BULLETIN DER BUNDESREGIERUNG

Nr. 78-4 vom 28. Juni 2013

Rede des Bundesministers für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, ,

zum Standortauswahlgesetz vor dem Deutschen am 28. Juni 2013 in Berlin:

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren!

Ich gebe zu, es war nicht geplant, aber am Ende ist es eine gute Fügung, dass wir das letzte große Gesetz dieser Wahlperiode mit einer überwältigenden Mehrheit, die vier Fraktionen umfasst, in diesem Bundestag verabschieden und damit eine der letzten großen innenpolitischen Streitfragen der letzten 30 Jahre einer guten Lösung näherbringen. Heute ist ein guter Tag für das Parlament. Es hat sich gezeigt, dass unsere parlamentarische Demokratie dort, wo es notwendig ist, Kraft hat, auch Kraft zum Konsens hat.

Auf die Frage, warum wir es denn in den letzten 30 Jahren nicht geschafft haben, ein Endlager zu bauen, kann die Antwort nicht nur lauten, dass es sehr schwierig ist und dass die Arbeiten dafür sehr umfangreich sind, sondern die Antwort muss auch lau- ten, dass wir es nicht geschafft haben, den Prozess so zu organisieren, dass Miss- trauen ausgeschlossen wird und dass die Bereitschaft, den anderen ernst zu neh- men und auf seine Argumente einzugehen, so gewachsen ist, wie es notwendig ge- wesen wäre, um dieses Ziel zu erreichen. Wir sind dem mit dem Gesetz, das wir heu- te verabschieden, einen großen Schritt näher gekommen.

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Ich habe in der ersten Lesung schon sehr vielen unter Ihnen gedankt, eigentlich reih- um und über alle Fraktionen verteilt. Ich will heute nur noch einmal sagen: Das, was zwischen der ersten Lesung und der zweiten und dritten Lesung vereinbart und ver- ändert worden ist, ist ein Beispiel für unsere politische Kultur. Alle haben mitgemacht: die umweltpolitischen Sprecher, die Fraktionsvorsitzenden und die stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden. Aber es waren insbesondere die Berichterstatterinnen, die sich zusammengesetzt und ihren Führungsleuten immer wieder gesagt haben, dass wir zusammenkommen müssen. Deshalb möchte ich mich auch bei Sylvia Kotting- Uhl, bei , bei Ute Vogt und bei ganz herzlich für ihre Arbeit bedanken.

Ich möchte mich ganz herzlich bei meiner Staatssekretärin Ulla Heinen-Esser be- danken; sie kann gerade aus unaufschiebbaren Gründen nicht hier sein. Dieses Ge- setzesvorhaben war ihre letzte große Aufgabe, die sie als Parlamentarische Staats- sekretärin im Bundesumweltministerium übernommen hat. Sowohl beim Asse- Gesetz wie auch bei diesem Gesetz hat sie mit dazu beigetragen, dass gegenseiti- ges Vertrauen aufgebaut werden konnte und so die Zusammenarbeit möglich ge- worden ist. Sie scheidet aus dem Bundestag aus. Sie hat in meinem Ministerium und, ich denke, auch weit darüber hinaus eine exzellente Arbeit geleistet.

Wir haben in den letzten vier Wochen viel erreicht. Das Gesetz, das an und für sich schon nicht schlecht war, ist noch einmal ein Stück weit besser geworden, weil wir die Kraft gefunden haben, auf den jeweils anderen zuzugehen. Wir haben das alte Struck’sche Gesetz, dass kein Gesetz den Bundestag so verlässt, wie es hinein- kommt, bestätigt. Das, was wir geändert haben, ist ein Schritt in die richtige Rich- tung.

Wir haben dafür gesorgt, dass die Ergebnisse des Bürgerforums aufgegriffen worden sind. Viele Verbände hatten darauf hingewiesen, das Bürgerforum sei aus ihrer Sicht nicht glaubwürdig, alles stehe fest, alles sei geregelt. Nach dem Bürgerforum haben wir den individuellen Rechtsschutz in diesem Gesetz noch einmal deutlich ausgewei- tet. Wir haben die Rolle der Wissenschaft in der gemeinsamen Kommission noch einmal gestärkt. Das, was dort mit den Kolleginnen und Kollegen aus dem Deut- Bulletin Nr. 78-4 vom 28. Juni 2013 / BMU – zum Standortauswahlgesetz vor BT

- 3 - schen Bundestag diskutiert worden ist, hat seinen Eingang in dieses Gesetz gefun- den.

Wir haben uns beim Verfahren der Standortauswahl auf ein Umlagefinanzierungs- modell verständigt. Auch das ist ein wichtiges Signal, das über die Verabschiedung des Gesetzes hinaus Klarheit schafft. Das neue Bundesamt wird erst im Jahre 2014 eingerichtet. Wir werden bis zum Ende dieses Jahres eine Lösung erarbeiten, wo die 26 Castoren zwischengelagert werden, die nicht am Standort Gorleben zwischenge- lagert werden, damit auch dort Vertrauen entsteht. Wir haben es mit einem schwieri- gen Umfeld zu tun. Was Brunsbüttel angeht – hier ist die grundsätzliche Bereitschaft der Landesregierung und des Landesparlamentes vorhanden –, gibt es seit zwei Wochen ein Gerichtsurteil, das wir im Hinblick auf seine Auswirkungen genau prüfen werden und das wir ernst nehmen. Aber nach den letzten Wochen habe ich keinen Zweifel, dass es uns gelingen wird, bis Ende des Jahres drei Standorte zu identifizie- ren, an denen wir die wenigen noch verbleibenden Castoren sicher verwahren kön- nen. Wir sind auch dem Wunsch Schleswig-Holsteins nachgekommen, in den Ge- setzentwurf den Passus aufzunehmen, dass die Zwischenlagergenehmigungen nicht ohne Bundestags- beziehungsweise Parlamentsbeteiligung verlängert werden kön- nen.

Wir haben eine Lösung gefunden, wie die Abgeordneten des Deutschen Bundesta- ges so mit Wissenschaftlern und Zivilgesellschaft zusammenarbeiten können, dass am Ende ein Bericht zustande kommt, der die eigentliche Endlagersuche voran- bringt und begleiten kann.

Jetzt haben wir – daran weiterzuarbeiten, ist die Aufgabe der nächsten Jahre, nicht der nächsten Monate – einen klaren und verlässlichen Rahmen, der sicherstellt, dass sachliche Argumente entscheiden, dass wir das beste Endlager suchen und nicht eines, das aus politischen Gründen favorisiert wird, der sicherstellt, dass wir alle we- sentlichen Entscheidungen mit einer breiten Mehrheit, in einem breiten Konsens im Deutschen Bundestag und im Bundesrat politisch treffen und sie nicht hinter ver- schlossenen Türen vorbereiten und fällen.

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Wenn wir diesen Gesetzentwurf heute verabschieden, dann geben wir ein starkes Signal der Handlungsfähigkeit des Deutschen Bundestages und zeigen unsere Ent- schlossenheit, mit den Hinterlassenschaften des Atomzeitalters in Deutschland si- cher und verantwortlich umzugehen.

Zu Beginn der Endlagersuche gab es viele Demonstrationen und viele Proteste und Kampagnen im Internet. Heute habe ich vor dem Deutschen Bundestag keine De- monstrationen und im Internet keine Kampagnen gesehen. Das zeigt, dass die Ge- meinsamkeit, die wir seit einigen Wochen an den Tag legen, inzwischen auch von der Zivilgesellschaft anerkannt wird. Das ist die wichtigste Voraussetzung dafür, dass es gelingen kann, in Deutschland ein sicheres Endlager zu bauen. In diesem Sinne möchte ich Sie alle ganz herzlich bitten, dieses Gesetz mit Ihrer Stimme in Kraft zu setzen.

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