Plenarprotokoll 16/138

Deutscher

Stenografischer Bericht

138. Sitzung

Berlin, Mittwoch, den 23. Januar 2008

Inhalt:

Tagesordnungspunkt 1: Antwort Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär Befragung der Bundesregierung: Erster Er- BMAS ...... 14542 B fahrungsbericht der Bundesregierung zum Soldatinnen- und Soldatengleichstellungs- Zusatzfragen gesetz ...... 14539 A Dr. (DIE LINKE) . . . . . 14542 C Dr. , Bundesminister Kornelia Möller (DIE LINKE) ...... 14543 D Ina Lenke (FDP) ...... BMVg ...... 14539 B 14544 A Cornelia Hirsch (DIE LINKE) ...... 14544 C Irmingard Schewe-Gerigk (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) ...... 14540 B Dr. Franz Josef Jung, Bundesminister Dringliche Frage 2 BMVg ...... 14540 C Elke Reinke (DIE LINKE) Ina Lenke (FDP) ...... 14540 D Rentenpolitik der Bundesregierung ange- sichts von Warnungen der OECD vor einer Dr. Franz Josef Jung, Bundesminister Wiederkehr der Altersarmut und Feststel- BMVg ...... 14541 A lungen des Statistischen Bundesamtes zu Irmingard Schewe-Gerigk (BÜNDNIS 90/ von Armut bedrohten älteren Menschen im DIE GRÜNEN) ...... 14541 A früheren Bundesgebiet Dr. Franz Josef Jung, Bundesminister Antwort BMVg ...... 14541 B Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär BMAS ...... 14545 A Ina Lenke (FDP) ...... 14541 C Zusatzfragen Dr. Franz Josef Jung, Bundesminister Elke Reinke (DIE LINKE) ...... 14545 C BMVg ...... 14541 D Dr. Heinrich L. Kolb (FDP) ...... 14546 B Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE) . . . . . 14546 D Jörg Rohde (FDP) ...... 14547 B Tagesordnungspunkt 2: Dr. (DIE LINKE) ...... 14547 D Fragestunde Heinz-Peter Haustein (FDP) ...... 14548 B (Drucksachen 16/7792,16/7820) ...... 14542 A

Dringliche Frage 3 Dringliche Frage 1 Cornelia Hirsch (DIE LINKE) Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE) Überprüfung der Regelsätze in den Grund- Feststellung des Statistischen Bundesamtes sicherungssystemen durch die Bundesre- bezüglich Zunahme des Anteils der von Ar- gierung infolge von Feststellungen des Sta- mut bedrohten Bundesbürger und Schluss- tistischen Bundesamtes zu von Armut folgerungen der Bundesregierung bedrohten Menschen II Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Januar 2008

Antwort Mündliche Frage 16 Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär Bettina Herlitzius (BÜNDNIS 90/ BMAS ...... 14548 B DIE GRÜNEN) Zusatzfragen Haltung der Bundesregierung zur Ankün- Cornelia Hirsch (DIE LINKE) ...... 14549 A digung einer spürbaren Erhöhung des Dr. Heinrich L. Kolb (FDP) ...... 14550 A Wohngeldes durch den Bundesminister für Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE) ...... 14550 B Verkehr, Bau und Stadtentwicklung sowie Elke Reinke (DIE LINKE) ...... 14550 D diesbezügliche Planungen zur Novellierung Jörg Rohde (FDP) ...... 14551 A des Wohngeldrechts Antwort Karin Roth, Parl. Staatssekretärin Dringliche Frage 4 BMVBS ...... 14556 C Dr. Axel Troost (DIE LINKE) Zusatzfragen Auswirkungen der weltweiten Börsenkrise Bettina Herlitzius (BÜNDNIS 90/ auf Beschäftigung und Wachstum in DIE GRÜNEN) ...... 14556 C Deutschland und gegensteuernde Maßnah- Dr. Thea Dückert (BÜNDNIS 90/ men der Bundesregierung DIE GRÜNEN) ...... 14557 B Antwort Hartmut Schauerte, Parl. Staatssekretär BMWi ...... 14551 C Mündliche Frage 1 Ute Koczy (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Zusatzfragen Dr. Axel Troost (DIE LINKE) ...... 14551 D Bisher fehlende Umsetzung der im Koali- Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE) ...... 14552 C tionsvertrag von 2005 vereinbarten Reform Dr. Heinrich L. Kolb (FDP) ...... 14552 D der Strukturen der deutschen Entwick- Ute Koczy (BÜNDNIS 90/ lungspolitik durch die Schaffung einer ein- DIE GRÜNEN) ...... 14553 B heitlichen deutschen Entwicklungsagentur Antwort Erich Stather, Staatssekretär Mündliche Frage 14 BMZ ...... 14557 D Uwe Barth (FDP) Zusatzfragen Einrichtung einer Bundesbauanstalt mit ei- Ute Koczy (BÜNDNIS 90/ nem Bundesamt für Forschung und Ent- DIE GRÜNEN) ...... 14558 A wicklung im Rahmen der Neuordnung der Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ Bundesbauverwaltung; möglicher Standort DIE GRÜNEN) ...... 14558 C in den neuen Bundesländern Heike Hänsel (DIE LINKE) ...... 14558 C Antwort Karin Roth, Parl. Staatssekretärin BMVBS ...... 14554 B Mündliche Frage 18 Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ Zusatzfragen DIE GRÜNEN) Uwe Barth (FDP) ...... 14554 C (DIE LINKE) ...... 14555 B Besetzung einer von der Strahlenschutz- Cornelia Hirsch (DIE LINKE) ...... 14555 C kommission (SSK) geplanten Arbeits- gruppe zur Bewertung der Stellungnahme des Bundesamtes für Strahlenschutz über Mündliche Frage 15 die Studie zu Kinderkrebs in der Umge- Uwe Barth (FDP) bung von Kernkraftwerken (KiKK-Stu- die) mit dem bisherigen Vorsitzenden der Ansiedlung eines Bundesamtes für For- SSK, Prof. Dr. Wolfgang-Ulrich Müller schung und Entwicklung in Weimar Antwort Antwort Michael Müller, Parl. Staatssekretär Karin Roth, Parl. Staatssekretärin BMU ...... 14559 B BMVBS ...... 14555 D Zusatzfragen Zusatzfragen Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ Uwe Barth (FDP) ...... 14556 A DIE GRÜNEN) ...... 14559 C Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Januar 2008 III

Mündliche Frage 19 Antwort Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär DIE GRÜNEN) BMAS ...... 14562 B Kenntnis der Bundesregierung über die Zusatzfragen Berufung von Epidemiologen in die von Markus Kurth (BÜNDNIS 90/ der Strahlenschutzkommission (SSK) ge- DIE GRÜNEN) ...... 14562 C plante Arbeitsgruppe zur Bewertung der Stellungnahme des Bundesamtes für Strah- lenschutz über die Studie zu Kinderkrebs Mündliche Frage 26 in der Umgebung von Kernkraftwerken Markus Kurth (BÜNDNIS 90/ (KiKK-Studie) DIE GRÜNEN) Antwort Michael Müller, Parl. Staatssekretär Grund für das Fehlen von Schlüsselbegrif- BMU ...... 14560 A fen in der offiziellen Übersetzung der UN- Konvention über die Rechte von Menschen Zusatzfragen mit Behinderungen und mögliche Ratifizie- Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ rungsvorbehalte der Bundesländer DIE GRÜNEN) ...... 14560 B Antwort Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär Mündliche Frage 20 BMAS ...... 14563 A Ina Lenke (FDP) Zusatzfragen Aufteilung der geplanten Fortbildungsini- Markus Kurth (BÜNDNIS 90/ tiative für 80 000 Personen auf Tagesmüt- DIE GRÜNEN) ...... 14563 B ter und -väter bzw. Erzieherinnen und Er- zieher Mündliche Frage 29 Antwort Andreas Storm, Parl. Staatssekretär Dr. Heinrich L. Kolb (FDP) BMBF ...... 14560 D Erlangung einer Gesamtaltersversorgung Zusatzfragen oberhalb des Grundsicherungsniveaus Ina Lenke (FDP) ...... 14561 A nach dem SGB XII für Personen mit einem Verdienst von 850 Euro brutto Antwort Mündliche Frage 21 Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär Ina Lenke (FDP) BMAS ...... 14564 A Zeitliche und finanzielle Organisation der Zusatzfragen geplanten Fortbildungsinitiative für Dr. Heinrich L. Kolb (FDP) ...... 80 000 Personen sowie Gewährleistung der 14564 B Vertretung in kleineren Einrichtungen und Jörg Rohde (FDP) ...... 14565 A im Rahmen der Tagespflege Markus Kurth (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) ...... 14565 C Antwort Andreas Storm, Parl. Staatssekretär BMBF ...... 14561 D Mündliche Frage 30 Dr. Heinrich L. Kolb (FDP)

Mündliche Frage 25 Notwendige Aufwendungen bei der priva- Markus Kurth (BÜNDNIS 90/ ten Altersvorsorge zur Gewährleistung ei- DIE GRÜNEN) ner über dem Grundsicherungsniveau nach SGB XII liegenden Gesamtaltersver- Veröffentlichung der zwischen Deutsch- sorgung für Personen mit einem Verdienst land, Liechtenstein, Österreich und der von 850 Euro brutto Schweiz abgestimmten Übersetzung des Übereinkommens über die Rechte von Antwort Menschen mit Behinderungen sowie des Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär Fakultativprotokolls; Haltung der Bundes- BMAS ...... 14565 D regierung zur fehlenden Einbeziehung der Behindertenverbände beim Übersetzungs- Zusatzfrage prozess Dr. Heinrich L. Kolb (FDP) ...... 14566 A IV Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Januar 2008

Mündliche Frage 31 Antwort Jörg Rohde (FDP) Ursula Heinen, Parl. Staatssekretärin BMELV ...... 14581 D Wahrscheinlichkeit der späteren Inan- spruchnahme der Grundsicherung für Per- sonen mit 10 000 Euro Jahresverdienst Anlage 3 durch Zeiten der Arbeitslosigkeit Mündliche Frage 4 Antwort Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär DIE GRÜNEN) BMAS ...... 14566 B Richtigkeit der Schilderung des früheren Zusatzfrage Bundeswehr-Fallschirmjägers Achim Jörg Rohde (FDP) ...... 14566 B Wohlgethan in seinem Buch „Endstation Kabul“ über Einsätze außerhalb des deut- schen Einsatzgebietes in Afghanistan auf Zusatztagesordnungspunkt 1: Anweisung und in Kooperation mit dem Aktuelle Stunde Militärischen Abschirmdienst (MAD) und auf Verlangen der Fraktionen der CDU/CSU deutschen Fernspähsoldaten sowie Konse- und SPD: Energie- und Klimapaket der quenzen der Bundesregierung zur Wah- EU-Kommission ...... 14566 D rung der räumlichen und rechtlichen Ein- satzgrenzen Marco Bülow (SPD) ...... 14567 A Antwort (FDP) ...... 14567 D Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär Marie-Luise Dött (CDU/CSU) ...... 14568 D BMVg ...... 14582 C Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE) ...... 14569 C (Cottbus) (SPD) ...... 14570 C Anlage 4 Renate Künast (BÜNDNIS 90/ Mündliche Fragen 5 und 6 DIE GRÜNEN) ...... 14571 C Dr. (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU) ...... 14572 D Beurteilung des Potenzials einer Erhöhung Dr. (SPD) ...... 14574 A des Fahrrad- und Fußgängerverkehrsan- Franz Obermeier (CDU/CSU) ...... 14575 A teils zur Senkung der CO2-Emissionen des Verkehrsbereichs vor dem Hintergrund , Bundesminister der Prognose der deutschlandweiten Ver- BMU ...... 14575 D kehrsverflechtungen 2025 über eine Ab- Andreas G. Lämmel (CDU/CSU) ...... 14577 D nahme der Fahrradfahrten und Fußwege sowie Vereinbarkeit dieser Prognose mit (SPD) ...... 14579 A dem Ziel des Nationalen Radverkehrsplans zur Erhöhung des Radverkehrsanteils und der Aussage der Bundesregierung zur be- Nächste Sitzung ...... 14580 C absichtigten Senkung der Pkw-Fahrten im Bereich bis 6 Kilometer um 30 Prozent Anlage 1 Antwort Karin Roth, Parl. Staatssekretärin Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 14581 A BMVBS ...... 14583 B

Anlage 2 Anlage 5 Mündliche Fragen 2 und 3 Mündliche Fragen 7 und 8 Dr. (DIE LINKE) Hans-Michael Goldmann (FDP) Geplante Änderungen im Bundeswaldge- Ausfall des Mehrzweckschiffes „Arkona“ setz zur Erleichterung von Agroforstsyste- aufgrund festgestellter Mängel an der An- men vor dem Hintergrund des Kabinetts- triebsanlage beschlusses „Nationale Strategie zur biologischen Vielfalt“ vom 7. November Antwort 2007 sowie Vorlage eines entsprechenden Karin Roth, Parl. Staatssekretärin Gesetzentwurfs BMVBS ...... 14583 D Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Januar 2008 V

Anlage 6 Anlage 10 Mündliche Fragen 9 und 10 Mündliche Frage 22 Dr. Christel Happach-Kasan (FDP) Jan Mücke (FDP) Gründe und Umfang des Kaufs von Ersatz- Einsatzfähigkeit des Forschungsschiffes teilen für das Mehrzweckschiff „Arkona“ „Maria S. Merian“ sowie Termin für die durch die Bundesregierung im Jahr 2007 nächste Forschungsfahrt vor dem Hintergrund der auf eine Kleine Anfrage der FDP-Fraktion erteilten Aus- Antwort kunft einer Übernahme sämtlicher Repa- , Parl. Staatssekretär raturkosten für die „Arkona“ durch die BMBF ...... 14585 A Lieferanten

Antwort Anlage 11 Karin Roth, Parl. Staatssekretärin BMVBS ...... 14584 A Mündliche Fragen 23 und 24 Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE)

Anlage 7 Haltung der Bundesregierung zur öffentli- chen Kritik aus Betroffenenkreisen an der Mündliche Frage 11 mit anderen deutschsprachigen Staaten ab- Jan Mücke (FDP) gestimmten offiziellen deutschen Überset- zung der UN-Konvention über die Rechte Kenntnis der Bundesregierung über die der Menschen mit Behinderungen; künfti- Einstellung der Podantriebsherstellung ger Einbezug des Sachverstandes behin- durch die Firma Schottel und Konsequen- derter Menschen bei den weiteren Abstim- zen für die mit diesen Antrieben ausgerüs- mungen mit den Bundesländern teten Schiffe „Arkona“ und „Maria S. Merian“ Antwort Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär Antwort BMAS ...... 14585 A Karin Roth, Parl. Staatssekretärin BMVBS ...... 14584 B Anlage 12 Anlage 8 Mündliche Fragen 27 und 28 Mündliche Fragen 12 und 13 Volker Schneider (Saarbrücken) (FDP) (DIE LINKE) Auswirkungen des Ausfalls des Mehr- Auswirkungen des neuen § 53 a SGB II auf zweckschiffes „Arkona“ auf die Notfallver- den Arbeitslosenstatus von Leistungsemp- sorgung in der Ostsee sowie Zeitplan für fängern ab dem vollendetem 58. Lebens- die Herstellung der Wiedereinsatzfähig- jahr keit des Schiffes Antwort Antwort Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär Karin Roth, Parl. Staatssekretärin BMAS ...... 14585 C BMVBS ...... 14584 C

Anlage 13 Anlage 9 Mündliche Frage 32 Mündliche Frage 17 Jörg Rohde (FDP) Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Haltung der Bundesregierung zu den Äu- ßerungen Walter Riesters zum ökonomi- Vorschlag der Bundesregierung für den schen Nutzen des Abschlusses einer Anteil erneuerbarer Energien in Deutsch- Riester-Rente bei späterer Angewiesenheit land im Jahre 2020 im Rahmen der Richt- auf die Grundsicherung im Alter laut Spie- linienerstellung bei der EU-Kommission gel Online vom 17. Januar 2008 Antwort Antwort Michael Müller, Parl. Staatssekretär Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär BMU ...... 14584 D BMAS ...... 14586 B VI Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Januar 2008

Anlage 14 Anlage 18 Mündliche Frage 40 Mündliche Fragen 33 und 34 Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ Heinz-Peter Haustein (FDP) DIE GRÜNEN) Pläne der Bundesregierung zur Einfüh- Organisatorische und gesetzgeberische rung einer Abschlusspflicht für die Riester- Schlussfolgerungen angesichts einer seit Rente vor dem Hintergrund bestehender 2003 zunehmenden strategischen Überwa- negativer Anreize für Geringverdiener; chung internationaler Telekommunika- Haltung der Bundesregierung zu einer Teil- tionsvorgänge in den Bereichen Terroris- anrechnung der privaten Vorsorge von mus, Proliferation und Drogenhandel bei 100 Euro auf die Grundsicherung gleichzeitig sinkender Relevanz der über- wachten Nachrichten Antwort Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär Antwort BMAS ...... 14586 C Dr. , Parl. Staatssekretär BMI ...... 14588 B

Anlage 15 Anlage 19 Mündliche Fragen 35 und 36 Mündliche Fragen 41 und 42 Heike Hänsel (DIE LINKE) Wolfgang Wieland (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Haltung der Bundesregierung zum Stand des Verfassungsprozesses in Bolivien und Medienberichte über das Anwenden von zu den Autonomiebestrebungen in den öst- Maßnahmen auf der Grundlage des in der lichen Provinzen Erarbeitung befindlichen Gesetzes über die Befugnisse des Bundeskriminalamtes zur Antwort Abwehr von Gefahren des internationalen , Staatsminister AA ...... 14587 A Terrorismus zum Einsatz technischer Mit- tel in oder aus Wohnungen, zur Überwa- chung der Telekommunikation und zum heimlichen Zugriff auf informationstechni- Anlage 16 sche Systeme auch gegen den in §§ 53 und Mündliche Fragen 37 und 38 53 a StPO genannten Personenkreis und Kerstin Müller (Köln) (BÜNDNIS 90/ schon bei Vorliegen einer abstrakten Ge- DIE GRÜNEN) fahr; Einbringung dieses Gesetzes in den Bundestag sowie Unterschiede zum im Gründe für die aktuellen Verzögerungen Sommer 2007 bekannt gewordenen Ent- bei der Umsetzung der AU/UN-Hybrid- wurf Operation in Darfur (UNAMID) sowie Antwort Maßnahmen der Bundesregierung zur Mi- Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär nimierung dieser Verzögerungen ange- BMI ...... 14588 D sichts der Nichterfüllung zugesagter Bei- träge Antwort Anlage 20 Gernot Erler, Staatsminister AA ...... 14587 B Mündliche Fragen 43 und 44 Kornelia Möller (DIE LINKE) Nachfrage nach Personal im öffentlichen Anlage 17 Dienst in den nächsten Jahren aufgrund der Altersstruktur, insbesondere konkrete Mündliche Frage 39 Vereinbarungen der Bundesregierung mit Ute Koczy (BÜNDNIS 90/ der Deutschen Telekom zur Übernahme DIE GRÜNEN) von verbeamteten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Telekom in den öffentli- Geplante Verwendung der für dieses Jahr chen Dienst auf Bundesebene zur Deckung angekündigten zusätzlichen 25 Millionen des Personalbedarfs für den Zeitraum bis Euro für Afghanistan aus dem Afghanis- 2010 sowie geplante Finanzierung tan-Konzept der Bundesregierung Antwort Antwort , Parl. Staatssekretär Gernot Erler, Staatsminister AA ...... 14588 A BMI ...... 14589 A Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Januar 2008 VII

Anlage 21 Anlage 25 Mündliche Fragen 45 und 46 Mündliche Fragen 51 und 52 Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) Ulla Lötzer (DIE LINKE) Haltung der Bundesregierung zur geplan- Haltung der Bundesregierung zur Werk- ten Verlegung des Europa-Hauptquartiers schließung von Nokia in Bochum sowie der US-Streitkräfte nach Wiesbaden-Er- Ziele und Ergebnisse der Gespräche der benheim sowie damit verbundene Kosten Bundesregierung mit Nokia für den deutschen Steuerzahler Antwort Antwort Hartmut Schauerte, Parl. Staatssekretär Nicolette Kressl, Parl. Staatssekretärin BMWi ...... 14591 C BMF ...... 14589 D

Anlage 26 Anlage 22 Mündliche Frage 53 Dr. Thea Dückert (BÜNDNIS 90/ Mündliche Frage 47 DIE GRÜNEN) Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE) Bereitschaft der Bundesregierung zur Zah- Gründe für das unzureichende Eintreiben lung von Subventionen an Nokia für den der wegen Schwarzarbeit festgesetzten Erhalt des Standortes Bochum sowie Maß- Geldbußen sowie entsprechender Hand- nahmen zur dauerhaften Sicherung dieses lungsbedarf Standortes Antwort Antwort Nicolette Kressl, Parl. Staatssekretärin Hartmut Schauerte, Parl. Staatssekretär BMF ...... 14590 B BMWi ...... 14591 C

Anlage 23 Anlage 27 Mündliche Frage 48 Mündliche Fragen 54 und 55 Dr. Thea Dückert (BÜNDNIS 90/ Hüseyin-Kenan Aydin (DIE LINKE) DIE GRÜNEN) Haltung der Bundesregierung zu der von Wirksamkeit eines Abzugsverbots für Auf- Ministerpräsident Dr. Jürgen Rüttgers ge- wendungen im Zusammenhang mit steuer- äußerten Vermutung einer gezielten Mit- freien Einnahmen zugunsten des Beendens nahme unterschiedlicher Subventionsar- einer Subventionierung von Arbeitsplatz- ten als ein Grund für die Verlagerung des verlagerungen Nokia-Standortes Bochum nach Rumänien sowie Maßnahmen zur Verhinderung einer Antwort Standortkonkurrenz um Fördergelder in- Nicolette Kressl, Parl. Staatssekretärin nerhalb der EU BMF ...... 14590 C Antwort Hartmut Schauerte, Parl. Staatssekretär BMWi ...... 14591 D Anlage 24 Mündliche Fragen 49 und 50 (BÜNDNIS 90/ Anlage 28 DIE GRÜNEN) Mündliche Fragen 56 und 57 Sevim Dağdelen (DIE LINKE) Erkenntnisse der Bundesregierung über die positiven Auswirkungen von Subven- Höhe der Fördermittel des Bundes und der tionen auf die Sicherung von Arbeitsplät- Landesregierung NRW für das Nokia- zen sowie Untersuchungen zur langfristi- Werk in Bochum sowie damit verbundene gen Wirkung von Subventionen Arbeitsplatzgarantien und Bindungsfristen Antwort Antwort Nicolette Kressl, Parl. Staatssekretärin Hartmut Schauerte, Parl. Staatssekretär BMF ...... 14590 D BMWi ...... 14592 B VIII Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Januar 2008

Anlage 29 Antwort Hartmut Schauerte, Parl. Staatssekretär Mündliche Fragen 58 und 59 BMWi ...... 14593 D (DIE LINKE) Möglichkeiten zur Rückforderung der No- kia-Subventionen sowie Reformbedarf der Anlage 32 Förderpolitik vor dem Hintergrund der Mündliche Frage 62 Verlagerung von Produktionsstätten di- Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/ rekt nach Auslaufen der Bindungsfristen DIE GRÜNEN) Antwort Höhe der Rückstellungen von Eon, RWE, Hartmut Schauerte, Parl. Staatssekretär EnBW und Vattenfall Europe für Atom- BMWi ...... 14593 A kraftwerke und atomare Abfälle Ende 2007 sowie Verwendung dieser Rückstel- lungen für den Erwerb von Anteilen ande- Anlage 30 rer Unternehmen Mündliche Frage 60 Antwort Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE) Hartmut Schauerte, Parl. Staatssekretär Rückforderung öffentlicher Fördermittel BMWi ...... 14594 C von Unternehmen bei Nichteinhaltung der Verpflichtungen und Erfolg solcher Maß- nahmen in den letzten fünf Jahren Anlage 33 Antwort Mündliche Frage 63 Hartmut Schauerte, Parl. Staatssekretär Irmingard Schewe-Gerigk (BÜNDNIS 90/ BMWi ...... 14593 C DIE GRÜNEN) Haltung der Bundesregierung zur Äuße- rung des Mittelstandsbeauftragten der Anlage 31 Bundesregierung Hartmut Schauerte über Mündliche Frage 61 den Fachkräfte- und Ingenieurmangel in Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ Deutschland in seiner Rede auf der DIE GRÜNEN) 57. Jahresveranstaltung der Südwestfäli- schen Industrie- und Handelskammer Ha- Förderprogramme auf Bundesebene für gen am 12. Dezember 2007 Stadtwerke im Bereich der Energieeinspa- rung/-effizienz und der erneuerbaren Antwort Energien sowie Höhe des finanziellen Rah- Hartmut Schauerte, Parl. Staatssekretär mens dieser Programme BMWi ...... 14594 D Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Januar 2008 14539

(A) (C) Redetext

138. Sitzung

Berlin, Mittwoch, den 23. Januar 2008

Beginn: 13.00 Uhr

Vizepräsidentin : diglich 0,04 Prozent aller Berufs- und Zeitsoldaten Die Sitzung ist eröffnet. Frauen. Im Jahr 2006 waren es schon 7 Prozent. Um das in Zahlen auszudrücken: Mittlerweile sind über Ich begrüße Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, und 15 000 Soldatinnen bei der Bundeswehr aktiv. Ich kann wünsche uns eine erfolgreiche Sitzungswoche. nur sagen: Das ist ein Gewinn für die Streitkräfte. Über- Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf: all, wo ich hinkomme, kann ich feststellen, dass das Engagement unserer Soldatinnen – sei es im Auslands- Befragung der Bundesregierung einsatz, zum Beispiel in Afghanistan, auf den Fregatten Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Ka- vor dem Horn von Afrika, sei es im Inlandseinsatz – ei- binettssitzung mitgeteilt: Erster Erfahrungsbericht nen besonderen Zugewinn für die Bundeswehr darstellt. der Bundesregierung zum Soldatinnen- und Solda- tengleichstellungsgesetz. Ich glaube, dass diese Zahl und die Anzahl der Be- werberinnen zeigen, dass der Dienst attraktiv ist und wir (B) Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht die Frage der Eignung und Befähigung ins Blickfeld rü- (D) hat der Bundesminister der Verteidigung, Dr. Franz Josef cken. Spezifische Probleme müssen aber deutlicher ak- Jung. – Bitte, Herr Minister. zentuiert werden. Im Klartext heißt das: Im Rahmen der Vorschrift „Innere Führung“ haben wir das Thema „Fa- Dr. Franz Josef Jung, Bundesminister der Verteidi- milie und Dienst“ stärker in den Blick genommen; denn gung: je mehr Soldatinnen in der Bundeswehr tätig sind, umso Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! häufiger steht dieses Thema auf der Tagesordnung. Dies Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben uns reicht bis zur Kinderbetreuung. All diese Themen sind in in der heutigen Kabinettssitzung mit dem Ersten Erfah- diesem Zusammenhang von Bedeutung und werden ver- rungsbericht der Bundesregierung zum Soldatinnen- und stärkt von uns behandelt. Soldatengleichstellungsgesetz beschäftigt. Dieser Erfah- Ich will aber auch auf andere Themen zu sprechen rungsbericht wird dem Deutschen Bundestag in den nächsten Tagen zugehen. Als Bundesregierung sind wir kommen, über die teilweise kritisch diskutiert wird. Es verpflichtet, die Situation der Soldatinnen mit der der wurde die Frage gestellt, warum es bei den Dienstbe- Soldaten zu vergleichen und dem Parlament alle zwei zeichnungen keine weiblichen Formen gibt. Hierzu will Jahre diesbezüglich zu berichten. Sie wissen, dass das ich sagen: Es bleibt dabei, dass ein Hauptmann ein Gesetz 2005 in Kraft getreten ist und dass sich dieser Hauptmann und nicht eine Hauptfrau ist. Das entspricht Bericht auf den Zeitraum 2005 bis 2006 bezieht. Das im Übrigen dem Wunsch unserer Soldatinnen und auch heißt, bei diesem Bericht kann es sich nur um eine erste dem Wunsch unserer militärischen Gleichstellungsbe- Erfahrungseinschätzung handeln. auftragten. Das Gesetz hätte zwar eine andere Regelung zugelassen, wir wollten diesbezüglich aber dem Wunsch Ich will hier gegenüber dem Parlament sagen, dass der Soldatinnen entsprechen. der zunehmende Anteil weiblicher Soldaten in der Bun- deswehr zeigt, dass im Hinblick auf das innere Gefüge Oft wird die Frage gestellt, wie sich die Situation im unserer Streitkräfte die Fragen der Förderung und der Hinblick auf Beförderungen in höhere Dienstgrade dar- Verhinderung von Benachteiligungen von Bedeutung stellt. Hierzu will ich Folgendes sagen: Natürlich ist es sind. Die Dienstleistungen von Frauen in den Streitkräf- so – die Entwicklung begann mehr oder weniger erst im ten sind seit 1975 schrittweise ausgedehnt worden. Zu- Jahre 2001 und danach –, dass es einige Zeit dauert, bis nächst waren es nur approbierte Ärztinnen und Apothe- man Ergebnisse sieht. Aber wir haben mittlerweile eine kerinnen. Im Jahr 2001 wurde die Bundeswehr für Generalärztin in Ulm, eine Pilotin, die Tornados fliegt, Frauen geöffnet – auf freiwilliger Basis. 1985 waren le- und Frauen in anderen höheren Dienstgraden. Diese 14540 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Januar 2008

Bundesminister Dr. Franz Josef Jung (A) Entwicklung vollzieht sich erst. Ich habe es schon ge- sei schon manche Einheit an den Rand der Kampf- (C) sagt: Dies ist letztlich ein Gewinn für die Bundeswehr. unfähigkeit geraten, ist in Militärberichten nachzu- lesen. Für die Streitkräfte insgesamt haben wir einen Frau- enanteil von 15 Prozent festgelegt. Beim Sanitätsdienst Vertreten auch Sie diese Position, und, wenn ja, wel- soll die Quote 50 Prozent betragen. Wir wollen dieses che Konsequenzen ziehen Sie daraus? Gesetz weiterhin den Erfordernissen der Tagesaktualität entsprechend umsetzen. Es gibt eine gute Zusammen- Dr. Franz Josef Jung, Bundesminister der Verteidi- arbeit mit der militärischen Gleichstellungsbeauftragten. gung: Das Thema „Familie und Dienst“, das ich schon ange- Frau Abgeordnete, ich vertrete diese Position nicht. sprochen habe, umfasst natürlich auch Themen wie die Meine Erfahrungen sind völlig anders. Ich habe gerade Teilzeitarbeit und Telearbeitsplätze und erstreckt sich bis darauf hingewiesen: Immer wenn ich die Truppen im zu der Einrichtung von Familienbetreuungszentren. Hier Auslandseinsatz besuche – sei es am Horn von Afrika hat der Generalinspekteur Mitte letzten Jahres die „Teil- auf unseren Fregatten, wo auch unsere Soldatinnen konzeption Vereinbarkeit von Familie und Dienst in den engagiert sind, sei es in Afghanistan oder im Kosovo –, Streitkräften“ erlassen. In ihr werden Handlungsfelder kann ich eher das Gegenteil feststellen. zur Verbesserung aufgezeigt: Personalführung, Organi- sation des Dienstes, Führungskompetenz, Dienstzeit so- Ich will allerdings Folgendes sagen: Wir müssen den wie finanzielle und sonstige Leistungen für Frauen. kulturellen Situationen vor Ort ein Stück Rechnung tra- gen. Ich denke beispielsweise an Afghanistan. Dort stellt Ich möchte einen letzten Gesichtspunkt ansprechen. sich die Frage, wo man Soldatinnen, wenn ein Kontakt Einen besonderen Stellenwert hat die Kinderbetreuung. mit der Bevölkerung vorgesehen ist, einsetzen kann. Das Sie wissen, dass die Bundesregierung ein Programm ist ein Punkt, den wir berücksichtigen. zum Ausbau der Kinderbetreuung aufgelegt hat. Wir sind mit den kommunalen und kirchlichen Trägern vor Aber insgesamt unterstreiche ich noch einmal, dass Ort im Gespräch, um unser Angebot zu erweitern und unsere Soldatinnen einen sehr positiven Beitrag zur Ent- damit auch diesen Kriterien innerhalb der Streitkräfte wicklung unserer Streitkräfte leisten und ihren Auftrag Rechnung zu tragen. voll und ganz erfüllen, so wie ihn die Bundeswehr insge- samt für dieses Land zu leisten hat. Insgesamt würde ich mich freuen, wenn der Bericht der Bundesregierung trotz seines durchaus erheblichen (Irmingard Schewe-Gerigk [BÜNDNIS 90/ Umfanges auf Ihr reges Interesse trifft und als ein Bau- DIE GRÜNEN]: Ich habe später noch eine stein dazu beiträgt, weiteres Engagement und Aufge- (B) Nachfrage!) (D) schlossenheit für die Belange der Streitkräfte zu wecken. Ich denke, unsere Soldatinnen und Soldaten haben dies verdient. Vizepräsidentin Petra Pau: Die nächste Frage stellt erst einmal die Kollegin Besten Dank. Lenke. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Ina Lenke (FDP): Vizepräsidentin Petra Pau: Herr Minister, auch ich kenne das Papier des General- Herzlichen Dank, Herr Minister. – Ich bitte, zunächst inspekteurs, das jetzt ein Jahr alt ist und viele Ideen be- Fragen zu dem Themenbereich zu stellen, über den züglich der Vereinbarkeit von Familie und Dienst ent- soeben berichtet wurde. hält. Aber aus der Sicht der Truppe kann ich Ihnen sagen, dass die Realität sehr wenig mit dem Bericht zu Das Wort hat die Kollegin Irmingard Schewe-Gerigk. tun hat. In einiger Zeit soll nun schon wieder ein Bericht vorgelegt werden, und es soll geprüft werden. Sie sollten Irmingard Schewe-Gerigk (BÜNDNIS 90/DIE erst einmal dafür sorgen, dass in Ihrer Truppe Familie GRÜNEN): und Dienst wirklich vereinbart werden können. Wir alle Herr Minister Jung, recht herzlichen Dank für Ihren wissen, dass Soldatenehepaare hier Schwierigkeiten ha- Vortrag. Es hat ja schon im Vorfeld einige Berichterstat- ben. tungen dazu gegeben. Unter anderem gibt es einen Be- richt der ddp. Dazu würde ich gern eine Frage an Sie Da Sie bei der Kinderbetreuung wieder nur auf die richten, nämlich die, ob auch die Bundesregierung die Kommunen setzen, möchte ich Sie fragen, ob Sie bei Position vertritt, dass es im Ernstfall Probleme und großen Kasernen Möglichkeiten sehen, eine Kinderbe- Schwierigkeiten mit Soldatinnen gibt. Ich zitiere jetzt, treuung zu organisieren. Es kann schließlich sein, dass aus welchem Grund es zu Schwierigkeiten kommen soll. beide Ehepartner ins Manöver ziehen müssen. Sie kön- In der ddp-Meldung steht: nen es einem kommunalen Kindergarten – das ist ähn- lich wie an einer Hochschule – nicht zumuten, die Kin- Es stellte sich heraus, dass die Männer in der Ge- derbetreuung auch für die Nacht zu organisieren. fahrenlage einen Beschützerinstinkt für die Kame- radinnen entwickelten und mehr darauf achteten, In dem Bericht lese ich: „Man soll …“, „Man sie vor schlimmen Kriegsfolgen zu bewahren als kann …“, „Es muss überlegt werden …“ Ich frage Sie: genau die Befehle zu befolgen. Aus diesem Grund Wie wollen Sie die vielen guten Dinge, die in dem Be- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Januar 2008 14541

Ina Lenke (A) richt stehen, in diesem oder auch im nächsten Jahr zu- Ina Lenke (FDP): (C) mindest teilweise umsetzen? Herr Minister, in diesem Bericht gibt es wie üblich Zusammenfassungen und Schlussfolgerungen. Die letz- Dr. Franz Josef Jung, Bundesminister der Verteidi- ten Sätze dieses Berichtes haben mich wirklich erstaunt; gung: als Verteidigungsminister segnen Sie diesen Bericht ja Der Generalinspekteur hat die Teilkonzeption be- ab. wusst erlassen, damit dies in die Praxis umgesetzt wird. Wir wissen, dass der Anteil der Frauen bei den Teil- Ich bin mit unserer militärischen Gleichstellungsbeauf- streitkräften 15 Prozent und bei den Sanitätern 50 Pro- tragten diesbezüglich im Gespräch. Wir wissen, dass wir zent betragen soll. Das ist eine von der alten Regierung auf unterschiedliche Herausforderungen Antworten fin- festgesetzte Größe. Zum Thema Quoten lassen Sie den müssen. Wenn es beispielsweise vor Ort Möglich- schreiben, Schätzungen, wann die Quoten erreicht wür- keiten gibt, kommunale Einrichtungen oder kirchliche den, seien nur schwer möglich, da sich die Bewerbungs- Träger zur Kinderbetreuung zu nutzen, dann ist es sinn- und Einstellungslage vor dem Hintergrund der politi- voll, diesen Weg zu gehen. Aber es gibt im Hinblick auf schen/sicherheitspolitischen Situation, der Arbeitsmarkt- die Bundeswehr spezifische Fragen, auf die wir eigene lage und der demografischen Entwicklung verändern Antworten finden müssen. Das gilt für viele Bereiche; könne. Dann heißt es hier noch: Selbst bei anhaltend gu- ich darf das Thema Teilzeitarbeitsplätze und Telearbeits- ter Bewerbungslage würden die gesetzlichen Quoten plätze ansprechen. Wir haben, um diesen Kriterien nicht erreicht. Rechnung zu tragen, einen Prozess angestoßen, der sich – das sage ich Ihnen ganz offen – erst noch entwickeln Jetzt frage ich Sie: Welche Quoten wollen Sie errei- muss. chen? Diese Quote muss ja bei Teilstreitkräften unter 15 Prozent und bei den Sanitätern unter 50 Prozent be- tragen. Die Quote bei den Sanitätern ist kein großes Pro- Vizepräsidentin Petra Pau: blem, aber bleiben wir bei der Truppe und damit bei den Die nächste Frage stellt wiederum die Kollegin Teilstreitkräften. Welchen Prozentsatz meinen Sie in Ih- Schewe-Gerigk. – Bitte. rer Zeit als Minister zu erreichen? Das Schlusswort die- ses Berichtes erscheint mir sehr schlecht; denn es ist ge- Irmingard Schewe-Gerigk (BÜNDNIS 90/DIE rade für die Soldatinnen sehr demotivierend, die sich GRÜNEN): von Ihnen mehr Geschlechtergerechtigkeit in der Bun- Herr Minister Jung, ich freue mich über Ihre positive deswehr erwartet haben. Einstellung zu den Soldatinnen. Ich habe auch nichts an- deres erwartet. Aber ich habe Sie nicht nach der Rolle (B) Dr. Franz Josef Jung, Bundesminister der Verteidi- (D) der Soldatinnen, sondern nach der Rolle der Soldaten ge- gung: fragt, die, wie es in dem Bericht steht, aus dem ich zitiert Zunächst einmal möchte ich noch einmal darauf hin- habe, statt ihre Befehle auszuführen, ihrem Beschützer- weisen, Frau Kollegin, dass das genannte Gesetz 2005 in instinkt gegenüber den Soldatinnen nachkommen. Wäre Kraft getreten ist und dass dies nach einer relativ kurzen da nicht von Ihrer Seite eine Klarstellung notwendig, da- Zeit ein erster Erfahrungsbericht ist. Dass wir dieses Ziel mit solche Sätze nicht mehr auftauchen? erreichen wollen, ist klar; das ist vorgegeben. Es ist bis- her noch nicht erreicht worden; das haben Sie hier ge- Dr. Franz Josef Jung, Bundesminister der Verteidi- rade formuliert. Aber ich denke, wir kommen dorthin. gung: Ich habe den Eindruck – das will ich klar und deutlich Es gab in diesem Zusammenhang – das will ich hier sagen –, dass im Hinblick auf Eignung, Leistung und Fä- nicht verschweigen – durchaus Startschwierigkeiten. Sie higkeit Voraussetzungen dafür gegeben sind, das zu er- wissen, welche große öffentliche Diskussion teilweise reichen. Wir haben übrigens bei der Bewerberlage stattgefunden hat, als es darum ging, Frauen als Solda- – wenn ich es richtig im Kopf habe – ein Verhältnis von tinnen in der Bundeswehr zuzulassen; das will ich jetzt eins zu vier bei den Frauen und Männern, die zu uns nicht alles schildern. Aber ich muss Ihnen sagen: Die wollen. Von daher bin ich durchaus optimistisch, dass Praxis und die Erfahrung sind völlig anders. Es gibt zwar wir diese Quote erreichen. einzelne Dinge, zum Beispiel das, was Sie gerade ange- sprochen haben. Dies werden wir aber korrigieren. Vizepräsidentin Petra Pau: Meine Einstellung ist folgende – ich will dies hier im Ich schaue jetzt in die Runde. Mir sind bisher keine Parlament ganz offen sagen –: Das Verhalten der Männer weiteren Fragen zum Bericht des Ministers angezeigt hat sich in verschiedenster Hinsicht zum Positiven ge- worden. – Es scheint auch jetzt keine zu geben. wendet, als die Frauen dazukamen. Auch das ist ein Ge- winn für die Bundeswehr. Gibt es Fragen zu anderen Themen der heutigen Ka- binettssitzung? – Auch das ist nicht der Fall. (Beifall der Abg. Petra Heß [SPD] – Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Frauen Herzlichen Dank, Herr Minister. sind immer ein Gewinn!) Ich beende die Befragung der Bundesregierung und unterbreche die Sitzung für zehn Minuten, bevor ich die Vizepräsidentin Petra Pau: Fragestunde aufrufe, da die Kolleginnen und Kollegen, Die nächste Frage stellt die Kollegin Lenke. die es betrifft, offensichtlich nicht damit gerechnet 14542 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Januar 2008

Vizepräsidentin Petra Pau (A) haben, dass dieser umfängliche Bericht hier in so kurzer schen Bundestages regelmäßig zur Mitte einer jeden Le- (C) Zeit behandelt werden kann. gislaturperiode vorzulegen ist. Daran schließt sich dann die Behandlung im Parlament an. In diesem Bericht wird (Hartwig Fischer [Göttingen] [CDU/CSU]: ein umfassendes Bild der sozialen Lage in Deutschland Das zeigt die Qualität des Berichts!) beschrieben, das sich nicht nur auf die Analyse relativer (Unterbrechung von 13.16 bis 13.25 Uhr) Einkommensarmut beschränkt; vielmehr werden dort weitere Teilhabeformen und die Lebenslagen ausge- Vizepräsidentin Petra Pau: wählter Gruppen analysiert sowie die Maßnahmen der Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet. Bundesregierung zur Stärkung von Teilhabe und sozialer Integration beschrieben. Nur auf der Basis einer derart Ich rufe den Tagesordnungspunkt 2 auf: umfassenden Betrachtung und Bewertung können ent- Fragestunde sprechende Schlussfolgerungen gezogen werden.

– Drucksachen 16/7792, 16/7820 – Vizepräsidentin Petra Pau: Zu Beginn der Fragestunde rufe ich gemäß Ziffer 10 Frau Dr. Enkelmann, Sie haben das Wort zu Ihrer ers- Abs. 2 der Richtlinien für die Fragestunde die dringli- ten Nachfrage. chen Fragen auf Drucksache 16/7820 auf. Wir beginnen mit dem Geschäftsbereich des Bundes- Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE): ministeriums für Arbeit und Soziales. Zur Beantwortung Eine kurze Vorbemerkung, Herr Staatssekretär: Ich der dringlichen Fragen steht der Parlamentarische finde es schon erschreckend, dass Sie es offenkundig Staatssekretär Franz Thönnes zur Verfügung. nicht als Problem begreifen, wenn 13 Prozent der Men- schen von Armut bedroht sind. Ich rufe die dringliche Frage 1 der Kollegin Dr. Dagmar Enkelmann auf: Ich komme zu meiner ersten Nachfrage: Inwieweit Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus könnte ein gesetzlich garantierter Mindestlohn zur Ar- der Feststellung des Statistischen Bundesamtes vom Montag, mutsvermeidung beitragen? dem 21. Januar 2008, dass im Jahr 2005 knapp 13 Prozent der Bundesbürger von Armut bedroht gewesen seien und dieser Ein Problem in diesem Land ist die Kinderarmut. Anteil in den letzten Jahren deutlich zugenommen habe? 2,6 Millionen Kinder in Deutschland leben in Armut; Bitte, Herr Staatssekretär. das ist ein Skandal. Dazu meine zweite Nachfrage: Was will die Bundesregierung tun, welche konkreten Maß- nahmen plant die Bundesregierung, um Kinderarmut zu (B) (D) Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär beim Bundes- vermeiden? minister für Arbeit und Soziales: Frau Abgeordnete Dr. Enkelmann, das Statistische Bundesamt berichtet in seiner Pressemitteilung vom Vizepräsidentin Petra Pau: 21. Januar 2008 nicht, dass der Anteil der von Armut be- Das waren jetzt gleich beide möglichen Nachfragen. – drohten Menschen in den letzten Jahren deutlich zuge- Bitte, Herr Staatssekretär. nommen hat. Die amtlichen Daten zeigen, dass das statistische Ri- Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär beim Bundes- siko von Einkommensarmut von 2004 auf 2005 trotz der minister für Arbeit und Soziales: wirtschaftlich angespannten Situation nur geringfügig Frau Dr. Enkelmann, eine Anmerkung zu Ihrer Vorbe- angestiegen ist, nämlich nur um rund 1 Prozentpunkt. In merkung: Damit befassen wir uns schon. Das macht Sor- der Pressemitteilung werden aktuelle Ergebnisse der Er- gen. Wir gehen mit diesem Thema sehr sorgfältig um. hebung „Leben in Europa 2006“ vorgestellt. Die neue Dies hat bereits die Vorgängerregierung im Jahre 2003 Statistik wird mittlerweile in allen EU-Mitgliedstaaten mit der Einführung der Grundsicherung getan, und das sowie in Norwegen und Island einheitlich erstellt und tut die jetzige Koalition dadurch, dass sie die Armuts- liefert als einzige amtliche Quelle international ver- und Reichtumsberichterstattung fortschreibt. Das ist im gleichbare Informationen zu Einkommensverteilung, Koalitionsvertrag so niedergelegt. Armut und Lebensbedingungen in Europa. Ausschlagge- (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Es bend für die Armutsrisikoquote sind die erfragten Vor- geht um Schlussfolgerungen! Der Bericht hilft jahreseinkommen aus 2005. Auf dieser Grundlage hat den Betroffenen nicht!) das Statistische Bundesamt für Deutschland eine Ar- mutsrisikoquote von genau 12,7 Prozent ermittelt. Damit – Ich habe Ihnen gerade gesagt: Wir arbeiten daran. liegt Deutschland deutlich unter dem EU-25-Schnitt von Man kann sich dabei nicht einfach nur auf eine statis- 16 Prozent und gehört zu den Staaten mit geringem Ar- tische Erhebung und Bewertung konzentrieren, sondern mutsrisiko. Lediglich die skandinavischen Länder, wir müssen auch darüber sprechen, wie es mit den Teil- Tschechien und Slowenien schneiden noch besser ab. habechancen, der Bildung und der Arbeit aussieht. Im Im Übrigen ist inzwischen bereits der Dritte Armuts- Dritten Armuts- und Reichtumsbericht wird ein umfas- und Reichtumsbericht der Bundesregierung in Arbeit. sendes Bild beschrieben. Das zeigt, dass die Bundes- Dieser Bericht soll dem Kabinett im Frühjahr 2008 vor- regierung auch bei diesem Thema an entsprechenden gelegt werden, da er nach einem Beschluss des Deut- Antworten arbeitet. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Januar 2008 14543

Parl. Staatssekretär Franz Thönnes (A) Sie wissen auch: Es ist völlig klar, dass das Einkom- Frau Präsidentin! Es geht um die Kinder- (C) men im Alter ein Spiegelbild des Einkommens in der Er- armut!) werbsphase ist. Das heißt, wir müssen alles dafür tun, dass es für die Menschen, die sich in der Erwerbsphase – Dazu gehört auch der Bereich der Kinderarmut. Ich bin befinden, Bildung und Arbeit zu fairen Bedingungen Ihnen sehr dankbar, dass Sie auch daran noch einmal er- gibt. innern. Im Übrigen wird durch die Pressemitteilung des Statistischen Bundesamtes sehr deutlich, dass gerade die Deswegen hat diese Bundesregierung erstens einen Erwerbsfähigkeit und die Ausbildung ein ganz zentrales entsprechenden Gesetzentwurf vorgelegt. Dabei geht es Risikopotenzial bergen. Wenn man keine Arbeit und darum, wie wir beim Arbeitnehmer-Entsendegesetz mit keine Ausbildung hat, dann ist das Risiko, arm zu sein, den Mindestlöhnen umgehen und anhand welcher Krite- besonders hoch. rien dieses Gebiet weiterentwickelt wird, sodass die Ta- Ich habe gerade etwas zu den Ausbildungsplätzen rifvertragsparteien Mindestlöhne für die Menschen und gesagt. Die Integration von Jugendlichen ist das eine. Branchen regeln können, die wollen, dass dieses Gesetz Das andere ist, mit den besonderen Vermittlungs- und Anwendung für sie findet. Kinderbetreuungsaktivitäten der Bundesregierung, der Schaffung von Ganztagsschulplätzen und der Schaffung Zweitens haben wir eine Reform für das Gesetz über von Krippenplätzen dafür zu sorgen, dass Alleinerzie- die Festsetzung von Mindestarbeitsbedingungen vorge- hende Arbeit finden, sodass auch die Kinder dieser El- legt, um auch die Branchen zu erfassen – über einen tern aus der Kinderarmut herauskommen. Ausschuss geregelt –, die nicht unter das Arbeiterneh- mer-Entsendegesetz fallen, um zu gewährleisten, dass Daneben arbeitet diese Bundesregierung an einem die Menschen fair und anständig entlohnt werden. Konzept, die bisher schon herbeigeführte Regelung, nach der 140 000 Kinder sozusagen über ihre Eltern vom Drittens halten wir weiterhin daran fest, konkrete Im- Kinderzuschlag profitieren, auszuweiten. Außerdem pulse zu geben, damit Deutschland auf dem Wachstums- denken wir über einen Erwerbstätigenzuschuss nach. pfad bleibt. Dies haben wir mit dem 25-Milliarden-Euro- Investitionsprogramm getan, was mit dazu beiträgt, dass Es ist sehr kompliziert – auch der Komplex Arbeits- Arbeit und Beschäftigung in den verschiedenen Investi- losengeld II muss berücksichtigt werden –, dies jeweils tionsfeldern – Forschung und Entwicklung, Infrastruk- zu berechnen. Unsere Absicht ist es, über diesen Weg – Kinderzuschlag und Erwerbstätigenzuschlag – die tur, CO2-Gebäudesanierung – entstehen. Das sind nur ein paar kleine Punkte. Schwelle ins Arbeitslosengeld II für diese Menschen er- heblich zu erhöhen, sodass die Kinder aus der Armut he- (B) Viertens hat diese Regierung in den letzten sechs bis rauskommen. (D) sieben Monaten Programme für den Bereich des Arbeits- marktes beschlossen, die gut bis zu 400 000 Menschen (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: betreffen, die es aufgrund ihrer persönlichen Situation Schöne Versprechen!) und besonderer Vermittlungshemmnisse besonders schwer haben, Arbeit zu bekommen. Das sind die bis zu Vizepräsidentin Petra Pau: 100 000 Menschen, die im Rahmen des Kommunal- Eine Nachfrage stellt nun die Kollegin Kornelia kombi-Programms entlohnt werden, das sind die bis zu Möller. 100 000 Menschen, bei denen es große Vermittlungs- hemmnisse gibt, das sind die 100 000 Menschen, die Kornelia Möller (DIE LINKE): hinsichtlich der Ausbildung jetzt eine zweite Chance be- kommen, das sind die 40 000 jungen Menschen, für die Danke. – Herr Staatssekretär, erlauben Sie mir bitte wir zusätzliche Einstiegsqualifizierungsplätze entwickelt auch eine Vorbemerkung. Es ist, glaube ich, sehr frag- haben, das sind die 23 000 Plätze für junge Menschen, bei lich, ob die von Ihnen benannten Kombilohnmodelle wirklich dazu beitragen, dass den betroffenen Menschen denen es hinsichtlich eines Ausbildungsplatzes schwere geholfen wird, oder ob sie nicht vielmehr den betreffen- Vermittlungshemmnisse gibt, das sind die 4 000 Men- den Unternehmen nützen. Darüber können wir uns aber schen, die wir im Bereich der Behindertenpolitik fördern gern noch einmal im Ausschuss unterhalten. – 500 Ausbildungsplätze, 1 000 Plätze für Menschen mit besonderen Behinderungen und 2 500 Plätze für Integra- Zu meiner Frage: Sie haben bereits angemerkt, dass tionsfälle –, usw. Sie tätig werden wollen. Bundeskanzlerin Merkel sagte am 28. November: Ich habe diese Zahlen nur deshalb genannt, damit deutlich wird, dass diese Bundesregierung sehr viel Wert Wir wollen, dass niemand wegen der Kinder in die darauf legt, Beschäftigung zu organisieren und auch de- Bedürftigkeit fällt. nen zu helfen, die besondere Schwierigkeiten haben, Dann sagte sie weiter: damit sie in der Erwerbsphase Arbeit und ein gutes Ein- kommen haben. Das ist die beste Sicherung gegen Al- Deshalb werden wir den Kinderzuschlag erhöhen tersarmut. und vereinfachen. (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Meine Ich möchte von Ihnen wissen, wann eine entsprechende zweite Frage ist nicht beantwortet worden, Gesetzesinitiative vorliegen wird. 14544 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Januar 2008

(A) Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär beim Bundes- Vizepräsidentin Petra Pau: (C) minister für Arbeit und Soziales: Die letzte Nachfrage zu dieser ersten dringlichen Frau Präsidentin, ich enthalte mich jetzt einer Vorbe- Frage stellt die Kollegin Hirsch. – Bitte. merkung, weil wir hier keine Debatte führen, sondern in der Fragestunde sind. Ich versuche daher, mich auf die Cornelia Hirsch (DIE LINKE): Frage zu konzentrieren. Besten Dank. – Herr Staatssekretär, Sie haben gerade Ich habe gerade ausgeführt, dass wir daran arbeiten. ausgeführt, dass Sie zügig und zeitnah daran arbeiten. Sie wissen, dass mehrere Häuser, das Bundesministe- Das Ganze stand als Vorhaben auch schon in der Koali- rium für Familien, Senioren, Frauen und Jugend und das tionsvereinbarung. Seither sind weit über zwei Jahre ver- Finanzministerium, davon tangiert sind. Wir befinden gangen. Was ist damit? uns in einem Diskussionsprozess. Ich kann Ihnen hier jetzt kein Datum nennen; aber wir arbeiten sehr zügig Wir haben im November 2007 eine Kleine Anfrage an daran, weil wir wissen, dass dies ein Thema ist, auf das die Bundesregierung gerichtet und zur Antwort bekom- es zeitnah eine Antwort geben muss. men, die Bundesregierung beabsichtige nicht, den Kin- derzuschlag zu erhöhen. Wir sind da doch etwas ver- Vizepräsidentin Petra Pau: wirrt. Die nächste Nachfrage stellt die Kollegin Lenke. (Zuruf von der CDU/CSU: Das ist öfters so bei euch!) Ina Lenke (FDP): Erst will man es zeitnah und zügig machen, wie es schon Herr Staatssekretär, es geht um den Kinderzuschlag. in der Koalitionsvereinbarung steht, dann plötzlich wie- Meine Frage: Was hat die Bundesregierung bisher ge- der überhaupt nicht. Anschließend kommt die Ankündi- macht, und was will sie angesichts der Tatsache machen, gung der Kanzlerin. Was stimmt denn an dieser Stelle ei- dass nur 12 Prozent aller Antragsteller, die auf einen gentlich? Kinderzuschlag hoffen, diesen Zuschlag gezahlt bekom- men, während 88 Prozent aller Antragsteller eine Ableh- (Zuruf von der CDU/CSU: Die Kanzlerin hat nung erhalten? Außerdem haben wir von der Bundes- immer recht!) regierung erfahren, dass 18 Prozent der Gesamtkosten, die der Kinderzuschlag ausmacht, Verwaltungs- und Bü- rokratiekosten sind. Was haben Sie gemacht, um beim Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär beim Bundes- Kinderzuschlag die Bürokratiekosten zu senken, und minister für Arbeit und Soziales: So ist das eben mit der Fragerei und dem, was man hi- (B) was haben Sie gemacht, um eine höhere Genehmigungs- (D) quote zu erreichen? – Das hat nichts mit der Entfristung neininterpretiert. der Monate des Kinderzuschlags zu tun; nicht, dass Sie (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Es auf meine Frage so antworten. Ich möchte von Ihnen geht um die Antwort der Bundesregierung! – eine klare Antwort. Gegenruf des Abg. Christian Lange [Back- nang] [SPD]: Mäßigen Sie sich ein bisschen!) Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär beim Bundes- minister für Arbeit und Soziales: Vizepräsidentin Petra Pau: Frau Kollegin Lenke, Sie wissen, dass die Frage nach dem Verhältnis von Antragstellern und Bewilligungen Ich bitte darum, die Antwort des Staatssekretärs erst dann, wenn eine Ablehnungsquote von 88 Prozent be- einmal anzuhören. schrieben wird, nicht unbedingt auf einen prinzipiellen Misserfolg des Gesamtleistungspotenzials hinausläuft. Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär beim Bundes- Es geht hier auch darum, mit welcher Erwartung An- minister für Arbeit und Soziales: träge gestellt werden und ob Anträge möglicherweise Ich habe nicht von einer Erhöhung, sondern von einer auch dann gestellt werden, wenn von vornherein klar ist, Ausweitung der bisherigen Regelung zum Kinderzu- dass sie nicht positiv beschieden werden können. Ich schlag gesprochen. Wir wollen den Kreis derjenigen, die habe aber gerade bei Ihrer Vorfragerin ausgeführt, dass vom Kinderzuschlag profitieren – zurzeit wird er für un- genau diese Erfahrungen aus der Vergangenheit berück- gefähr 140 000 Kinder gewährt –, erweitern. Ich habe sichtigt werden müssen, wenn wir jetzt den Erwerbstäti- auch darauf hingewiesen, dass wir damit denjenigen hel- gen- und Kinderzuschuss weiterentwickeln, und zwar fen wollen, die sich hinsichtlich der Bedürftigkeit an der auch hinsichtlich der Frage, wie sich dies so regeln lässt, Schwelle zum Arbeitslosengeld II befinden. Wir wollen dass Erwartungen entsprochen werden kann, dass mög- verhindern, dass sie diese Schwelle überschreiten. lichst viele Kinder dabei erreicht werden und dass die Menschen nicht in die Bedürftigkeit im Hinblick auf An dieser schwierigen Konstruktion, bei der es auch Arbeitslosengeld II hineinfallen. Das gehört alles mit in um die Anrechnung des Einkommens und die Klärung den Komplex hinein, nach dem Ihre Vorfragerin gerade der Bedürftigkeit geht, arbeiten wir zurzeit, und zwar zü- gefragt hat und zu dem ich gesagt habe, dass wir zeitnah gig. Tun Sie mir deshalb den Gefallen, nichts in die be- daran arbeiten und einen Abstimmungsprozess mit den reits gegebenen klaren Antworten auf die Fragestellun- anderen Häusern zu organisieren versuchen, um hier gen hineinzuinterpretieren. Von einer Erhöhung ist nicht bald zu einer Lösung zu kommen. die Rede gewesen. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Januar 2008 14545

(A) Vizepräsidentin Petra Pau: Elke Reinke (DIE LINKE): (C) Damit kommen wir zur dringlichen Frage 2 der Abge- Meine erste kurze Nachfrage lautet: Welche weiteren ordneten Elke Reinke: Erkenntnisse über die Zunahme von Altersarmut liegen Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus der Bundesregierung vor? der Feststellung des Statistischen Bundesamtes vom Montag, dem 21. Januar 2008, dass Ältere – Menschen über 65 Jahre – im früheren Bundesgebiet mit 14 Prozent überdurchschnitt- Vizepräsidentin Petra Pau: lich von Armut betroffen sind, sowie aus den jüngsten War- Bitte, Herr Staatssekretär. nungen der OECD vor einer Wiederkehr der Altersarmut für ihre künftige Rentenpolitik? Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär beim Bundes- Bitte, Herr Staatssekretär. minister für Arbeit und Soziales: Ich habe das eben erläutert. Wir werten zurzeit wei- Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär beim Bundes- tere Untersuchungen aus, die in den Dritten Armuts- und minister für Arbeit und Soziales: Reichtumsbericht Eingang finden werden. Zu diesem Die Antwort lautet wie folgt: Die Armutsrisiko- derzeit laufenden Auswertungsprozess kann ich hier quote der Älteren liegt auf Basis der amtlichen Erhe- keine Daten nennen. Auch hierbei gilt, was ich in meiner bung EU-SILC von 2006 nicht unter dem Wert für die Antwort auf die Frage von Frau Dr. Enkelmann ausge- Gesamtbevölkerung, sondern mit 13,1 Prozent in etwa führt habe: Wir arbeiten derzeit an dem Bericht, der im gleichauf. Ein Grund hierfür ist, dass in EU-SILC gegen- Frühjahr in das parlamentarische Verfahren eintreten wärtig selbstgenutztes Wohneigentum nicht als fiktives wird. Wir werden mit Sicherheit im Laufe des ersten Einkommen in die Berechnung miteinbezogen wird. Äl- Halbjahrs Gelegenheit haben, im Deutschen Bundestag tere Haushalte weisen eine höhere Eigentumsquote und darüber zu diskutieren. geringere Hypothekenbelastungen auf. Wie sich aus anderen Studien ergibt, führt eine Be- Vizepräsidentin Petra Pau: rücksichtigung dieses Einkommensvorteils zu einer un- Sie haben die Möglichkeit zu einer zweiten Nach- ter der Gesamtquote für die Bevölkerung liegenden frage. Armutsrisikoquote Älterer. Voraussichtlich wird selbst- genutztes Wohneigentum in die EU-SILC-Ergebnisse Elke Reinke (DIE LINKE): für das Jahr 2007 eingehen. Meine zweite Nachfrage lautet: Wie bewerten Sie die Die Warnung vor einer Zunahme der Altersarmut be- Einschätzung des Deutschen Paritätischen Wohlfahrts- verbandes, dass bis 2020 der Anteil der von Altersarmut (B) zieht sich auf die Ergebnisse der 2007 von der OECD (D) veröffentlichten Studie „Pensions at a Glance“. Diese Betroffenen auf bis zu 10 Prozent steigen könne? Wie Publikation zeigt, dass Deutschland mit seinen Refor- wollen Sie diesen Trend stoppen? Die Variante Riester- men im Bereich der Alterssicherung im internationalen Rente zieht wohl nicht mehr. Vergleich bereits weit vorangekommen ist und die einge- leiteten Maßnahmen angemessene Antworten auf die de- Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär beim Bundes- mografischen und gesellschaftlichen Herausforderun- minister für Arbeit und Soziales: gen sind. Die Bundesregierung hat sich bei den von ihr in den letzten Jahren eingeleiteten Schritten zur Sicherung des Aus den Ergebnissen der OECD geht hervor, dass als Einkommens im Alter sehr stark darauf konzentriert, Folge der Reformen in Zukunft die gesetzliche Renten- Chancen und Gelegenheiten zum Aufbau einer zusätzli- versicherung, die private Rentenversicherung und die chen privaten und betrieblichen Altersvorsorge zu ge- betriebliche Altersvorsorge gemeinsam dazu beitragen, ben. Ich erinnere an die Renaissance der betrieblichen dass der Lebensstandard gewahrt werden kann. Dies gilt Altersvorsorge mit dem Recht auf Entgeltumwandlung. auch für Geringverdiener, deren Renteneinkommen nach Ich erinnere daran, dass wir noch vor kurzer Zeit im den Berechnungen der OECD im Übrigen oberhalb der Deutschen Bundestag entschieden haben, die Sozialver- Grundsicherung für Ältere liegen. sicherungs- und die Steuerfreiheit für die hierfür aufge- Die Berechnungen der OECD zeigen aber auch, dass wendeten Beiträge fortzuführen. Ich erinnere daran, dass in Verbindung mit der geförderten zusätzlichen Alters- heute rund 17,3 Millionen Menschen einen Rechts- vorsorge der Lebensstandard der Rentnerinnen und anspruch auf betriebliche Altersvorsorge haben. Ich erin- Rentner auch in Zukunft auf dem heutigen Niveau gehal- nere an den rasanten Anstieg der Zahl derjenigen, die ten werden kann. Somit bestätigt die OECD den von der einen Riester-Vertrag abgeschlossen haben. Das sind in- Bundesregierung eingeschlagenen Kurs, bei Wahrung zwischen über 10 Millionen Menschen. Das alles trägt der finanziellen Tragfähigkeit der Rentenversicherung zur Sicherung des Einkommens im Alter bei. Das sollten einen angemessenen Lebensstandard der Älteren durch wir bei der Einschätzung zukünftiger Entwicklungen be- die Kombination von gesetzlicher Rentenversicherung rücksichtigen. und staatlich geförderter zusätzlicher Altersvorsorge zu Das Einkommen im Alter ist das Spiegelbild des Ein- sichern. kommens in der Erwerbsphase. Faire Löhne, Mindest- entlohnungsbedingungen und Mindestlöhne haben somit Vizepräsidentin Petra Pau: Einfluss auf das Einkommen im Alter. Die beiden ent- Sie haben das Wort zu Ihrer ersten Nachfrage, bitte. sprechenden Gesetzentwürfe hat Bundesarbeitsminister 14546 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Januar 2008

Parl. Staatssekretär Franz Thönnes (A) Scholz hier vorgelegt. Des Weiteren müssen wir Be- besteht das Problem darin, dass ein Anspruch auf (C) schäftigung organisieren. Das ist die gleiche Argumenta- Riester-Rente auf die Grundsicherung im Alter ange- tion wie eben. rechnet wird. Noch ein Hinweis. Heute sind rund 2 Prozent der über 65-Jährigen auf Grundsicherung im Alter angewiesen. Vizepräsidentin Petra Pau: Die Grundsicherung im Alter ist eine solidarische Leis- Ich glaube, die Frage ist deutlich geworden. tung aller Steuerzahlerinnen und Steuerzahler für die Menschen, die im Alter kein ausreichendes Einkommen Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): haben, egal aus welchen Gründen. Darunter sind viele Das führt aus unserer Sicht zu Fehlanreizen, die drin- Menschen, die keine Gelegenheit hatten, zu arbeiten, gend beseitigt werden müssen. Sehen Sie das auch so? wie ältere Frauen, die nach dem Krieg Kinder erzogen haben. Darunter sind auch welche, die keine Arbeit ge- Vizepräsidentin Petra Pau: funden haben oder einer Arbeit nachgegangen sind, die Herr Staatssekretär. nicht sozialversicherungspflichtig gewesen ist. 2003 ha- ben wir geregelt, auf den Unterhaltsrückgriff auf Fami- lienmitglieder weitestgehend zu verzichten. Man muss Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär beim Bundes- also beim Sozialamt nichts offenlegen, sondern hat An- minister für Arbeit und Soziales: spruch auf Grundsicherung. Diese beträgt im Schnitt für Ich könnte jetzt einfach sagen: Nein. – Ich will das die über 65-Jährigen 627 Euro. Damit sind auch Woh- Nein gerne begründen, Kollege Kolb. nungs- und Heizungskosten abgedeckt. Das ist eine soli- Erstens müssen wir – das sage ich noch einmal deut- darische Leistung aller Steuerzahlerinnen und Steuer- lich – daran arbeiten, Arbeit und Beschäftigung zu fairen zahler für diejenigen, die ihren Lebensunterhalt nicht aus Löhnen zu erreichen. Das heißt im Kern: Vollzeitarbeit. eigener Kraft bestreiten können. Rund 2 Prozent der Man muss dazu sagen, dass Menschen für die Zeiten, in über 65-Jährigen kommt diese gesetzliche Regelung zu- denen sie in Teilzeit arbeiten, manchmal auch eigenver- gute; das sind ungefähr 370 000 Männer und Frauen in antwortlich und selbst entschieden, bei knapp 850 Euro Deutschland. Das ist eine gute Leistung. Monatseinkommen einen Rentenanspruch erwerben, der über der Grundsicherung liegt, wenn man von der Man darf aber von den heutigen Bedingungen keine Riester-Förderung Gebrauch macht. Bei einem Einkom- Rückschlüsse auf die Zukunft ziehen. Wenn jemand men von 850 Euro und Inanspruchnahme von Riester- heute 800 Euro verdient, dann bedeutet das nicht, dass er Förderung erhält man im Alter mit gesetzlicher Rente in seiner 30-jährigen Erwerbsphase dauerhaft 800 Euro und Riester-Rente mehr als 627 Euro. Wir haben die verdienen wird. Man kann nicht voraussagen, wann Pha- Förderbedingungen für die Riester-Rente so günstig ge- sen der Selbstständigkeit und der Arbeitslosigkeit ein- (B) staltet, dass auch Phasen der Arbeitslosigkeit mit einem (D) treten. Damit Sie die ganze Komplexität deutlich wahr- Beitrag von 5 Euro im Monat überbrückt werden kön- nehmen: Wir haben im Rentenversicherungsrecht zum nen, sodass die Riester-Verträge weiterlaufen. Im Be- Beispiel geregelt, dass es für Kindererziehungszeiten zu- reich der unteren Einkommen, insbesondere bei Fami- sätzliche Entgeltpunkte gibt. Da Sie nicht alle biografi- lien mit Kindern, werden teilweise Förderquoten von schen Verläufe konkret voraussagen können, können Sie 70 bis zu 90 Prozent erreicht. Ich glaube, damit haben auch nicht behaupten, in 30 Jahren liege die Altersarmut wir gute Voraussetzungen für ein angemessenes Ein- bei 10 Prozent. Ich halte nichts davon, mit solchen Zah- kommen auch im Alter geschaffen. len zu operieren. Wir stehen heute in der Verpflichtung, alles dafür zu tun, Arbeits- und Ausbildungsplätze zu Ich wiederhole: Man sollte nicht davon ausgehen, schaffen sowie Menschen zu fairen und anständigen dass dauerhaft in Teilzeit gearbeitet wird oder dass wir Löhnen in Beschäftigung zu bringen. es überwiegend mit gebrochenen Erwerbsbiografien zu tun haben. Ich glaube, dass eine vernünftige Abdeckung Vizepräsidentin Petra Pau: über die ganze Wegstrecke gewährleistet sein kann. Die erste Nachfrage stellt der Kollege Kolb. Vizepräsidentin Petra Pau: Wir haben noch zwei Nachfragen zu dieser zweiten Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): dringlichen Frage. Als Erste hat die Kollegin Herr Staatssekretär, geben Sie mir recht, dass das Ri- Dr. Enkelmann das Wort. siko der Altersarmut insofern steigt, als eine Senkung des Rentennettoniveaus vor Steuern im RV-Nachhaltig- Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE): keitsgesetz vorgesehen ist? Gerade in den neuen Bun- Herr Staatssekretär, da Sie auf konkrete Fragen sehr desländern gibt es viele Personen, die Phasen längerer unkonkret sehr viel reden, versuche ich es noch einmal. Erwerbslosigkeit zu verzeichnen haben. Insgesamt gibt Stichwort Riester-Rente. es in unserem Land zudem einen Trend hin zu mehr Teil- zeitarbeit. Nur noch zwei Drittel der Beschäftigten ver- Sie haben über Lebensstandardsicherung im Alter ge- fügen heutzutage über eine Vollzeitarbeitsstelle. Der An- sprochen, unter anderem durch geförderte private Alters- teil der gesetzlichen Rente wird also deutlich rückläufig vorsorge. Wie passt es zusammen, wenn dann bei Be- sein. Sieht die Bundesregierung vor diesem Hintergrund troffenen, die Grundsicherung im Alter erhalten, das die Notwendigkeit, den Anreiz für Geringverdiener und angerechnet wird, was sie mit der Riester-Rente ange- Personen mit gebrochenen Erwerbsverläufen zum Auf- spart haben? Sind Sie bereit, diese Anrechnung endlich bau einer privaten Altersvorsorge zu verstärken? Heute zu beenden? Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Januar 2008 14547

(A) Vizepräsidentin Petra Pau: pflichtung und Freiwilligkeit gezogen werden muss. (C) Herr Staatssekretär. Wenn bei den Vorsorgeformen, die Sie aufgeführt haben, Freiwilligkeit herrscht, dann muss diese Freiwilligkeit Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär beim Bundes- geschützt werden. minister für Arbeit und Soziales: Meine Frage zielt auf Ihre Aussage, jemand mit ei- Frau Dr. Enkelmann, das passt wie folgt zusammen: nem Einkommen von 850 Euro könne mit seinen Ein- § 2 des Sozialgesetzbuches XII beschreibt das Nachran- zahlungen in das gesetzliche Rentensystem und mit einer gigkeitsprinzip der Sozialhilfe. Damit ist einfach Fol- Riester-Rente schon den Grundsicherungsbetrag errei- gendes umschrieben: Das, was solidarisch von allen chen. In der Anhörung, die wir am Montag hatten, wurde Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern für jemanden auf- gesagt, dass es die Möglichkeit gibt, dass genau jemand gebracht wird, der aus eigener Kraft seine Existenz öko- aus diesem Personenkreis mit 63 Jahren im Falle der Ar- nomisch nicht sichern kann, wird erst aufgebracht, nach- beitslosigkeit vorzeitig mit Abschlägen in Rente ge- dem derjenige, sofern er eigenes Einkommen oder schickt werden kann. Die Abschläge bewegen sich circa eigenes Vermögen hat, dieses eingesetzt hat. Erst dann zwischen 7 und 14 Prozent. Dann gäbe es doch ein grö- kommen die Leistungen der Solidargemeinschaft, in ßeres Problem gerade für die Bezieher niedriger Ein- dem Fall der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, zum kommen. Hat die Bundesregierung vor diesem Hinter- Einsatz. Dieses Nachrangigkeitsprinzip zieht sich durch grund vielleicht nicht doch die Möglichkeit, die das ganze Sozialrecht. Darauf bitte ich immer sehr genau Gesetzeslücke zu schließen? zu achten, Frau Dr. Enkelmann, weil wir an dieser Posi- tion Orientierung brauchen. Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär beim Bundes- Würde man hier eine Veränderung herbeiführen, minister für Arbeit und Soziales: käme sofort die nächste Frage: Wie behandeln wir in Kollege Rohde, wir haben gerade heute Morgen im dem Zusammenhang die anderen Einkommensarten wie Ausschuss darüber debattiert, wie mit dem Prinzip um- Rente, Lebensversicherung oder Vermögen, das mögli- gegangen wird, dass man dann, wenn Rentenansprüche cherweise aus Grund- und Hauseigentum besteht? Wenn vorhanden sind, von der Möglichkeit des vorzeitigen Sie bei der Grundsicherung das, was an Riester-Rente Eintritts in die Rente Gebrauch machen sollte. Wir haben angespart worden ist, nicht verrechnen, stellt sich auto- heute Morgen auch darüber diskutiert, dass das auch et- matisch die Frage: Darf eine andere Rente möglicher- was mit dem Arbeitsplatzangebot zu tun hat. Ich glaube, weise auch nicht angerechnet werden? Ich sage ganz bei den Erwerbsverläufen, die da sind, tritt an der Stelle deutlich: Es ist nicht möglich, auf den Grundsicherungs- bei denjenigen, über die wir heute sprechen, dieses Pro- anspruch quasi noch ein Plus oben drauf zu setzen, blem nicht auf; denn diese haben in der Regel Erwerbs- phasen und, wenn sie arbeitslos waren, Anrechnungszei- (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Das haben (B) ten in der Rentenversicherung, die über 42, 43, bis hin zu (D) Sie den Leuten aber vorgegaukelt!) 45 Jahren gehen. sodass am Ende derjenige, der nur die Möglichkeit hatte, sich eine geringe Rente zu erarbeiten, dadurch einen Vizepräsidentin Petra Pau: Nachteil hätte. Die nächste Nachfrage stellt der Kollege Dr. Troost. Dieses Nachrangigkeitsprinzip müssen Sie beachten. Ich glaube, es ist ein gutes Prinzip, dann zu helfen, wenn Dr. Axel Troost (DIE LINKE): jemand keine eigenen Einkommen hat und nichts Eige- Herr Staatssekretär, haben Sie gestern den Kommen- nes einbringen kann. Dann ist die Solidargemeinschaft tar von Lucas Zeise in der Financial Times Deutschland da. Ist es anders und kann Einkommen eingebracht wer- mit der Überschrift „Genug geriestert“ gelesen? Für den, dann muss dieses auch eingebracht werden. Daher meine Begriffe wird dort das Grundproblem völlig rich- wird es keine Änderung an dieser Stelle geben. tig beschrieben. Die Riester-Förderung, die sehr viel Geld kostet, wird bei denjenigen, die im unteren Ein- (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: kommenssegment arbeiten, letztlich nichts bewirken; sie Betrug!) ist vielmehr für die Katz, weil diese Menschen sowieso die Aufstockung bekommen. Diejenigen, die letztlich Vizepräsidentin Petra Pau: von der Riester-Förderung profitieren, sind die mit relativ Es drängt viele Kolleginnen und Kollegen, zu dieser hohen Einkommen. Da stellt sich die Frage, ob dieses In- Frage nachzufragen. Ich will Nachfragen gerne zulassen, strument überhaupt noch gebraucht wird. Ich glaube, die- appelliere aber an die Fragesteller, sich um präzise Fra- ser Kommentar – ich kann ihn auch allen Kolleginnen und gen zu bemühen, sodass es dem Staatssekretär möglich Kollegen empfehlen – bringt das Gesamtproblem auf den ist, kurz zu antworten. Punkt. Vor dem Hintergrund muss die ganze Riester-För- derung für meine Begriffe neu überdacht werden. (Beifall des Abg. Hans-Michael Goldmann [FDP]) Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär beim Bundes- Das Wort hat der Kollege Rohde. minister für Arbeit und Soziales: Wenn das der Tenor des Artikels ist – zu Ihrer ersten Jörg Rohde (FDP): Frage: Ich habe ihn nicht gelesen –, dann teile ich die Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Staatssekretär, Meinung des Autors, so wie Sie sie wiedergegeben ha- bei der Frage, die eben aufgeworfen wurde, geht es da- ben, nicht. Ich wiederhole: Bei einer Einkommenshöhe rum, dass die Trennlinie zwischen gesetzlicher Ver- von 850 Euro und einer Einzahlung in die Rentenver- 14548 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Januar 2008

Parl. Staatssekretär Franz Thönnes (A) sicherung lohnt sich die Riester-Rente. Alle Berechnun- dem 21. Januar 2008, dass Menschen, die 2005 781 Euro im (C) gen, die angestellt werden und die besagen, die Riester- Monat zur Verfügung hatten, als armutsgefährdet betrachtet werden müssen, für ihre Überprüfung der Regelsätze in den Rente würde sich nicht lohnen, implizieren immer die Grundsicherungssystemen? Aussage: Du hast sowieso keine Chance, auf deiner lan- gen Wegstrecke irgendwann ein gutes Einkommen oder (Anhaltende Zurufe von der FDP) eine richtige Vollzeitbeschäftigung zu bekommen. – Das ist nicht unser Weltbild. – Liebe Kollegen aus der FDP-Fraktion, dieses Thema mag vertiefungswürdig sein, aber jetzt sind wir bei der Wir wollen vielmehr dazu beitragen, dass Menschen dringlichen Frage 3 der Kollegin Hirsch, und das Wort Arbeit bzw. Beschäftigung und eine faire Entlohnung hat der Parlamentarische Staatssekretär. bekommen. Das ist im Kern bei dem Großteil der Fall. Es gibt einige Arbeitnehmer – sonst würden wir die poli- Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär beim Bundes- tische Debatte über Mindestlöhne nicht führen –, bei de- minister für Arbeit und Soziales: nen das nicht der Fall ist. Wir müssen darüber reden, wie wir andere Risiken im Bereich des Arbeitslebens besser Zwischen der Höhe des vom Statistischen Bundesamt absichern können. Daraus zu schlussfolgern, ein Riester- errechneten Werts und der Höhe der Eckregelsätze gibt Vertrag würde sich nicht lohnen, würde dem widerspre- es keinen Zusammenhang. chen, was zum Beispiel die Stiftung Warentest in der Die vom Statistischen Bundesamt berechnete Armuts- Zeitschrift Finanztest bewiesen hat: Riester lohnt sich risikoquote bzw. die damit verbundene Schwelle sind für die Menschen. Ich kann nur hinzufügen: Einen Ver- statistische Messzahlen zur Erfassung der Einkommens- trag über eine Riester-Rente abzuschließen, muss ein verteilung. Anders als bei den Eckregelsätzen bzw. dem persönliches Präjudiz sein. Wir sind davon überzeugt; Grundsicherungsbedarf geht es bei dieser Statistik nicht sonst wären wir auch nicht zu dem Ergebnis gekommen, darum, das gesellschaftlich notwendige Minimum an über die Aktion „Altersvorsorge macht Schule“ zusam- materiellem Lebensstandard und Teilhabemöglichkeiten men mit den Volkshochschulen die Riester-Rente be- zu definieren. kannter zu machen und deutlich zu machen, dass die ge- setzliche Rentenversicherung, private und betriebliche In der Analyse des Statistischen Bundesamtes wird Altersvorsorge dazu beitragen, ein angemessenes Aus- die im Rahmen der Methode der offenen Koordinierung kommen im Alter zu haben. zwischen den EU-Mitgliedstaaten vereinbarte Definition des Armutsrisikos zugrunde gelegt. Damit ist die mitt- Vizepräsidentin Petra Pau: lere Einkommenssituation der Referenzpunkt. Dem Die letzte Nachfrage zu dieser dringlichen Frage stellt Risiko der Einkommensarmut unterliegt derjenige, des- (B) der Kollege Haustein. sen Einkommen einen bestimmten Mindestabstand zum (D) Mittelwert in der Gesellschaft aufweist. Als Konvention wurden dabei 60 Prozent des bedarfsgewichteten Median- Heinz-Peter Haustein (FDP): einkommens ausgewählt. Herr Staatssekretär, stimmen Sie mir zu, dass man 35 Jahre lang 1 850 Euro brutto braucht – so sind unsere Entscheidend ist, dass diese Armutsrisikogrenze nur Berechnungen –, um Grundsicherungsniveau zu errei- eine statistische Kennziffer ist. Ihre Höhe hängt von ver- chen? Wie kommen Sie darauf, dass man nur 800 Euro schiedenen normativen Festlegungen wie der Wahl eines im Monat braucht, um dieses Niveau zu erreichen? Mittelwerts oder der Festlegung eines Gewichtungs- verfahrens für Mehrpersonenhaushalte ab. So hat zum (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Das Beispiel das Land Nordrhein-Westfalen in seiner Ar- stimmt nie im Leben!) mutsberichterstattung 50 Prozent des Durchschnittsein- kommens als Schwelle definiert, wodurch der Wert dort Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär beim Bundes- deutlich niedriger ist. minister für Arbeit und Soziales: Die Rentenberechnungen sind im Kern darauf ausge- Die Armutsrisikoquote ist eine Messzahl, mit der ein legt: 45 Jahre und durchschnittliches Einkommen; das Aspekt der Ungleichheit in der Einkommensverteilung durchschnittliche Jahreseinkommen im Jahr 2006 lag, statistisch gemessen wird. Die Armutsrisikoquote stellt glaube ich, bei knapp 30 000 Euro. Es ist notwendig, nur eine Zwischengröße hin zu dem Berechnungswert 27 Jahre Rentenversicherungsbeiträge zu zahlen, um dar. eine Leistung oberhalb der Grundsicherung zu erhalten. Dass diese statistische Maßzahl nichts mit der land- (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Das läufigen Vorstellung von Armut zu tun hat, zeigt auch ist doch realitätsfern! Das stimmt auch nicht! – folgendes Beispiel: Würden sich die Einkommen aller Zuruf von der FDP: Moment mal! – Weitere Personen in Deutschland auf einen Schlag verdoppeln, Zurufe von FDP) so wäre auch die Armutsrisikogrenze, die ja in Relation zum Mittelwert errechnet wird, doppelt so hoch. Die Ar- mutsrisikoquote, also der Anteil der Personen mit einem Vizepräsidentin Petra Pau: Einkommen unter dieser Grenze, bliebe also unverän- Wir kommen damit zur dringlichen Frage 3 der Kol- dert. legin Hirsch: Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Das der Feststellung des Statistischen Bundesamtes vom Montag, ist eine starke Argumentation!) Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Januar 2008 14549

(A) Vizepräsidentin Petra Pau: ist, die Zeiträume zwischen den Erhebungen zu verkür- (C) Die Kollegin Hirsch hat das Wort zu einer Nachfrage. zen oder die Auswertung zu beschleunigen. Eine weitere Frage ist, wie wir auf die Bedürfnisse Cornelia Hirsch (DIE LINKE): von Kindern reagieren. Der Vorgänger von Bundesar- Wir freuen uns zunächst einmal über Ihre fast schon beitsminister Scholz, Franz Müntefering, hat hierzu in politische Forderung, dass sich die Einkommen der ab- einer Debatte im Deutschen Bundestag sinngemäß ge- hängig Beschäftigten in Zukunft verdoppeln sollen. Ich sagt: Wir müssen darüber reden, ob wir bei den Kindern glaube, das ist ein guter Ansatzpunkt. Es würde viel- etwas im Bereich des Mittagessens tun können, also wie leicht schon helfen, mit dem gesetzlichen Mindestlohn gewährleistet werden kann, dass Kinder von Eltern, die zunächst einmal eine Untergrenze einzuziehen. von Grundsicherung, Arbeitslosengeld II leben, ein war- Aber nun zu meiner konkreten Nachfrage. Offensicht- mes Mittagessen in der Schule bekommen. lich hängen die Regelsätze und die beschriebene Gefähr- Wir haben weiterhin darüber nachgedacht und denken dung, in Armut hineinzufallen oder sich schon in Armut auch noch darüber nach – das wurde auch schon damals zu befinden, irgendwie zusammen. Wir können ganz von Franz Müntefering angekündigt –, ob man auch et- deutlich feststellen, dass die aktuellen Regelsätze nicht was zum Zeitpunkt der Einschulung machen kann, wenn ausreichen. Wenn ich mir das beispielsweise aus der bil- Schulranzen und andere Dinge gekauft werden müssen. dungspolitischen Perspektive anschaue, komme ich zu dem Schluss, dass das, was anhand des Regelsatzes be- Die Debatte hierüber führen wir zurzeit intern. Wir rechnet wird, nicht ausreichend ist, zum Beispiel das arbeiten daran. Um hierzu etwas vorlegen zu können, be- Mittagessen in Ganztagsschulen zu bezahlen. darf es weiterer Abstimmungsprozesse. Das Thema steht also weiterhin bei uns auf der Tagesordnung. Das alles Meine Nachfrage lautet einfach, ob die Bundesregie- ändert natürlich nichts an der Prozedur, wie bisher die rung diese Feststellung des Statistischen Bundesamts Regelsätze erhoben werden. zum Anlass nimmt, um vielleicht doch eine ganz deutli- che Erhöhung der Regelsätze anzustoßen. Vizepräsidentin Petra Pau: Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär beim Bundes- Sie haben die Möglichkeit zu einer zweiten Nach- minister für Arbeit und Soziales: frage. – Bitte. Frau Kollegin Hirsch, es gibt hierzu einen gesetzli- chen Rahmen, in dem wir uns bewegen – er ist von die- Cornelia Hirsch (DIE LINKE): sem Haus festgelegt worden und so auch mit den Län- (B) Kurze Vorbemerkung: Danke schön, dass Sie daran (D) dern geregelt –, nach dem für die Festlegung der arbeiten und sich darüber Gedanken machen. Aber die Eckregelsätze die Einkommens- und Verbrauchsstich- Menschen brauchen jetzt Lösungen und Antworten. Da- probe zugrunde gelegt wird. Diese Einkommens- und für sind gesetzliche Maßnahmen von Ihrer Seite nötig. Verbrauchsstichprobe wird alle fünf Jahre in der Gruppe Danke schön auch, dass Sie noch einmal dargestellt ha- derjenigen in der Bevölkerung durchgeführt, die zu den ben, wie das Verfahren zur Festlegung der Eckregelsätze unteren 20 Prozent im Einkommensbereich gehören. In aussieht. der Vergangenheit wurden die Sozialhilfebezieher he- rausgenommen, um diesen Personenkreis nicht mitzuer- Nun meine Nachfrage: Halten Sie das Verfahren zur fassen. Wir wollen nämlich ein Bild von dem Ausgaben- Festlegung der Eckregelsätze grundsätzlich für ein sinn- verhalten der unteren 20 Prozent erhalten, auf dessen volles Verfahren, wenn es dazu führt, wie wir vorhin ge- Basis das Statistische Bundesamt das soziokulturelle hört haben, dass 13 Prozent der Bürgerinnen und Bürger Existenzminimum für diejenigen berechnet, die aus ei- in diesem Land von Armut bedroht sind? Daran wird gener Kraft kein eigenes Einkommen erwirtschaften doch deutlich, dass irgendetwas mit diesem Verfahren können. Das Ergebnis dieser Berechnung unterliegt dann nicht stimmt. Man müsste deshalb doch darüber nach- noch den entsprechenden gesetzlichen Anpassungsvor- denken, ob es wirklich sinnvoll ist. Denkt die Bundesre- schriften, gemäß denen die Eckregelsätze so wie die gierung also über Alternativen nach, um eine armuts- Renten angepasst werden müssen. Auf dieser Basis liegt feste Grundsicherung zu gewährleisten? der Betrag heute bei 347 Euro. Zusätzlich werden von den Kommunen und für Arbeitslosengeld-II-Empfänger Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär beim Bundes- auch anteilig vom Bund die Miet- und die Heizkosten minister für Arbeit und Soziales: übernommen. Frau Kollegin Hirsch, bis 1988/89 lag der Erhebung In den vergangenen Monaten haben wir nun eine Dis- ein Warenkorbmodell zugrunde. Damals war man auf kussion in diesem Hause geführt, ob man aufgrund der breiter politischer Front – Ministerpräsidenten und Deut- Preissteigerungen reagieren müsse, da die Eckregelsätze scher Bundestag – der Meinung, dass dieses Modell ja schon vor etwas längerer Zeit festgelegt wurden. Die nicht ausreicht, das soziokulturelle Existenzminimum zu Erhebungsbasis ist schon etwas älter. Zurzeit wird die bestimmen. Man ist zum Modell der Einkommens- und Erhebung des Jahres 2008 durchgeführt. Da nun ein lan- Verbrauchsstichprobe übergegangen. Ich glaube, dass ger Zeitraum zwischen den Erhebungen liegt und für die sich dieses bislang bewährt hat. Angesichts der Dynamik Auswertung auch noch einmal zwei Jahre benötigt wer- mancher Entwicklungen wird kritisch hinterfragt, ob der den, debattieren wir im Moment darüber, ob es möglich Zeitraum von fünf Jahren zu lang ist, und überlegt, wie 14550 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Januar 2008

Parl. Staatssekretär Franz Thönnes (A) der Auswertungsprozess beschleunigt werden kann. An das warme Mittagessen für Kinder gefordert hat. Nur, (C) beiden Punkten arbeiten wir. der Kollege Müntefering ist nicht mehr in dieser Regie- rung. Wann also wird aus den vielen Ankündigungen der Ich wiederhole aber noch einmal, was ich schon in Koalitionsvereinbarung von 2005 und den vielen An- meinen vorherigen Antworten gesagt habe: Wir wollen kündigungen von heute, etwas gegen Armut zu tun, end- nach Möglichkeit dafür sorgen, dass die Menschen nicht lich konkrete Politik? auf Grundsicherung und Arbeitslosengeld II angewie- sen sind, weil Arbeit und Beschäftigung da ist. Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär beim Bundes- (Zurufe von der LINKEN) minister für Arbeit und Soziales: Deswegen diskutieren wir vor dem Hintergrund der ho- Frau Kollegin Enkelmann, Kollege Scholz setzt die hen Zahlen an Aufstockern über Mindestlöhne. Deswe- Arbeit, die Bundesarbeitsminister a. D. Franz gen debattieren wir darüber, wie Jugendliche, die die Müntefering eingeleitet hat, fort. Ich habe Ihnen gerade Schule ohne Abschluss verlassen haben, einen Haupt- gesagt: Wir arbeiten sehr intensiv an dem Abstimmungs- schulabschluss nachholen können, damit sie eine Chance prozess zwischen den Häusern, was den Kinderzuschlag auf einen Ausbildungsplatz haben. Deswegen haben wir und den Erwerbstätigenzuschuss angeht. Ich habe Ihnen Beschäftigungsprogramme aufgelegt. All das sind sozu- gerade gesagt, dass wir Programme für bis zu sagen Voraussetzungen dafür, um die Inanspruchnahme 400 000 Menschen aufgelegt haben, damit sie in Ausbil- von Leistungen, die die Steuerzahlerinnen und -zahler fi- dung, Arbeit und Beschäftigung kommen können. nanzieren, im Bereich der Grundsicherung letzten Endes Ebenso habe ich Ihnen gerade gesagt, wie wir die unnötig zu machen. In den Fällen, wo die Inanspruch- Riester-Rente fördern. nahme doch nötig wird, wollen wir, dass es sich dabei (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Wann, um einen möglichst kurzen Zeitraum handelt, indem wir war die Frage!) den Menschen helfen, aus eigener Kraft wieder aus die- ser Situation herauszukommen. Ich erinnere auch daran, dass wir hier gerade die Förder- bedingungen für Kinder erheblich verbessert haben. Vizepräsidentin Petra Pau: Dies passiert zeitnah. Das Wort zu einer Nachfrage hat der Kollege Kolb. (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Was heißt das?) Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): – Sie wollen ein Datum wissen? Herr Staatssekretär, würden Sie mir zustimmen, dass (B) jemand, der 35 Jahre lang auf der Basis von 800 Euro (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Ja!) (D) brutto Rentenbeiträge gezahlt hat und am Schluss mit – Ich kann Ihnen an dieser Stelle kein Datum nennen. einer Rente von 300 Euro nach Hause geht, damit deut- Wir arbeiten zügig daran. lich armutsgefährdet ist, dass jemand, der 45 Jahre 1 450 Euro brutto verdient und auf dieser Basis Beiträge (Bodo Ramelow [DIE LINKE]: Liefern Sie es gezahlt hat, am Ende eine Rente allenfalls auf Grundsi- doch zügig nach!) cherungsniveau erzielt und dass in beiden Fällen der Ab- Ich denke, dass wir Ihnen an dieser Stelle bald die Er- schluss eines privaten Riester-Vertrages keinen Sinn gebnisse präsentieren können. macht? (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Wir (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: So ist werden dranbleiben!) es!)

Vizepräsidentin Petra Pau: Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär beim Bundes- minister für Arbeit und Soziales: Die nächste Nachfrage stellt die Kollegin Reinke. Ich kann die Zahlen und die Rechnungen, die Sie ge- rade vorgetragen haben, an dieser Stelle so nicht bestäti- Elke Reinke (DIE LINKE): gen; aber ich kann Ihnen sagen: 850 Euro und Riester- Ich möchte noch einmal nachfragen zu dem Wann. Rente führen im Ergebnis dazu, dass man im Kern ober- Was bedeutet für Sie „zeitnah“? Heißt das, im Sommer, halb der Grundsicherung liegt. im Herbst, kurz vor den Bundestagswahlen? Auch das Jahr wäre nicht schlecht. Wir sind da hartnäckig; denn (Bodo Ramelow [DIE LINKE]: Und die Erde wir müssen den Leuten ja auch etwas sagen können, zum ist eine Scheibe!) Beispiel: Haltet noch ein bisschen durch! Die Bundesre- gierung macht sich gerade einen Kopf. Zeitnah wird euer Vizepräsidentin Petra Pau: Hunger gestillt. Die nächste Nachfrage stellt die Kollegin Dr. Enkelmann. Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär beim Bundes- minister für Arbeit und Soziales: Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE): Frau Präsidentin, ich bitte um Nachsicht. Ich habe Herr Staatssekretär, Sie haben dankenswerterweise diese Frage im Kern gerade zwei- oder dreimal beant- daran erinnert, dass der Kollege Müntefering tatsächlich wortet Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Januar 2008 14551

Parl. Staatssekretär Franz Thönnes (A) (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Nein! All diese Fragen können Sie nicht auf die Zukunft (C) Sie haben eben nicht geantwortet!) projizieren, und Sie können daher nicht schon jetzt sa- gen, ob jemand in Zukunft auf Grundsicherung angewie- und verweise auf das Protokoll. sen ist und dementsprechend seine Riester-Förderung in seine Grundsicherung – in diesem Fall spricht man da- Vizepräsidentin Petra Pau: von, dass sie angeblich umsonst gewesen ist – einbrin- Wir sind in der Fragestunde. Ich bitte darum, dass je- gen muss. Dies lässt sich für den Einzelfall nicht genau weils Fragesteller wie auch Staatssekretäre aussprechen vorhersagen. können. – Herr Staatssekretär, waren Sie fertig? – Gut, (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Eine dann hat für die letzte Nachfrage zu dieser Frage der Eierei!) Kollege Rohde das Wort. Vizepräsidentin Petra Pau: Jörg Rohde (FDP): Danke, Herr Staatssekretär. Herr Staatssekretär, ich bin sehr verwundert, dass Sie die Frage des Kollegen Kolb eben mit Nichtwissen be- Wir kommen damit zum Geschäftsbereich des Bun- antwortet haben. desministeriums für Wirtschaft und Technologie. Zur Beantwortung der Frage steht der Parlamentarische (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Wir Staatssekretär Hartmut Schauerte zur Verfügung. auch!) Ich rufe die dringliche Frage 4 des Kollegen Dr. Axel Wir haben im Oktober in einer Anfrage an die Bundesre- Troost auf: gierung exakt diese Fragen formuliert und die Antworten Wie bewertet die Bundesregierung die Auswirkungen der in der Form erhalten, wie Herr Kolb sie vorgetragen hat. um sich greifenden weltweiten Börsenkrise auf Beschäftigung Das heißt, die Antwort der Bundesregierung war: Wenn und Wachstum in der Bundesrepublik Deutschland, und mit 1 450 Euro brutto zugrunde gelegt werden, muss der welchen Maßnahmen – wie zum Beispiel einem umfassenden Konjunkturpaket auf den Gebieten Arbeit, Bildung, For- Beitragszahler 45 Jahre lang in das gesetzliche Renten- schung und Infrastruktur – will die Bundesregierung gegen- versicherungssystem einzahlen, um das Grundsiche- steuern? rungsniveau zu erreichen. Eine weitere Frage von uns war: Wie viele der Riester-Sparer haben diese Einkom- Bitte, Herr Staatssekretär. mensklasse? Ein Drittel der Riester-Sparer liegt unter- halb von 1 450 Euro brutto, was bei 10 Millionen Hartmut Schauerte, Parl. Staatssekretär beim Bun- Riester-Verträgen ungefähr 3 Millionen Verträge aus- desminister für Wirtschaft und Technologie: (B) macht. Wir werden sicherlich einige Sonderfälle finden, Herr Troost, die Antwort lautet: Die Schwankungen (D) zum Beispiel wenn der Ehepartner mit berücksichtigt der Börsenkurse sind wiederkehrende Ereignisse der Ka- wird, wo das nicht zutrifft. Aber es wird eine sehr große pital- und Finanzmärkte und in ihren Auswirkungen zu- Gruppe übrig bleiben, die davon bedroht ist, dass ihre nächst auf Kapitalvermögenswerte beschränkt. Die Bun- Riester-Rente komplett auf die Grundsicherung im Alter desregierung sieht deswegen keine Notwendigkeit, angerechnet wird. Um diese Gruppe sollten wir uns aufgrund des jüngsten weltweiten Rückgangs der Ak- kümmern. Aufgrund dieser Ungerechtigkeit führen wir tienkurse die Wachstumserwartungen, die wir heute im die Diskussion mit der Regierung. Jahreswirtschaftsbericht vorgestellt haben, von 1,7 Pro- zent des Bruttoinlandsprodukts zu verändern. Die Frage an Sie ist: Würden Sie mir zustimmen, dass, wenn die Bundesregierung uns das so sagt, die Im Übrigen gilt, dass hektische Reaktionen der Politik Zahlen fundiert sein und sich nicht auf das Durch- in solchen Situationen die bestehenden Unsicherheiten schnittsniveau beziehen sollten, das Sie eben ins Feld eher vergrößern als verkleinern. Wir planen kein Kon- geführt haben, sondern auf die Geringverdiener Bezug junkturprogramm. nehmen sollten, die von dieser Problematik betroffen sind? Vizepräsidentin Petra Pau: Sie haben das Wort zu Ihrer ersten Nachfrage. Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär beim Bundes- minister für Arbeit und Soziales: Dr. Axel Troost (DIE LINKE): Herr Rohde, in Ihrer Frage spiegelt sich die Auffas- Von Hektik war gar keine Rede. Wir wissen jetzt sung wider, dass diese Einkommensgrößen statisch schon, dass die Finanzmarktturbulenzen dazu führen, seien. Weil Sie wissen, wie die Berechnungen erfolgen, dass kleine und mittelständische Unternehmen Schwie- haben Sie bemerkt, dass es nur sehr schwer ist, eine Pro- rigkeiten haben, Bankkredite zu bekommen. Wir können gnose abzugeben, wie die Einkommenssituation im Al- jetzt schon die Konsequenz absehen – wir diskutieren ter aussehen wird. Dafür sind viele Punkte entscheidend: darüber auch im Finanzausschuss –, dass es einen Wert- Wie sehen die persönlichen Lebensverhältnisse aus? Wie berichtigungsbedarf bei deutschen Banken in der Grö- hoch sind die gezahlten Kinderzulagen und die Entgelt- ßenordnung von wahrscheinlich 15 Milliarden Euro gibt, punkte aus Kindererziehungszeiten? Ist eigenes Vermö- was zu Steuermindereinnahmen in der Größenordnung gen vorhanden? Lebt man in einer Bedarfsgemeinschaft, von 5 Milliarden Euro – möglicherweise noch in diesem sodass noch jemand anderes herangezogen werden kann, Jahr – führt. Diese Konsequenzen sind ja schon abseh- um das Existenzminimum zu gewährleisten? bar. 14552 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Januar 2008

Dr. Axel Troost (A) Die Frage ist: Sehen Sie nicht doch, ähnlich wie in Ich stelle die Frage noch einmal: Sie meinen, man ist (C) den USA, die Notwendigkeit, zumindest darüber nach- auf einem stabilen Kurs und es bedarf keinerlei Hand- zudenken, wie man versuchen kann, das Wachstum auf lungen? einem solchen Niveau zu halten, dass es nicht bereits in diesem Jahr zu einem Anstieg der Arbeitslosigkeit Hartmut Schauerte, Parl. Staatssekretär beim Bun- kommt? desminister für Wirtschaft und Technologie: Es gibt jedenfalls keinen Anlass, sich jetzt in Spekula- Hartmut Schauerte, Parl. Staatssekretär beim Bun- tionen zu verlieren. Ich bleibe bei meiner Auffassung desminister für Wirtschaft und Technologie: – dann haben wir eben unterschiedliche Standpunkte –, Ich bleibe bei meiner Bemerkung, dass hektische Reaktionen schädlich sind. Ich halte es für erstaunlich, (Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Das stimmt!) dass Sie schon drei Tage nach den negativen Auswirkun- dass jede hektische politische Reaktion jetzt eher schäd- gen an den Börsen von Erfahrungen sprechen können lich als nützlich wäre. Ich vertraue auf die Kraft des und davon, welche Schäden der Realwirtschaft in Standortes Deutschland und auf die Stabilitätserfolge, Deutschland dadurch zugefügt wurden. Meiner Meinung die wir in der Vergangenheit erzielt haben. Ich glaube, nach gibt es Auswirkungen im psychologischen Bereich, dass sich Deutschland stabiler präsentieren kann als aber keine, die sich in den Fakten widerspiegeln. Wir se- viele unserer internationalen Mitwettbewerber. hen keine Kreditprobleme für den deutschen Mittel- stand. Vizepräsidentin Petra Pau: Deswegen bleibe ich dabei: Jetzt zu spekulieren, was Die nächste Nachfrage stellt die Kollegin man alles tun könnte, verstärkt nur die Problematik. Wir Dr. Enkelmann. gehen davon aus, dass die Situation in Deutschland sta- biler sein wird als in den Vereinigten Staaten von Ame- Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE): rika, weil es in den zurückliegenden zweieinhalb Jahren Diese Bundesregierung neigt offenkundig sowieso in Deutschland in allen Bereichen unserer Wirtschaft nicht zur Hektik. – Ich hätte eine Nachfrage: Das Euro- Gott sei Dank einige Fortschritte bei der Prosperität gab. päische Parlament diskutiert gerade heute über Möglich- Unser Markt ist weniger finanzmarktgesteuert als angel- keiten der Finanzmarktkontrolle. Was hält die Bundes- sächsische Märkte. Wir sind Gott sei Dank näher an der realen Wirtschaft geblieben. regierung von möglichen Kontrollmechanismen?

Ich bleibe dabei: Jede Reaktion in der jetzigen Situa- Hartmut Schauerte, Parl. Staatssekretär beim Bun- tion würde die Probleme nur vergrößern und nicht ver- desminister für Wirtschaft und Technologie: (B) (D) kleinern. Auch weiter gehende Spekulationen würden Dass die Bundesregierung noch keine Meinung zu ei- diesen negativen Effekt haben. Deswegen beteilige ich ner Diskussion haben kann, die heute im Europäischen mich weder in meinen Antworten noch in der Kommen- Parlament stattfindet, werden Sie nachvollziehen kön- tierung von Sachverhalten an Spekulationen. nen.

Vizepräsidentin Petra Pau: (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Sehr Sie haben das Wort zu Ihrer zweiten Nachfrage. bedauerlich!) Dass wir in der Vergangenheit eine sehr intensive Dis- Dr. Axel Troost (DIE LINKE): kussion über die Stabilität des Finanzmarktes Deutsch- Sie stimmen aber mit mir darin überein, dass das Pro- land geführt haben, können Sie daran ablesen, dass, so blem der Finanzmarktturbulenzen nicht erst vor drei Ta- behaupte ich, trotz der engen Verflechtungen der interna- gen begonnen hat, sondern dass wir schon seit August in tionalen Finanzmärkte der deutsche Finanzmarkt einer internationalen Finanzkrisen stecken. Die Entwicklun- der stabileren im Vergleich aller wichtigen Player ist. gen bei der IKB, der Sachsen LB und der West LB sind Deswegen haben wir keine Veranlassung, über bereits gravierende Fälle. Ähnliches gilt auch für andere Ban- eingeleitete Maßnahmen und getroffene Entscheidun- ken. Insofern wird das natürlich Konsequenzen haben. gen hinauszugehen und in Hektik zu verfallen. An den Was die Kreditvergabe angeht, liegen meiner Ansicht Stellen, wo wir in der Diskussion sind, werden wir in der nach durchaus Erfahrungen vor. Diskussion bleiben. Bezüglich Fragen, bei denen das Parlament zu fragen ist, werden wir in vernünftigen Zeit- Ich bleibe dabei: Bei einem Wirtschaftswachstum, abständen mit dem Parlament gemeinsam überlegen, wie das möglicherweise unterhalb der Beschäftigungs- die eine oder andere Optimierung der Stabilität erreicht schwelle liegen wird, werden wir möglicherweise stei- werden kann. gende Arbeitslosenzahlen zu verzeichnen haben. (Hartwig Fischer [Göttingen] [CDU/CSU]: Vizepräsidentin Petra Pau: Der Jahreswirtschaftsbericht sagt doch etwas Die nächste Frage stellt der Kollege Kolb. anderes! Das haben doch alle Medien veröf- fentlicht!) Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Ich warne davor, das durch Statistikmanipulationen zu Herr Staatssekretär, die Börse hat seit Jahresbeginn korrigieren, zum Beispiel, indem man künftig alle 58-Jäh- bis zum gestrigen Tag 9 Prozent an Wert verloren. Nach- rigen aus der Arbeitslosenstatistik herausnimmt. dem gestern erneut ein Verlust von 6 bis 7 Prozent zu Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Januar 2008 14553

Dr. Heinrich L. Kolb (A) verzeichnen war, ist nun rund ein Sechstel der Markt- Die Ausgangsfrage, ob wir ein Konjunkturprogramm (C) kapitalisierung verloren gegangen. Mehr als 50 Milliar- auflegen wollen, habe ich eindeutig beantwortet. Sie fra- den Euro sind vernichtet worden. Glauben Sie wirklich, gen ein neues Feld ab, nämlich ob es Überlegungen gibt, dass das keinen Einfluss auf das Konsumklima in im Bereich des Finanzmarktes die Stabilität, die Trans- Deutschland hat? Wie kann es sein, dass Sie sich in einer parenz und die Verlässlichkeit zu erhöhen. Das ist eine Situation, wo andere Länder über Steuersenkungen dis- dauerhafte Aufgabe. Da beraten die Finanzpolitiker über kutieren bzw. die Zinsen senken, darauf beschränken, eine Reihe von Maßnahmen, was man zusätzlich tun Ihre Wachstumsprognosen zu reduzieren? Das kann könnte. Aber wir haben keine Veranlassung, die bisheri- doch nicht die einzige Antwort der Bundesregierung gen Beratungsergebnisse über Bord zu werfen und zu sein. völlig anderen Ansätzen zu kommen. Diese Fragen wer- den vielmehr kontinuierlich weiterbearbeitet und sind, wie Sie ja wissen, nur noch sehr selten im engen Sinne Hartmut Schauerte, Parl. Staatssekretär beim Bun- national zu beantworten. Denn kaum ein Markt ist so in- desminister für Wirtschaft und Technologie: ternational aufgestellt wie der Finanzmarkt. Insoweit ist Herr Kollege Kolb, ich habe auf die Frage der Linken, da sehr viel internationale Abstimmung erforderlich. die das entgegengesetzte Aktionsprogramm als Reaktion Auch hier gilt: Hektik schadet. auf die jetzige Lage erwartet, geantwortet, dass ich von Schnellschüssen und hektischen Entscheidungen gar (Bodo Ramelow [DIE LINKE]: Genau! Keine nichts halte. Hektik!) (Lachen bei der LINKEN) Vizepräsidentin Petra Pau: Das gilt genauso für Hoffnungen auf Steuersenkungen Danke, Herr Staatssekretär. und ähnliche Gegenreaktionen. Wir bleiben auf Kurs. Nachdem die dringlichen Fragen aufgerufen und be- Der Jahreswirtschaftsbericht, den das Kabinett heute be- antwortet worden sind, schlossen hat, fordert genau das: Kurs halten. Wir wer- den die Veränderungen sorgfältig beobachten. (Zuruf von der FDP: Mehr oder weniger!) Wir haben auch nicht reagiert, als der DAX im Ver- rufe ich jetzt die Fragen auf Drucksache 16/7792 in der lauf des Jahres 2007 einen Zugewinn von 22 Prozent üblichen Reihenfolge auf. verzeichnet hat. Wir halten das, was jetzt passiert, für Toleranzen, für Schwankungen, die an Börsen möglich Wir beginnen mit dem Geschäftsbereich des Bundes- sind, ohne dass die Politik deswegen sofort Kernfragen ministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und (B) stellen und beantworten müsste. Entwicklung. Zur Beantwortung steht Herr Staatssekre- (D) tär Erich Stather zur Verfügung.

Vizepräsidentin Petra Pau: Wir kommen zu Frage 1 der Kollegin Ute Koczy. Bitte, Herr Staatssekretär. Die letzte Nachfrage stellt die Kollegin Koczy.

Erich Stather, Staatssekretär im Bundesministerium Ute Koczy (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: Herr Staatssekretär, es geht nicht um Hektik und auch Frau Präsidentin, nach meiner Information beantwor- nicht um Spekulationen. Meinen Sie nicht, dass es nötig tet das AA den ersten Teil der Frage. ist, jetzt zu reagieren? Meinen Sie nicht, dass Hand- lungsbedarf besteht? Meinen Sie nicht, dass sich die Bundesregierung in der Diskussion, die schon seit Mo- Vizepräsidentin Petra Pau: naten in der Welt ist, bei der es um Transparenz, um Re- Das ist mir nicht signalisiert worden. Steht denn je- gulierungen, um Mechanismen und die Einbindung kla- mand aus der Bundesregierung zur Beantwortung zur rerer Regeln geht, nicht zurückzulehnen und das Verfügung? Denn die Bundesregierung entscheidet ja, Problem aussitzen, sondern vorangehen sollte? Sollte sie wer antwortet. – Ich bitte einen kleinen Moment um Ge- nicht sagen: „Diese Krise, die wir seit Monaten beglei- duld. ten, ist Anlass für einen echten Neuanfang in Richtung (Bodo Ramelow [DIE LINKE]: Keine Hektik! Schutz der Kleinanleger“? Diskutiert das zeitnah!) (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Keine Die Bundesregierung wird sich sicherlich abstimmen Hektik!) können.

Hartmut Schauerte, Parl. Staatssekretär beim Bun- Erich Stather, Staatssekretär im Bundesministerium desminister für Wirtschaft und Technologie: für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: Ich bleibe dabei: Die Transparenzregeln, die wir in Es sind zwei Fragen, die auf einem Blatt abgedruckt Deutschland haben, sind weitgehend. Es wird darüber sind. Die erste Frage beantwortet nach meiner Informa- diskutiert, ob sie optimiert werden können; aber das hat tion, da sie den Haushalt des AA betrifft, das AA. Die mit der gegenwärtigen Krise und ihrer Bekämpfung zweite Frage beantwortet das BMZ. Auf die bin ich vor- nichts zu tun. bereitet. 14554 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Januar 2008

(A) Vizepräsidentin Petra Pau: fentlichen Rechts und in ein Bundesforschungsamt auf- (C) Es ist zwar unüblich, ich gebe jetzt trotz alledem der zuteilen. Dieses Amt soll aus den vorhandenen beiden Bundesregierung die Chance, sich abzustimmen und uns wissenschaftlichen Abteilungen bestehen, in die ergän- zu benachrichtigen, wer die Frage 1 der Kollegin Koczy zend das vom Bund finanzierte Institut für Erhaltung und beantwortet. Ich bitte Sie, Kollegin Koczy, noch einmal Modernisierung von Bauwerken e. V. Berlin integriert Platz zu nehmen. werden soll. Es handelt sich somit nicht um die Neu- errichtung einer Behörde, sondern lediglich um eine Wir kommen in der Zwischenzeit zum Geschäftsbe- Umstrukturierung. Deshalb geht es nicht darum, einen reich des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirt- Standort für eine neue Behörde zu finden. Vielmehr ste- schaft und Verbraucherschutz. hen die bisherigen Standorte Bonn und Berlin zur Verfü- Die Fragen 2 und 3 der Kollegin Kirsten Tackmann gung. werden schriftlich beantwortet. Einer Ansiedlung des Bundesamts in den neuen Län- Damit sind wir schon bim Geschäftsbereich des Bun- dern, etwa in Weimar, steht auch das Gesetz zur Umset- desministeriums der Verteidigung. Zur Beantwortung zung des Beschlusses des Deutschen Bundestages vom hätte der Parlamentarische Staatssekretär Christian 20. Juni 1991 zur Vollendung der Einheit Deutschlands Schmidt zur Verfügung gestanden. Aber die Frage 4 des – Berlin/Bonn-Gesetz vom 26. April 1994 – entgegen; Kollegen Hans-Christian Ströbele soll ebenfalls schrift- denn der heutige wissenschaftliche Bereich des BBR lich beantwortet werden. wurde 1998 aus der in Bonn ansässigen ehemaligen Bundesforschungsanstalt für Landeskunde und Raum- Damit kommen wir zum Geschäftsbereich des Bun- ordnung gebildet. Das Gesetz legte 1994 fest, dass die desministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung. Berliner Außenstelle der Bundesforschungsanstalt für Die Parlamentarische Staatssekretärin Karin Roth steht Landeskunde und Raumordnung nach Bonn zu verlagern zur Beantwortung zur Verfügung. war. Vor diesem Hintergrund werden mit dem vorgese- Die Fragen 5 und 6 des Kollegen Dr. Anton Hofreiter henen Sitz in Berlin und in Bonn alle Spielräume ausge- werden schriftlich beantwortet. schöpft, die neuen Länder zu stärken. Damit rufe ich die Frage 7 des Kollegen Hans- Michael Goldmann auf. Vizepräsidentin Petra Pau: Sie haben das Wort zu Ihrer ersten Nachfrage, bitte. (Jörg Rohde [FDP]: Ebenfalls schriftlich, bitte!) Uwe Barth (FDP): (B) – Ich bitte, das vorher anzuzeigen. Unsere Regel besagt: Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Frau Staatssekretä- (D) Wer nicht anwesend ist bei Aufruf, bekommt keine Ant- rin, ich habe mir den Koalitionsvertrag herausgesucht; er wort. ist ja für die Nachwelt schwarz auf weiß abgedruckt. Im Die Fragen 7 und 8 werden also schriftlich beantwor- Koalitionsvertrag heißt es wörtlich: tet, die Fragen 9 und 10 der Kollegin Dr. Christel Neue Bundeseinrichtungen sollen in den neuen Happach-Kasan ebenfalls sowie die Frage 11 des Kolle- Ländern angesiedelt werden. gen Mücke. Die Fragen 12 und 13 des Kollegen Christian Ahrendt werden bitte auch schriftlich beant- Würden Sie mir recht geben, dass es gemäß dem Sinn wortet. dieses Vorhabens weniger darum geht, neue Einrichtun- Ich rufe die Frage 14 des Kollegen Uwe Barth auf: gen in den neuen Ländern anzusiedeln, sondern über- haupt Einrichtungen des Bundes dort anzusiedeln, weil (Beifall der Abg. Ina Lenke [FDP]) es um eine infrastrukturelle Unterstützung der neuen Denkt die Bundesregierung darüber nach, im Rahmen der Länder geht? Insofern ist es gar nicht wichtig, ob es neu Neuordnung der Bundesbauverwaltung eine Bundesbauan- zu gründende, durch Umstrukturierungen neu entste- stalt mit einem Bundesamt für Forschung und Entwicklung zu hende oder vielleicht einfach nur umziehende Einrich- errichten, und, wenn ja, soll das Bundesamt für Forschung und Entwicklung in den neuen Bundesländern angesiedelt tungen sind, die in den neuen Ländern angesiedelt wer- werden? den sollten, um dieses Ziel zu erreichen. Daher geht der Verweis darauf, dass es sich hier nicht um eine Neugrün- Bitte, Frau Staatssekretärin. dung handelt, möglicherweise nicht nur am Sinn und (Bodo Ramelow [DIE LINKE]: Zeitnah und Inhalt der Koalitionsvereinbarung, sondern auch am Ver- zügig, bitte!) ständnis der Menschen, die von der Entscheidung betrof- fen sind – an dieser Stelle die Bürger der Stadt Weimar –, vorbei. Karin Roth, Parl. Staatssekretärin beim Bundes- minister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Frau Präsidentin! Herr Kollege Barth, die Bundes- Karin Roth, Parl. Staatssekretärin beim Bundes- regierung antwortet Ihnen wie folgt: Die beabsichtigte minister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Neuordnung der Bundesbauverwaltung hat zum Ziel, Frau Präsidentin! Kollege Barth, es ist kein Zufall, das heute in Bonn und Berlin ansässige Bundesamt für dass in der Koalitionsvereinbarung „neue Bundesein- Bauwesen und Raumordnung in eine für operative richtungen“ steht. Die Bundesregierung möchte nämlich Bauaufgaben zuständige rechtsfähige Bundesanstalt öf- keinesfalls das Gesetz des Bundestages missachten. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Januar 2008 14555

(A) Vizepräsidentin Petra Pau: der Verwaltung, nicht um eine Ansiedlung an einem Ort (C) Sie können noch eine zweite Frage stellen. wie Weimar oder Dresden oder einem anderen Ort in den neuen Ländern. Es geht vielmehr darum, die vorhande- Uwe Barth (FDP): nen Einrichtungen zu optimieren und deshalb neu zu strukturieren. Das ist für uns der entscheidende Punkt. Jawohl, Frau Präsidentin, ich habe das verstanden und danke für diese Möglichkeit. Wenn der Bundestag das Berlin/Bonn-Gesetz aufhe- ben will, dann wird die Bundesregierung das zur Kennt- Frau Staatssekretärin, Sie haben ausgeführt, dass nach dem Berlin/Bonn-Gesetz der Schwerpunkt der Einrich- nis nehmen; aber solche Initiativen kenne ich nicht. tung in Bonn bleiben müsse. Würden Sie mir darin zu- stimmen, dass es angesichts des voraussichtlichen An- Vizepräsidentin Petra Pau: teils derer, die nach Weimar hätten umziehen können Eine letzte Nachfrage zu dieser Frage stellt die Kolle- – das wären 150, vielleicht 200 Mitarbeiter der etwa gin Hirsch. 1 200 Mitarbeiter gewesen –, durchaus möglich gewesen wäre, den Schwerpunkt der Einrichtung in Bonn zu be- Cornelia Hirsch (DIE LINKE): lassen? Warum nehmen Sie den Koalitionsvertrag so ernst, wenn es darum geht, dass explizit von einem neuen Amt Karin Roth, Parl. Staatssekretärin beim Bundes- die Rede ist, und erfüllen ihn an anderer Stelle nicht, bei- minister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: spielsweise bei der Festlegung, dass im Laufe der Legis- Frau Präsidentin! Herr Kollege Barth, wie schon ge- laturperiode eine Großforschungseinrichtung in den sagt, geht es nicht um die Frage „Was wäre, wenn?“, neuen Bundesländern angesiedelt werden soll? Sind sondern um die Grundsatzfrage: Ist das eine neue Ein- nicht auch Sie der Ansicht, dass da der Eindruck ent- richtung, trifft hier das Berlin/Bonn-Gesetz zu oder steht, dass die Bundesregierung die neuen Bundesländer nicht? Da es sich hier um keine neue Einrichtung han- kontinuierlich und in allen Politikbereichen hinten run- delt, gehen wir nach dem Berlin/Bonn-Gesetz so vor, terfallen lässt? wie ich es Ihnen beschrieben habe. (Bodo Ramelow [DIE LINKE]: Das ist nichts Darüber hinaus will ich doch noch anmerken, dass Neues!) eine Vielzahl von Einrichtungen im Geschäftsbereich unseres Ministeriums in den neuen Ländern angesiedelt wurde. Allerdings waren das auch vom Ziel her andere Karin Roth, Parl. Staatssekretärin beim Bundes- Institutionen, die dann schon dort waren. minister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Frau Präsidentin! Liebe Kollegin, die Frage nach ei- (B) Ich verstehe, dass Sie gerne eine Ansiedelung in Wei- ner neuen Einrichtung muss natürlich immer vor dem (D) mar wollen. Aber wir haben Prinzipien einzuhalten, ins- Hintergrund gestellt werden, an welchem Standort sie besondere den Bundestagsbeschluss, den ich zitiert habe. richtig, vernünftig und gut ist. Aber die neuen Länder haben – das hat man in den letzten Jahren gesehen – Vizepräsidentin Petra Pau: dort, wo es möglich ist, bei neuen Einrichtungen Priori- Zu einer weiteren Nachfrage hat der Kollege Bodo tät. Insofern teile ich Ihre Meinung nicht. Ramelow das Wort. Vizepräsidentin Petra Pau: Bodo Ramelow (DIE LINKE): Wir bleiben beim Geschäftsbereich des Bundesminis- Wenn im Raume steht, dass das erlassene Gesetz ge- teriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung. Die bei- ändert werden müsste, frage ich mich natürlich, warum den Fragen, die zu diesem Bereich gestellt sind, werde die Bundesregierung den Bundestag in dieser Angele- ich jetzt aufrufen und beantworten lassen. Danach werde genheit nicht gefragt hat, wie es mein Kollege Barth ge- ich zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für rade in seiner Frage formuliert hat. Wir hätten hier im wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung und Plenum des Bundestages jederzeit darüber debattieren damit zur Frage 1 zurückkommen. Das nur als Hinweis und dann die Entscheidung treffen können, diese sinn- an die Kolleginnen und Kollegen. volle Einrichtung in Weimar anzusiedeln, in Synergie zur Bauhaus-Universität, angesichts all der Traditionen, Ich rufe die Frage 15 des Kollegen Uwe Barth auf: die gerade in Weimar existieren. Deswegen frage ich Ist die Bundesregierung der Meinung, dass die Stadt Wei- mich, warum Sie uns als Gesetzgebungsorgan überhaupt mar auch aufgrund der Bauhaus-Universität ideale Vorausset- nicht gefragt haben. zungen für die Ansiedlung eines Bundesamtes für Forschung und Entwicklung in dieser Stadt bietet? Wenn Sie sagen, es handele sich nicht um eine neue Einrichtung, sondern um eine Neustrukturierung, frage Karin Roth, Parl. Staatssekretärin beim Bundes- ich mich, warum dann nicht einfach eine Zweigstelle in minister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Weimar errichtet wurde, mit dem gleichen Effekt. Ich kann Ihnen nur sagen: Das ist jetzt nicht entschei- dend. Karin Roth, Parl. Staatssekretärin beim Bundes- (Bodo Ramelow [DIE LINKE]: Doch!) minister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Frau Präsidentin! Herr Abgeordneter Ramelow, es ist Entscheidend ist, dass der Standort, den wir vorsehen ganz einfach: Es geht um eine Steigerung der Effizienz – Bonn und Berlin –, aufgrund der dargestellten Begrün- 14556 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Januar 2008

Parl. Staatssekretärin Karin Roth (A) dung gewählt worden ist. Wir sehen daher, bezogen auf Karin Roth, Parl. Staatssekretärin beim Bundes- (C) Weimar, keinen Handlungsbedarf. minister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Die Frage, ob, wann und in welcher Weise neue Ein- Vizepräsidentin Petra Pau: richtungen in Berlin angesiedelt werden, wird im Einzel- Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage. fall geprüft, und zwar dann, wenn sie ansteht. Im Rah- men der Reform der Bundesbauverwaltung steht diese Frage nicht an. Die Frage „Was wäre, wenn?“ wird dann Uwe Barth (FDP): beantwortet, wenn es so weit ist. Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Frau Staatssekretä- rin, inwieweit haben andere Aspekte bei der Entschei- dung eine Rolle gespielt? Wie bei der vorigen Frage Vizepräsidentin Petra Pau: schon diskutiert, glaube ich nicht, dass hier tatsächlich Damit kommen wir zur Frage 16 der Kollegin Bettina die explizite Festlegung auf eine neue Behörde den Aus- Herlitzius: schlag gibt. Wie beurteilt die Bundesregierung die Ankündigung des Bundesministers für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Mir liegt ein Schreiben des Kollegen Carsten Wolfang Tiefensee, in der Süddeutschen Zeitung vom Schneider vor, der ebenfalls der SPD-Fraktion angehört 16. Januar 2008, das Wohngeld spürbar zu erhöhen, und wie und dort als haushaltspolitischer Sprecher eine heraus- sehen die weiteren Planungen der Bundesregierung, insbeson- gehobene Stellung hat. In diesem Schreiben an den Thü- dere vor dem Hintergrund der einhelligen Meinung der Sach- verständigen, dass es notwendig sei, das Wohngeld unter Ein- ringer Bauminister macht er auch Haushaltsbedenken beziehung der Heizkosten zu erhöhen und den vorliegenden geltend, da ein Umzug natürlich erhebliche Kosten ver- Gesetzentwurf der Bundesregierung (Drucksache 16/6543) ursachen würde. Deswegen möchte ich Sie fragen, ob vor allem in den Bereichen Haushaltsbegriff, gesamtschuldne- kalkuliert worden ist, wie hoch die Kosten dieses Um- rische Haftung und Wegfall von Rechtsschutzmöglichkeiten zugs wären und ob insbesondere berechnet worden ist, in zu überarbeiten, bezüglich einer Novellierung des Wohngeld- welcher Größenordnung sich der Unterschied zwischen rechts aus? den Kosten eines Umzugs nach Berlin und den Kosten Bitte schön, Frau Staatssekretärin. eines Umzugs nach Weimar bewegt. Karin Roth, Parl. Staatssekretärin beim Bundes- Vizepräsidentin Petra Pau: minister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Frau Staatssekretärin, bitte. Frau Kollegin Herlitzius, wir haben uns im Zuge der Diskussionen über die Neuordnung des Niedriglohn- Karin Roth, Parl. Staatssekretärin beim Bundes- sektors, die heute schon eine Rolle spielte, mit den betei- (B) minister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: ligten Ressorts darauf verständigt, ein Gesamtkonzept zu (D) Frau Präsidentin! Herr Kollege Barth, da wir von dem entwickeln, einschließlich des Wohngeldes. In diesem ausgehen, was ich gesagt habe – dass es sich um keine Zusammenhang ist auch über die Berücksichtigung der neue Behörde, sondern um eine Umstrukturierung der Heizkosten zu diskutieren. Die hierzu notwendigen Ge- Behörde zur Verbesserung der Effizienz, um eine Bünde- spräche werden derzeit geführt. Wir haben das also auf- lung der Aufgaben an den jeweiligen Standorten Berlin gegriffen. und Bonn handelt –, haben wir das nicht geprüft. Wir handeln gesetzestreu, wir sind dem Berlin/Bonn-Gesetz Die in der Anhörung angesprochenen Themen, die verpflichtet. Sie im Einzelnen aufgeführt haben, können im parla- mentarischen Verfahren berücksichtigt werden. Der entsprechende Gesetzentwurf befindet sich im parlamen- Vizepräsidentin Petra Pau: tarischen Raum. Die Bundesregierung nimmt die Dis- Ihre zweite Nachfrage, bitte. kussionen, die im Rahmen der Anhörung geführt wurden, zur Kenntnis. Ich bin mir sicher, dass die Koali- Uwe Barth (FDP): tionsfraktionen den einen oder anderen Hinweis, der in Vielen Dank. – An dieser Stelle will ich nicht locker- der Anhörung gemacht wurde, aufgreifen werden. lassen; denn Haushaltsüberlegungen spielen immer eine Rolle. Vizepräsidentin Petra Pau: Wenn es zur Neugründung einer Behörde kommen Sie haben das Wort zu Ihrer ersten Nachfrage, bitte. sollte, die, wenn es nach Effizienzgesichtspunkten ginge, in Berlin angesiedelt werden müsste – ich konstruiere Bettina Herlitzius (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): diesen Fall einmal –, wie groß dürfte dann der Unter- Danke, Frau Präsidentin. – Jetzt muss ich genauer schied zwischen den Kosten einer Ansiedlung in den nachfragen, Frau Staatssekretärin. Insbesondere von Ka- neuen Ländern, ob in Weimar oder an einem anderen binettsmitgliedern wurden gegensätzliche Äußerungen Ort, Ihrer Einschätzung nach sein, damit man dem politi- gemacht. Herr Tiefensee hat gesagt – ich habe seine schen Willen, der im Koalitionsvertrag zum Ausdruck Aussage in meiner Frage erwähnt –, es bestehe die Not- kommt, gegenüber den strengen Effizienzüberlegungen wendigkeit, die Regelungen zum Wohngeld zu verän- Ihres Hauses noch den Vorzug geben könnte? dern und das Wohngeld zu erhöhen. Einen Tag später hat der Bundesfinanzminister eine ganz andere Meinung Vizepräsidentin Petra Pau: vertreten. Das glich eher der „Muppet Show“ als einer Bitte, Frau Staatssekretärin. Kabinettsvorlage. Vor diesem Hintergrund frage ich Sie: Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Januar 2008 14557

Bettina Herlitzius (A) Wie positionieren Sie sich? Welcher der beiden Minister den Gesetzgebungsverfahren eine Wohngelderhöhung (C) hat denn nun recht? Schließlich gehören beide derselben aufzunehmen? Regierung an. (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Das Vizepräsidentin Petra Pau: hat nichts zu sagen!) Bitte, Frau Staatssekretärin.

Karin Roth, Parl. Staatssekretärin beim Bundes- Karin Roth, Parl. Staatssekretärin beim Bundesmi- minister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: nister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Frau Präsidentin! Kollegin Herlitzius, das ist über- Frau Kollegin Dr. Dückert, die Bundesregierung hat haupt nicht die Frage. Es geht nicht darum, ob das einen Gesetzesvorschlag gemacht, der sich im parlamen- Wohngeld erhöht werden soll, tarischen Raum befindet. Die Frage, ob und inwieweit im Rahmen dieses Gesetzgebungsverfahrens eine Wohn- (Bettina Herlitzius [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- gelderhöhung vorgesehen wird, wird geklärt. NEN]: Doch!) (Abg. Dr. Thea Dückert [BÜNDNIS 90/DIE sondern darum, wie das finanziert werden soll. Das war GRÜNEN] meldet sich zu einer weiteren die Frage, über die intern diskutiert wird, allerdings nicht Nachfrage) kontrovers. An dieser Stelle bitte ich Sie um ein bisschen Geduld. Ich denke, dass wir hier bald einen Schritt vo- Vizepräsidentin Petra Pau: rankommen werden. Frau Dückert, Sie haben nur die Möglichkeit zu einer Nachfrage; es tut mir leid. Vizepräsidentin Petra Pau: Sie haben die Möglichkeit zu einer zweiten Nach- Damit sind wir am Ende des Geschäftsbereichs des frage, bitte. Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwick- lung. Herzlichen Dank, Frau Staatssekretärin! Bettina Herlitzius (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wir kommen zurück zum Geschäftsbereich des Bun- Dann habe ich die Äußerungen von Herrn Steinbrück desministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit anscheinend falsch verstanden. Das heißt also: Beide und Entwicklung. Minister sind der Meinung – die Regierung ist der Mei- Staatssekretär Erich Stather beantwortet die Frage 1 nung –, dass das Wohngeld angehoben werden muss, sie der Kollegin Ute Koczy: suchen jetzt nur nach Lösungen dafür. Dann wird der jet- (B) zige Gesetzentwurf, der das nicht beinhaltet, zurückge- Wie erklärt die Bundesregierung die Diskrepanz zwischen (D) der Aussage des Koalitionsvertrages – 2005 –: „Zur Steige- zogen, und wir können mit einer Neuvorlage rechnen. rung der Effizienz und Verbesserung der Strukturen der deut- Darf ich auch noch fragen, wann? schen Entwicklungspolitik sind weitere Straffungen notwen- dig. Dies gilt insbesondere für eine bessere Verknüpfung von Technischer und Finanzieller Zusammenarbeit“, die auch von Vizepräsidentin Petra Pau: Staatssekretär Erich Stather laut FA Z-Interview vom 15. Ja- Frau Staatssekretärin, bitte. nuar 2008 als „klare Verpflichtung“ zur Reform der entwick- lungspolitischen Institutionenlandschaft in Deutschland inter- pretiert wird, und der Tatsache, dass selbst nach Vorliegen Karin Roth, Parl. Staatssekretärin beim Bundesmi- vielfältiger Empfehlungen und Gutachten und der durch die nister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Liebe Kollegin, im parlamentarischen Verfahren ist es Entwicklung, Heidemarie Wieczorek-Zeul, im Herbst 2006 angekündigten Verschmelzung von KfW Entwicklungsbank üblich, dass Gesetzentwürfe nach Anhörungen noch ver- und Deutscher Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit ändert werden; das zum Thema „wann“. Es ist vonseiten zu einer neuen, schlagkräftigeren Organisation – vergleiche der Bundesregierung nicht geplant, einen neuen Entwurf oben zitierten FAZ-Artikel – seitdem keine konkreten Reform- einzubringen. Es wird zurzeit in den Koalitionsfraktio- schritte in die Richtung einer einheitlichen deutschen Ent- nen über dieses Thema diskutiert. wicklungsagentur unternommen worden sind, und ist in die- sem Jahr überhaupt noch damit zu rechnen, dass es eine Was das angeht, was Herr Steinbrück gesagt hat, Reform der deutschen Institutionenlandschaft der Entwick- lungszusammenarbeit in Richtung einer einheitlichen deut- möchte ich darauf verweisen, dass er sich in der Sache, schen Entwicklungsagentur geben wird? was eine Erhöhung des Wohngeldes anbetrifft, nicht ge- äußert hat, sondern nur zur Frage der Abstimmung – und Bitte, Herr Staatssekretär. die erfolgt. Erich Stather, Staatssekretär im Bundesministerium Vizepräsidentin Petra Pau: für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: Es gibt noch eine weitere Nachfrage. Die Kollegin Frau Präsidentin, es tut mir leid, wenn ich ein biss- Dückert hat das Wort. chen Verwirrung gestiftet habe. Frau Abgeordnete Koczy, ich möchte Ihre Frage wie Dr. Thea Dückert (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): folgt beantworten: In der Koalitionsvereinbarung von Frau Staatssekretärin, habe ich es gerade richtig ver- 2005 steht zu Recht, dass Straffungen der Strukturen der standen, dass Sie mit Ihrer Antwort auf die Frage ange- deutschen Entwicklungspolitik notwendig sind. Daran deutet haben, dass die Bundesregierung plant, im laufen- halten die Bundesregierung und die beteiligten Ministe- 14558 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Januar 2008

Staatssekretär Erich Stather (A) rien unverändert fest. Die Bundesregierung hat in der Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE (C) Vergangenheit bewiesen, dass Straffungen möglich und GRÜNEN): umsetzbar sind; ich nenne nur als Beispiel InWEnt und Herr Staatssekretär Stather, geben Sie mir recht, wenn die DEG. ich Ihnen vorhalte, dass in der Vergangenheit – insbe- Die Bundesregierung lässt sich daran messen, was sie sondere im letzten Jahr – bereits für Herbst 2007 eine im Rahmen dessen, was in der Koalitionsvereinbarung Entscheidung der Bundesregierung angekündigt bzw. in steht, bis zum Ende der Legislaturperiode, 2009, um- Aussicht gestellt worden ist und dass die Tatsache, dass setzt. Auf der Basis zweier Gutachten von 2006 und diese Entscheidung bisher offenbar nicht getroffen oder 2007 ist die Bundesregierung dabei, einen Reformvor- jedenfalls nicht bekannt gegeben worden ist, in den schlag zu entwickeln, mit dem das, was in der Koali- Durchführungsorganisationen zu erheblicher Verunsiche- tionsvereinbarung steht, umgesetzt wird. Dies wird, wie rung führt, weil sie nicht wissen, wie es weitergehen bereits erwähnt, im Verlauf der restlichen Legislatur- wird – werden einzelne Durchführungsorganisationen periode geschehen und entsprechende Handlungsschritte zusammengelegt oder nicht und, wenn ja, nach welchen beinhalten. Modalitäten –, und dieser Schwebezustand für die Be- troffenen auf die Dauer nur schwer erträglich ist? Vizepräsidentin Petra Pau: Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage. Vizepräsidentin Petra Pau: Bitte, Herr Staatssekretär. Ute Koczy (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Danke. – Das hört sich gut an. Ich will wie Sie, dass Erich Stather, Staatssekretär im Bundesministerium die Zusammenführung der Entwicklungsdurchführungs- für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: organisationen ein Erfolg wird. Meine Frage ist deshalb: Herr Ströbele, ich bin durchaus zur Selbstkritik bereit. Können Sie uns bestätigen, dass dies in diesem Jahr ge- Wenn wir uns darauf verständigen können, dass eine ent- schehen wird? sprechende Entscheidung in Aussicht gestellt, aber noch nicht angekündigt worden ist, dann stimme ich Ihnen zu. Erich Stather, Staatssekretär im Bundesministerium Ich bedauere das selbst. Ich glaube, dass auch die für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: Bundesregierung bedauert, dass die Schritte etwas müh- Frau Abgeordnete, ich kann Ihnen weder bestätigen, samer sind, als sie manchmal eingeschätzt werden. Ich dass dies in diesem Jahr geschehen wird, noch, dass es spüre auch, dass es aufseiten der Mitarbeiter in allen im Frühjahr 2009 geschehen wird. Es wird, wie gesagt, beteiligten Durchführungsorganisationen zwar keine während der Restlaufzeit der Legislaturperiode gesche- (B) Unruhe, aber doch den Wunsch nach konkreten Lö- (D) hen. sungsvorschlägen gibt. Ich glaube aber nicht, dass es für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer irgendeinen Vizepräsidentin Petra Pau: Grund zu Befürchtungen hinsichtlich ihrer Arbeitsplätze Sie haben das Wort zu Ihrer zweiten Nachfrage. oder sonstiger entscheidender Veränderungen gibt.

Ute Koczy (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Noch einmal: Ich stimme Ihnen zu. Bei einer Vielzahl von Beteiligten ist der Prozess aber oftmals etwas müh- Das stimmt mich sehr nachdenklich. Wir fragen seit samer, als er vom Grundsatz her angedacht ist. einem Jahr immer wieder nach, wann das passieren wird, und werden immer wieder vertröstet. Stimmen Sie mir (Abg. Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/ zu, dass Sie das, wenn Sie es dieses Jahr nicht hinbe- DIE GRÜNEN] meldet sich zu einer weiteren kommen, vermutlich auch 2009 nicht schaffen werden? Nachfrage)

Vizepräsidentin Petra Pau: Vizepräsidentin Petra Pau: Bitte, Herr Staatssekretär. Das geht nicht, Kollege Ströbele. Sie haben nur die Möglichkeit zu einer Nachfrage. Erich Stather, Staatssekretär im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: Die Kollegin Heike Hänsel stellt noch eine Nach- Ich stimme Ihnen nicht zu, dass das nicht geschehen frage. wird. Sie wissen selbst: Bei der Vielzahl der Beteiligten ist ein Zeitplan nicht immer einhaltbar. Ich bin deshalb Heike Hänsel (DIE LINKE): nicht in der Lage, zu sagen: Es ist der 15. Juli oder der Danke schön, Frau Präsidentin. – Herr Staatssekretär, 17. September. – Wir befinden uns mitten in diesem Pro- ich habe auch noch eine Nachfrage. Sie haben den zess, und ich glaube, dass wir auf einem erfolgreichen Grundkonsens erwähnt, den es mittlerweile gibt. Wir ha- Weg sind. Es gibt einen Grundkonsens; aber es gibt noch ben von Ihnen die sehr kostspielige Studie über die ver- keinen Endkonsens. schiedenen Modelle von Pricewaterhouse-Coopers vor- gelegt bekommen. Mich würde interessieren, ob der Vizepräsidentin Petra Pau: Grundkonsens noch die Präferierung eines der Modelle, Zu einer weiteren Nachfrage hat der Kollege Hans- die in dieser Studie vorgeschlagen wurden, umfasst. Christian Ströbele das Wort. Oder gibt es jetzt ganz neue Vorstellungen? Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Januar 2008 14559

(A) Vizepräsidentin Petra Pau: Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): (C) Bitte, Herr Staatssekretär. Herr Staatssekretär Müller, ich beziehe mich jetzt nicht auf das Interview von Stern-online; es gibt auch Erich Stather, Staatssekretär im Bundesministerium andere Interviews Ihres Namenskollegen Wolfgang- für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: Ulrich Müller. Ich beziehe mich nun auf seine Aussagen Frau Abgeordnete, gemäß dem Grundkonsens gibt es in einem Interview der Frankfurter Rundschau vom ein Grundverständnis darüber, dass die Strukturen mit 10. Dezember. Auf die Frage „Am heftigsten wird über Blick auf einen einheitlichen Auftritt der deutschen Ent- die Krebsfälle in der Elbmarsch bei Krümmel gestritten. wicklungspolitik – insbesondere nach außen – verändert Ist die dortige starke Häufung anders als mit Radio- werden müssen. Inzwischen sind auf der Basis der Gut- aktivität zu erklären?“ antwortete Herr Müller: achten zusätzliche und, wie ich finde, auch umfassen- Es gibt derzeit keine Antwort. Der Krümmel-Dauer- dere Überlegungen hinzugekommen, die weitere Teile der Durchführungsorganisationen betreffen; in der Ko- betrieb kann die Ursache nicht sein. Und dass ein alitionsvereinbarung wird ja eigentlich nur von der fi- vertuschter Störfall der Grund ist, wie behauptet nanziellen und der technischen Zusammenarbeit gespro- wird, halte ich für unwahrscheinlich. chen. Es gibt also ein Gesamtpaket, über das ein Welchen anderen Schluss lässt das zu, als dass Herr Grundkonsens herrscht. Haben Sie aber bitte Verständnis Müller die Radioaktivität als Ursache ausschließt? dafür, dass ich, solange noch kein Endkonsens besteht, über Details hier nicht sprechen kann und möchte. Ich gebe Ihnen noch ein zweites Beispiel. Auf eine zweite Frage, bei der es um den Vergleich der Strahlen- Vizepräsidentin Petra Pau: belastung durch Röntgen, Fliegen und AKW geht, ant- Danke, Herr Staatssekretär. – Wir sind damit am Ende wortet er, man könne dies nicht eins zu eins vergleichen. Ihres Geschäftsbereichs. Dann sagt er: Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministe- Beim Röntgen und Fliegen ist die Einwirkungszeit riums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit kurz, bei den AKW ist es eine chronische Exposi- auf. Zur Beantwortung der Fragen steht der Parlamenta- tion. Letztere liegt aber so niedrig, dass dies für rische Staatssekretär Michael Müller zur Verfügung. eine Krebsauslösung in dem von der Studie festge- stellten Umfang nicht infrage kommt. Die Frage 17 des Kollegen Hans-Josef Fell wird schriftlich beantwortet. Welchen anderen Schluss lässt dies zu? Ich rufe die Frage 18 der Kollegin Sylvia Kotting-Uhl (B) auf: Michael Müller, Parl. Staatssekretär beim Bundes- (D) minister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicher- Ist es nach Erkenntnissen der Bundesregierung zutreffend, dass eine von der Strahlenschutzkommission, SSK, geplante heit: Arbeitsgruppe zur Bewertung der Stellungnahme des Bundes- In dem von mir genannten Interview ist auf die Frage amtes für Strahlenschutz über die epidemiologische Studie zu „Scheidet Strahlung bei Ihnen also aus?“ von Herrn Kinderkrebs in der Umgebung von Kernkraftwerken, KiKK- Müller geantwortet worden: Studie, vom bisherigen Vorsitzenden der Strahlenschutzkom- mission, Professor Dr. Wolfgang-Ulrich Müller, geleitet werden Nein, wir werden die Strahlung nicht ausschließen. soll, der sofort nach Veröffentlichung der KiKK-Studie bekannt gab, dass die darin festgestellte erhöhte Kinderkrebsrate nicht auf atomare Strahlung zurückgeführt werden könne? Vizepräsidentin Petra Pau: Bitte, Herr Staatssekretär. Sie haben das Wort zu einer zweiten Nachfrage.

Michael Müller, Parl. Staatssekretär beim Bundesmi- Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): nister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Ich muss an dieser Stelle noch ein bisschen bohren. Erstens. Die Bewertung der KiKK-Studie – so heißt Es mag ja sein, dass eine Aussage in einem Interview ein sie in der Kurzform – haben wir in Abstimmung mit der bisschen vorsichtiger als eine Aussage in einem anderen Begleitkommission Herrn Professor Dr. Wolfgang-Ulrich Interview getroffen wird; nichtsdestoweniger negiert die Müller von der Universität Essen übertragen. Dies ergibt Aussage in dem einen Interview nicht die Aussage in sich auch aufgrund seiner Funktion als Vorsitzender der dem anderen. Ich gebe Ihnen ein weiteres Beispiel und Strahlenschutzkommission, die er übrigens längere Zeit frage Sie, ob das BMU die folgende Einschätzung teilt; bis Ende 2007 ausübte. denn das muss ich unterstellen, wenn Sie diesem Mann jetzt eine so verantwortungsvolle Aufgabe geben. Auf Zweitens. Die von Ihnen unterstellte Aussage ist von die Frage „Die internationale Strahlenschutzkommission Herrn Professor Müller so nicht getroffen worden, wie hat neue Richtlinien angekündigt. Es heißt, das Leukä- Nachfragen ergeben haben. Sie hätten übrigens dasselbe mierisiko bei Kindern wurde unterschätzt. Doch eine Ergebnis bekommen, wenn Sie die Nachfrage, die bei- neue Bewertung?“ antwortet Herr Müller: spielsweise im Interview von Stern-online veröffentlicht wurde, nachgelesen hätten. Nein. Die Veränderungen sind minimal, denn es gibt keine sensationellen neuen Erkenntnisse. Die Bewertung verändert sich nicht substanziell. Vizepräsidentin Petra Pau: Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage. Ich frage Sie: Teilt das BMU diese Einschätzung? 14560 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Januar 2008

(A) Michael Müller, Parl. Staatssekretär beim Bundes- Epidemiologen haben konkrete Erfahrungen auf dem (C) minister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicher- Gebiet der Wirkung von radioaktiver Strahlung auf Kin- heit: der und Krankheitsbilder im Bereich von Krebs. Ich weiß, dass Sie unsere Stellungnahme in der Ak- tuellen Stunde mitbekommen haben. Insofern erübrigt Vizepräsidentin : sich eigentlich Ihre Frage. Aber ich gebe den Ball ein- Ihre zweite Nachfrage, bitte. fach zurück: Herr Professor Müller ist unter dem Um- weltminister Jürgen Trittin zum Vorsitzenden der Strah- lenschutzkommission gemacht worden. Seine Amtszeit Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): ist Ende 2007 ausgelaufen. Wenn Sie Ihre Frage so stel- Danke schön, Frau Präsidentin. – Ich beziehe mich len, bezieht sie sich auf die gesamte Amtszeit. Sie wis- auf den zweimal von Ihnen erwähnten Pluralismus in der sen, dass wir die Strahlenschutzkommission sehr plura- Strahlenschutzkommission. Hat die Strahlenschutzkom- listisch besetzt haben und dass diese Frage zumindest mission keine eigenen Epidemiologen, die die gleichen von einem Vertreter Ihrer Fraktion in der Vergangenheit Erfahrungen mitbringen wie die ausländischen Experten, nie gestellt worden ist. die Sie jetzt berufen wollen?

Vizepräsidentin Petra Pau: Michael Müller, Parl. Staatssekretär beim Bundes- Wir kommen damit zur Frage 19 der Kollegin Sylvia minister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicher- Kotting-Uhl: heit: Sicherlich gibt es die auch, aber ich weiß nicht, inwie- Ist der Bundesregierung bekannt, welche Epidemiologen in die genannte Arbeitsgruppe berufen werden sollen? fern das gegen die anderen Experten spricht. Ich sehe den Sinn Ihrer Frage nicht ganz. Was spricht dagegen, Bitte, Herr Staatssekretär. dass Experten mit sehr viel Erfahrung auf dem Gebiet aus einem anderen Land kommen? Sie müssten schon Michael Müller, Parl. Staatssekretär beim Bundes- näher erläutern, was Sie konkret meinen. minister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicher- (Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE heit: GRÜNEN]: Das darf ich, glaube ich, nicht Auf Ihre zweite Frage kann ich Ihnen sagen, dass drei mehr!) Epidemiologen angefragt worden sind: Dr. Martin Röösli vom Institut für Sozial- und Präventivmedizin der Uni- – Sie hätten in Ihrer Frage angeben müssen, ob Sie ge- versität Bern, Frau Dr. Tirmarche vom IRSN, einem gen irgendjemanden etwas haben. Darüber kann man re- den. Aber so geht es nicht. (B) französischen Institut, und Frau Sarah Darby aus Ox- (D) ford, drei ausgewiesene Strahlenepidemiologen. (Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben das letzte Wort! Aber Vizepräsidentin Petra Pau: wir reden im Zwiegespräch noch einmal da- Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage. rüber!) – Okay. Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Danke schön, Frau Präsidentin. – Ich schicke voraus, dass die Berufung von Herrn Müller als Vorsitzenden der Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Strahlenschutzkommission durch den vormaligen Um- Sie können das gerne bei anderer Gelegenheit vertie- weltminister diesen ehemaligen Umweltminister wahr- fen. scheinlich nicht davon abgehalten hätte, nach diesem In- Damit sind wir am Ende dieses Geschäftsbereichs. terview Herrn Müller nicht zum Vorsitzenden dieses Herr Staatssekretär, ich danke Ihnen für die Beantwor- neuen Expertengremiums zu machen. Aber wir können tung der Fragen. ihn ja gern einmal gemeinsam fragen. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministe- Nun meine Nachfrage zu den Epidemiologen: Was riums für Bildung und Forschung auf. Zur Beantwortung hat sie besonders ausgezeichnet, um in dieses Gremium der Fragen steht Herr Parlamentarischer Staatssekretär berufen zu werden? Andreas Storm zur Verfügung. Wir kommen zu Frage 20 der Kollegin Ina Lenke: Michael Müller, Parl. Staatssekretär beim Bundes- minister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicher- Zu welchen Anteilen soll sich die geplante Fortbildungs- initiative für 80 000 Personen auf Tagesmütter und -väter heit: bzw. Erzieherinnen und Erzieher erstrecken, und wie viele Unabhängig davon, dass die Meinung von Herrn von ihnen sollen im Rahmen der beruflichen Tätigkeit bzw. Müller schon immer bekannt war – ich bin länger als Sie bei Wiedereinstieg nach einer Erwerbsunterbrechung für diese im Parlament und weiß, wie er auch in der Zeit der vori- Fortbildungsinitiative gewonnen werden? gen Bundesregierung bewertet wurde –, sollten wir hier nicht am Thema vorbeireden. Der entscheidende Punkt Andreas Storm, Parl. Staatssekretär bei der Bundes- war in der Vergangenheit der Pluralismus, woran man ministerin für Bildung und Forschung: sich gehalten hat. Wir werden darauf Wert legen, dass er Frau Abgeordnete Lenke, ich beantworte Ihre Frage auch in der Arbeitsgruppe eingehalten wird. Alle drei wie folgt: Für den geplanten bedarfsgerechten Ausbau Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Januar 2008 14561

Parl. Staatssekretär Andreas Storm (A) des Betreuungsangebots für Kinder unter drei Jahren zieherinnen sowie die Tagesmütter und -väter die Mög- (C) sind rund 50 000 Erzieherinnen und Erzieher sowie bei lichkeit, dort interaktiv eine Zertifikation zu bekommen? einem Anteil der Tagespflege von rund 30 Prozent etwa Wenn sie eine solche nicht haben, dann ist das Ganze nur 27 000 Tagespflegepersonen zusätzlich zu gewinnen. von allgemeinem Interesse. Es gibt viele Internetportale, Zur Unterstützung dieses Prozesses starten das Bundes- die sich zum Beispiel mit Bildungsforschung bei unter ministerium für Bildung und Forschung sowie das Bun- Sechsjährigen befassen. Man kann sich vieles aus dem desministerium für Familie, Senioren, Frauen und Internet besorgen. Ist das, was Sie anbieten, nur ein In- Jugend eine gemeinsame Qualifizierungsoffensive Kin- formationsportal? derbetreuung mit einem Internetportal zur frühkindli- chen Bildung. Andreas Storm, Parl. Staatssekretär bei der Bundes- Dieses Informations- und Weiterbildungsangebot ministerin für Bildung und Forschung: richtet sich sowohl an berufstätige als auch arbeitslose Frau Abgeordnete Lenke, ich habe schon in der Ant- Erzieherinnen und Erzieher sowie Tagesmütter und -vä- wort auf Ihre erste Zusatzfrage deutlich gemacht, dass es ter, aber ebenso an Quereinsteiger mit beruflicher Bil- über die Bereitstellung der Infrastruktur mit diesem In- dung. Es wird grundsätzlich allen offenstehen, die an ternetportal hinaus Aktivitäten gibt. Zuerst muss dieses diesen Bildungsinhalten interessiert sind. Internetportal mit Inhalten durch die Anbieter gefüllt werden, die auch für die Bereitstellung von begleitenden Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Gruppen sorgen sollten; das nennt man Blended Lear- Haben Sie eine Nachfrage? – Bitte sehr. ning. Das heißt, es geht um Betreuung des E-Learning. Ein weiterer wichtiger Punkt ist: Es soll Möglichkeiten geben, die so erworbenen Fortbildungsinhalte nachzu- Ina Lenke (FDP): weisen und zertifizieren zu lassen. Herr Staatssekretär, ich finde es sehr erstaunlich, dass Ihnen dazu nicht mehr als ein Internetportal eingefallen Dieses Internetportal ist also nur ein Element eines ist. Ich glaube, dass die Erzieherinnen und Erzieher noch Bündels zahlreicher Maßnahmen zur Stärkung der frü- andere Erwartungen an die Bundesregierung hatten. Ist hen Bildung von Kindern und der Qualifizierung der Er- das alles, oder gibt es zusätzliche Angebote? Schließlich zieherinnen und Erzieher, der Tagesmütter und Tages- stellen Sie viel Geld zur Verfügung. väter.

Andreas Storm, Parl. Staatssekretär bei der Bundes- Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: ministerin für Bildung und Forschung: Wir kommen zu Frage 21 der Kollegin Ina Lenke: Nein, Frau Abgeordnete Lenke, das ist nicht alles. Zu- (B) Welcher zeitliche und finanzielle Umfang der Fortbildung (D) nächst zur Bedeutung des Internetportals: Es geht da- ist für die einzelne Tagespflegeperson bzw. die Erzieherin rum, einen wichtigen Beitrag für die Verbesserung der bzw. den Erzieher jeweils für die einzelnen Weiterbildungs- Qualifizierungsmöglichkeiten der Erzieherinnen und Er- module und Präsenzangebote vorgesehen, und wie soll gerade zieher durch Schaffung von Infrastruktur zu leisten. Es in kleineren Einrichtungen und im Rahmen der Tagespflege wird beispielsweise darum gehen, Angebote zugänglich die Vertretung gewährleistet werden? zu machen, die über Tutorien oder Lerngruppen IT-Qua- Herr Staatssekretär, bitte. lifizierungsmaßnahmen begleiten. Wie Sie wissen, sind im Hinblick auf die verfassungs- Andreas Storm, Parl. Staatssekretär bei der Bundes- rechtliche Zuständigkeit in diesem Bereich sehr stark die ministerin für Bildung und Forschung: Länder und Kommunen gefordert. Der Bund ist aber zur Frau Abgeordnete Lenke, diese Frage schließt unmit- Verbesserung der Qualifikation im Bereich der frühkind- telbar an den ersten Sachverhalt an. Ich antworte wie lichen Bildung auf weiteren Feldern aktiv, zum Beispiel folgt: Grundsätzlich obliegt es den Trägern der Einrich- indem wir Forschung zu frühkindlicher Bildung fördern. tungen, den Kommunen und den Ländern unter Berück- Ich nenne noch ein weiteres Beispiel. Wir leisten sei- sichtigung der Bildungspläne der Länder die Modalitäten tens des Bundesministeriums für Bildung und Forschung zur Weiterbildung des Personals in der Kindertagesbe- einen wichtigen finanziellen und organisatorischen Bei- treuung festzulegen. Ziel der Initiative der Bundesregie- trag, um das „Haus der kleinen Forscher“ – dabei han- rung ist es, diesen Institutionen ebenso wie interessierten delt es sich um eine Public-Private-Partnership zwischen Einzelpersonen den Zugang zu besten Standards, quali- Wissenschaft und Wirtschaft zur Stärkung von naturwis- tätsgesicherter Weiterbildung und berufsbegleitender senschaftlichen Kompetenzen im Bereich der frühkindli- Qualifizierung zu ermöglichen. Das Angebot von Quali- chen Bildung – in kurzer Zeit möglichst bundesweit zu fizierungsmodulen über neue Medien in Kombination verbreiten. mit Präsenzangeboten ermöglicht dabei ein hohes Maß an Flexibilität bei der individuellen Zeiteinteilung für die Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Fortbildung. Ihre zweite Frage, bitte. Zur Sicherstellung der Vertretung in Fehlzeiten des Personals wird im Aktionsprogramm „Kindertages- Ina Lenke (FDP): pflege“ in Abstimmung mit Ländern, Kommunen und Zu dieser geplanten Fortbildungsinitiative in Form ei- Trägern die Anbindung von Tagespflegepersonen an nes Internetportals habe ich folgende Frage: Ist das nur Einrichtungen bzw. die Arbeit in Großpflegestellen ge- ein Informationsportal, oder haben die Erzieher und Er- zielt erprobt. 14562 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Januar 2008

(A) Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: men der Bundesländer und der Ressorts in die Verhand- (C) Ihre Nachfrage, bitte. lungen mit den anderen deutschsprachigen Staaten bei der Übersetzungskonferenz am 4. und 5. September 2007 Ina Lenke (FDP): eingebracht. Herr Staatssekretär, nach diesen Antworten fallen mir Die Abstimmung über eine einheitliche deutsche dazu keine Fragen mehr ein. Übersetzung des Übereinkommens zwischen diesen Staaten war erforderlich, weil das Übereinkommen nur Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: in den sechs Amtssprachen der Vereinten Nationen aus- Die Frage 22 des Kollegen Jan Mücke wird schriftlich gefertigt wurde; das sind Englisch, Französisch, Spa- beantwortet. nisch, Russisch, Chinesisch und Arabisch. Damit sind wir am Ende des Geschäftsbereichs des Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Haben Sie eine Nachfrage, Herr Kollege? – Bitte sehr. Herr Staatssekretär, vielen Dank für die Beantwor- tung. Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundes- Ist es bei der Rücksprache mit den anderen deutsch- ministeriums für Arbeit und Soziales. Für die Beantwor- sprachigen Ländern etwa dazu gekommen, dass mögli- tung der Fragen steht Herr Parlamentarischer Staats- che Empfehlungen des Deutschen Behindertenrates sekretär Franz Thönnes zur Verfügung. nicht übernommen wurden? Haben die anderen deutsch- sprachigen Länder Einwände erhoben? Die Fragen 23 und 24 des Kollegen Dr. Seifert wer- den schriftlich beantwortet. Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär beim Bundes- Damit rufe ich die Frage 25 des Kollegen Markus minister für Arbeit und Soziales: Kurth auf: Im Verlauf eines Prozesses im Rahmen der Konferenz Wann wird die zwischen Deutschland, Liechtenstein, Ös- mit den Behindertenverbänden wurde seitens des terreich und der Schweiz abgestimmte Übersetzung des Über- Behindertenrates angeregt, das Wort „Inklusion“ für einkommens über die Rechte von Menschen mit Behinderun- „inclusion“ zu wählen. In dem ganzen Prozess hat sich gen sowie des Fakultativprotokolls zugänglich gemacht, und wie geht die Bundesregierung mit dem Vorwurf um, die gute herausgestellt, dass man sich sowohl mit den anderen Zusammenarbeit zwischen der Bundesregierung und den deutschsprachigen Ländern als auch mit den Bundeslän- Menschen mit Behinderungen und deren Verbänden im Vor- dern auf „integrativ“ verständigt hat, um zu einer ge- (B) feld der Erarbeitung der UN-Konvention nicht auch im Zuge meinsamen Position zu kommen. Als ein Element hat (D) des Übersetzungsprozesses fortgesetzt zu haben? auch die 1994 abgestimmte Salamanca-Erklärung dabei Herr Staatssekretär. eine Rolle gespielt, die die Bereiche Bildung und Schule umfasst und in der auch immer wieder das Wort „inte- grativ“ verwendet wird. Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär beim Bundes- minister für Arbeit und Soziales: Herr Kollege Kurth, meine Antwort lautet wie folgt: Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Am 10. Januar 2007 hat die Bundesregierung die mit Eine weitere Zusatzfrage? Österreich, der Schweiz und Liechtenstein abgestimmte deutsche Fassung des UN-Übereinkommens über die Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Rechte von Menschen mit Behinderungen und des dazu- Nun besteht – das werden wir vermutlich auch bei der gehörigen Fakultativprotokolls auf der Internetseite des Beantwortung der nächsten Frage noch sehen – ein gro- Bundesministeriums für Arbeit und Soziales veröffent- ßer Unterschied zwischen „Integration“ und „Inklusion“. licht. Die Bundesregierung wird auch die notwendigen Das wissen Sie auch. Welche Möglichkeiten gibt es denn Schritte einleiten, um Versionen des Übereinkommens für die Bundesrepublik Deutschland, die ja ein souverä- und des Fakultativprotokolls in Gebärdensprache sowie ner Staat ist, abweichend eine Übersetzung nur für die in leichter Sprache erstellen zu lassen. Bundesrepublik Deutschland vorzulegen, in der jene für Auch bei der Übersetzung des Übereinkommens hat den Behindertenrat wichtigen Punkte berücksichtigt die Bundesregierung die Verbände behinderter Men- werden? schen eng eingebunden. Die deutsche Arbeitsüberset- zung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär beim Bundes- wurde den Verbänden behinderter Menschen frühzeitig minister für Arbeit und Soziales: zur Verfügung gestellt, die sich dazu schriftlich und Wir wollen jetzt den Ratifizierungsprozess einleiten. mündlich gegenüber dem Ministerium äußerten. Am Voraussetzung dafür ist diese gemeinsame Übersetzung, 5. Juli 2007 wurde auf einer Fachkonferenz des Deut- weil darin auch eine gemeinsame Sprache und Bewer- schen Instituts für Menschenrechte mit Vertreterinnen tung zum Ausdruck kommt. Im Verlauf des Ratifizie- und Vertretern des Deutschen Behindertenrates über Fra- rungsprozesses werden wir hier im Deutschen Bundes- gen der Übersetzung diskutiert. Die Anregungen des tag darüber beraten, und auch im Bundesrat muss Deutschen Behindertenrates hat das Bundesministerium darüber gesprochen werden, um die Zustimmung der für Arbeit und Soziales zusammen mit den Stellungnah- Länder zu bekommen. Von daher war es gut, schon in Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Januar 2008 14563

Parl. Staatssekretär Franz Thönnes (A) den Vorbereitungsprozess alle mit einzubeziehen und nicht der englische Begriff „integration“, also „Integra- (C) auch die Positionen der Länder zu hören. Auf dieser gan- tion“, im Vertragstext stand, sondern der Begriff „inclu- zen Strecke haben sich alle an den Entscheidungen Be- sion“, den man ins Deutsche mit „Inklusion“ übersetzen teiligten auf das Wort „integrativ“ verständigt, weil sie kann und bei dessen Anwendung sich sehr weitreichende glauben, damit den Komplex abgedeckt zu haben, den Mitbeteiligungsrechte – ich denke an den Bereich der wir in der gesamten Behindertenpolitik diskutieren. Wir Beschulung – ergeben würden. Wie gehen Sie jetzt da- wollen, dass die Menschen am gesellschaftlichen Leben mit um? Sehen Sie unterschiedliche Rechtsfolgen durch teilhaben, dass sie in die Gesellschaft integriert und eben den Begriff „Integration“ statt „Inklusion“? Wird das nicht ausgeschlossen sind. etwa für die Bundesländer, was Beschulung anbelangt, dazu führen, dass im Prinzip alles beim Alten bleiben Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: kann? Damit kommen wir zur Frage 26 des Kollegen Markus Kurth: Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär beim Bundes- Ist die Annahme richtig, dass bei der offiziellen Überset- minister für Arbeit und Soziales: zung der UN-Konvention die Begriffe „Inklusion“, „selbstbe- Herr Kollege Kurth, wir gehen so damit um, dass wir stimmt leben“ und „Barrierefreiheit“ nicht vorkommen, und auf der Basis eines zwischen allen deutschsprachigen wie geht die Bundesregierung mit dem Vorwurf um, diese Be- griffe genau deshalb nicht aufgenommen zu haben, da ansons- Staaten abgestimmten Übersetzungstextes, bei dessen ten die Bundesländer mit Vorbehalten bei der Ratifizierung Erarbeitung die Bundesländer einbezogen gewesen sind, drohen würden? den Prozess der Ratifizierung einleiten. Das habe ich ge- rade erläutert. Ich habe auch gesagt, dass eine der Ar- Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär beim Bundes- beitsbasen, die wir haben und bei der auch immer auf die minister für Arbeit und Soziales: Wörter „Integration“ und „integrativ“ verwiesen wird, Die Antwort auf diese Frage lautet wie folgt: Die mit die Salamanca-Erklärung von 1994 ist, die sich im We- Österreich, der Schweiz und Liechtenstein abgestimmte sentlichen mit Fragen der integrativen Erziehung und der Übersetzung des UN-Übereinkommens über die Rechte Beschulung befasst. Vor diesem Hintergrund besteht von Menschen mit Behinderungen und des dazugehöri- weiterhin das Postulat und auch die Erwartung bei den gen Fakultativprotokolls wird die Grundlage für das Ge- Ländern, eine integrative Beschulung vorzunehmen und setzgebungsverfahren zur Ratifizierung des UN-Über- keine Trennung zwischen den jungen Menschen mit Be- einkommens sein, das die Bundesregierung derzeit hinderung und den jungen Menschen ohne Behinderung vorbereitet. In dieser Übersetzung haben die Begriffe zuzulassen, weil wir im Kern wollen, dass die jungen „Inklusion“, „selbstbestimmt leben“ und „Barrierefrei- Menschen gemeinsam aufwachsen und nicht frühzeitig (B) heit“ wörtlich keinen Eingang gefunden. Die Überset- in der Gesellschaft ein Auseinanderdividieren stattfin- (D) zung von „independent living“ lautet in der deutschspra- det. Das ist unser Anspruch, und der lässt sich auch aus chigen Übersetzung „unabhängige Lebensführung“. Die dem Wort „integrativ“ ableiten. Formulierung „selbstbestimmt leben“ wurde auf der Fachkonferenz des Deutschen Instituts für Menschen- Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: rechte von keiner Seite vorgeschlagen. Sie war daher Haben Sie eine weitere Zusatzfrage? auch nicht Gegenstand einer ausdrücklichen Erörterung auf der Übersetzungskonferenz mit den anderen deutsch- sprachigen Staaten Anfang September 2007. Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Noch eine letzte Frage zu dem Begriff der Barriere- Mit diesen Staaten hat sich die Bundesregierung auf freiheit, den ich gerne näher erläutert sähe. Alle Fraktio- die Begriffe „integrativ“ und „Integration“ sowie durch- nen dieses Hauses haben sich in den vergangenen Jahren gehend auf „zugänglich“ und „Zugänglichkeit“ geeinigt. sehr stark darum bemüht, den Begriff „behinderten- Damit konnte eine für die deutschsprachigen Staaten gerecht“ durch „barrierefrei“ zu ersetzen bzw. das Sub- einheitliche Sprachfassung erreicht werden. Die Bundes- stantiv „Barrierefreiheit“ zu benutzen, um deutlich zu länder und die Kultusministerkonferenz wurden im Üb- machen, dass es hier nicht nur um die Gruppe der Men- rigen wie die Verbände behinderter Menschen vor der schen mit Behinderung geht, sondern um die Beseiti- Übersetzungskonferenz mit den deutschsprachigen Staa- gung von Hürden für alle Menschen, etwa auch für alte ten an den fachlichen Überlegungen zur Übersetzung be- Personen. Warum ist jetzt der Begriff der Barrierefrei- teiligt. heit, den Sie noch in der Presseerklärung vom 30. März 2007 hervorgehoben haben, nicht in der deutschen Über- Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: setzung der UN-Konvention? Ihre Zusatzfrage, bitte. Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär beim Bundes- Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): minister für Arbeit und Soziales: Die Bundesrepublik Deutschland hat sich bei der Es ist so: Der Art. 9 des Übereinkommens trägt in der Aushandlung dieser UN-Konvention in besonders star- amtlichen englischen Fassung die Überschrift „Accessi- kem Maße eingebracht, namentlich auch der damalige bility“. Festgelegt wird hier, welche Maßnahmen die Beauftragte der Bundesregierung für die Rechte der Vertragsstaaten treffen sollen, um für Menschen mit Be- Menschen mit Behinderung, Karl Hermann Haack. Mei- hinderung unter anderem den gleichberechtigten Zugang nes Wissens ist sehr viel Wert darauf gelegt worden, dass zu Transportmitteln, Gebäuden oder auch zu Kommuni- 14564 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Januar 2008

Parl. Staatssekretär Franz Thönnes (A) kationsmitteln zu gewährleisten. Die Bundesregierung Würden Sie mir zumindest in diesem Punkt schon ein- (C) hat sich gemeinsam mit den deutschsprachigen Staaten mal recht geben wollen? Österreich, Schweiz und Liechtenstein auf die Überset- zung mit dem Begriff „Zugänglichkeit“ verständigt. Die- Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär beim Bundes- ser Begriff wird auf internationaler Ebene regelmäßig minister für Arbeit und Soziales: verwendet und findet auch in den deutschen Unterlagen Ich kann einen anderen Vergleich anstellen. Bei ei- der Europäischen Union seine Verwendung. Wir glau- nem Bruttoeinkommen von 820 Euro im Monat ergibt ben, dass zusammen mit den anderen deutschsprachigen sich eine Nettorente aus der gesetzlichen Rentenversi- Staaten der Zielperspektive, die wir dabei haben, mit cherung in der Größenordnung von 355 Euro. Wenn man dem Wort „Zugänglichkeit“ entsprochen wird. zusätzlich einen Riester-Vertrag hat, erhält man – dabei gehe ich von 4 Prozent Verzinsung aus – eine Riester- Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Rente von 250 Euro. Damit erreicht man ganz leicht Die Fragen 27 und 28 des Kollegen Volker Schneider 96 Prozent des von mir eben genannten Grundsiche- (Saarbrücken) werden schriftlich beantwortet. rungsbedarfs. Wir kommen dann zur Frage 29 des Kollegen (Kornelia Möller [DIE LINKE]: Warum Dr. Heinrich Kolb: antworten Sie nicht?) Wie kann es nach Ansicht der Bundesregierung einer Per- son mit einem Verdienst von 850 Euro brutto gelingen, im Al- Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: ter zu einer Gesamtaltersversorgung zu kommen, die über dem Grundsicherungsniveau nach dem SGB XII von 681 Euro Eine weitere Zusatzfrage. monatlich liegt? Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär beim Bundes- Würden Sie mir denn darin zustimmen, dass es doch minister für Arbeit und Soziales: eine Ungerechtigkeit darstellt, wenn jemand 45 Jahre Die Antwort lautet wie folgt: Anders als in der Frage- lang riestern muss, um am Ende eine Leistung zu erhal- stellung angegeben, beträgt der durchschnittliche monat- ten, die anderenfalls als Grundsicherung im Alter ohne liche Bruttobedarf bei Grundsicherung im Alter für Per- jedes eigene Zutun gewährt wird? sonen ab 65 Jahre nach den zuletzt verfügbaren statistischen Daten nicht 681 Euro, sondern 627 Euro. Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär beim Bundes- Für alle Bezieher der Grundsicherung im Alter und bei minister für Arbeit und Soziales: Erwerbsminderung beträgt der durchschnittliche monat- Nein, ich glaube nicht, dass das eine Ungerechtigkeit (B) (D) liche Bedarf sogar nur 614 Euro. ist. Das Prinzip in unserer Gesellschaft ist, aus eigener Rechnerisch erreicht ein Versicherter mit einem mo- Kraft, mit eigener Leistung den Versuch zu unterneh- natlichen Bruttoentgelt von 850 Euro nach 45 Beitrags- men, in der Erwerbsphase ein gutes Einkommen zu er- jahren auf Basis heutiger Werte eine monatliche Brutto- reichen. Wo das unter den Bedingungen, wie sie zurzeit rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe gegeben sind, in Teilbereichen nicht möglich ist, versu- von knapp 410 Euro. Werden darüber hinaus Beiträge in chen wir – das habe ich schon vorhin bei der Beantwor- einen Riester-Vertrag eingezahlt, ergibt sich nach tung der dringlichen Fragen gesagt –, über die Regelun- 45 Jahren eine zusätzliche Riester-Rente in Höhe von gen des Entsendegesetzes und des Gesetzes über die 260 Euro. Insgesamt liegt das Alterseinkommen dann Festsetzung von Mindestarbeitsbedingungen dazu beizu- also bei rund 670 Euro. Berücksichtigt man die von der tragen, dass es zu Mindestlöhnen kommt. Rentnerin oder dem Rentner zu zahlenden Kranken- und Ich glaube, dass die Menschen im Prinzip immer ein Pflegeversicherungsbeiträge, beträgt das Nettoaltersein- Interesse daran haben, einen guten Verdienst zu erzielen, kommen gut 630 Euro und liegt damit über dem heuti- auch die Möglichkeit zu haben, voll zu arbeiten. Von da- gen Grundsicherungsniveau. her ist die Perspektive, 45 Jahre lang mit einem Einkom- men von 850 Euro zu arbeiten, eine solche, von der ich Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: glaube, dass sie in den meisten Fällen so nicht eintritt. Herr Kollege Kolb. Die Frage, die Sie zur Ungerechtigkeit gestellt haben, impliziert ein Stück weit die Frage der Anrechnung der Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Riester-Rente beim Grundsicherungsbedarf. Hier muss Herr Staatssekretär, ich kann aber nicht nachvollzie- ich noch einmal auf das Prinzip der Nachrangigkeit hin- hen, wie man bei einem monatlichen Bruttoeinkommen weisen. Ich will das an einem Beispiel beschreiben, weil von 850 Euro nach 45 Jahren auf eine Rente von man versuchen muss, beim Prinzip der Gerechtigkeit 410 Euro kommen soll. 850 Euro entsprechen etwa ei- Folgendes im Auge zu haben: nem Drittel des Durchschnittsverdienstes. Nach Adam Riese erreicht man dann nach 45 Jahren 15 Entgelt- Ich nehme ein einfaches Zahlenbeispiel. Bei einem punkte. Wenn man die 15 Entgeltpunkte mit 25 multipli- Grundsicherungsbedarf von 600 Euro hätte jemand, der ziert – der entsprechende Wert beträgt nämlich jetzt eine gesetzliche Rente von 500 Euro erhält, Anspruch knapp 25 Euro –, kommt man auf 375 Euro. auf Grundsicherung in Höhe von 100 Euro, um auf diese 600 Euro zu kommen. Bei einer anderen Person – Grund- (Kornelia Möller [DIE LINKE]: So ist es!) sicherungsbedarf wieder 600 Euro –, die eine relativ Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Januar 2008 14565

Parl. Staatssekretär Franz Thönnes (A) kleine gesetzliche Rente von 250 Euro bezieht und hält eine Zulage von 154 Euro im Jahr, also knapp (C) 250 Euro aus einem Riester-Vertrag erhält, ergäbe sich 13 Euro im Monat. Der Eigenbeitrag beläuft sich auf die Situation, dass natürlich die gesetzliche Rente von knapp 21 Euro im Monat, also nicht ganz zwei Drittel 250 Euro angerechnet wird. Um nun auf den Grund- der Gesamtsumme. sicherungsbedarf von 600 Euro zu kommen, müssten Ich denke – da wiederhole ich mich –, dass auf einen 350 Euro Grundsicherung draufgelegt werden. Jetzt füh- derartigen Fall perspektivisch im Verlauf des Erwerbsle- ren wir einmal einen politischen Dialog: Sie fordern nun bens nicht hingearbeitet wird, sondern immer versucht eine Freistellung der Riester-Rente. Der Betreffende wird, im Schnitt mehr Einkommen zu verdienen. Es ist hätte nun 600 Euro, bekäme seine 250 Euro, die er aus auch, wie vorhin erläutert, das Grundprinzip des Sozial- der Riester-Rente hat, anrechnungsfrei dazu und hätte staates gemäß § 2 Sozialgesetzbuch XII zu beachten, ge- insgesamt 850 Euro. mäß dem die solidarische Leistung aller Steuerzahlerin- Ich glaube, das ist nicht zu vermitteln. Hier gilt, wie nen und Steuerzahler nur dann eintritt, wenn keine ich schon vorhin sagte, das Nachrangigkeitsprinzip: Hast eigenen Einkommen eingesetzt werden können. Deshalb du selbst etwas einzubringen, dann musst du es einbrin- muss man sich auch bei der Entscheidung über die gen. – Stellt man die Riester-Rente nun anrechnungsfrei, Frage, ob man hier möglicherweise etwas freistellt, an tritt automatisch die Fragestellung auf, wie mit anderen diesem Prinzip orientieren. Wir sagen deshalb: Alles, erarbeiteten Rentenansprüchen, Erträgen aus Lebensver- was anrechenbar ist – dazu gehören in dem Fall auch sicherungen oder sonstigen Anlageformen verfahren Einkommen aus einem Riester-Vertrag und anderen An- werden soll. lagearten sowie vorhandenes Vermögen –, wird entspre- chend angerechnet, weil sonst alle Steuerzahlerinnen Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: und Steuerzahler einspringen müssten. Dies entspricht nicht dem Sozialstaatsprinzip der Nachrangigkeit, das Eine weitere Frage hat der Kollege Rohde. sich im genannten § 2 findet.

Jörg Rohde (FDP): Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Staatssekretär, Eine weitere Frage dazu hat der Kollege Kurth. um den politischen Dialog fortzuführen: Es stand ja schon mehrmals die Thematik im Raum, dass dann, wenn es einen Freibetrag gibt, dieser für alle Sparformen Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): und nicht nur für die Riester-Rente gelten muss. Die Herr Staatssekretär, ich teile Ihre grundsätzlichen Riester-Rente muss allerdings als Flaggschiff herhalten, Ausführungen zum Prinzip der Nachrangigkeit. Ihr Re- (B) weil sie, wie von uns allen gemeinsam gewollt, sehr chenbeispiel aber kann nicht überzeugen. Haben Sie bei (D) populär ist. dieser Berechnung überhaupt berücksichtigt, dass von dem Endbetrag auch noch Beiträge zur gesetzlichen In dem Fall eines Bruttoeinkommens von 850 Euro, Krankenversicherung und zur Pflegeversicherung ge- den Sie beschrieben haben, müsste sich der Betreffende zahlt werden müssen? Damit läge der Betrag ja noch ein- ja sehr staatsdienlich verhalten, wenn er sich die Riester- mal um 10 Prozent und in 30 Jahren vielleicht sogar um Rente auszahlen ließe und damit eine geringere Grund- noch mehr als 10 Prozent niedriger. sicherung in Anspruch nähme. Wenn er sich nun auf- grund der Tatsache, dass sein Nachbar, der die gleichen Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär beim Bundes- Voraussetzungen hatte, nicht gespart hat, entscheidet, minister für Arbeit und Soziales: seinen ganzen Riester-Vertrag aufzulösen, alle staatli- Das ist insofern mitberücksichtigt, als man dann nicht chen Zuschüsse, die er bisher erhalten hat, zurückzuzah- bedürftig ist. len und nur das eingesetzte Kapital, das ja gesetzlich als Schonvermögen behandelt wird, zu behalten, dann ver- meidet er die Anrechnung auf die Grundsicherung und Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: der Staat muss mit höheren Grundsicherungszuschüssen Wir bleiben bei der Thematik. Wir kommen zur für seinen laufenden Unterhalt im Alter aufkommen. Der Frage 30 des Kollegen Dr. Heinrich Kolb: Vorteil, den er sich durch seine eigene Entscheidung ver- Welche Aufwendungen zur privaten Vorsorge, etwa einer schafft hat, entspricht dann dem Vermögen, das er im Riester-Rente, wären dafür erforderlich, und welchen Verzin- sungssatz legt die Bundesregierung ihrer Berechnung zu- Riester-Vertrag angespart hat. Wir empfinden das natür- grunde? lich als ungerecht; aber das ist legal. Möchte die Bundes- regierung an diesem Umstand etwas ändern? Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär beim Bundes- minister für Arbeit und Soziales: Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär beim Bundes- Bei einem monatlichen Bruttolohn von 850 Euro be- minister für Arbeit und Soziales: tragen die Beiträge zu einer Riester-Rente bei Inan- Man kann solche Berechnungen anstellen, aber man spruchnahme der maximalen Förderung rund 34 Euro sollte bedenken, dass uns viele Menschen zuhören. Das pro Monat; das sind 4 Prozent von 850 Euro. Zusammen Vermögen, das dort aufgebaut worden ist, ist auch dank mit der Grundzulage von 154 Euro pro Jahr – auf den immenser staatlicher Förderung aufgebaut worden. Die Monat umgerechnet rund 13 Euro – verbleibt ein Eigen- Förderquote liegt bei dem Beispiel, das ich in der Ant- betrag von nur 21 Euro im Monat, die der Arbeitnehmer wort genannt habe, bei 38 Prozent. Der Versicherte er- tatsächlich aus seinem Lohn zu zahlen hat. Bei der Be- 14566 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Januar 2008

Parl. Staatssekretär Franz Thönnes (A) rechnung werden eine jährliche Verzinsung des einge- mir einige Fragen noch nicht oder nur sehr unzureichend (C) zahlten Kapitals von 4 Prozent sowie Verwaltungskosten beantwortet, sodass wir große Lücken in der Argumenta- in Höhe von 10 Prozent unterstellt. tion der Bundesregierung sehen. Die Antwort der Bun- desregierung auf unsere Anfrage zeigte auch, dass im Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Moment für 20 Prozent der Riester-Verträge ein Zu- Ihre Nachfrage, bitte. schuss gezahlt wird, für Personen, die weniger als 10 000 Euro Jahresverdienst haben. So wenig, wie Sie bezüglich der Erwerbsphasen annehmen können, dass Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): ein Betroffener zum Beispiel nicht durchgehend arbeitet, Herr Staatssekretär, würden Sie mir denn zustimmen, so wenig können Sie voraussetzen, dass er durchgehend dass Ihr Berechnungsbeispiel, das Sie eben genannt ha- ben, insofern hinkt, als der Geringverdiener keine arbeitet, dass es keine Zeiten gibt, in denen er arbeitslos 350 Euro Riester-Vorsorge aufbauen kann, weil die För- ist. Sie müssen beispielsweise auch den Umstand be- derung auf 4 Prozent des Bruttoverdienstes – Sie haben rücksichtigen, dass er aufgrund der gesetzlichen Vorga- es gerade vorgetragen – begrenzt ist? Würden Sie mir ben mit 63 Jahren vorzeitig in Rente geschickt werden also zustimmen, dass jemand, der 850 Euro brutto hat, kann, wodurch er große Abschläge in Kauf nehmen nicht so viel Riester-Förderung erzielen kann, dass er müsste, die eine Lücke hinterließen. Das heißt, Sie soll- tatsächlich am Ende über die Grundsicherung kommt? ten zumindest sehen, dass hier eine sehr große Gruppe betroffen ist, um die wir uns kümmern müssen. Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär beim Bundes- minister für Arbeit und Soziales: Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär beim Bundes- Wie gesagt, er bekommt außerdem die Zulagen des minister für Arbeit und Soziales: Staates, und hinzu kommt die jährliche Verzinsung. Da- Herr Kollege Rohde, ich teile diese Einschätzung raus ergibt sich bei diesem Rechenbeispiel das Ergebnis, nicht. Sie gehen – ich wiederhole es – in Ihrer Fragestel- das ich Ihnen genannt habe. lung von 10 000 Euro Jahresverdienst aus. Ein Jahres- verdienst von 10 200 Euro bedeutet im Schnitt 850 Euro (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Das bezweifle ich! Dann kommen wir an dieser Stelle nicht im Monat. Damit sind wir wieder bei dem Beispiel, das weiter, Frau Präsidentin!) ich genannt habe. Bezüglich der Phasen der Kindererzie- hung wissen Sie, dass wir insbesondere bei denjenigen, die Teilzeitarbeit leisten, eine erhebliche Höherbewer- Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: tung des Einkommens unter Zugrundelegung des Durch- Dann rufe ich die Frage 31 des Kollegen Jörg Rohde schnittsentgeltes in Deutschland vornehmen. Sie wissen, (B) auf: dass pro Kind drei Entgeltpunkte hinzukommen. Phasen (D) Sieht die Bundesregierung für Personen mit 10 000 Euro der Arbeitslosigkeit sind Phasen, durch die eine Er- Jahresverdienst nicht auch eine Gefahr, später Grundsiche- werbsbiografie unterbrochen wird. Ich habe gesagt, wir rungsbezieher zu werden, wenn sie zum Beispiel auch einmal Zeiten der Arbeitslosigkeit aufzuweisen haben? arbeiten daran, diese Phasen möglichst kurz zu halten. Aus den Unterbrechungen kann aber nicht geschlossen werden – das ist in dem Prozess beschrieben –, dass am Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär beim Bundes- Ende des Arbeitslebens Grundsicherungsbedarf besteht. minister für Arbeit und Soziales: Da kommt es auf die gesamten Einkommensverhältnisse Die Antwort lautet: Aus der momentanen Einkom- an, auf die Lebensverhältnisse, auf die Bedarfsgemein- menssituation einer erwerbstätigen Person lassen sich schaft. Das alles spielt dabei eine Rolle. Von daher habe keine Rückschlüsse auf das Einkommen während der ge- ich diese negative Perspektive, die in Ihrer Frage impli- samten Erwerbsphase und damit auch nicht auf die Höhe ziert ist, nicht. der Alterseinkünfte ziehen. Die Ursachen für geringe Er- werbseinkommen sind vielfältig. Dazu zählen zum Bei- spiel Arbeitslosigkeit, Kindererziehung oder Ausbil- Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: dungszeiten. Diese Lebensphasen sind jedoch zeitlich Möchten Sie eine weitere Zusatzfrage stellen? begrenzt und können deshalb nicht für die gesamte Er- werbsphase unterstellt werden. Unstrittig ist jedoch, dass (Jörg Rohde [FDP]: Für den Moment gebe ich Altersarmut bereits in der Erwerbsphase bekämpft wer- erst einmal auf!) den muss, da eine unzureichende Altersvorsorge im Al- Damit sind wir am Ende der Fragestunde. Die restli- ter nicht mehr ausgeglichen werden kann. Deshalb sind chen Fragen werden schriftlich beantwortet. eine gute Beschäftigungssituation und ausreichende Ent- gelte Voraussetzung für die Beitragszahlung zur gesetzli- Ich rufe nun den Zusatzpunkt 1 auf: chen Rentenversicherung und zur Altersvorsorge. Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktionen der CDU/CSU und Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: SPD Haben Sie eine Zusatzfrage, Herr Kollege? Energie- und Klimapaket der EU-Kommission Jörg Rohde (FDP): Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Red- Ja. – Ich fasse mich kurz, weil wir darüber schon ei- ner dem Kollegen Marco Bülow das Wort für die SPD- nen umfassenden Dialog geführt haben. Aber Sie haben Fraktion. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Januar 2008 14567

(A) Marco Bülow (SPD): Dieses System hat dazu geführt, dass die erneuerba- (C) Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das Er- ren Energien in Deutschland kontinuierlich ausgebaut neuerbare-Energien-Gesetz ist eines der erfolgreichsten wurden. Die entsprechenden Anteile habe ich gerade ge- Gesetze, das zur Förderung von erneuerbaren Energien nannt. In Großbritannien dümpelt man weiterhin bei ei- und zur Bekämpfung des Klimawandels verabschiedet nem Anteil von 1,5 Prozent für die erneuerbaren Ener- worden ist. Es ist wichtig, immer wieder auf die Rah- gien herum – und das seit Jahren. Diejenigen, die an dem mendaten hinzuweisen, die durch dieses Gesetz beein- alten System in Großbritannien festhalten, werden ir- flusst werden. gendwann sagen: Wir haben es versucht, aber wir kön- nen die erneuerbaren Energien nicht ausbauen; deswe- Wir haben in Deutschland über 235 000 Arbeitsplätze gen müssen wir vielleicht auf Atomkraft setzen. – Genau in dem Bereich der erneuerbaren Energien geschaffen. In das wollen wir nicht. Wir brauchen die erneuerbaren diesem Bereich wurde im letzten Jahr in Deutschland Energien und Energieeffizienz. Dann haben wir die 110 Millionen Tonnen CO eingespart. Der Anteil der er- 2 große Chance, die Atomenergie loszuwerden und die neuerbaren Energien an der Stromerzeugung liegt mitt- lerweile bei über 14 Prozent und der Anteil am Gesamt- Lücke zu kompensieren. Auch deshalb, aber nicht nur energieverbrauch bei ungefähr 9 Prozent. deshalb müssen wir an unserem System festhalten. Wir brauchen weiterhin das EEG. Es garantiert Versorgungs- Wir haben in diesem Bereich die Technologieführer- sicherheit, weil die heimischen Energiequellen Sonne, schaft übernommen und exportieren diese Technologien Wind usw. immer und überall zur Verfügung stehen, in viele Länder dieser Welt. Es gibt immer mehr Befür- nicht nur in Deutschland. Das Gesetz garantiert, dass worter der erneuerbaren Energien, die dieses Instrument dieser Bereich immer effizienter und die so gewonnene nach dem Vorbild Deutschland ausrichten. 40 Länder ha- Energie immer günstiger wird. ben sich uns bereits angeschlossen. Erst vor kurzem hat Hillary Clinton lobend erwähnt, wie vorbildlich das Ich glaube, wir haben das richtige Instrument. Die deutsche System sei und dass auch sie nach einem ge- Maßnahmen, die die Bundesregierung auf den Weg wonnenen Wahlkampf es einführen werde. Ähnlich äu- gebracht hat, über die wir in den nächsten Monaten im ßern sich weitere führende Politiker in den USA. parlamentarischen Verfahren zu diskutieren haben, kom- plettieren diesen Ansatz. Die SPD-Bundestagsfraktion In Europa haben sich Gott sei Dank diejenigen durch- wird sich dafür einsetzen, dass die Beschlüsse der Regie- gesetzt, die der Meinung sind, dass es in den National- rung umgesetzt werden, damit es zu einer Verbesserung staaten möglich sein muss, erfolgreiche Einspeise- kommt, damit wir unsere Klimaschutzziele, die jetzt systeme beizubehalten. Das bestätigt, was in den auch von der Europäischen Union vorgegeben werden, Berichten der Europäischen Kommission immer wieder nicht nur erfüllen, sondern übertreffen können. Wir wol- (B) stand, nämlich, dass das Einspeisegesetz das beste, das len Vorbild sein und Europa mitziehen. Wir hoffen, dass (D) wirtschaftlichste und das effizienteste ist. Ich denke, ge- Europa insgesamt – das ist sehr wichtig – eine Reduzie- nau das ist der richtige Weg. Wir können aufatmen, dass rung der CO2-Emissionen um 30 Prozent erreicht. Ich die Entscheidung in Europa entsprechend getroffen glaube, das ist der richtige Weg, weil wir so in der Lage wurde. sind, die anderen in der Welt mitzuziehen. So machen (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) wir deutlich, dass man durch die Nutzung erneuerbarer Energien effizienter sein kann, wirtschaftlichen Gewinn Ich bedanke mich in diesem Zusammenhang ganz herz- erzielen und Klimaschutz realisieren kann. lich bei der Bundesregierung und bei dem Minister, die- sen Druck mit ausgeübt zu haben. In diesem Sinne: Vielen Dank. Ich will deutlich machen, warum es nicht nur für die (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) deutsche Wirtschaft, sondern insgesamt gesehen wichtig ist, dass das System der erneuerbaren Energien nicht nur Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: weiterhin eine Chance hat, sondern die führende Rolle Nächster Redner ist der Kollege Michael Kauch für spielen muss. Manche Länder sind Gott sei Dank auf un- die FDP-Fraktion. ser erfolgreiches System umgeschwenkt. Aber es gibt immer noch Länder wie Großbritannien und Italien, die Michael Kauch (FDP): das Mengensystem haben. Leider ist auch die FDP im- Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die mer noch Anhänger dieses Systems. Es wird gesagt, es FDP unterstützt die Zielsetzungen des Europäischen Ra- sei sehr viel ökonomischer und wirtschaftlicher. Schauen tes vom März 2007, nach denen bis zum Jahr 2020 min- wir uns doch einmal die Preise an. destens 20 Prozent Treibhausgase eingespart werden sol- In Großbritannien kostet eine Megawattstunde Strom- len und der Anteil erneuerbarer Energien um 20 Prozent energie aus Windkraft 120 Euro. In Italien sind es gesteigert werden soll. Diese Zielsetzungen des Rates 162 Euro. In Deutschland kommen wir mit unserem Ein- werden nun von der EU umgesetzt. Das ist wichtig für speisesystem auf einen Preis von 75 Euro. In Irland, wo den Klimaschutz. es noch mehr Wind gibt, liegt man schon bei 58 Euro. Es kommt aber darauf an, auf welche Art und Weise Allein dieser Vergleich zeigt: Unser System ist das effi- die richtigen Klimaschutzziele verfolgt werden, wie das zienteste und das kostensparendste. Deswegen werden wir daran festhalten. Gesetzespaket der EU-Kommission umgesetzt wird. Die Kommission hat aus unserer Sicht nicht ausreichend be- (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) dacht, dass sie damit über den Wettbewerb auf den 14568 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Januar 2008

Michael Kauch (A) Märkten, über die Arbeitsplätze in unserer Industrie und wir dem Klimaschutz und der Artenvielfalt einen Bären- (C) vor allem über die Belastung der Verbraucherinnen und dienst erwiesen. Verbraucher entscheidet. Deshalb fordern wir als Libe- Die Nachhaltigkeitskriterien, die heute von der EU- rale eine Überarbeitung dieses Gesetzespaketes. Das ist Kommission vorgeschlagen wurden, drohen ein Papier- in den nächsten Monaten Aufgabe der Bundesregierung. tiger zu werden. Deshalb appelliere ich ganz eindeutig (Beifall bei der FDP) an die Koalition: Zunächst einmal müssen Zertifizie- rungssysteme nachgewiesen werden. Dann können wir Deutschland wird beim Emissionshandel benachtei- die Ziele für die Biokraftstoffe erhöhen. Wir dürfen nicht ligt. Es ist völlig unklar, warum das boomende Spanien erst die Ziele erhöhen und die Regenwälder abholzen einen Sonderzuschlag an Emissionsrechten braucht. Das lassen und anschließend die Nachhaltigkeitskriterien ist eine Umverteilung zulasten Deutschlands. Das ist umsetzen. eine Umverteilung, die die Bundesregierung so nicht ak- zeptieren kann. Völlig inakzeptabel ist zudem, dass die Deutsche Sonderwege bei den erneuerbaren Energien EU Vorgaben für die Verwendung der Versteigerungser- machen keinen Sinn. Die FDP setzt sich dafür ein, dass löse machen will. Die FDP setzt sich mit Nachdruck da- Deutschland beim europäischen Handel für erneuerbare für ein, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher vom Energien mitmacht. Wir glauben, dass dies langfristig der Emissionshandel profitieren. Wenn wir die Emissions- günstigere Weg ist. Herr Bülow hat die Windenergie- rechte im Stromsektor vollständig versteigern, dann preise angesprochen. Aber was ist denn mit den anderen muss das Geld an die Verbraucher zurückgegeben wer- Stromarten, die Sie hier beim Kostenvergleich nicht ge- den, dann muss die Stromsteuer gesenkt werden. Das nannt haben? Ich finde ich es besonders skandalös – Frau würde den Emissionshandel tatsächlich verbraucher- Dött wird ja gleich reden und hat sich heute schon in ei- freundlich machen. ner Presseerklärung geäußert –, dass die CDU/CSU, die in der Opposition das EEG massiv kritisiert hat, es jetzt Das ist genau der Punkt, den der Umweltminister in mit aller Kraft und um jeden Preis verteidigen will. der vergangenen Woche erkannt hat. Darum hat er So- (Dr. [CDU/CSU]: Nein! zialtarife für den Bezug von Strom gefordert und gesagt, Nein!) es dürfe keine Energiearmut geben. Es war aber der deutsche Staat, der in Form von Steuern eine Last von Ich finde es unglaublich, wie Sie die Linie verlassen, die 40 Prozent auf die Stromtarife draufgesattelt hat. Diese Sie einmal ordnungspolitisch für richtig gehalten haben. Bundesregierung hat das zu verantworten. Die Strom- (Beifall bei der FDP) konzerne sind dafür nicht allein verantwortlich. Wir Liberale werden Kurs halten. Kurs halten sollten (B) (D) (Beifall bei der FDP – Zuruf von der CDU/ wir auch in der generellen Frage der Energiepolitik. Herr CSU: Das stimmt nicht!) Clement hat zu Recht gesagt, dass das, was Herr Scheer und Frau Ypsilanti in Hessen planen, eine Geisterfahrt Solange wir kein Kioto-Nachfolgeabkommen haben, für den Industriestandort Deutschland ist. Ich frage darf die deutsche Industrie ihre Wettbewerbsfähigkeit Herrn Gabriel, der hier die Linke dafür angreift, dass sie nicht verlieren. Ob die geplante kostenlose Zuteilung im Bundestag die Kohlekraftwerke ablehnt und in Sach- von Emissionsrechten an energieintensive Branchen der sen-Anhalt befürwortet: Wann stoppen Sie endlich die Weisheit letzter Schluss ist, muss bezweifelt werden. Es Politik von Frau Ypsilanti, die Ihrer Politik bezüglich wäre möglich, sie in die Versteigerung einzubeziehen, Kohlekraftwerken in Deutschland völlig widerspricht? indem man das mit einem sinnvollen System, das die Rückerstattung an die betroffenen Branchen regelt, ver- Vielen Dank. bindet. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten Geradezu schädlich für das Exportland Deutschland der CDU/CSU – Renate Künast [BÜNDNIS 90/ sind die Überlegungen, die Herr Barroso heute in Brüs- DIE GRÜNEN]: Tolles Ende für eine Klima- sel verkündet hat. Er überlegt, auf Importe aus Staaten, rede: mehr Kohle!) die das Kioto-Protokoll nicht unterzeichnet haben, Zölle zu erheben. Meine Damen und Herren, Sie glauben doch Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: nicht wirklich, dass das ohne Reaktion bleiben wird. Für die CDU/CSU-Fraktion hat nun das Wort die Kol- Diese Vorschläge von Herrn Barroso sind ein Anschlag legin Marie-Luise Dött. auf den Freihandel und gefährden die Exportwirtschaft in Deutschland und damit Arbeitsplätze in unserem Marie-Luise Dött (CDU/CSU): Land. Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mit dem (Beifall bei der FDP) jetzt von der EU-Kommission vorgelegten Energie- und Klimapaket sollen die im März 2007 von den Staats- und Wir müssen noch einmal die Frage aufwerfen, ob es Regierungschefs der EU verabschiedeten Ziele zur euro- richtig ist, dass wir neben der Quote von 20 Prozent für päischen Klimapolitik umgesetzt werden. Das ist wich- erneuerbare Energien eine Sonderquote von 10 Prozent tig, um nach den ambitionierten Verhandlungen der Eu- für Biokraftstoffe anstreben. Wenn wegen der vermeint- ropäischen Union auf Bali international Motor der lich guten Biokraftstoffpolitik in Europa die Regenwäl- Klimapolitik zu bleiben. Wichtige und richtige Ansätze der in Asien und Afrika abgeholzt werden, dann haben einer europäischen Klimapolitik sind nun von der Kom- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Januar 2008 14569

Marie-Luise Dött (A) mission eingeleitet worden. Konkret sind das die Auftei- So wie wir in Deutschland daran arbeiten, die Ener- (C) lung der Minderungsziele auf die Mitgliedstaaten, die gie- und Klimapolitik im Zieldreieck von Ökonomie, so- Regelungen zum Emissionshandel nach 2012, der Aus- zialer Verantwortung und Klimapolitik zu justieren, so bau der erneuerbaren Energien durch Handel mit Zertifi- erwarten wir das auch bei den Vorschlägen aus Brüssel. katen sowie die Einführung von verbindlichen Regelun- Eine Industriepolitik im grünen Mantel zulasten des gen zum Ausfiltern und Einlagern von CO2. Standorts Deutschland ist mit uns nicht machbar: nicht beim Automobilbau und schon gar nicht in der Energie- Es ist heute noch zu früh, eine umfassende Aussage politik. zur Qualität des Gesamtpakets zu machen. Gleichwohl zeigt bereits ein erster Blick auf die Vorschläge, dass (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) weitere Diskussionen und wohl auch Überarbeitungen Eine ambitionierte Klimapolitik in Europa werden wir notwendig sind. So muss man noch einmal die Festle- dagegen uneingeschränkt unterstützen. Hier werden wir gung des Basisjahres 2005 für die Emissionsminderun- unsere Erfahrungen als europäischer und globaler Vor- gen hinterfragen. Mitgliedstaaten, die bis 2005 kaum An- reiter beim Klimaschutz und beim Ausbau der erneuer- strengungen unternommen haben und von ihren eigenen baren Energien einbringen. Klimazielen noch weit entfernt sind, würden dadurch be- vorteilt. Länder, die bereits vor 2005 erhebliche Minde- Vielen Dank. rungen erreicht haben – dazu gehört Deutschland –, wür- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- den dagegen benachteiligt. neten der SPD) Auch über die Aufteilung der Minderungsvorgaben auf die Mitgliedstaaten muss noch einmal diskutiert wer- Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: den. Die derzeit augenscheinliche Sonderbehandlung, Nächste Rednerin ist die Kollegin Eva Bulling- zum Beispiel von Portugal, Griechenland und Spanien, Schröter für die Fraktion Die Linke. muss gerade unter dem Aspekt einer fairen Lastenteilung geprüft werden. (Beifall bei der LINKEN)

Wir brauchen bei der Versteigerung der Emissionszer- Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE): tifikate Lösungen, die technologische Bedingungen und Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! die internationale Wettbewerbssituation gerade energiein- Wenn jetzt nichts passiert, wird der Ausstoß von Treib- tensiver Branchen berücksichtigen. Klimaschutz darf hausgasen EU-weit bis 2020 höchstens um lächerliche nicht zur Abwanderung von Unternehmen und Arbeits- 6 Prozent sinken. Das ist quasi ein Beitrag zur Erderwär- (B) plätzen in Drittländer führen. mung, nicht zum Klimaschutz. (D) (Beifall bei der CDU/CSU) Jetzt ist die Frage: Kann uns das vorgelegte Paket weiterhelfen? Wir, die Linke, haben da Zweifel. Das Kli- Die Einbeziehung der Aluminiumindustrie und von Tei- mapaket wurde zwar gelobt. Wir aber meinen, sein Kar- len der chemischen Industrie in die Versteigerung ist ein dinalfehler ist das niedrige Klimaschutzziel bis 2020. industriepolitischer Eingriff, den wir so nicht mittragen Darum dreht sich letztendlich alles. Der Ausstoß der werden. Emissionen soll lediglich um 20 Prozent gegenüber dem Es ist auch nicht sinnvoll, funktionierende Instru- Ausstoß von 1990 reduziert werden. Notwendig ist aber seitens der EU eine Minderung um wenigstens 30 Pro- mente der Klimapolitik durch neue, gegebenenfalls so- zent. Ansonsten können wir das 2-Grad-Ziel vergessen; gar teurere Instrument zu ersetzen. Ein Beispiel – hören das wissen wir alle. Sie jetzt genau zu, Herr Kauch – ist der Handel mit Zer- tifikaten für die erneuerbaren Energien. Das Erneuer- Langsam wird deutlich, dass die 30-Prozent-Marke, bare-Energien-Gesetz jetzt gegen einen europäischen die die Bundeskanzlerin im letzten Sommer mit dem EU- Zertifikatehandel auszutauschen, der voraussichtlich Ratsbeschluss präsentierte, nie ernst gemeint war. Wir teurer wird und anderen Staaten die Möglichkeit gibt, meinen, dies ist eine Mogelpackung. Die Kommission sich von den eigenen Verpflichtungen zum Ausbau der hat sich gar nicht erst die Mühe gemacht, ein 30-Prozent- erneuerbaren Energien auf Kosten der Erreichung unse- Szenario aufzunehmen. Deshalb werden auch die Latten rer nationalen Ausbauziele freizukaufen – die Betonung für den Emissionshandel ab 2012 sowie für die Nicht- liegt auf nationalen Zielen, nicht auf Branchenzielen –, emissionshandelsbereiche, wie Verkehr und die Haus- kann nicht der richtige Weg sein. halte, zu niedrig gehängt. (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem Gut ist, dass die Kommission nun die Emissions- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) rechte für die Stromwirtschaft ab 2013 vollständig ver- steigern will. Doch was passiert bis dahin? Sollen tat- Nationale Ziele müssen national kontrollierbar und be- sächlich so lange alle Stromkonzerne davon profitieren, einflussbar bleiben. Nachweisbar funktionierende natio- dass der Staat ihnen die wertvollen Rechte geschenkt nale Instrumente müssen auch künftig genutzt werden hat? Wir fordern nach wie vor – das müssen Sie sich im- dürfen. Es ist deshalb zu begrüßen, dass die Kommission mer wieder anhören – eine Abschöpfungsteuer für die nun anerkennt, dass eine Harmonisierung der Instru- Sondergewinne, die aus der Einpreisung der Zertifikats- mente verfrüht ist. marktpreise in den Strompreis herrühren. 14570 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Januar 2008

Eva Bulling-Schröter (A) (Beifall bei der LINKEN – Franz Obermeier trieben. Immer mehr Menschen in diesem Land befassen (C) [CDU/CSU]: Verstaatlichen ist noch besser! sich mit diesen Themen. Sie sollten dem endlich Rech- VEB!) nung tragen. – Warum regen sich die Herren von der CDU/CSU so (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. auf? Michael Kauch [FDP]) (Franz Obermeier [CDU/CSU]: Machen wir Zum Schluss, Herr Gabriel: Wenn Sie ernst gemeint wieder VEB!) haben, was Sie in Bali gesagt haben, dann sorgen Sie bitte dafür, dass die Richtlinien in einigen Punkten nach- Die Windfall-Profits sind der Grund, warum wir nicht gebessert werden. wollen, dass die Zertifikate ab 2013 an die Industrie wei- terverschenkt werden. (Beifall bei der LINKEN) Zum Thema Wettbewerb. Wenn der von der Kommis- sion vorgeschlagene „Klimagaszoll“ kommt, können da- Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: mit europäische Firmen vor Ökodumping geschützt wer- Nun hat der Kollege Steffen Reiche für die SPD-Frak- den, etwa vor US-Produkten, falls Washington weiter tion das Wort. querschießt. Ich halte das für sinnvoll. (Beifall bei der SPD) Zu erwarten war, dass der deutsche EU-Kommissar und Sozialdemokrat Günter Verheugen wieder einmal Steffen Reiche (Cottbus) (SPD): den Cheflobbyisten für die Chemie-, Stahl- oder Alumi- Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kol- niumindustrie gibt. Im Klimapaket sieht er „wirtschaftli- legen! Die Entscheidung der Kommission ist historisch; chen Selbstmord“; das lief heute über den Ticker. Ich sie schreibt Geschichte. Der größte Wirtschaftsraum der meine, wir sollten da aufpassen, und Sie sollten aufpas- Erde macht ein einseitiges Angebot und ist bereit, es zu sen, was Sie den Beschäftigten hier erklären. Ich denke, erhöhen, wenn es ein internationales Abkommen gibt, eine solche Politik ist sehr gefährlich. also ein Nach-Kioto-Abkommen beschlossen wird. Bis- (Beifall bei der LINKEN) her waren die beiden Hauptziele der EU: Frieden erhal- ten, Globalisierung gestalten. Jetzt kommt ein drittes Dass aber Umweltminister Gabriel kürzlich in Bezug auf hinzu: den Klimawandel stoppen. die CO2-Vorgaben der Kommission im Fahrzeugbereich einen Wettbewerbskrieg gegen die deutschen Autoher- Die EU zeigt: Wirtschaftliches Wachstum und um- steller ausmacht, halte ich für starken Tobak. Anstatt welt- und klimabewusstes Produzieren sind kein Wider- (B) Angst vor höheren Belastungen der Wirtschaft durch den spruch. Das ist ein langfristig gutes Investment; denn (D) Klimaschutz zu haben, sollte die SPD besser den großen 3 Euro pro Woche und Bürger für das Handeln zu zah- Versorgern auf die Finger klopfen. len, ist besser, als 30 Euro für das Nichthandeln zu zah- len. (Beifall bei der LINKEN) (Beifall bei der SPD) So fordert ja selbst der Chef der Monopolkommission, ausschließlich den Konkurrenten von RWE, Eon, EnBW Klimapolitische Schwarzfahrer müssen mehr bezahlen. und Vattenfall Genehmigungen für neue Kraftwerksbau- Ich vertrete den Wahlkreis, der von dieser Entschei- ten zu erteilen. Wettbewerb belebt halt die Preisfindung. dung vermutlich am stärksten betroffen ist: die Nieder- Wenn dann noch die Netze in öffentliche Hand kommen, lausitz. Dort sind knapp 5 000 Megawatt Leistung auf dürfte sich das auch für die Endverbraucher lohnen. Braunkohlebasis installiert. Bisher haben wir knapp (Beifall bei der LINKEN) 50 Millionen Euro Mehrkosten; demnächst werden es 500 Millionen Euro Mehrkosten für den Zertifikatser- Deutschland soll nun den Anteil erneuerbarer Energie werb sein. Mit dieser Entscheidung wird es weitere Stei- am Primärenergieverbrauch bis 2020 auf 18 Prozent stei- gerungen geben. Trotzdem trage ich dieses Paket mit. Wir gern. Wir denken, auch dies ist nicht ambitioniert genug. produzieren fünfmal mehr Strom, als wir in Brandenburg Wir meinen, 30 Prozent sind möglich und mit Blick auf verbrauchen. In fünf Monaten werden wir das erste CO2- die Erderwärmung auch erforderlich. arme Kraftwerk – mit einer Leistung von 30 Megawatt – (Beifall bei der LINKEN) ans Netz gehen lassen. Zu den Agrokraftstoffen. Die angestrebte EU-Quote Ich habe vier Kritikpunkte. Erstens. Die Verlegung von 10 Prozent ist viel zu hoch und niemals durch EU- der Berechnungsbasis auf das Jahr 2005 ist zu überden- internen Anbau zu erfüllen. Sie muss auf ein realisti- ken. Wer sich früh bewegt, darf dafür nicht bestraft wer- sches Maß gesenkt und auf alle Energien vom Acker den. Early Action muss sich lohnen. ausgeweitet werden. Gleiches gilt für das völlig unrealis- (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der tische Deutschlandziel der Bundesregierung von sogar CDU/CSU) 20 Prozent. Richtschnur muss sein, sämtliche Agroener- gien durch nachhaltigen Anbau auf EU-Flächen zu er- Die Verlagerung der Berechnungsbasis trifft kein Land zeugen. Wir kennen die Zahlen, und wir wissen, was hier so hart wie Deutschland. Das Basisjahr des Kioto-Proto- passiert. Schon jetzt werden für Agrosprit Urwälder ge- kolls, also 1990, sollte als Bezugsjahr beibehalten wer- rodet und Kleinbauern in Brasilien oder Indonesien ver- den. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Januar 2008 14571

Steffen Reiche (Cottbus) (A) Zweitens. Wichtige Bereiche wie die Stahl-, die Ze- Die beim Zertifikatehandel anfallenden Gewinne müssen (C) ment- und die Chemieindustrie auszuklammern, ist nur deshalb auch in den Aufbau neuer CO2-freier bzw. -armer eine Übergangsregelung. Was wir brauchen, ist eine Kraftwerke investiert werden. Border-Tax, einen Zoll für alle, die sich am Nach-Kioto- (Zuruf von der CDU/CSU: Was sagt denn Frau Prozess nicht beteiligen; Ypsilanti dazu?) (Beifall des Abg. Marco Bülow [SPD]) Das Innovationslabor Deutschland kann nur bestehen, wenn wir wirtschaftlich stark bleiben; hier hat Günter denn sonst kommt es zu einer klaren Wettbewerbs- Verheugen recht. Insofern besteht bei dieser Richtlinie verzerrung. Hier brauchen wir eine Richtlinienfolgen- Gesprächs- und Änderungsbedarf. abschätzung. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Eva Bulling-Schröter [DIE LINKE]) (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Die EU muss im Rahmen der Doha-Runde über die Ein- Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: führung von Border-Taxes diskutieren. Sie sollten ab Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun die dem Jahre 2013 eingeführt werden. Dann könnten auch Kollegin Renate Künast das Wort. Industriebereiche wie die Stahl- und Zementproduktion berücksichtigt werden. Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Drittens. Nur 25 Prozent der Zertifikate im Rahmen Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! An die- von Joint-Implementation- und CDM-Projekten zuzulas- ser Debatte wundert mich, wie sehr sich manche Leute sen, ist ein Fehler. in die einzelnen Details „hineinfräsen“. (Marie-Luise Dött [CDU/CSU]: Das sollten (Marie-Luise Dött [CDU/CSU]: Ja!) Sie auch einmal tun!) Die Auslastung der CDM-Projekte beträgt schon jetzt – Das habe ich schon lange vor Ihnen gemacht. Sie brau- 20 Prozent, und das bei Zertifikatekosten von nur chen mich also nicht darauf hinzuweisen, dass ich mich 20 Cent. Die Kosten für die Zertifikate haben sich aber mit Details beschäftigen muss. auf 25 Euro verhundertfacht. JI und CDM sind die klügsten Antworten auf ein globales Problem. Sie sind (Marie-Luise Dött [CDU/CSU]: Aber nicht Teil eines globalen Marshallplans. Mit optimalen Kosten immer nur mit der großen Klatsche! Werden (B) erreichen wir den maximalen Nutzen. Sie einmal konkret!) (D) Auch wenn Sie hier gerade, schick drapiert, über den (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Klimaschutz geredet haben, muss man feststellen: Die CDU/CSU sowie des Abg. Michael Kauch CDU/CSU hat beim Klimaschutz keine Kompetenz. Das [FDP]) hat man auch an Ihrer Rede gemerkt. Die CDM-Zertifikate sind preiswerter als die auktio- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) nierten Zertifikate und haben einen nachhaltigeren glo- balen Nutzen. Der europäische Innovationsdruck bleibt Andere halten das große Ganze für richtig. Am Ende auch bei einem Anteil der CDM-Zertifikate in Höhe von wird aber immer die Ideologie der Ausnahmen und 50 Prozent erhalten. Ich bitte deshalb zu prüfen, ob in Tricksereien propagiert. Ich glaube, man kann zum Vor- der Richtlinie der EU-Kommission nicht zumindest die schlag der Kommission nur sagen: Er geht zwar in die Möglichkeit eröffnet werden sollte, den Anteil der richtige Richtung, entspricht aber nicht dem 40-Prozent- CDM-Zertifikate gemeinsam mit dem Rat auf bis zu Ziel, von dem die Bundesregierung immer geredet hat. 50 Prozent zu erhöhen. Im Jahre 2013, also in fünf Jah- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) ren, könnten wir dieses Sicherheitsventil auf diesem un- ter hohem Druck stehenden Kessel dringend brauchen. Außerdem kann durch Umsetzung dieser Richtlinie nicht gewährleistet werden, dass die Erwärmung, die Mein vierter Kritikpunkt. Wer erneuerbare Energien stattfindet, nur 2 Grad betragen wird. Es gibt keinen An- will, braucht effiziente Speicher, auch Pumpspeicher- lass, das in den Himmel zu loben. Vielmehr muss man kraftwerke. Die Regulierungsbehörde hat, wie ich dazu, wie sich die Vertreter der Bundesregierung in den denke, eine Fehlentscheidung getroffen, durch die der letzten Wochen in Brüssel verhalten haben, feststellen: Neubau dieser Kraftwerke und die Nutzung dieser vor- Diese Regierung predigt Klimaschutz, aber an allen handenen Technik zur Speicherung von Windenergie Ecken und Kanten bremst sie und sorgt für Ausnahme- massiv behindert werden. Die Braunkohle ist und bleibt regelungen. der wichtigste heimische Energieträger. Sie braucht nicht (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) nur im Hinblick auf die Sicherung der Arbeitsplätze, sondern auch unter dem Gesichtspunkt der Versorgungs- Auf Bali haben Sie gefordert, dass die Industriestaaten sicherheit eine mittel- und langfristige Perspektive. ihre Emissionen bis 2020 um 25 bis 30 Prozent reduzie- ren. Jetzt – auch eine Vorlage dieser Bundesregierung – (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der ist allenfalls noch von 20 Prozent die Rede. Da kann ich CDU/CSU) nur sagen: Bei dieser Bundesregierung weiß man nicht, 14572 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Januar 2008

Renate Künast (A) welche Rolle sie einnehmen will. Auf der internationa- wieder vor den Lobbyisten in die Knie gehen. Wir müs- (C) len Bühne spielen Sie den Retter des Weltklimas, wäh- sen das Land modernisieren und dürfen keine Rücksicht rend Sie in Brüssel, hinter verschlossenen Türen, eine darauf nehmen, wenn wieder einmal ein Industriezweig Lobbymarionette sind, die für Ausnahmen kämpft. Druck macht. Wir müssen anders wohnen, anders produ- zieren, anders transportieren. Das ist eine klare Absage (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) an die Atomkraft. Wir haben das beim Thema Auto gesehen. Sie haben (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) davon gesprochen, dass die Vorschläge der Europäischen Kommission „eine Kriegserklärung an uns“ seien. Jetzt Auch wenn die CDU/CSU und Teile der SPD im Euro- kann man schon mit Abgasgrenzwerten jemandem den päischen Parlament das anders sehen: Solche Schrott- Krieg erklären. Ich finde, das ist ein bisschen dick aufge- meiler wie Biblis und Brunsbüttel müssen endlich vom tragen. Netz. Sie schützen weder das Klima, noch bringen sie niedrige Energiepreise. Auch in der Frage, ob man Netze und Stromproduk- tion trennen soll, kämpfen Sie gegen die Europäische (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Kommission, obwohl gerade hier Wettbewerb hilfreich sowie bei Abgeordneten der SPD und der LIN- wäre, um niedrigere Preise für die Verbraucher durchzu- KEN – Michael Brand [CDU/CSU]: Das ist setzen. Ideologie, Frau Künast!) Beim Klimaschutz in der Landwirtschaft stehen Sie – Das rufen die Ideologen immer dazwischen. ebenfalls auf der Bremse. Wir wollen auch keine neuen Kohlekraftwerke. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wenn, wie vorgeschlagen, die Emissionszertifikate zu 100 Prozent versteigert werden, wenn der Handel durch- Einer der spannendsten Punkte und der am meisten zu gesetzt wird, gibt es nämlich nicht nur den guten Kli- kritisierende Punkt in dieser Vorlage der Kommission ist magrund, keine Kohlekraftwerke mehr zu bauen, son- eine Sache, für die sich Herr Gabriel rühmt, und zwar dern auch einen finanziellen Grund: Kohlekraftwerke sind das die Ausnahmen für die energieintensive Indus- werden sich dann definitiv nicht mehr rechnen. trie. Wer bei der Versteigerung der Zertifikate die energieintensive Industrie schützt, wer nicht einmal ei- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – nen Prozentsatz festsetzt, damit der Zwang entsteht, effi- Michael Kauch [FDP]: Aber das regelt der zienter zu werden, wer einfach davon ausgeht, dass sich Markt und nicht Sie!) diese Industrie schon modernisieren wird, der ist nicht Es ist eine Fehlinvestition, wenn in Kohlekraftwerke in- der Retter des Weltklimas, sondern jemand, der Politik (B) vestiert wird, weil der Ausstoß von CO2 viel Geld kosten (D) im Sinne der Lobby der alten Industriezweige macht. In- wird. Die Kohlekraftwerke werden Milliardengräber. dustriepolitisch ist das ein Fehler. Wir müssen stattdessen in Wind-, Sonnen- und Wasser- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) kraft sowie in Effizienz investieren. All dies fehlt hier. Herr Gabriel redet immer von der dritten industriellen Revolution. Dann muss man aber auch an alle ran. Dann Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: geht es nicht nur um die Stromerzeugung, dann geht es Frau Kollegin, Sie müssen zum Schluss kommen. auch um Stahl, Chemie und Aluminium. Dann muss man ohne Wenn und Aber den Menschen Rückendeckung ge- Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): ben – für ihr Portemonnaie und für die Zukunft der Ar- Mein letzter Satz, Frau Präsidentin. beitsplätze. Wir alle wissen doch, dass Energie in Zu- Die Bundesregierung muss die Kommission dazu be- kunft teurer werden wird. Da können Sie von der FDP wegen, sich ein Reduktionsziel von 40 Prozent zu set- nicht weiter zwischen Export und Import unterscheiden zen. Die Bundesregierung muss damit aufhören, Lobby- und sich das jeweils Schönere heraussuchen. Man kann ismus zu betreiben und Ausnahmen zu fordern, damit es im Denken nicht bei den Vorschlägen und Beschlüssen keine Fehlinvestitionen gibt. Ich sage Ihnen ganz klar: der Regierungskonferenz vom März 2007 bleiben, man Ich möchte Vorschläge von Ihnen sehen statt Lobbypoli- muss davon ausgehen, dass Energie endlich ist und im- tik in Brüssel. Denn dieser Vorschlag der Kommission mer teurer wird. wird definitiv nicht ausreichen. (Michael Kauch [FDP]: Ohne Wenn und (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Aber!) – Ohne Wenn und Aber. Deshalb müssen wir vom fossi- Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: len ins solare Zeitalter eintreten, wir müssen viel effi- Nächster Redner ist nun der Kollege Dr. Georg zienter werden. Nüßlein für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Franz (Beifall bei der CDU/CSU) Obermeier [CDU/CSU]: Praxisfremd!) Wir haben andere wirtschaftliche Interessen als die, Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU): die jetzt in den Vorstandsetagen sitzen. Wir müssen die Frau Präsidentin! Meine Damen! Meine Herren! Kli- Machtfrage stellen. Wir dürfen nicht immer und immer maschutz ist natürlich ein europäisches Thema par Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Januar 2008 14573

Dr. Georg Nüßlein (A) excellence. Es geht um die Erfolge, die man nur auf ( [CDU/CSU]: So ist es!) (C) europäischer Ebene erreichen kann, aber es geht auch Beim Thema Sanktionszahlungen im Automobil- darum, dass wir einen hohen Harmonisierungsbedarf ha- bereich sprechen manche mittlerweile unverhohlen von ben, weil das natürlich auch Einflüsse auf die Wettbe- EU-Steuern. werbsfähigkeit hat, Frau Künast. (Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Unglaublich!) NEN]: Genau deshalb! Dass Sie das auch schon merken, ist beachtlich, Herr Nüßlein!) Auch das ist nicht im Sinne eines nationalen Parlaments. Damit bin ich bei dem Punkt, den Sie angesprochen Wir müssen dafür sorgen, dass nicht die Kompeten- haben. Im Vorfeld dessen, was uns heute vorgestellt wor- zen nach Brüssel gehen und die Verantwortung dafür bei den ist, haben wir intensive Diskussionen erlebt, die für uns bleibt. Wir müssen unsere Kompetenzen und unsere die Politik der Europäischen Union exemplarisch sind. Verantwortung auch wahren. Manche fahren nämlich nach Brüssel, um dort vorrangig Ich spreche das Thema Biokraftstoffe an. Wenn wir nationale Interessen zu vertreten. Wir müssen dagegen- hier vorankommen wollen und wenn wir andere Ziele halten. Das hat diese Bundesregierung auch ganz ent- vorgegeben bekommen, dann heißt das in der Konse- schieden und richtig getan. quenz, dass wir in diesem Parlament jetzt schnellstens Insbesondere geht es dabei um die deutsche Automo- dafür sorgen müssen, dass die Kapazitäten Deutsch- bilindustrie. Sie können jetzt sagen, dass das Lobby- lands, die wir aufgebaut haben, auch erhalten bleiben, bzw. Interessenpolitik ist. Ich sage Ihnen aber eines: Nur damit am Schluss nicht alles aus dem Ausland kommt. dann, wenn es uns gelingt, auf der einen Seite das Klima (Beifall bei der CDU/CSU – Renate Künast zu schützen und auf der anderen Seite wirtschaftlich vo- [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das haben ranzukommen und Wachstum zu sichern, wird das, was Sie doch getan! Sie haben doch das mit dem wir politisch tun, von den Bürgerinnen und Bürgern dau- Beimischungszwang gemacht!) erhaft akzeptiert werden. Wir brauchen für unsere Politik doch die Bürgerinnen und Bürger. Wir wollen sie doch – Liebe Frau Künast, das werden wir jetzt in Angriff mitnehmen. nehmen. (Beifall bei der CDU/CSU) Wir werden das Thema erneuerbare Energien auswei- ten, und wir werden das EEG und das Erneuerbare- Es ist nun einmal Fakt, dass es in Deutschland Pre- Energien-Wärmegesetz im parlamentarischen Prozess miumautomobilhersteller gibt, die mit dem, was man uns evaluieren. (B) vorgeben will, Probleme haben. Es ist entscheidend, (D) dass man diese besondere Ausgangslage berücksichtigt. Aber – jetzt komme ich zu dem, was hier verschie- Herr Gabriel, an dieser Stelle müssen wir auf der euro- dentlich angesprochen worden ist – wenn wir im päischen Bühne auch politisch weiterarbeiten. Jahre 2020 über die Ziele hinaus, die uns die EU vorge- geben hat, bei einem Anteil der erneuerbaren Energien (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- von 30 Prozent liegen werden, dann bleibt die Frage of- NEN]: Bis wir wieder bei den Vorstandsgehäl- fen, woher die anderen 70 Prozent kommen. Wenn man tern sind!) gegen Kohle und gegen die Kernenergie ist, dann kann Allerdings haben wir auch erlebt, dass es an dieser man diese Frage nicht beantworten. Es ist aber Pflicht Stelle seitens der EU-Kommission Versuche gibt – das und Aufgabe des Deutschen Bundestages, die Frage, wo- ist exemplarisch für die europäische Politik –, Umset- her sie kommen, auch zu beantworten. zungskompetenzen an sich zu ziehen. So weit darf es (Beifall bei der CDU/CSU und Abgeordneten nicht gehen. Dass wir die Ziele auf der europäischen der FDP) Ebene miteinander vereinbaren, ist richtig, dass man aber, wie bei diesem unsäglich diskutierten Zertifika- Herr Kollege Reiche von der SPD, ich hätte mir ge- tehandel, so weit gehen will, den Nationalstaaten vorzu- wünscht, dass wenigstens der Kollege Scheer, der ja schreiben, wie das umgesetzt werden muss, ist falsch. noch Mitglied dieses Parlaments ist und das im Übrigen Wir brauchen doch den Wettbewerb der Systeme. Des- auch bleiben wird, halb müssen wir ganz deutlich machen, dass wir am Er- (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- folgsmodell EEG festhalten wollen. Alles andere wäre NEN]: Man soll den Tag nicht vor dem Abend ein falscher Weg. loben, Herr Dr. Nüßlein!) (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) hier gewesen wäre und Ihre Rede zum Thema Kohle ge- Ich sage auch, dass die EU an dieser Stelle Kompe- hört hätte. Das wäre doch spannend gewesen. Der Frau tenzen an sich ziehen will, die sie überhaupt nicht Ypsilanti schicken Sie nach Möglichkeit einen Abdruck braucht. Ich spreche die Charta der Rechte der Energie- dessen, was Sie hier heute gesagt haben. verbraucher an. Ich weiß, dass es den einen oder anderen (Zuruf von der CDU/CSU: Am besten vor den im Haus gibt, der sagt: Ein Sozialtarif wäre doch prima; Wahlen!) wenn er auf europäischer Ebene verordnet wird, dann ist es umso besser. – Nein, so weit darf die europäische Der Kollege Scheer kann und darf nicht so tun, als kä- Politik an dieser Stelle nicht gehen. men wir in diesem Land in der absehbaren Zukunft ohne 14574 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Januar 2008

Dr. Georg Nüßlein (A) Kohle und ohne Kernenergie aus. Das ist die Realität, reich an Ästhetik auch mit Steinen oder Holz bauen. (C) meine Damen und Herren. Politik beginnt jedenfalls bei Doch die Härtefallregelung macht Zement attraktiv. Wie uns, bei der Union, mit dem Betrachten der Realitäten. schaut es mit Aluminium aus? Alu ist ein großartiger Hightechwerkstoff. Lasst uns doch langlebige Motoren Herzlichen Dank. aus ihm bauen, aber nicht jede Aluhausfassade subven- (Beifall bei der CDU/CSU) tionieren; der Metzger muss auch nicht jede Leberkäs- semmel in Alupapier einwickeln. Hierfür gibt es doch Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Alternativen. Deshalb kann eine kostenlose Zuteilung von Zertifikaten, von der ich eben hörte, dass sie die Nun hat das Wort Kollege Dr. Axel Berg für die SPD- Kommission verabschiedet habe, keine Lösung sein. Fraktion. Lasst uns lieber über eine Nachhaltigkeitszertifizierung (Beifall bei der SPD) nachdenken wie bei der Biomasse. Hier hat Steffen Reiche die Wahrheit gesprochen, lieber Dr. Nüßlein. Dr. Axel Berg (SPD): Auch die vorgeschlagene Einbeziehung des Luftver- Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und kehrs ist eine sinnvolle Erweiterung des Emissionshan- Kollegen! Die Vorschläge der EU-Kommission sind im dels. Wir müssen, wenn wir ehrlich gemeinten Klima- Großen und Ganzen zu begrüßen. Mit den Entwürfen in schutz wollen, Flugreisen zu Taxitarifen eindämmen. allen vier Bereichen – CO2-Minderung, Emissionshan- Letztlich wird die Fliegerei wettbewerbsverzerrend ge- del, erneuerbare Energien und Rechtsrahmen für CCS – genüber Auto und Zug subventioniert. Eine Verteuerung können wir so weit arbeiten. In der Vorlage der Kommis- der aktuell genutzten Treibstoffe durch den Emissions- sion zur Umsetzung der Erneuerbare-Energien-Ausbau- handel wird hier sicherlich größere Forschungsanstren- ziele wird es den Mitgliedstaaten überlassen, mit wel- gungen mit sich bringen. Das wiederum ist auch drin- chen Instrumenten sie ihre Ziele erreichen. Damit ist das gend notwendig, wenn Airbus wettbewerbsfähig bleiben erfolgreiche deutsche EEG, das zigfach in vielen Län- soll, weil Boeing wiederum schon die ersten Biosprit- dern rund um die Welt kopiert wurde, eben nicht infrage prototypen in der Luft hat. Ein Umstieg auf biologische gestellt. Das ist konsequent und richtig von der Kommis- Treibstoffe ist technisch vielleicht gar nicht so wild, wird sion. Schon 2005 hatte sie ja selbst bestätigt, dass das aber von den europäischen Flugzeugbauern bisher noch EEG das effektivste und kosteneffizienteste Instrument nicht einmal angedacht oder ernsthaft angegangen, weil zur Einführung von erneuerbaren Energien ist. Kerosin so billig ist. Seit der Einführung des EEG im Jahr 2000 wurden in (Zuruf des Abg. Michael Kauch [FDP]) der gesamten Branche 250 000 neue Arbeitsplätze ge- (B) schaffen – notabene in Zeiten, in denen in allen Bran- – Das wollen wir ja verhindern. (D) chen aus vollen Rohren Personal gefeuert wurde, in Zei- Die von uns geforderte einhundertprozentige Auktion ten, in denen der letzte Handyhersteller Deutschland aller Zertifikate ab 2013 ist von der Kommission aufge- verlässt. Ende 2007 machte der Anteil der erneuerbaren nommen worden. Die Einnahmen werden in den natio- Energien beim Strom schon 14 Prozent aus. Das sind nalen Haushalten landen, um für weitere Klimaschutz- 4 bis 5 Prozent des deutschen Gesamtenergieverbrauchs; maßnahmen genutzt zu werden. Das ist der richtige Weg, das ist deutlich mehr, als zwei Atomkraftwerke produ- der uns weiterbringt. zieren, deren Betreiber leider immer noch die erneuer- baren Energien bekämpfen, die sich selbst inzwischen Außerdem sollten die erneuerbaren Energien – das ist Klimaschützer nennen, aber weiter das Volk belügen und ein wichtiger Punkt – Emissionszertifikate zugeteilt be- der deutschen Volkswirtschaft schaden. kommen. Ihnen sind doch die größten CO2-Reduktionen zu verdanken. Erst dann kann man von einem ganzheitli- (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ chen, vernetzt gedachten, sinnvollen Mechanismus spre- DIE GRÜNEN) chen. Es müssen alle CO2-produzierenden und auch Das vorgegebene Ziel der Kommission für Deutschland, CO2-vermeidenden Branchen einbezogen werden. bis 2020 auf 18 Prozent erneuerbare Energien am Ge- (Beifall bei der CDU/CSU) samtenergieverbrauch zu kommen, ist ambitioniert. Aber wir können es hinkriegen, wenn alle mitmachen Nur so kommen wir meines Erachtens zu einem Wett- und wenn die vier Großen endlich aufhören zu mauern. bewerb, der diesen Namen auch verdient. So kommen wir zu sinkenden Preisen. Nur so kommen wir zu einer Lieber Dr. Nüßlein, Steffen Reiche sprach auch die Zukunftsfähigkeit unseres Landes ebenso wie der EU. großen Energieverbraucher an. Ich denke ebenfalls wie er, dass wir über Ausnahmen und Härtefallregelungen Ich danke Ihnen. für energieintensive Industrien noch einmal im Licht der (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Kommissionsvorschläge diskutieren sollten. der CDU/CSU) (Beifall der Abg. Marie-Luise Dött [CDU/ CSU]) Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Nächster Redner ist für die CDU/CSU-Fraktion der Warum sollte nicht an vielen Stellen auf sehr viel ener- Kollege Franz Obermeier. gieärmere Materialien gesetzt werden? Man kann Häu- ser, Brücken oder Bundesgartenschauen energiearm und (Beifall bei der CDU/CSU) Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Januar 2008 14575

(A) Franz Obermeier (CDU/CSU): (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- (C) Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Zu- neten der FDP) nächst ist es zu begrüßen, dass die Europäische Kom- mission ein umfassendes Energiepaket vorgelegt hat, mit Die grüne Klimapolitik ist nicht von Kompetenz getra- dem wir uns aber aus energie-, wirtschafts- und klima- gen. Sie ist alles andere als ausgewogen. Wir sagen zwar politischen Erwägungen intensiv auseinandersetzen Ja zur Klimapolitik, fordern aber auch eine Klimapolitik müssen. unter Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen. Was unserer Wirtschaft extrem schadet, müssen wir in diesem Der Kommissionspräsident hat heute verkündet, dass Hause mit den Mitteln, die uns zur Verfügung stehen, die CO2-Emissionen bezogen auf Fahrzeuge, Haushalte, vermeiden. Gewerbe, Landwirtschaft und Abfälle um 14 Prozent ge- senkt werden sollen. Interessant ist dabei, dass das (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- Jahr 2005 als Basisjahr gewählt wird. Hier setzt meine neten der FDP) Kritik an. Wir müssen sehr genau prüfen, ob wir dem Für die energieintensive Industrie Ausnahmen zu ma- ohne Weiteres zustimmen können; denn bezogen auf un- chen, bedeutet nicht Lobbypolitik, sondern Klimapolitik. ser bisheriges Basisjahr 1990 bedeutet das im Grunde Bedenken Sie: Wenn die energieintensive Industrie ins genommen eine Reduzierung der CO -Emissionen in 2 Ausland abwandert, dann wird die Produktion nicht zu diesem Bereich um 33 oder 34 Prozent. den günstigen und guten Bedingungen durchgeführt wie Welche Implikationen eine derartige Reduzierung hat, in Deutschland. Frau Künast, Ihre Ideologie sorgt für ist durchaus erwägenswert. Die Erhöhung des Anteils er- weniger Arbeit und mehr Arbeitslosigkeit in diesem neuerbarer Energien auf 18 Prozent bezogen auf den ge- Land. samten Primärenergieverbrauch ist meines Erachtens möglich, wenn wir klug handeln. Dies würde in etwa (Beifall bei der CDU/CSU – Renate Künast eine Verdoppelung des jetzigen Bestandes bedeuten. Das [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was? Um- ist unter normalen Bedingungen hinzubekommen. weltpolitik schafft Arbeitsplätze!) Interessanterweise lässt sich der Kommissionsprä- In Ihrer siebenjährigen Regierungszeit ist die Arbeits- sident auch über die Kostenverteilung aus. Er ist der losigkeit ständig gestiegen. Die Ursache sind eine völlig verfehlte Wirtschaftspolitik und Klimapolitik. Meinung, die Kosten für die Reduzierung der CO2-Emis- sionen würden im Jahre 2020 0,5 Prozent des Bruttoin- Herzlichen Dank. landsprodukts entsprechen. Ich teile diese optimistische Einschätzung nicht. Insgesamt ist ihm zuzustimmen; ge- (Beifall bei der CDU/CSU) (B) messen an den Kosten, die ohne eine entsprechende Kli- (D) mapolitik auf uns zukämen, ist das relativ günstig. Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: An den Ausführungen des Kommissionspräsidenten Für die Bundesregierung erteile ich nun das Wort dem finde ich auch interessant, dass er Klimawandel, Ener- Herrn Bundesminister Sigmar Gabriel. giepreise und Maßnahmen für die europäische Wirt- schaft miteinander verknüpft. Das habe ich in der Form (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten noch nicht gehört und finde es sehr bemerkenswert, zu- der CDU/CSU) mal er in seinen weiteren Ausführungen eine kostenlose Zuteilung an bestimmte Branchen wie die Stahl-, Alu- Sigmar Gabriel, Bundesminister für Umwelt, Natur- und Kupferindustrie vorschlägt, solange diese Branchen schutz und Reaktorsicherheit: im internationalen Wettbewerb keinen ähnlichen Re- Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nach striktionen hinsichtlich der CO2-Emissionen unterliegen. der Aufwärmphase des Jahres 2007 kommen wir nun in Ich halte diese Verfahrensweise für angemessen. Europa und insbesondere in Deutschland zum Start des (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Marathonlaufs beim Klimaschutz. Das, was die EU-Kommission vorgelegt hat, ist aus unserer Sicht ein Wir müssen bedenken, dass es um Festsetzungen der ausgezeichneter Vorschlag zur Erreichung der europäi- Europäischen Kommission und des Europäischen Parla- schen Klimaschutzziele. ments geht. Deswegen müssen wir die gesamte Entwick- lung besonders aufmerksam verfolgen. Ich sehe es äu- Um gleich mit ein paar Missverständnissen bei der ßerst kritisch, dass die Auktionserlöse dem EU-Haushalt Opposition aufzuräumen: Die EU-Kommission schlägt zugeführt werden sollen, statt in die Nationalstaaten zu- nicht vor, bis 2020 den Ausstoß der Treibhausgase um rückzufließen. Damit müssen wir uns noch intensiv aus- 20 Prozent zu reduzieren. Vielmehr soll Europa, wenn einandersetzen. wir zu einem internationalen Abkommen kommen, den Ausstoß um 30 Prozent senken. Übrigens, Frau Künast, Interessant fand ich Ihre Bemerkungen zum Thema die Europäische Union hat niemals 40 Prozent verspro- Joint Implementation, Herr Reiche, und den Vorschlag, chen. den Anteil der CDM-Zertifikate auf bis zu 50 Prozent zu erhöhen. Das ist eine Basis, über die sich durchaus reden (Hans-Josef Fell [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- lässt; denn wir müssen die Preise im Rahmen halten. NEN]: Es wäre aber nötig!) Das, was Frau Künast hier vorgetragen hat, ist hane- – Nein, das wäre nicht nötig. Das bestätigen auch inter- büchen. nationale Wissenschaftler. Sie sprechen von 30 Prozent. 14576 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Januar 2008

Bundesminister Sigmar Gabriel (A) Gleichzeitig zeigt die EU-Kommission auf, wie die – Sie fühlen sich getroffen. Das kann ich verstehen. (C) Stellschrauben aussehen müssen, um in der Zielsetzung (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- von 20 auf 30 Prozent zu erhöhen. Was die EU-Kommis- NEN]: Wissen Sie, wir wären doch weiter, sion macht, ist richtig. wenn wir – –) Deutschland bleibt bei seinem Ziel, bis 2020 den Aus- – Ich verstehe das, Frau Künast. Ich würde an Ihrer stoß um 40 Prozent zu senken, und gibt somit der Euro- Stelle bei so viel Versagen und so wenig Detailkenntnis päischen Union faktisch die Möglichkeit, im Falle eines bei dem Thema, über das wir hier reden, auch so reagie- internationalen Klimaschutzabkommens die Emissionen ren, wie Sie reagieren. Sie haben wirklich keine Ahnung, um 30 Prozent zu senken. Da wir über den Zeitraum von wovon Sie sprechen. 2013 bis 2020 in der EU reden, die internationalen Ver- handlungen aber bereits im Jahr 2009 abgeschlossen (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der sein werden, braucht man die Kommission nicht zu kriti- FDP) sieren, da sie für beide Ziele Maßnahmen vorschlägt. Die EU-Kommission schafft endlich ein Emissions- Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: handelssystem – dafür haben viele im Haus lange gewor- Herr Minister, darf ich Sie einen Moment unterbre- ben – mit einheitlichen Strukturen im Europa der 27 und chen! – Wenn ich es richtig gehört habe, ist gerade von einer 100-prozentigen Auktionierung, dem Verkauf der „Volksverdummung“, aber auch von „Schnösel“ gespro- Verschmutzungsrechte. Durch den Emissionshandel chen worden. sinkt der Anteil der CO2-Emissionen, die in die Atmos- (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- phäre entweichen dürfen, deutlich. NEN]: Ja, aber vorher von hanebüchenem Un- Der Kollege hat völlig recht, Frau Künast: Was Sie sinn!) vorhin erzählt haben, ist hanebüchen. In Ihrer Regie- Ich denke, beides sollte aus unserem parlamentarischen rungszeit ist in der Landwirtschaftspolitik im Hinblick Sprachgebrauch gestrichen werden. auf den Klimaschutz gar nichts gemacht worden. Herr Minister, bitte sehr. (Beifall bei der SPD – Renate Künast [BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN]: Lüge!) Sigmar Gabriel, Bundesminister für Umwelt, Natur-

Sie haben im Rahmen des Emissionshandels den CO2- schutz und Reaktorsicherheit: Ausstoß gerade einmal um 2 Millionen Tonnen gesenkt. Frau Präsidentin, vielen Dank für die Erinnerung an Wir sorgen nun für eine Senkung um 53 Millionen Ton- den parlamentarischen Sprachgebrauch. Ich werde je- (B) nen. Jetzt schlägt die EU-Kommission eine weitere Sen- denfalls für meinen Teil versuchen, mich daran zu hal- (D) kung um 78 Millionen Tonnen vor. Das sind insgesamt ten. Trotzdem stimmt, dass Frau Künast zu Recht gesagt 131 Millionen Tonnen. Erzählen Sie also nicht, das EU- hat, sie habe sich nicht mit Details befasst. Das, finde Papier sei wenig ambitioniert! Sie haben nicht mehr ich, ist richtig. durchsetzen können. Nun läuft es Gott sei Dank anders. (Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der Freuen Sie sich darüber, und kritisieren Sie nicht die CDU/CSU) Europäische Union! Sonst wüsste sie, dass es in dem Papier der Europäischen (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Kommission eine einzige Ausnahme gibt, und sonst Das Gleiche gilt beim Erneuerbare-Energien-Gesetz. wüsste sie vielleicht auch, dass sie in einigen Bereichen Sie dachten noch, ein 20-prozentiges Ausbauziel bei er- aus physikalischen Gründen CO2 nicht weiter senken neuerbaren Energien sei ambitioniert. Jetzt kommen wir können, zum Beispiel in der europäischen Stahlindustrie. in Deutschland im Stromsektor auf 30 Prozent, und mit Es ist aber nicht schlimm, dass sie das nicht weiß; denn dem Vorschlag der Kommission verdoppeln wir insge- es wird wohl kein Facharbeiter in der Stahlindustrie samt in Deutschland den Anteil der erneuerbaren Ener- Grün wählen. Aber den Kolleginnen und Kollegen von gien bis 2020. Das ist vernünftig. den Linken würde ich gern Folgendes sagen, weil es ja Gefahren bei den Wahlen gibt: Ich werde mir die Frei- (Hans-Josef Fell [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- heit nehmen, in ein paar Stahlunternehmen zu gehen und NEN]: Sie wollen ja nicht einmal das EU-Ziel dort den Betriebsräten zu sagen, dass Sie der Überzeu- von 20 Prozent einhalten!) gung sind, es sei richtig, auch für die deutsche Stahlin- – Das ist doch Unsinn. Herr Fell, Sie machen Volksver- dustrie zur Auktionierung der Emissionszertifikate zu dummung. kommen, obwohl völlig klar ist, dass diese Unternehmen nur durch eine einzige Maßnahme ihre Gichtgasemissio- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) nen senken können: durch den Abbau der europäischen Stahlproduktion, durch die Verlagerung in andere Län- Sie erzählen den Leuten, die Europäische Union hätte der. gesagt, für jeden mache sie 20 Prozent erneuerbare Ener- gien. Das ist doch Quatsch! (Franz Obermeier [CDU/CSU]: So ist es!) (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Wer das fordert, der ist, ohne dass er es will, ein Klima- NEN]: Sie sind doch ein eingebildeter Schnö- killer und ein Jobkiller zugleich. Das ist das Ergebnis sel! Ihr Verhalten hat sich verändert!) dessen, was Sie hier vortragen. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Januar 2008 14577

Bundesminister Sigmar Gabriel (A) (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Sojaanbau. Die Sojaproduktion geht in die Futtermittel- (C) industrie. Das ist ein Thema der Landwirtschaft. Ich Als einzige Ausnahme sieht die Kommission bei den hätte mich gefreut, wenn Sie, Frau Künast, in Ihrer Re- Industriezweigen, die keine wirkliche Chance zur Sen- gierungszeit wenigstens einmal den Versuch unternom- kung der CO2-Emissionen haben, in denen die Unterneh- men hätten, das mit derselben Energie zu stoppen, mit men aber im internationalen Wettbewerb stehen mit Un- der Sie heute gegen die Anwendung von Biokraftstoffen ternehmen, die nicht den Stand der Technik haben, eine protestieren. hundertprozentige Zuteilung vor. Das ist eine kluge Ent- scheidung. Das ist absolut richtig. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU – Renate Künast [BÜNDNIS 90/ Ich finde, wir sollten den davon Betroffenen sagen: DIE GRÜNEN]: Die Antwort verhindert jetzt Wir zeigen damit das, was die Entwicklungsländer und die Präsidentin!) viele Industrieländer sehen wollen. Wir zeigen, dass zwei Dinge zusammenpassen: wirtschaftliche Leistungs- Da liegt das Hauptproblem bei der Abholzung des Re- fähigkeit, Arbeitsplätze und Wohlstand sichern und da- genwaldes. Der größte Importeur von Soja ist Europa, in bei den Klimaschutz erreichen, den wir nach den Er- Europa ist der größte Importeur Deutschland. Da müssen kenntnissen der internationalen Wissenschaft erreichen wir etwas ändern. müssen. Das ist der Beweis, den wir sehen wollen. (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Die ganze Kritik an den Ausnahmen ist auch deshalb NEN]: Sie wissen doch nicht, wovon Sie re- nicht nachvollziehbar, weil wir doch gerade zeigen, dass den!) wir trotz dieser Sonderbehandlung für die Industrie- Letzte Bemerkung, Frau Präsidentin: Ich glaube, wo- zweige, die die Emissionen nicht senken können, die rauf wir insbesondere Wert legen sollten, ist, dass wir ambitionierten Klimaschutzziele erreichen. Das haben von der Kommission auch praktische Vorschläge zur uns doch viele Entwicklungsländer nicht geglaubt. Die Steigerung der Energieeffizienz einfordern. Auch das ist Europäische Kommission zeigt, dass es möglich ist. Wir im Europäischen Rat beschlossen worden. Dafür hat es werden über Details der Regelung zu reden haben, aber bislang keine Vorschläge gegeben. Top-Runner-Modell, diesen Beweis wollten wir antreten. dynamische Effizienzstandards – all das fehlt. Das müs- Wir sollten denjenigen in Deutschland, die manchmal sen wir nachholen. Ich glaube, dass wir dann insgesamt Sorge haben, dass Klimaschutz ihre Jobs bedroht, zei- ein gutes Paket auf den Weg bringen können. Ich jeden- gen: Nein, das ist nicht so. – Was die Grünen und die falls meine, dass die Kommission nicht nur den richtigen Linkspartei hier vorschlagen, würde in der Tat darauf hi- Weg eingeschlagen, sondern auch die richtigen Ziele ge- setzt hat, nämlich im Ergebnis das 30-Prozent-Ziel. (B) nauslaufen, dass wir, sozusagen gegen die Physik, versu- (D) Deutschland wird mehr als ursprünglich gedacht über- chen, CO2 zu senken. Es würde aber im Ergebnis zu ei- nem Abbau der Produktion bei uns in einigen wenigen, nehmen müssen. Das wollen wir tun. Aber dafür brau- aber beschäftigungsintensiven Branchen und zur erhöh- chen wir die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, die ten Klimabelastung in anderen Teilen der Welt führen der Kollege Nüßlein angesprochen hat. Wir müssen si- und wäre damit Klimakiller und Jobkiller zugleich. Ich cherstellen, dass die Grundstoffindustrie in Europa ihren sage es noch einmal: Darüber werden wir öffentlich re- Standort behält, um die Kraft und am Ende die finanziel- den, meine Damen und Herren, damit die Leute wissen, len Möglichkeiten zu haben, die Vorreiterrolle im Kli- was Sie mit Ihrer Politik vorhaben. maschutz in Deutschland und Europa weiter spielen zu können. Ich finde, es ist ein guter Vorschlag, den die (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Wi- Kommission vorgelegt hat. Insbesondere beim Emis- derspruch beim BÜNDNIS 90/Die Grünen) sionshandel kommen wir endlich zu klaren Marktprei- sen. Diese regeln dann auch, welche Energieformen in Nur einige wenige Bemerkungen zu den anderen Tei- Deutschland auf dem Markt angeboten werden. Der len. Beim Thema erneuerbare Energien sollten wir kriti- Druck, CO -frei oder CO -arm zu produzieren, wird da- sieren und nachbessern bei der Frage: Warum gilt eigent- 2 2 durch deutlich steigen, auch durch die Einbeziehung von lich die Nachhaltigkeitsverordnung nach Vorstellungen CCS. der Europäischen Union nur für Kraftstoffe? Herr Kauch, ich glaube, wir sollten diese Verordnung kräfti- Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. gen, aber wir sollten sie für alle Biomassebereiche kräf- tigen. Die EU sollte das tun, was Deutschland macht, (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) nämlich nur den Nettosenkungsbetrag von CO2 anrech- Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: nen, also den Anteil der CO2-Emissionen bei der Pro- duktion von Biokraftstoffen und Biomasse abziehen, da- Nächster Redner ist der Kollege Andreas Lämmel für mit wir uns nicht in die Tasche lügen. Ich finde, da die CDU/CSU-Fraktion. müssen wir noch nachbessern. Andreas G. Lämmel (CDU/CSU): (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und An all diejenigen, die jetzt den Regenwald anführen, Herren! Nach der Verabschiedung des integrierten Ener- richtet sich meine Bitte: Sagen Sie auch öffentlich, wo- gie- und Klimaschutzprogramms in Deutschland nach rin das Hauptproblem bei der Zerstörung des Regenwal- der Weltklimakonferenz in Bali hat nun heute die Euro- des besteht! Das ist nach wie vor zu über 95 Prozent der päische Kommission kräftig auf die Klimaschutzpauke 14578 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Januar 2008

Andreas G. Lämmel (A) gehauen. Präsident Barroso hat heute im Europäischen zent mehr erneuerbare Energien einsetzen, bleiben die (C) Parlament seine Vorschläge erstmalig vorgelegt und er- fossilen Brennstoffe und die Kernenergie in Deutschland läutert. Die Europäische Union will wieder einmal Vor- Hauptlieferanten für den Strom. Das wird auch noch reiter in der Welt werden. Das ist auch gut so; denn Kli- lange Zeit so sein. maschutz geht letztendlich uns alle an. (Beifall der Abg. Marie-Luise Dött [CDU/ (Beifall bei Abgeordneten der SPD) CSU]) Wir wollten immer eine europäische Klimaschutzpo- Wir brauchen den Energiemix. litik, die die Lasten, aber auch die Gewinne des Klima- schutzes gerecht für alle verteilt. Außerdem wollten wir Sonne – wenn sie denn scheint – Wind und Wellen nicht, dass wir uns hier in Deutschland mit guten Geset- sind zwar umsonst, aber die Spitzenkandidatin in Hessen zen abmühen und mit guten Aktionen glänzen, die ande- irrt, wenn sie glaubt, dass die Gewinnung dieser Ener- ren aber mit verschränkten Armen im Kreise stehen und gien umsonst sei. Die Gewinnung von regenerativen zuschauen, ob Deutschland es denn schaffen wird. Energien ist teurer als die Gewinnung von Energie aus fossilen Brennstoffen oder von Atomenergie. (Beifall der Abg. Marie-Luise Dött [CDU/ CSU]) (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Und wie viel kostet Öl? – Zuruf von Insofern ist es heute ein guter Tag; denn Europa als Gan- der SPD: Kommen Sie mal nach Krümmel!) zes oder als fast Ganzes bekennt sich zu diesen ehrgeizi- gen Zielen. Deswegen brauchen wir für die Wettbewerbsfähigkeit auch weiterhin den Energiemix in Deutschland und in (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- Europa. neten der SPD) Das war sicherlich auch der Grund, warum die Fraktio- (Beifall bei der CDU/CSU) nen des Europäischen Parlaments sich überwiegend po- Viertens. Die Vorschläge der EU-Kommission müs- sitiv zu diesem Paket geäußert haben. sen in internationale Abkommen münden. Was nützt es, Wir wissen aber auch, dass der Teufel bzw. die vielen wenn wir in Europa wieder mehrere Schritte vorange- kleinen Teufelchen im Detail liegen. Deswegen ist die hen, aus Peking, Neu-Delhi oder Washington aber keine strikte Einhaltung der EU-eigenen Vorgaben und Ziele Reaktionen erfolgen? Das Vorangehen der Europäischen unabdingbar. Ich nenne erstens die Einhaltung der be- Union muss gekoppelt sein mit Druck in den internatio- (B) schlossenen Ziele für alle Mitgliedstaaten. Man darf nalen Verhandlungen mit dem Ziel, hierbei voranzukom- (D) wirklich gespannt sein, ob das funktioniert. Wir haben men. eine Menge einschlägiger Erfahrungen mit solchen ge- Fünftens. Die Menge der globalen Emissionen – das meinsamen Proklamationen gemacht, wo hinterher einige hängt mit dem vierten Punkt zusammen – muss halbiert Staaten versuchten, sich aus dem Programm zu verab- werden. Das muss das Ziel der Verhandlungsführer der schieden. Oftmals schon ist die EU als Löwe losgesprun- Europäischen Union sein. Klimaschutz in der Welt kann gen und letztendlich als Papiertiger liegen geblieben. nur dann wirklich zum Erfolg werden, wenn die Menge Wird es denn Missbrauchs-, Ausschluss- oder Sanktions- der globalen Emissionen halbiert wird. verfahren gegen Staaten geben, die sich nicht beteiligen? Zweitens. Wir brauchen Fairness für alle Mitglied- Die Kommission hat heute auch gleich die Rechnung staaten. Die Verteilung der Lasten muss transparent dar- für den Bürger präsentiert: 3 Euro pro Kopf. Für eine stellbar sein. Das hat Barroso heute versprochen; wir vierköpfige Familie sind das knapp 50 Euro im Monat dürfen darauf sehr gespannt sein. oder 600 Euro im Jahr – zusätzlich zu dem, was in Deutschland schon an Belastungen zu tragen ist. Das (Beifall der Abg. Marie-Luise Dött [CDU/ heißt: Klimaschutz ist nicht zum Nulltarif zu bekommen. CSU]) Meine Damen und Herren, ich möchte zusammenfas- Eine Berechnung nach Bruttoinlandsprodukt pro Kopf sen: Kopenhagen wird die nächste Station der Beratung oder Energieverbrauch pro Kopf wird die Industriestaa- der Vorschläge sein. Ich kann nur hoffen, dass die wei- ten natürlich deutlich mehr belasten. tere Verhandlung über das heute vorgeschlagene Ener- giepaket erfolgreich ist und dass wir in Deutschland Drittens. Wir brauchen die Erhaltung der Wettbe- keine weiteren Benachteiligungen in diesem Bereich werbsfähigkeit; verschiedene Redner haben das heute hinnehmen müssen. schon deutlich gemacht. Das ist für mich übrigens auch eines der wichtigsten Kriterien. Daran wird sich mittel- Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. und langfristig der Erfolg der Klimapolitik zeigen. Die Weltwirtschaft ist globalisiert. Europa ist nur ein Drittel (Beifall bei der CDU/CSU) der Weltwirtschaft; die anderen Zentren – Amerika und Asien – müssen mitziehen. Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Ein Weiteres ist beim Stichwort Wettbewerbsfähigkeit Letzter Redner in dieser Debatte ist nun der Kollege zu nennen: der Energiemix. Selbst wenn wir noch 5 Pro- Frank Schwabe für SPD-Fraktion. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Januar 2008 14579

Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt (A) (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Glaubwürdigkeit und unser starkes Engagement erlauben (C) der CDU/CSU) es uns, auf solche Vorlagen der Kommission schon im Vorfeld Einfluss zu nehmen, und das ist gut so. Frank Schwabe (SPD): Als dritten Punkt möchte ich die Thematik CCS er- Frau Präsidentin! Verehrte Damen und Herren! Das wähnen. Diese ist heute etwas zu kurz gekommen. Ich ist nun heute in der Tat eine Aktuelle Stunde im wahrs- glaube, dass die Vorschläge der Kommission neuen ten Sinne des Wortes. Das ist so aktuell, dass all das, was Schwung in die Debatte bringen und den Sprung vom da gedruckt wurde, noch gar nicht trocken ist. Es ist al- Glauben zum Wissen ermöglichen, ob diese Technologie lerdings eine Aktuelle Stunde zu den Vorschlägen der realisiert werden kann. EU-Kommission zu Energie und Klima. Es ist keine Ak- tuelle Stunde zur Hessen-Wahl. So war das jedenfalls Ich denke, es ist richtig, wenn der Deutsche Bundes- nicht gedacht, Herr Dr. Nüßlein, Herr Kauch und Herr tag das, was die Kommission heute vorgeschlagen hat, Lämmel; Sie haben sich da ja auch noch eingeordnet. Es im Grundsatz begrüßt. Es war nämlich nicht einfach für muss einem der Allerwerteste schon ziemlich auf Grund- die Kommission, die Quadratur des Kreises hinzube- eis gehen, wenn man versucht, das hier so umzufunktio- kommen. Was nun zum Emissionshandel vorgelegt nieren. wurde, ist wirklich wegweisend. Dass es jetzt EU-weit eine Obergrenze geben soll und zukünftig das Gescha- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) chere um die nationalen Allokationspläne aufhören wird, stellt einen riesigen Fortschritt dar. Es ist auch ein riesi- Ich bin mir sicher: Die Wählerinnen und Wähler in Hes- ger Fortschritt, dass es zu einer 100-prozentigen Verstei- sen wollen den Atomausstieg und werden deshalb dafür gerung von Emissionsrechten für den Energiebereich sorgen, dass Frau Ypsilanti Ministerpräsidentin wird. kommen wird. Es ist auch ein Fortschritt, dass wir uns demnächst darauf verlassen können, dass im Industrie- (Beifall bei der SPD) bereich die besten verfügbaren Technologiestandards Ich will zum Paket der EU drei Dinge sagen: eingesetzt werden. Erstens. Ich habe überhaupt nicht verstanden, wieso Ich glaube, dass der Deutsche Bundestag – ich habe Sie von der geschätzten Opposition von Grünen und Lin- es hier schon einmal gesagt – sehr viel Selbstbewusst- ken eigentlich von 20 Prozent ausgehen. Entweder ha- sein an den Tag legen kann. Wir haben ein gutes Kon- ben Sie die Vorschläge nicht richtig gelesen, oder Sie zept für die zweite Periode des Emissionshandels vorge- machen hier in – Entschuldigung – sehr billigem Oppo- legt. Bezüglich der Frage der Versteigerungen haben wir (B) sitionsstil ein Stück weit in Populismus. auch eine wegweisende Funktion der Kommission ge- (D) genüber ausgeübt. Ich meine, das hat sich auch konkret (Eva Bulling-Schröter [DIE LINKE]: Nie!) auf die Vorschläge für die dritte Handelsperiode ausge- Wir wollen 30 Prozent. Es ist ganz klar festgelegt, wirkt. dass es 30 Prozent dann sein werden, wenn es ein inter- nationales Abkommen geben wird. Davon gehen wir alle Ich will es noch einmal sagen: Die Hoffnung einiger, aus. dass wir uns jetzt europaweit und deutschlandweit von ambitionierten Zielen verabschieden würden, ist sehr (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- trügerisch. Wir gehen in Deutschland nach wie vor von NEN]: Da redet mal einer nicht populistisch! 40 Prozent aus. Wir müssen eher sogar die Latte noch et- Gut, dass Sie gekommen sind!) was höher legen, nämlich bei 42 Prozent, um gemäß den Vorschlägen der Kommission zukünftig europaweit das Deswegen waren wir auf Bali. Deswegen verhandeln 30-Prozent-Ziel zu erreichen. Deswegen müssen wir wir in Kopenhagen. Wenn Europa auf 30 Prozent kommt sehr strikt das umsetzen, was wir uns im Rahmen von – so ist es auch ausgerichtet –, dann kommt Deutschland Meseberg I und Meseberg II vorgenommen haben. Da- auf mehr als 40 Prozent; das ist jedenfalls die Zielset- rüber hinaus sind auch noch weiter gehende Maßnahmen zung. notwendig. Die SPD wird dazu entsprechende Vor- (Beifall bei der SPD – Lutz Heilmann [DIE schläge machen. Zu diesen Vorschlägen wird im Übri- LINKE]: Das hört sich ganz anders an als bei gen auch die Einführung eines Tempolimits gehören. Ihrem Minister!) Das möchte ich an der Stelle noch einmal betonen. – Nein, das hört sich nicht anders an. (Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE Der zweite Punkt: Deutschland hat im Vorfeld wich- GRÜNEN und des Abg. Josef Göppel [CDU/ tige Positionen durchgesetzt, vor allem bezüglich der CSU] – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE Weitergeltung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes, aber GRÜNEN]: Ich dachte, das sind Peanuts!) auch bezüglich der Sicherstellung der Wettbewerbsfähig- keit bestimmter Industriezweige. Insofern haben diejeni- – Ja, so wird das sein. Kleinvieh macht auch Mist. Es gen unrecht, die sagen – man konnte das ja heute zum sind eben keine Peanuts. Teil lesen –, dass Deutschland für sein besonderes Enga- gement, das der Kanzlerin und das des Umweltministers, (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- bestraft würde. Das Gegenteil ist der Fall. Unsere hohe NEN]: Das habt ihr aber immer gesagt!) 14580 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Januar 2008

Frank Schwabe (A) Dadurch sind durchaus maßgebliche Reduktionswerte zu (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten (C) erreichen. der CDU/CSU) Als Letztes möchte ich noch etwas zum Thema Be- zahlbarkeit sagen. Auch darauf ist Herr Lämmel ja ge- Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: rade noch einmal eingegangen. Ich finde es gut, dass die Damit ist nun die Aktuelle Stunde beendet. Kommission ehrlicherweise sagt, Klimaschutz kostet Geld. Die Frage ist nur, was es kosten würde, wenn wir Wir sind am Schluss der heutigen Tagesordnung. keinen ordentlichen Klimaschutz betrieben. Hierzu hat Herr Barroso zu Recht gesagt: Wir können den Kopf Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun- nicht in den Sand stecken. Wenn wir nicht handeln, wird destages auf morgen, Donnerstag, 24. Januar, 9 Uhr, ein. es zehnmal so teuer, als wenn wir handeln. – Das kann Ich schließe die Sitzung. sich niemand leisten, niemand in Deutschland und nie- mand in Europa. (Schluss: 16.48 Uhr)

(B) (D) Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Januar 2008 14581

(A) Anlagen zum Stenografischen Bericht (C)

Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten

entschuldigt bis entschuldigt bis Abgeordnete(r) einschließlich Abgeordnete(r) einschließlich

Adam, Ulrich CDU/CSU 23.01.2008* Nitzsche, Henry fraktionslos 23.01.2008 Barnett, Doris SPD 23.01.2008* Nouripour, Omid BÜNDNIS 90/ 23.01.2008 DIE GRÜNEN Bluhm, Heidrun DIE LINKE 23.01.2008 Poß, Joachim SPD 23.01.2008 Caspers-Merk, Marion SPD 23.01.2008 Riester, Walter SPD 23.01.2008* Dr. Dehm, Diether DIE LINKE 23.01.2008 Roth (Heringen), SPD 23.01.2008 Deittert, Hubert CDU/CSU 23.01.2008* Michael Duin, Garrelt SPD 23.01.2008 Schily, Otto SPD 23.01.2008 Dzembritzki, Detlef SPD 23.01.2008* Dr. Schui, Herbert DIE LINKE 23.01.2008 Ernst, Klaus DIE LINKE 23.01.2008 Dr. Schwall-Düren, SPD 23.01.2008 Fischer (Karlsruhe- CDU/CSU 23.01.2008* Angelica Land), Axel E. Strothmann, Lena CDU/CSU 23.01.2008 Dr. Gerhardt, Wolfgang FDP 23.01.2008 Teuchner, Jella SPD 23.01.2008 Dr. Gysi, Gregor DIE LINKE 23.01.2008 Trittin, Jürgen BÜNDNIS 90/ 23.01.2008 (B) Heynemann, Bernd CDU/CSU 23.01.2008 DIE GRÜNEN (D) * Höfer, Gerd SPD 23.01.2008* Ulrich, Alexander DIE LINKE 23.01.2008 * Hörster, Joachim CDU/CSU 23.01.2008* Dr. Wodarg, Wolfgang SPD 23.01.2008 Dr. h. c. Kastner, SPD 23.01.2008 Zapf, Uta SPD 23.01.2008 Susanne * für die Teilnahme an den Sitzungen der Parlamentarischen Ver- Dr. Keskin, Hakki DIE LINKE 23.01.2008* sammlung des Europarates Knoche, Monika DIE LINKE 23.01.2008 Krummacher, Johann- CDU/CSU 23.01.2008 Anlage 2 Henrich Antwort Kurth (Quedlinburg), BÜNDNIS 90/ 23.01.2008 der Parl. Staatssekretärin Ursula Heinen auf die Fragen Undine DIE GRÜNEN der Abgeordneten Dr. Kirsten Tackmann (BÜND- Dr. Lauterbach, Karl SPD 23.01.2008 NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 16/7792, Fragen 2 und 3): Lehn, Waltraud SPD 23.01.2008 Welche Änderungen im Bundeswaldgesetz plant die Bun- * desregierung zur Erleichterung von Agroforstsystemen, und Leutheusser- FDP 23.01.2008 wann ist mit einem Gesetzentwurf zu rechnen? Schnarrenberger, Wie viel Prozent der Waldfläche entwickelt sich aktuell Sabine natürlich, und wie viel müsste aus der aktuellen Produktion * herausgenommen werden, um der „Nationalen Strategie zur Lintner, Eduard CDU/CSU 23.01.2008 biologischen Vielfalt“ (Kabinettsbeschluss vom 7. November Lips, Patricia CDU/CSU 23.01.2008 2007) zu entsprechen? Merz, Friedrich CDU/CSU 23.01.2008 Zu Frage 2: Mücke, Jan FDP 23.01.2008 Flächen mit Agroforstsystemen – ebenso wie Flächen mit schnellwachsenden Baumarten („Kurzumtriebsplan- Nešković, Wolfgang DIE LINKE 23.01.2008 tagen“) – werden durch die gestiegene Nachfrage nach 14582 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Januar 2008

(A) Bioenergieträgern künftig an Bedeutung gewinnen. Die – Daneben neigen derzeit viele Kleinprivatwaldbesitzer (C) rechtliche Einordnung von Agroforstsystemen und Kurz- dazu, ihren Wald einer natürlichen Entwicklung zu umtriebsplantagen ist nicht eindeutig. Sie können derzeit überlassen. sowohl der landwirtschaftlichen Nutzfläche als auch der Vor diesem Hintergrund ist die Bundesregierung der Waldfläche zugeordnet werden – mit jeweils unter- Auffassung, dass das oben genannte Ziel der Nationalen schiedlichen Rechtsfolgen, zum Beispiel für eine spätere Strategie zur biologischen Vielfalt bis 2020 erreicht wer- Wiederaufnahme einer landwirtschaftlichen Nutzung. den kann. Um der wachsenden Bedeutung dieser Systeme für den Anbau nachwachsender Rohstoffe gerecht zu werden, ist geplant, diese vom Geltungsbereich des Bundeswald- Anlage 3 gesetzes auszunehmen. Diese Ausgrenzung der Kurzum- Antwort triebsplantagen und der Agroforstsysteme vom Waldbe- griff dient der Klarstellung und damit der erforderlichen des Parl. Staatssekretärs Christian Schmidt auf die Frage Rechtseinheit und Rechtssicherheit. Mit der Zuleitung des Abgeordneten Hans-Christian Ströbele (BÜND- einer entsprechenden Gesetzesvorlage an den Deutschen NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 16/7792, Frage 4): Bundestag ist für das erste Halbjahr 2008 zu rechnen. Inwieweit trifft die Schilderung des früheren Bundeswehr- Fallschirmjägers Achim Wohlgethan in seinem Buch „Endsta- tion Kabul“ zu, er habe in Afghanistan – unter anderem auf Zu Frage 3: Geheiß eines Bundeswehr-Majors des militärischen Nachrich- tenwesens – mindestens 12-mal außerhalb des deutschen Ein- Exakte Zahlen dazu, wie viel Prozent der Waldfläche satzgebiets operiert, er sei mit deutschen Fernspähern zur nie- sich derzeit natürlich entwickeln und wie viel demnach derländischen KCT-Spezialeinheit beordert worden, mit aus der aktuellen Produktion genommen werden müsste, denen er im August 2002 bei Kabul der ungeklärten Erschie- ßung von 12 Afghanen beiwohnte und habe 2002 auf Veran- um das in der Nationalen Strategie zur Biologischen lassung des Militärischen Abschirmdienstes (MAD) in Kabul Vielfalt genannte Ziel von 5 Prozent Waldflächenanteil zusammen mit uniformierten MAD- und deutschen Fernspäh- mit natürlicher Waldentwicklung bis 2020 zu erreichen, soldaten gegen angebliche Waffenhändler und Labors in Ka- liegen der Bundesregierung derzeit nicht vor. Grund da- bul aufgeklärt, und welche Konsequenzen zieht die Bundesre- für ist insbesondere, dass die in den hierfür zuständigen gierung daraus, insbesondere um die räumlichen Einsatzgrenzen der Bundeswehr in Afghanistan zu wahren so- Bundesländern vorliegenden Zahlen aufgrund unter- wie die Tätigkeit von MAD und militärischem Nachrichten- schiedlicher Definitionen und Schutzkategorien nicht wesen in die entsprechenden rechtlichen Grenzen zurückzu- ohne weiteres vergleichbar sind. Anhaltspunkte dazu, führen? wie viel Prozent der Waldfläche sich derzeit natürlich (B) Der Staatssekretär des Bundesministeriums der Ver- (D) entwickeln, können die folgenden Sachverhalte bieten: teidigung, Dr. Peter Wiehert, hat am 16. Januar 2008 den – In Deutschland unterliegt aktuell rund l Prozent der Verteidigungsausschuss des Deutschen Bundestages Waldfläche (circa 120 000 Hektar) einem strengen über die Ergebnisse der Untersuchung im Bundesminis- Nutzungsverbot. In diese Kategorie fallen zum Bei- terium der Verteidigung anlässlich der Veröffentlichung spiel die Kernzonen der Nationalparke und Biosphä- des Buches „Endstation Kabul“ des Autors Achim renreservate sowie Naturwaldreservate. Wohlgethan und seines Co-Autors Dirk Schultze münd- lich unterrichtet. Im Rahmen dieser Unterrichtung wurde – In Nationalparken besteht bereits heute das Ziel, die auch zu Ihren Fragestellungen berichtet. Darüber hinaus sogenannten Kernzonen sukzessive zu erweitern und liegen dem Bundesministerium der Verteidigung keine künftig mehr als drei Viertel der Nationalparkflächen weiteren Erkenntnisse vor. Im Nachgang zu dieser Sit- einer natürlichen Entwicklung zu überlassen. zung wurde dieser Bericht dem Verteidigungsausschuss des Deutschen Bundestages als auch dem Auswärtigen – Daneben trägt die Bundesregierung mit der Siche- Ausschuss des Deutschen Bundestages zur Verfügung rung des Nationalen Naturerbes zur Zielerreichung gestellt. bei. Im Einzelnen: Zur Frage, ob Soldaten der Bundes- Insgesamt 125 000 Hektar naturschutzfachlich wert- wehr in Afghanistan im Jahr 2002 „mit Wissen ihrer volle Flächen des Bundes – circa zwei Drittel hiervon Vorgesetzten außerhalb des vorgeschriebenen Mandats- Waldflächen – werden den Ländern, Naturschutzver- gebietes operiert“ haben, hat das Bundesministerium der bänden und der Deutschen Bundesstiftung Umwelt Verteidigung festgestellt: Der Einsatz deutscher ISAF- (DBU) zur langfristigen Sicherung für den Natur- Kräfte im Jahr 2002 erfolgte im Rahmen des damals gel- schutz angeboten. Es wird davon ausgegangen, dass tenden Bundestagsmandates vom 22. Dezember 2001 ein erheblicher Teil hiervon langfristig der natürli- (Drucksache 14/7930 Ziffer 7; Fortschreibung Drucksa- chen Entwicklung überlassen wird. che 14/9246). Danach war das Einsatzgebiet entspre- chend den Resolutionen des Sicherheitsrats der Verein- – Mindestens fünf Prozent der Forstbetriebsfläche vom ten Nationen 1386 (2001) und 1413 (2002) auf Kabul Forest Stewardship Council (FSC) zertifizierten Bun- und Umgebung – so hieß es im Mandat – begrenzt. Au- des- und Landeswald sowie von Forstbetrieben im ßerhalb von Kabul und Umgebung konnten die deut- größeren Körperschaftswald (ab l 000 Hektar) sind schen Kräfte nach den Regelungen des jeweils gültigen als Referenzflächen aus der Bewirtschaftung ausge- Bundestagsmandates im weiteren Gebiet Afghanistans nommen. zur Wahrnehmung des individuellen und kollektiven Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Januar 2008 14583

(A) Selbstverteidigungsrechtes, des Nothilferechtes sowie prognostiziert hat, was eine Reduzierung am Verkehrsauf- (C) zum Zwecke des Zugangs und der Logistik mit der erfor- kommen von 32 auf 29 Prozent und an der Verkehrsleistung von 5,9 auf 4,7 Prozent zur Folge hätte, und wie lässt sich die derlichen Eigensicherung sowie für Abstimmungsge- Prognose mit dem Ziel des Nationalen Radverkehrsplans der spräche eingesetzt werden. Das Einsatzgebiet wurde Erhöhung des Radverkehrsanteils vereinbaren? durch eine grafische Darstellung, die im Laufe des Jah- Inwieweit hält die Bundesregierung vor dem Hintergrund res 2002 verändert wurde, konkretisiert. Deutsche Kräfte der Prognose der deutschlandweiten Verkehrsverflechtungen wurden nur im Rahmen dieser Ausnahmeregelung auch 2025 ihre Aussage „Realistisch ist die Verringerung der Pkw- außerhalb von Kabul und Umgebung eingesetzt. Hervor- Fahrten im Bereich bis 6 km um 30 Prozent“ in der Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage der Fraktion zuheben sind hier mehrere Operationen aus dem Jahr BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN „Zwischenbilanz des Nationa- 2002, die zur Sicherstellung der Force-Protection unter len Radverkehrsplans 2002 bis 2012“ (Drucksache 16/5255) anderem Patrouillentätigkeiten enthielten. Namentlich aufrecht, und sieht die Bundesregierung die Notwendigkeit, sei hier die ISAF-Operation „Galaxy“ genannt, die im zusätzliche Maßnahmen zur Förderung des Fahrradverkehrs Vorfeld der großen Ratsversammlung „Loya Jirga“ vom zu ergreifen, um die Absenkung im Pkw-Bereich auch tat- sächlich zu erreichen? 10. bis 16. Juni 2002 durchgeführt wurde. Soweit sich im Rahmen solcher Operationen deutsche Soldaten zum Im Rahmen der Verkehrsprognose 2025 wurden für die Beispiel im Zuge von Patrouillentätigkeiten vorüberge- direkten CO2-Emissionen (der Kraftstoffe) die Emis- hend außerhalb des damaligen Mandatsgebietes aufhiel- sionsfaktoren angesetzt, die seit 2004 vom Umweltbun- ten, geschah dies zum Zwecke der Force-Protection und desamt verwendet werden. Sie belaufen sich: bei Otto- mithin in Ausübung des mandatierten Selbstverteidi- kraftstoff auf 3,135 kg CO2 pro Kraftstoff (bei einem gungsrechts. Ein Fehlverhalten liegt hier nicht vor. Der Heizwert von 43,543 MJ pro kg Kraftstoff und einem Autor schildert angebliche Einsätze, die er im Rahmen Emissionsfaktor von 72,0 g CO2/MJ) und bei Dieselkraft- der Zuordnung zu einer niederländischen Spezialeinheit stoff auf 3,179 kg CO2 pro kg Kraftstoff (42,960/74,0). durchgeführt haben will. Tatsächlich befand sich die an- Diese Faktoren sind – abgesehen von Verfeinerungen bei gegebene niederländische Einheit in dem betreffenden ihrer Berechnung – im Zeitablauf konstant und wurden Zeitraum im Jahr 2002 im Operationsgebiet. Eine Zu- daher auch für das Jahr 2025 herangezogen. sammenarbeit mit deutschen Kräften im Verantwortungs- Die Verkehrsprognose 2025 geht von einer Minderung bereich der Kabul Multinationalen Brigade (KMNB) im der direkten CO -Emissionen des Pkw-Verkehrs von Rahmen des ISAF Einsatzes fand regelmäßig statt und 2 20,2 Prozent aus. Daher wird derzeit keine Veranlassung ist in keiner Weise fragwürdig oder gar zu beanstanden. gesehen, von den verkehrspolitischen Zielen der Bundes- Der Autor schildert, während seines Aufenthaltes in Af- regierung abzuweichen. Dies betrifft auch den nationalen ghanistan im Jahre 2002 einen unmittelbaren Auftrag Radverkehrsplan. Unabhängig davon prüft die Bundes- vom Militärischen Abschirmdienst erhalten zu haben. regierung, inwieweit im Rahmen der Mittelverwendung (B) Hierzu sei angemerkt, dass der MAD bis zur Änderung (D) aus der Klimaschutzinitiative zum Beispiel Projekte zur des MAD-Gesetzes vom 8. März 2004 nicht im Ausland Förderung des Fuß- und Radverkehrs gefördert werden eingesetzt werden durfte und auch nicht wurde. Ledig- können. lich Soldaten mit MAD-Erfahrung wurden zum damali- gen Zeitpunkt auf solchen militärischen Dienstposten verwendet, die nachrichtendienstliche Kenntnisse erfor- derten. Diese Soldaten waren jedoch nicht Angehörige Anlage 5 des MAD. Sie wurden von ihren Aufgaben im MAD ent- Antwort bunden und der Truppe unterstellt. Dieses Verfahren wurde der zuständigen Parlamentarischen Kontrollkom- der Parl. Staatssekretärin Karin Roth auf die Fragen des mission 1996 vorgestellt. Es wurde dort ausdrücklich ge- Abgeordneten Hans-Michael Goldmann (FDP) (Druck- billigt. Diese Soldaten hatten keine nachrichtendienstli- sache 16/7792, Fragen 7 und 8): chen Befugnisse und haben keine Aufträge für den MAD Wann hat der Germanische Lloyd beim Mehrzweckschiff erteilt. Ich gehe aber davon aus, dass im deutschen Kon- „Arkona“ die ersten Mängel an der Antriebsanlage festge- stellt, und wie viele Wochen war das Schiff seitdem in Repa- tingent bekannt war, dass es sich um Soldaten mit MAD- ratur bzw. nicht einsatzbereit in seiner Funktion als Notfall- Hintergrund handelte. Dies wird zu dem Missverständ- schlepper? nis aufseiten des Autors geführt haben. Wann und warum hat der Germanische Lloyd der „Ar- kona“ die Klassifizierung entzogen?

Anlage 4 Zu Frage 7: Antwort Die „Arkona“ hatte im April 2006 erstmals Probleme mit den Podantrieben. Trotz Ausfalls eines Podantriebs der Parl. Staatssekretärin Karin Roth auf die Fragen des konnte die „Arkona“ ihren Aufgaben als Schadstoffun- Abgeordneten Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/DIE fall- und Brandbekämpfungsschiff, Schifffahrtspolizei GRÜNEN) (Drucksache 16/7792, Fragen 5 und 6): und Tonnenleger nachkommen. Das Schiff war insge- Wie beurteilt die Bundesregierung das Potenzial zur Sen- samt 16 Wochen in Reparatur (Werftaufenthalte ein- kung der CO2-Emissionen des Verkehrsbereichs durch Erhö- schließlich Wartezeiten auf freie Dockkapazität und hung des Fahrrad- und Fußgängerverkehrsanteils, nachdem fehlende Ersatzteile) sowie weitere 31 Wochen einge- die Prognose der deutschlandweiten Verkehrsverflechtungen 2025 (FE-Nr. 96.0857/2005) für die Zahl der Fahrradfahrten schränkt in seiner Funktion als Notfallschlepper. Seit und der Fußwege eine Abnahme von 5,7 bzw. 7,1 Prozent dem 18. Januar 2008 ist das Schiff nach erfolgreich ver- 14584 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Januar 2008

(A) laufener Erprobung auf See wieder uneingeschränkt ein- nische Wartung der Podantriebe einschließlich Ersatz- (C) satzfähig. teilbeschaffung ist für die nächsten Jahre gesichert.

Zu Frage 8: Anlage 8 Der Germanische Lloyd hat der „Arkona“ die Klassi- fizierung nicht entzogen, sondern für die Dauer des Aus- Antwort falls eines Podantriebs die Fahrterlaubnis für die Aufga- der Parl. Staatssekretärin Karin Roth auf die Fragen des ben Eisbrechen und Notschleppen eingeschränkt. Abgeordneten Christian Ahrendt (FDP) (Drucksache 16/7792, Fragen 12 und 13): Anlage 6 Wie beeinträchtigt der Ausfall des Mehrzweckschiffes „Arkona“ die Notfallvorsorge in der Ostsee? Antwort Wann rechnet die Bundesregierung mit der erneuten Ein- satzfähigkeit der „Arkona“ (insbesondere in ihrer Funktion als der Parl. Staatssekretärin Karin Roth auf die Fragen der Notfallschlepper), und wie soll der Ausfall kompensiert wer- Abgeordneten Dr. Christel Happach-Kasan (FDP) den? (Drucksache 16/7792, Fragen 9 und 10): Warum und in welchem Umfang hat die Bundesregierung Zu Frage 12: 2007 für das Mehrzweckschiff „Arkona“ Ersatzbetriebsanla- gen, Ersatzteile und Propeller gekauft? Nach dem Notschleppkonzept der Bundesregierung ist Trifft in der Antwort der Bundesregierung auf Frage 6 der der nördliche Teil der Kadetrinne als Einsatzbereich für Kleinen Anfrage der Fraktion der FDP „Einsatzfähigkeit und das Mehrzweckschiff „Arkona“ vorgesehen. Kurzfristige Effizienz der bundeseigenen Schiffe“ (Bundestagsdrucksa- Ausfälle (zum Beispiel Werftliegezeiten, Einsätze im che 16/7084) die Aussage der Bundesregierung zu, dass die Rahmen von Abkommen) werden durch Verlagerung von Reparaturen der „Arkona“ in vollem Umfang vom Lieferan- anderen Schiffen (zum Beispiel Schlepper, Mehrzweck- ten getragen werden und dass dies auch für sämtliche indirek- ten Kosten (Dockung, Werftaufenthalt, Liegeplatzgebühr, Per- schiffe) in diesem Gebiet aufgefangen. Der Ausfall der sonal etc.) gilt, und wenn nicht, wie hoch sind diese indirekten „Arkona“ wurde nach dem Vorsorgekonzept der Wasser- Kosten? und Schifffahrtsverwaltung kompensiert. Das Vorsorge- konzept berücksichtigt von vornherein einen auch aus an- Zu Frage 9: deren, planbaren Gründen (zum Beispiel Werftaufent- Die Ersatzteile und Propeller für die Antriebe der halte) bedingten vorübergehenden Ausfall eines der in „Arkona“ werden nicht in Serie gefertigt und unterliegen der Ostsee stationierten Gewässerschutzschiffe „Arkona“ oder „Scharhörn“. In Havariefällen stehen jeweils das (B) längeren Lieferfristen. Nur mit umgehender Verfügbar- (D) keit dieser Ersatzteile kann bei möglichen Ausfällen der zweite Gewässerschutzschiff sowie drei fremdbereederte Antriebe die volle Einsatzbereitschaft des Fahrzeugs Notschlepper zur Verfügung. Somit ist auch bei Ausfall schnell wiederhergestellt werden. Daher ist die Liefe- eines Gewässerschutzschiffes ein schnelles Eingreifen rung dieser Ersatzteile separat beauftragt worden. bei Havarien sichergestellt.

Zu Frage 10: Zu Frage 13: Die Aussage der Bundesregierung trifft zu. Die „Arkona“ ist nach erfolgter Reparatur und erfolg- reich verlaufener Erprobung auf See seit dem 18. Januar 2008 wieder uneingeschränkt einsatzfähig. Anlage 7 Antwort Anlage 9 der Parl. Staatssekretärin Karin Roth auf die Frage des Antwort Abgeordneten Jan Mücke (FDP) (Drucksache 16/7792, Frage 11): des Parl. Staatssekretärs Michael Müller auf die Frage des Abgeordneten Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/DIE Seit wann ist der Bundesregierung bekannt, dass die Firma Schottel, die sowohl die „Arkona“ als auch die „Maria S. Me- GRÜNEN) (Drucksache 16/7792, Frage 17): rian“ mit Podantrieben ausgerüstet hat, diese nicht mehr her- Für welchen Anteil erneuerbarer Energien in Deutschland stellt (siehe HANSA International Maritime Journal 10/2007), im Jahr 2020 setzt sich die Bundesregierung im Rahmen der und welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung hieraus Richtlinienerstellung derzeit bei der Europäischen Kommis- für diese beiden Schiffe? sion in Brüssel ein? Richtig ist, dass die Firma Schottel Podantriebe der Die Bundesregierung hat im Rahmen ihres nationalen Größe, wie sie bei den Schiffen „Arkona“ und „Maria S. Klima- und Energieprogramms vom 23. und 24. August Merian“ eingebaut wurden, nicht mehr bewirbt, vertreibt 2007 anspruchsvolle Ziele bei erneuerbaren Energien für oder ohne Auftrag produziert. Dieses ist der Bundesre- das Jahr 2020 beschlossen. Die Bundesregierung geht gierung seit September 2007 bekannt. Gegenüber dem dabei von einem Erneuerbaren-Anteil von 25 bis 30 Pro- Bundesministerium für Bildung und Forschung und dem zent im Strombereich, 14 Prozent im Wärmebereich und Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwick- 17 Prozent bei Biokraftstoffen aus. Diese Zielvorstellun- lung hat Firma Schottel bekräftigt, auf Auftragsbasis gen sind der Europäischen Kommission übermittelt wor- entsprechende Podantriebe fertigen zu können. Die tech- den. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Januar 2008 14585

(A) Anlage 10 dung von „Menschen mit Behinderungen“ erreicht (C) werden, für die sich der Deutsche Behindertenrat ausge- Antwort sprochen hatte. Der nun vorliegende Text ist die abge- des Parl. Staatssekretärs Thomas Rachel auf die Frage stimmte Sprachfassung von Deutschland, Österreich, der des Abgeordneten Jan Mücke (FDP) (Drucksache 16/7792, Schweiz und Liechtenstein und wird die Grundlage für Frage 22): das Ratifizierungsverfahren sein, welches die Bundesre- Ist das Forschungsschiff „Maria S. Merian“, wie in der gierung derzeit vorbereitet. Die Kritik aus Betroffenen- Antwort der Bundesregierung auf Frage 2 der Kleinen An- kreisen, dass eklatante Übersetzungsfehler begangen frage der Fraktion der FDP (Drucksache 16/7084) in Aussicht worden seien, ist aus Sicht der Bundesregierung nicht gestellt, in diesem Monat wieder einsatzbereit, und wann kann haltbar. Die vorliegende deutsche Übersetzung basiert es zur nächsten Forschungsfahrt ausfahren? auf den fundierten Fachkenntnissen aller Beteiligten. Sie Nach Abschluss der Generalüberholung und Ab- wurde unter Berücksichtigung ihrer Interessen sowie des nahme der Podantriebe ist geplant, dass „Maria S. Me- Verlaufs und der Zielstellung der Verhandlungen bei den rian“ am 10. Februar 2008 Rostock verlässt, um am Vereinten Nationen von den genannten Staaten ange- 19. Februar 2008 in Las Palmas den Forschungsbetrieb nommen. wieder aufzunehmen. Zu Frage Nr. 24:

Anlage 11 Der Entwurf eines Ratifizierungsgesetzes wird von der Bundesregierung entsprechend den Regelungen der Antwort Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien des Parl. Staatssekretärs Franz Thönnes auf die Fragen (GGO) gefertigt. Eine frühzeitige Beteiligung der Fach- des Abgeordneten Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) kreise, Verbände und Organisationen am Gesetzge- (Drucksache 16/7792, Fragen 23 und 24): bungsverfahren ist daher schon nach den Bestimmungen des § 47 Abs. 3 GGO vorgesehen. In diesem Zusammen- Wie bewertet die Bundesregierung die öffentliche Kritik hang wird die Bundesregierung selbstverständlich die aus Betroffenenkreisen an der nunmehr vorliegenden, mit den anderen deutschsprachigen Staaten abgestimmten „offiziel- Anmerkungen und Anregungen der Behindertenver- len“ deutschen Übersetzung der UN-Konvention über die bände bei der Fertigung des Gesetzentwurfs prüfen. Rechte von Menschen mit Behinderungen (siehe „UN-Kon- vention: Übersetzung enthält eklatante Fehler“ in www.kobinet-nachrichten.org vom 11. Januar 2008)? Anlage 12 Wie und mit welcher Verbindlichkeit will sich die Bundes- regierung bei den weiteren Abstimmungen mit den Bundes- Antwort (B) ländern den Betroffenen- und Sprachsachverstand behinderter (D) Menschen, die zum Beispiel vom Deutschen Behindertenrat des Parl. Staatssekretärs Franz Thönnes auf die Fragen legitimiert sind, einholen und deren Interpretationsvorschläge des Abgeordneten Volker Schneider (Saarbrücken) achten? (DIE LINKE) (Drucksache 16/7792, Fragen 27 und 28): Trifft es nach Auffassung der Bundesregierung zu, dass Zu Frage 23: aufgrund der Schaffung des neuen § 53 a des Zweiten Buches Die Bundesregierung hat die Verbände behinderter Sozialgesetzbuch (SGB II), Personen, die die Voraussetzun- gen von § 53 a Abs. 1 SGB II, § 16 SGB III erfüllen und de- Menschen sowohl bei den Verhandlungen zum Über- nen in den letzten zwölf Monaten nach Vollendung ihres einkommen über die Rechte von Menschen mit Behinde- 58. Lebensjahres seitens des Leistungsträgers oder der Agen- rungen als auch bei den Arbeiten an der deutschen tur (Arbeitgeberservice) eine sozialversicherungspflichtige Übersetzung eng eingebunden. Die deutsche Arbeits- Beschäftigung angeboten wurde, auch weiterhin als arbeitslos übersetzung des Bundesministeriums für Arbeit und So- gelten, und ergibt sich für die Bundesregierung daraus die Konsequenz, dass diejenigen, denen keine sozialversiche- ziales wurde den Verbänden behinderter Menschen früh- rungspflichtige Beschäftigung angeboten wurde, automatisch zeitig zur Verfügung gestellt, die sich dazu schriftlich nicht mehr als arbeitslos gelten und somit auch keine Förde- und mündlich gegenüber dem Ministerium äußerten. Am rungsleistungen seitens des Leistungsträgers oder der Agentur 5. Juli 2007 wurde auf einer Fachkonferenz des Deut- (Arbeitgeberservice) zusteht? schen Instituts für Menschenrechte mit Vertreterinnen Trifft es nach Auffassung der Bundesregierung zu, dass und Vertretern des Deutschen Behindertenrates über Fra- Personen, welche die Voraussetzungen des § 53 a Abs. 2 SGB II erfüllen und bereits vor dem 1. Januar 2008 das 59. Lebens- gen der Übersetzung diskutiert. Die Anregungen des jahr vollendet haben, als nicht arbeitslos gelten, und, wenn ja, Deutschen Behindertenrates hat das Bundesministerium wie viele Personen wären nach Inkrafttreten des Siebten Ge- für Arbeit und Soziales zusammen mit den Stellungnah- setzes zur Änderung des Dritten Buches Sozialgesetzbuch und men der Bundesländer und der Ressorts in die Verhand- anderer Gesetze ab dem 1. Januar 2008 von der Regelung im lungen mit den anderen deutschsprachigen Staaten bei neu geschaffenen § 53a Abs. 2 SGB II betroffen? der Übersetzungskonferenz am 4. und 5. September Zu Frage 27: 2007 eingebracht. Die Verhandlungen fanden gemäß der Richtlinien des Auswärtigen Amtes für die Behandlung Es trifft zu, dass erwerbsfähige Hilfebedürftige auch völkerrechtlicher Verträge mit dem Ziel statt, eine ein- nach Vollendung des 58. Lebensjahres und eines Leis- heitliche deutsche Vertragssprache zu gewährleisten. Im tungsbezuges in der Grundsicherung für Arbeitsuchende Verhandlungsprozess konnte zum Beispiel eine Einigung von mindestens zwölf Monaten künftig als arbeitslos auf die Übersetzung von „legal capacity“ mit „Rechts- gelten, wenn ihnen in den vergangenen zwölf Monaten und Handlungsfähigkeit“ und die durchgehende Verwen- ihres Leistungsbezuges eine sozialversicherungspflich- 14586 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Januar 2008

(A) tige Beschäftigung durch den Leistungsträger angeboten Anlage 14 (C) wurde. Lediglich Personen, die seit Vollendung ihres 58. Lebensjahres und ab dem 1. Januar 2008 Leistungen Antwort der Grundsicherung für Arbeitsuchende von mindestens des Parl. Staatssekretärs Franz Thönnes auf die Fragen zwölf Monaten bezogen haben, ohne ein Angebot einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung erhalten des Abgeordneten Heinz-Peter Haustein (FDP) (Druck- zu haben, gelten nach § 53 a Abs. 2 SGB II für den je- sache 16/7792, Fragen 33 und 34): weiligen Leistungsbezug nicht als arbeitslos. Diese Per- Plant die Bundesregierung, um die nach bestehender sonen haben jedoch weiterhin Anspruch auf Beratungs- Rechtslage negativen Anreize für Geringverdiener zum Ab- sowie Förderungsleistungen seitens des Leistungsträ- schluss einer Riester-Rente zu umgehen, eine Abschluss- gers. Dies wird nicht zuletzt durch die im Gesetzentwurf pflicht (Obligatorium) für die Riester-Rente einzuführen? vorgesehene Ergänzung in § 3 SGB II bekräftigt. Wenn nur wenige Personen in die Problemlage kommen, dass ihre private Vorsorge von der Grundsicherung voll aufge- Zu Frage 28: zehrt wird, warum stellt eine Teilanrechnung von 100 Euro dann nach Ansicht der Bundesregierung ein so großes Pro- § 53 a Abs. 2 trifft auch auf Personen zu, die vor dem blem dar? 1. Januar 2008 das 58. Lebensjahr vollendet haben. Al- lerdings ist Voraussetzung, dass ein Leistungsbezug in Zu Frage 33: der Grundsicherung für Arbeitsuchende von mindestens zwölf Monaten ab dem 1. Januar 2008 vorliegt. Daher Die Bundesregierung beabsichtigt nicht, die Riester- sind zum 1. Januar 2008 keine Personen von § 53 a Rente zur Pflicht zu machen. Grundsätzlich muss gelten: Abs. 2 betroffen. Erst ab dem 1. Januar 2009 können Ein Obligatorium kann beim Aufbau einer zusätzlichen Personen die nötigen Voraussetzungen dieser Regelung Altersversorgung nur die Ultima Ratio sein. Es kommt erfüllen. Eine belastbare Abschätzung der Anzahl der überhaupt nur in Betracht, wenn der freiwillige Aufbau betroffenen Personen im Jahr 2009 ist nicht möglich, da der Zusatzrente nicht funktioniert. Die aktuellen Zahlen diese von der Art und dem Umfang des Angebotes so- belegen aber das Gegenteil: Ende 2006 hatten rund zialversicherungspflichtiger Beschäftigung durch die 17,3 Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigte Leistungsträger abhängt. einen Betriebsrentenanspruch. Daneben wurden bis heute über 10 Millionen private „Riester-Verträge“ abge- schlossen. Anlage 13 Zu Frage Nr. 34: (B) Antwort (D) Eine Begrenzung der Anrechnung von Alterseinkünf- des Parl. Staatssekretärs Franz Thönnes auf die Frage des ten aus einer privaten Altersvorsorge auf beispielsweise Abgeordneten Jörg Rohde (FDP) (Drucksache 16/7792, 100 Euro würde dazu führen, dass ältere Menschen, die Frage 32): neben solchen Alterseinkünften auch Leistungen der Stimmt die Bundesregierung der Aussage von Walter Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung be- Riester zu „Wenn jemand im fortgeschrittenen Alter erkennen sollte, dass er nach der Pensionierung ganz sicher auf die ziehen, ein verfügbares Einkommen erhalten, das um Grundsicherung von 660 Euro im Monat angewiesen ist, dann 100 Euro oberhalb des von der Sozialhife abzusichernden macht es ökonomisch keinen Sinn, eine Riester-Rente abzu- und von den Sozialhilfeträgern (Kommunen) zu finan- schließen.“ (Spiegel Online vom 17. Januar 2008)? zierenden soziokulturellen Existenzminimums liegt. Der Aussage ist insoweit zuzustimmen, als die monat- Dies wäre gleichbedeutend mit einer Erhöhung der Be- liche Leistung aus einer zusätzlichen Altersvorsorge mit dürftigkeitsschwelle für ältere Menschen mit einer pri- der Dauer der Ansparphase ansteigt. Dies gilt auch um- vaten Altersvorsorge um 100 Euro. Die Zahl der Grund- gekehrt. Es ist deshalb von großer Bedeutung, dass mit sicherungsbezieher würde sich entsprechend erhöhen. dem Aufbau einer zusätzlichen Altersvorsorge möglichst Ferner führt eine reduzierte Anrechnung von Altersein- frühzeitig begonnen wird. Wer wenige Jahre vor Renten- künften aus privater Altersvorsorge zu Problemen bei beginn über keine ausreichende Altersvorsorge verfügt, der Abgrenzung, welche Alterseinkünfte darunterfallen kann dies in der noch zur Verfügung stehenden Zeit nur und welche nicht. Insbesondere ist nicht begründbar, wa- unter Inkaufnahme hoher monatlicher bzw. jährlicher rum die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung, Vorsorgeaufwendungen ausgleichen. die in erheblichem Umfang auf vom Rentner geleiste- Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass es kein gene- ten Beitragsanteilen beruht, in vollem Umfang anzu- relles, also vom individuellen Einzelfall unabhängiges rechnen ist, nicht aber Riester-Renten von Geringverdie- Grundsicherungsniveau in Höhe von 660 Euro gibt. Ob nern, die während der Erwerbsphase mit bis zu 90 Prozent man im Alter auf Leistungen der Grundsicherung im Al- steuerlich gefördert wurden. Deshalb wäre aus Gleich- ter und bei Erwerbsminderung angewiesen ist, lässt sich behandlungsgründen, aber auch um eine offensichtliche kaum voraussagen. Auch deshalb, weil ein Anspruch von Benachteiligung von Versicherten der gesetzlichen Ren- allen zur Verfügung stehenden Einkünften sowie dem tenversicherung zu vermeiden, auch eine Einbeziehung vorhandenen Vermögen abhängig ist. Ferner sind Ein- von gesetzlichen Renten in die verminderte Anrechnung kommen und Vermögen eines Ehegatten oder Lebens- erforderlich. Damit würde die Zahl der Grundsiche- partners zur berücksichtigen. rungsbezieher erheblich ansteigen. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Januar 2008 14587

(A) Anlage 15 zur vollständigen Umsetzung der UN-Resolution 1769 (2007) (C) zu minimieren? Antwort Wie soll nach Ansicht der Bundesregierung UNAMID wirksamer als die AU-Vorgängermission AMIS werden, wenn des Staatsministers Gernot Erler auf die Fragen der Ab- Staaten wie Norwegen und Schweden schon im Vorfeld ihre geordneten Heike Hänsel (DIE LINKE) (Druck- Beiträge zurückziehen und auch die Bundesregierung ihre Zu- sache 16/7792, Fragen 35 und 36): sagen gemäß dem Bundestagsbeschluss vom 14. November 2007 noch nicht erfüllt hat? Wie bewertet die Bundesregierung den bisherigen Verlauf und den Stand des Verfassungsprozesses in Bolivien? Zu Frage 37: Wie bewertet die Bundesregierung die Autonomiebestre- bungen in den reichen östlichen Provinzen Boliviens? Die gemeinsame Hybrid-Operation der Afrikanischen Union und der Vereinten Nationen in Darfur UNAMID Zu Frage 35: hat am 1. Januar 2008 planmäßig begonnen. Allerdings Die verfassungsgebende Versammlung in Bolivien geht der Aufwuchs der Mission nur langsam voran. Da- tagte 16 Monate, um das Wahlversprechen von Staats- für gibt es eine Reihe von Gründen: Zum einen stehen präsident Evo Morales der „Neugründung Boliviens“ die Vereinten Nationen vor enormen logistischen He- durch Ausarbeitung einer neuen Verfassung umzusetzen. rausforderungen, um vor Ort die Voraussetzungen für bis Ziel der Regierung war es unter anderem, die Rechte der zu 26 000 Soldaten und Polizisten sowie Tausende von indigenen Bevölkerungsgruppen stärker zu verankern, zivilen Experten zu schaffen. Neben der Rekrutierung Landbesitz zu begrenzen und dem Staat größere Ein- der Soldaten und Polizisten müssen auch deren Ausstat- flussmöglichkeiten in das Wirtschaftsgeschehen zu er- tung und Verlegung organisiert werden. Dabei gibt es möglichen. In den 16 Monaten konnten die Regierungs- insbesondere Schwierigkeiten, die von der Mission drin- mehrheit und die Opposition keine Einigung erzielen. gend benötigten Hubschrauber bereitzustellen. Dies Am 9. Dezember 2007 haben die Delegierten der Regie- wäre schon unter normalen Umständen schwierig. rungspartei „Movimiento al Socialismo“ in Abwesenheit Besonders erschwert wird zum anderen die Situation der Opposition mit ihrer absoluten Mehrheit einen Ver- bei UNAMID aber dadurch, dass die sudanesische Re- fassungsentwurf angenommen. Die im Einberufungsge- gierung bei vielen wichtigen Fragen nicht gut kooperiert. setz vorgesehene Zweidrittelmehrheit der Delegierten Dies gilt zum Beispiel bei der Verhandlung des Truppen- wurde jedoch nicht erreicht. Seit dem 7. Januar 2008 fin- statuts, der Vergabe von Land für den Bau von Lagern den neue Gespräche zwischen dem Präsidenten und und bei der Aufhebung des Nachflugverbots. Insbeson- sämtlichen Präfekten der Provinzen statt. Die Bundes- dere betrifft dies aber die Zusammensetzung der Truppe. regierung hofft, dass die internen Auseinandersetzungen Die Regierung in Khartum weigert sich bisher, wichtige (B) (D) friedlich verlaufen und zu einem von der breiten Mehr- nichtafrikanische Truppenkontingente zu akzeptieren. heit der Bevölkerung getragenen Ergebnis führen. Im EU-Rahmen hat die Bundesregierung daher die Regierung in Khartum mehrmals zur besseren Zusam- Zu Frage 36: menarbeit mit UNAMID aufgerufen. Vom 18. bis 27. Dezember 2007 hat die Bundesregierung den Trup- Zeitgleich zu den Wahlen zur verfassungsgebenden penaustausch eines gambischen und eines senegalesi- Versammlung stimmte die Bevölkerung der vier östli- schen Kontingents von insgesamt 800 AMIS-Soldaten in chen Departements Boliviens Beni, Pando, Santa Cruz Darfur finanziert. Diese sind nun in UNAMID integriert. und Tarija am 2. Juli 2006 in einem Referendum mehr- Zudem hat die Bundesregierung den Vereinten Nationen heitlich für ihre regionale Autonomie. Dieses Ergebnis angeboten, die Ausbildung von UNAMID-Polizeikon- wird von der bolivianischen Regierung akzeptiert, aller- tingenten finanziell und personell zu unterstützen, um dings muss die verfassungsrechtliche Grundlage für die deren anschließende Verlegung zu beschleunigen. Autonomie der Regionen im Rahmen der neuen Verfas- sung erst geschaffen werden. Die aktuelle Verfassung Zu Frage 38: sieht die Möglichkeit zur regionalen Autonomie nicht vor. Die Bundesregierung unterstützt die Entwicklung Die bereits genannten Probleme mit UNAMID berei- Boliviens auf dem Weg zu einer dezentralisierteren und ten uns Sorgen. Dennoch kann UNAMID durchaus ef- partizipativeren Verwaltungsstruktur. fektiver als die AMIS-Mission werden. Im Vergleich zu AMIS verfügt UNAMID zum Beispiel über eine gere- gelte Finanzierung, auch was die Soldzahlungen betrifft. Anlage 16 Auch die Ausrüstung und die Ausbildung des Personals ist besser als bei AMIS. Die Kommandostrukturen sind Antwort ebenfalls verbessert worden. Weitere Truppen sollen im Laufe des Jahres stationiert werden, so dass UNAMID des Staatsministers Gernot Erler auf die Fragen der Ab- dann auch kräftemäßig umfassender sein wird. Norwe- geordneten Kerstin Müller (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- gen und Schweden haben ihre Beiträge zurückgezogen, NEN) (Drucksache 16/7792, Fragen 37 und 38): weil sie von der sudanesischen Regierung nicht akzep- Was sind die Gründe für die aktuellen Verzögerungen bei tiert wurden. Dies verzögert den Aufwuchs der Mission. der Umsetzung der African Union/United Nations (AU/UN)- Wir hoffen, dass die Vereinten Nationen und die Afrika- Hybrid-Operation in Darfur (UNAMID), die viele Menschen das Leben kostet, und was hat die Bundesregierung innerhalb nische Union die sudanesische Regierung in Khartum der EU und der UN unternommen, um diese Verzögerungen dazu bewegen können, zukünftig weitere nichtafrikani- 14588 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Januar 2008

(A) sche Einheiten zu akzeptieren. Die Bundesregierung be- für Strafverfolgungszwecke (Terrorismus: 5/1/0; Proliferation: 0/ (C) müht sich weiterhin, im Rahmen ihrer Möglichkeiten 2/3; Drogenhandel: 0/1/0) nun weit unter die Promillegrenze sank, und welche organisatorischen oder gesetzgeberischen und entsprechend den Entwicklungen vor Ort einen Schlussfolgerungen hält die Bundesregierung angesichts die- personellen Beitrag zu UNAMID zu leisten. Die Bun- ses verschlechterten Verhältnisses zwischen Aufwand und desregierung steht mit den Vereinten Nationen in Kon- Rechtseingriffen gegenüber den Erkenntnissen daraus für ge- takt hinsichtlich der Abstellung einzelner deutscher boten? Stabsoffiziere. Ein erster Offizier soll in wenigen Wo- Ihre Frage betrifft die sogenannte strategische Über- chen ins UNAMID-Hauptquartier verlegt werden. Zu- wachung internationaler Telekommunikationsverkehre dem wird die Möglichkeit zum Lufttransport von weite- auf der Grundlage des Gesetzes zur Beschränkung des ren UNAMID-Einheiten geprüft. Hier bleibt die Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses, kurz Art.-10- Unsicherheit, dass der Sudan zunächst die entsprechen- Gesetz. Diese Überwachung findet mithilfe von Suchbe- den Kontingente akzeptieren muss, bevor die Transport- griffen statt, die bei der Bekämpfung von Terrorismus, der planungen beginnen können. Verbreitung von Kriegswaffen oder des Drogenhandels von erheblicher Bedeutung sind. Die verwendeten Such- begriffe entsprechen lageangepasst den Erkenntnissen Anlage 17 der Bundesregierung über die weltweite Gefährdungs- Antwort lage. Verschiedene Prüf- und Filterverfahren stellen si- cher, dass Beeinträchtigungen des Fernmeldegeheimnis- des Staatsministers Gernot Erler auf die Frage der Abge- ses auf ein Mindestmaß beschränkt bleiben. Nicht ordneten Ute Koczy (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) gewollte Erfassungen werden weitgehend automatisiert (Drucksache 16/7792, Frage 39): gelöscht, ohne dass es zu einer Einsichtnahme in die Für welche Bereiche wird die Bundesregierung die für Telekommunikationsverkehre geschützter Teilnehmer dieses Jahr angekündigten zusätzlichen 25 Millionen Euro für kommt. Der Anstieg der Zahlen der strategischen Tele- Afghanistan (vergleiche Afghanistan-Konzept der Bundes- kommunikationsüberwachung, wie in der Frage darge- regierung vom 5. September 2007) bereitstellen, und in wel- stellt, erklärt sich im Wesentlichen durch die großen cher Höhe werden diese Gelder verwendet werden? quantitativen und qualitativen Veränderungen in unserer Der Deutsche Bundestag hat mit dem Haushaltsgesetz modernen Informations- und Telekommunikationswelt 2008 eine Erhöhung der für den Wiederaufbau in Afgha- in den letzten Jahren. Über 90 Prozent der erfassten Ver- nistan im Vergleich zu 2007 zur Verfügung stehenden kehre sind beispielsweise „Spam“-Verkehre oder betref- Mittel um 40,7 Millionen Euro beschlossen und damit fen anderes Massenaufkommen. Hinzu kommen neue die von der Bundesregierung angestrebte Erhöhung um technische Verfahren, um Telekommunikationsverkehre (B) 25 Millionen Euro noch einmal deutlich aufgestockt. Die weltweit durch verstärkten Zusammenschluss von zu (D) zusätzlichen Mittel werden in erster Linie einer deutli- übermittelnden Daten noch effizienter abwickeln zu chen Stärkung unseres Engagements im Polizeibereich können (sogenannter paketvermittelter Verkehr). Die zugutekommen. Hier wird der Mitteleinsatz von bisher Bundesregierung sieht es als ständigen Auftrag an, die circa 12 Millionen Euro pro Jahr auf 35,7 Millionen nachrichtendienstliche Relevanz der überwachten Tele- Euro im Jahr 2008 steigen, was einer Erhöhung um fonverkehre im Einklang mit dem Grundrechtsschutz zu 23,7 Millionen Euro (also Verdreifachung!) allein für verbessern. In organisatorischer Hinsicht steht sie in diesen Bereich entspricht. Die restlichen 17 Millionen ständigem Dialog mit der G-10-Kommission. Anlass für Euro aus dieser Mittelerhöhung werden für zivile Auf- gesetzgeberisches Tätigwerden sieht sie zurzeit nicht. bauprojekte im Rahmen des Stabilitätspaktes Afghanis- Die Bundesregierung ist gerne bereit, Einzelheiten im tan umgesetzt. Die Bundesregierung ist entschlossen, zuständigen Parlamentarischen Kontrollgremium zu be- diese Gelder in voller Höhe zu verwenden. antworten, dessen Mitglied Sie ja bekanntlich sind.

Anlage 18 Anlage 19 Antwort Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Christoph Bergner auf die des Parl. Staatssekretärs Dr. Christoph Bergner auf die Frage des Abgeordneten Hans-Christian Ströbele Fragen des Abgeordneten Wolfgang Wieland (BÜND- (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 16/7792, NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 16/7792, Fra- Frage 40): gen 41 und 42): Wie erklärt die Bundesregierung, dass gemäß den Unter- Treffen Medienberichte zu, wonach die im derzeit auf der richtungen des Deutschen Bundestages über die Zeiträume Grundlage von Art. 73 Abs. 1 Nr. 9 a des Grundgesetzes (GG) 1. Juli 2003 bis 30. Juni 2004, 1. Juli 2004 bis 31. Dezember in der Erarbeitung befindlichen Gesetze über die Befugnisse 2005, 1. Januar bis 31. Dezember 2006 (Drucksachen 15/4897, des Bundeskriminalamtes zur Abwehr von Gefahren des in- 16/2551, 16/6880) die strategische Überwachung internatio- ternationalen Terrorismus vorgesehenen Maßnahmen zum naler Telekommunikationsvorgänge stetig zunahm (bei Terro- Einsatz technischer Mittel in oder aus Wohnungen, zur Über- rismus: 18 624/35 810/462 432; bei Proliferation: 40 286/ wachung der Telekommunikation und zum heimlichen Zugriff 160 719/885 771; bei Drogenhandel: 1 388/11 136/17 917), auf informationstechnische Systeme sich beim Vorliegen be- jedoch in allen drei Bereichen sowohl die nachrichtendienstli- stimmter Gefahren auch gegen solche Personen richten kön- che Relevanz der überwachten Nachrichten prozentual stark nen sollen, die in den §§ 53 und 53 a der Strafprozessordnung abnahm (Terrorismus: 27/35/9; Proliferation: 511/996/424; (StPO) genannt sind, und soll dies auch schon bei einer ab- Drogenhandel: 27/8/4) wie auch die Relevanz bzw. Weitergabe strakten Gefahr gelten? Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Januar 2008 14589

(A) Wann ist mit der Einbringung des derzeit auf der Grund- tung von 2008 bis 2011 insgesamt circa 7 580 Beamtin- (C) lage von Art. l 73 Abs. 1 Nr. 9 a GG in der Erarbeitung be- nen und Beamte die gesetzliche Altersgrenze erreichen. findlichen Gesetzes über die Befugnisse des Bundeskriminal- amtes zur Abwehr von Gefahren des internationalen Welche Stellen mit einem kw-Vermerk versehen sind Terrorismus in den Deutschen Bundestag zu rechnen, und in oder nachbesetzt werden können, lässt sich nur im Ein- welchen Punkten wird sich der Gesetzentwurf von dem im zelfall feststellen. Auch in der Bundesverwaltung gibt es Sommer 2007 bekannt gewordenen Entwurf (Stand 8. August Stellenabbaubereiche mit Personalüberhängen. Werden 2007) absehbar unterscheiden? freiwerdende Stellen nachbesetzt, stehen diese auch für die Besetzung mit Beamtinnen und Beamte der Deut- Zu Frage 41: schen Telekom AG offen, soweit sie die Anforderungen Es trifft zu, dass der aktuell in der Ressortabstimmung an Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung erfül- befindliche Entwurf eines Gesetzes zur Abwehr von Ge- len. fahren des internationalen Terrorismus durch das Bun- deskriminalamt Regelungen zum Schutz zeugnisverwei- Zu Frage 44: gerungsberechtigter Personen und für bestimmte Fälle Ausnahmen hiervon vorsieht. Da die Ressortabstimmung Das Bundesministerium der Finanzen hat bereits im insoweit noch nicht abgeschlossen ist, kann zu den Ein- Dezember 2003 bzw. Januar 2004 mit den Postnachfol- zelheiten derzeit noch keine Auskunft gegeben werden. geunternehmen Deutsche Telekom AG, Deutsche Post AG und Deutsche Postbank AG jeweils eine Vereinba- Zu Frage 42: rung über die Übernahme von Beamtinnen und Beamten in die Bundesverwaltung getroffen. Die Postnachfolgeun- In Anbetracht der Tatsache, dass sich der Entwurf ternehmen haben sich verpflichtet, im Rahmen von Stel- derzeit in der Ressortabstimmung befindet, sind verbind- lenbesetzungsverfahren ausgewählte Beamtinnen und Be- liche Aussagen weder hinsichtlich des Inhalts noch in amte zunächst an die jeweilige Bundesbehörde für sechs Bezug auf einen Einbringungstermin möglich. Monate zur Erprobung ohne Erstattung von Personalkos- ten abzuordnen. Bei einer anschließenden Versetzung ist ein festgelegter Pauschalbetrag an den Bund zu zahlen. Anlage 20 Das Bundesministerium der Finanzen hat sich in Umset- Antwort zung der Vereinbarung bereit erklärt, im Haushaltsvoll- zug unter den Voraussetzungen des § 14 Abs. 2 HG 2004 des Parl. Staatssekretärs Peter Altmaier auf die Fragen (und der entsprechenden Regelungen in den Folgejah- der Abgeordneten Kornelia Möller (DIE LINKE) ren) zusätzliche Planstellen zur Übernahme von bei den (Drucksache 16/7792, Fragen 43 und 44): Postnachfolgeunternehmen beschäftigten Beamtinnen und (B) In welchen Dimensionen wird sich nach Auffassung der Beamten auszubringen. Die Planstellen werden durch (D) Bundesregierung in den nächsten Jahren die zu erwartende kw-Vermerk auf drei Jahre befristet. Erforderlich ist die Nachfrage nach Personal im öffentlichen Dienst, insbesondere verbindliche Erklärung der Ressorts, die übernommenen auf Bundesebene, infolge der vorhandenen Altersstruktur be- wegen, und beabsichtigt die Bundesregierung als Ersatz dafür Beamtinnen und Beamten nach Wegfall der kw-Planstel- auch Beamte der Deutsche Telekom AG einzusetzen, wofür es len auf freie Planstellen zu übernehmen. Eine dauerhafte nach Agenturberichten in der Deutsche Telekom AG bereits Aufstockung des Planstellenbestandes erfolgt nicht. Da- umfangreiche Vorbereitungen gibt? neben wurden rechtliche Instrumente vorgesehen, wie Welche konkreten Vereinbarungen mit der Deutsche Tele- den Vorruhestand nach dem Gesetz zur Verbesserung der kom AG hat die Bundesregierung bezüglich des Übergangs personellen Struktur in den Unternehmen der Deutschen von verbeamteten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Deutsche Telekom AG in verschiedene Bereiche des öffentli- Bundespost, die Altersteilzeit und die Sonderurlaubs- chen Dienstes auf Bundesebene für den Zeitraum bis 2010 ge- möglichkeit mit Dienstbezügen, um den Übergang in ein troffen, und in welcher Höhe soll die Finanzierung dieser Auf- anderes Dienst- oder Arbeitsverhältnis zu fördern. stockung des öffentlichen Dienstes in den einzelnen Jahren bis 2010 erfolgen?

Zu Frage 43: Anlage 21 Die früher bei der Deutschen Bundespost tätigen Be- Antwort amtinnen und Beamten werden nach Art. 143 b Abs. 3 des Grundgesetzes unter Wahrung ihrer Rechtsstellung bei der Parl. Staatssekretärin Nicolette Kressl auf die Fragen den privatisierten Postnachfolgeunternehmen beschäf- des Abgeordneten Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) tigt. Mit dieser ausdrücklichen und bewussten Entschei- (Drucksache 16/7792, Fragen 45 und 46): dung des verfassungsändernden Gesetzgebers wurde die Welche Haltung nimmt die Bundesregierung zu den Plä- Beschäftigungspflicht für diese Beamtinnen und Beam- nen ein, das Europa-Hauptquartier der US-Streitkräfte nach ten den Postnachfolgeunternehmen übertragen. Um der Wiesbaden-Erbenheim zu verlegen? besonderen Situation der Beamtinnen und Beamten in Welche Kosten werden dem deutschen Steuerzahler mit einem privatisierten Unternehmen gerecht zu werden, der Verlegung des US-Hauptquartiers nach Wiesbaden-Erben- heim entstehen? wurden darüber hinaus insbesondere mit dem Postperso- nalrechtsgesetz eine Vielzahl erforderlicher Sonderrege- Zu Frage 45: lungen geschaffen, wie zu Beurlaubungs- und Zuwei- sungsmöglichkeiten und zur Arbeitszeit. Aufgrund der Zunächst zur Klarstellung: Für das Gesamthauptquar- bestehenden Altersstruktur werden in der Bundesverwal- tier der US-Streitkräfte in Europa (USEUCOM), das 14590 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Januar 2008

(A) sich in Stuttgart befindet, gibt es keine Verlegungspläne. der Einspruch gegen den Bußgeldbescheid vor dem Ge- (C) Lediglich für das Hauptquartier der US-Heeresverbände richt nicht zurückgenommen und nicht vom Gericht ver- (US Army) in Europa (USAREUR) plant die US-Regie- worfen, fließen die vom Gericht festgesetzten Geldbu- rung eine Verlegung von Heidelberg nach Wiesbaden. ßen aus Verfahren der FKS der Landeskasse zu. Eine Die US-Regierung befindet sich mitten in einer langwie- gesonderte statistische Erfassung der von den Bundes- rigen Revision ihres weltweiten Konzepts für Truppen- ländern vereinnahmten Bußgelder aus Verfahren der standorte. Über mögliche Konsequenzen dieser Revision FKS erfolgt nicht. innerhalb Deutschlands wird die Bundesregierung regel- mäßig vorab unterrichtet. Gegen die aus US-Sicht struk- turell und logistisch sinnvoll erscheinende Verlegung des Hauptquartiers von USAREUR von Heidelberg nach Anlage 23 Wiesbaden hat die Bundesregierung keine Bedenken. Antwort Die Bundesrepublik Deutschland wird ihren völkerrecht- lichen Verpflichtungen in diesem Zusammenhang nach- der Parl. Staatssekretärin Nicolette Kressl auf die Frage kommen. der Abgeordneten Dr. Thea Dückert (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Drucksache 16/7792, Frage 48): Ist es nach Meinung der Bundesregierung möglich, mit ei- Zu Frage 46: nem konsequenten Abzugsverbot für Aufwendungen (zum Beispiel Betriebsverlagerungen), die im Zusammenhang mit Auf der Grundlage der völkerrechtlichen Vereinba- steuerfreien Einnahmen (zum Beispiel im Ausland erzielten rungen trägt die Bundesrepublik Deutschland lediglich Einnahmen) entstehen, die Subventionierung von Arbeits- die Kosten des Grunderwerbs, der zur Deckung des Lie- platzverlagerung zu beenden? genschaftsbedarfs der US-Streitkräfte in Deutschland Das geltende Steuerrecht enthält keine Regelungen, erforderlich ist. Die übrigen im Zuge der Verlegung die die Verlagerung von Arbeitsplätzen in das Ausland entstehenden Kosten, insbesondere die Kosten der fördern oder subventionieren. Aufwendungen im Zusam- Baumaßnahmen, liegen in der Finanzverantwortung der menhang mit Betriebsverlagerungen werden im Grund- US-Streitkräfte. Der Bund steht zurzeit noch in Verhand- satz nach dem Veranlassungszusammenhang abgegrenzt, lungen mit dem Land Hessen als Eigentümer der von sodass bereits jetzt nur die durch die inländische Be- den USA benötigten Flächen in Wiesbaden-Erbenheim. triebsstätte veranlassten Kosten in Deutschland als Be- Vor Abschluss dieser Verhandlungen kann noch keine triebsausgabe abziehbar sind. Soweit Betriebe in das Aussage zur Höhe der Grunderwerbskosten getroffen Ausland verlagert und dabei Wirtschaftsgüter überführt werden. werden, findet nach geltendem Recht eine Besteuerung (B) der stillen Reserven vergleichbar einer Veräußerungs- (D) gewinnbesteuerung statt (so genannte „Entstrickung“). Eine Verschärfung des Betriebsausgabenabzugsverbots Anlage 22 – zum Beispiel im Zusammenhang mit steuerfreien Di- Antwort videnden aus dem Ausland – hätte nachteilige standort- politische Wirkungen. Konzernzentralen würden sich des Parl. Staatssekretärin Nicolette Kressl auf die Frage dann überlegen, ob sie künftig ihren Sitz in Länder ver- der Abgeordneten Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE) legen, die günstigere Regelungen für die Geltendma- (Drucksache 16/7792, Frage 47): chung von Beteiligungsaufwendungen haben. Die Aus- Warum gelingt es nur völlig unzureichend, die Geldbußen, schüttungen werden dann nicht mehr an eine deutsche die wegen Schwarzarbeit festgesetzt werden, auch einzutrei- Muttergesellschaft geleistet, sondern fließen ins Ausland ben, und was unternimmt die Bundesregierung, um die Schere zwischen festgesetzten Geldbußen und den eingenommenen ab. Über die Reinvestition würde dann nicht mehr in Geldbußen zu schließen (Bericht des Bundesrechnungshofes Deutschland entschieden. über die Organisation und Arbeitsweise der Finanzkontrolle Schwarzarbeit)?

Die Aussage, Geldbußen würden nur völlig unzurei- Anlage 24 chend eingetrieben, kann nicht bestätigt werden. Der Bundesrechnungshof hat die in einem Jahr festgesetzten Antwort und im selben Zeitraum vom Bund vereinnahmten Geld- der Parl. Staatssekretärin Nicolette Kressl auf die Fragen bußen gegenübergestellt. Die Diskrepanz dieser Daten der Abgeordneten Kerstin Andreae (BÜNDNIS 90/ beruht auf tatsächlichen und rechtlichen Entwicklungen DIE GRÜNEN) (Drucksache 16/7792, Fragen 49 und 50): des Verfahrens nach Festsetzung der Geldbuße durch die Finanzkontrolle Schwarzarbeit der Zollverwaltung (FKS). Welche gesicherten Erkenntnisse liegen der Bundesregie- rung über die positiven Auswirkungen von Subventionen auf Insbesondere kann sich eine Diskrepanz in folgenden die Sicherung von Arbeitsplätzen in konkreten und belegba- Fällen ergeben: Festsetzung, Rechtskraft und Zahlung ren Fällen vor, und mit welchen Mitteln gewährleistet die beziehen sich auf unterschiedliche Jahre, Zahlungser- Bundesregierung, dass die Vergabe von Subventionen an die leichterungen (Stundung, Ratenzahlung) wurden bewil- langfristige Sicherung von Arbeitsplätzen geknüpft ist? ligt und Vollstreckung war nur zum Teil erfolgreich. Welche Anstrengungen unternimmt die Bundesregierung, Darüber hinaus ist zu beachten, dass im Rechtsbehelfs- um statt über den Abfluss von Subventionen auch über die langfristige Wirkung von Subventionen informiert zu sein und verfahren das Verfahren an die Amtsgerichte abgegeben den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern entsprechend fun- wird, sofern dem Einspruch nicht abgeholfen wird. Wird diert Rechenschaft abzulegen? Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Januar 2008 14591

(A) Zu Frage 49: Anlage 25 (C)

Im Mittelpunkt der finanz- und wirtschaftspolitischen Antwort Strategie der Bundesregierung steht neben der Konsoli- des Parl. Staatssekretärs Hartmut Schauerte auf die Fra- dierung der Staatsfinanzen die Förderung von Wachstum gen der Abgeordneten Ulla Lötzer (DIE LINKE) und Beschäftigung. In diesem Rahmen trägt auch die (Drucksache 16/7792, Fragen 51 und 52): Subventionspolitik zu mehr Beschäftigung bei. Subven- Welche Haltung nimmt die Bundesregierung zum Be- tionen können wirtschaftspolitisch sinnvoll sein – bei- schluss und zu den in der Öffentlichkeit geäußerten Gründen spielsweise dann, wenn sie beim Aufbau neuer Märkte des Nokia-Aufsichtsrates ein, das Werk in Bochum zu schlie- ßen? Anreize und Impulse geben. Dennoch bedürfen Subven- Mit welchen Zielen führt die Bundesregierung Gespräche tionen stets einer besonderen Rechtfertigung und einer mit Nokia, und welche Ergebnisse wurden bisher erzielt? regelmäßigen Erfolgskontrolle. Bei einigen subventions- Die Bundesregierung steht in Kontakt mit der Unter- politischen Maßnahmen, etwa bei solchen, die regional- nehmensleitung von Nokia und dem Land Nordrhein- politischen Zielen dienen, sind die Auswirkungen auf Westfalen. In Bezug auf die Gespräche wurde strikte die Zahl der Arbeitsplätze direkter und einfacher mess- Vertraulichkeit vereinbart. Um die Gespräche und deren bar als bei anderen Maßnahmen, zum Beispiel wenn Ergebnisse nicht zu gefährden, kann die Bundesregie- über die Förderung moderner Technologien die Erschlie- rung zu Einzelheiten keine Angaben machen. ßung neuer Märkte unterstützt werden soll. Eine Reihe von Subventionen verfolgt auch vorrangig andere – zum Beispiel umwelt- oder verteilungspolitische – Ziele. Ein konkreter Fall, in dem unmittelbare Auswirkungen auf Anlage 26 Schaffung und Sicherung von Arbeitsplätzen feststellbar und auch belegt sind, ist die Gemeinschaftsaufgabe „Ver- Antwort besserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ (GRW). des Parl. Staatssekretärs Hartmut Schauerte auf die Bund und Länder führen hier gemeinsam eine wirksame, Frage der Abgeordneten Dr. Thea Dückert (BÜND- transparente und aussagefähige Erfolgskontrolle durch. NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 16/7792, Frage 53): Im Bereich der gewerblichen Wirtschaft konnten zwi- Ist die Aussage eines namentlich nicht genannten Staatsse- schen 2004 und 2006 rund 95 100 zusätzliche Dauerar- kretärs im Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie in Der Tagesspiegel vom 17. Januar 2008 „Die Bundesregie- beitsplätze geschaffen und rund 213 000 Dauerarbeits- rung steht in ständigem Kontakt mit dem Unternehmen und plätze gesichert werden. Im Rahmen der GRW besteht steht für intensive Gespräche zur Verfügung.“ so zu verstehen, (B) eine Bindungsfrist bezüglich der Arbeitsplatzzusagen dass die Bundesregierung bereit ist, Nokia Subventionen für (D) den Erhalt des Standortes Bochum zu bezahlen, und, falls ja, von fünf Jahren nach Abschluss der Investition. wie will die Bundesregierung diesmal sicherstellen, dass No- kia den Standort nicht nur kurzfristig weiter betreibt, um die Subventionen zu bekommen, sondern dauerhaft mit dem Zu Frage 50: Standort Bochum plant? Am 18. Januar 2008 hat im Bundesministerium für Die Bundesregierung orientiert ihre Subventionspoli- Wirtschaft und Technologie ein mehrstündiges Gespräch tik an Leitlinien, die der Erhöhung der Transparenz, des unter Leitung des Parlamentarischen Staatssekretärs, Rechtfertigungsdrucks und der Steuerungsmöglichkeiten Hartmut Schauerte, mit der Geschäftsleitung von Nokia dienen. Mit dem Beschluss dieser Leitlinien im März und der nordrhein-westfälischen Wirtschaftsministerin, 2006 hat die Bundesregierung auch die Bedeutung von Christa Theben, stattgefunden. Das Gespräch war der Erfolgskontrollen hervorgehoben. Auf der Grundlage enormen Bedeutung der Thematik angemessen. Über von § 12 Abs. 2 des Stabilitäts- und Wachstumsgesetzes den Inhalt ist strikte Vertraulichkeit vereinbart worden. legt die Bundesregierung Bundestag und Bundesrat alle zwei Jahre zusammen mit dem Entwurf des Bundeshaus- haltsplans einen Subventionsbericht („Bericht über die Finanzhilfen des Bundes und die Steuervergünstigun- Anlage 27 gen“) vor. Der 21. Subventionsbericht, mit dem die Bun- Antwort desregierung ihrer Rechenschaftspflicht nachkommt, die Maßnahmen zum Subventionsabbau erläutert und ihre des Parl. Staatssekretärs Hartmut Schauerte auf die Fra- Leitlinien für eine strenge und effiziente Subventions- gen der Abgeordneten Hüseyin-Kenan Aydin (DIE kontrolle darstellt, wurde im August 2007 dem Deut- LINKE) (Drucksache 16/7792, Fragen 54 und 55): schen Bundestag vorgelegt. Der Subventionsbericht der Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass es sich bei der Verlagerung des Nokia-Standortes Bochum nach Rumä- Bundesregierung schafft Transparenz, indem er nicht nur nien um eine gezielte Mitnahme von unterschiedlichen Sub- über die zahlenmäßige Entwicklung der Subventionen ventionsarten auf EU-, Bundes- und Landesebene handelt, berichtet, sondern auch für jede einzelne Subvention wie der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Dr. Jürgen Rüttgers öffentlich gemutmaßt hat? darlegt, inwieweit diese den Leitlinien der Bundesregie- Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, um der rung genügt. Insbesondere wird auch dargelegt, ob und Standortkonkurrenz um Fördergelder innerhalb der EU entge- wie die Subventionen evaluiert werden. genzuwirken? 14592 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Januar 2008

(A) Zu Frage 54: Bindungsfristen waren mit den Fördermitteln des Bundes ver- (C) bunden? Standortentscheidungen fallen in die unternehmeri- sche Entscheidungsfreiheit. Die Bundesregierung kann Zu Frage 56: nicht ausschließen, dass die Entscheidung der Firma Nokia, den Standort nach Rumänien zu verlegen, von ru- In der Frage der für Nokia gewährten Fördermittel mänischen Subventionsangeboten beeinflusst ist. Die aus der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regio- Europäische Kommission hat öffentlich verlautbart, dass nalen Wirtschaftsstruktur“ (GA) ist grundsätzlich zu- Nokia für das Werk in Cluj keine Förderung aus den nächst festzuhalten, dass Bund und Länder regelmäßig Strukturfonds erhalten hat. Unklar ist allerdings noch, gemeinsam den Rahmen für die Regionalförderung fest- inwiefern das Unternehmen indirekt von Vorbeitrittshil- legen. Die Umsetzung der Regionalförderung liegt dabei fen für Rumänien profitiert hat. Der Parlamentarische aber in der alleinigen Kompetenz der Länder. Dazu ge- Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und hören neben der Auswahl der Förderprojekte auch die Technologie, Hartmut Schauerte, hat Kommissarin Festlegung über die Höhe der Förderung im Rahmen der Hübner hierzu schriftlich um rasche Aufklärung gebe- beihilferechtlich möglichen Förderobergrenzen und die ten. Kontrolle darüber, ob die Mittel korrekt eingesetzt und die Bindefristen einschließlich der Arbeitsplatzzusage Zu Frage 55: eingehalten wurden. Nach Aussage des Landes hat NRW das Nokia-Werk Bochum aus der GA im Rahmen des Der europäische Rechtsrahmen für die Förderung von Regionalen Wirtschaftsförderungsprogramms NRW im Unternehmensansiedlungen aus europäischen und natio- Zeitraum 1988 bis 1999 mit rund 60 Millionen Euro ge- nalen Mitteln enthält bereits einige Sicherungen gegen fördert. Entsprechend den Regeln der GA wurde der Zu- die Förderungen von Standortverlagerungen innerhalb schuss jeweils zur Hälfte von Bund und Land getragen. der Europäischen Union. Die Bundesregierung wird ge- Darüber hinaus hat die Nokia GmbH im Wege der Pro- meinsam mit der Europäischen Kommission prüfen, ob jektförderung aus dem Haushalt des BMBF im Zeitraum und ggf. wie diese Normen noch verschärft werden soll- 1997 bis 2007 FuE-Fördermittel in Höhe von rund ten. Insbesondere wird mit der Europäischen Kommis- 10 Millionen Euro erhalten. sion zu diskutieren sein, ob das Genehmigungsverfahren für die Förderung von Investitionsprojekten aus den eu- Zu Frage 57: ropäischen Strukturfonds geändert werden muss, um die Kontrollmöglichkeiten der europäische Kommission bei In der GA betragen die Bindefristen generell fünf (B) Verlagerungsfällen zu verbessern. Auch eine Stärkung Jahre. Solange muss das geförderte Wirtschaftsgut am (D) der Informations- und Beteiligungsrechte von Mitglied- Standort verbleiben und muss das damit verbundene staaten, in denen das zu fördernde Unternehmen bereits Arbeitsplatzziel eingehalten sein. Nach Auskunft des Standorte unterhält, ist in Betracht zu ziehen. Ferner Landes NRW ist die Bindefrist für die letzte Fördermaß- muss darüber nachgedacht werden, ob die jetzt maximal nahme für Nokia 2006 abgelaufen. Die Bindefrist für fünfjährige Verbleibensfrist für geförderte Investitionen den Verbleib des geförderten Investitionsgutes am verlängert werden sollte. Bei der Prüfung wird allerdings Standort wäre danach eingehalten worden. Allerdings darauf zu achten sein, dass Europa daraus keinen einsei- prüft das Land NRW derzeit, ob auch das mit der Inves- tigen Standortnachteil erleidet. Insbesondere in struktur- titionsförderung verbundene Arbeitsplatzziel von rund schwachen Gebieten – wie in Deutschland in den neuen 2 856 Arbeitsplätzen voll erfüllt wurde oder ob es hier Bundesländern, aber auch in ausgewählten Regionen in Ansatzpunkte für eine zumindest anteilige Rückforde- den alten Bundesländern – ist die Förderung von Unter- rung von GA-Mitteln gibt. Die Forschungsförderung des nehmensinvestitionen ein wichtiges Instrument zur Bundes, soweit sie sich auch an die Wirtschaft richtet, Schaffung neuer Arbeitsplätze und um den wirtschaftli- hat zum Ziel, wissenschaftliche Erkenntnisse und techni- chen Aufholprozess zu beschleunigen. Das darf bei der sche Entwicklung zügig in neue Produkte und Dienst- Überprüfung des Regelwerks nicht aus den Augen verlo- ren werden. leistungen umzusetzen. Die Verwertung am Standort Deutschland steht dabei im Mittelpunkt, auch wenn zu- nehmend Forschungsprojekte in internationaler vor al- lem aber europäischer Kooperation durchgeführt wer- Anlage 28 den. Die Pläne zur Verwertung der Ergebnisse von Antwort Forschungsvorhaben müssen von den Unternehmen bei Antragstellung dargelegt werden. Diese beabsichtigte des Parl. Staatssekretärs Hartmut Schauerte auf die Fra- Verwertung durch das Unternehmen bzw. das Konsor- gen der Abgeordneten Sevim Dağdelen (BÜNDNIS 90/ tium ist ein wichtiges Kriterium für die Projektauswahl. DIE GRÜNEN) (Drucksache 16/7792, Fragen 56 und 57): Erfolgt die Verwertung nicht, so verliert, abgesehen von In welchem Zeitraum und welcher Höhe haben die Bun- eventuell Rückzahlungsforderungen, das Unternehmen desregierung und die Landesregierung Nordrhein-Westfalen das ausschließliche Nutzungsrecht. Dies ermöglicht die das Nokia-Werk in Bochum gefördert? Nutzung der Ergebnisse durch andere (in Deutschland). Mit welchen Förderinstrumenten wurde das Nokia-Werk Eine konkrete Arbeitsplatzgarantie ist nicht Bestandteil in Bochum gefördert, und welche Arbeitsplatzgarantien und der Verwertungspflicht. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Januar 2008 14593

(A) Anlage 29 so bedeutenden Fällen wie Nokia Spielräume gibt, staat- (C) lich geförderte Unternehmen stärker an die getroffene Antwort Standortentscheidung zu binden. Dabei ist allerdings zu des Parl. Staatssekretärs Hartmut Schauerte auf die Fra- beachten, dass eine einseitige Verschärfung der nationa- gen der Abgeordneten Ulla Jelpke (DIE LINKE) len Förderregeln nicht dazu führen darf, dass der Stand- (Drucksache 16/7792, Fragen 58 und 59): ort Deutschland einen Wettbewerbsnachteil im europäi- Wird die Bundesregierung die Nokia-Subventionen zu- schen und weltweiten Wettbewerb erleidet. Dies wird rückfordern, und welche Möglichkeiten sieht sie dafür? gemeinsam mit den Ländern zu diskutieren sein, deren Welchen Reformbedarf ihrer Förderpolitik sieht die Bun- Zustimmung zu Veränderungen der Förderregeln erfor- desregierung angesichts der Tatsache, dass in den letzten Jah- derlich ist. ren in großem Umfang Produktionsstätten direkt nach Auslau- fen der Bindungsfristen verlagert wurden? Anlage 30 Zu Frage 58: Antwort In der Frage der für Nokia gewährten Fördermittel aus der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen des Parl. Staatssekretärs Hartmut Schauerte auf die Wirtschaftsstruktur“ (GA) in Höhe von rund 60 Millio- Frage der Abgeordneten Dr. Gesine Lötzsch (DIE nen Euro im Zeitraum 1988 bis 1999 ist grundsätzlich zu- LINKE) (Drucksache 16/7792, Frage 60): nächst festzuhalten, dass Bund und Länder regelmäßig Was hat die Bundesregierung unternommen, um von Un- gemeinsam den Rahmen für die Regionalförderung fest- ternehmen, die öffentliche Fördermittel erhalten haben und legen. Die Umsetzung der Regionalförderung liegt dabei dann ihren Verpflichtungen nicht nachgekommen sind, die in der alleinigen Kompetenz der Länder. Dazu gehören Fördermittel zurückzufordern, und in welchen Fällen ist es der Bundesregierung in den letzten fünf Jahren gelungen, För- neben der Auswahl der Förderprojekte, der Festlegung dermittel von Unternehmen, die ihren Verpflichtungen nicht über die Höhe der Förderung im Rahmen der beihilfe- nachgekommen sind, zurückzubekommen? rechtlich möglichen Förderobergrenzen sowie der Kon- trolle darüber, ob die Mittel korrekt eingesetzt und die Für die Regionalforderung gilt grundsätzlich, dass Bindefristen einschließlich der Arbeitsplatzzusage einge- Bund und Länder regelmäßig gemeinsam den Rahmen halten wurden, auch mögliche Rückforderungen bei ei- für die Förderung festlegen. Die Umsetzung der Regio- ner Fehlverwendung von Fördermitteln. Grundlage für nalförderung liegt dabei in der alleinigen Kompetenz der Rückforderungen im Rahmen der GA bilden das GRW- Länder. Dazu gehören neben der Auswahl der Förder- Gesetz und der jeweils geltende Rahmenplan. projekte, der Festlegung über die Höhe der Förderung im Rahmen der beihilferechtlich möglichen Förderober- (B) Die Bindefristen im Rahmen der GA-Förderung betra- grenzen sowie der Kontrolle darüber, ob die Mittel kor- (D) gen generell 5 Jahre. Nach Auskunft des Landes NRW ist rekt eingesetzt und die Bindefristen einschließlich der die Bindefrist für die letzte Fördermaßnahme für Nokia Arbeitsplatzzusage eingehalten wurden, auch mögliche 2006 abgelaufen. Die Bindefrist für den Verbleib des ge- Rückforderungen für die Fehlverwendung von Förder- förderten Investitionsgutes am Standort wäre danach mitteln. Grundlage für Rückforderungen in der Gemein- eingehalten worden. Allerdings prüft das Land NRW schaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirt- derzeit, ob auch das mit der Investitionsförderung ver- schaftsstruktur“ (GA) bilden das GRW-Gesetz und der bundene Arbeitsplatzziel voll erfüllt wurde oder ob es jeweils geltende Rahmenplan. Die Länder kommen ihrer hier Ansatzpunkte für eine zumindest anteilige Rückfor- Verpflichtung aus der Überprüfung der Fördermittel im derung der GA-Mittel gibt. Rahmen der GA nach. Soweit es zu Rückforderungen kommt, fließen diese dem Bund entsprechend seinem Fi- Darüber hinaus hat die Nokia GmbH rund 10 Millio- nanzierungsanteil hälftig zu. Seit 2005 stellt der Bund nen Euro Zuwendungen im Rahmen der Projektförde- die Rückeinnahmen den Ländern wieder für Neubewilli- rung des Bundes aus dem Haushalt des BMBF erhalten. gungen im Rahmen der GA zur Verfügung. Damit wird Die Erfüllung der Auflagen aus den Zuwendungsbe- auch das Interesse der Länder an der Fördermittelkon- scheiden der entsprechenden Forschungsprojekte wird trolle gestärkt. derzeit geprüft. Sofern gegen Auflagen verstoßen wurde, kommt nach den Regeln der Projektförderung gegebe- nenfalls ein Widerruf der Zuwendung in Betracht, mit der Folge, dass Fördermittel ganz oder teilweise zurück- Anlage 31 gefordert werden. Antwort

Zu Frage 58: des Parl. Staatssekretärs Hartmut Schauerte auf die Frage der Abgeordneten Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse vor, DIE GRÜNEN) (Drucksache 16/7792, Frage 61): dass in den letzten Jahren in nennenswertem Umfang Welche Fördertöpfe und -programme auf Bundesebene Produktionsstätten direkt nach Auslaufen der Bindefris- – einschließlich der KfW Bankengruppe und ähnliche Institu- ten verlagert wurden. Vor dem Hintergrund der großen tionen – können Stadtwerke im Bereich der Energieeinspa- regionalen Betroffenheit im Fall Nokia sieht das für das rung/-effizienz und der erneuerbaren Energien nutzen, und Regionalförderung im Bund zuständige BMWi aller- wie hoch ist der finanzielle Rahmen dieser Programme? dings vor, die nationalen Förderregeln noch einmal auf Stadtwerke, also mehrheitlich kommunale Unterneh- den Prüfstand zu stellen. Geprüft werden muss, ob es in men, sind in folgenden KfW-Förderprogrammen an- 14594 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Januar 2008

(A) tragsberechtigt: Kommunal Investieren, KfW-Umwelt- novativ gestaltete Photovoltaikanlage installiert wird. (C) programm, Solarstrom Erzeugen und KfW-Programm Für Vorhaben aus dem Umweltinnovationsprogramm Erneuerbare Energien. Im Programm „Kommunal Inves- stehen derzeit für 2008 25,3 Millionen Euro zur Verfü- tieren“ werden alle Investitionen kommunaler Unterneh- gung. men in die kommunale oder soziale Infrastruktur geför- dert. Hierzu gehören auch die energetische Sanierung von Gebäuden oder die effiziente Energieerzeugung und die Nutzung erneuerbarer Energien. Eine finanzielle Anlage 32 Rahmensetzung in Form einer Kontingentierung erfolgt Antwort für die Investitionen in Energieeffizenz und/oder erneu- erbare Energien nicht. Im KfW-Umweltprogramm wer- des Parl. Staatssekretärs Hartmut Schauerte auf die den alle Investitionen für den Umwelt- und Klimaschutz Frage des Abgeordneten Hans-Josef Fell (BÜND- mitfinanziert. Antragsberechtigte sind sowohl private NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 16/7792, Frage 62): gewerbliche Unternehmen als auch Unternehmen, an de- Wie hoch waren Ende 2007 die Rückstellungen für Atom- nen Kommunen beteiligt sind. Auch hier erfolgt keine kraftwerke und atomare Abfälle der Eon AG, der RWE AG, „Kontingentierung“ hinsichtlich des Umfangs der Inves- der EnBW AG sowie der Vattenfall Europe AG, und liegen titionen (Energieeffizienz der erneuerbaren Energien) der Bundesregierung Erkenntnisse darüber vor, ob mit Gel- dern aus diesen Rückstellungen Anteile anderer Unternehmen oder der Antragsteller (kommunale Unternehmen). Im erworben wurden? Programm „Solarstrom Erzeugen“ werden alle Investi- tionen in Photovoltaikanlagen mit einem Kreditbedarf Zum ersten Teil der Frage: Die Zahlen für 2007 liegen bis zu 50 000 Euro mitfinanziert. Antragsberechtigte noch nicht vor und sind erst im Sommer nach der unter- sind neben Privatpersonen und privaten gewerblichen nehmensüblichen Beschlussfassung über die Jahresab- Unternehmen auch kommunale Unternehmen. Eine schlüsse öffentlich verfügbar. Die Zahlen für 2006 wur- „Kontingentierung“ hinsichtlich der Antragsteller erfolgt den Ihnen zu Ihrer Schriftlichen Frage Nr. 157 mit nicht. Im KfW-Programm Erneuerbare Energien werden Schreiben vom 4. September 2007 mitgeteilt. Investitionen in erneuerbare Energien zur Wärmenut- Zum zweiten Teil der Frage: Nach Bilanzrecht stehen zung mitfinanziert. Antragsberechtigte sind neben priva- allen Posten der Passivseite, zu denen die Rückstellun- ten Unternehmen, kommunale Unternehmen und auch gen gehören, alle Posten der Aktivseite, zu denen auch kommunale Gebietskörperschaften. Eine „Kontingentie- Unternehmensbeteiligungen gehören, gegenüber. Eine rung“ hinsichtlich der Antragsteller erfolgt nicht. Nach Zuordnung von Aktivposten zu Passivposten und umge- den Richtlinien zur Förderung von Maßnahmen zur Nut- kehrt findet nicht statt. zung erneuerbarer Energien im Wärmemarkt (Marktan- (B) reizprogramm) können Anlagen zur Nutzung erneuerba- (D) rer Energien gefördert werden. Auch Kommunen und Unternehmen, an denen Kommunen mehrheitlich betei- Anlage 33 ligt sind, sind antragsberechtigt. Für die Förderung stehen im Jahr 2008 168,833 Millionen Euro zur Verfügung. Antwort Dieser Betrag kann aus Erlösen aus der Veräußerung von des Parl. Staatssekretärs Hartmut Schauerte auf die Berechtigungen gemäß Treibhausgasemissionshandels- Frage der Abgeordneten Irmingard Schewe-Gerigk gesetz bis auf 350 Millionen Euro aufgestockt werden. (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 16/7792, Darüber hinaus erfolgt die Förderung der Stromerzeu- Frage 63): gung aus erneuerbaren Energien in Deutschland in den Wie beurteilt die Bundesregierung die Äußerung des Par- Bereichen, in denen erneuerbare Energien noch nicht lamentarischen Staatssekretärs beim Bundesminister für Wirt- wirtschaftlich sind, durch das Erneuerbare-Energien-Ge- schaft und Technologie und Mittelstandsbeauftragten, setz (EEG). Nach dem EEG-Erfahrungsbericht 2007 er- Hartmut Schauerte, zum Fachkräfte- und Ingenieurmangel in gaben sich 2006 für den eingespeisten Strom Differenz- Deutschland, der in seiner Rede auf der 57. Jahresveranstal- tung der Südwestfälischen Industrie- und Handelskammer kosten in Höhe von etwa 3,3 Milliarden Euro, die durch Hagen (SIHK) am 12. Dezember 2007 wörtlich gesagt hat: die EEG-Umlage an die Endverbraucher weitergegeben „Deutschland hatte in der Vergangenheit so viele gute Inge- wurden. Stadtwerke können EEG-Anlagen zur Stromer- nieure, weil es zwei Weltkriege vorzubereiten hatte“ (Westfä- zeugung betreiben und tun dies auch bereits in erhebli- lische Rundschau vom 13. Dezember 2007), und welche Kon- sequenzen will sie aus dieser vermeintlichen Erkenntnis des chem Umfang. Mittelstandsbeauftragten für die Bekämpfung des Ingenieur- mangels in Deutschland ziehen? Im Rahmen des Umweltinnovationsprogramms (BMU- Programm zur Förderung von Investitionen mit De- Die Aussage ist in der Form, wie sie zitiert wurde, monstrationscharakter zur Verminderung von Umwelt- nicht gesagt worden. Tatsächlich habe ich in diesem Zu- belastungen – Pilotprojekte Inland) werden auch beson- sammenhang erklärt: „Warum waren wir so gut? Ja, wir ders innovative Maßnahmen zur Nutzung erneuerbarer waren Ingenieure, weil wir zwei Kriege vorbereitet ha- Energien und/oder zur Energieeinsparung/-effizienz ge- ben.“ Wenn wir mal darüber nachdenken. Da ist un- fördert. Auch Stadtwerke können eine Förderung aus glaublich viel Energie freigesetzt worden – in die falsche diesem Programm erhalten, wenn die entsprechenden Richtung. Mit welcher Idee wollen wir jetzt die jungen Kriterien erfüllt sind. Gegenwärtig läuft zum Beispiel Leute faszinieren, damit sie sich für Technik und Inge- ein Vorhaben der Stadtwerke Fürstenfeldbruck, bei dem nieure interessieren? Und damit leite ich zu einem ande- auf dem Dach einer neuen Bio-Energiezentrale eine in- ren Thema über. Ich bin der festen Überzeugung, dass Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 138. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Januar 2008 14595

(A) wir die Debatte über die Klimafragen der Welt vor allem derne Motivation für Technik- und Ingenieurberufe im (C) mit Ingenieuren zu lösen haben. In diesem Teil meiner Kampf zur Rettung des Klimas aufzuzeigen. Es muss freigehaltenen Rede kam es mir darauf an, vor dem Hin- neue Energie freigesetzt werden, in die richtige Rich- tergrund des Ingenieurmangels eine notwendige mo- tung.

(B) (D)

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