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Blei, dann aus Zinn (Patent 1841[1]). Dies und Sachsen: revolutionierte die Malerei, wie Auguste Renoir dankbar resümierte: „Die Farb- tuben haben es uns ermöglicht, in freier Wie Metallbergbau und -nutzung Natur zu malen. Ohne sie hätte es weder einen Cézanne noch einen Monet gegeben, auch nicht den Impressionismus.“ [2] den Aufstieg der Regionen Doch nicht nur die Kunst profitierte: Die Idee der Tube griff dann u.a. der Dresdner Apotheker Ottomar Heinsius von Mayen- ermöglichten und bis in die burg (1865 -1932) auf, der 1907 seine Zahn- pasta Chlorodont in Tuben abfüllte, zuerst aus Zinn, später – zu jener Zeit ganz inno- Gegenwart positiv beeinflussen vativ – aus Aluminium, einem damals noch sehr jungen Metall [3, 4]. Diese Idee machte Teil 1 – Berggeschrey in Erzgebirge und Harz von Mayenburg reich, 1925 erwarb er das Schloss Eckberg, eines der drei berühmten Dresdner Elbschlösser. Kammer, C. (1) Übrigens: Sein Nachbar war der legen- däre Odol-König Karl August Lingner, Harz und Erzgebirge waren einst wichtige Regionen des Erzbergbaus und der Me- der Gründer des Deutschen Hygiene- tallgewinnung. Beide gehören daher zum Weltkulturerbe. Zwischen den Gebieten Museums in Dresden (1912). Und genau bestanden über die Jahrhunderte enge Beziehungen: Erfahrungsträger zogen zum dort, so gesehen auch an metallhistorisch jeweils erfolgreichsten Abbaugebiet, das je nach aktuellem Fundglück mal im Harz, bedeutsamer Stätte, versammelte sich im dann wieder im Erzgebirge lag. Metallurgie und Abbautechnik profitierten vonei- November 2019 die Kupferbranche zum nander, Erkenntnisse wurden ausgetauscht. Dies zeigt sich nicht zuletzt in den 16. Kupfersymposium. Gründungen von Bergakademien und Bergschulen, deren Gelehrte sowohl im Harz als auch im Erzgebirge von sich Reden machten. In drei Teilen wird METALL diese Harzer Bergbau mit langer Tradition Aspekte genauer untersuchen. Der erste Teil betrachtet in ausgewählten Beispielen das Montanwesen im Harz und in Sachsen sowie die durch gute und schlechte Doch woher kamen die Metalle? Sucht Zeiten verursachten Wanderungsbewegungen. man in Deutschland Antworten, stößt man sofort auf das Erzgebirge mit seiner Bergbautradition der Förderung unter- iel zu häufig stellt der Metall- heutige Elektronikzeitalter. Aber auch im schiedlichster Metalle: Silber, Blei, Zinn urge in Gesprächen enttäuscht Kleinen sorgten Metalle für Innovationen: (man denke an die Tube) und auch Kupfer. fest: Metalle werden in der So wurde beispielsweise der von Kunst- Nicht zu trennen aber ist der sächsische Öffentlichkeit oft gar nicht freunden hochgeschätzte Impressionis- Bergbau vom Harz, denn von dort kamen Vbemerkt, selbst dann nicht, wenn sie hin- mus erst dank der Metalltube möglich, die ersten Erfahrungsträger, die dem Mon- ter wahren Fortschritten standen. Dies ist die der amerikanische Maler John Goffe tanwesen des Erzgebirges die wichtigen im Großen der Fall, denkt man an Werk- Rand (1801–1873) aus Ärger über eintrock- Startimpulse gaben. Dies konnten sie, da zeuge, die industrielle Revolution oder das nende Farben entwickelt hatte, zuerst aus der Harzer Bergbau sehr viel älter ist als der des Erzgebirges. Bergwerke sowie die Verhüttung von Metallen gab im es Harz nachweislich seit dem 3. Jahrhundert n. Chr., beispielsweise in Düna unweit von Osterode. Verhüttet wurden hier Iberger Eisenerze [5], gefun- den wurden aber auch Schlacken und unverschmolzene kupferrreiche Erzstü- cke, deren Ursprung im Goslarer Ram- melsberg liegt. [6] Neuere Untersuchungen deuten sogar dar- auf hin, dass die Gewinnung von Erzen im Harz noch viel früher begann, vielleicht sogar 3.000 Jahre alt ist. [7, 8] Archäo- metallurgen diskutieren eine bronzezeit- liche Nutzung von Kleinstvorkommen im Mittel- und Unterharz (z.B. Odertal, Fotos und Grafiken: METALL Hohegeiß). Die Erze stammten aus heute Gliederung des Harzes nicht mehr nachweisbaren, da ausgeerzten,

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Heinrich IV. zur Sicherung der ergiebigen Silberminen mehrere Burgen rund um Goslar errichten [17a, 17b], z.B. die Harz- burg (1065 bis 1068). Auch im Oberharz wurden zum Ende des 12. Jahrhunderts bereits Erze gewonnen. Zu dieser Zeit entstand beim heutigen Zellerfeld das Kloster St. Marien. Reger Bergbau der Mönche auf dem Zellerfel- der Gangzug ließ Wohnhäuser und Hüt- tenplätze entstehen. Bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts entwickelte sich die Claus­ thaler Hochebene zum Zentrum eines ausgedehnten Montanbezirks. [5]

1. Berggeschrey: Vom Harz ins Erzgebirge

Die Kaiserpfalz zu Goslar, erbaut zwischen 1040 und 1050 Doch während das Harzer Montanwesen bereits im 10. und 11. Jahrhundert große Lagerstätten. Für das 7. Jahrhundert lassen Und der Rammelsberger Bergbau sollte Erfolge verzeichnete, war es im Erzgebirge sich über Holzkohlen- und Schlackenfun- sich für das Münzwesen lohnen: Wie rela- noch sehr ruhig. Hier startete der Bergbau de im Unterharz temporäre Siedlungen tiv sicher belegt ist, hat der Rammelsberg nach heutigen Kenntnissen erst im 12./13. nachweisen, die offensichtlich nur kurz bis zur Einstellung des Bergbaus im Jahr Jahrhundert mit einem „1. Berggeschrey“, mit dem Ziel der Erz- und Metallgewin- 1988 rund 1.800 t Silber geliefert. [6] Mit d.h. der sich schnell verbreitenden Kunde nung bewohnt wurden. [5, 6] 27 Mio. t Erz war der Rammelsberg eines von reichen Silberfunden. der größten Kupfer-, Blei- und Zinkerzla- Den Anfang nahm dies im Jahr 1168, als in 968: Die Silberadern sind eröffnet ger der Welt [15]. Christiansdorf das erste silberhaltige Erz Nach Ottos verheißungsvoller Ankündi- gefunden wurde – am sog. Schüppchen- Eine wirklich sichere Zeitmarke für den gung erfuhr der Bergbau am Rammelsberg berg, genau dort, wo der Münzbach, ein Harzer Bergbau ist das Jahr 968, das der einen starken Aufschwung. Bald folgte der Nebenfluss der Freiberger Mulde, einen bedeutende sächsische Geschichtsschrei- Übergang von Tagebau zum Tiefbau. Die Erzgang schneidet. [18] 1653 berichtete ber Widukind von Corvey (um 925 oder Goslarer Kaiserpfalz, errichtet zwischen Andreas Möller, Konrektor der Latein- 933/35 bis 973) in seiner „Sachsengeschich- 1040 und 1050 unter Heinrich III., ist Zeu- schule, mit Bezug auf Georgius Agricola, te“, der „Res gestae Saxonicae“ erwähnt. ge jener Tage. [16] dass es Goslarer Fuhrleute waren, die in Hier heißt es, Otto der Große (912 bis 973) Der Silbersegen weckte freilich Begehr- einem Wagengleis silberglänzendes Erz habe „im Sachsenland Silberadern eröff- lichkeiten und so ließ der folgende Kaiser fanden. Sie hatten Erfahrung mit Erzen net“ („in Saxonia venas argenti aperuit“). [9, 10, 11, 12] Gemeint war der Goslarer Rammelsberg, gelegen im heutigen Niedersachsen, dem damaligen, eigentlichen Herzogtum Sach- sen. (Hinweis: Im Laufe der Jahrhunderte verschob sich der Name Sachsen in das Gebiet des heutigen Freistaats. Festzu- halten ist aber, dass das heutige Sachsen mit dem historischen, niederdeutschen Volk der Sachsen bis auf den Namen keine Gemeinsamkeit hat. [13]) Der frühe Harzer Bergbau hatte vor allem Kupfer im Fokus, nun aber galt das wirt- schaftliche Interesse dem seit der Karo­ lingischen Münzreform sehr begehrten Silber. Daher kam das Goslarer Silber genau zur rechten Zeit: In seinem Edikt hatte Karl der Große um 793/794 eine rei- ne Silberwährung eingeführt, was bedeu- tete, dass das in Europa eher knappe Gold durch das nördlich der Alpen weitaus häu- figere Silber ersetzt wurde. [14] Das Erzgebirge mit seinen bedeutenden Orten des Bergbaus

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und Metallen, denn sie brachten Blei nach Böhmen. Ihr Fund erinnerte sie an das Goslarer Erz und so nahmen sie eine Pro- be mit in den Harz. Die Untersuchung in Goslar ergab, dass der Silbergehalt noch viel höher war als in Goslar. [19] Christiansdorf selbst war eines von 26 sogenannten Waldhufendörfern, die Markgraf Otto von Meißen zwischen 1156 und 1162 auf einem von Urwald bewach- senen Gebiet zwischen Mulde und Großer Striegis anlegen ließ. 1162 wurde dieses Gebiet dem Zisterzienserorden übereig- net, doch angesichts der Silberfunde löste der Markgraf ein 41 km2 großes Stück aus dem Klosterbesitz wieder heraus. Genau darin fanden sich die wichtigsten Silber- erzgänge des Reviers. Zudem wurde die Bergbau­freiheit erlassen: „Wo eyn man ercz suchen will, das mag er thun mit rech- Blick auf die Übertageanlagen des Erzbergwerks Rammelsberg te“. Dies besagte, dass ein jeder nach Silber suchen durfte, das zu jener Zeit einfach in Doch in genau jenem Zeitfenster suchte des Ratstiefsten Stollens aufgrund vieler geringen Tiefen zu finden war. das Erzgebirge nach Fachleuten. Und hier Tretungen ersoffen und es gelang rund Silbergräberstimmung herrschte, Scha- waren die Harzer Bergleute als Erfah- 100 Jahre nicht, diese Tiefbaue wieder zu ren von Menschen wurden angezogen. rungsträger sehr gefragt. Sie hatten vieles entwässern. Diese Zeit sah nur spärlichen Bergleute, auch und gerade aus Goslar, gelernt, denn gerade das Rammelsberger Nachlesebergbau. wurden vom Markgrafen angeworben Lager hatte ihnen Einiges abverlangt. Der Dennoch: Der große Erzreichtum lockte und siedelten sich an. Bei dem bis an die anfängliche regellose Rammelsberger noch immer, weitere Anstrengungen folg- Oberfläche reichenden Erzgang entstand Abbau (im 13. Jahrhundert vermutlich ten. 1456 konnten auf Initiative des Gos- eine Bergmannssiedlung, die nach ihren in mehr als 100 Einzelgruben) ähnelte larer Rates abgesoffene Stollen mit einer Harzer Bewohnern civitas saxonum, d.h. dem, was man heute „als Rosinen aus dem neuen Wasserhebemaschine, der sog. „Sächsstadt“ genannt wurde. Gemeint Kuchen picken“ bezeichnen würde. Das Heinzenkunst, wieder wasserfrei gehalten waren damit die Goslarer Berg- und Hüt- Gebirge war instabil geworden, die Fol- werden. [5, 6] Der Bergbau blühte nun wie- tenleute aus dem Herzogtum Sachsen. ge waren Einstürze (sog. Tretungen) und der und Goslar wurde jetzt richtig reich. Später folgten Handwerker und Kaufleu- Wasserzutritte. Daher kannten die Harzer Ab 1500 folgte der Hauptaufschwung für te. Der Marktverkehr begann, 1186 wurde spezielle Techniken des Abbaus und der den Rammelsberg: Zeitweilig wurden die Stadt Freiberg gegründet. Das Freiber- Wasserhaltung. Hinsichtlich der Entwäs- jährlich über 30.000 t Erz gefördert, eine ger Bergrecht wurde von vielen europä- serung in größerer Tiefe hatte man in Gos- Menge, die erst nach 1870 wieder erreicht ischen Bergrevieren übernommen. [20, lar beispielsweise bereits im Jahr 1150 mit wurde. [12] Noch heute finden sich in Gos- 21, 22] dem Anlegen des Rathstiefsten Stollens lars spätmittelalterlichem Stadtbild viele eine Lösung gefunden, die technologisch Zeugen des damit einhergehenden Wohl- Erfahrungsträger aus dem Harz bemerkenswert war: Auf einen Kilometer stands mit Bauwerken wie dem Rathaus, Länge aufgefahren brachte der Stollen eine den Gildehäusern, der Stadtbefestigung Warum aber ließen sich Bergleute aus dem Tiefe von 35 m unter der Talsohle. [6]. sowie prächtigen Kirchen. Harz abwerben? In der Phase des ersten Doch genau daraus erwuchsen neue Prob- sächsischen Berggeschreys lag der Grund Gute Gründe, den Harz zu verlassen leme: Der große Reichtum Goslars weckte sicher darin, dass der Harz in genau die- die Aufmerksamkeit des Braunschweigi- ser Zeit wenig erfolgreich war. 1181 war Und auch später gab es immer wieder schen Herzoghauses, wo man sich an die der Erzabbau am Rammelsberg aufgrund gute Gründe, den Harz zu verlassen. Besitzverhältnisse rund um den Rammels- von Auseinandersetzungen zwischen Kai- So kam es im 14. Jahrhundert zu einem berg erinnerte. ser Friedrich Barbarossa und Heinrich deutlichen Niedergang des Bergbaus am Der Hintergrund: Bergbauerträge standen dem Löwen sogar eingestellt worden. Der Rammelsberg. Gründe gab es viele, wie eigentlich dem jeweiligen Landesherrn zu, Grund: Für seine Hilfe im Kampf gegen z.B. technische Probleme mit wiederhol- in diesem Fall also dem Braunschweiger den lombardischen Städtebund forderte ten Zusammenbrüchen der Abbauräume, Herzogshaus. Dieses hatte das Rammels- der Löwe die Stadt Goslar mit ihren rei- der Entwässerung und der Bewetterung. berger Bergregal 1235 nach Aussöhnung chen Silberminen, was Barbarossa jedoch Weitere Probleme traten auf: Das Holz mit dem Staufer Friedrich II erhalten, es verwehrte. Daraufhin waren auf Hein- wurde knapp. Hinzu kam die Pestepide- jedoch dann aber pfandweise nach Gos- richs Befehl Hütten und Gruben zerstört mie ab ca. 1347/48, die im Harz wütete lar übertragen – allerdings mit Vorbe- worden. Der Bergbau kam bis 1209 zum und das Gebiet nahezu entvölkerte. [23] halt eines Rückkaufrechts. [12, 15] Diese Erliegen. [12] Ab 1360 waren gar die Baue unterhalb Pfandschaft wurde nun in den Jahren 1525

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Silber und Zinn im Fokus

Doch wie sah es nun im Erzgebirge aus? Die Harzer Bergleute der Freibergischen „Sächsstadt“ waren äußerst erfolgreich: Silber machte auch Freiberg reich und ein Schutz der Erzgruben wurde notwendig. Markgraf Otto (um 1115 bis 1190) ließ zwischen 1171 und 1175 eine Burg errich- ten, die die Bergverwaltung und auch die landesherrliche Münze beherbergte. Heute findet sich dort das Schloss Freu- denstein mit seiner einzigartigen Mine- raliensammlung. Die Kirche St. Marien entstand an der Stelle, an der später der Freiberger Dom gebaut wurde. [20, 22, 29] Zudem begann man, wahrscheinlich noch unter Markgraf Otto, d.h. noch vor Blick auf das Stadtzentrum von Freiberg 1190, die Stadt mit einer mehrere Meter hohen Mauer zu sichern, die 2.700 Meter bis 1527 von Herzog Heinrich dem Jünge- larer Hütten in seinen Besitz gelangten. lang wurde und 39 Türme sowie fünf Tore ren durch Rückzahlung der Pfandgelder [24, 26, 27, 28] umfasste. [30] – exakt waren es 24.663 Gulden – gekün- Verständlich ist, dass so manch ein Berg- Interessant ist aber auch, dass im Erzgebir- digt, ein für Goslar gänzlich unerwarteter und Hüttenmann angesichts solcher Unsi- ge in der ersten Berggeschreyphase nicht Schritt. [24] Der Herzog konnte sich das cherheiten dem Ruf nach Sachsen folgte, nur Silbererze abgebaut wurden. Begehr- jetzt leisten, denn durch den Erfolg in der wo gerade ein zweites Berggeschrey ange- lichkeiten weckte auch das Zinnerz, das Hildesheimer Stiftsfehde (1519 – 1523) war hoben hatte. z.B. seit 1241 in Graupen (heute Krupka in Geld in seine Kasse gekommen. [25] Und auch im Oberharzer Revier gab es Tschechien), Seiffen („Czyn sifen“) sowie Mit Goslar hatte der Herzog kein Erbarmen immer wieder Gründe, dieses zu verlas- Ehrenfriedersdorf (seit Übergang 12./13. und setzte seine Forderungen hinsichtlich sen: Um 1350 kam zum fast vollständi- Jh.) abgebaut wurde. Der Bergbau prägte Rammelsberg und Forsten rücksichtslos gen Erliegen des Bergbaus mit ähnlichen sogar den Ortsnamen des heutigen Spiel- durch. Die Gruben wurden geschlossen Gründen: Erschöpfung der Erzgänge, zeugdorfs Seiffen, wo zunächst ab dem und der Metalltransport unterbunden. technische Probleme, Wasserhaltung in 13. Jahrhundert sedimentär abgelagerte Die Schmelzhütten mussten schließen, den Gruben und der Pest. Auch hier soll- Zinnerze – eben jene Seifen, d.h. sekun- die rohen und gerösteten Erze verwitter- ten noch 150 Jahre vergehen, bis neue Erz- däre Anreicherungen erzhaltiger Verwit- ten im Folgejahr auf den dortigen Höfen. reviere bei Grund oder St. Andreasberg terungsgesteine, aus dem Fluss abgebaut Berichtet wird, dass in jener Zeit bis zu 300 erschlossen wurden, die dann aber eine bis wurden. Die Gerölle des Seiffenbaches arbeitslose Bergleute abwanderten. in die Neuzeit anhaltende Bergbauperiode wurden ausgewaschen, wobei die leichten Es folgte ein jahrzehntelanger Klein- begründeten. [5] erdigen Anteile weggespült, die schweren krieg, die Stadt verlangte Schadensersatz, der Herzog hingegen stoppte die Holz- zufuhr für Erzabbau und Verhüttung. Erst 1530 wurden Berg- und Hüttenwer- ke unter Zwangsverwaltung wieder in Betrieb genommen. In die Auseinander- setzungen mischten sich zudem religiö- se Belange, denn der Herzog versuchte, das Übergreifen der Reformation zu verhindern. Zunächst verzeichnete die Stadt noch einige Erfolge, doch als 1547 der protestantische Schmalkaldische Bund der kaiserlich-katholischen Par- tei unterlag, war Goslar schutzlos. 1552 kam es zum Riechenberger Vertrag, der der Stadt große Opfer abverlangte: Der Bergbau am Rammelsberg stand nun komplett unter der Kontrolle des Her- zogs. Er hatte zudem ein Vorkaufsrecht an den ausgeschmolzenen Metallen, was dazu führte, dass bis 1575 auch alle Gos- Übertageanlagen der Grube „Alte Elisabeth“ in Freiberg

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gemacht: Die Grube St. Georg offenbarte besondere beim Kupfer auf Konkurrenz eine Silbererzmasse, die eine jährliche Pro- durch neue Produzenten aus der Slowakei duktion von rund 14 t erlaubte! Diese Zahl und Schweden. zeigt eindrucksvoll, wie reich die dortigen Silbererze gewesen sein müssen. [33, 35] Derartige Anreicherungen größerer Sil- bererzmassen, sog. „Erzfälle“, sind selten. Sie finden sich vor allem an den Kreuzun- gen verschiedener Erzgänge. In Schneeberg sollen es sogar 12 Silbererzgänge gewesen sein, die sich trafen – ein wahres Wunder aus damaliger und auch aus heutiger Sicht. Die Dimensionen verdeutlicht ein – leider im Original verschollener Bericht – des Smalte, Produkt aus Kobalt für blauen Nürnberger Großgewerken Niklas Staude. Farbstoff Er schildert darin, dass Herzog Albrecht der Beherzte (1443 – 1500) im Jahr 1477 in Der Bergkobold und die blaue Farbe die Grube eingefahren sein und untertage an einer zum Tisch umfunktionierten Sil- Bemerkenswert aber ist: In diesem Revier Gediegenes Silber auf Calcit, Grube Alte Hoffnung berstufe mit den Maßen 2 x 2 x 1 m getafelt entstanden die Elementnamen Gottes, Kleinvoigtsberg, Sachsen, Sammlung Pohl- haben soll. Ob sich diese Begebenheit so (um 1450) und Kobalt (vor 1500, für das Ströher, im Krügerhaus Freiberg zugetragen hat, ist unklar. Sicher aber ist, vom Bergkobold verhexte Kobolderz). dass es bemerkenswerte, kiloschwere Sil- Wismut hat seinen Namen von der angeb- Zinnsteinkörner (die „Graupen“) hingegen berstufen gab. Dies beweisen heute noch lich ersten Mutung in der Zeche St. Geor- zurückgehalten wurden. Berühmt wurde zwei spektakuläre Stufen jener Tage, die gen in der Wiesen bei Schneeberg. [35, 36, der Seiffener „Zinnstock“, der sich mit ihren Weg in den mineralogischen Samm- 37, 38] Das Metall galt als das „Dach des Zinngehalten um 1,4 % etwa 100 m östlich lungen des Museums für Mineralogie und Silbers“, erschien dort jedoch nicht in rei- der berühmten Seiffener Kirche auf einer Geologie Dresden gefunden haben. [34]. ner Form. Gefunden wurde vielmehr ein Fläche von etwa neun Hektar bis in eine Zwischen 1470 und 1483 erbrachten drei Wismut-Kobalt--Erz, aus dem sich Tiefe von rund 30 m erstreckte. [31, 32, 35] Schneeberger Minen auf recht kleinem Wismut relativ leicht ausschmelzen ließ. Ab Anfang des 14. Jahrhunderts erlebte Raum 70,6 Tonnen Silber. Die Ansiedlung Genutzt wurde das Metall als Legierung aber auch das Erzgebirge einen Nieder- wurde reich und erhielt 1481 Bergfreiheit mit Zinn und Blei im Letternmetall. gang des Montanwesens. Ursachen gab sowie Stadtrecht [33, 35]. Die Reste des Ausschmelzverfahrens, sog. es viele, wie Kriege, Machtkämpfe, Stadt- Doch bereits ab 1487 gab es einen Rück- Wismut-Graupen, waren stark kobalthal- brände, die Pest, aber auch den sinkenden gang, denn größere Tiefen mussten auf- tig. Um 1520 wurde daraus ein Rohstoff Silberpreis bei gleichzeitig geringerem Sil- gefahren werden und brachten Probleme zur Blaufarbenherstellung entwickelt, bergehalt der Erze. Größere Tiefen muss- mit der Wasserhaltung. Zudem nahmen das erste blaue Glas gab es 1535. Später ten aufgefahren werden, der Aufwand für die Silbergehalte ab. Doch eine erste Ret- wurde dieses blaue Glas, sog. Smalte, in den Bergbau stieg, es gab Probleme mit der tung für das Schneeberger Revier kam in Farbmühlen pulverisiert und als Lasur Wasserhaltung. Zudem zeigten sich die Form eines spektakulären Kupfergangs verkauft. Vor dem Hintergrund der sehr Erze komplexer, in der Folge wurden Auf- am Fuße des Schneebergs. Hier zeigten hochwertigen Schneeberger Kobalterze bereitung und Verhüttung aufwendiger. sich Mächtigkeiten von ein bis vier Meter entstanden Glashütten und Blaufarben- Dies belegen auch die Produktionszahlen in einem 600 Meter langen Kernbereich, mühlen. Langfristig gesichert wurde das jener Tage für das Freiberger Revier: Wur- wobei das Erz zudem noch mit hohem Schneeberger Revier letztlich mit der den Anfang des 14 Jh. 2,5 Tonnen Silber Silbergehalt punktete. Die Förderung in Errichtung von vier Blaufarbenwerken in jährlich gewonnen, waren es Mitte des 15. den besten Jahren zwischen 1485 und den Jahren 1635 bis 1649, u.a. in Nieder- Jahrhunderts nur noch 0,16 Tonnen jähr- 1510 war beachtlich, eine Jahresprodukti- pfannenstiel bei Aue. [33, 35] lich. [29] on von über 1.000 Zentner Kupfer gilt als wahrscheinlich. Verkauft wurde das sog. Annaberg: große, bedeutende Schneeberg – Ein „zweites Oberschlemaer Kupfer z.B. an die Seiger- Bergstadt im Erzgebirge Berggeschrey“ hütte der Semmlers nach Thüringen, die zudem an einer Messinghütte beteiligt Doch zurück an das Ende des 15. Jahrhun- Doch bald ging es im Erzgebirge wieder waren. Goldglänzende Messingprodukte derts: Das zweite Berggeschrey führte nicht aufwärts und das mit neuen Rekorden: jener Tage wurden bis ins westafrikanische nur zur Gründung von Schneeberg. Wei- 1470 wurde ein Silbergang in der „Rechten Benin verkauft. [33, 35] tere bedeutende Bergstädte folgten, unter Fundgrube“ bei Schneeberg im Erzgebirge Das Schneeberger Revier erlebte in der denen Annaberg (heute Annaberg-Buch- angeschlagen und bereits zwei Jahre spä- Folge gute und schlechte Zeiten, zurück- holz) eine besondere Stellung erreichen ter erreichte diese Grube ein Silberaus- zuführen auf ärmere Erze, größere Tiefen, sollte. Die Geschichte des ersten reichen bringen von 6,8 t. 1477 schließlich wurde Überflutungen und Zerstörung der Über- Silberfundes erzählt der Annaberger Berg- der „Große Silberfund von Schneeberg“ tageanlagen durch Starkregen und ins- altar im Gemälde von Hans Hesse rund um

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die Befreiung von bestimmten Steuern und vom Militärdienst, die Freiheit von Herrendiensten, eine Erlaubnis zur Jagd und zum Fischfang sowie freien Bezug des Bau- und Brennholzes. Ganz gezielt wur- den nun wieder Bergleute aus dem Erz- gebirge angeworben und dies mit Erfolg: Die legendären sieben Oberharzer Berg- städte entstanden mit nahezu identischer Geschichte: Clausthal, Zellerfeld, Sankt Andreasberg, Wildemann, Lautenthal, Grund und Altenau. [43] 1 In Sankt Andreasberg gab es wahr- scheinlich schon im 12. Jahrhundert bergbauliche Aktivitäten, diese ende- ten aber mit der Pest in der Mitte des 14. Jahrhunderts. Doch 1520 weckten Silberfunde neue Hoffnungen. Schon Die sieben Oberharzer Bergstädte ein Jahr später erließen die den Südharz dominierenden Grafen von Hohnstein die Sagengestalt Daniel Knappe. [39] His- Das Ende des Bergbaus brachten hier der die Bergfreiheit. Ein Aufruf, in Sankt toriker hingegen schreiben den Silberfund Dreißigjährige Krieg und die immer auf- Andreasberg nach Silber und anderen Kaspar Niezelt zu, einem armen Bergmann wändigere Förderung aus größeren Tiefen Metallen zu schürfen, erging an das aus Fronau (nahe Annaberg). Dieser fand [32]. Mansfelder Land und an das Erzgebir- 1491 in einer Verwitterungszone an den Weitere bedeutende Bergstädte entstanden ge. Doch ohne Erfolg, die erwünschten Hängen des Schreckenberges bei Annaberg parallel bzw. in den Folgejahren, u.a. Mari- Bergleute kamen nicht. Dies verwun- ein zunächst eher armes Erz, das jedoch enberg (1521, Ag, Sn, Cu) und Schwarzen- dert wenig, denn wie gezeigt, war das Hoffnung auf mehr machte. Nach dreiein- berg (Bergstadt um 1500, Fe, Sn, Cu, Ag), Erzgebirge in dieser Zeit recht ergiebig. halb Monaten fleißiger Arbeit wurden tat- Oberwiesenthal (1527, Ag, Fe, Pb, Co, Cu), Daher erweiterten die Grafen die Berg- sächlich schmelzbare Silbererze gefunden. Geyer (1467, Sn, Ag, Cu), Scheibenberg freiheiten nochmals im Jahr 1527 um Bereits im ersten Jahr soll die Lagerstätte (1522, Ag, Cu, Co, Ni, Fe), Buchholz (1501, weitere Privililegien und hatten nun 69 kg reines Silber geliefert haben. [35, 40, Cu, Ag, Sn, Co) sowie Jachymov (St. Joa­ endlich Glück. Bereits 1535 arbeiteten 41, 42] chimsthal in Böhmen). [32] in 116 Gruben etwa 800 Bergleute und Dieser Erfolg machte schnell die Run- Diese Siedlungen erhielten bereits bei ihrer Sankt Andreasberg erhielt die Stadt- de und nun setzte hier auch ein starker Grundsteinlegung Stadt- und Bergrechte. rechte. 1575 erzeugte die junge Stadt Zustrom von Menschen ein. Bereits 1496 Und auch Freiberg profitierte vom neuen in der eigenen Silberhütte bereits 1,6 t wurde durch den sächsischen Landesherrn Berggeschrey, das Innovationen in der reines Silber. Das Revier erlebte in der Georg der Bärtige (1471-1539) die „Neu- Technik mit sich brachte. Größere Tiefen Folgezeit Höhen und Tiefen hinsicht- stadt beim Schreckenberg“ gegründet, konnten aufgefahren werden, zudem setzte lich der Erz- und Metallausbeute, aber basierend auf einem Grundriss, den der der Bergbau in Brand (heute Brand-Erbis- dennoch gewann man in 400 Jahren Universalgelehrte Ulrich Rülein von Calw dorf) ein. [29] 313 t Silber. [5, 43, 44a, 44b, 45] entwarf. 1501 erhielt die Stadt den Namen In diesen Jahren, es war die Zeit des Geor- 2/3 Im Verhältnis zum Clausthal-Zeller- St. Annaberg, um so die „Erzmacherin“ St. gius Agricola, strömten viele Bergleute ins felder Revier ist diese Menge dennoch Anna zu ehren, die für den großen Berg- silberne Erzgebirge – insbesondere wiede- wenig: Hier förderte man die gleiche segen sorgte. Zwischen 1496 und 1582 rum aus dem Harz. Menge zu Beginn des 20. Jahrhunderts gab es rund um Annaberg 615 Gruben, in in etwa 20 Jahren. Clausthal selbst denen Schätzungen zufolge 2.000 Bergleu- Die sieben Harzer Bergstädte wurde 1554 zur „Freien Bergstadt“ te arbeiteten. Bis zum Ende der Blütezeit erhoben, Zellerfeld erhielt 1529 die des Annaberger Bergbaus im Jahr 1600 lag Doch man konnte durchaus auch im Stadtrechte. Auch im Bereich des heu- das Silberausbringen im Revier rund bei Harz in jener Zeit sein Glück machen, tigen Clausthal-Zellerfeld gibt es, wie 287 t, im Rekordjahr 1537 wurden rund denn hier hatten sich zwischenzeitlich bereits erwähnt, Belege für einen frü- 14 t Silber gefördert. neue Entwicklungen ergeben, speziell im hen Bergbau, der jedoch 1348 mit der Die prosperierende Bergstadt Annaberg Oberharz. Nach der Pestepidemie von Pest endete. Eine zweite Besiedelung prägte das Montanwesen Deutschlands 1348 bis 1350 war der Harz fast 200 Jahre startete Anfang des 16. Jahrhunderts nachhaltig: Die „Schreckenberger Berg- lang weitgehend unbesiedelt. Doch im 16. mit dem Erlass von Bergfreiheiten ordnung“ war 1499 die erste gedruckte Jahrhundert kam die Montanindustrie im durch die braunschweigischen Herzö- Bergordnung Deutschlands. 1507 erschien Harz zu neuer Blüte. Die hier ansässigen ge. Zellerfeld erhielt die Bergfreiheit eine zweite Ausgabe, die prägend für die Fürsten entdeckten den Bergbau wieder 1532, Clausthal 1554. Sehr schnell Berggesetzgebung in vielen nord- und neu und erließen Bergfreiheiten. Damit ging es hier aufwärts, so dass um 1600 westdeutschen Territorien wurde. [41] verbundene Privilegien beinhalteten z.B. bereits 55 Gruben förderten. [46]

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Eine Sprachinsel im Oberharz

Die sächsischen Einwanderer aus dem Erzgebirge prägten die Oberharzer Region nachhaltig, was noch heute nachklingt. Der Oberharz wurde Sprachinsel des Erz- gebirgischen, das noch heute als das „Ewer- harzerische“ präsent ist. Vieles erinnert in der Sprache an das Erzgebirgische. Jedoch gilt der Oberharzer Dialekt nicht als reine erzgebirgische Mundart, sondern als ein Konglomerat aus mehreren Sprachen. [52, 53] Ein Erzgebirgler dürfte jedoch keine Schwierigkeiten haben, die Worte zu ver- stehen, wie „nochemol, Haisel, middel- damank, Nommiddohch“ (noch einmal, Haus, dazwischen, Nachmittag). Auch die mitgebrachten Volksbräuche sind für Niedersachsen eher ungewöhnlich: So Blick auf das Zentrum und das Hauptgebäude der Technischen Universität in Clausthal- feiert der Oberharz heute noch den Johan- Zellerfeld mit der Marktkirche nistag am 24. Juni mit dem Tanz um den Johannisbaum. Der Johannisbaum ist eine 4 Aufgrund der größeren Bedeutung leuten aus dem Erzgebirge. 1617 wurde in die Erde eingelassene circa fünf Meter wurde 1549 das Bergamt vom 1529 Altenau zur Stadt erhoben. [49a, 49 b] hohe Fichte, die mit Blumen und Eierket- gegründeten und damit eigentlich 7 Die Bergstadt Grund (heute Bad ten (Fruchtbarkeitssymbol) geschmückt älteren Wildemann nach Zellerfeld Grund) gilt mit einer urkundlichen wird. Da dies auch in den Bergstädten verlegt. Auch in Wildemann waren Erwähnung von 1317 als die älteste der des Erzgebirges üblich ist/war, wird ange- Bergleute aus dem Erzgebirge die sieben Oberharzer Bergstädte. Bereits nommen, dass die aus dem Erzgebirge Stadtgründer, hier im Auftrag der 1450 wurden Erze abgebaut und ver- eingewanderten Bergmannsfamilien die- Welfenherzöge. Der Sage nach wur- hüttet, Grund genug, für Herzog Hein- sen Brauch im 16. Jahrhundert mit in den de hier Silber an der Stelle gefunden, rich den Jüngeren, dem Ort 1524 die Oberharz gebracht haben. [54, 55] an der kurz zuvor ein „wilder Mann“ Bergfreiheit zu verleihen. Gefördert gefangen worden war. 1533 wurde wurden bis 1885 auch Eisenerze. Die Herausforderungen nach dem erstmals Silber erzeugt, der Berg- Gewinnung von Silber, Blei, Kupfer Dreißigjährigen Krieg bau wurde daraufhin erweitert. Die und Schwerspat dauerte sogar bis 1992. Siedlung wuchs und kam 1553 in den [50, 51] Für alle genannten Reviere sowohl im Genuss der Bergfreiheit. [47] Harz [56] als auch im Erzgebirge brach- 5 Lautenthal hat eine ähnliche Geschich- Silber für sieben Milliarden Euro aus te der Dreißigjährige Krieg (1618 – 1648) te: 1225 wurden bereits Silber-, Kupfer- dem Harz deutliche Einschnitte. Vielfach kamen und Bleierze abgebaut, jedoch unter- Erzgewinnung und Metallverhüttung zum brach auch hier die Pest 1348/50 den Es ist beachtlich: Der Oberharz wurde ab Erliegen, Bergbauanlagen wurden zer- Abbau für 200 Jahre. Herzog Heinrich dieser Zeit eines der wichtigsten Erzre- stört. In Freiberg beispielsweise halbierte der Jüngere von Braunschweig-Wol- viere in Deutschland. Vorrangig wurden sich die Einwohnerzahl. Während die fenbüttel startete ab 1524 den Bergbau Eisen, Blei, Kupfer und Silber gefördert. Schweden Freiberg belagerten, verteidig- wieder neu, wiederum mit Bergleuten Vom 16. bis 19. Jahrhundert kamen ca. 40 ten auch Bergleute die Stadtmauern und aus dem Erzgebirge. Die Gründung bis 50 % des in Deutschland geförderten waren dabei recht clever: Untertage wur- der Bergmannssiedlung Lautenthal Silbers aus dem Oberharz. [43] Insgesamt den Nachrichten aus der belagerten Stadt wird auf das Jahr 1538 datiert, das förderte man 7.500 t Silber, 2.000.000 t Blei, übermittelt. [29] Stadtrecht folgte 1580. Bergwerke in 1.500.000 t Zink sowie bedeutende Men- Allmählich konnte sich das Montanwe- Hahnenklee und Bockswiese wurden gen an Kupfer und Eisen. Die 7.500 t Silber sen nach dem Krieg wieder erholen, diese von Lau­tenthal aus wieder erschlossen. hätten nach heutigen Weltmarktpreisen Phase dauerte bis ca. 1700. Im Freiber- Und es kam noch besser: Der Berg- einen Wert von mehr als 7 Mrd. Euro. [5] ger Revier gewann vor allem der Raum mann Kaspar Bitter entdeckte noch Fallende Weltmarktpreise und die zuneh- Halsbrücke an Bedeutung. Obwohl man, Eisenerze, um 1750 wurden zudem mende Erschöpfung der Erzlager führten ganz innovativ, bereits 1643 im Freiberger reichhaltige Silbererzfunde gemacht. ab der zweiten Hälfte des 19.Jh. bis 1930 zur Revier das Schießen untertage anstelle von [48] Schließung fast aller Gruben. 1992 wurde Vortrieb mit Schlägel und Eisen einführ- 6 Fast genauso war es in Altenau: 1227 die Grube „Hilfe Gottes“ Bad Grund als te, erreichte man die Vorkriegsprodukti- wird bereits der Bergbau erwähnt, letztes Harzer Bergwerk und auch als letz- on nicht wieder. Die Herausforderungen 1580 entstand ein neuer Bergflecken tes Erzbergwerk in Deutschland überhaupt für den Bergbau wurden immer größer, mit 20 Häusern, gegründet von Berg- geschlossen. [5] umfangreiches Wissen und neue Techno-

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dorte, bode-Verlag, Edition Krüger-Stiftung, [31] Seiffen/Erzgeb. https://de.wikipedia.org/ logien wurden gefragt. Damit begann die 2015 wiki/Seiffen/Erzgeb., Abruf 30.12.2019 [6] Ließman, W.: Historischer Bergbau im Harz, [32] Hermann, Robin. Sächsischer Erzbergbau: Zeit der Bergakademien und Bergschulen, 3. Aufl., Springer Verlag 2010 Bergstädte und Sachzeugen des Altbergbaus zunächst mit der Gründung einer Stipendi- [7] Christian Barsch: Bergbau prägt den Harz, Verlag Robin Hermann. “Bergbau ist nicht eines Mannes Sache!”; htt- [33] Lahl, B.: Von 1470 bis 1956: Der Schneeberg- enkasse im Jahr 1702. Rückschläge brach- ps://www.ohwr.de/unesco-weltkulturerbe/ er Bergbau, LAPIS, 30(2005)7/8, S. 13-21 te der Siebenjährige Krieg (1756–63), von geschichte-funktion/bergbau.html, Abruf [34] Thalheim, K., Der Schneeberger Silberfund 30.12.2019 von 1477, S. 24-29 sowie Berühmte Silber- dem Freiberg ebenfalls betroffen war. Die [8] Historischer Bergbau am Rammelsberg, htt- stufen aus Schneeberg, S. 74 – 76, beide in ps://www.rammelsberg.de/ueber-uns/ueber- LAPIS, 30(2005)7/8 Förderung sank deutlich, dennoch wurden den-rammelsberg/historischer-bergbau/, [35] Wagenbreth, O., Wächtler, E.: Bergbau Pläne zur Ausbildung von Bergbeamten Abruf 11.12.2019 im Erzgebirge, Technische Denkmale [9] Widukind von Corvey, https://de.wikipedia. und Geschichte, Deutscher Verlag für mit Erfolg weiter betrieben: 1765 nahm die org/wiki/Widukind_von_Corvey, Abruf Grundstoffindustrie, 1990, Nachdruck Freiberger Bergakademie den Lehrbetrieb 30.12.2019 SringerSpektrum [10] Rammelsberg Goslar: https://de.wikipedia. [36a] Bismut, https://de.wikipedia.org/wiki/Bis- auf. Neuerungen prägten in der Folge den mut, Abruf 6.1.2020 org/wiki/Rammelsberg, Abruf 11.12.2019 [36b] : https://de.wikipedia.org/wiki/ Bergbau, wie die Nutzung von Wassersäu- [11] Bornhardt, W.: Geschichte des Rammels- Cobalt, Abruf 6.1.2020 berger Bergbaus von seiner Aufnahme [37] Quadbeck-Seeger, H.J.: Die Welt der Ele- lenmaschinen, Turbinen und ab 1844 von bis zur Neuzeit, Archiv für Lagerstätten- mente, Wiley-VCH, 2007 Dampfmaschinen. Angesichts der neuen forschung, Heft 52, Preußische Geologische [38] Gray, Th.: Die Elemente, Edition Fackel- Landesanstalt, 1931 träger, 2. Aufl. 2011 Technologien wurden auch bisher bedeu- [12] Clement, M. 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Ab 1844 wurde der Rothschön- geschichte, Abruf 11.1.2020 Chemnitzer Verlag und Druck; 6. Aufl. 2017, berger Stolln über eine Länge von 13,9 km [16] Kaiserpfalz Goslar, https://www.goslar.de/ S. 111 ff kultur-freizeit/museen/kaiserpfalz, Abruf [42] Mosch, C.F.: Zur Geschichte des Bergbaues von zwei Seiten vorgetrieben, 1877 folg- 30.12.2019 in Deutschland, Bd. 1, Liegnitz 1829, Druck [17a] Burgen - Mythos und Wahrheit: Die Zeit E. Dòench, https://books.google.de/ te die Vereinigung. Die Mühe sollte sich der Ritter (2/4), https://www.zdf.de/doku- [43] Oberharzer Bergbau, https://de.wikipedia. lohnen: 1884 verzeichneten die Freiberger mentation/zdfinfo-doku/burgen-mythos- org/Wiki/Oberharzer_Bergbau, Abruf und-wahrheit-die-zeit-der-ritter-104.html, 19.01.2020 Gruben mit 35.060 kg Silber ihre höchste ab 6.43 min, Video verfügbar bis 28.01.2021 [44a] St. Andreasberg: St. Andreasberger Verein [17b] Schultz, H. A.: Die Reichsfeste Harzburg, für Geschichte und Altertumskunde e. 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In dieser Phase tion – Die Silberstadt Freiberg im Spiegel [46] Clausthal-Zellerfeld: https://de.wikipedia. der Montangeschichte, Saxonia-Freiberg- org/wiki/Clausthal-Zellerfeld, Abruf der Unsicherheit verließen viele Freiberger 11.1.2020 Bergleute ihr Revier. Berichtet wird, dass Stiftung, 2018, S. 25-32 [47] Wildemann, https://de.wikipedia.org/wiki/ [20] Wächtler, E., Kasper, H.-H. (Hrsg.): Wildemann, Abruf 11.1.2020 ab 1866 rund 1.300 Bergleute in alle Welt Geschichte der Bergstadt Freiberg, Hermann Böhlaus Nachfolger, Weimar, 1986 [48] Lautenthal: https://de.wikipedia.org/wiki/ auswanderten. [32, 40] Von 1935 bis 1970 Lautenthal, Abruf 11.1.2020 [21] Pfannstiel, M.: Die Tulpenkanzel – Bilder [49a] Wellner, A.: Altenau in alten Ansichten, förderten die Gruben wieder. 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