen Voitsberger Stadtchronik nimmt der Nationalsozialismus wieder nur eine Nebenrolle ein. Im Gegensatz zu vielen anderen Ortschroniken gibt es zwar ein eigenes Kapitel zum Nationalsozialismus. Dieses nimmt aber mit 14 von 358 Seiten im ersten Band nur wenig Platz ein. Abgesehen von einem Zeitungsabdruck der ersten Voitsberger Kreisleitung, wird auf die Nationalsozialisten vor Ort nicht eingegangen. Von den beiden Kreisleitern wird übrigens nur der Burgenländer Anton Weißensteiner kurz erwähnt. Der Köflacher Hubert Eissner kommt nicht vor. Außerdem wird keiner der drei Voitsberger

1637 Ernst Lasnik, Södingberg. Porträt einer Landschaft, Södingberg 2009, 141. 1638 Sophie Bramreiter, Krottendorf-Gaisfeld. Erlebtes-Erforschtes-Erzähltes, Krottendorf-Gaisfeld 2014, 569. 1639 Vgl.: Sophie Bramreiter, Krottendorf-Gaisfeld. Erlebtes-Erforschtes-Erzähltes, Krottendorf-Gaisfeld 2014. 1640 Sophie Bramreiter, Krottendorf-Gaisfeld. Erlebtes-Erforschtes-Erzähltes, Krottendorf-Gaisfeld 2014, 705. 1641 Vgl.: Ebd.: 705-718. 1642 Ebd.: 541. 1643 Vgl.: Sophie Bramreiter, Krottendorf-Gaisfeld. Erlebtes-Erforschtes-Erzähltes, Krottendorf-Gaisfeld 2014. 1644 Ebd.: 708. 279

Ortsgruppenleiter namentlich genannt. Als Zeitzeuge kommt Alois Kollegger zu Wort. Dass Kollegger Ortsgruppenleiter von Stallhofen war, wird nicht thematisiert.1645

Die 2013 erschienene Ortschronik der Gemeinde Rosental ist im Bezug auf die Aufarbeitung des Nationalsozialismus beinahe ident mit der Voitsberger Ortschronik. Als einziger Bezug zu Nationalsozialisten vor Ort wurde dieselbe Liste der ersten Kreisleitung abgedruckt, wie schon in der Voitsberger Stadtchronik. Indirekt wird auch noch auf den „Obernazi“ eingegangen, der in der Nacht durch die Arbeitergegenden schlich, um etwaige Hörer von Feindsendern zu belauschen. Der Name des „Obernazis“ bleibt jedoch ungenannt.1646 Es dürfte sich wohl um Hans Blumauer gehandelt haben. Vier der sieben Unterkapitel haben übrigens den gleichen Titel wie in der Voitsberger Stadtchronik. Bei den zwei Titeln wurde lediglich das Wort Voitsberg gegen Rosental ausgetauscht. Über den Bergarbeiterstreik von 1933 wird wieder ohne Hinweis auf dessen nationalsozialistische Konnotation berichtet.1647

Die aktuellste Ortschronik des Bezirks erschien 2015 und beschäftigt sich mit der Geschichte der Gemeinde Maria Lankowitz. Verfasst wurde sie von Peter Weißnar. Im Vergleich zu den bisher erschienenen Ortschroniken kann sie durchaus als Schritt in die richtige Richtung gewertet werden. Erstmals ist man in einer Ortschronik ausführlich über die kommunistischen Widerstandskämpfer des Kreises Voitsberg, mit besonderem Schwerpunkt auf jene, die aus Maria Lankowitz stammten, eingegangen. Dabei werden auch die Prozessakten der Volksgerichtshofprozesse gegen Mitglieder des kommunistischen Widerstandes zitiert.1648 Außerdem sticht auch die Bemühung des Autors, mehr über das Schicksal der Bewohner der von den Barmherzigen Schwestern betriebenen Lankowitzer „Irrenfilliale“, welche sich im ersten Stock des Schlosses Lankowitz befand, herauszufinden, positiv hervor. Viele der Anstaltsbewohner fielen dem NS-Euthanasieprogramm T 4 zum Opfer. Obwohl er dabei nach eigener Aussage innerhalb der Bevölkerung auf eine Mauer des Schweigens stieß, konnte er durch Recherche in Pfarrchroniken und in den Akten der Österreichischen Bundesforste viel zu diesem Thema herausfinden.1649 Auf die führenden Nationalsozialisten vor Ort wird jedoch nicht eingegangen.1650 Lediglich die stark nationalsozialistische Einstellung der Direktorin der Lankowitzer Mädchenvolksschule wird, anhand eines von ihr verfassten Eintrages in der

1645 Ernst Lasnik, Voitsberg. Porträt einer Stadt und ihrer Umgebung, Voitsberg 2011. 1646 Ernst Lasnik, . Porträt einer Gemeinde, Rosental 2013, 150. 1647 Vgl.: Ernst Lasnik, Rosental an der Kainach. Porträt einer Gemeinde, Rosental 2013. 1648 Vgl.: Peter Weißnar, Maria Lankowitz. Porträt einer Marktgemeinde, Maria Lankowitz 2015, 219-226. 1649 Vgl.: Peter Weißnar, Maria Lankowitz. Porträt einer Marktgemeinde, Maria Lankowitz 2015, 106-110. 1650 Vgl.: Peter Weißnar, Maria Lankowitz. Porträt einer Marktgemeinde, Maria Lankowitz 2015. 280

Schulchronik, thematisiert. Die Direktorin wird dabei nicht namentlich genannt. Aus einem Vergleich mit der an anderer Stelle abgedruckten Liste der Direktoren der Mädchenvolksschule geht jedoch hervor, dass es sich um Therese Neuwirth gehandelt hat.1651 Neuwirth war eine „Alte Kämpferin“ und Trägerin des „Ehrenkreuzes der alten Parteimitglieder“.1652 Der Bergarbeiterstreik des Jahres 1933 wird wie in allen anderen Gemeinde- und Bezirkschroniken ohne Hinweis auf seine nationalsozialistischen Urheber behandelt.1653 Etwas befremdlich wirkt eine Aussage des Gastautors Christian Hiebler. Auf die Ortsbauernführer bezogen, meint er, dass diese angesehene Persönlichkeiten waren, die ihren Auftrag korrekt und anständig erfüllten.1654

Abschließend betrachtet stellt sich natürlich die Frage, warum der Nationalsozialismus im Kreis Voitsberg in den Ortschroniken nicht systematisch aufgearbeitet wurde. An einem Mangel an Quellen kann es nicht gelegen haben. Schul- und Pfarrchroniken, sowie Auszüge aus Gemeinderatssitzungen, wurden ausgiebig zitiert. Zeitzeugen kamen zwar manchmal zum Thema Nationalsozialismus zu Wort, äußerten sich jedoch nicht über führende Nationalsozialisten vor Ort. Auf die Verantwortung letzterer wurde überhaupt nicht eingegangen. Des Öfteren wurden Mitglieder der NS-Führungsriege (Emer, Koren, Kollegger, Kersch, Borovsky, Peking, Kleinhappl) zwar erwähnt oder kamen sogar selbst in einzelnen Chroniken zu Wort. Jedoch wurde mit einer Ausnahme (Kollegger in der Stallhofener Ortschronik von 1986), deren NS-Bezug nicht erwähnt. Auf eine direkte Auswertung der Akten des Landrats zwischen 1938 und 1945, welche sich im Steiermärkischen Landesarchiv befinden, verzichtete man lange Zeit in allen Ortschroniken. Erst nach dem Erscheinen der Bezirkschronik aus dem Jahr 2011, ging man auch bei der Erstellung der Ortschroniken dazu über Landratsakten zu zitieren. Auf Entnazifizierungsakten oder auf Akten aus dem Berliner Bundesarchiv wurde in keinem Fall zurückgegriffen.

Ein möglicher Grund für die Kleinhaltung des Themas Nationalsozialismus vor Ort in den Ortschroniken könnte die Aufrechterhaltung des österreichischen „Opfermythos“ sein. Dieser wurde jedoch bereits spätestens in den 1980er Jahren als Illusion entlarvt. An der mangelnden Aufarbeitung des Nationalsozialismus vor Ort änderte sich auch danach nichts. Diese könnte auch der Rücksichtnahme der Chronikverfasser auf noch lebende Nationalsozialisten

1651 Peter Weißnar, Maria Lankowitz. Porträt einer Marktgemeinde, Maria Lankowitz 2015, 149 und 470. 1652 BArch Berlin, PK Therese Neuwirth. 1653 Peter Weißnar, Maria Lankowitz. Porträt einer Marktgemeinde, Maria Lankowitz 2015, 462. 1654 Christian Hiebler, Zur Entwicklung des Bauernstandes in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, in: Peter Weißnar, Maria Lankowitz. Porträt einer Marktgemeinde, Maria Lankowitz 2015, 289. 281 geschuldet sein. Dieser Umstand kann jedoch nicht für die in jüngster Vergangenheit erschienenen Chroniken gelten, da kein Mitglied der ehemaligen NS-Führungsriege von Voitsberg mehr am Leben ist. Natürlich könnte es auch sein, dass die Auftraggeber der Ortschroniken, die jeweiligen Gemeinden, nicht an einer Aufarbeitung des Nationalsozialismus in ihrem Gebiet interessiert waren und die Autoren dazu drängten, diesen Teil der Gemeindegeschichte nur oberflächlich zu behandeln. Dies wäre dann aber eine Form von politischer Einflussnahme auf die Geschichtsschreibung, die nicht mehr wirklich zeitgemäß erscheint. Letztlich kann man über die zahlreichen möglichen Gründe nur spekulieren. Die mangelnde Aufarbeitung des lokalen Nationalsozialismus und seiner Protagonisten in den zahlreichen Gemeindechroniken bleibt ein Fakt. 70 Jahre nach dem Ende des Nationalsozialismus ist es noch immer ein Tabu in Ortschroniken über die nationalsozialistische Führung vor Ort zu schreiben. Im Sinne einer modernen Geschichtswissenschaft wäre es wünschenswert, dass in zukünftigen Ortschroniken auch auf das dunkle Kapitel des Nationalsozialismus vor Ort ausführlicher und ohne Rücksichtnahme auf politische Befindlichkeiten eingegangen wird.

9. Kurzbiografien von ausgewählten Funktionären der lokalen NS- Führungsriege

Die Angaben der folgenden Kurzbiografien stützen sich im Wesentlichen auf die in den jeweiligen Parteiakten (Ortsgruppenkartei, Reichskartei, Parteikorrespondenz und Oberstes Parteigericht) genannten biografischen Daten. Zusätzlich werden noch Informationen aus den Prozessakten des Volksgerichtes Graz, den Akten der Bezirkshauptmannschaft Voitsberg von 1938-1945, aus Artikeln des Voitsberg-Köflacher Wochenblattes, sowie aus der Sekundärliteratur mit einbezogen.

Hubert Eissner wurde am 7. August 1897 in Köflach geboren. Er besuchte die Volksschule, sowie die Haupt- und Fachschule. Später gab er an, in seiner Erziehung national geprägt worden zu sein. Eissner kämpfte im 1. Weltkrieg an verschiedenen Fronten. Er wurde mehrfach verwundet und für erhielt einige Auszeichnungen. Bereits 1919 war er Mitglied des Deutschen Turnverbandes Köflach, dessen Wett-Turnen er in diesem Jahr gewann. 1921 nahm Eissner, der zu diesem Zeitpunkt aus beruflichen Gründen in Schlesien war, als Mitglied des Freikorps Oberland an der in nationalen Kreisen berühmt gewordenen Schlacht 282 am Annaberg teil. Später trat er aus politischen Gründen aus der katholischen Kirche aus. Nach dem Tod seines Vaters übernahm er dessen Mühle und führte sie gewinnbringend weiter. Von 1927 bis zum Verbot der Organisation im Jahr 1933 war Eissner Mitglied des Steiermärkischen Heimatschutzes. Danach wandte er sich der NSDAP zu. Der Parteieintritt erfolgte laut eigener Aussage am 1. Mai 1934.

Er selbst sah sich als gemäßigten Nationalsozialisten und gehörte der Gruppierung der ehemaligen Heimatschützer an. Am 19. Februar 1934 wurde er wegen Waffenbesitzes erstmals verhaftet. Am Juli-Putsch der Nationalsozialisten nahm er nicht aktiv teil. Nach dem Scheitern des Putsches versuchte er zusammen mit anderen ehemaligen Heimatschützern, die NSDAP geschlossen in die Vaterländische Front zu führen. Diese Aktion scheiterte allerdings und Eissner wurde parteiintern kaltgestellt. Er selbst behauptete sogar, aus der Partei ausgeschlossen worden zu sein. Dafür gibt es aber keinen Beleg. Sein guter Kontakt zu Sepp Helfrich blieb auf jeden Fall bestehen.

Auf Anregung Helfrichs arbeitete er ab Jänner 1936 wieder verstärkt in der NSDAP mit. Im Juli desselben Jahres wurde er illegaler Kreisleiter von Voitsberg. Er konnte sich allerdings wieder nicht durchsetzen und wurde im Mai 1937 wegen Befehlsverweigerung abgesetzt und von Fritz Lecaks abgelöst. Eissner selbst gab an, er habe Differenzen mit dem Kurs des NSDAP-Landesleiters Josef Leopold gehabt. Ein weiteres Mal geriet Eissner in die innerparteiliche Isolation. Dennoch wurde er weiterhin von den Behörden des Ständestaates beobachtet. Im November 1937 erfolgte seine Festnahme durch die Staatspolizei. Beim Prozess gegen Eissner setzte sich der Gauführer der Vaterländischen Front Köflach für ihn ein. Zu einer Verurteilung Eissners kam es letztendlich wegen des Amnestieerlasses vom Februar 1938 nicht. Zur Zeit der Machtübernahme war Eissner laut eigener Angabe nicht im aktiven Parteidienst, wurde aber laut Portschy trotzdem für das Amt des Kreisleiters in Betracht gezogen. Parteiinterner Widerstand verhinderte aber seine Einsetzung.

Erst Kreisleiter Weißensteiner bewegte ihn im Juli 1938 dazu, wieder verstärkt in der NSDAP mitzuarbeiten. Die Gründe dafür sind nicht bekannt. Man kann aber davon ausgehen, dass Eissner innerhalb der Bevölkerung des Kreise Voitsberg beliebt war und über eine gewisse Anhängerschaft innerhalb der ehemaligen Heimatschützer verfügte. Beides Faktoren die Weißensteiner berücksichtigen musste. Eissners offizielle Wiederaufnahme in die NSDAP erfolgte rückwirkend mit 1. Mai 1938. Er selbst beantragte diese erst am 4. Juni 1938. Eissner

283 erhielt die Mitgliedsnummer 6.109.127.1655 Sein erster Posten war das Amt des Vorsitzenden des Arbeitsausschusses des Fremdenverkehrsbezirksverbandes (ab Dezember 1938 als Fremdenverkehrskreisverband bezeichnet) Voitsberg.1656 Über Erfahrung auf diesem Gebiet verfügte er mit Sicherheit, da er bereits im Mai 1933 den Fremdenverkehrs- und Verschönerungsvereines Köflach und Umgebung mitgründete und dessen erster Obmann wurde.1657 Schon knapp ein Jahr später, im August 1939, bekleidete Eissner das einflussreiche Amt des Kreiswirtschaftsberaters.

Im April 1940 wurde er in Vertretung Weißensteiners erneut Kreisleiter. Ab November 1940 übernahm er zusätzlich die Führung der Ortsgruppe Köflach. Im November 1941 wurde er Kriegskreisleiter von Voitsberg. Am 30. Mai 1944 erfolgte Eissners Ernennung zum Kreisleiter und Hauptabschnittsleiter. Aus dem Ernennungsschreiben geht eindeutig hervor, dass er „vom Führer“ ernannt wurde.1658 Während seiner Zeit als Kreisleiter führte er auch die eigene Mühle weiter und lebte von seinen Einnahmen als Kaufmann. Die Funktion des Kreisleiters ließ er sich nach eigener Aussage nicht bezahlen. wurde er in Köflach verhaftet und nach Wolfsberg überstellt. Er wurde am 16. Juni 1945 in Köflach verhaftet und am 23. Juni ins britische Internierungslager Wolfsberg überstellt. Hubert Eissner wurde am 9. Jänner 1948 zu zehn Jahren schwerem Kerker verurteilt. Seine Begnadigung erfolgte am 13. Juli 1949. Nach seiner Haftentlassung kehrte er nach Köflach zurück.1659

Anton Weißensteiner wurde am 1. Jänner 1913 in Neunkirchen im Burgenland geboren. Nach dem Besuch der Volksschule und der Bürgerschule absolvierte er die Handelsakademie und übte den Beruf eines Bankbeamten aus. Über seine politische Prägung in dieser Zeit ist nichts bekannt, jedoch trat er wie Eissner aus der katholischen Kirche aus. Am 1. Oktober 1934 trat er nach eigener Aussage in die NSDAP und in die SA ein. Laut seiner Mitgliedskarte beantragte er die Aufnahme in die NSDAP erst am 11. Mai 1938. Die Aufnahme wurde rückwirkend mit 1. Mai 1938 genehmigt. Weißensteiner erhielt die Mitgliedsnummer 6.158.824. Über eine Teilnahme am Juli Putsch gibt es keine bestätigten Angaben. Anfang 1936 wurde er zum Kreisleiter von Mattersburg ernannt und wegen seiner politischen Betätigung verhaftet. Sechs Wochen lang war er in der Bezirkshauptmannschaft

1655 BArch, Ortsgruppenkartei, Hubert Eissner 1656 Vgl.: VKW, 25. Juni 1938. 1657 Vgl.: Vgl.: Walter Brunner (Hg.), Geschichte und Topographie des Bezirkes Voitsberg. Band 2: Bezirkslexikon, Graz 2011, 149. 1658 BArch, PK, Hubert Eissner 1659 LGS Graz, Vr 5089/47. 284

Mattersburg inhaftiert. Er verlor dadurch auch seine Arbeitsstelle. Bis zum „Anschluss“ brachte er sich mit Gelegenheitsarbeiten über die Runden.

Im März 1938 wurde er auf Vermittlung von Landeshauptmann Portschy Kreiswahlleiter in Mattersburg und Mitglied des Burgenländischen Landtages. Ebenfalls auf Vermittlung Portschys, übernahm Weißensteiner schließlich am 1. Juni 1938 den parteiintern als schwierig geltenden Kreis Voitsberg. Hier schaffte er schnell Ruhe. Unter anderem, in dem er schon im Juli den stark umstrittenen Hubert Eissner zurück in den aktiven Parteidienst holte. Sein Gehalt als Kreisleiter betrug zunächst 370 RM netto im Monat und wurde im Laufe der Jahre auf 450 RM erhöht. Weißensteiner wurde am 15. Februar 1940 zum Sturmbannführer der SA ernannt. Am 10. April desselben Jahres meldete er sich freiwillig zur Waffen SS. Seine Ausbildung zum Unterscharführer erfolgte in der SS-Unterführerschule in Lublinitz in Schlesien. Mit seiner Einheit ging er nach Frankreich, nahm dort allerdings an keinen Kampfhandlungen mehr teil. Am 21. September 1940 wurde er vom Gauleiter u.k. gestellt und kehrte auf den Kreisleiterposten zurück. Als die Lage an der Ostfront im Winter 1941 kritisch wurde, hob der Gauleiter auch Weißensteiners u.k.-Stellung wieder auf.

Weißensteiner war von Dezember 1941 bis Jänner 1943 an der Ostfront eingesetzt. Dabei wurden ihm das Panzersturmabzeichen und das Eiserne Kreuz 2. Klasse verliehen. Nach seiner Rückkehr von der Front ist er zum Gauobmann der Deutschen Arbeitsfront ernannt worden. Am 20. April 1943 erfolgte seine Beförderung zum Obersturmbannführer der SA. Außerdem verlieh man ihm das bronzene Wehrabzeichen. Die Stelle als Gauobmann der DAF übte er bis zum Ende der NS-Herrschaft aus. Danach floh er nach St. Georgen bei Murau und wurde dort am 29. Mai verhaftet. Anton Weißensteiner wurde am 4. März 1949 zu 10 Jahren schwerem Kerker verurteilt. Seine Begnadigung erfolgte am 27. Oktober 1949.16601661

Ignaz Bauer wurde am 29. Juli 1904 in Voitsberg geboren. Seine Aufnahme in die NSDAP beantragte er erst am 16. Mai 1938. Als Aufnahmedatum galt rückwirkend der 1. Mai 1938. Seine Mitgliedsnummer war 6.109.105. Er war zunächst Mitglied der Ortsgruppe Köflach und wurde unmittelbar nach seinem Parteieintritt zum Kreisbauernführer berufen. Am 27. Mai 1939 wechselte er aufgrund seines Umzuges nach St. Martin a.W. in die gleichnamige Ortsgruppe über. Bauer führte das Gut Krughof, eine so genannte Musterwirtschaft in

1660 BArch, Ortsgruppenkartei, Anton Weißensteiner 1661 LGS Graz, Vr 5001/47. 285

Köflach, die im Juni 1941 von Gauleiter Uiberreither besichtigt wurde. Wenig später wurde Bauer zum kommissarischen Kreisbauernführer von Cilli in der Untersteiermark berufen. 1662 Diesen Posten übte er allerdings nur vorrübergehend aus. Nach seiner Rückkehr in den Kreis Voitsberg fungierte er bis September 1943 als Kreisbauernführer. 1663

Herbert Bleymaier wurde am 14. Dezember 1910 in Kowald (heute Teil der Stadt Voitsberg) geboren. Nach Absolvierung der Volks- und Hauptschule besuchte er eine Lehrerbildungsanstalt und arbeitete anschließend als Lehrer. Er trat am 16. Oktober 1930 mit der Mitgliedsnummer 301.473 in die NSDAP ein. In der Zeit des Ständestaats schulte Bleymaier den SA-Sturm Edelschrott. Nach dem „Anschluss“ war er von März 1938 bis Juli 1940 Ortsgruppenorganisationsleiter der NSDAP-Edelschrott.1664 Von Juni 1940 bis April 1941 übte er das Amt des Ortsgruppenleiters von Edelschrott aus. Danach folgte seine Einberufung zur Wehrmacht.1665 Neben seiner Mitgliedschaft in der NSDAP gehörte er dem NSLB und der NSV an.1666

Am 2. Mai 1945 geriet Bleymaier in sowjetische Gefangenschaft.1667 Aus dieser kehrte er Anfang 1946 zurück. Seine Verhaftung erfolgte am 2. April 1946.1668 Am 25. August 1947 wurde er gegen Gelöbnis entlassen.1669 Herbert Bleymaier wurde am 2. Oktober 1948 freigesprochen, da er kein ernannter Ortsgruppenleiter war. Seine Illegalität hatte deshalb keine strafrechtlichen Konsequenzen.1670

Irmgard Blumauer wurde am 17. Juni 1903 in Budweis geboren. Sie besuchte die Volks- und die Mittelschule. 1935 trat sie der NSDAP bei. Zwei Jahre später folgte ihr Eintritt in die NS-Frauenschaft. Nach dem „Anschluss“ bekam sie die NSDAP-Mitgliedsnummer 6.109.113. Von 1940 bis Herbst 1943 leitete Blumauer die NS-Frauenschaft im Kreis Voitsberg. Ihr Ehemann Hans Blumauer war Bürgermeister von Rosental und ab 1941

1662 StLa, BH VO, 1941, Zl 14 Re 1/287-41 7. Juli 1941 1663 BArch, Ortsgruppenkartei, Ignaz Bauer. 1664 LGS Graz, Vr 7394/47. 1665 LGS Graz, Sta 15571/47. 1666 LGS Graz, Vr 7394/47. 1667 Ebd. 55. 1668 Ebd. 29. 1669 Ebd. 9. 1670 Ebd. 85. 286

Kreisamtsleiter für Kommunalpolitik. Beide flüchteten bei Kriegsende nach Lassnitz bei Murau.1671

Blumauer wurde nach dem Krieg nur für kurze Zeit in Haft genommen, da sie für zwei kleine Kinder zu sorgen hatte. Im Zuge ihres Prozesses sprachen sich sowohl die SPÖ-Köflach als auch die ÖVP-Köflach für sie aus.1672 Irmgard Blumauer wurde am 4. Dezember 1947 zu einem Jahr schwerem Kerker verurteilt.1673 Im März 1948 verfasste sie ein Gnadengesuch das jedoch abgelehnt wurde. Jedoch konnte sie einen Strafaufschub bis Ende Oktober desselben Jahres erreichen.1674 Noch vor Strafantritt stellte Blumauer ein weiteres Gnadengesuch. Letztendlich wurde sie vom Bundespräsidenten begnadigt.1675

Hubert Bogler wurde am 15. April 1903 in Wien geboren. Er trat am 18. März 1932 mit der Mitgliedsnummer 1.080.769 in die NSDAP ein. Nach dem „Anschluss“ übernahm Bogler die Führung des RDB im Kreis Voitsberg. Außerdem war er Kreisbeauftragter des Stillhaltekommissars für Organisationen und Verbände im Kreis Voitsberg.

Im August 1942 musste er sich vor dem Gauparteigericht verantworten. Grund dafür war eine Verurteilung durch das Oberlandesgericht Graz wegen Vernachlässigung seiner Dienstpflichten als Grundbuchführer beim Amtsgericht Stainz. Dadurch geriet das Grundbuch durcheinander und das Ansehen des Gerichts sank stark. Ähnliche Verstöße hatte er schon zuvor begangen. Vom OLG Graz wurde er zu einem Gehaltsabzug von fünf Prozent auf die Dauer von zwei Jahren verurteilt. Das Parteigericht entschied, es bei einer Verwarnung zu belassen und das Verfahren einzustellen. In der Begründung hieß es, dass Bogler keinerlei Mängel in charakterlicher oder weltanschaulicher Hinsicht vorzuwerfen wären und seine Verfehlungen auf Ungeübtheit sowie auf eine Doppelbelastung in Folge seiner Tätigkeit als Ortsgruppenleiter zurückzuführen seien.1676

Helmut Borovsky wurde am 30. April 1901 in Hartberg geboren. Er besuchte die Volksschule, das Gymnasium und die Handelsakademie. Während seiner beruflichen Tätigkeit als Bankbeamter absolvierte er ein Studium der Rechtswissenschaften, dass er 1935

1671 LGS Graz, 4607/47-19. 1672 Ebd. 59-61. 1673 Ebd. 65. 1674 Ebd. 103 und 105. 1675 Ebd. 137. 1676 BArch, OPG, Hubert Bogler 287 mit seiner Promovierung zum Dr. ius. abschloss. Beruflich stieg er schnell auf und leitete in der Zeit des Ständestaats die Voitsberger Filiale der Sparkasse. 1936 wurde Borovsky in den Gemeinderat von Voitsberg berufen. Dort stimmte er als einziges Mitglied gegen die Verleihung der Ehrenbürgerschaft für Otto Habsburg, wodurch diese nicht zustande kam.1677

Unmittelbar nach dem „Anschluss“ trat Borovsky in die NSDAP ein. Er erhielt die Mitgliedsnummer 6.256.498. Außerdem trat er noch der DAF, der NSV und dem NSRB bei. Innerhalb des NSKK war er Anwärter und fungierte als Schulungsreferent des Sturms 22/M 88. Aus der katholischen Kirche trat Borovsky nicht aus. Von Juni 1938 bis Juli 1939 war Borovsky Kreiswirtschaftsberater. Als solcher war er auch an den durchgeführten Arisierungen von jüdischem Vermögen beteiligt. Im August 1939 verließ er den Kreis Voitsberg und übernahm die Leitung der Landeshypothekenanstalt Linz.1678 Während seiner Zeit in Oberösterreich fungierte er ab 1944 als Gaustellenleiter im Gauwirtschaftsamt Oberdonau. Außerdem wurde Borovsky im Dezember 1943 ehrenhalber zum SA- Obersturmführer ernannt. Des Weiteren wurde ihm das Kriegsverdienstkreuz II. Klasse verliehen.1679

Borovksy wurde am 26. November 1945 in Linz von amerikanischen Truppen verhaftet.1680 Seine Enthaftung gegen Gelöbnis erfolgte am 4. April 1947.1681 Im Zuge seines Prozesses sprachen sich zahlreiche private Personen, sowie Personen des öffentlichen Lebens für Borovsky aus. Dazu zählte auch der Voitsberger Bürgermeister Hans Blümel. Othmar Goll gab sogar an, dass auf Borovskys Veranlassung die Besitzhälfte seiner jüdischen Frau Helene Goll nicht arisiert wurde.1682 Helmut Borovsky wurde am 14. September 1948 freigesprochen.1683

Ernst Bouvier wurde am 2. August 1889 in Mahrenberg/Radlje geboren. Er besuchte die Volksschule und ein Gymnasium. Nach dem Abitur studierte er 12 Semester Medizin mit chirurgischem Schwerpunkt. Danach war er als Arzt tätig. Im 1. Weltkrieg stand er von Juli

1677 LGS Graz, Vr 1357/47-42. 1678 Vgl.: S. 68. 1679 LGS Graz, Vr 1357/47-43. 1680 Ebd. 2. 1681 Ebd. 91. 1682 Vgl. Kapitel Verfolgung und Widerstand 1683 Ebd. 117. 288

1916 bis Oktober 1918 als Oberarzt im J.R. 24 an der Front. Für seinen Einsatz erhielt er das EK II. Klasse und das Kaiser Karl Truppenkreuz in Bronze.

Bouvier trat am 20. Juni 1932 in die NSDAP ein. Seine Mitgliedsnummer war 1.089.996. In der Zeit des Ständestaats fungierte Bouvier als Obmann des Deutschen Turnvereins Voitsberg. Nach dem „Anschluss“ war er im Rahmen seiner Parteitätigkeit als Oberfeldführer Landesstellenarzt der Landesstelle 18 des Deutschen Roten Kreuzes. Am 11. April 1938 trat er aus der katholischen Kirche aus. Im selben Monat erfolgte Bouviers Eintritt in die SA, wo er den Rang eines Sanitätshauptsturmführers innehatte.1684 In der Voitsberger Kreisleitung übernahm er zwei Monate später das Amt für Volksgesundheit und fungierte als Kreisärzteführer. Im April 1939 trat er mit der Mitgliedsnummer 335.875 in die SS ein. Von Oktober 1938 bis März 1939, sowie im August 1939, diente er als Oberarzt im Gebirgsjägerregiment 138. Nach dem Krieg gegen Jugoslawien, wurde Bouvier im Juni 1941 in die Untersteiermark abkommandiert, wo er als Obermedizinalrat das Gaukrankenhaus Marburg/Maribor leitete. Zusätzlich dazu führte er auch die chirurgische Abteilung des Krankenhauses.1685

Innerhalb der SS wurde er am 9. November 1942 zum Untersturmführer befördert. Sein Aufstieg zum Obersturmführer erfolgte am 30. Jänner 1944. Bouvier war neben seinen Mitgliedschaften in NSDAP, SA und SS Mitglied im RDB, in der NSV und im NSFK. Er erhielt als Auszeichnung von der SS einen „Julleuchter“.1686 Außerdem wurde ihm das Kriegsverdienstkreuz II. Klasse verliehen und das Ehrenkreuz für die Volkspflege II. Klasse verliehen.1687

Bouvier wurde am 22. Juli 1946 vom Gendarmerieposten Hartberg verhaftet. Zu diesem Zeitpunkt leitete er die chirurgische Abteilung des LKH Hartberg.1688 Im Zuge der Vorermittlungen der Staatsanwaltschaft, stellten ihm zahlreiche Personen einen guten Leumund aus. Darunter befand sich auch Dr. Anton Saurugg, der Bürgermeister von Ligist, der unmittelbar nach dem „Anschluss“ verhaftet wurde und auf Veranlassung Bouviers frei kam.1689 Schließlich wandte sich Bouvier an den Bundespräsidenten um von ihm eine

1684 LGS Graz, Vr 6962/47. 1685 Ebd.-3. 1686 BArch, SS-Führerpersonalakten, Dr. Ernst Bouvier 1687 LGS Graz, Vr 6962/47-21. 1688 Ebd. 9. 1689 Ebd. 49. 289

Ausnahme von der Behandlung nach dem Verbotsgesetz zu erwirken. Diesem Ansuchen wurde letztendlich stattgegeben. Das Verfahren gegen Ernst Bouvier wurde am 20. August 1948 eingestellt.1690

Max Emer wurde am 29. März 1911 in Kowald geboren. Beruflich war er als Lehrer tätig. Der NSDAP trat er im Jänner 1937 mit der Mitgliedsnummer 6.111.287 bei. Außerdem war er Mitglied im NSLB. Innerhalb der SA bekleidete er den Rang eines Truppführers. Von Juni 1938 bis August 1940 fungierte er als Kreispropagandaleiter. Emer arbeitete ab Mai 1940 außerdem beim SD-Voitsberg. Dort war er bis August 1940, als er zur Wehrmacht einrückte, für das Abfassen von Stimmungsberichten zuständig.1691 Emer wurde am 15. Oktober 1945 verhaftet.1692 Seine Enthaftung gegen Gelöbnis erfolgte am17. September 1947.1693 Max Emer wurde am 18. Februar 1948 zu einem Jahr schwerem Kerker verurteilt. Durch Anrechnung seiner Vorhaft galt seine Haftstrafe bei der Urteilsverkündung als verbüßt.1694

Franz Fiedler wurde am 22. März 1888 in Knittelfeld geboren. Nach dem Besuch von acht Klassen Volksschule arbeitete er als Müller. In der Ersten Republik war Fiedler Mitglied der SDAP.1695 Der NSDAP trat er am 1. Juni 1938 bei. Ab diesem Zeitpunkt fungierte er auch als Blockleiter. Außerdem gehörte er der DAF und der NSV an. Vom 1. März 1940 bis zum Kriegsende leitete er die NSDAP-Ortsgruppe Gradenberg. Trotz seiner Tätigkeit als Ortsgruppenleiter trat Fiedler nicht aus der katholischen Kirche aus. Im Zuge des Ortsgruppenleiterlehrgangs der NSDAP erhielt er im September 1942 eine vernichtende Beurteilung. Fiedler sei unsicher, schwach und politisch vollkommen uninteressiert. Außerdem könne er sich überhaupt nicht gegen die Bauern seines Ortsgruppenbereichs durchsetzen. Als Ortsgruppenleiter sei er ungeeignet und sollte daher abgelöst werden.1696 Zu einer Ablösung kam es jedoch nicht. Fiedler wurde bei Kriegsende verhaftet. Seine Enthaftung gegen Gelöbnis erfolgte am 18. Juni 1947. Franz Fiedler wurde am 2. März 1948 freigesprochen, da er sich nicht illegal für die NSDAP betätigte und als Ortsgruppenleiter nicht ernannt war.1697

1690 Ebd. 209-211. 1691 LGS Graz, Vr 3007/47-37. 1692 Ebd. 57. 1693 Ebd. 33. 1694 Ebd. 63. 1695 LGS Graz, Vr 3448/47-57. 1696 Ebd. 61. 1697 Ebd. 119. 290

Josef Flecker wurde am 13. September 1890 in Edelschrott geboren. Er besuchte die Volksschule und arbeitete als Schuhmachermeister. Der NSDAP trat er am 1. April 1933 mit der Mitgliedsnummer 1.521.258 bei. Nach dem „Anschluss“ wurde Flecker Bürgermeister von Edelschrott. Diese Funktion übte er bis zum Ende des Krieges aus. Innerhalb der NSDAP-Edelschrott fungierte er zunächst als Ortsgruppenkassenleiter. Von Dezember 1942 bis Kriegsende übernahm er das Amt des Ortsgruppenleiters vom nach Judenburg umgezogenen Arzt Franz Lemler.1698 Flecker wurde am 8. Mai 1945 verhaftet.1699 Seine Enthaftung gegen Gelöbnis erfolgte am 24. Oktober 1947.1700 Josef Flecker wurde am 9. April 1948 zu einem Jahr schwerem Kerker verurteilt. Da ihm die Zeit seiner Vorhaft auf seine Strafe angerechnet wurde, galt diese zum Zeitpunkt der Urteilsverkündung als verbüßt.1701

Peter Flecker wurde am 9. September 1884 in Edelschrott geboren. Er besuchte die Volksschule und arbeitete anschließend als Schuhmacher. Außerdem besaß er ein Gasthaus und ein landwirtschaftliches Grundstück. Flecker trat im Jänner 1932 in die NSDAP ein. Seine Mitgliedsnummer lag unter 800.000.1702 Nach dem „Anschluss“ wurde er Ortsgruppenleiter der NSDAP-Edelschrott. Dieses Amt übte er bis Juni 1940 aus. Aufgrund von hoher privater Arbeitsbelastung gab Flecker das Amt des Ortsgruppenleiters auf.1703 Ab 1941 war er als landwirtschaftlicher Sonderführer in der Ukraine tätig.1704 Fleckers Verhaftung erfolgte am 13. Juli 1946.1705 Am 26. September 1947 wurde er gegen Gelöbnis auf freien Fuß gesetzt.1706 Flecker wurde am 3. Juni 1948 freigesprochen. Der Freispruch wurde damit begründet, dass Flecker nicht ernannter Ortsgruppenleiter war und es keinen Nachweis einer illegalen Betätigung seinerseits gab.1707

Fritz Glück wurde am 14. Mai 1890 in Schrambach geboren. Er besuchte die Volksschule und die Handelsschule. Danach übte er den Beruf eines Rechnungsführers aus. Am 30. Jänner 1930 trat er mit der Mitgliedsnummer 117.590 in die NSDAP ein. Von 1931 bis 1938 war er Beisitzer des parteiinternen Untersuchungs- und Schlichtungsausschusses. Nach dem „Anschluss“ leitete Glück von Juni 1938 bis zu seiner krankheitsbedingten Ablösung im

1698 LGS Graz, Vr 6968/47-63. 1699 Ebd. 13. 1700 Ebd. 149. 1701 Ebd. 83-85. 1702 LGS Graz, Vr 7728/47 – 49 und 176. 1703 Ebd. 176. 1704 Ebd. 71. 1705 Ebd. 67. 1706 Ebd. 15. 1707 Ebd. 77. 291

Oktober 1940 die NSDAP-Ortsgruppe Köflach.1708 Von Oktober 1940 bis zum Ende des Krieges fungierte er zunächst als Beisitzer und später als Vorsitzender des Kreisgerichts der NSDAP. Glück war Mitglied der NSV und erhielt die 10-jährige Dienstauszeichnung der NSDAP. Da er in der Zeit des Ständestaats bei einer Beförderung übergangen worden war, erhielt er nach dem „Anschluss“ eine Wiedergutmachung von 200 RM.1709 Trotz seiner führenden Tätigkeit für die NSDAP trat er nicht aus der katholischen Kirche aus. Mit Kreisleiter Weißensteiner hatte er unter anderem deshalb des Öfteren Differenzen.1710

Glück wurde am 30. Juli 1945 verhaftet. Die Bezirksleitungen aller drei Parteien, was vor allem im Falle der KPÖ eine Seltenheit darstellte, befürworteten Glücks Enthaftungsgesuch gegen Gelöbnis. Diesem wurde schließlich am 18. Juni 1947 stattgegeben.1711 Zahlreiche Personen, darunter auch der Stadtpfarrer von Köflach, sprachen sich im Zuge des Prozesses gegen Glück für diesen aus.1712 Fritz Glück wurde am 5. April 1948 zu einem Jahr schwerem Kerker verurteilt. Durch die Anrechnung seiner Vorhaft galt die Haftstrafe bei der Urteilsverkündung als verbüßt.1713

Rudolf Gosch wurde am 22. Mai 1912 in Graz geboren. Er besuchte die Volksschule und die Bürgerschule. Beruflich war er als Handelsvertreter und Versicherungsagent tätig. Der NSDAP trat er am 1. März 1933 bei.1714 Gosch war während der Zeit des Ständestaats 13 Monate in Haft. Dafür bekam er nach dem „Anschluss“ als Wiedergutmachung 650 RM ausbezahlt. Außerdem verlieh man ihm 1942 den Blutorden.1715 Nach seiner Haftentlassung trat er der NSDAP 1936 erneut bei. Nach dem „Anschluss“ bekam er die Mitgliedsnummer 6.256.503. Für die Kreisleitung der NSDAP war er als Hilfskassenobmann tätig. Gosch war außerdem Mitglied der NSV und vom 1. April 1938 bis zum 1. Februar 1940 Mitglied des NSKK. Nachdem der Besitz der jüdischen Familie Weiß arisiert wurde, übernahm Gosch deren Haus in Voitsberg. Ursprünglich war ein anderer als Käufer vorgesehen, jedoch wurde Gosch als illegaler Nationalsozialist vorgereiht.1716

1708 LGS Graz, Vr 1232/47-38. 1709 Ebd. 128. 1710 Ebd. 76. 1711 Ebd. 40-51. 1712 Ebd. 87-92. 1713 Ebd. 138. 1714 Vr 4556/46 1715 Ebd. 1. 1716 Ebd. 55. 292

Gosch wurde am 9. Juni 1945 von der sowjetischen Militärpolizei verhaftet, jedoch schon nach wenigen Tagen wieder freigelassen.1717 Seine zweite Verhaftung erfolgte im August 1946. Am 12. November desselben Jahres wurde er gegen Gelöbnis enthaftet.1718 Rudolf Gosch wurde am 23. Jänner 1947 zu einem Jahr schwerem Kerker verurteilt.1719 Nachdem er sich vergeblich um eine Begnadigung und einen Haftaufschub bemüht hatte, wurde er schließlich nach Verbüßung seiner vollen Haftstrafe am 4. März 1948 aus dem Gefängnis entlassen.1720

Leopold Hofbauer wurde am 23. März 1911 in Voitsberg geboren. Nach der Schule absolvierte er eine Ausbildung zum Bäckermeister. Hofbauer trat am 1. November 1932 mit der Mitgliedsnummer 1.304.810 in die NSDAP ein. 1933 verbrachte er wegen nationalsozialistischer Betätigung drei Tage in Haft.1721 Nach dem „Anschluss“ wurde er auf Vorschlag von Ortsgruppenleiter Harald Lautner zum Bürgermeister von Voitsberg ernannt, da er eine gewisse Popularität in den Kreisen der Arbeiterschaft besaß.1722 In der Kreisleitung hatte er das Amt für Kommunalpolitik inne.1723

Im Herbst 1939 trat Hofbauer der SS bei. Dort wurde er ehrenhalber zum Oberscharführer ernannt. Außerdem war er als Ehrentruppführer Mitglied der SA.1724 Im Juni 1941 rückte Hofbauer zur Wehrmacht ein. Bis zum Kriegsende blieb Hofbauer bei der Wehrmacht. Er war unter anderem im dänischen Husum stationiert.1725 Sein Nachfolger als Voitsberger Bürgermeister wurde Alfred Grabner. Hofbauers Amt in der Kreisleitung übernahm der Rosentaler Bürgermeister Hans Blumauer.1726

Nach seiner Rückkehr von der Wehrmacht wurde Hofbauer am 31. Oktober 1945 in Voitsberg verhaftet. Seine Enthaftung gegen Gelöbnis erfolgte am 29. Juli 1947.1727 Sein Enthaftungsgesuch wurde von SPÖ, ÖVP und KPÖ unterstützt.1728 Vor allem die

1717 Ebd. 2. 1718 Ebd. 77. 1719 Ebd. 107. 1720 Ebd. 157. 1721 LGS Graz, Vr 7025/47-33. 1722 Ebd. 48. 1723 BArch, Reichskartei, Leopold Hofbauer. 1724 LGS Graz, Vr 7025/47. 1725 Ebd. 49. 1726 Vgl.: VKW, 10. Mai 1941 1727 LGS Graz, Vr 7025/47-19. 1728 Ebd. 23-27. 293

Unterstützung der KPÖ hatte Seltenheitswert. Das Verfahren gegen Leopold Hofbauer wurde am 12. März 1948 eingestellt.1729

August Holowat wurde am 9. August 1894 in Graz geboren. Nach sechs Klassen Volksschule machte er eine Ausbildung zum Fleischhauer. Beruflich war er als Gastwirt tätig. Holowat trat bereits am 2. November 1926 mit der Mitgliedsnummer 50.443 in die NSDAP- Ortsgruppe Bärnbach ein. Bereits 1933 war er Vizebürgermeister der Gemeinde Piber. Nach dem „Anschluss“ wurde er Kreisbeauftragter der NSKOV. Außerdem war er Kreisführer der NSRKK.1730 In seiner Heimatgemeinde Piber bekleidete Holowat während der gesamten Zeit der NS-Herrschaft das Bürgermeisteramt, sowie das Amt des Ortsbauernführers. Die NSDAP- Ortsgruppe Bärnbach führte er vom „Anschluss“ bis zum August 1939, als er für kurze Zeit zur Wehrmacht einberufen wurde. Nach seiner Rückkehr wollte er sich auf seine Tätigkeit als Bürgermeister von Piber konzentrieren und übergab die Ortsgruppe Bärnbach an Friedrich Weifert. Im Oktober 1940 erhielt Holowat das „Ehrenzeichen der alten Parteimitglieder.“1731 Den Posten des Kreisführers der NSRKK gab er im Laufe des Krieges ebenso ab, wie die Führung der NSKOV. Als im Jänner 1942 im Kreis Voitsberg die Landwacht aufgestellt wurde, übernahm Holowat die Führung des Landwachtpostens Piber.1732

Nach dem Ende der NS-Herrschaft wurde Holowat am 13. Juni 1945 von britischen Truppen verhaftet und im Lager Wolfsberg interniert. Seine Enthaftung gegen Gelöbnis erfolgte am 4. Juli 1947.1733 Zu diesem Zeitpunkt war er bereits in Gewahrsam der österreichischen Behörden. August Holowat wurde am 6. März 1948 zu 15 Monaten schwerem Kerker und Vermögensbeschlagnahmung verurteilt. Durch seine Vorhaft galt die Strafe bei der Urteilsverkündung als verbüßt.1734

Willhelm Janusch wurde am 5. August 1913 in Graz geboren. Er erlernte den Beruf des Technikers und arbeitete später als Technischer Zeichner. Janusch trat im Juni 1931 in die NSDAP ein. Außerdem war er Mitglied in der Voitsberger SS. Dort bekleidete er den Rang eines Oberscharführers. In der „illegalen Zeit“ schulte er auch die Nachrichtenabteilung (Funk) der Voitsberger SS. Nach dem „Anschluss“ übernahm er innerhalb der Kreisleitung

1729 Ebd. 61. 1730 Vgl.: VKW, 11. Juni 1938. 1731 BArch, PK, August Holowat 1732 StLa, BH VO, 1942, Karton 352 Zl 14 La 1/1942. 1733 LGS Graz, Vr 284/47-33. 1734 LGS Graz, Vr 284/47-55. 294 das Amt des Ausbildungsleiters. Der Gauausbildungsleiter stellte ihm im Zuge eines Lehrganges ein gutes Zeugnis aus. Januschs Auftreten sei energisch und seine Umgangsformen sehr gut. Organisatorisch und rednerisch wurde er als „gut“ bezeichnet. Die Eignung als „Führer und Sportleiter“ war gegeben. Abschließend stellte der Gauausbildungsleiter fest, dass Janusch als Ausbildungsleiter durchaus geeignet sei. Janusch war Mitglied der Ortsgruppe Bärnbach.1735

Ernst Jeszensky wurde am 13. Juli 1895 in Fölling geboren. Er besuchte die Volksschule und anschließend vier Klassen einer Untermittelschule.1736 Nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs diente er von März 1915 bis Dezember 1918 im Landsturm Infanterieregiment 27. Dort erreichte er den Rang eines Korporals.1737 Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs folgte Jeszenskys Eintritt in die GKB.1738 Der NSDAP trat er am 17. März 1932 mit der Mitgliedsnummer 897.926 bei. Im Zuge seiner Tätigkeit bei der GKB lernte Jeszensky in Köflach den späteren Kreisleiter Hubert Eissner kennen. Nach dem „Anschluss“ fungierte er als Ortsgruppenleiter von Pölfing-Brunn, wo er als Bahnhofsvorstand tätig war. Außerdem erhielt er eine Wiedergutmachung von 300 RM, da seine in der Zeit des Ständestaates erfolgte Versetzung von Köflach nach Pölfing-Brunn politisch motiviert gewesen sein soll. Im Zuge seiner Versetzung an den Bahnhof Söding übernahm er im März 1941 die Leitung der NSDAP-Ortsgruppe Mooskirchen. Innerhalb der Bevölkerung des Ortsgruppenbereichs galt Jeszenskys als besonders gefürchteter und fanatischer Nationalsozialist.1739

Am 6. Juli 1944 ereignete sich in seinem Verantwortungsbereich ein Zugunglück mit sieben Toten. Er wurde daraufhin als Ortsgruppenleiter abgesetzt, verhaftet und im September desselben Jahres zu zehn Monaten Haft verurteilt. Es gelang ihm allerdings seinen Haftantritt immer wieder aufschieben zu lassen, sodass er seine Haftstrafe bis zum Kriegsende nicht antreten musste. Ein von der Gauleitung an die Führerkanzlei verfasstes Gnadengesuch für Jeszensky blieb ohne Beantwortung.1740

1735 BArch, PK, Willhelm Janusch 1736 LGS Graz, Vr 3416/47. 1737 LGS Graz, Vr 723/44-45. 1738 Ebd. 120. 1739 LGS Graz, Vr 3416/47-3. 1740 LGS Graz, Vr 723/44. 295

Jeszensky wurde am 31. August 1945 verhaftet.1741 Die Anklage gegen ihn umfasste neben seiner Tätigkeit als Ortsgruppenleiter auch das Delikt der Denunziation in drei Fällen. Von allen Seiten wurde ihm ein sehr schlechter Leumund ausgestellt.1742 Nachdem sein erstes Gesuch um Enthaftung abgelehnt worden war, wurde er schließlich am 9. September 1947 gegen Gelöbnis aus der Haft entlassen.1743 Ernst Jeszensky wurde am 28. April 1948 zu 14 Monaten schwerem Kerker verurteilt. Durch Anrechnung seiner Vorhaft galt seine Haftstrafe zum Zeitpunkt der Urteilsverkündung als verbüßt.1744

Johann Kaier wurde am 14. August 1900 in Muggauberg geboren. Er besuchte die Volksschule, sowie eine Bürger- und Handelsschule. Beruflich war er als Obst- und Gemüsehändler und als Bauer tätig. Am 15. Jänner 1931 trat er der NSDAP mit der Mitgliedsnummer 444.244 bei. Von Jänner 1931 bis zum Parteiverbot 1933 war Kaier Ortsgruppenleiter von Ligist. Nach dem „Anschluss“ wurde er zunächst Ortsgruppenorganisationsleiter. Außerdem war Kaier Obmann des Deutschen Turnerbundes Ligist.1745 Von Jänner 1940 bis 10. September 1943, als er zur Wehrmacht einrückte, leitete Kaier die NSDAP-Ortsgruppe Ligist. Ab Mitte 1939 war er auch Bürgermeister von Ligist. Beide Ämter legte er nach seiner Einberufung zur Wehrmacht im September 1943 zurück.1746 Im Zuge seines Prozesses wurde Kaier von Kreisleiter Weißensteiner als ziemlich schwacher Ortsgruppenleiter bezeichnet.1747

Nach seiner Rückkehr aus der Kriegsgefangenschaft wurde Kaier verhaftet. Am 4. Juli 1947 erfolgte seine Enthaftung gegen Gelöbnis.1748 Zahlreiche einflussreiche Persönlichkeiten aus Ligist, inklusive Vertreter beider Großparteien, attestierten Kaier soziales Verhalten. In einem Brief an das Volksgericht forderten über 100 Ligister seine Enthaftung.1749 Dennoch wurde Johann Kaier am 20. April 1948 zu einem Jahr schwerem Kerker und Vermögensverfall verurteilt. Durch seine Vorhaft galt die Haftstrafe zum Zeitpunkt der Urteilsverkündung als verbüßt.1750

1741 LGS Graz, Vr 3416/47-111. 1742 Ebd. 3. 1743 Ebd. 43. 1744 Ebd. 117. 1745 StLa, BH VO 1939 Karton 251, Zl 14 Ve 1/89 5. Oktober 1940 1746 LGS Graz, Vr 1970/47; 18-19. 1747 Ebd. 74. 1748 Ebd. 15. 1749 Ebd. 49-53 und 87. 1750 Ebd. 91. 296

Andreas Kattnigg wurde am 21. August 1906 in Strau bei Ferlach geboren. Beruflich war er als Schlosser und Elektriker tätig. Während der Zeit des Ständestaats gehörte er dem Deutschen Turnverein Voitsberg an. Der NSDAP trat Kattnigg offiziell erst am 16. Mai 1938 mit der Mitgliedsnummer 6.111.356 bei. Außerdem war er Mitglied der SA. Dort hatte er den Rang eines Hauptsturmführers inne. Innerhalb der Kreisleitung fungiert er als Kreisobmann der DAF. Andreas Kattnigg wurde bei Kriegsende von sowjetischen Truppen verschleppt und kehrte erst 1955 nach Österreich zurück. Aufgrund der Spätheimkehreramnestie vom 12. November 1953, sah die Staatsanwaltschaft von einer Anklage Kattniggs vor dem Volksgericht ab.1751

Helmut Kersch wurde am 14. Juni 1904 in Marburg/Maribor geboren. Er besuchte die Bürgerschule und absolvierte an einer Lehrerbildungsanstalt die Prüfung zum Hauptschullehrer. Bereits am 1. Oktober 1926 trat er in die NSDAP-Ortsgruppe Piber ein. Seine Mitgliednummer war 50.890. 1927 nahm er als SA-Mann am Parteitag der NSDAP in München teil. Kersch wechselte zu einem späteren Zeitpunkt in die Ortsgruppe Gradenberg über, da er laut eigenen Angaben ständig von Gottfried Hausegger, dem Pfarrer von Piber, angefeindet wurde.1752 Er trat aus der katholischen Kirche aus und bezeichnete sich selbst in der Folge als „gottgläubig.“ In Köflach fungierte Kersch ab 1931 als HJ-Scharführer. Er erhielt das Ehrenzeichen der HJ. Nach dem „Anschluss“ übernahm er das Amt des Kreiswahlpropagandaleiters. Außerdem war er als Gauredner tätig und leitete das Führerschulungswerk der HJ in Köflach.1753 Nach der Etablierung der ersten Voitsberger Kreisleitung übernahm Kersch die Funktion des Vorsitzenden des Kreisschulungsamtes. Dort war er vor allem für die Bereiche Jugendfragen und Landwirtschaftliches zuständig. Des Weiteren war Kersch Kreisschulrat. Von 1940 bis 1941 führte er provisorisch den HJ-Bann 560 des Kreises Voitsberg.1754

Am 22. Oktober 1940 wurde Kersch das „Ehrenzeichen der alten Parteimitglieder“ der NSDAP verliehen. Das Ansuchen erfolgte bereits am 26. Dezember 1939. Für diese Auszeichnung kamen nur Parteimitglieder mit einer Mitgliedsnummer von 1 bis 100.000 in Frage. Obwohl er noch relativ jung war, gehörte Kersch damit zu den am höchsten dekorierten Parteimitgliedern des Kreises Voitsberg. In einer allgemeinen Beurteilung aus

1751 LGS Graz, Sta 5461/55. 1752 LGS Graz, Vr 5818/47-37. 1753 Ebd. 67. 1754 Ebd. 56. 297 dem Dezember 1941 wurden seine geistigen Fähigkeiten als sehr gut eingestuft. Unter “äußere Erscheinung und Auftreten“ wurde „energisch und sicher“ vermerkt. Außerdem wurde eine Verwendung auch nach dem Krieg empfohlen.1755 Nachdem Kreisschulungsleiter Josef Miklau im Sommer 1941 zur Wehrmacht einrückte, übernahm Kersch dessen Posten. Im Herbst 1942 wurde er schließlich in die Untersteiermark versetzt. Dort war er in Pettau/Ptuj tätig.1756

Gegen Ende des Krieges floh Kersch aus der Untersteiermark. Er wurde von amerikanischen Truppen verhaftet und im Lager Glasenbach interniert.1757 Seine Überstellung an die österreichischen Behörden erfolgte am 2. März 1946.1758 Am 2. September 1947 erfolgte seine Haftentlassung gegen Gelöbnis. Helmut Kersch wurde am 15. April 1948 zu 18 Monaten schwerem Kerker verurteilt. Durch die Anrechnung seiner Vorhaft galt seine Haftstrafe bei der Urteilsverkündung als verbüßt.

Alois Killer wurde am 21. Juni 1894 in Wien geboren. Er besuchte die Volksschule, die Bürgerschule und später noch 3 Klassen einer Fortbildungsschule. Während des Ersten Weltkrieges diente er vom 1. Oktober 1914 bis zum Dezember 1916 im Jägerregiment 9. Im September 1916 wurde Killer durch Steinschlag am Doberdo leicht verwundet. Daraufhin folgt ab 1917 bis zum Kriegsende der Dienst bei einem Heeresbahnregiment. Killer erhielt das Kaiser Karl Truppenkreuz. Danach arbeitete er als Bahnbeamter. Seit 1921 war Killer als Güterkassier bei der GKB beschäftigt.1759

Bereits 1923 trat er mit der Mitgliedsnummer 1.089 in die NSDAP (Schulz) ein, ab 1.Jänner 1927 bzw. 3. November 1931 dann in die NSDAP-Hitlerbewegung. Seine Mitgliedsnummer in der NSDAP war zuerst 50.908, nach kurzzeitige Abmeldung 1930 und Wiedereintritt 1931 schließlich 613.180. Die Aufnahme von 1927 sowie die Abmeldung 1930 wurden 1942 für gegenstandslos erklärt.

Ab März 1933 fungierte Killer als Bezirksleiter der NSDAP. Danach stand er unter politischer Aufsicht. Am 27. Februar 1934 wurde Killer wegen einer verbotenen Zusammenkunft von Nationalsozialisten, welche er leitete, zu einem Monat Gefängnis auf Bewährung

1755 BArch, Reichskartei, Helmuth Kersch. 1756 LGS Graz, Vr 5818/47-56. 1757 Ebd. 145. 1758 Ebd. 109. 1759 LGS Graz, Vr 736/46-9. 298 verurteilt.1760 Vom 18. Mai 1937 bis zu seiner erneuten Verhaftung am 18. November 1937 war er wieder Bezirksleiter. Wegen Tätigkeiten für die illegale NSDAP wurde er alles in allem zu einigen Geldstrafen, zu 48 Stunden Arrest im August 1933, zu sechs Wochen Arrest im Oktober 1933, zu vier Wochen bedingtem Arrest im Februar 1934, sowie zu sechs Wochen Arrest im November 1937 verurteilt. Einer weiteren Verurteilung entging er aufgrund des Amnestiegesetzes, welches im Februar 1938 erlassen wurde.

Nach seiner Enthaftung bekleidete er bis zum 6. Februar 1938 wieder das Amt des Bezirksleiters. Danach folgte laut Parteiakte ein Parteiurlaub. Im Mai 1938 war Killer nach eigenen Angaben Kreisbeauftragter für Arbeitseinsatzfragen. Ein solches Amt scheint jedoch in den vorhandenen Postenlisten der Kreisleitung nicht auf. Im Juni desselben Jahres übernahm er schließlich das Kreispersonalamt. Aus einem Schreiben vom 14. Oktober 1939 geht hervor, dass Killer als stellvertretender Kreisleiter vorgesehen war. Ein Jahr später übte er die Funktion des Kreisgeschäftsführers aus. Im März 1943 übernahm er zusätzlich dazu die Leitung der Ortsgruppe Voitsberg und behielt diese beiden Posten bis zum Zusammenbruch des NS-Regimes.1761 Während der gesamten Zeit der NS-Herrschaft war er auch als Kreisredner tätig.1762 Killer war Träger der Erinnerungsmedaille und der 10-jährigen Verdienstauszeichnung der NSDAP. Des Weiteren wurde ihm das Kriegsverdienstkreuz II. Klasse ohne Schwerter verliehen.

Killers Festnahme erfolgte am 8. Mai 1945. Zunächst war er im Lager Wolfsberg interniert. Nach seiner Übergabe an die österreichischen Behörden wurde er am 8. Juli 1947 gegen Gelöbnis aus der Haft entlassen.1763 Alois Killer wurde am 1. Oktober 1947 zu 18 Monaten schwerem Kerker und Vermögensverfall verurteilt.1764 Durch Anrechnung seiner Vorhaft galt Killers Haftstrafe zum Zeitpunkt der Urteilsverkündung als verbüßt.

Franz Kleinhappl wurde am 14. August 1897 in Köflach geboren. Er besuchte die Volksschule und die Bürgerschule. Beruflich war er als Gastwirt tätig. Von seiner Gründung im Jahr 1927 bis zu seiner Auflösung 1933 war er Mitglied im Steirischen Heimatschutz.1765 Beim von den Nationalsozialisten angezettelten Bergarbeiterstreiks des Jahres 1933 spielte er

1760 LGS Graz, Vr 4046/33-80. 1761 BArch, Reichskartei, Alois Killer. 1762 LGS Graz, Vr 736/46-21. 1763 Ebd. 33. 1764 Ebd. 55. 1765 LGS Graz, Vr 8657/47. 299 eine führende Rolle.1766 Nach dem „Anschluss“ trat Kleinhappl der NSDAP mit der Mitgliedsnummer 6.108.090 bei. Ab 1940 fungierte er als Kreisfachgruppenleiter der DAF und als Beigeordneter der Stadt Köflach. Von 1941 bis 1945 war er Bürgermeister der Stadt Köflach. Kleinhappl wurde im Mai 1945 verhaftet und blieb bis Dezember 1946 in Haft.1767 Zu einem Prozess kam es nicht, da die Staatsanwaltschaft am 16. Jänner 1948 die Anklage gegen Kleinhappl zurückzog.1768

Alois Kollegger wurde am 18. Mai 1911 in Stallhofen geboren. Seine Schulbildung bestand aus 5 Klassen Volksschule. Danach arbeitete er als Bauer am elterlichen Hof. Seit 1. Jänner 1935 gehörte Kollegger der NSDAP und der SA an. Innerhalb der SA bekleidete er den Rang eines Obertruppführers.1769 Nach dem „Anschluss“ übernahm Kollegger die Führung der Ortsgruppe Stallhofen der NSDAP. Diesen Posten hatte er bis 26. Oktober 1940 inne. Sein Bruder Georg Kollegger führte den SA-Sturm in Stallhofen.1770 Kollegger fungierte ab Oktober 1940 als Lagerleiter des Umsiedlerlagers Wagna und rückte Anfang 1942 zur Wehrmacht ein.1771

Am 29. September 1945 kehrte Kollegger aus der Kriegsgefangenschaft nach Stallhofen zurück.1772 Zehn Tage nach seiner Rückkehr nach Stallhofen wurde Kollegger von der Gendarmerie verhaftet und den Briten übergeben.1773 Am 3. September 1947 erfolgte seine Überstellung vom Lager Wolfsberg nach St. Martin am Grimming, wo er als Arbeiter beim Großkraftwerkbau Salza tätig war.1774 Alois Kollegger wurde am 12. Februar 1948 zu einem Jahr schwerem Kerker und Vermögensverfall verurteilt.1775 Durch Anrechnung seiner Vorhaft galt seine Haftstrafe zum Zeitpunkt der Urteilsverkündung als verbüßt.

Max Koren wurde am 11. April 1914 in Köflach geboren. Er besuchte die Volksschule und die Hauptschule. Danach arbeitete er als Fotograf. Im November 1931 trat er der HJ bei. Während der Zeit des Ständestaats war er Mitglied des Deutschen Turnvereins und des

1766 Vgl.: 272. 1767 LGS Graz, Vr 8657/47-2. 1768 Ebd. 59. 1769 LGS Graz, Vr 3266/47-235. 1770 Ebd. 5. 1771 Vgl. Seite 24. 1772 LGS Graz, Vr 3266/47-5. 1773 Ebd. 59. 1774 Ebd. 266. 1775 Ebd. 65. 300

Deutschen Alpenvereins in Voitsberg.1776 Korens Beitritt zur NSDAP erfolgte im Mai 1938. Ab Juli 1938 fungierte er Kreisfilmstellenleiter im Kreispropagandaamt der NSDAP. Koren wurde nach dem Ende der NS-Herrschaft nicht verhaftet und konnte als Fotograf weiterarbeiten. Gegen ihn wurde vor dem Volksgericht Graz Anklage erhoben. Jedoch zog die Staatsanwaltschaft die Anklage am 8. Jänner 1948 zurück.1777

Karl Krainz wurde am 26. Februar 1900 in Murau geboren. Er wurde erst am 27. Mai 1941 mit der Mitgliedsnummer 6.295.840 in die NSDAP aufgenommen. Rückwirkend wurde die Aufnahme auf 1. Mai 1938 datiert. Ausschlaggebend war dafür sein Einsatz im Rahmen der illegalen NSDAP Österreichs.1778 Nach dem „Anschluss“ wurde der Lehrer Krainz Kreiswalter des NSLB. In beruflicher Hinsicht profitierte Krainz persönlich von der NS- Machtübernahme. Von 1938 bis 1942 war er Direktor der Volksschule 1 in Voitsberg. 1941 wurde Krainz schließlich zum Kreispersonalamtsleiter der NSDAP im Kreis Voitsberg ernannt. Das Amt des NSLB-Kreiswalters gab er an Walter Senegacnik ab.1779 Zu einer Anklage gegen Krainz kam es nach Kriegsende nicht, da laut Staatsanwaltschaft kein verfolgbarer Tatbestand vorlag.1780

Harald Lautner wurde am 9. Mai 1907 in Hartberg geboren. Nach seinem Schulabschluss absolvierte er eine Ausbildung zum Apotheker die er mit Magistertitel abschloss. Am 30. Juni 1931 trat Lautner der NSDAP mit der Mitgliedsnummer 511.854 bei. Nach dem „Anschluss“ fungierte er im Zuge der Volksabstimmung als Ortswahlleiter von Voitsberg. Außerdem übernahm er bis zu seiner Wehrmachtseinberufung im August 1940 die Funktion des Ortsgruppenleiters der NSDAP-Voitsberg. Er gehörte neben der NSDAP noch der DAF, der NSV, dem RLB und dem VDA an. In der Wehrmacht hatte Lautner die Stelle eines Apothekers in einem Feldlazarett inne.1781 Harald Lautner wurde am 14. Oktober 1947 zu einem Jahr schwerem Kerker und Vermögensverfall verurteilt.1782 Durch seine Vorhaft galt die Haftstrafe zum Zeitpunkt der Urteilsverkündung als verbüßt.

1776 LGS Graz, Vr 7484/46-54. 1777 Ebd. 103. 1778 LGS Graz, Sta 14174/47 1779 BArch, PK, Karl Krainz. 1780 LGS Graz, Sta 14174/47 1781 LGS Graz, Vr 2630/47 1782 Ebd. 53 301

Werner Leitner wurde am 22. August 1916 in Graz geboren. Nach der Schule besuchte er eine Lehrerbildungsanstalt. Bis 1935 lebte er in Oberschützen, wo er auch das Gymnasium besuchte. Dort trat er der pennalen Burschenschaft „Grenzwacht“ bei.1783 1932 erfolgte Leitner Beitritt zur HJ. Im August 1935 übersiedelte er in den Bezirk Voitsberg, wo er als Lehrer arbeitete und trat der SS bei. Außerdem wurde er Mitglied im Deutschen Turnverein Voitsberg.1784 Dort hatte er die Mitgliedsnummer 297.464. Der NSDAP trat Leitner unmittelbar nach dem „Anschluss“ mit der Mitgliedsnummer 6.111.510 bei. Außerdem war er Mitglied im NSLB. Von 1939 bis 1940 führte Leitner den Voitsberger SS-Sturm.1785 Innerhalb der Kreisleitung der NSDAP fungierte er von Juni 1938 bis Februar 1941 als Adjutant des Kreisleiters und als Kreisbeauftragter für Leibesübungen.1786 Unmittelbar nach seinem Ausscheiden aus der Kreisleitung trat Leitner innerhalb der SS dem SD bei. Im April 1941 erfolgte seine Versetzung in die Untersteiermark. Von Oktober 1941 bis Dezember 1941 war er in Marburg/Maribor für die Gestapo tätig.1787 Daneben fungierte Leitner im selben Zeitraum als Ausbilder für die allgemeine SS im Bereich Marburg/Maribor.1788

Leitner wurde am 12. Juli 1945 verhaftet.1789 Seine Enthaftung gegen Gelöbnis erfolgte am 28. August 1947.1790 Werner Leitner wurde am 24. Jänner 1948 zu 18 Monaten schwerem Kerker verurteilt. Nach der Urteilsverkündung hatte er noch neun Monate Haft abzusitzen.1791 Anschließend bat er um eine vorzeitige Haftentlassung. Dieses Gesuch wurde vom Voitsberger Bürgermeister und Nationalrat Hans Blümel unterstützt.1792 Leitner wurde schließlich am 14. Juli 1948, drei Monate vor Ablauf seiner regulären Haftstrafe, vorzeitig entlassen.1793

Ludwig Lettmayer wurde am 19. Februar 1903 in Öblarn geboren. Er trat am 1. Mai 1933 mit der Mitgliedsnummer 2.332.521 in die NSDAP-Ortsgruppe Wittenhofen im Kreis Baden ein. Später zog er nach Stallhofen um. Dort übernahm er 1941 die Führung der Ortsgruppe. Zwei Jahre später wurde er zusätzlich zu seiner Funktion als Ortsgruppenleiter, zum

1783 LGS Graz, Vr 1788/47-2. 1784 Ebd. 67. 1785 Ebd. 90. 1786 Ebd. 61. 1787 Ebd. 11. 1788 Ebd. 59. 1789 Ebd. 2. 1790 Ebd. 35. 1791 Ebd. 109. 1792 Ebd. 121. 1793 Ebd. 161. 302

Kreisbauernführer ernannt. Lettmayer war als Obersturmbannführer auch hochrangiges SA- Mitglied und Standartenführer der Gebirgsjägerstandarte 12.1794 Nach dem Einmarsch der Roten Armee wurde er von dieser verhaftet und sollte zusammen mit dem DAF-Führer Andreas Kattnigg in die Sowjetunion gebracht werden.1795 Auf dem Weg dorthin verstarb Lettmayer laut Aussagen von Mitgefangenen in Rumänien.1796

Anton Lipp wurde am 6. Dezember 1899 in Graz geboren. Er besuchte die Volksschule und die Bürgerschule. Danach legte er an einer Maschinenschule die Heizer- und Maschinistenprüfung ab. Lipp nahm am Ersten Weltkrieg teil und erhielt für seinen Einsatz das Kaiser Karl Truppenkreuz. Anschließend arbeitete er als Schlosser und Maschinist bei der GKB. Nachdem er zu Beginn der Ersten Republik noch mit der Sozialdemokratie sympathisierte, wandte er sich in den frühen 1930er Jahren der NSDAP zu.1797 Sein Parteieintritt erfolgte am 25. Jänner 1933 mit der Mitgliedsnummer 1.388.742. Bereits im Mai desselben Jahres wurde er von der Bezirksleitung als Ortsgruppenführer der NSDAP Bärnbach in Erwägung gezogen. Zur Ernennung kam es aber infolge des NSDAP-Verbots nicht mehr.1798

Lipp war Mitglied der DAF und von 1939 bis 1943 deren Ortsbeauftragter für Bärnbach. Außerdem besuchte er die NS-Gauschule in Bad Gleichenberg. Der Leiter der Schulungsburg Oberursel, an welcher Lipp im April und Mai 1939 an einer Schulung teilnahm, bezeichnete ihn als „guten Durchschnitt“ aber sonst kaum zu beurteilen. Im März 1943 übernahm Lipp die Leitung der Ortsgruppe Bärnbach und behielt diese bis zum Ende der NS-Herrschaft.1799 Am 8. Mai 1945 wurde Lipp verhaftet. Nach Lagerhaft in Wolfsberg und seiner Übergabe an die österreichischen Behörden folgte am 19. Juni 1947 seine Enthaftung gegen Gelöbnis.1800 Anton Lipp wurde am 5. April 1948 freigesprochen, da er die Stelle des Ortsgruppenleiters nur kommissarisch ausgeübt hatte und ihm keine Aktivitäten für die NSDAP in der illegalen Zeit nachgewiesen werden konnten.1801

1794 BArch, Ortsgruppenkartei, Ludwig Lettmayer 1795 Vgl.: StLA, VR 5089/47 -10 1796 Ernst Lasnik, Stallhofen und das mittlere Södingtal. Ein Beispiel steirischer Vielfalt, 308. 1797 LGS Graz, Vr 2231/47-20. 1798 Ebd. 1799 BArch, PK, Anton Lipp 1800 LGS Graz, Vr 2231/47-24. 1801 Ebd. 61. 303

Ludwig Lippan wurde am 18. Mai 1898 in Lankowitz geboren. Er gilt als Gründer der NSDAP-Ortsgruppe Köflach, welche die erste Ortsgruppe des Bezirks war. Lippans Tätigkeit in der Weststeiermark wurde später im Zuge der Genehmigungsprozedur im Vorfeld der Verleihung des „Goldenen Parteiabzeichens“ von Walter Oberhaidacher bestätigt. Ein weiterer Bekannter Lippans, Richard Suchenwirth, bestätigte, dass Lippan 1924 Ortsgruppenleiter der NSDAP-Köflach war.

Später wurde Lippan nach Leoben versetzt, wo er laut Parteiakten am 14. September 1926 der NSDAP mit der Mitgliedsnummer 50.884 beitrat. Dort war er als Standartenführer der Standarte 4 und als Musikzugführer der Standarte 2 in der SA an führender Stelle tätig. Beruflich war er als Postoberoffizial tätig. Nach dem Juliputsch wurde Lippan verhaftet. 1937 floh er nach Deutschland, wo er am 17. März eintraf. Dort stellte er bei der Ortsgruppe Mitgliedschaftsamt des NSDAP-Flüchtlingshilfswerkes im April 1937 einen Antrag auf Verleihung des „Goldenen Ehrenzeichens der NSDAP.“ Lippan zog im April 1937 nach Berlin, wo er an die zuständige Ortsgruppe überwiesen wurde und wieder für die NSDAP arbeitete. Dort wurde ihm schließlich am 18. November 1938 das „Ehrenzeichen der alten Parteimitglieder“ verliehen. Am 5. Dezember 1938 erhielt er das „Goldene Ehrenzeichen der NSDAP.“ 1939 kehrt Lippan in das Gebiet des heutigen Österreichs zurück und wohnte fortan in Wien, wo er auch Mitglied der Ortsgruppe war. Lippans erste Frau Sidonie Meininger von Lerchenthal, mit der er von 1928 bis 1932 verheiratet war, bekam ebenfalls das „Goldene Ehrenzeichen der NSDAP“ verliehen. 1802

Julius Malek wurde am 14. Jänner 1897 in Geistthal geboren. Nach der Schule besuchte er eine Lehrerbildungsanstalt und arbeitete anschließend als Lehrer. Von 1929 bis 1930 war er Mitglied im Steirischen Heimatschutz. Am 1. Juni 1931 trat er der NSDAP mit der Mitgliedsnummer 511.861 bei. In der Zeit des Ständestaats trat er dem Deutschen Turnverein Voitsberg bei.1803 Von März 1940 bis Mai 1941 fungierte Malek als Kreisfilmstellenleiter innerhalb des Kreispropagandaamtes. Von Mai 1941 bis März 1942 musste er zur Wehrmacht einrücken. Danach übernahm er wieder das Kreisfilmstellenamt.1804

Josef Miklau wurde am 14. Dezember 1900 in Marburg/Maribor geboren. Er besuchte die Volksschule und die Bürgerschule. Danach legte er an einer Lehrerbildungsanstalt die

1802 BArch, PK, Ludwig Lippan 1803 LGS Graz, Vr 9011/47-37. 1804 Ebd. 27. 304

Hauptschullehrerprüfung ab. Anschließend arbeitete er als Hauptschullehrer. 1934 trat er mit der Mitgliedsnummer 6.108.003 in die NSDAP ein. Zuvor war er bereits 1932 dem NSLB beigetreten. Außerdem war er Mitglied in der SA. Dort fungierte er als Standartenschulungsreferent.

Nach dem „Anschluss“ bekleidete er innerhalb der Kreisleitung das Amt des Kreisschulungsleiters. Besonders geeignet war er dabei für weltanschauliche Themen. Außerdem stieg er in seiner außerparteilichen Karriere zum Schulleiter auf. Vom 6. November bis zum 30. November 1938 nahm er an einem Sonderlehrgang des Gauschulungsamtes für Kreisschulungsleiter teil. Laut Beurteilung der NSDAP besaß er eine „geistig gute Auffassung“ mit Blick für das Wesentliche. Außerdem wird er als „anständiger Charakter“ beschrieben, der sich sehr bemüht und „etwas unter dem Einfluss seiner Frau“ steht. Diese Einschätzung könnte auf die Tatsache zurückzuführen sein, dass Miklaus Frau Helene relativ wohlhabend war. Sie besaß im Gebiet der Gemeinde Maria Lankowitz drei Bauernhöfe.1805 Sein äußeres Erscheinen wird als „etwas unruhig“ charakterisiert. Dennoch wird eine Verwendung nach dem Krieg empfohlen. Die Leitung des Aufbaulehrganges für Politische Leiter der Ostmarkgaue der NSDAP Nr. 7 beschrieb ihn als „liebenswürdigen, ruhigen und hilfsbereiten Kameraden mit guter Auffassung“. Die Gesamtbeurteilung ergab „Gut bis Sehr gut“.

Miklau war Mitglied der Ortsgruppe Lankowitz, in welcher er auch Propagandaleiter war, und arbeitete in der NSV mit. Außerdem übte er die Funktion des Kreisschulungswartes des NSLB aus. 1939 leistete er seinen Wehrdienst. Im Oktober desselben Jahres wurde er zum hauptamtlichen Einsatz als Kreispropagandaleiter vorgesehen. Letztendlich übernahm jedoch Willibald Ulz dieses Amt. Miklau wurde im Sommer 1941 erneut zur Wehrmacht einberufen und kehrte nicht mehr nach Voitsberg zurück. 1806

Karl Neuhold wurde am 30. Juli 1906 in Voitsberg geboren. Er besuchte die Volksschule, die Hauptschule und das Konservatorium. Danach arbeitet er als Musiklehrer. Nach dem „Anschluss“ führte er den SS-Sturm Voitsberg. Von Augst bis Dezember 1938 war er als Kreisgeschäftsführer Mitglied der Voitsberger Kreisleitung der NSDAP. Außerdem saß er als Ratsherr im Voitsberger Gemeinderat. Im August 1939 erfolgte seine Berufung zum Sekretär

1805 Peter Weißnar, Maria Lankowitz. Porträt einer Marktgemeinde, Maria Lankowitz 2015, 329-330. 1806 BArch, PK, Josef Miklau 305 des stellvertretenden Gauleiters Tobias Portschy. 1807 Karl Neuhold wurde nach dem Ende der NS-Herrschaft vom Volksgericht Leoben zu einem Jahr schwerem Kerker verurteilt.1808

Therese Neuwirth wurde am 6. Oktober 1881 in Marburg/Maribor geboren. Von Beruf war sie Lehrerin. Neuwirth trat bereits am 1. Juli 1926 in die NSDAP-Ortsgruppe Gradenberg ein. Damit war sie wahrscheinlich eine der ersten Frauen, die im Kreis Voitsberg Parteimitglied wurde. Durch ihre Mitgliedsnummer 52.515 war sie dazu berechtigt, um Verleihung des „Ehrenkreuzes der alten Parteimitglieder“ der NSDAP anzusuchen. Dies tat sie am 26. Dezember 1939. Dem Ansuchen wurde von der Gauleitung stattgegeben. Am 26. April 1940 bekam Neuwirth schließlich das „Ehrenkreuz der alten Parteimitglieder“ verliehen.1809

Wendelin Peking wurde am 3. Juli 1909 in Mückenberg/Komorow in Sachsen geboren. Er besuchte die Volksschule und die Realschule. Beruflich war er als Drogist und Buchhalter tätig. In der Zeit des Ständestaats war Peking Mitglied des Deutschen Turnvereins Voitsberg.1810 Der NSDAP trat er am 13. März 1938 mit der Mitgliedsnummer 6.356.743 bei. Am 15. April 1939 übernahm Peking auf Vorschlag von Kreisleiter Weißensteiner das Amt des Kreisgeschäftsführers/Kreisstabsamtsleiters der NSDAP im Kreis Voitsberg. Dieses Amt übte er bis zu seiner Einrückung zur Wehrmacht im Mai 1941 aus. Nach seiner Rückkehr vom Wehrdienst im Juli 1943 bekleidete er bis zum Ende der NS-Herrschaft wieder seinen alten Posten.1811 Zusätzlich dazu übernahm er, nach dem Alois Killer zum Ortsgruppenleiter von Voitsberg ernannt wurde und aus der Kreisleitung ausschied, das Kreispersonalamt von diesem.1812 Als Kreisgeschäftsführer/Kreisstabsamtsleiter hatte er die Dienststellung eines Hauptgemeinschaftsleiters inne. Gegen Pekings Berufung regte sich zunächst Widerstand, da er nicht als illegales Parteimitglied anerkannt wurde. Alois Killer setzte sich in der Folge mit Verweis auf die langjährige Parteimitgliedschaft von Pekings Vater erfolgreich bei Anton Rutte für ihn ein.1813

Peking wurde am 9. Mai 1945 festgenommen.1814 Anschließend internierten ihn die Briten im Lager Wolfsberg. Sein Enthaftung gegen Gelöbnis erfolgte etwas mehr als zwei Jahre später,

1807 VKW, 26. August 1939. 1808 LGS Graz, Vr 4493/47-173. 1809 BArch, Therese Neuwirth 1810 LGS Graz, Vr 6783/47-49. 1811 Ebd. 8. 1812 LGS Graz, Vr 5279/48-39. 1813 LGS Graz, Vr 6783/47-49. 1814 Ebd. 7. 306 am 7. September 1947.1815 Wendelin Peking wurde am 28. April 1948 freigesprochen, da ihm keinerlei illegale Tätigkeit für die NSDAP in der Verbotszeit nachgewiesen werden konnte.1816

Peter Pensold wurde am 17. Jänner 1902 in Semriach geboren. Er besuchte die Volksschule und war danach als Fleischhauer tätig. Pensold trat der NSDAP offiziell erst nach dem „Anschluss“ bei und erhielt die Mitgliedsnummer 6.109.045. Von Mai 1938 bis November 1938 war er Ortsgruppenleiter der NSDAP-Mooskirchen. Laut Kreisleiter Weißensteiner war Pensold ein „guter und einsatzbereiter Parteigenosse“, als Führer jedoch völlig ungeeignet. „Er wolle jedem Recht tun“ und sei zu schwach um eine einheitliche Linie einzuhalten.1817 Von Juli 1944 bis Kriegsende leitete er trotzdem noch einmal die Ortsgruppe Mooskirchen, da sein Vorgänger Ernst Jeszensky abgesetzt wurde.1818

Pensold wurde am 9. Juni 1945 festgenommen.1819 Im Zuge seines Prozesses sprach sich der Pfarrer von Mooskirchen für einen Freispruch Pensold aus. Dies war einer der wenigen Fälle in denen sich ein Pfarrer im Zuge eines Volksgerichtsprozesses für ein Mitglied der NS- Führungsriege des Kreises Voitsberg einsetzte.1820 Peter Pensold wurde am 20. September 1948 freigesprochen, da er nie zum Ortsgruppenleiter ernannt wurde und ihm keine illegale Tätigkeit für die NSDAP nachgewiesen werden konnte.1821

Peter Puff wurde am 25. Juni 1903 in Mödritsch geboren. Nach der Volksschule arbeitete er als Müllergehilfe. Sein Eintritt in die NSDAP und die SA erfolgte im April 1933. Er erhielt die Mitgliedsnummer 1.522.225. Bereits am 12. März 1938 organisierte Puff einen Fackelzug und hielt eine Rede. Außerdem bewaffnete er die SA und veranlasste die Absetzung des Bürgermeisters von Groß-Söding. Nach dem „Anschluss“ war Puff bis November 1938 Führer des SA-Sturms Mooskirchen. Von November 1938 bis zum 15. September 1939 hatte er die Leitung der NSDAP-Ortsgruppe Mooskirchen inne. Nachdem er für kurze Zeit zur Wehrmacht einrücken musste, kehrte er nicht mehr auf den Ortsgruppenleiterposten zurück. Stattdessen fungierte er von 9. Oktober 1939 bis zum Ende der NS-Herrschaft wieder als

1815 Ebd. 51. 1816 Ebd. 87. 1817 LGS Graz, Vr 1607/46-29. 1818 Ebd. 18. 1819 Ebd. 7. 1820 Ebd. 39. 1821 Ebd. 111. 307

Führer des SA-Sturmes Mooskirchen. Als solcher übernahm er von November 1944 bis Mai 1945 auch die Führung der Volkssturmkompanie Mooskirchen.1822 Innerhalb der SA hatte er den Rang eines Sturmführers inne.1823

Puff wurde am 31. August 1945 von britischen Truppen verhaftet.1824 Im Gegensatz zu den meisten anderen angeklagten Ortsgruppenleitern wurde er nicht gegen Gelöbnis enthaftet. Die Anklage gegen Puff umfasste nicht nur seine Tätigkeit als Ortsgruppenleiter. Ihm wurde auch die Misshandlung zweier Personen, die Unterschlagung von Geldbeträgen, sowie die zwangsweise Versetzung von zwei Gendarmeriebeamten vorgeworfen. Peter Puff wurde am 9. Juni 1947 zu 18 Monaten Kerker verurteilt. Ein Schöffe und der Vorsitzende stimmten für eine höhere Haftstrafe (drei bzw. zwei Jahre). Anders als die meisten verurteilten Ortsgruppenleiter blieb er nach der Urteilsverkündung in Haft.1825 Puffs Gnadengesuch wurde am 27. Oktober 1947 abgelehnt. Seine Haftentlassung erfolgte am 6. März 1948.1826

Heinz Roblegg wurde am 6. März 1910 in Saifnitz im Kanaltal geboren. Nach dem Schulabschluss studierte er an der Universität Graz Medizin. Der NSDAP trat er am 6. November 1930 bei.1827 1937 trat er in den Deutschen Turnverein Voitsberg ein.1828 Nach dem „Anschluss“ wurde Roblegg SS-Mitglied. Innerhalb der SS bekleidete er den Rang eines Oberscharführers und fungierte als Sturmarzt der Voitsberger SS.1829 In der Kreisleitung hatte er das Amt für Rassenpolitik inne. Im Mai 1941 übernahm Roblegg die Leitung des Kreisamtes für Volksgesundheit. Diesen Posten behielt er bis zum Kriegsende. Ab 1943 war er zusätzlich Mitarbeiter der SD-Außenstelle Voitsberg.1830

Roblegg wurde am 5. Juni 1945 verhaftet. Sowohl die SPÖ als auch die ÖVP des Bezirks Voitsberg setzten sich für Roblegg ein. Ebenso unterstützte der Ligister Bürgermeister Dr. Saurugg, der sich schon für Robleggs Vorgänger als Kreisamtsleiter für Volksgesundheit Ernst Bouvier eingesetzt hatte, Roblegg durch die Ausstellung eines guten Leumundes.1831

1822 LGS Graz, Vr 7315-46; 17-21. 1823 Ebd. 3. 1824 Ebd. 56. 1825 Ebd. 62. 1826 Ebd. 83-85. 1827 LGS Graz, Vr 1007/47. 1828 Ebd. 73. 1829 Ebd. 75. 1830 LGS Graz, Vr 1007/47. 1831 Ebd. 31-33 und 81. 308

Heinz Roblegg wurde schließlich am 8. August 1947 gegen Gelöbnis aus der Haft entlassen.1832

Viktor Römich wurde am 13. Juni 1905 in Maria Lankowitz geboren. Beruflich war er als Buchhalter tätig. Der NSDAP trat Römich am 7. Dezember 1929 mit der Mitgliedsnummer 117.121 bei. 1932 war er an der Gründung des SA-Sturms Lankowitz beteiligt.1833 Laut eigener Aussage wurde er 1933 wegen zu geringer Mitarbeit wieder ausgeschlossen. Nach dem „Anschluss“ trat Römich der NSDAP erneut bei und erhielt seine alte Mitgliedsnummer. Neben seiner Mitgliedschaft in der NSDAP gehörte Römich der DAF und der NSV an. In der SA wurde er ehrenhalber zum Oberscharführer ernannt. Ab Juni 1938 fungierte er als Vorsitzender des Kreisparteigerichts der NSDAP im Kreis Voitsberg.1834

Im November 1939 wurde Römich von Kreisleiter Weißensteiner seines Postens enthoben, da er sich für seine Mutter ein katholisches Begräbnis wünschte und selbst nicht bereit war aus der katholischen Kirche auszutreten. Nachdem Weißensteiner im Frühjahr 1940 zur SS einrückte, wurde Römich vom neuen Kreisleiter Eissner wieder zum Vorsitzenden des Kreisparteigerichts ernannt. Dieses führte er bis zu seiner Einrückung zur Wehrmacht am 10. September 1940. Bis zum Ende des Krieges wurde Römich zweimal u.k. gestellt da er als Buchhalter gebraucht wurde. Während der Zeit seiner u.k.-Stellungen leitete er das Kreisgericht. Im September 1943 rückte Römich endgültig zur Wehrmacht ein. Sein Nachfolger als Vorsitzender des Kreisparteigerichts wurde der ehemalige Köflacher Ortsgruppenleiter Fritz Glück, der ihn schon während seiner Abwesenheit vertreten hatte.1835

Viktor Römich wurde am 6. Juni 1946 verhaftet.1836 Seine Internierung erfolgte zunächst im amerikanischen Lager Glasenbach.1837 Nach seiner Überstellung an die österreichischen Behörden wurde er am 19. August 1947 gegen Gelöbnis enthaftet.1838 Im Zuge seines Prozesses setzten sich zahlreiche Personen, sowie die SPÖ und die ÖVP des Bezirks Voitsberg, für ihn ein. Bemerkenswert ist auch die Unterstützung des Köflacher Stadtpfarrers,

1832 Ebd. 43. 1833 LGS Graz, Vr 6241/47-41. 1834 LGS Graz, Vr 6241/47. 1835 Ebd. 105. 1836 Ebd. 15. 1837 Ebd. 9. 1838 Ebd. 18. 309 da Pfarrer sich nur selten für Mitglieder der NS-Führungsriege des Kreises Voitsberg einsetzten. Viktor Römich wurde am 30. September 1948 freigesprochen.1839

Franz Rössl wurde am 3. April 1899 in Gößnitz geboren. Er absolvierte die Volksschule und arbeitete danach als Kaufmann. Vermutlich war Rössl bereits seit 1936 Ortsgruppenleiter der NSDAP-Kainach. Er hatte die Mitgliedsnummer 6.108.000. Nach dem „Anschluss“ leitete Rössl die Ortsgruppe Kainach der NSDAP.1840 Am 27. August 1939 wurde er zur Wehrmacht eingezogen, jedoch nach drei Tagen wieder ausgemustert. Danach übte er das Ortsgruppenleiteramt nicht mehr aus, sondern fungierte bis Kriegsende als Bürgermeister von Kainach.1841 Er war Mitglied im NSKK und in der NSV. Aus der katholischen Kirche trat er nicht aus.1842

Rössl flüchtete bei Kriegsende vor den sowjetischen Truppen nach Hirschegg.1843 Erst nach deren Abzug kehrte er nach Kainach zurück und wurde am 17. August 1945 verhaftet.1844 Seine Haftentlassung gegen Gelöbnis erfolgte am 28. Mai 1947. Franz Rössl wurde am 9. April 1948 freigesprochen, da er kein ernannter Ortsgruppenleiter war und ihm keine illegale Tätigkeit nachgewiesen werden konnte.1845

Karl Romich wurde am 26. Juni 1911 in Köflach geboren. Er besuchte die Volksschule und die Bürgerschule. Danach absolvierte er eine Lehrerbildungsanstalt. Im Anschluss daran, arbeitete er als Lehrer. Sein Beitritt zum NSLB erfolgte im Oktober 1936.1846 Am 1. Mai 1938 wurde Romich mit der Mitgliedsnummer 6.109.357 in die NSDAP-Ortsgruppe Köflach aufgenommen. In der Kreisleitung war er Leiter des Kulturamtes, welches Teil des Kreispropagandaamtes war. 1941 beantragte Romich die Ausstellung einer anderen Mitgliedsnummer, da er laut eigener Angabe schon 1933 der NSDAP beigetreten war. Da es für diese Behauptung keine Belege gab, wurde der Antrag abgewiesen.1847 Im Oktober 1941 siedelte Romich in die Untersteiermark über.1848

1839 Ebd. 125. 1840 LGS Graz, Vr 1868/47-15 1841 Ebd. 59. 1842 Ebd. 19. 1843 Ebd. 65 1844 Ebd. 43. 1845 Ebd. 99. 1846 LGS Graz, Vr 4122/47. 1847 BArch, Reichskartei, Karl Romich 1848 LGS Graz, Vr 4122/47-29. 310

Franz Roth wurde am 16. August 1893 in Maria Lankowitz geboren. Er besuchte die Volksschule und die Handelsschule. Danach arbeitete er als Kaufmann. Der NSDAP trat er im Mai 1933 mit der Mitgliedsnummer 1.623.220 bei. Roth war einer der Gründer der NSDAP- Ortsgruppe Lankowitz. Von Juli 1937 bis März 1938 fungierte er als deren Kassier. In der Zeit des Ständestaats wurde er einmal verhaftet.1849 Nach dem Anschluss leitete Roth bis Juli 1939 die Ortsgruppe Lankowitz der NSDAP. Von 1939 bis 1942 bekleidete er außerdem das Amt des Bürgermeisters von Maria Lankowitz. Im Oktober 1940 wurde Roth zum Kreiswalter der NSV ernannt. Dieses Amt hatte er bis Dezember 1942 inne. Bei der Bevölkerung von Maria Lankowitz war Roth wegen seiner Arroganz unbeliebt.1850 Auf seine Veranlassung wurden nach dem Anschluss drei Gendarmeriebeamte aus Maria Lankowitz versetzt.1851

Roth wurde am 9. Mai 1945 verhaftet.1852 Nachdem sein erster Antrag auf Haftentlassung am 4. Juli 1947 abgelehnt wurde, kam Roth nach der Befürwortung eines weiteren Antrags am 23. August 1947 gegen Gelöbnis frei. 1853 Franz Roth wurde zu am 22. Jänner 1948 zu 13 Monaten schwerem Kerker verurteilt. Durch die Anrechnung seiner Vorhaft galt die Haftstrafe zum Zeitpunkt der Urteilsverkündung als verbüßt.1854

Walter Senegacnik wurde am 9. November 1907 in Eggenberg geboren. Nach der Volks- und Hauptschule besuchte er eine Lehrerbildungsanstalt. Anschließen arbeitete er als Lehrer. Ab 1937 war er an der Volksschule Maria Lankowitz tätig.1855 Nach dem Anschluss trat er der NSDAP mit der Mitgliedsnummer 6.107.472 bei. Dabei gab er an bereits seit 1934 in der NSDAP aktiv gewesen zu sein. Außerdem war er Mitglied im NSLB. Vom 1. Jänner bis zum 15. Dezember 1939 leitete er das Kreisamt der NSV. Danach kehrte er in den Schuldienst zurück. Aufgrund seiner politischen Verdienste wurde er bevorzugt befördert und übernahm den Posten des Oberlehrers an der Knabenvolksschule Köflach.1856 Von Juni 1941 bis Februar 1943 war Senegacnik Kreisamtsleiter des NSLB. Für seine Tätigkeit in der NSV bekam er die

1849 LGS Graz, Vr 1699/47-5. 1850 Ebd. 35 1851 Ebd. 63. 1852 Ebd. 23. 1853 Ebd. 19 und 25. 1854 Ebd. 123. 1855 LGS Graz, Vr 4898/46-20. 1856 Ebd. 38. 311

Medaille für Volkspflege verliehen. Senegacniks Einberufung zur Wehrmacht erfolgte im Februar 1943. Im Mai 1944 kehrte er vom Wehrdienst zurück.1857

Senegacnik wurde am 7. September 1945 verhaftet.1858 Seine Enthaftung gegen Gelöbnis erfolgte am 19. November 1946.1859 Neben der Anklage wegen seiner Funktionen in der NSDAP wurde Senegacnik außerdem beschuldigt für die Ablösung und vorzeitige Pensionierung eines Oberlehrers verantwortlich gewesen zu sein. Walter Senegacnik wurde am 7. September 1948 von allen Vorwürfen freigesprochen. Seine Verantwortung für die Ablösung des Oberlehrers konnte eben so wenig bewiesen werden wie seine illegale Tätigkeit für die NSDAP.1860

Gottfried Slamnig wurde am 2. Mai 1911 in Köflach geboren. Er arbeitete zunächst als Bäckergehilfe und wurde nach dem „Anschluss“ Gemeindebediensteter in Gradenberg. Der NSDAP trat er am 9. Dezember 1931 mit der Mitgliedsnummer 687.185 bei. Am selben Tag folgte auch sein Eintritt in die SA. Slamnig war außerdem Mitglied in der DAF, der NSV und der Hitlerjugend. 1934 war er drei Monate im Lager Wöllersdorf und sechs Wochen in Messendorf bei Graz interniert. Nach dem „Anschluss“ übernahm Slamnig die Führung der NSDAP-Ortsgruppe Gradenberg, welche er bis zu seiner Einrückung zur Wehrmacht im Februar 1940 leitete. Von Mai 1938 bis Juli 1938 war Slamnig auch Bürgermeister von Gradenberg.1861 Er erhielt 550 RM Wiedergutmachung für 138 Tage Haft in der Zeit des Ständestaats.1862

Slamnig kehrte am 30. Jänner 1946 schwer verwundet aus der Kriegsgefangenschaft zurück.1863 Seine Verhaftung erfolgte am 20. März 1946.1864 Aufgrund neurologischer Störungen, welche durch eine Kopfverletzung, die er im Krieg erlitten hatte ausgelöst wurden, überstellte man ihn 3. Dezember 1946 in die Psychiatrie „am Feldhof“.1865 Slamnigs Enthaftung erfolgte am 28. Juni 1947.1866 Zu einem Prozess gegen ihn kam es letztendlich aus

1857 Ebd. 21. 1858 Ebd. 113. 1859 Ebd. 91. 1860 Ebd. 119. 1861 LGS Graz, Vr 104/47-3. 1862 Ebd. 35. 1863 Ebd. 17. 1864 Ebd. 35. 1865 Ebd. 25. 1866 Ebd. 29. 312 unbekannten Gründen nicht. Aufgrund der Auflösung der Volksgerichte im Juni 1955 wurde Slamnigs Verfahren eingestellt.1867

Johann Steinwieder wurde am 8. Juni 1911 in Puchbach geboren. Beruflich war er als Bauer, Tischler und Zimmermann tätig. Der NSDAP trat er am 28. April 1933 mit der Mitgliedsnummer 1.602.353 bei. Nach dem „Anschluss“ war Steinwieder Geschäftsführer der NSDAP-Ortsgruppe Lankowitz. Aufgrund seiner politischen Verdienste erhielt er eine bevorzugte Anstellung beim Postamt Köflach.1868 Von Jänner 1939 bis Juli 1941 leitete er die Ortsgruppe der NSDAP St. Martin a.W.

Steinwieder fiel bei Kreisleiter Weißensteiner in Ungnade, da er sich wegen seines Berufs nicht genug Zeit für die Führung der NSDAP-Ortsgruppe nahm. Außerdem trat er trotz mehrmaliger Aufforderung nicht aus der katholischen Kirche aus.1869 Steinwieder wurde vom Kreisleiter vorgehalten, dass die Ortsgruppe St. Martin a.W. die schlechteste sei, da dort der Pfarrer regiere. Als Steinwieder seinen Austritt aus der Kirche vortäuschte und Weißensteiner dahinterkam, folgten die Absetzung Steinwieders und die Einleitung eines Parteigerichtsverfahrens. Steinwieder rückte 14 Tage nach seiner Absetzung als Ortsgruppenleiter zur Marine ein und erhielt dort den Ausschlussbescheid aus der NSDAP.1870 Er war das einzige Mitglied der NS-Führungsriege des Kreises Voitsberg, das aus der NSDAP ausgeschlossen wurde.

Nach seiner Rückkehr aus der Kriegsgefangenschaft wurde Steinwieder verhaftet. Seine Enthaftung gegen Gelöbnis erfolgte am 15. März 1947.1871 Im Zuge seines Prozesses wurde Steinwieder von zahlreichen Stellen, unter anderem auch von der Gendarmerie Maria Lankowitz, ein guter Leumund ausgestellt. Johann Steinwieder wurde am 20. Mai 1948 freigesprochen, da er als Ortsgruppenleiter nicht ernannt war und ihm keine illegale Tätigkeit für die NSDAP nachgewiesen werden konnte.1872

Karl Strasser wurde am 28. Jänner 1899 in Kohlschwarz geboren. Er besuchte die Volksschule und die Handelsschule. Beruflich war er als Privatbeamter tätig. Strasser trat der

1867 LGS Graz, Vr 2701/55. 1868 LGS Graz, Vr 3357/47-21. 1869 Ebd. 7. 1870 Ebd. 41-42. 1871 Ebd. 47. 1872 Ebd. 113. 313

NSDAP am 1. November 1930 mit der Mitgliedsnummer 362.926 bei. Bis 1933 fungierte er als Ortsgruppenschriftführer der NSDAP-Voitsberg und war gleichzeitig Bezirkskassenleiter.1873 Nach einer verbotenen Zusammenkunft der illegalen NSDAP im Oktober 1933 wurde Strasser zu einer Woche strengem Arrest verurteilt.1874 Von Anfang 1939 bis September 1940 war er Kreishilfskassenobmann. Für seine Haftzeit im Ständestaat erhielt er 139 RM als Wiedergutmachung.1875

Von September 1940 bis März 1943 leitete Strasser als Nachfolger von Harald Lautner, der ihn für diesen Posten vorgeschlagen hatte, die NSDAP-Ortsgruppe Voitsberg. Laut eigener Aussage übte Strasser dieses Amt nicht gerne aus. Daher wurde er schließlich auf eigenen Wunsch in die Untersteiermark versetzt, wo er das Amt des Bürgermeisters von Sachsenfeld/Zalec bekleidete.1876 Von der Gauschulungsburg St. Marein bei Graz wurde Strasser positiv beurteilt. Er sei weltanschaulich ein klarer Nationalsozialist der als Ortsgruppenleiter geeignet sei. Des Weiteren wurde vermerkt, dass Strasser nach dem „Endsieg“ gerne Kommissar im Osten werden würde.1877 Neben seiner Funktion in der NSDAP war Strasser Mitglied der DAF und des RKB. Außerdem erhielt er das Kriegsverdienstkreuz II. Klasse. 1878

Bei Kriegsende wurde Strasser von Tito-Partisanen in Schönstein/ Šoštanj verhaftet und in Esseg/ Osijek interniert. Von dort kehrte er bald nach Voitsberg zurück, wo er am 19. Juni 1945 erneut verhaftet wurde.1879 Seine Entlassung aus dem Lager Wolfsberg erfolgte am 1. März 1947.1880 Karl Strasser wurde am 30. April 1948 zu einem Jahr schwerem Kerker verurteilt. Durch Anrechnung seiner Vorhaft galt seine Haftstrafe bei der Urteilsverkündung als verbüßt.1881

Vinzenz Strommer wurde am 29. Dezember 1914 in Klein-Wöllmiß geboren. Von Beruf war er Landarbeiter. Nach dem „Anschluss“ wurde er damit beauftragt die NSDAP-Ortsgruppe St. Martin am Wöllmißberg aufzubauen, deren erster Ortsgruppenleiter er war. Laut eigener

1873 LGS Graz, Vr 1810/47-51. 1874 LGS Graz, Vr 4046/33-80 1875 LGS Graz, Vr 1810/47-19 1876 Ebd. 33. 1877 Ebd. 51. 1878 Ebd. 17. 1879 Ebd. 49. 1880 Ebd. 11. 1881 Ebd. 59. 314

Aussage trat er der NSDAP erst am 17. Mai 1938 bei. Er erhielt die Mitgliedsnummer 6.256.489. Nachdem der Aufbau der Ortsgruppe abgeschlossen war, bat Strommer im August 1938 um seine Ablösung, da ihm, so seine Begründung, Zeit und Eignung für das Ausüben des Ortsgruppenleiteramtes fehlten. Die Kreisleitung kam seiner Bitte nach und beauftragte den Lehrer Josef Gruber mit der Führung der Ortsgruppe.1882 Strommer fungierte nach seiner Ablösung als Zellenleiter innerhalb der Ortsgruppe St. Martin a.W. Aus der katholischen Kirche trat er trotz seiner Tätigkeit für die NSDAP nicht aus. Am 18. August 1945 wurde Strommer verhaftet. Seine Entlassung gegen Gelöbnis erfolgte am 17. April 1947.1883 Das Verfahren gegen Strommer wurde letztendlich am 4. August 1947 eingestellt.1884

Max Suppanz wurde am 2. Mai 1891 in St. Leonhard/Lenart geboren. Er besuchte die Volksschule und zwei Klassen einer Bürgerschule. Beruflich war er als Tischler, Bankangestellter, Werkmeister und Industriebeamter tätig. Der NSDAP trat er mit der Mitgliedsnummer 6.107.468, nach eigener Angabe erst nach dem „Anschluss“ bei und fungierte danach als Blockleiter.1885 Suppanz war Obertruppführer der SA und Mitglied in der DAF und in der NSV. Gegen Suppanz lief im März 1939 ein parteiinternes Verfahren wegen des Verbreitens von Gerüchten, die den Eindruck von Missständen innerhalb der Kreis- NSDAP hervorrufen könnten. Suppanz erhielt eine strenge Verwarnung. Kreisleiter Weißensteiner sprach sich für eine Beendigung des Verfahrens aus.1886 Von Juli 1941 bis März 1943 bekleidete Suppanz das Amt des Ortsgruppenleiters von Bärnbach. Im Zuge des im September 1942 stattfindenden 4. Ortsgruppenleiterlehrganges wurde Suppanz recht gut beurteilt. Er verkörpere den Typus eines guten SA-Mannes und sei als Kriegsortsgruppenleiter geeignet.1887 Im März 1943 rückte er zur Organisation Todt ein. Dort war er als Wachführer tätig.1888

Suppanz wurde am 4. Oktober 1945 verhaftet.1889 Seinen Antrag auf Entlassung gegen Gelöbnis lehnte das Oberlandesgericht Graz am 12. Juni 1947 ab.1890 Max Suppanz wurde am 8. Oktober 1947 zu 18 Monaten schwerem Kerker und Vermögensverfall verurteilt. Nach der

1882 LGS Graz, Vr 6841/46-29-30. 1883 Ebd. 23 und 30. 1884 Ebd. 65. 1885 LGS Graz, Vr 3492/47-57 1886 Ebd. 23. 1887 Ebd. 25. 1888 Ebd. 33 und 53. 1889 Ebd. 33. 1890 Ebd. 47. 315

Urteilsverkündung hatte er durch Anrechnung seine Vorhaft nur noch 10 Tage einzusitzen.1891 Im März 1950 wurde das Verfahren von Suppanz neu aufgenommen.1892 Es endete am 24. Mai 1950 mit der Aufhebung seines Urteils und der Rückerstattung seines Vermögens.1893

Johann Talker wurde 27. September 1889 in Kainach geboren. Nachdem er im Ersten Weltkrieg schwer verwundet wurde arbeitete er als Trafikant. Bis zum „Anschluss“ war er stellvertretender Ortsleiter der VF Kainach und stand der NSDAP laut Beurteilung der Gendarmerie Kainach nicht nahe.1894 In die NSDAP trat er am 1. Mai 1938 mit der Mitgliedsnummer 6.244.034 ein. 1939 übernahm er die Führung der NSV innerhalb der Ortsgruppe Kainach. Nachdem Hans Binegger im April 1941 in die Untersteiermark abkommandiert wurde, folgte ihm Talker als Ortsgruppenleiter nach.1895 Als solcher fungierte er bis zum Ende der NS-Herrschaft. Talker wurde die NS-Medaille für Volkspflege und das Kriegsverdienstkreuz II. Klasse verliehen.1896 Obwohl er vier Jahre lang Ortsgruppenleiter war, blieb er in der katholischen Kirche. Aus der SA, der er nach dem „Anschluss“ beigetreten war, ließ er sich 1942 streichen.1897 Talker wurde am 8. Mai 1945 von sowjetischen Truppen verhaftet. Nach seiner Überstellung an die österreichischen Behörden blieb er bis zu Prozessbeginn in Haft. Am 26. November 1947 wurde Talker freigesprochen.1898

Thomas Trummer wurde am 15. Dezember 1911 in New York geboren. Er besuchte die Volksschule, die Mittelschule und die Handelsschule. Danach arbeitete er als Kaufmann. Der NSDAP trat er erst nach dem „Anschluss“ bei. In den ersten drei Monaten danach wurde Trummer zur allgemeinen Mitarbeit beim Aufbau der Kreisleitung herangezogen und fungierte als Kreisgeschäftsführer. Von Seiten der NSDAP erhob man gerne auf seine Mitarbeit Anspruch, da er in Büroarbeiten bewandert war und in den Jahren zuvor eine rege Tätigkeit auf dem Gebiet der heimatlichen Verkehrswerbung entwickelte.1899 Trummer wurde jedoch bereits im August 1938 als Kreisgeschäftsführer abgelöst, da er sich mit Kreisleiter Weißensteiner nicht verstand und in den Kreisen der illegalen Nationalsozialisten unbeliebt

1891 Ebd. 107. 1892 Ebd. 123. 1893 Ebd. 139. 1894 LGS Graz, Vr 6377/47-7 und 43. 1895 Ebd. 52. 1896 Ebd. 17 und 21. 1897 Ebd. 46. 1898 Ebd. 113. 1899 LGS Graz, Vr 2978/50-43. 316 war.1900 Er nahm im Anschluss an seine Ablösung die Stelle des Leiters des Amtes für Heimbeschaffung bei der Gauführung der HJ in Graz an. Innerhalb der HJ bekleidete er den Rang eines Obergefolgschaftsführers. Anfang 1943 wurde er zur Wehrmacht eingezogen. 1901

Nach dem Ende des Krieges konnte sich Trummer seiner Verhaftung entziehen. Über seinen Anwalt hielt er allerdings Kontakt zur Staatsanwaltschaft und zum Volksgericht. Auf diesem Wege nahm er auch zu den Vorwürfen gegen ihn Stellung1902 Im September 1950 entschied die Staatsanwaltschaft schließlich ihn auf freien Fuß zu belassen.1903 Zu einem Prozess gegen Trummer kam es letztendlich nicht.

Willibald Ulz wurde am 26. Juni 1902 in Gratwein geboren. Er besuchte die Volksschule, die Bürgerschule und die Handelsakademie. Danach war er als Buchhalter tätig. Der NSDAP trat er im Mai 1930 mit der Mitgliedsnummer 360.905 bei.1904 Seine Übersiedlung nach Bärnbach erfolgte im November 1937. Er arbeitete als Buchhalter in der Glasfabrik Oberdorf in Bärnbach. Nach dem „Anschluss“ bekleidete er das Amt des Kreisorganisationsleiters. Als solcher war er für den organisatorischen Aufbau der NSDAP im Kreis Voitsberg zuständig. Seinen Posten als Kreisorganisationsleiter verdankte Ulz dem Voitsberger Kreiswahlleiter Gottfried Bayer, den er von der Arbeit für die NSDAP im Bezirk Graz-Land gut kannte.1905 Dieser ernannte ihn auch zum Kreiswahlinspektor. Im Oktober 1939 war Ulz Kandidat für den Posten des Kreisleiters, den er jedoch letztendlich nicht erhielt.1906 Im Laufe der NS- Herrschaft erhielt er das Kriegsverdienstkreuz II. Klasse und die bronzene Dienstauszeichnung der NSDAP.1907 Seine Einrückung zur Wehrmacht erfolgte im Herbst 1942.1908

Ulz wurde am 11. Juni 1945 von der Gendarmerie Voitsberg verhaftet.1909 Am 6. September 1947 wurde er gegen Gelöbnis aus der Haft entlassen.1910 Die Anklage gegen ihn erfolgte nicht nur wegen seiner Tätigkeit als Kreisorganisationsleiter und Illegaler. Er musste sich

1900 Ebd. 64. 1901 Ebd. 43 1902 Ebd. 1903 Ebd. 53. 1904 LGS Graz, Vr 5279/48 1905 LGS Graz, Vr 4493/47-166. 1906 BArch, Reichskartei, Willibald Ulz. 1907 LGS Graz, Vr 5279/48-43. 1908 LGS Graz, Vr 7394/47-44. 1909 LGS Graz, Vr 5279/48-43 1910 LGS Graz, Vr 7394/47-111. 317 auch wegen der Verhaftung des Voitsberger Kaplans Bauer, die unmittelbar nach dem „Anschluss“ erfolgte verantworten, da er den entsprechenden Haftbefehl unterzeichnet haben soll. Letztendlich wurde keine der beiden Anklagen aufrechterhalten. Am 6. Juli 1949 wurde das Verfahren gegen Willibald Ulz eingestellt.1911

Friedrich Weifert wurde am 22. Mai 1909 in Voitsberg geboren. Er besuchte nach der Volksschule eine Gewerbeschule und war im „Anschluss“ daran als Kaufmann tätig. Am 1. März 1934 trat er der NSDAP bei. Unmittelbar nach dem „Anschluss“ war Weifert Zellenleiter der NSDAP-Bärnbach. Im August 1939 übernahm er die Führung der Ortsgruppe Bärnbach. Diese Funktion bekleidete er bis zu seinem freiwilligen Einrücken zur Wehrmacht im Juli 1941.1912 Weifert war Mitglied der DAF und der NSV. Gegen Ende des Krieges geriet er in Tschechien in amerikanische Kriegsgefangenschaft.1913 Nach seiner Rückkehr wurde er am 15. Februar 1946 verhaftet.1914

Weifert wurde nicht nur wegen seiner Funktion als Ortsgruppenleiter angeklagt, sondern auch weil er an einer Frau die mit einem polnischen Arbeiter spazieren ging ein Exempel statuierte, indem er ihr die Haare abschneiden ließ.1915 Sein Antrag auf Enthaftung gegen Gelöbnis wurde am 5. Mai 1948 abgelehnt.1916 Friedrich Weifert wurde am 24. Juli 1948 zu einem Jahr schwerem Kerker verurteilt. Die Verurteilung erfolgte nicht wegen seiner Funktion als Ortsgruppenleiter, da er nicht ernannt war, sondern wegen Verletzung der Menschenwürde. Durch seine Vorhaft galt die Strafe bei der Urteilsverkündung als verbüßt.1917

Josef Zierler wurde am 15. Februar 1899 in Graz geboren. Seine Schulbildung bestand aus sechs Klassen Volksschule. Beruflich war er als Gastwirt und Autounternehmer tätig. Zierler gehörte von 1926 bis 1934 dem Landbund an und saß für diesen im Gemeinderat von Geistthal. Am 12. Februar 1938 rief er in Geistthal einen NS-Bund ins Leben dem 15 Männer angehörten. Werbung für den Nationalsozialismus soll er jedoch bereits seit 1935 betrieben haben.

1911 LGS Graz, Vr 5279/48-161. 1912 LGS Graz, Vr 4099/47-21. 1913 Ebd. 121. 1914 Ebd. 59. 1915 Ebd. 5. 1916 Ebd. 140. 1917 Ebd. 195. 318

Zierlers Eintritt in die NSDAP erfolgte erst nach dem „Anschluss.“ Seine Mitgliedsnummer war 6.121.899. In die SA trat er bereits 1933 ein. Dort bekleidete er den Rang eines Oberscharführers und fungierte als Leiter der SA-Geistthal.1918 Von 1938 bis 1945 führte Zierler die NSDAP-Ortsgruppe Geistthal. Von März 1938 bis März 1939 war er auch Bürgermeister von Geistthal.1919 Zierler wurde am 4. Juni 1945 verhaftet.1920 Am 4. Juli 1947 erfolgte seine Enthaftung gegen Gelöbnis.1921 Josef Zierler wurde am 7. September 1948 freigesprochen.1922

10. Zusammenfassung

Abschließend werde ich nun die wichtigsten Erkenntnisse meiner Arbeit zusammenfassen. Dabei werde ich mich auf den Bezirk Voitsberg und die Auswirkungen der Herrschaft der lokalen NS-Führungsriege konzentrieren. Der Grund für diese Fokussierung ist die im Laufe der Arbeit deutlich gewordene Einflussmöglichkeit dieser Gruppe auf das Funktionieren des NS-Systems. Außerdem soll so noch einmal der regionalgeschichtliche Schwerpunkt der Arbeit hervorgehoben werden.

Im Gegensatz zu großen Teilen der Steiermark, war die NSDAP im Kreis Voitsberg von Anfang an in einer schwierigen Lage. Obwohl die NSDAP bereits in den frühen 1920er Jahren im Bezirk, als erstes in Köflach, Fuß fassen konnte, gelang es ihr lange nicht über den Status einer Splitterpartei hinauszuwachsen. Nennenswerte Wahlerfolge verzeichnete sie erst bei den Landtags- und Nationalratswahlen 1930 und den Gemeinderatswahlen 1932. Vor allem bei den letzten Gemeinderatswahlen gelang es den Nationalsozialisten einige Achtungserfolge zu erzielen. Wirklich gefährlich konnten sie den im Bezirk dominierenden Sozialdemokraten jedoch nicht werden. Erfolge wie in der Gemeinde Piber, in der die NSDAP zweitstärkste Kraft war und anschließend die lokalen Sozialdemokraten auf ihre Seite ziehen konnte, blieben die Ausnahme. Ins bürgerliche und bäuerliche Milieu konnte die Kreis-NSDAP dagegen stärker eindringen. Dies zeigen die relativen Wahlerfolge bei den Gemeinderatswahlen 1932 in ländlichen Gegenden des Kreises und die guten Ergebnisse,

1918 LGS Graz, Vr 6045/47-27 1919 Ebd.-7. 1920 Ebd. 4. 1921 Ebd. 39. 1922 Ebd. 81. 319 welche die Nationalsozialisten bei derselben Wahl in den Städten Voitsberg und Köflach erzielen konnten. In Voitsberg war die NSDAP 1932 bereits die stärkste Partei rechts der Mitte. Dass sie dort unter Führung des Bezirksrichters antrat, zeigt ebenso wie die Tatsache, dass mit Dr. Otto Benda ein Akademiker die Kreis-NSDAP führte, deutlich, dass die Führung der Nationalsozialisten aus den gehobeneren Kreisen der Gesellschaft kam. Nach dem Verbot der NSDAP verlagerte sich ihre Tätigkeit in den Untergrund. Wie stark die NSDAP dabei wurde, ist schwer zu sagen. Vergleicht man jedoch die beiden zentralen Ereignisse des Jahres 1934, den Februaraufstand des sozialdemokratischen Schutzbundes und den NS-Juliputsch miteinander, zeigt sich deutlich, dass ersterer viel größer und besser organisiert war und auch mehr Rückhalt in der Bevölkerung hatte. In anderen Gegenden der Steiermark, beispielsweise im Nachbarbezirk Deutschlandsberg, war es umgekehrt.

Was die lokale NS-Führungsriege betrifft, so schwankte ihr Verhältnis zum Ständestaat von offizieller Anpassung und geheimen Widerstand, bis zu offenem Widerstand. Viele Mitglieder der späteren NS-Führungsriege konnten sich nach außen hin durchaus mit dem Ständestaat arrangieren. Dabei handelte es sich hauptsächlich um ehemalige Heimatschützer und Personen, die gut in die Gesellschaft integriert waren und ein hohes soziales Prestige hatten. Der spätere Kreiswirtschaftsberater Dr. Helmut Borovsky war zwischen 1934 und 1938 Mitglied des Voitsberger Gemeinderates. Andere prominente Nationalsozialisten waren ebenfalls im öffentlichen Leben präsent. Sie organisierten sich in Vereinen wie dem Deutschen Schulvereines Südmark oder dem Deutschen Turnverein. In mindestens 19 Fällen bestand die Führung von im Bezirk Voitsberg registrierten Vereinen aus „heimlichen“ Nationalsozialisten. Besonders stark nationalsozialistisch geprägt war die Lehrerschaft. Auch beim Bezirkshauptmann Dr. Schmidinger kann man zumindest von einer Toleranz gegenüber dem Nationalsozialismus sprechen. Anders ist nicht zu erklären, dass er seinen Posten nach dem „Anschluss“ behalten durfte. Gleiches gilt für Teile der Gendarmerie. Unter den Wirtschaftstreibenden erfreute sich der Nationalsozialismus auch einiger Beliebtheit. Hubert Eisner, illegaler Kreisleiter der NSDAP von Juni 1936 bis Mai 1937, war Besitzer der größten Mühle im Bezirk Voitsberg.

Im Gegensatz zu den erwähnten Personen standen jene Nationalsozialisten, die sich offener und aktionistischer betätigten. Dabei standen vor allem die Angehörigen der SA im Vordergrund. Diese wurden in vielen Fällen von der harten Repression des Ständestaats getroffen. Zahlreiche Hausdurchsuchungen und Verhaftungen von vermeintlichen und

320 tatsächlichen illegalen Nationalsozialisten fanden in den Jahren 1934 bis 1938 im Bezirk Voitsberg statt. Diese trafen vor allem die weniger bekannten und in der Gesellschaft weniger stark verankerten Nationalsozialisten, die auch weniger zu verlieren hatten. Zu ihren Führungsfiguren zählte der Bahnbeamte Alois Killer, langjähriger Bezirksleiter der NSDAP – Voitsberg, der im Ständestaat knapp vier Monate hinter Gittern saß.

Beginnend mit den Ereignissen des Juli-Putsches 1934 zeigte sich bis zum „Anschluss“ 1938 das Bild einer zerstrittenen NS-Bewegung, die es nicht schaffte ihre eigenen Streitigkeiten beizulegen. So stand man nach der Machtübernahme vor der großen Frage, wer nun das Amt des Kreisleiters übernehmen sollte. Die rivalisierenden Gruppierungen der ehemaligen Heimatschützer und der alten Nationalsozialisten standen sich unversöhnlich gegenüber. Aufseiten der Heimatschützer war Hubert Eissner die Führungsfigur. Von Juni 1936 bis Mai 1937 war er bereits Kreisleiter gewesen. Da er sich aber nicht durchsetzen konnte und laut eigener Aussage in Konflikt mit dem Kurs der Landesleitung der NSDAP unter Josef Leopold geriet, wurde er abgelöst.

Mit der Zerstrittenheit der Nationalsozialisten im Kreis Voitsberg konfrontiert, entschied sich die Gauleitung nach dem „Anschluss“, den jungen Burgenländer Anton Weißensteiner als Kreisleiter einzusetzen. Weißensteiner, der zuvor den aufgelösten Kreis Mattersburg leitete und auch hochrangiges SA-Mitglied war, schaffte es sehr schnell beide Gruppierungen unter Kontrolle zu bringen und den parteiinternen Frieden zu sichern. Dabei half ihm die Unterstützung seines Freundes Tobias Portschy. Außerdem kam ihm die personalisierte Herrschaftsstruktur der nationalsozialistischen Machtausübung entgegen. Durch die persönliche Vereidigung der Kreisleitungsmitarbeiter, verbunden mit der scharfen Warnung vor parteiinternen Streitigkeiten, untermauerte er seinen uneingeschränkten Führungsanspruch innerhalb der Kreispartei. Anschließende Besuche in den Ortsgruppen dienten dazu, diesen durch Treuebekundungen der führenden Nationalsozialisten vor Ort zu verfestigen und für jedermann nach außen hin deutlich sichtbar zu machen. Bei der Verteilung der wichtigsten Führungsposten innerhalb der Kreisleitung, der Ortsgruppen und der Gliederungen, achtete er darauf, dass Vertreter der beiden NSDAP-Flügel zum Zug kamen. Zahlreiche Führungspositionen innerhalb der Kreisleitung wurden außerdem von nicht aus dem Kreis Voitsberg stammenden Nationalsozialisten besetzt. Erst als die meisten von ihnen nach einiger Zeit den Kreis Voitsberg wieder verließen, besetzte Weißensteiner die frei werdenden Posten mit einheimischen Nationalsozialisten. Außerdem gelang es Weißensteiner auch

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Hubert Eissner, der innerhalb der Kreisbevölkerung zweifellos über ein gewisses Prestige verfügte, wieder für die Arbeit in der NSDAP zu gewinnen.

Sieht man sich die Zusammensetzung der Kreisleitung im Bezug auf die berufliche Herkunft der Mitarbeiter an, wird schnell klar, dass Lehrer, Ärzte und Kaufleute am stärksten vertreten waren. Selbiges gilt für die Leiter der zwölf NSDAP-Ortsgruppen des Kreises Voitsberg. Die Arbeiterschaft, welche den größten Teil der Kreisbevölkerung ausmachte, war stark unterrepräsentiert. Diese für den Nationalsozialismus zu gewinnen, sollte zur Hauptaufgabe der NSDAP, in den ersten Jahren ihrer Herrschaft werden. Der größte Teil der Arbeiter war zwar noch immer sozialdemokratisch geprägt, stand dem Nationalsozialismus nach den langen Jahren des Ständestaats jedoch nicht von Anfang an ablehnend gegenüber. Viel mehr herrschte eine abwartende Haltung vor.

Weißensteiners Verhalten und zu einem Großteil auch jenes der restlichen lokalen NS- Führungsriege gegenüber der Bevölkerung des Kreises Voitsberg, war von einer Anpassung an die lokalen Verhältnisse geprägt. Von Anfang an versuchte er die Arbeiterschaft auf seine Seite zu ziehen. Bekannten Sozialdemokraten gegenüber verhielt er sich zurückhaltend, immer darauf bedacht Unruhe zu vermeiden, welche seine eigene Position hätten schwächen können. Sein besonderes Engagement für DAF und NSV zeigt, wie wichtig die Gewinnung der Arbeiterschaft für Weißensteiner war. Durch die rasche Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und die Einführung von Sozialleistungen gelang es den Nationalsozialisten schnell, weite Teile der Arbeiterschaft für sich zu gewinnen bzw. zumindest ruhig zu stellen.

Generell lässt sich sagen, dass die Stimmung in den Jahren 1938 und 1939 in den Industriegebieten des Kreises besser war als in den ländlichen Gegenden. Am Land war der starke Klerikalismus der Bevölkerung ein Hindernis für die Ausbreitung der NS-Ideologie. Außerdem kam es dort zu keinem vergleichbar starken wirtschaftlichen Aufschwung. Die beschriebene Stimmungslage sollte sich erst im Laufe des Krieges, bedingt durch die immer schlechter werdende Versorgungssituation der Arbeiterschaft, ändern. Am Land gab es die ganze Zeit der NS-Herrschaft über eine große Anzahl stark klerikal eingestellter Personen, die dem Nationalsozialismus, vor allem wegen dessen antikatholischer Einstellung, ablehnend gegenüberstanden. Die lokale NS-Führungsriege hatte im Kampf um die Autorität im Dorf vielerorts gegen den Pfarrer das Nachsehen. Allerdings gab es auch unter der Arbeiterschaft zahlreiche Personen, die sich von Anfang an nicht mit der NS-Herrschaft arrangierten.

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Kommunistische Aktivitäten gab es bereits in den ersten Monaten nach dem „Anschluss.“ Bis zu seiner brutalen Zerschlagung durch die Gestapo im Jahr 1941, gelang es dem kommunistischen Widerstand sich vor allem in den Bergbaugebieten des Kreises Voitsberg massiv auszubreiten. Durch die Hinrichtung von 9 Kommunisten und die Inhaftierung dutzender anderer, 27 von ihnen starben während ihrer Haft, wurde der Arbeiterwiderstand gebrochen und konnte sich bis zum Kriegsende nicht mehr in nennenswertem Ausmaß formieren. Im Gegensatz zum aktionistischen Widerstand der Kommunisten schlug den Nationalsozialisten von katholischer Seite passiver Widerstand entgegen. Dieser führte vor allem in den ländlichen Gegenden mit Fortdauer der NS-Herrschaft zu einem gewissen Machtverlust. Offen herausgefordert wurden die Nationalsozialisten von katholischer Seite nicht, jedoch führte der Pfarrer zusammen mit der klerikal eingestellten bäuerlichen Landbevölkerung oftmals so etwas wie einen Kleinkrieg gegen die lokale NS-Führungsriege. Die Repression gegenüber dem Klerus hielt sich verglichen mit jener gegen Kommunisten, Juden und ausländischen Arbeitern zwar aus taktischen Gründen in Grenzen, war aber dennoch deutlich spürbar.

Die jüdische Bevölkerung des Kreises Voitsberg wurde schnell vertrieben und um ihren Besitz gebracht. Daran wirkte auch die lokale NS-Führungsriege mit. Bereits im März 1938 druckte das Voitsberg-Köflacher Wochenblatt antisemitische Texte von nationalsozialistischen Kaufleuten aus dem Kreis Voitsberg ab. Aus erhalten gebliebenen Schreiben geht hervor, dass sich das Kreiswirtschaftsamt der NSDAP an der Durchführung von Arisierungen beteiligte. Nationalsozialisten aus dem Kreis bereicherten sich außerdem an jüdischem Eigentum. So erwarb der Hilfskassenobmann der Kreisleitung der NSDAP Grundstücke und Waldparzellen einer enteigneten und vertriebenen jüdischen Familie. Die im Kreis Voitsberg verbliebenen „jüdischen Mischlinge“ standen unter strenger Beobachtung und mussten zahlreiche Schikanen über sich ergehen lassen. Zwei Juden aus dem Kreis Voitsberg überlebten den Holocaust nicht.

Alles in allem lässt sich sagen, dass sich die Lage für die Nationalsozialisten vom „Anschluss“ bis zum Beginn des Zweiten Weltkriegs ständig verbesserte. Dazu trugen sicher der wirtschaftliche Aufschwung, der Aufbau einer sehr dichten Parteiorganisation und die damit verbundene allgegenwärtige Propaganda bei. Daher hielt sich auch die Repression, abgesehen von jener gegen die jüdische Bevölkerung, in Grenzen. Dies änderte sich mit dem Kriegsausbruch schlagartig. Wie auch in anderen Gebieten des Reiches war die Bevölkerung

323 des Kreises Voitsberg alles andere als begeistert vom Krieg. Zahlreiche Unmutsäußerungen wurden in den ersten Kriegstagen verzeichnet und streng bestraft. Die mit dem Krieg einsetzende Knappheit von Lebensmitteln und Materialien, die sich mit Ausnahme einiger Abweichungen ständig verschärfte, wirkte sich negativ auf die Stimmung der Kreisbevölkerung aus. Ein zentrales Element der NS-Propaganda, das immer wieder angeführte Versprechen die Lebenssituation der Menschen zu verbessern, konnte nun nicht mehr erfüllt werden. Damit schwanden auch die Sympathien für das NS-Regime. Dieser Umstand konnte durch die Erfolge der Wehrmacht zwischen 1939 und 1941 zwar noch ausgeglichen werden, wirkte sich mit den Rückschlägen des Jahres 1942 und den Niederlagen in den Jahren 1943-1945 jedoch immer fataler aus. Auf die stärker werdende Unzufriedenheit der Bevölkerung reagierte das NS-Regime mit stärker werdender Repression, die in vielen Fällen auch von der lokalen NS-Führungsriege ausging.

Der Krieg sorgte auch für zahlreiche Veränderungen innerhalb der Kreis-NSDAP, da vor allem jüngere Führungskräfte eingezogen wurden. Kreisleiter Weißensteiner meldete sich im April 1940 zur Waffen-SS, kehrte jedoch im November desselben Jahres wieder nach Voitsberg zurück. Ende 1941 rückte er erneut ein und nahm am Feldzug gegen die Sowjetunion teil. Nach seiner zweiten Einrückung zur Waffen-SS kehrte Weißensteiner nicht mehr nach Voitsberg zurück. Die NSDAP dankte ihm für die in Voitsberg geleistete Arbeit im Jänner 1943 mit der Beförderung zum Gauobmann der DAF. Wie Weißensteiner fielen auch andere jüngere Mitglieder der lokalen NS-Führungsriege oftmals komplett für den Dienst in der Kreispartei aus. Dies führte dazu, dass zahlreiche wichtige Positionen in der Hierarchie der Kreis-NSDAP an ältere Nationalsozialisten übergingen.

Die zahlreichen kriegsbedingten Einrückungen trugen auch dazu bei, dass die lokale NS- Führungsriege starken Fluktuationen unterworfen war. Dieser Umstand spiegelt sich auch auf der Ebene der Ortsgruppen wieder. Zwischen 1938 und 1945 gab es in den 12 NSDAP- Ortsgruppen insgesamt 36 Ortsgruppenleiter. Lediglich der Ortsgruppenleiter von Geistthal blieb die gesamte Zeit der NS-Herrschaft über auf seinem Posten. Vor Kriegsausbruch wurden nur vier Ortsgruppenleiter ausgetauscht. Danach wurden in mindestens zwölf Fällen Ortsgruppenleiter zur Wehrmacht einberufen bzw. zu anderen kriegsbedingten Aufgaben zur Organisation Todt oder in die Untersteiermark abkommandiert. Neben den Ortsgruppen war auch die Kreisleitung einer sehr starken, hauptsächlich kriegsbedingten Fluktuation

324 ausgesetzt. Im Falle der Kreisleitung ist allerdings anzumerken, dass es bereits vor Kriegsausbruch zu mehr Veränderungen als in den Ortsgruppen kam.

Dass die beschriebene Fluktuation nicht förderlich für das Funktionieren des NS-Systems vor Ort war, steht außer Frage. Weißensteiners Nachfolger Hubert Eissner hatte es dadurch beträchtlich schwerer in seiner Amtszeit. Jedoch hätte auch ein vollständiger Parteiapparat nichts an der sich verschlechternden Stimmung geändert, die spätestens ab Ende 1941, also zu dem Zeitpunkt als Eissner endgültig Kreisleiter wurde, im Kreis Voitsberg um sich griff. Die immer weiter steigende Anzahl an Verhaftungen war ein unübersehbares Zeichen für den zunehmenden Widerstand innerhalb der Bevölkerung. Wie stark organisiert dieser Widerstand war, zeigte sich bereits im Sommer 1941, als eine kommunistische Widerstandsorganisation die vorwiegend im Bergbaugebiet tätig war und über 200 Mitgliedern zählte zerschlagen wurde. Durch brutale Repression gelang es den Nationalsozialisten noch einmal den Arbeiterwiderstand einzudämmen. Dazu trug mit Sicherheit auch die Tatsache bei, dass immer mehr Arbeiter an die Front geschickt wurden. Ihre Plätze nahmen nun vorwiegend ausländische Arbeiter und Kriegsgefangene ein. Ihre Zahl steigerte sich rasch. Ende 1942 befanden sich bereits beinahe 3.000 ausländische Arbeiter im Kreisgebiet. Viele von ihnen leisteten aktiven oder passiven Widerstand, worauf das Regime mit harter Hand reagierte. Ab dem vierten Quartal 1941 wurden stets mehr ausländische Arbeiter angezeigt oder verhaftet als „einheimische“ Bürger.

Um den zahlreichen Fluchtversuchen Herr zu werden und um die Fremdarbeiter besser unter Kontrolle zu haben, wurde die Landwacht aufgestellt. Diese ab 1942, unter Mithilfe der lokalen NS-Führungsriege erfolgte Aufstellung, führte zu einer beträchtlichen Militarisierung des öffentlichen Lebens. Die Landwacht wurde im Laufe der Jahre flächendeckend aufgestellt und immer weiter aufgestockt. Zum Dienst konnte praktische jeder Mann verpflichtet werden. Dies führte dazu, dass nachdem zahlreichere jüngere Landwachtmänner zur Wehrmacht eingezogen wurden, in vielen Fällen Männer mit einem Alter von über 70 Jahren Dienst in ihr verrichteten. Trotz aller Unzulänglichkeiten schien die Landwacht als Repressionsinstrument im Kreis Voitsberg funktioniert zu haben, da kein Monat verging, in dem kein flüchtiger Arbeiter oder Kriegsgefangener von Landwachtmännern gestellt wurde.

Neben den Fluchten waren den Nationalsozialisten vor allem die engen Kontakte zwischen Ausländern und einheimischer Bevölkerung ein Dorn im Auge. Deshalb wurde zu Beginn des

325

Jahres 1943 die NSDAP zur Überwachung der Beziehungen zwischen Ausländern und „Einheimischen“ eingesetzt. Dabei kamen kreisweit 46 Überwacher zum Einsatz. Ihre Auswahl erfolgte durch die lokale NS-Führungsriege. In einigen Fällen waren die Überwacher gleichzeitig Kommandanten eines Landwachtpostens. In allen Fällen handelte es sich um NSDAP-Mitglieder. Der Überwachungseinsatz führte zwar dazu, dass die Zahl der Anzeigen wegen verbotenen Umgangs mit ausländischen Arbeitern oder Kriegsgefangenen anstieg, konnte besagten Umgang aber nicht verhindern. Vor allem auf dem Land entwickelten sich zunehmend freundschaftliche Beziehungen zwischen den Fremdarbeitern und den Bauern, bei denen diese eingesetzt waren. In vielen Fällen spielte auch der örtliche Pfarrer eine Rolle beim Aufbau guter Beziehungen zwischen landwirtschaftlichen Arbeitern aus dem Ausland und der einheimischen Bevölkerung. So kam es des Öfteren vor, dass trotz gegenteiliger Verordnungen ausländische Katholiken zusammen mit der Dorfbevölkerung die Sonntagsmesse besuchten.

Der sich verschlechternden Stimmung konnte die lokale NS-Führungsriege während der letzten Kriegsjahre nicht mehr viel entgegensetzen. Ab Mitte 1943 führten die schweren Rückschläge im Krieg sowie die immer schlechter werdende wirtschaftliche Lage, zu einer breiten Welle der Ernüchterung innerhalb der Bevölkerung des Kreises Voitsberg. Die Landratsberichte zeigen den Niedergang in der Stimmung der Bevölkerung sehr deutlich. Diese beurteilten die Lage immer pessimistischer. Über die sich verschlechternde Stimmung war sich auch die NS-Führungsriege, aufgrund der noch immer gut funktionierenden Überwachung der Bevölkerung durch Gendarmerie und NS-Sympathisanten, im Klaren. Hinzu kommt noch, dass die Motivation und der Einsatzwille der eigenen Parteimitglieder immer weiter schwanden. Allerdings gab es noch immer eine Vielzahl von lokalen NS- Führern, die weiterhin verbissen auf den Sieg setzten. Viele fühlten sich jedoch bereits persönlich bedroht. Dies geht aus den zahlreichen Ansuchen um die Ausstellung von Waffenpässen von NSDAP-Mitgliedern hervor. Kreisleiter Eissner versuchte mit seinen „Durchhaltereden“ die Bevölkerung bis zuletzt auf den Kriegseinsatz einzuschwören. Dabei spielte er auch bewusst mit der Angst der Bevölkerung und beschrieb Schreckensszenarien, wie die „Ausrottung alles deutschen Lebens“, im Falle einer Niederlage.

Als Leiter des Volkssturmes trug er außerdem dazu bei, dass auch im Kreis Voitsberg noch eine große Zahl von Menschen, überwiegend Jugendliche und Alte, an einem sinnlosen letzten Aufbäumen gegen die unausweichliche Niederlage des NS-Staates teilnehmen

326 mussten. Letztendlich waren Eissners Bemühungen größtenteils erfolglos. Es gelang ihm lediglich den Parteiapparat im Kreis einigermaßen funktionsfähig zu halten. Damit trug er seinen Teil dazu bei, die Kreisbevölkerung weiterhin unter Kontrolle des Regimes zu halten. Indirekt war er so auch für die Endphasenverbrechen, welche sich im Kreisgebiet ereigneten und denen noch in den letzten Tagen des Regimes ausländische Arbeiter, Deserteure und Juden zum Opfer fielen, verantwortlich.

Am 8. Mai 1945 ging auch für den Kreis Voitsberg die NS-Herrschaft zu Ende. Hubert Eissner, als Kreisleiter das Symbol dieser Herrschaft, versuchte nicht zu fliehen, sondern blieb in seinem Heimatort Köflach. Schließlich erreichten britische Truppen knapp vor den Einheiten der Sowjetarmee Köflach und verhafteten Eissner. Anton Weißensteiner flüchtete unmittelbar nach Kriegsende mit seinem Stab nach St. Georgen bei Murau. Dort wurde er ironischerweise von einem Gendarmen, der ihn aus seiner Zeit als Kreisleiter von Voitsberg kannte, festgenommen und an die britische Armee übergeben. Im Gegensatz zu DAF- Kreisobmann Kattnigg und Kreisbauernführer Lettmayer, welche von Sowjettruppen verschleppt wurden, blieben den britischen Gefangenen Eissner und Weißensteiner die schlimmsten Konsequenzen erspart. Die restliche lokale NS-Führungsriege kam beinahe ungeschoren davon. Bis auf einen Ortsgruppenleiter, der bei Kriegsende Selbstmord beging, zog sie es vor die Entnazifizierung über sich ergehen zu lassen und danach ihr Leben mit minimalen Konsequenzen weiterzuführen. Während ihrer Prozesse behaupteten die Mitglieder der lokalen NS-Führungsriege immer wieder, die negativen Folgen der NS-Herrschaft, einer Herrschaft, die sie selbst repräsentierten, vom Kreis abzuwenden versucht zu haben. Tatsächlich gibt es in einigen Fällen Belege für ein, meist taktisch motiviertes, milderndes Eingreifen in die NS-Politik. Dennoch besteht kein Zweifel daran, dass die NS-Herrschaft auch über den Kreis Voitsberg gewaltiges Leid gebracht hat.

Der Anteil, den die Nationalsozialisten vor Ort an den Verbrechen des Regimes hatten, wurde nach dem Krieg schnell vergessen oder verdrängt. Wichtiger war es, sowohl für die Öffentlichkeit, als auch für die beiden Großparteien SPÖ und ÖVP, spätestens ab 1949, die ehemaligen NSDAP-Mitglieder wieder in Politik und Gesellschaft einzubinden. Dennoch bleibt unbestritten, dass sich auch die Nationalsozialisten des Kreises Voitsberg, allen voran die lokale Führungsriege vom Ortsgruppenleiter und den Mitgliedern der Kreisleitung aufwärts, schwerer Vergehen schuldig gemacht haben. Ich hoffe, dass diese Arbeit dazu beiträgt, ihre Verantwortung vor ihren Opfern und vor der Geschichte zu verdeutlichen.

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Letztendlich bleibt als zentrale Erkenntnis der Arbeit festzustellen, dass die Nationalsozialisten in der Region und vor Ort die Basis für die gesamte NS-Herrschaft und ihre Auswirkungen bildeten. Ohne ihren Gehorsam, ihre Mitarbeit und ihre Eigeninitiative hätte das NS-System nicht funktioniert.

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11. Quellen- und Literaturverzeichnis

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12. Anhang

Abkürzungsverzeichnis a.D. außer Dienst Barch Bundesarchiv Berlin-Lichterfelde BDM Bund Deutscher Mädel BH Bezirkshauptmannschaft DAF Deutsche Arbeitsfront DRK Deutsches Rotes Kreuz EK Eisernes Kreuz Gestapo Geheime Staatspolizei HJ Hitlerjugend KP Kommunistische Partei KVG Kriegsverbrechergesetz KZ Konzentrationslager LGS Landesgericht für Strafsachen NSBDT Nationalsozialistischer Bund Deutscher Technik NSDAP Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei NSKOV Nationalsozialistische Kriegsopferversorgung NSLB Nationalsozialistischer Lehrerbund NSRB Nationalsozialistischer Rechtswahrerbund NSRKK Nationalsozialistische Reichskriegerkameradschaft NSV Nationalsozialistische Volkswohlfahrt ÖVP Österreichische Volkspartei OLG Oberlandesgericht OPG Oberstes Parteigericht PK Parteikorrespondenz RDB Reichsbund der Deutschen Beamten RM Reichsmark SA SD Sicherheitsdienst SDAP Sozialdemokratische Arbeiterpartei SPÖ Sozialdemokratische Partei Österreichs StLa Steiermärkisches Landesarchiv SS UK Unabkömmlich VG Verbotsgesetz VKW Voitsberg-Köflacher Wochenblatt VO Voitsberg VR Volksgericht

Bildnachweis Seite 89: Martin Amschl

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