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eewee : P : oto Jeff Ballard F Foto: PD/ZVG Foto: Ohr und Herz und Hirn 1963 im kalifornischen Santa Cruz geboren, zählt Jeff Ballard zu den exklusiven Drummern im : Er spielte und spielt mit der aktuellen Crème der Cracks. Unter eigenem Namen ist jetzt mit "Fairgrounds" sein zweites Album erschienen. Von Steff Rohrbach

Seit 2005 spielt er zusammen mit dem Bas- jungen Schlagzeugern teilt. Seine eigene Aka- toire, ausser mal etwas McCartney oder Dy- sisten in Brad Mehldaus hoch- demie war die Bühne: drei Jahre lan. Es gab nur eine Vorgabe: Jedes Konzert sensibel harmonierendem Pianotrio, einem und Altvordere wie Lou Donaldson oder Bud- wird ohne Plan gestartet. Jeder ist völlig frei. der berührendsten unserer Zeit. Mit Grenadier dy Montgomery. Seine musikalische Reifung Wir begannen oft ganz meditativ, liessen die und Saxophonist bildet er das ging einher mit der ganzen Szene seiner Musik kommen. Ich nahm jedes Konzert vom aussergewöhnliche Trio Fly. Er hat mit Gitar- engsten musikalischen Freunde, allen voran 1. bis 20. März 2015 mitsamt Soundcheck ren-Kalibern wie , Bill Frisell, Kurt Larry Grenadier, Guillermo Klein, Mark Turner, auf, 40 Stunden Musik. Ursprünglich wollte Rosenwinkel, Wolfgang Muthspiel oder Mike , Kevin Hayes, ich damit in der Postproduktion "basteln", Stern gearbeitet. Ob Gary Burton, Danilo und wie sie alle heissen. schneiden und anders montieren – ein Fran- ­Pérez, , oder Seit neun Jahren lebt Jeff Ballard in Europa: kenstein-Monster! Was jetzt aber zu hören ist, – das Niveau seiner musikali- Spanien, Italien, Paris und jetzt in Bordeaux. sind die besten Stories und Momente, wenig schen Partner steht selbstredend für den ei- nachbearbeitet, teils kamen Mark Turner oder genen Level. JAZZ'N'MORE: Dein erstes eigenes Album, dazu. Wenn Jeff Ballard in einer Pause im Jazzcam- "Time's Tales", 2014 im Trio mit Lionel Lou­ pus in Basel mit Studierenden plaudert und eke und Miguel Zenón, war auffallend an­ JNM: Mit dabei sind alles Musiker, mit de­ lacht, sieht man einen ganz dem Leben zuge- ders konzipiert als "Fairgrounds" jetzt. nen du schon lange arbeitest – mit "Fair­ wandten Menschenfreund vor sich, der kei- Jeff Ballard: Damals wollte ich die lange, in grounds" hast du etwa 2012 begonnen? nerlei Allüren hat, beim Unterrichten im Ins­ beinahe zehn Jahren gereifte Musik doku- JB: Ein Jahr, zwei Jahre später. Ja, da sind titut Jazz der FHNW das konzentrierte Ge­ mentieren. Bei "Fairgrounds" steht seit Anbe- ­alles Musiker dabei, mit denen ich seit den genüber, das seine enorme Erfahrung mit den ginn das freie Spiel im Zentrum, kein Reper- frühen 1990er-Jahren in unterschiedlichen ­52 JAZZ

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Konstellationen spiele. Was mich hier inter­ kam 1988 den Job, weil ich ein gutes Feeling ist es absolut genial, was immer wir auch essierte: Die Energie sollte ungehindert flies- für die Musik hatte und lesen konnte. Es war spielen. Das hat sich derart entwickelt, dieses sen können. Ich wollte hören, was sich aus der die beste Schule, die man sich denken kann: Verständnis untereinander, Ohr und Herz und Freiheit entwickelt. mit einem Musiker dieses Niveaus, mit einem Hirn, unglaublich. Der höchste Level an Inter- solchen musikalischen Verständnis und die- play, egal was wir spielen. Von Larry habe ich JNM: Du spielst aber auch andere Perkus­ ser nonverbalen Kommunikation! Sechs, sie- in all den Jahren überhaupt enorm viel gelernt sionsinstrumente als beim Trio. ben Abende pro Woche spielst du und darfst – nicht nur in der Musik! ■ JB: Genau, beim Trio hatte ich beispielswei- dich von drei-, viertausend klatschenden, joh- se ein Kit mit einer Basstrommel aus Kolum­ lenden Leuten nicht ablenken lassen. Abend bien, Becken aus der Türkei, Trommeln aus für Abend dasselbe Repertoire, das immer Kenia und Pakistan, Bongos aus Marokko, alle wie einmalig klingen muss. Ich hatte hinter mit echter Haut. Bei "Fairgrounds" hingegen dem Schlagzeug den besten Platz, konnte an spiele ich – bewusst als Brücke zum teilwei- Rays ganzem Körper, seinen Beinen und Füs- se elektronischen Instrumentarium – nur mit sen erkennen, was kam. Doch nach einem Metall und Holz. Die Perkussionsteile, die ich halben Jahr beschlich mich das Gefühl, bloss nicht suche, sondern finde, kommen aus Indi- als seine Stabpuppe zu funktionieren und Jeff Ballard en, Hongkong, Vietnam ... meinen Job nicht richtig zu machen. Ich re­ Fairgrounds dete mit Ray – und alles wurde anders, nun Jeff Ballard (dr, perc), Lionel Loueke (g, voc), (p, keys, voc), Reid Anderson (electronics), JNM: ... multikulturell wie dein musikali­ spielten wir zusammen. Sieben, acht Monate Pete Rende (p, rhodes) scher Weg: mit Miguel Zenón einst afroka­ im Jahr mit der Big Band. Die übrige Zeit hat- (Edition Records EDN1121) ribisch, mit Guillermo Klein argentinisch, ten wir jedes Wochenende Engagements mit mit Avishai Cohen nahöstlich beeinflusste dem Gitarristen und dem Bassisten irgend- Musik, mit Lionel Loueke westafrikanische wo auf der Welt, mit andern Orchestern und Im März 2015 in zwölf europäischen Städten ... anderem Repertoire, mehr Pop. 1990 zog es live aufgenommen, aus 40 Stunden Musik elf JB: ... ja, und es gibt einen grossen senegale- mich zu aktuellerem Jazz und nach New York. Tracks ausgewählt, bei je zwei Nummern sischen Einfluss, obwohl ich nie einen Lehrer Chris Cheeks oder Mark Turners Tenor hinzu- von dort hatte. Irgendwie habe ich dazu einen JNM: Wo die Jazzwelt nur auf dich gewar­ gefügt: "Fairgrounds" entwickelt ein eigenwil- direkten Zugang und verstehe sie. tet hatte ... liges Faszinosum – freie Improvisation, die so JB: Das war wirklich hart. Ich kam mit Mike frei ist, sich weder Grooves noch harmonische JNM: Du schöpfst aus grosser Erfahrung. Karn, der als Saxophonist bei Ray war, arbei- Klänge zu verbieten. Manchmal wirkt der Wann hast du mit der Musik begonnen? tete als Busboy, Kellner und Velokurier, ging Spannungsverlauf etwas horizontal, vielleicht JB: Etwa mit vierzehn. Mein Vater stand auf über Mittag schmutzig zur Session, mein Va- aus dem Zusammenhang geschnitten. Die In- Jazz, ständig liefen Count Basie, Duke Elling- ter half mir finanziell etwas. Doch ich spielte strumentierung mit zwei Keyboards und den ton, Milton Nascimento, überhaupt viel Bra­ mit fast allen, mit denen ich auch heute auf Electronics bestimmt weitgehend die Farben silianisches, alles sehr rhythmusbetont. Ich der Bühne bin. Geld hatte keiner, wir machten des Sounds, bei dem Gitarre und Stimmen habe mit afrokubanischer Fusion und Musi- jeden Job, ab und zu in einem Club, was auch zurückhaltend, aber wirkungsvoll zur Geltung

Foto: PD/ZVG Foto: kern aus Puerto Rico, Kuba und Mexiko ange- immer kam. kommen und ein Bass selten vermisst wird. fangen, das war herausfordernd, es war keine Das Rhythmische hat in vielen Tracks eine Musik, die in der Bar oder daheim lief. Ich JNM: Du hast aber auch da noch mit den Schlüsselrolle, freilich mit Ballards Sinn fürs brauchte ein Jahr, um herauszufinden, wie sie "Alten" gespielt, Lou Donaldson und so? Ganze. Nummern mit fast gassenhauermässi- rhythmisch funktioniert. Mein Zugang zum JB: Ich lernte Herman Foster kennen, Lous gem Groove, Tracks mit Louekes Stimme und Schlagzeug ist melodischer Art, also über Pianisten, sie nahmen mich mit auf Tour, rich- Cheeks Tenor als Krönung, mit schrägem Tutti Drum-Melodien und nicht über Pattern, rhyth- tig "old school", auch eine Erfahrung von un- oder Wohlklängen, die auch mal zwischen misch musste ich anfangs deshalb hart ar­ schätzbarem Wert, direkteste "Informations- Fernöstlichem und Westafrikanischem oszil- beiten. übertragung" im gemeinsamen Spielen. Ich lieren können, einfache, direkte, verbindliche hatte auch das Glück, im Trio mit Buddy Mont- Momente. "Fairgrounds": ein bunter Jahr- JNM: Du hast mit Eddie Harris und Bobby gomery zu spielen – er erteilte mir, als wir in markt auf einem Messegelände, das selbst Hutcherson gespielt. einer Hotellobby spielten und ich mich etwas etwas Tingeltangel gestattet – Auswahl und JB: Das war noch in Kalifornien, ich war etwa ablenken liess, eine unvergessliche Lektion, Querschnitt, der genau als solcher Vergnügen sechzehn. Der Pianist Smith Dobson hatte was es heisst, konzentriert und mit allen Sin- bereitet. Steff Rohrbach seine "Jazz Series at Garden City", wo all die nen in der Musik zu sein. Grossen spielten. Einmal wöchentlich fuhr ich mit Dobson dahin, wir spielten mit einem JNM: Und schliesslich kam 2005 Brad Diskographie (Auswahl) ➤ Seymour Reads the Constitution! ­Bassisten. Leute wie Bobby "Blue" Bland, Mehldau. Trio (Nonesuch, 2018) Bobby Hutcherson, Eddie Harris, Tadd Dame- JB: Vorher aber eine grossartige Zeit in Jos- ➤ Blues & Ballads, Brad Mehldau Trio ron, Hank Mobley, Donny Hathaway oder Ha- hua Redmans Elastic Band und mit Fly, Larry (Nonesuch, 2016) rold Land kamen. Ich lernte in dieser Zeit auch Grenadier und Mark Turner. Auch mehrmals ➤ Time's Tales, Jeff Ballard Trio (Okeh/Sony, 2014) den Bassisten Larry Grenadier und seinen mit oder Guillermo Klein ➤ Year Of The Snake, Fly (ECM, 2011) Bruder Phil kennen, den Trompeter. und Los Guachos. Larry war schon zehn Jahre ➤ Sky & Country, Fly (ECM, 2008) in Mehldaus Trio und ausgestie- ➤ Chilin' in Chelan (Corea/McBride/Ballard, Universal, 2007) JNM: Ray Charles wurde zu deiner "Akade­ gen. Zuerst spielten wir im Quartett, also mit ➤ Momentum, Joshua Redman Elastic Band mie", wie kam das? Mark, das war grossartig. Aber Brad wollte zu (Nonesuch, 2005) JB: Highschool-Guys spielten bei ihm und dritt weiterfahren. Das Trio kam für mich im www.jeffballard.squarespace.com erzählten von Auditions. Ich hatte furchtbare richtigen Augenblick – die grösstmögliche nächste Konzerte Stories gehört und wollte nicht hin. Dann er- ­Intensität, eine so stark fokussierte Verbin- 16.05. Genf, Brad Mehldau Trio lebte ich die Band und ihren Swing – und be- dung, der höchste Level. Mit Brad und Larry 17.05. Luzern, Brad Mehldau Trio ­53 JAZZ

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