von Cordula in der Transition Meyer Zur Perspektive einer Drogen-Gesetzreform Mahnkopf

Die Autorin ist Auf Myanmars Agenda stehen komplexe Fragen, bis 2005 in Kraft war, und diese ist in Myanmar mitt- Zeithistorikerin die das eigene Rechtssystem betreffen. Hierzu lerweile aus praktischen Gründen (mobile Laborato- mit dem Schwer- gehören auch diejenigen einer neuen Drogen- rien) attraktiver als diejenige von Heroin. punkt Politikstra- tegien im asia- gesetzgebung und ihrer Implementierung. tisch-pazifischen Raum nach Zurzeit besitzt das Land eine im allgemeinen Kon- Myanmar als Drogenmarkt 1945: Myanmar/ sens als überkommen erachtete Drogengesetz- Burma. Sie ist in gebung. Sie beruht hauptsächlich auf dem Narcotics Drogen aus Myanmar werden im Land selbst und im der Politikbera- tung tätig. Drugs and Psychotropic Substance Law (1993) und asiatischen Ausland – insbesondere in der Volksrepu- auf dem Burma Excise Act (1917), der »den Nadel- blik China von einer urbanisierten, ›hochgestressten‹ gebrauch durch nicht-medizinisches Personal« unter Konsumentenschicht – nachgefragt. Der Drogenwelt- Strafe stellt. Beide Gesetze begründen Repression report 2016 konstatiert dabei, dass es nicht unbe- und Kriminalisierung Drogenabhängiger in Myan- dingt nur die Nachfrage ist, die den Drogenkonsum mar. Resignatives Verhalten der Betroffenen und eine steigen lässt, sondern auch das reiche Drogenange- epidemische Ausbreitung drogenbezogener Erkran- bot aus Afghanistan und der Mekong-Region, zu der kungen wie HIV-Infektionen sind die Folge. Laut auch Myanmar und die Volksrepublik Laos gehören. einer Schätzung von United Nations Programme In Myanmar gibt es derzeit, laut Gesundheits- on HIV/ AIDS (UNAIDS) bedeutet dies in Zahlen ministerium Myanmars, schätzungsweise 83.000 220.000 bis 260.000 HIV-Erkrankter im Jahr 2015. männliche injizierende Drogenabhängige, die in der Inwieweit spiegelt sich der derzeitige Transiti- Regel in struktureller Armut leben. Durch die ein- onsprozess in der Drogenpolitik des Landes wie- gangs dargestellte Rechtslage werden diese krimina- der, gemessen an den Parametern der ›Good Gover- lisiert. Das staatliche Methadonprogramm greift aus- nance‹ Transparenz, Efizienz und Sicherheit? Um schließlich, wenn sich die Erkrankten als ›abhängig‹ diese Frage zu klären, ist der sozio-ökonomische registrieren lassen. Das jedoch kommt einem sozia- Hintergrund zu betrachten, um die Möglichkeiten len Stigma gleich, denn die Sucht ist dann ›ofiziell‹. einer liberalen Gesetzgebung darzustellen und die Es ist deshalb problematisch, weil mitunter Kommu- jüngst ergriffenen Regierungsmaßnahmen im Bereich nen, und innerhalb dieser auch religiöse Gruppie- der Drogenpolitik skizzieren zu können. rungen, die Schuld für die Konlikte zwischen den ethnischen Armeen und dem myanmarischen Militär den Drogenabhängigen zuweisen und somit diese Myanmar als Drogenproduzent für die schwierigen Lebensumstände verantwortlich machen. Myanmar mit einem Opiumanbau, der aktuell welt- weit der zweitgrößte nach Afghanistan ist, produziert sowohl das halbsynthetische Heroin als auch voll- Verlechtungen der Schattenzweige synthetische Amphetamine Type Stimulants (ATS). Darunter fallen Amphetamine wie die Aufputsch- Die unkontrollierte Ausbreitung von HIV steht auch droge Speed und euphorisierende, appetitzügelnde mit den Gefängnisaufenthalten in Zusammenhang, Metamphetamine wie Crystal Meth, in Myanmar als die oftmals die Folge kleinster drogenbezogener Ver- Yaba (früher: Yama) bezeichnet. Bei der Yaba-Pro- gehen sind.1 Eine Reform der Drogenpolitik bedeu- duktion ist Myanmar weltweiter Spitzenproduzent. tete, dass diese drakonische Rechtsprechung durch Angaben zu den Produktionsmengen sind bezüglich eine humanitär geleitete Perspektive ersetzt würde. aller genannten Drogen ungenau und basieren bei- Der aktuelle Standard globaler Drogenpolitik ergibt spielsweise im Falle von Heroin auf Beschlagnah- sich aus der Perspektive von Querschnittpolitik. mungen und Hochrechnungen bezüglich des Opi- Diese betrifft nicht nur das (Straf)-Rechtssystem, son- umanbaues. dern in besonderem Maße das Gesundheits- und Die Hauptproduktionsstätten für Heroin und ATS Bildungswesen. Prävention und Schadensbegren- in Myanmar beinden sich im nördlichen Shan-Staat. zung gelten hierbei als Leitlinien. Suchtkranke wer- Kramer betont, dass in Myanmar »cease-ire groups«, den nicht strafrechtlich verfolgt, sondern medizi- lokale Milizen und auch Einheiten der myanma- nisch versorgt. Armutsbekämpfung, gekoppelt an rischen Armee () in das Drogengeschäft Bildungspolitik, soll einen Weg aus der staatlichen involviert sind. Die hohe ATS-Produktion gilt als eine Repression zeigen. Im Falle Myanmars ist zudem die Folge des Opiumbannes, der Ende der 1990er Jahre Rolle der politischen Ökonomie zu nennen. Kein

16 > Myanmar > Myanmar in der Transition – Zur Perspektive einer Drogen-Gesetzreform südostasien ‹ 1/2017 anderes ökonomisches Segment in Myanmar ist so intransparent wie das derjenigen Gelder, die aus der Schattenwirtschaft der ›Drogengelder‹ erwirtschaftet werden.2 ›Good Governance‹ hingegen macht Trans- parenz im Finanzwesen zur Bedingung. Strafverfolgung als ›Durchsetzung geltender Gesetze‹ () im Sinne eines staat- lichen Gewaltmonopols bedeutet in Myanmar seit spätestens 1948 eine fragile Situation. Seitdem wird in diesem Land um den Begriff der Staatlich- keit gerungen. Insbesondere das Thema Drogen ist seit den 1950er Jahren an Gebiete mit Grenzregi- onen gebunden, in denen das Rechtssystem des Staates Myanmar nicht anerkannt wird. Zu nen- nen sind im nördlichen Shan-Staat die Kokang- Enklave als Special Region No. 1 oder der Wa-Staat als Special Region No. 2. Es ist prägend für Myan- sion on Drugs (UNGASS) im April 2016. Das Ergeb- Schlafmohn- mar, dass diejenigen Ethnien, die am stärksten um nis ist laut Kramer völlig offen. Es besteht jedoch die felder im Shan Autonomie kämpfen – wie die Kachin – sich dem Möglichkeit, dass die Regierung den Argumenten Staat, Myanmar. Foto: Kyle David hoheitsrechtlichen Akt des law enforcement nicht von INGOs wie dem TNI, den Stimmen der beteilig- James – lizen- beugen. Aus diesem Grund ist in den genannten ten Kommunen und dem UNODC folgt, die sämtlich siert unter der Gebieten – aus Perspektive der myanmarischen gegen Kriminalisierung und für die Perspektive von Creative Com- Regierung – von Räumen begrenzter Staatlichkeit Gesundheitsmanagement, Prävention und ›Scha- mons Lizenz zu sprechen. densbegrenzung‹ eintreten. Im Sinne von ›Good CC-BY-SA 4.0, Wikimedia Die Myanmar Force (MPF) und das Mili- Governance‹ wäre die Schaffung sozialer Sicherheit tär als die operativen Kräfte der Exekutive verfolgen ein Ziel. Bisher ausgeschlossene Gruppen der Bevöl- Drogendelikte. Das Militär ist aber, wie oben darge- kerung könnten an der aufkeimenden Prosperität des stellt, teilweise selbst in das Drogengeschäft invol- Landes teilhaben.  viert. Dies ist bekannt, jedoch ab einem bestimm- ten Rang nicht nachweisbar. Perspektivisch wird, wie Selth ausführt, mit einer fortschreitenden Demo- kratisierung eine Schwächung des Militärs und eine Literatur Stärkung der Polizeikräfte verbunden sein; noch > J. Downing (2016): A Fix Drug Policy?, in: Frontier fehlt es jedoch an einem klaren Mandat, das poli- Myanmar: 28.11.2016. http:// frontiermyanmar.net/ en/ zeiliche Befugnisse gegenüber dem Militär regelte.3 a-fix-for-drug-policy Die myanmarische Polizei ist seit Kolonialzeiten mit > T. Kramer (2016): The Current State of Counternarcotics schlechter Reputation versehen und, unzureichend Policy and Drug Reform Debates in Myanmar. https:// bezahlt, gilt sie als brutal und korruptionsanfällig. Es www.brookings.edu/ wp-content/ uploads/2016/07/ fehlt zudem an Ausrüstung wie Drogenspürhunden Kramer-Burma-final.pdf und Scannern. Bezogen jedoch auf ›Good Gover- > Report from Third Myanmar Opium Farmer’s Forum. nance‹ geht es hier um efizientes Handeln in bes- Pyn Oo Lwin, 11.–12.9.2015. Hrsg. TNI, Amsterdam. tem Sinne. https://www.tni.org/ files/ publication-downloads/ report_ from_third_myanmar_opium_farmers_forum.pdf > UNODC. 2016. World Drug Report 2016. u. a. Wien.

Erste Ansätze Anmerkungen

Die myanmarische Regierung hat im Herbst 2016 1 E. Jensema/ Nang Pann Ei Kham (2016): ›Found in the mittels des staatlichen Central Committee for Drug Dark‹. The Impact of Drug Law Enforcement Practises Abuse Control (CCDAC) erstmalig sowohl mit Regie- in Myanmar. Drug Policy Brieing Nr. 47, September rungsorganisationen wie United Nations Ofice on 2016. TNI/ National Drug User Network. (Hrsg). https:// Drugs and Crime (UNODC) und UNAIDS als auch www.tni.org/ files/ publication-downloads/ drug_policy_ mit (I)NGOs wie der Myanmar Anti Narcotic Asso- briefing_47_found_in_the_dark.pdf. ciation (MANA), dem National Drug User Network 2 V. Lemma (2016): The Shadow Banking System: Crea- ting Transparency in the Financial Markets; u. a. Hound- (NDNM) und dem Transnational Institute, Ams- mills, UK: Palgrave Macmillan. terdam (TNI), einen Gesetzentwurf diskutiert, der 3 A. Selth (2014): Police Reform and the ›Civilisation‹ of die Weichen in Richtung liberale Drogenpolitik in Security in Myanmar, in: M. Crouch/T. Lindsey. (Hrsg.): Myanmar stellen könnte. Dies geschah im Nachgang Law, Society and Transition in Myanmar. u. a. Oxford, der United Nations Assembly Special Ses- U. K.: Hart Publisher: 211–288. südostasien › 1/2017 Myanmar in der Transition – Zur Perspektive einer Drogen-Gesetzreform < Myanmar < 17