Feierstunde Des Deutschen Bundestages Aus Anlass Des 65. Jahrestages Des Inkrafttretens Des Grundgesetzes Für Die Bundesrepublik Deutschland Berlin, 23

Feierstunde des Deutschen Bundestages aus Anlass des 65. Jahrestages des Inkrafttretens des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland Berlin, 23. Mai 2014

Ceremony at the German Bundestag Celebrating the 65th Anniversary of the Entry into Force of the Basic Law for the Federal Republic of Germany Berlin, 23 May 2014

5 Feierstunde des Deutschen Bundestages aus Anlass 53 Ceremony at the German Bundestag Celebrating the des 65. Jahrestages des Inkrafttretens des Grundgesetzes 65th Anniversary of the Entry into Force of the Basic Law für die Bundesrepublik Deutschland for the Federal Republic of Germany Berlin, 23. Mai 2014 Berlin, 23 May 2014

6 Programm der Gedenkstunde 54 Programme

8 Begrüßung durch den Präsidenten 56 Welcome speech by the President des Deutschen Bundestages, of the German Bundestag, Prof. Dr. Norbert Lammert Professor Norbert Lammert

16 „Ein vollkommener Text“ 64 “A perfect text” Rede von Dr. Navid Kermani Speech by Dr Navid Kermani

28 Beiträge der Fraktionen 76 Remarks from the parliamentary groups

50 Biografie 98 Profile

Inhalt Contents Feierstunde des Deutschen Bundestages aus Anlass des 65. Jahrestages des Inkrafttretens des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland Berlin, 23. Mai 2014 Begrüßungsansprache durch den Präsidenten des Deutschen Bundestages, Prof. Dr. Norbert Lammert

Festrede Dr. Navid Kermani

Beiträge Volker Kauder Vorsitzender der CDU/CSU-Fraktion Thomas Oppermann Vorsitzender der SPD-Fraktion Dr. Gregor Gysi Vorsitzender der Fraktion Die Linke Katrin Göring-Eckardt Vorsitzende der Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen Gerda Hasselfeldt Erste Stellvertretende Fraktionsvorsitzende, Vorsitzende der CSU-Landesgruppe

Nationalhymne Die Nationalhymne wird gespielt von Jan Sebastian Melzer, Trompete Frithjof Zeltwanger, Trompete Elsa Klemm, Horn Rocco Rescigno, Posaune Mark Shearn, Tuba

Auf dem Weg zu ihren Plätzen: Programm der Gedenkstunde Bundesratsvizepräsident Volker Bouffier, Bundesverfassungsgerichts- präsident Andreas Voßkuhle, Ehren- gast Navid Kermani, Bundestags präsident Norbert Lammert und Bundeskanzlerin Angela Merkel (v. l.).

Taking their seats (l. to r.): Volker Bouffier, Vice-President of the Bun- desrat, Andreas Voßkuhle, President of the Federal Constitutional Court, guest of honour Navid Kermani; Professor Norbert Lammert, President of the Bundestag, and Federal Chancellor Angela Merkel.

6 7 Von Provisorium ist schon lange keine Rede mehr. Das Grundgesetz ist die unangefochtene Guten Morgen, meine Damen und Herren! Grundlage der politischen Ordnung unseres Liebe Kolleginnen und Kollegen! Landes. Es gilt längst als eine der großen Ver- Die denkwürdige Entscheidung der ersten Sehr geehrter Herr Bundespräsident! fassungen der Welt, bietet jungen Demokratien und einzigen frei gewählten Volkskammer der Frau Bundeskanzlerin! Orientierung und inspiriert andere Staaten DDR, dem Geltungsbereich des Grundgesetzes Herr Vizepräsident des Bundesrates! bei der Verfassungsgebung immer wieder bis beizutreten, damit einen existierenden Staat Herr Präsident des Bundesverfassungsgerichts! in einzelne Formulierungen hinein. Es gibt aufzulösen und die staatliche Einheit Deutsch- Exzellenzen! nur wenige Texte, bei denen die Diskrepanz lands wiederherzustellen, ist ein historisch Lieber Herr Kermani! zwischen dem bescheidenen Anspruch und beispielloser Vorgang, der die Bindungskraft Verehrte Gäste! der tatsächlichen Wirkung so ausgeprägt ist dieser Verfassung eindrucksvoll belegt. wie bei dieser Verfassung, die noch nicht ein- Der Ursprungstext hat im Laufe der Jahre man- Wir feiern heute einen 65. Geburtstag. Das mal so heißen durfte. che Ergänzungen erfahren. Die Väter und Müt- ist nichts Außergewöhnliches; denn das ge- Das Grundgesetz gehört zu den besonderen ter des Grundgesetzes – Konrad Adenauer, schieht in Deutschland jeden Tag und in die- Glücksfällen der deutschen Geschichte, zu Carlo Schmid, Theodor Heuss, Helene Wessel, sem Jahr geschätzt ungefähr 970.000 Mal. dem wir uns alle nur gratulieren können. um nur wenige herausragende Persönlichkei- So viele Menschen des Jahrgangs 1949 leben ten des Parlamentarischen Rates zu nennen – nämlich bei uns. Beifall konnten sich 1948/49 noch nicht vorstellen, 65 ist längst kein besonderes Alter mehr – für dass wir einige Jahre später, nur wenige Jahre einen Menschen nicht und für Staaten ohne- Meine Damen und Herren, ein wesentlicher später, eine Bundeswehr brauchen und Mit- hin nicht. 65 Jahre sind aber bezogen auf die Grund für das Ansehen und die hohe Akzep- glied der NATO werden würden. Noch weni- Geschichte der Demokratie in Deutschland tanz des Grundgesetzes ist ganz gewiss die be- ger absehbar war, dass Deutschland Teil einer durchaus ein beachtlich langer Zeitraum. Mit merkenswerte Fähigkeit zur Bewältigung auch Europäischen Gemeinschaft werden könnte, 65 Jahren ist das Grundgesetz inzwischen län- veränderter Aufgabenstellungen und neuer die sich nicht nur als Wirtschaftsgemeinschaft ger gültig als die Verfassung von Weimar und Herausforderungen. Es hat sich in den vergan- versteht, sondern als eine politische Union, in die Verfassung des Kaiserreichs zusammenge- genen 65 Jahren den gesellschaftlichen wie der nationale Souveränitätsrechte zunehmend nommen. Im Unterschied zu den beiden vor- den politischen Veränderungen gewachsen ge- auf diese Gemeinschaft übertragen werden. genannten Verfassungen war es 1949 bekannt- zeigt – auch und gerade bei der Wiedervereini- Das eine wie das andere bedurfte der verfas- lich nur als vorläufige Lösung gedacht. gung unseres Landes vor bald 25 Jahren. sungsmäßigen Legitimation.

„Das Grundgesetz ist die unan Begrüßung durch den Präsidenten gefochtene Grundlage der politischen Ordnung unseres Landes“ – des Deutschen Bundestages, Prof. Dr. Norbert Lammert Bundestagspräsident Norbert Lammert bei seiner Begrüßungs rede.

“The Basic Law is the undisputed foundation of our country’s political order” – Bundestag President Norbert Lammert in his welcome speech.

8 9 Der frühere Präsident des Bundesverfassungs- gerichts hat kürzlich eine solche Ergänzung ausdrücklich empfohlen. Zu den glücklichen Innovationen des Grund- gesetzes gehört zweifellos die Schaffung eines Es gibt aber auch Anlass, selbstkritisch darü- Bundesverfassungsgerichts, auch wenn man ber nachzudenken, ob uns all die weiteren Än- nicht mit jeder einzelnen Entscheidung glück- derungen und Ergänzungen der letzten Jahr- lich sein muss. zehnte in ähnlicher Weise gelungen sind wie der Verfassungstext von 1949. Beifall

Beifall Das Bundesverfassungsgericht ist in der deutschen Verfassungsgeschichte beispiellos. Es Das Grundgesetz hat heute nahezu den dop- erfreut sich zu Recht höchsten Ansehens im pelten Umfang, ist damit zwar deutlich länger, Inland wie im Ausland. Unser besonderer aber nicht unbedingt deutlich besser gewor- Respekt und Dank gilt den aktiven und ehe- den als der schlanke Text von 1949. maligen Mitgliedern des Bundesverfassungs- gerichts. Ich freue mich, dass ich heute Morgen vereinzelt Beifall eine stattliche Delegation aus Karlsruhe auf der Ehrentribüne bei uns begrüßen kann. Dass wir inzwischen manche zweitrangige Frage in der Verfassung geregelt haben, manch Beifall mal mit erschreckender Präzision, während zum Beispiel die herausragende Frage der An der besonderen Stellung des Bundesverfas- Grundsätze unseres Wahlsystems, dem das sungsgerichts in der politischen Architektur Parlament und – über den Bundestag – die unseres Landes besteht kein Zweifel. Niemand Regierung ihre demokratische Legitimation will das im Übrigen ändern. Es hat entschei- verdanken, noch immer keinen Verfassungs- dend zur Machtbalance der Verfassungsorgane rang hat, gehört zu den im wörtlichen Sinne beigetragen. Ich schließe die Rolle, die das „fragwürdigen“ Aspekten unseres Grundge oberste Gericht im europäischen Einigungs- setzes. prozess gespielt hat, hier ausdrücklich mit ein

Beifall vereinzelt Beifall

„Zu den glücklichen Innovationen des Grundgesetzes gehört zweifellos die Schaffung eines Bundesver fassungsgerichts“ – Blick ins Plenum während der Begrüßungs rede von Bundestagspräsident Norbert Lammert.

“One of the happy innovations introduced in the Basic Law is undoubtedly the establishment of the Federal Constitutional Court” – view of the plenary during the welcome speech by Bundestag President Norbert Lammert.

10 11 Natürlich ist es die Aufgabe des Bundesver fassungsgerichts und seine herausgehobene Funktion in unserem Verfassungsgefüge, da die Beachtung dieser Grenzen bemühen. Die rauf zu achten, dass niemand und keine Insti- Gewaltenteilung erträgt sicher und braucht tution die von der Verfassung gesetzten Gren- auch neben dem wechselseitigen Respekt der und schon gar die bemerkenswerten, gemein- zen überschreitet. Dabei sollte sich auch das Verfassungsorgane kritische und selbstkriti- samen und erfolgreichen Anstrengungen zur Gericht immer wieder vergewissern, ob es die sche Bezüge. Und überfällig ist zweifellos ein Parlamentarisierung europäischer Entschei- ihm selbst gesetzten Grenzen seinerseits so Verfahren zur Wahl der Mitglieder des höchs- dungsprozesse. einhält, wie es dies von anderen Institutionen ten deutschen Gerichts, das nicht nur dem Dass dabei politischer Streit gelegentlich nicht verlangt. Wortlaut des Grundgesetzes Rechnung trägt, zu vermeiden ist, ist weder ungewöhnlich sondern auch den Mindestanforderungen Meine Damen und Herren, Deutschland ist im noch problematisch; denn das Grundgesetz Beifall genügt, die der Bundestag anderen Wahlen, Jahre 65 des Grundgesetzes ein anderes Land selbst begründet das für unsere Demokratie zum Beispiel des Wehrbeauftragten, des Daten- als 1949. In den vergangenen Jahrzehnten ist durchaus produktive Spannungsverhältnis Die Versuchung, solche Grenzen auszuloten schutzbeauftragten und des Beauftragten für Deutschland ethnisch, kulturell und religiös zwischen den Verfassungsorganen. Es ist dem oder zu verschieben, beschränkt sich jeden- die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes vielfältiger geworden. Der Bundespräsident demokratischen Verfassungsstaat system falls nicht auf Parlamente und Behörden. Die- zugrunde legt. hat dies gestern bei der Einbürgerungsfeier immanent. se Beobachtung lässt sich auch für das Verfas- Dass der Deutsche Bundestag gestern in gehei- zu Recht hervorgehoben und gewürdigt. Heute Bei der Wahrnehmung des politischen Gestal- sungsgericht machen und wird im Übrigen ja mer Wahl mit Kanzlermehrheit den Präsiden- leben hier etwa 16 Millionen Menschen mit tungsauftrags, den das Parlament zweifellos nicht nur in Wissenschaft, Politik und Medien ten des Bundesrechnungshofes wählt – zwei- einer persönlichen oder familiären Einwande- hat, gibt es unbestreitbar immer wieder die diskutiert, sondern auch von amtierenden Ver- fellos ein wichtiges Amt – und gleichzeitig rungsgeschichte. Das sind rund 20 Prozent Versuchung des Gesetzgebers, im Regelungs fassungsrichtern in Sondervoten vorgetragen, nachträglich von der Bestellung einer neuen der Bevölkerung, und der Anteil insbesondere eifer die Grenzen der Verfassung zu strapa mit dem ausdrücklichen Hinweis auf die Ver- Verfassungsrichterin erfährt, die durch einen unter den Jüngeren steigt kontinuierlich. zieren. Es gibt aber auch den gelegentlichen letzung der Grenzen zwischen gesetzgeberi- zwölfköpfigen Richterwahlausschuss in dieses Zu den großartigen Leistungen des Grundge- Ehrgeiz des Verfassungsgerichts, die geltende scher Gestaltung und verfassungsrechtlicher hohe Amt – sicher nicht weniger wichtig – setzes gehört es, diese Vielfalt zu ermöglichen. Verfassung durch schöpferische Auslegung Kontrolltätigkeit. befördert wird, ist beider Verfassungsorgane Die vom Grundgesetz garantierten Menschen- weiterzuentwickeln. Es dient gewiss der Stärke wie dem Ansehen unwürdig. rechte gelten für alle, die hier leben, sowohl des Parlamentes wie des Verfassungs- Beifall gerichtes, wenn wir uns jeweils sorgfältig um Beifall Beifall

„In den vergangenen Jahrzehnten ist Deutschland ethnisch, kulturell und religiös vielfältiger geworden“ – Blick auf die Bundesratsbank wäh- rend der Begrüßungsrede von Bun- destagspräsident Norbert Lammert.

“In the past decades, Germany has become more diverse in its ethnic, cultural and religious make-up” – view of the Bundesrat benches during the welcome speech by Bundes tag President Norbert Lammert.

12 13 seien es Deutsche oder Menschen mit unter- schiedlicher Herkunft und Staatsangehörig- keit, die ihre Identität als eine doppelte oder sogar mehrfache empfinden. Navid Kermani hat das einmal für sich kurz und bündig so formuliert: „Meine Heimat ist nicht Deutschland. Sie ist mehr als Deutsch- land.“ Was also läge näher, als zum 65. Ge- burtstag unserer Verfassung einen Mann ein- zuladen, der aus genau dieser Perspektive spricht und noch dazu mit dem Grundgesetz groß geworden ist, das er nach seinen eigenen Worten „als eine der größten Errungenschaften Meine Damen und Herren, der französische der deutschen Geschichte“ versteht und ver- Historiker Ernest Renan hat einmal sinngemäß teidigt? erläutert, eine Nation sei geprägt vom Be- Navid Kermani vermittelt in seinen Reden wusstsein einer gemeinsamen Vergangenheit und Texten die Konturen und die Vorausset- und von dem Willen zu einer gemeinsamen zungen eines gesellschaftlichen Konsenses, Zukunft. Unser 65 Jahre altes, 65 Jahre junges die jene kulturelle und religiöse Vielfalt Grundgesetz stiftet als unangefochtene Grund- braucht, die längst deutscher Alltag ist. Er lage der politischen Verfassung unseres Lan- lässt dabei niemals Zweifel aufkommen an des genau das, was wir alle in Deutschland der Universalität von Demokratie, Gewalten- brauchen – woher wir auch kommen, welchen teilung, Religionsfreiheit, weltanschaulicher Glauben wir auch haben, welche Sprache wir Neutralität des Staates, Toleranz, Menschen- auch sprechen: ein Gefühl der Zusammenge- rechten, also an all dem, was unser Grundge- hörigkeit und des Willens zu einer gemeinsa- setz als unaufgebbare Basis unseres Zusam- men Zukunft. menlebens verbindlich für alle hier lebenden Lieber Herr Kermani, wir sind neugierig auf Menschen definiert. Das Grundgesetz ist, Ihren Blick auf das Grundgesetz. Seien Sie uns so Kermani, „die deutsche Ausprägung von herzlich willkommen! Werten, die in ihrem Kern nichts Deutsches haben, sondern universal sind“. Beifall

„Navid Kermani lässt in seinen “Navid Kermani has never allowed Reden niemals Zweifel aufkommen any room for doubt about the an der Universalität von Demo universality of democracy, the kratie, Gewaltenteilung, Religions- separation of powers, religious freiheit ...“ – Bundesratsvizepräsi- freedom ...” – l. to r: Bundesrat dent Volker Bouffier, Gastredner Vice-President Volker Bouffier, Navid Kermani, Bundespräsident guest speaker Navid Kermani, Joachim Gauck, Bundeskanzlerin Federal President Joachim Gauck, Angela Merkel und Bundesver Chancellor Angela Merkel, and fassungsgerichtspräsident Andreas Andreas Voßkuhle, President Voßkuhle (v. l.) während der of the Federal Constitutional Court, Begrüßungsrede. during the welcome speech.

14 15 dennoch des Schutzes – kehrt das Grundge- setz die Prämisse der vorherigen deutschen Verfassungen ins Gegenteil um und erklärt den Staat statt zum Telos nunmehr zum Die- Sehr geehrte Herren Präsidenten! ner der Menschen, und zwar grundsätzlich al- gemeinsam, nur gemeinsam, bewahrheiten Frau Bundeskanzlerin! ler Menschen, der Menschlichkeit im empha- und haben sich in Deutschland in einem Meine Damen und Herren Abgeordnete! tischen Sinn. Sprachlich ist das, man mag es Grade bewahrheitet, wie es am 23. Mai 1949 Exzellenzen! nicht als brillant bezeichnen, weil man damit kaum jemand für möglich gehalten hätte. Im Liebe Gäste! einen eminent normativen Text ästhetisierte, deutschen Sprachraum vielleicht nur mit der es ist vollkommen, nichts anderes. Lutherbibel vergleichbar, hat das Grundgesetz Das Paradox gehört nicht zu den üblichen Überhaupt wird man die Wirkmächtigkeit, Wirklichkeit geschaffen durch die Kraft des Ausdrucksmitteln juristischer Texte, die den schier unfassbaren Erfolg des Grundge Wortes. schließlich größtmögliche Klarheit anstreben. setzes nicht erklären können, ohne auch seine „Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung Einem Paradox ist notwendig der Rätselcha- literarische Qualität zu würdigen. Jedenfalls seiner Persönlichkeit“: Wie abwegig muss den rakter zu eigen, ja, es hat dort seinen Platz, in seinen wesentlichen Zügen und Aussagen meisten Deutschen, die sich in den Trümmern wo Eindeutigkeit zur Lüge geriete. Deshalb ist ist es ein bemerkenswert schöner Text und ihrer Städte und Weltbilder ums nackte Über- es eines der gängigsten Mittel der Poesie. sollte es sein. Bekanntlich hat Theodor Heuss leben sorgten, wie abwegig muss ihnen die Und doch beginnt ausgerechnet das Grundge- die ursprüngliche Fassung des ersten Artikels Aussicht erschienen sein, so etwas Luftiges setz der Bundesrepublik Deutschland mit ei- mit dem Argument verhindert, dass sie wie die eigene Persönlichkeit zu entfalten. nem Paradox. Denn wäre die Würde des Men- schlechtes Deutsch sei. „Die Würde des Men- Aber was für ein verlockender Gedanke es schen unantastbar, wie es im ersten Satz heißt, schen ist unantastbar“ hingegen ist ein herrli- zugleich war! müsste der Staat sie nicht achten und schon cher deutscher Satz, so einfach, so schwierig, „Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich“: gar nicht schützen, wie es der zweite Satz ver- auf Anhieb einleuchtend und doch von umso Die Juden, die Sinti und Roma, die Homo langt. Die Würde existierte unabhängig und größerer Abgründigkeit, je öfter man seinen sexuellen, die Behinderten, überhaupt alle unberührt von jedweder Gewalt. Mit einem Folgesatz bedenkt: Sie muss dennoch ge- Randseiter, Andersgesinnten und Fremden, einfachen, auf Anhieb kaum merklichen Para- schützt werden. Beide Sätze können nicht sie waren ja vor dem Gesetz gerade nicht dox – die Würde ist unantastbar und bedarf gleichzeitig wahr sein, aber sie können sich gleich – also mussten sie es werden.

„Und doch beginnt ausgerechnet „Ein vollkommener Text“ das Grundgesetz der Bundes Rede von Dr. Navid Kermani republik Deutschland mit einem Paradox“ – Navid Kermani bei seiner Ansprache.

“And yet paradoxically, as it were, the Basic Law for the Federal Republic of Germany begins with a paradox” – Navid Kermani addresses the Bundestag.

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„Männer und Frauen sind gleichberechtigt“: Der Wochen und Monate währende Wider- Und heute? Ich habe keinen Zweifel, dass die stand just gegen diesen Artikel zeigt am deut- Mitglieder des Parlamentarischen Rates, soll- lichsten, dass Männer und Frauen 1949 noch ten sie unsere Feststunde von der himmli- keineswegs als gleichberechtigt galten; seine schen Ehrentribüne aus verfolgen, zufrieden Wahrheit wurde dem Satz erst in der Anwen- und sehr erstaunt wären, welche Wurzeln dung zuteil. eher Bekenntnisse, als dass sie die Wirklich- die Freiheit innerhalb der letzten 65 Jahre in Tribüne, obschon nicht der himmlischen, „Die Todesstrafe ist abgeschafft“: Das war gera- keit in Deutschland beschrieben hätten. Und Deutschland geschlagen hat. Und wahrschein- sitzt: Es wird keine 65 Jahre und nicht einmal de nicht der Mehrheitswunsch der Deutschen, es sah zunächst keineswegs danach aus, als lich würden sie auch die Pointe bemerken und 15 Jahre dauern, bis auch im Iran ein Christ, die in einer Umfrage zu drei Vierteln für die würde der Appell, der in diesen so schlichten zustimmend nicken, dass heute ein Kind von ein Jude, ein Zoroastrier oder ein Bahai wie Beibehaltung der Todesstrafe plädierten, und wie eindringlichen Glaubenssätzen lag, von Einwanderern an die Verkündung des Grund- selbstverständlich die Festrede in einem frei wird heute weithin bejaht. den Deutschen gehört. gesetzes erinnert, das noch dazu einer anderen gewählten Parlament hält. „Alle Deutschen genießen Freizügigkeit im gan- Das Interesse der Öffentlichkeit am Grundge- als der Mehrheitsreligion angehört. Es gibt zen Bundesgebiet“: Der Satz war den Mitglie- setz war aus heutiger Sicht beschämend ge- nicht viele Staaten auf der Welt, in denen Beifall dern des Parlamentarischen Rates angesichts ring, die Zustimmung innerhalb der Bevölke- das möglich wäre. Selbst in Deutschland wäre der Flüchtlingsnot und des Wohnungsmangels rung marginal. Befragt, wann es Deutschland es vor noch gar nicht langer Zeit, sagen wir „Dies ist ein gutes Deutschland, das beste, das fast peinlich und gilt 65 Jahre später nicht nur am besten gegangen sei, entschieden sich am 50. Jahrestag des Grundgesetzes, schwer wir kennen“, sagte vor Kurzem der Bundes- im wiedervereinigten Deutschland, sondern in noch 1951 in einer repräsentativen Umfrage vorstellbar gewesen, dass ein Deutscher die präsident. Ich kann dem nicht widersprechen. halb Europa. Der Bund kann „in die Beschrän- 45 Prozent der Deutschen für das Kaiserreich, Festrede im Bundestag hält, der nicht nur Welchen Abschnitt der deutschen Geschichte kungen seiner Hoheitsrechte einwilligen, die sieben Prozent für die Weimarer Republik, deutsch ist. ich mir auch vor Augen halte, in keinem ging eine friedliche und dauerhafte Ordnung in 42 Prozent für die Zeit des Nationalsozialis- In dem anderen Staat, dessen Pass ich besitze, es freier, friedlicher und toleranter zu als in Europa“ herbeiführen. Das dachte –1949 ! – mus und nur zwei Prozent für die Bundes ist es trotz aller Proteste und aller Opfer für unserer Zeit. Trotzdem flösse der Satz des ein vereinigtes Europa, ja: die Vereinigten republik. Zwei Prozent! Wie froh müssen die Freiheit undenkbar geblieben. Aber, das Bundespräsidenten mir selbst nicht so glatt Staaten von Europa voraus. wir sein, dass am Anfang der Bundesrepublik möchte ich von diesem Pult aus ebenfalls über die Lippen. Warum ist das so? Man könn- Und so weiter: das Diskriminierungsverbot, Politiker standen, die ihr Handeln nicht nach sagen, sehr geehrte Herren Präsidenten, Frau te das Unbehagen, den Stolz auf das eigene die Religionsfreiheit, die Freiheit von Kunst Umfragen, sondern nach ihren Überzeugungen Bundeskanzlerin, meine Damen und Herren Land auszusprechen, als typisch deutschen und Wissenschaft, die Meinungs- und Ver- ausrichteten. Abgeordnete, liebe Gäste und nicht zuletzt Selbsthass abtun und hätte doch genau den sammlungsfreiheit – das waren, als das Seine Exzellenz, der Botschafter der Islami- Grund übersehen, warum die Bundesrepublik Grundgesetz vor 65 Jahren verkündet wurde, Beifall schen Republik, der heute ebenfalls auf der lebens- und sogar liebenswert geworden ist.

„Wie froh müssen wir sein, dass am Anfang der Bundesrepublik Politi- ker standen, die ihr Handeln nicht nach Umfragen, sondern nach ihren Überzeugungen ausrichteten“ – Ehrengäste auf der Tribüne des Bundestages während der Rede von Navid Kermani.

“How thankful we should be that in the Federal Republic’s early years, we had politicians whose actions were driven by their convictions, not by the opinion polls” – guests of honour in the gallery during Navid Kermani’s speech.

18 19 Denn wann und wodurch hat Deutschland, das für seinen Militarismus schon im 19. Jahr- hundert beargwöhnte und mit der Ermordung aggressiven Nationalismus, und es gab als von sechs Millionen Juden vollständig entehrt gegenläufige Bewegung eine deutsche Selbst- scheinende Deutschland, wann und wodurch dazu Schuld, für die er persönlich, als Gegner kritik, ein Plädoyer für Europa, eine Wendung hat es seine Würde wiedergefunden? Wenn Hitlers und Exilant, am wenigsten verantwort- Sie ist das Deutschland, das ich liebe, nicht ins Weltbürgertum und übrigens auch zur ich einen einzelnen Tag, ein einzelnes Ereig- lich war: Hier hatte einer seine Ehre bewiesen, das großsprecherische, nicht das kraftmeiern- Weltliteratur, die in ihrer Entschlossenheit nis, eine einzige Geste benennen wollte, für indem er sich öffentlich schämte. Hier hatte de, nicht das Stolz-ein-Deutscher-zu-sein-und- jedenfalls im 19. Jahrhundert einzigartig die in der deutschen Nachkriegsgeschichte einer seinen Patriotismus so verstanden, dass Europa-spricht-endlich-deutsch-Deutschland, war. das Wort „Würde“ angezeigt scheint, dann war er vor den Opfern Deutschlands auf die Knie vielmehr eine Nation, die über ihre Geschich- „Ein guter Deutscher kann kein Nationalist es – und ich bin sicher, dass eine Mehrheit im ging. te verzweifelt, die bis hin zur Selbstanklage sein.“ Das sagte Willy Brandt in seiner Bundestag, eine Mehrheit der Deutschen und Ich neige vor Bildschirmen nicht zu Sentimen- mit sich ringt und hadert, zugleich am eigenen Nobelpreisrede voller Selbstbewusstsein. erst recht eine Mehrheit dort auf der himm talität, und doch ging es mir wie so vielen, Versagen gereift ist, die nie mehr den Prunk Und weiter: „Ein guter Deutscher weiß, dass lischen Tribüne mir jetzt zustimmen wird –, als zu seinem 100. Geburtstag die Aufnahmen benötigt, ihre Verfassung bescheiden „Grund- er sich einer europäischen Bestimmung nicht dann war es der Kniefall von Warschau. eines deutschen Kanzlers wiederholt wurden, gesetz“ nennt und dem Fremden lieber eine versagen kann. Durch Europa kehrt Deutsch- der vor dem Ehrenmal im ehemaligen War- Spur zu freundlich, zu arglos begegnet, als land heim zu sich selbst und den aufbauenden Beifall schauer Getto zurücktritt, einen Augenblick jemals wieder der Fremdenfeindlichkeit, der Kräften seiner Geschichte.“ zögert und dann völlig überraschend auf die Überheblichkeit zu verfallen. Das ist noch merkwürdiger als das Paradox, Knie fällt – ich kann das bis heute nicht sehen, Es wird oft gesagt – und ich habe Redner das Beifall mit dem das Grundgesetz beginnt, und wohl ohne dass mir Tränen in die Augen schießen. auch von diesem Pult aus sagen hören –, dass beispiellos in der Geschichte der Völker: Und das Seltsame ist: Es sind neben allem an- die Deutschen endlich wieder ein normales, Seit dem 18. Jahrhundert, spätestens seit Dieser Staat hat Würde durch einen Akt der deren, neben der Rührung, der Erinnerung an ein unverkrampftes Verhältnis zu ihrer Nation Lessing, der den Patriotismus verachtete und Demut erlangt. Wird nicht das Heroische ge- die Verbrechen, dem jedes Mal neuen Stau- haben sollten, jetzt, da der Nationalsozialis- als erster Deutscher das Wort „Kosmopolit“ wöhnlich mit Stärke assoziiert, mit Männlich- nen, auch Tränen des Stolzes, des sehr leisen mus doch nun lange genug bewältigt sei. Ich verwendete, stand die deutsche Kultur häufig keit und also auch physischer Kraft und am und doch bestimmten Stolzes auf eine solche frage mich dann immer, was die Redner mei- in einem antipodischen Verhältnis zur Nation. allermeisten mit Stolz? Hier jedoch hatte einer Bundesrepublik Deutschland. nen: Es gab dieses normale und unverkrampf- Goethe und Schiller, Kant und Schopenhauer, Größe gezeigt, indem er seinen Stolz unter- te Verhältnis nie, auch nicht vor dem Natio- Hölderlin und Büchner, Heine und Nietzsche, drückte und Schuld auf sich nahm, noch Beifall nalsozialismus. Es gab einen übersteigerten, Hesse und die Brüder Mann – sie alle haben

„Die Bundesrepublik Deutschland ist das Deutschland, das ich liebe“ – Blick ins Plenum während der Rede von Navid Kermani; in der ersten Reihe sitzen die Vertreter der Ver fassungsorgane.

“This is the Germany that I love” – view of the plenary during Navid Kermani’s speech; representatives of the constitutional bodies are seated in the front row.

20 21 wenn die Entwicklungshilfe eines wirt schaftlich so starken Landes noch unter dem Durchschnitt der OECD-Staaten liegt – oder Deutschland von neun Millionen Syrern, die im Bürgerkrieg ihre Heimat verloren haben, gerade mal 10.000 aufnimmt. mit Deutschland gehadert, haben sich als Weltbürger gesehen und an die europäische Beifall Einigung geglaubt, lange bevor die Politik das Projekt entdeckte. Schließlich bedeutet das Engagement in der Es ist diese kosmopolitische Linie deutschen Welt, für das Willy Brandt beispielhaft steht, Geistes, die Willy Brandt fortführte – nicht im Umkehrschluss auch mehr Offenheit für nur mit seinem Kampf gegen den deutschen die Welt. Wir können das Grundgesetz nicht Nationalismus und für ein vereintes Europa, feiern, ohne an die Verstümmelungen zu erin- ebenso in seinem frühen Plädoyer für eine nern, die ihm hier und dort zugefügt worden „Weltinnenpolitik“, in seinem Engagement für sind. Auch im Vergleich mit den Verfassungen die Nord-Süd-Kommission und während sei- anderer Länder wurde der Wortlaut ungewöhn- nes Vorsitzes der Sozialistischen Internationa- lich häufig verändert, und es gibt nur wenige le. Und es wirft dann vielleicht doch kein so Eingriffe, die dem Text gutgetan haben. Was günstiges Licht auf das heutige Deutschland, der Parlamentarische Rat bewusst im Allge- wenn bei den Fernsehduellen vor der Bundes- meinen und Übergeordneten beließ, haben der tagswahl nach der Außenpolitik so gut wie Bundestag und der Bundesrat bisweilen mit nicht mehr gefragt wird oder ein Verfassungs- detaillierten Regelungen befrachtet. Nicht nur organ die Bedeutung der anstehenden Europa- sprachlich am schwersten wiegt die Entstel- wahl bagatellisiert, lung des Artikels 16.

Beifall Beifall

„Schließlich bedeutet das Engage- ment in der Welt, für das Willy Brandt beispielhaft steht, im Um- kehrschluss auch mehr Offenheit für die Welt“ – Blick auf die Besuchertribüne während der Rede von Navid Kermani.

“Ultimately, engagement in the world, exemplified by Willy Brandt, also means more openness to the world” – view of the visitors’ gallery during Navid Kermani’s speech.

22 23 Auch heute gibt es Menschen, viele Men- schen, die auf die Offenheit anderer, demokratischer Länder existenziell angewiesen sind. Und Edward Snowden, dem wir für die Wah- Meine Eltern sind nicht aus Iran geflohen. rung unserer Grundrechte viel verdanken, Aber nach dem Putsch gegen die demokrati- ist einer von ihnen. Denn von einem einheitlichen europäischen sche Regierung Mossadegh 1953 waren sie Flüchtlingsrecht, mit dem 1993 die Reform wie viele Iraner ihrer Generation froh, in einem Ausgerechnet das Grundgesetz, in dem Beifall begründet wurde, kann auch zwei Jahrzehnte freieren, gerechteren Land studieren zu kön- Deutschland seine Offenheit auf ewig fest später keine Rede sein, und schon sprachlich nen. Nach dem Studium haben sie Arbeit ge- geschrieben zu haben schien, sperrt heute Andere ertrinken im Mittelmeer – jährlich schmerzt der Missbrauch, der mit dem Grund- funden. Sie haben Kinder, Kindeskinder und diejenigen aus, die auf unsere Offenheit am mehrere Tausend, also mit sehr großer Wahr- gesetz getrieben wird. Dem Recht auf Asyl sogar Urenkel aufwachsen sehen. Sie sind alt dringlichsten angewiesen sind: die politisch scheinlichkeit auch während unserer Fest- wurde sein Inhalt, dem Artikel 16 seine geworden in Deutschland. Diese ganze große Verfolgten. Ein wundervoll bündiger Satz – stunde. Deutschland muss nicht alle Mühseli- Würde genommen. Familie – 26 Menschen inzwischen, wenn ich „Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.“ – gen und Beladenen der Welt aufnehmen, aber nur die direkten Nachkommen und Angehei- geriet 1993 zu einer monströsen Verordnung es hat genügend Ressourcen, politisch Verfolg- Beifall rateten zähle – ist glücklich geworden in die- aus 275 Wörtern, die wüst aufeinandergesta- te zu schützen, statt die Verantwortung auf sem Land. Und nicht nur wir: Viele Millionen pelt und fest ineinander verschachtelt wur- die sogenannten Drittstaaten abzuwälzen. Möge das Grundgesetz spätestens bis zum Menschen sind seit dem Zweiten Weltkrieg den, nur um eines zu verbergen: dass Deutsch- 70. Jahrestag seiner Verkündung von diesem in die Bundesrepublik eingewandert, die Ver- land das Asyl als Grundrecht praktisch abge- Beifall hässlichen, herzlosen Fleck gereinigt sein, triebenen und Aussiedler berücksichtigt mehr schafft hat. verehrte Abgeordnete. als die Hälfte der heutigen Bevölkerung. Das Und es sollte aus wohlverstandenem Eigen ist auch im internationalen Vergleich eine Beifall interesse anderen Menschen eine faire Chance Beifall gewaltige demografische Veränderung, die geben, sich um die Einwanderung legal zu das Land innerhalb einer einzigen Generation Muss man tatsächlich daran erinnern, dass bewerben, damit sie nicht auf das Asylrecht Dies ist ein gutes Deutschland, das beste, das zu bewältigen hatte, und ich meine, dass auch Willy Brandt, bei dessen Nennung viele zurückgreifen müssen. wir kennen. Statt sich zu verschließen, darf es Deutschland sie insgesamt gut bewältigt hat. von Ihnen quer durch die Reihen beifällig ge- stolz darauf sein, dass es so anziehend gewor- Es gibt, gerade in den Ballungsräumen, kultu- nickt haben, ein Flüchtling war, ein Asylant? Beifall den ist. relle, religiöse und vor allem soziale Konflikte.

„Viele Millionen Menschen sind seit dem Zweiten Weltkrieg in die Bundesrepublik eingewandert, die Vertriebenen und Aussiedler be- rücksichtigt mehr als die Hälfte der heutigen Bevölkerung“ – Blick auf die Regierungsbank während der Rede von Navid Kermani.

“Since the Second World War, many millions of people have immigrated into the Federal Republic, and if we include the expellees and resettlers from Eastern Europe, they amount to more than half the present population” – view of the government benches during Navid Kermani’s speech.

24 25 Es gibt Ressentiments bei Deutschen, und es gibt Ressentiments bei denen, die nicht nur deutsch sind. Leider gibt es auch Gewalt und sogar Terror und Mord. Aber aufs Ganze be- ihrer Kinder und Kindeskinder, die wie selbst- trachtet geht es in Deutschland ausgesprochen sundheitssystem, Rechtsstaatlichkeit, eine verständlich mit zwei Kulturen und endlich friedlich, immer noch verhältnismäßig gerecht bisweilen quälende und doch so wertvolle auch zwei Pässen aufwachsen, im Namen und sehr viel toleranter zu als noch in den Meinungsfreiheit, die freie Ausübung der meiner Schriftstellerkollegen, denen die deut- 90er-Jahren. Ohne es eigentlich zu merken, hat Religion. sche Sprache ebenfalls ein Geschenk ist, im die Bundesrepublik – und da spreche ich noch So möchte ich zum Schluss meiner Rede tat- Namen der Fußballer, die in Brasilien alles für gar nicht von der Wiedervereinigung – eine sächlich einmal in Stellvertretung sprechen, Deutschland geben werden, auch wenn sie die grandiose Integrationsleistung vollbracht. und im Namen von – nein, nicht im Namen Nationalhymne nicht singen, Präsident Prof. Dr. Norbert Lammert Vielleicht hat es hier und dort an Anerken- von allen Einwanderern, nicht im Namen von nung gefehlt, einer deutlichen, öffentlichen Djamaa Isu, der sich fast auf den Tag genau Beifall Vielen Dank, lieber Herr Kermani, für diesen Geste besonders der Generation meiner Eltern, vor einem Jahr im Erstaufnahmelager Eisen- starken, kritischen und zugleich ermutigenden der Gastarbeitergeneration gegenüber, wie hüttenstadt mit einem Gürtel erhängte aus im Namen auch der weniger Erfolgreichen, Blick auf dieses Land und seine Verfassung. viel sie für Deutschland geleistet hat. Angst, ohne Prüfung seines Asylantrages der Hilfsbedürftigen und sogar der Straffälli- in ein sogenanntes Drittland abgeschoben gen, die gleichwohl – genauso wie die Özils Beifall Beifall zu werden, nicht im Namen von Mehmet und Podolskis – zu Deutschland gehören, im Kubasik und den anderen Opfern des Natio- Namen zumal der Muslime, die in Deutsch- Wegen der sprichwörtlichen deutschen Freude Doch umgekehrt haben vielleicht auch die nalsozialistischen Untergrunds, die von den land Rechte genießen, die zu unserer Beschä- an Veränderungen probieren wir heute ein Einwanderer nicht immer genügend deutlich ermittelnden Behörden und den größten Zei- mung Christen in vielen islamischen Ländern neues Format für die Gestaltung einer solchen gemacht, wie sehr sie die Freiheit schätzen, tungen des Landes über Jahre als Kriminelle heute verwehrt sind, im Namen also auch Feststunde und ergänzen den Beitrag eines an der sie in Deutschland teilhaben, verleumdet wurden, nicht im Namen auch nur meiner frommen Eltern und einer inzwischen geladenen Gastredners durch kurze Beiträge eines jüdischen Einwanderers oder Rückkeh- 26-köpfigen Einwandererfamilie möchte ich aus den Fraktionen. Dafür darf ich jetzt die Beifall rers, der die Ermordung beinahe seines ganzen sagen und mich dabei auch wenigstens sym- Fraktionsvorsitzenden um ihre Beiträge bitten Volkes niemals für bewältigt halten kann –, bolisch verbeugen: Danke, Deutschland. und erteile zunächst dem Kollegen Volker den sozialen Ausgleich, die beruflichen aber doch im Namen von vielen, von Millio- Kauder für die CDU/CSU-Fraktion das Wort. Chancen, kostenlose Schulen und Universi nen Menschen, im Namen der Gastarbeiter, langanhaltender Beifall, täten, übrigens auch ein hervorragendes Ge- die längst keine Gäste mehr sind, im Namen die Anwesenden erheben sich Beifall

„Ohne es eigentlich zu merken, hat die Bundesrepublik eine grandiose Integrationsleistung vollbracht“ – Blick ins Plenum während der Rede von Navid Kermani.

“Without really noticing, the Federal Republic has achieved a magnificent feat of integration” – view of the plenary during Navid Kermani’s speech.

26 27 Zu diesem Grundgesetz gehört vor allem die unglaubliche Entwicklung aus dem Text he raus, die auch mit einem starken Bundesver- Volker Kauder (CDU/CSU) fassungsgericht zusammenhängt. Wir erinnern uns sehr genau daran, wie die ersten Interpre- Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir Herr Bundestagspräsident! tationen des Grundrechtskatalogs durch die haben heute allen Grund, dieses Wertesystem Frau Bundeskanzlerin! Rechtsprechung des Bundesverfassungsge- in besonderer Weise immer wieder zu erwäh- Meine Herren Präsidenten! richts in die politische Wirklichkeit hineinge- nen. Während wir wie selbstverständlich Frei- Liebe Kolleginnen und Kollegen! wirkt haben. Aus unserer Geschichte heraus heit, Rechtsstaat und Sicherheit für uns in haben wir den Grundrechtskatalog zunächst Anspruch nehmen können – vielfach, ohne Ich glaube, dass man bei aller Würde eines einmal als ein Abwehrrecht des Bürgers gegen gar nicht darüber nachzudenken –, kämpfen solchen Festaktes an einem 65. Geburtstag den Staat verstanden. Aus der Geschichte des Menschen nicht weit von uns entfernt um auch Freude verbreiten kann. barbarischen, verbrecherischen Dritten Reiches Freiheit, um Selbstbestimmung und um den heraus musste der Einzelne geschützt werden. Rechtsstaat. An deren Seite müssen wir stehen Beifall In einer bemerkenswerten Formulierung hat aus Dankbarkeit für das, was uns das Grund- das Bundesverfassungsgericht dann erklärt: gesetz in diesem Land ermöglicht hat. Dass wir im 65. Jahr des Bestehens der Bun- Die Bundesrepublik Deutschland ist weltan- desrepublik Deutschland bei allem, was auch schaulich neutral, aber sie ist nicht wertneu Beifall zu kritisieren ist, Freude empfinden dürfen, tral. Die Werte des Grundgesetzes wurden so hängt damit zusammen, dass wir auf dem Bo- zu einem allgemein verbindlichen Wertekata- Zu gleicher Zeit erkennen wir aber auch, dass den des Grundgesetzes ein in der Geschichte log, der weit über das Verhältnis des Einzel- das Grundgesetz sich nicht selbst durchsetzen einzigartiges Deutschland geschaffen haben. nen zum Staat wirksam wurde. Das war das kann. Das Bundesverfassungsgericht hat noch Hineintragen des Grundgesetzes in die Gesell- keinen Gerichtsvollzieher. Das mag der eine Beifall schaft, mitten in das Herz unseres Landes. oder andere bemängeln, aber noch immer ist

„Die Werte des Grundgesetzes wur- Beiträge der Fraktionen den zu einem allgemein verbind lichen Wertekatalog, der weit über das Verhältnis des Einzelnen zum Staat wirksam wurde“ – Volker Kauder, Vorsitzender der CDU/CSU- Fraktion.

“The provisions of the Basic Law thus became a universally binding set of moral principles and values whose effects extend far beyond the individual’s relationship to the state” – Volker Kauder, Chair of the CDU/CSU parliamentary group.

28 29 desverfassungsgericht war, hat einmal zu uns jungen Studenten gesagt: Wenn Entscheidun- gen des Bundesverfassungsgerichts nicht mehr Volker Kauder (CDU/CSU) in eine juristische, politische und gesellschaft- Ich halte es für bemerkenswert für die Bundes- liche Diskussion hineingetragen werden, dann Es ist wie im deutschen Fußball, wie bei republik Deutschland, dass hier jemand an es so, dass die Entscheidungen des Bundesver- stimmt etwas in unserem Land nicht. Deswe- den dortigen Tatsachenentscheidungen des unserem Geburtstag eine Festrede halten darf fassungsgerichts nur dann wirksam werden gen glaube ich, dass es gar nicht der Aufgeregt- Schiedsrichters: Die Erklärungen des Bundes- – wie es eigentlich bei jedem außergewöhnli- können, wenn sie auch vollzogen werden. Es heiten bedarf, die es da manchmal gibt. Jeder tagspräsidenten nehme ich natürlich an. chen Geburtstag der Fall ist –, in der er den ist eine Selbstverständlichkeit, dass wir Ent- macht seine Aufgabe im Respekt vor dem an- Jubilar lobt, aber auch ein paar Dinge sagt, die scheidungen des Bundesverfassungsgerichts deren, und jeder versucht, in einer gewissen Heiterkeit und Beifall dem Jubilar vielleicht zum Nachdenken gerei- umsetzen. Aber daraus ergibt sich auch das, Selbstbescheidung nicht über seine Grenzen chen. Es gilt der allgemeine Satz, der eher aus was in mehreren Entscheidungen des Bundes- hinauszugehen – wir nicht, das Bundesverfas- Ich korrigiere insofern: Dann ist das meiste in der katholischen als aus der evangelischen verfassungsgerichts so wunderbar formuliert sungsgericht nicht. Dann ist die Welt in unse- Ordnung, Herr Bundestagspräsident. Kirche stammt: Zu viel Weihrauch schwärzt wurde: die Akzeptanz des frei gewählten Ab- rem Land in Ordnung, meine sehr verehrten den Heiligen. geordneten, des durch das Volk gewählten Ab- Damen und Herren. Heiterkeit geordneten, der die Politik entscheiden muss. Heiterkeit und Beifall Nicht das Gericht, sondern dieses Parlament Heiterkeit und Beifall Der Satz „Ich bin stolz ...“ fällt einem Protes- entscheidet über die Grundlagen politischer tanten immer sehr schwer; mit dem Satz ha- Deswegen war mehr Lob gar nicht notwendig. Gestaltung in unserem Land. ben wir Probleme. Aber dass wir uns darüber Hier an diesem Platz, dem Rednerpult des Präsident Prof. Dr. Norbert Lammert freuen, in einem solchen Land zu leben, dass Deutschen Bundestages, an dem die Debatten Beifall wir uns darüber freuen, dass wir, die wir hier stattfinden – ich bin dankbar dafür, dass auch Sie ist dann, Herr Kollege Kauder, wahrschein- sitzen, Gestaltungsmöglichkeiten haben, das wir uns hier präsentieren können –, sage ich: Dass es darüber immer wieder Diskussionen lich noch nicht ganz in Ordnung, aber es wäre darf man doch wohl sicher an einem solchen Vielen Dank für diese Festrede. Vieles teile gibt, gehört zum verfassungsrechtlichen Dis- ein Beitrag zur Vervollständigung der Welt. Tag sagen. ich, manches auch nicht. kurs. Mein Verfassungsrechtslehrer, Professor Konrad Hesse, der ebenfalls Richter am Bun- Heiterkeit Beifall Beifall

„Nicht das Gericht, sondern dieses Parlament entscheidet über die Grundlagen politischer Gestaltung in unserem Land“ – Volker Kauder während seiner Rede.

“It is not the Court but Parliament which sets the political course in our country” – Volker Kauder during his speech.

30 31 Das Grundgesetz hat uns nach dem Ende der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft 65 Jahre lang ein Leben in Frieden und Frei- heit gesichert, es hat die Wiedervereinigung Darüber wird bei anderer Gelegenheit zu spre- ermöglicht, und es hat uns, wie der Historiker chen sein. Aber eines möchte ich schon sagen Edgar Wolfrum es formuliert hat, eine „ge- – bei aller Kritik am Asylrecht und am Asyl- glückte Demokratie“ beschert. Schon deshalb verfahren: Deutschland ist das Land in Euro- Thomas Oppermann (SPD) ist das Grundgesetz die beste Verfassung, die pa, das die meisten Asylbewerber aufnimmt. Deutschland jemals hatte. Herr Bundespräsident! Die Frage, die sich heute stellt, ist, ob unser Beifall Herr Bundesratspräsident! Beifall Grundgesetz seine Schutzfunktion für die Frau Bundeskanzlerin! Menschen und seine wirklichkeitsprägende Das darf an einem solchen Tag auch nicht Herr Präsident des Bundesverfassungsgerichts! Auch nach 65 Jahren ist unser Grundgesetz Kraft auch weiterhin entfalten kann. Ich sehe vergessen werden. Lieber Navid Kermani! immer noch modern. Es wurde vom Parlamen- drei große Herausforderungen. Einigkeit und Recht und Freiheit sind unsere Meine sehr verehrten Kolleginnen tarischen Rat bewusst als offene Verfassung Die erste Herausforderung: Deutschland ist Prinzipien. Mögen sie uns auch in den nächs- und Kollegen! angelegt. Es lässt gesellschaftliche Verände- heute das wichtigste Einwanderungsland in ten Jahren beschieden sein! Dafür möchten rungen nicht nur zu, es hat auch selbst gesell- Europa. Unser Land ist attraktiv für gut aus wir danken, und dafür erbitte ich – wie es Was für eine lebendige Feierstunde! schaftsverändernde Kraft. gebildete Menschen, die nach Deutschland so schön in der Verfassung angelegt ist – Vor allem die Rechtsprechung des Bundesver- kommen wollen, um zu arbeiten, um Geld Gottes Segen. Beifall fassungsgerichtes zu den Grundrechten hat zu verdienen und um ihr Glück zu machen. unser Land moderner gemacht und die recht Allein in den letzten beiden Jahren sind fast Beifall Ich danke dem Bundestagspräsidenten dafür, liche Stellung und vor allem die Lebenswirk- 800.000 Menschen mehr nach Deutschland dass er sie initiiert hat. Ich glaube, wenn das lichkeit vieler Menschen spürbar verbessert. gekommen als weggegangen sind. Das ist gut; Grundgesetz selbst einen Wunsch hätte äußern Ich denke zum Beispiel an die Urteile zur denn wir brauchen diese Menschen, um bei Präsident Prof. Dr. Norbert Lammert können, wie sein Geburtstag gefeiert werden Gleichberechtigung von Frauen, zur Gleich- einer schrumpfenden Bevölkerung unseren soll, es hätte sich eine solche Feierstunde und stellung homosexueller Lebenspartnerschaften Wohlstand zu erhalten. Zuwanderung berei- Für die SPD-Fraktion erhält nun der Kollege vor allen Dingen hätte es sich eine solche Fest- oder zur Meinungs- und Versammlungsfrei- chert unser Land aber nicht nur wirtschaftlich, Thomas Oppermann das Wort. rede wie die von Navid Kermani gewünscht. heit. sondern auch kulturell.

Beifall Beifall Beifall Beifall

„Auch nach 65 Jahren ist unser Grundgesetz immer noch modern“ – Thomas Oppermann, Vorsitzender der SPD-Fraktion.

“Even after 65 years, our Basic Law is still modern” – Thomas Opper- mann, Chair of the SPD parliamentary group.

32 33 Die dritte große Herausforderung ist die not- Dieser Grundrechtsschutz hat jahrzehntelang wendige Vertiefung der Europäischen Union. Wir müssen allerdings noch lernen, mit dieser gut funktioniert, aber er stößt jetzt an seine Welchen Wert die EU für uns hat, ist in diesen kulturellen Diversität positiv umzugehen, und nationalen Grenzen. Denn im weltweiten Netz Tagen allen besonders bewusst. In der Ukraine das Grundgesetz hilft uns dabei. Es will Tole- werden unsere elementaren Freiheitsrechte erleben wir, wie das Völkerrecht gebrochen ranz, es akzeptiert Meinungsunterschiede, gleich von zwei Seiten bedroht: zum einen Wir kommen deshalb nicht umhin, die Funkti- wird und nationalistisches Denken wieder Pluralität von Religionen sowie kulturelle von Regierungen und Nachrichtendiensten on der Grundrechte im digitalen Zeitalter neu Einzug hält. Wir merken: Auch 100 Jahre nach Vielfalt. Es bietet deshalb alle Voraussetzun- wie der NSA, die ihre Kontrolle ausweiten zu justieren. dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges ist es gen, unsere faktische Einwanderungsgesell- und im Namen der Sicherheit schrankenlose keine Selbstverständlichkeit, in Europa in schaft zu einer Gesellschaft freier und gleich- Überwachungsprogramme auflegen, zum an- Beifall Frieden zusammenzuleben. Die Entscheidung berechtigter Bürger zu machen, zu einer Ge- deren von mächtigen Konzernen wie Google für die EU ist deshalb der beste Weg, den Frie- sellschaft, in der alle die gleichen Rechte, und Facebook, die sich das Internet als Werk- Was wir jetzt brauchen, ist eine breite gesell- den zu sichern. Aber die EU steht nicht nur Pflichten und Chancen haben, unabhängig zeug zur Durchsetzung ihrer wirtschaftlichen schaftliche und politische Debatte darüber, in für Frieden, sondern auch für gemeinsame von ihrer Herkunft, Hautfarbe und Religion. Interessen aneignen und unser Verhalten welchen Grenzen Überwachung in Demokrati- Werte wie Freiheit, Demokratie und Solidari- vorhersagen und steuern möchten. en zulässig ist und wo der unantastbare Kern- tät. In unserer globalisierten Welt ist jedes ein- Beifall bereich privater Lebensführung beginnt. Es zelne europäische Land zu schwach, diese Beifall geht dabei nicht nur um den Schutz jedes Ein- Werte allein zu verteidigen. Deshalb kann nur Die zweite große Herausforderung ist der zelnen von uns. Es geht um die Demokratie ein vereintes, ein wirtschaftlich starkes, ein Schutz der Grundrechte im digitalen Zeitalter. Angesichts dieser doppelten Bedrohung geht insgesamt; demokratisches und soziales Europa unsere Das Grundgesetz schützt unsere private, ge- es nicht mehr nur um die klassische Idee der Werte und Interessen in der Welt behaupten. schäftliche und politische Kommunikation. Es Grundrechte als Abwehrrechte gegen den Beifall garantiert das Post- und Fernmeldegeheimnis, Staat. Der Staat muss heute gleichzeitig die Beifall und wo Lücken waren, hat sie das Bundesver- Grundrechte der Bürger vor dem Zugriff inter- denn eine geschützte Privatsphäre ist genauso fassungsgericht mit dem Recht auf informatio- nationaler privater Wirtschaftsmacht schüt- wie die Meinungsfreiheit schlechthin konsti- Auf dem Weg dahin hat uns das Bundesver nelle Selbstbestimmung und dem Grundrecht zen. tuierend für eine freiheitliche Demokratie. fassungsgericht enge Grenzen gesetzt. Ich bin auf die Vertraulichkeit und Integrität informa- aber überzeugt, dass das Grundgesetz uns tionstechnischer Systeme geschlossen. Beifall Beifall nicht nur die deutsche Einheit ermöglicht hat,

„Das Grundgesetz will Toleranz, es akzeptiert Meinungsunterschiede, Pluralität von Religionen sowie kulturelle Vielfalt“ – Thomas Opper- mann während seiner Rede; im Hintergrund die Regierungsbank.

“The Basic Law demands tolerance and accepts differences of world view, a plurality of faiths, and cultural diversity” – Thomas Oppermann during his speech; the government benches are in the background.

34 35 Und das gilt gerade auch für die ehemaligen Bürgerinnen und Bürger der DDR. Das muss ich hier so deutlich sagen. Dr. Gregor Gysi (Die Linke) Beifall Herr Bundespräsident! Frau Bundeskanzlerin! Das Grundgesetz hat viele Väter und nur Menschenwürde. Der Satz erhebt einen hohen Herr Bundesratspräsident! wenige Mütter; dazu komme ich noch. moralischen Anspruch und prägt den jeweili- Herr Präsident des Bundesverfassungsgerichts! Artikel 1 Absatz 1 Satz 1 besagt: gen Zeitgeist. Denn was die Würde eines Men- sondern uns am Ende auch die europäische Herr Präsident des Bundestages! schen ausmacht, ist selbst wieder das Ergebnis Einheit ermöglichen wird. Denn das Grundge- „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ sozialer und kultureller Auseinandersetzun- setz will ausdrücklich, dass wir Deutschen als Ich habe Ihnen, Dr. Kermani, sehr gut zuge- gen. Der Satz ist und bleibt eine wichtige gleichberechtigtes Glied in einem vereinten hört. Ich finde, dass Sie eine ausgezeichnete Das war die einzig richtige Antwort auf die Grundlage für das Bundesverfassungsgericht. Europa dem Frieden in der Welt dienen. Das Rede zu diesem Anlass gehalten haben. Nazibarbarei, gerade in und für Deutschland. Zu ihm sage ich: Es ist eine sehr, sehr wichtige sollten alle, die am Sonntag zur Europawahl Einrichtung – dank des Grundgesetzes. gehen, bedenken. Und all diejenigen, die nicht Beifall Beifall zur Wahl gehen wollen, sollten das erst recht Beifall bedenken. Es gab vielleicht hier und da ein kleines Es ist auch völlig richtig, dass dieser Satz der Ich danke Ihnen. Moment, wo ich nicht ganz zugestimmt hätte; erste Satz ist und an erster Stelle steht. Er um- Auch die Rechtsetzung des Bundestages muss aber das waren andere als die, die Herr Kauder fasst alle Menschen; er unterscheidet nicht sich die Würde des Menschen zum Maßstab Beifall meinte. zwischen ihrer Herkunft, ihrem Glauben, ih- nehmen. Natürlich ist die Wirkung des Satzes rem Geschlecht, ihrem Alter, ihrer Hautfarbe, immer auch begrenzt; denn täglich wird die Heiterkeit ihrer sexuellen Orientierung oder einer Behin- Menschenwürde auch bei uns verletzt, in der Präsident Prof. Dr. Norbert Lammert derung. Dieser Satz ist der bei Bürgerinnen und höchsten Form übrigens durch Kriege. Wir Trotzdem sage ich: In einem sind wir uns alle Bürgern am tiefsten ins Bewusstsein einge- wissen, dass dieses unveräußerliche Grund- Gregor Gysi ist der nächste Redner für die einig: Das Grundgesetz ist die beste Verfassung drungene. Bei allen Formen sozialer und kultu- recht nie vollständig erfüllt ist. Es ist aber Fraktion Die Linke. in der Geschichte Deutschlands. reller Diskriminierung, wirtschaftlicher Un- nicht nur Utopie, sondern auch Ansporn, ge- gleichheit oder Unterdrückung berufen sich die gen alle Formen der Verletzung und Missach- Beifall Beifall Bürgerinnen und Bürger auf die Verletzung der tung der Würde des Menschen vorzugehen.

„Das Grundgesetz ist die beste Ver- fassung in der Geschichte Deutsch- lands“ – Gregor Gysi, Vorsitzender der Fraktion Die Linke.

“The Basic Law is the best constitution in Germany’s history” – Gregor Gysi, Chair of the Left Party parliamentary group.

36 37 Frauen fordert, dürfen Frauen auch gegen je- hinweisen, seine Pflichten zu erfüllen. Erst den Willen des Ehemannes erwerbstätig sein, vier Jahre später, am 18. Juni 1957, wurde das wechselte das Hausfrauenmodell zum Partner- Artikel 2 Absatz 2 Satz 1 besagt: erste Gleichberechtigungsgesetz verabschiedet. schaftsprinzip. Das Recht des Ehemannes, ein Arbeitsverhält- 1994 gab es dann eine wichtige Bekräftigung „Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche nis seiner Ehefrau fristlos zu kündigen, wurde im Grundgesetz durch Aufnahme folgenden Unversehrtheit.“ aufgehoben. Bis dahin konnte der Ehemann Satzes in Artikel 3: seiner Frau sogar verbieten, einen Beruf aus- Auch Letzteres gilt für jede und jeden, nicht zuüben und ein eigenes Konto zu führen. Die „Der Staat fördert die tatsächliche Durchset- Sie nicht mehr abzuhören, aber wir alle ande- abhängig von der Staatsbürgerschaft, der Frauen durften fortan auch gegen den Willen zung der Gleichberechtigung von Frauen und ren – es tut mir leid, Herr Präsident des Bun- Art der Versicherung oder davon, ob sich ein des Ehemannes arbeiten, aber nur, wenn der Männern und wirkt auf die Beseitigung beste- desverfassungsgerichts, Sie auch – werden Flugbetrieb rechnet. Ehemann und die Kinder nicht darunter litten. hender Nachteile hin.“ abgehört. Das müsste man doch mal beenden, und zwar sofort und unverzüglich. In Artikel 3 Absatz 2 steht seit 1949: Heiterkeit Nach wie vor sind Frauen benachteiligt. Sie verdienen im Schnitt 22 Prozent weniger als Beifall „Männer und Frauen sind gleichberechtigt.“ Frauen erhielten ein Mitspracherecht in Männer. Sogenannte Frauenberufe werden im- Familienangelegenheiten. In der Erziehung mer schlecht bezahlt, was bei Kindertagesstät- Ich sage noch kurz etwas zum Eigentum. Das war ein gewaltiger Fortschritt. Denn die der Kinder behielten Männer aber das alleini- ten und Pflege ein einziger Skandal ist. Artikel 14 Absatz 2 besagt: Kriegsgeneration war von einem reaktionären ge Entscheidungsrecht. Gesetzliche Vertreter Frauenbild geprägt. Das Grundgesetz erteilte minderjähriger Kinder blieben allein die Beifall „Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zu- dem Bundestag, der natürlich überwiegend Väter. gleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.“ aus Männern bestand, den verfassungsrechtli- Einige dieser Regelungen wurden selbstver- Die Grundrechte – darauf hat Herr Oppermann chen Auftrag, bis zum 31. Dezember 1953 die ständlich vom Bundesverfassungsgericht – das hingewiesen – müssen wir im digitalen Zeital- Das sind zwei Sätze, die fast genauso tief im der Gleichberechtigung widersprechenden zeigt, wie wichtig es ist – wegen Verletzung ter tatsächlich lernen besser zu schützen. Herr Bewusstsein unserer Bevölkerung verankert ehe- und familienrechtlichen Bestimmungen des Gleichbehandlungsgrundsatzes für ver Bundespräsident, ich bin ja sehr beruhigt, dass sind wie der Satz über die Würde des Men- des BGB zu überarbeiten. Aber es tat sich zu- fassungswidrig erklärt. Erst seit 1977, also die NSA entschieden hat, Sie nicht mehr ab- schen. Das ist auch interessant, weil es auch nächst nichts. Das Bundesverfassungsgericht 28 Jahre nach Annahme des Grundgesetzes, zuhören, und, Frau Bundeskanzlerin, ich bin ein Schluss aus der Nazidiktatur war, diese musste den Bundestag ausdrücklich darauf das die Gleichberechtigung von Männern und auch beruhigt, dass die NSA entschieden hat, Regelung aufzunehmen.

„Die Grundrechte müssen wir im digitalen Zeitalter tatsächlich lernen besser zu schützen“ – Gregor Gysi während seiner Rede.

“In the digital age, we must indeed learn to protect basic rights more effectively” – Gregor Gysi during his speech.

38 39 Katrin Göring-Eckardt (Bündnis 90 / Die Grünen)

Sehr geehrter Herr Bundespräsident! Herr Bundestagspräsident! Frau Bundeskanzlerin! Artikel 146 regelt, dass das Grundgesetz so Herr Präsident des Bundesverfassungsgerichtes! Deutsche in Ost und West haben sich die Sou- lange gilt, bis eine Verfassung in Kraft tritt, Liebe Kolleginnen und Kollegen! veränität, die aus einem Grundgesetz eine ech- „die von dem deutschen Volke in freier Ent- Liebe Gäste! te Verfassung macht, hart erarbeitet. In der al- scheidung beschlossen worden ist“. Es wird Und vor allem: ten Bundesrepublik geschah das in den späten Zeit, diesen Auftrag zu erfüllen, Sehr geehrter, lieber Navid Kermani! 60er-Jahren durch einen fruchtbaren Streit um die Abwehrrechte des Einzelnen, die Grenzen Beifall Der große Staatsrechtler und SPD-Politiker des Staates und die Akzeptanz der Herrschaft Dann gibt es noch den Artikel 15 Satz 1; Carlo Schmid hat in seiner Rede vor dem des Rechts, im Osten durch einen historischen den muss ich Ihnen vorlesen. Da steht: wobei die wichtigsten Artikel des Grundgeset- Parlamentarischen Rat gesagt: Akt der Selbstbefreiung der Bürgerinnen und zes unbedingt zu übernehmen sind: die Arti- Bürger in der friedlichen Revolution und in „Grund und Boden, Naturschätze und kel 1 und folgende über die Grundrechte, auch „Eine Verfassung ist nichts anderes als die in ganz Deutschland durch eine Neudefinierung Produktionsmittel können zum Zwecke der die Artikel 14 und 15 über das Eigentum und Rechtsform gebrachte Selbstverwirklichung seiner Rolle im Zentrum Europas und im Vergesellschaftung durch ein Gesetz, das Art viele andere mehr. Trotzdem: Unser Volk hat der Freiheit eines Volkes.“ Herzen der Europäischen Union. Wir können und Ausmaß der Entschädigung regelt, in nunmehr und in absehbarer Zeit das Recht, dankbar dafür sein. Gemeineigentum oder in andere Formen über seine Verfassung selbst zu entscheiden. Die Selbstverwirklichung der Freiheit eines „Wir wollten Gerechtigkeit und bekamen den der Gemeinwirtschaft überführt werden.“ Danke schön. Volkes haben wir heute hier, sehr geehrter Na- Rechtsstaat“ – zum Glück, würde ich Bärbel vid Kermani, in und mit Ihrer Rede erlebt. Ich Bohley an dieser Stelle gern entgegenhalten. Beifall Beifall will Ihnen nicht nur danken, sondern ich will Das Grundgesetz ist zurückhaltend mit Ver- Ihnen auch sagen: Dass und wie Sie am Ge- sprechen. Es ist bescheiden in seinen Formu- Das ist nicht ein linkes Wahlprogramm; das burtstag dieses Grundgesetzes hier in diesem lierungen, aber fordernd und anstrengend ist das Grundgesetz. Ich wollte Sie nur daran Präsident Prof. Dr. Norbert Lammert Haus gesprochen haben, ist eine große Ehre in seiner Umsetzung. Dazu zählt es, Kritik, erinnern. für uns. Spannungen, Differenzen, die es zwischen den Katrin Göring-Eckardt ist die nächste Redne- Staatsgewalten gibt, auszuhalten. Streit um die Heiterkeit und Beifall rin für die Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen. Beifall Verfassung liegt eben in seiner Kultur, nicht

„Das Grundgesetz ist bescheiden in seinen Formulierungen, aber fordernd und anstrengend in seiner Umsetzung“ – Katrin Göring- Eckardt, Vorsitzende der Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen.

“The Basic Law is modest in its phrasing, but it is demanding and challenging in its implementation” – Katrin Göring-Eckardt, Chair of the Alliance 90 /The Greens parliamentary group.

40 41 und zwar nicht, weil es keine Gesetze gegeben hätte: Es gab eine Straßenverkehrsordnung, sogar ein Baugesetzbuch; dieses Land, in dem aus dem Postzeitalter, trotz Rechtsprechung nur wenn wir hier debattieren. Ich finde, kein Buch frei erscheinen konnte, hatte sogar des Bundesverfassungsgerichts – die Daten wir sollten das ganz gelassen sehen. Herr ein Urheberrecht. Doch fiel man in Ungnade – der Bürgerinnen und Bürger von der NSA Voßkuhle, dass Sie sich gegen solches und weil irgendjemandem die Meinung nicht pass- erschnüffelt werden? Ich sage: Nein. solches Lob hier heute nicht wehren können, te, weil die Stasi es anders wollte –, löste sich Der letzte ernsthafte Versuch, dieses Grundge- Was nützt die Bindung von Regierung und Ge- gehört wahrscheinlich auch zur Streitkultur. das Recht in Unrecht und in nichts auf. setz insgesamt zu betrachten, liegt 24 Jahre zu- richten an Gesetz und Recht, wenn womöglich Gerade deswegen ist es für uns als Demokra- rück. Am runden Tisch der DDR wurde eine Investoren durch ein Freihandelsabkommen Heiterkeit tinnen und Demokraten in diesem vereinten moderne Verfassung ausgearbeitet mit mehr an diesem Recht vorbei Recht bekommen Deutschland so unverzichtbar, so wichtig, Freiheitsrechten für Bürgerinnen und Bürger, sollen? Recht muss ausgleichen, Bürgerrechte gegen immer auf die Freiheitsbewegungen in dieser mit einem kommunalen Ausländerwahlrecht, Und was hilft das Verbot von Diskriminierung, Sicherheit, Freiheit gegen Gerechtigkeit abwä- Welt zu schauen und zu sagen: Ja, die Freiheit das bis heute in der Bundesrepublik nicht ver- wenn wir die Verpflichtung zur vollständigen gen. Aber: Wer je in Unfreiheit gelebt hat oder ist das größte, was wir haben; wir haben es wirklicht ist, obwohl wir ein Land mit so vie- Gleichstellung von gleichgeschlechtlichen lebt, der weiß: Erst mit der Freiheit kann es erlebt. len Zuwanderinnen und Zuwanderern sind, Lebenspartnerschaften trotz eindeutiger Recht- tatsächlich Gerechtigkeit und damit auch nach den USA das größte Zielland für Einwan- sprechung immer noch nicht verwirklicht Sicherheit geben. Wer erlebt hat, wie es ist, Beifall derung, und mit einem aktiven Gleichstel- haben? recht zu haben, aber kein Recht zu bekommen, lungsauftrag, weil die Realität für Frauen eben weiß, dass die Wahrung der Freiheit die wich- Kaum jemand hat wohl die Freiheit der Bürge- nicht der Verfassung entspricht, auch heute Beifall tigste Aufgabe des Staates ist. Denn eine ver- rinnen und Bürger mehr gestärkt als das Bun- noch nicht, meine Damen und Herren. Wir ha- ordnete, eine ausgedachte, eine übergestülpte desverfassungsgericht. Aber die Richter und ben noch zu tun mit der Umsetzung unseres Meine Damen und Herren, ich will ausdrück- Gerechtigkeit ist keine. Ein Staat, der meint Richterinnen können das Grundgesetz neu Grundgesetzes. lich warnen: Es geht nicht darum, möglichst zu wissen, was gut für den Einzelnen ist, der auslegen – neu fassen können sie es natürlich weit auszudehnen, wie nah man an den Rand stärkt vielleicht sich selbst, aber nicht seine nicht. Ab und an braucht das Grundgesetz ein Beifall der Grundgesetzlichkeit gehen könnte, son- Bürgerinnen und Bürger. Update, eine Modernisierung, eine Erneue- dern es geht darum – und muss immer darum Ein Staat wie die DDR, von dem es ja heute rung, so wie das geschah mit der Einführung Wenn wir über die Realität reden, dann sage gehen –, die Freiheit und das Recht der Bürge- manchmal heißt, es sei nicht alles schlecht ge- der Staatszielbestimmung Umweltschutz im ich: Ja, dieses Grundgesetz ist die beste Verfas- rinnen und Bürger so effektiv wie nur möglich wesen – denn es wurde da gelebt und gefeiert, Artikel 20 a des Grundgesetzes – weil es eben sung, die wir haben. Gerade deswegen lohnt zu schützen. Das hilft auch gegen Rechte und gelitten und gearbeitet –, dieser Staat war eben auch um die Rechte der kommenden Generati- es sich zu fragen: Ist sie denn noch zeitenge- Rechtspopulisten; denn das stärkt unsere De- ohne Wenn und Aber ein Unrechtsstaat, on geht, meine Damen und Herren. recht, oder ist es nicht eine nicht zu rechtferti- mokratie. gende Verletzung der Grundrechte, wenn man Beifall Beifall aktiv wegsieht, wenn – trotz Grundrechten Beifall

„Wer je in Unfreiheit gelebt hat oder lebt, der weiß: Erst mit der Freiheit kann es tatsächlich Gerechtigkeit und damit auch Sicherheit geben“ – Katrin Göring-Eckardt während ihrer Rede.

“Anyone who lives, or has ever lived, without freedom knows that freedom is the indispensable prerequisite for real justice and therefore also for security” – Katrin Göring-Eckardt during her speech.

42 43 Meine Damen und Herren, in diesem Sinne Gerda Hasselfeldt (CDU/CSU) Meine Damen und Herren, seit dem Vertrag sage ich: So einig wir uns heute hinsichtlich von Maastricht, seit 1992, zählt zu diesem ge- der Bedeutung des Grundgesetzes sind, Bundes- Verehrter Herr Bundespräsident! meinsamen Europa, auf dessen Boden wir das tag und Bundesregierung sollten die Rechtspre- Frau Bundeskanzlerin! Grundgesetz leben, auch ein Protokoll über chung des Verfassungsgerichts eben nicht ein- Meine Herren Präsidenten! ein Wertefundament zu formulieren, am Men- die Sozialpolitik. Ich finde, dass wir ein sozia- fach nur über sich ergehen lassen, sondern sie Meine sehr geehrten Damen und Herren! schenbild der christlich-abendländischen les Europa haben, haben sollten und haben auch verwirklichen, und sie sollten vor allem Tradition. Das war und ist die Grundlage für wollen, das gehört in Europa und das gehört das große Freiheitsversprechen des Grundgeset- Um den Stellenwert des Grundgesetzes für die Entwicklung unseres Landes. in diesem Land zur Verwirklichung unseres zes für alle Menschen erfüllen, die in Deutsch- uns und für unser Land insgesamt beurteilen Grundgesetzes. land leben – unabhängig von ihrer Herkunft, zu können, ist es, denke ich, hilfreich, auch Beifall unabhängig von ihrer Religion, ihrer sexuellen einen Blick in die Nachkriegsgeschichte zu Beifall Orientierung und natürlich ihrem Geschlecht. werfen. So beginnt auch die Präambel des Grundgeset- Es geht um eine moderne Verfassung, damit Unser früherer Bundespräsident Roman zes mit den Worten „Im Bewusstsein seiner Das Grundgesetz ist eine europafreundliche sie nicht nur die beste ist, die wir haben, Herzog hat die Lage der Deutschen nach 1945 Verantwortung vor Gott und den Menschen“, Verfassung. Zu den Grundfreiheiten gehört sondern auch die beste wird, die wir uns wie folgt beschrieben – ich zitiere: und am Anfang des ersten Artikels – der Kol- aber nicht nur die Freiheit des Kapitals und vorstellen können. lege Gysi hat es erwähnt – steht der wunder- der Dienstleistungen, sondern auch die Frei- Vielen Dank. „Deutschland war ein Trümmerhaufen. Das bare Satz: heit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh- von Diktatur und Krieg hinterlassene morali- mer. Offene Grenzen sind nicht nur dafür da, Beifall sche und materielle Desaster bestimmte den „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Exportüberschüsse aufzubauen, sondern auch, Lebensalltag der Menschen.“ um Kindergeld an Wanderarbeiterinnen und Dieser Satz leitet uns auch heute noch in un- Wanderarbeiter zu zahlen, die in unserem Präsident Prof. Dr. Norbert Lammert In dieser dunklen Stunde lag es in der Verant- serer politischen Arbeit, und diese Wortwahl Land Spargel stechen und Hotelzimmer wortung des Parlamentarischen Rates, diesem kann man meines Erachtens nur als Glücksfall säubern – oft zu deutlich weniger als dem Nun erhält Gerda Hasselfeldt das Wort für die Land Orientierung wiederzugeben und ein für unser Land und für die Entwicklung unse- Mindestlohn. Das Recht gilt für alle. CDU/CSU-Fraktion. klares Wertefundament zu formulieren. Die res Landes bezeichnen. Verfassungsväter und -mütter orientierten Beifall Beifall sich damals angesichts der Notwendigkeit, Beifall

„ ‚Die Würde des Menschen ist unantastbar.‘ Dieser Satz leitet uns auch heute noch in unserer politischen Arbeit“ – Gerda Hasselfeldt, Erste Stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion und Vorsitzende der CSU-Landesgruppe.

“’Human dignity shall be inviolable.’ This sentence guides us in our political work to this day” – Gerda Hasselfeldt, First Deputy Vice-Chair of the CDU/CSU parliamentary group and Chair of the group of CSU parliamentarians in the German Bundestag.

44 45 Wir wissen heute, dass der Föderalismus nicht liert, manchmal ein bisschen viel entschieden, gerade die einfachste Staatsform ist, immer aber, ohne die Grundsätze der freiheit- lichen Demokratie infrage zu stellen. Dies ist Beifall eine ständige Aufgabe für uns alle, insbeson- Mit Recht hat der frühere Bundespräsident Durch diese grundsätzliche Ausrichtung unse- dere für uns als Gesetzgeber, eine Aufgabe, sondern dass er bis zum heutigen Tag immer Horst Köhler das Grundgesetz als „Leucht res Grundgesetzes wurde aus dem Provisori- die uns niemand, auch nicht das Bundesver- wieder viele Herausforderungen und spannen- feuer der Freiheit“ bezeichnet. Viele von uns um einer Übergangsverfassung ein zeitloses fassungsgericht, abnehmen kann. Da sind de Aufgaben mit sich bringt. Aber wir wissen können sich an persönliche Begegnungen mit Fundament unseres Staates und unserer Ge- wir in der Verantwortung. auch, dass das Grundgesetz, sein klares Be- Menschen aus der ehemaligen DDR Anfang sellschaft, ein Fundament für Freiheit und kenntnis zum Föderalismus und der daraus der 90er-Jahre nach der Wende erinnern, als Demokratie, ein Fundament für Recht und Beifall entstandene föderale Aufbau unseres Staates wir erlebten, welche Anziehungskraft das Sicherheit, aber auch ein Fundament für Deutschland im Ergebnis stark gemacht haben, Grundgesetz gerade auf diese Menschen aus- soziale Gerechtigkeit. Über den Aufbau unseres Staates wurde im auch wenn es manchmal schwierig ist, die geübt hat. Sie sahen, so wie es Horst Köhler Mit diesem Grundgesetz wurde darüber Parlamentarischen Rat intensiv diskutiert, entsprechenden Entscheidungen zu treffen. später formuliert hat, das Licht und hatten hinaus ein Signal des Friedens und der Frei- auch gerungen. Während manche vehement die Hoffnung auf Freiheit, auf Demokratie heit gesendet, und zwar nach innen genauso für einen Zentralstaat eintraten, setzte sich Beifall und auch auf den Rechtsstaat, und sie sind wie nach außen. Das hat uns den Weg zurück insbesondere Bayern vehement für einen dabei nicht enttäuscht worden. in die internationale Staatengemeinschaft föderalen Aufbau des neuen Staates ein. Das Grundgesetz war von Anfang an auf alle geebnet. Auch dies war und ist für unsere Deutschen ausgerichtet. Das gesamte deutsche Beifall Entwicklung in den 65 Jahren von ganz ent- Heiterkeit Volk war aufgefordert, die Einheit und Frei- scheidender Bedeutung. heit Deutschlands zu vollenden, und zwar in Die christlich-abendländischen Werte des Das ging so weit, dass Bayern sogar die Verfas- freier Selbstbestimmung. Daran festzuhalten, Grundgesetzes sind auch die Werte Europas. Beifall sung abgelehnt hat, weil ihm dieser föderale auch in Zeiten, in denen das nicht so populär Sie sind die Grundlage für ein friedliches und Aufbau nicht weit genug ging. Die Gründe da- war, war über Jahrzehnte hinweg eine große ein bereicherndes Miteinander der verschiede- Freilich ist das Grundgesetz nicht in Stein ge- für kennen Sie: Bestehende Vielfalt, regionale Herausforderung. Es bedurfte einer Klage vor nen Kulturen und Traditionen der Völker Eu- meißelt; das wurde schon von allen erwähnt. Identität, die vitalisierenden Kräfte von Eigen- dem Bundesverfassungsgericht, um vonseiten ropas. In diesem Geist bekennen sich auch die Es muss immer wieder auf gesellschaftliche verantwortung und Wettbewerb – all das waren des Verfassungsgerichts verbindlich klarstel- Präambel und der Europaartikel des Grundge- Veränderungen in unserem Land Antworten und sind Gründe für den Föderalismus. len zu lassen, dass alle Verfassungsorgane dem setzes zur europäischen Integration, wobei das geben. Das haben wir getan: manchmal ein Ziel der deutschen Einheit weiter verpflichtet Grundgesetz eine klare Verpflichtung zur Sub- bisschen umständlich und ausführlich formu- Beifall bleiben. sidiarität formuliert. Als eigenständige euro-

„Das Grundgesetz war von Anfang an auf alle Deutschen ausgerichtet. Das gesamte deutsche Volk war aufgefordert, die Einheit und Freiheit Deutschlands zu vollenden, und zwar in freier Selbstbestimmung“ – Gerda Hasselfeldt während ihrer Rede.

“From the beginning, the Basic Law applied to all Germans. The entire German nation was called upon to achieve German unity and freedom on the basis of free self-determination” – Gerda Hasselfeldt during her speech.

46 47 päische Nationen und Regionen sind wir in Vielfalt geeint. In Vielfalt geeint – das ist und bleibt der richtige Weg in Europa. Wir können heute sagen: Das Grundgesetz ist Präsident Prof. Dr. Norbert Lammert eine beispiellose Erfolgsgeschichte. Ich per- sönlich füge hinzu – das darf ich sagen, weil Liebe Frau Hasselfeldt, es ist für uns alle beru- ich Katholikin bin –: Ich bin auch stolz darauf. higend, zu hören, dass das Grundgesetz auch Vorhin ist festgestellt worden, bei den Katholi- in Bayern inzwischen so unangefochten ist ken sage man das eher. Ich sage ganz bewusst: Ich bin stolz und dankbar dafür, dass dieses Beifall Grundgesetz mit seinem klaren Wertefunda- ment die Grundlage für die Entwicklung un wie der Föderalismus im Grundgesetz. seres Landes ist, und ich bin dankbar dafür, Nun darf ich Sie bitten, sich für die National- diese erfolgreiche Entwicklung der letzten hymne von den Plätzen zu erheben. 65 Jahre miterleben zu dürfen und miterlebt zu haben. Nationalhymne Mit der Freiheit ist es allerdings ähnlich wie mit der Demokratie, meine Damen und Her- Ich schließe diese Sitzung und weise darauf ren: Sie ist nicht nur Gabe, sondern immer hin, dass die Plenarsitzung in etwa 15 Minu- auch Aufgabe. Lassen Sie uns diese Aufgabe ten, also um 10.45 Uhr, beginnt. gemeinsam wahrnehmen! Schönes Wochenende.

Beifall Beifall

„Einigkeit und Recht und Freiheit“ – die Feierstunde endet mit dem Singen der Nationalhymne.

“Unity and justice and freedom” – the ceremony concludes with the singing of the National Anthem.

48 49 Navid Kermani, geboren 1967 in Siegen, lebt als freier Schriftsteller in Köln. Er ist habilitierter Orientalist, Mit- Er hielt die Frankfurter, die glied der Deutschen Akade- Göttinger sowie die Mainzer mie für Sprache und Dichtung Poetikvorlesungen und war sowie der Hamburger Akade- Gastprofessor für Ideenge- mie der Wissenschaften. schichte des Islam an der In seinen Werken beschäftigt Goethe-Universität Frankfurt. er sich mit der europäischen Im Frühjahr 2014 lehrte er und islamischen Kultur, der als Max Kade Distinguished Universalität von Demokratie, Visiting Professor für deut- Gewaltenteilung, weltan- sche Literatur am Dartmouth- schaulicher Neutralität des College in den Vereinigten Staates, Toleranz und Men- Staaten. schenrechten. Forschungs Für sein akademisches und aufenthalte verbrachte er literarisches Werk erhielt unter anderem am Wissen- Navid Kermani zahlreiche schaftskolleg zu Berlin, Auszeichnungen, darunter die am Kulturwissenschaftlichen Buber-Rosenzweig-Medaille, Institut Essen und an der den Hannah-Arendt-Preis Villa Massimo in Rom. und den Kleist-Preis.

Biografie Ceremony at the German Bundestag Celebrating the 65th Anniversary of the Entry into Force of the Basic Law for the Federal Republic of Germany Berlin, 23 May 2014 Welcome speech by the President of the German Bundestag, Professor Norbert Lammert

Keynote speech Dr Navid Kermani

Remarks by Volker Kauder Chair of the CDU/CSU parliamentary group Thomas Oppermann Chair of the SPD parliamentary group Dr Gregor Gysi Chair of the Left Party parliamentary group Katrin Göring-Eckardt Chair of the Alliance 90 / The Greens parliamentary group Gerda Hasselfeldt First Deputy Vice-Chair of the CDU/CSU parliamentary group Chair of the group of CSU parliamentarians in the German Bundestag

National Anthem Performed by Jan Sebastian Melzer, Trumpet Frithjof Zeltwanger, Trumpet Elsa Klemm, French horn Rocco Rescigno, Trombone Mark Shearn, Tuba

From left to right: Bundesrat Vice- Programme President Volker Bouffier, guest of honour Navid Kermani, Federal President Joachim Gauck, Chancel- lor Angela Merkel and Federal Constitutional Court President Andreas Voßkuhle.

Bundesratsvizepräsident Volker Bouffier, Ehrengast Navid Kermani, Bundespräsident Joachim Gauck, Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundesverfassungsgerichts- präsident Andreas Voßkuhle (v. l.).

54 55 There is certainly nothing provisional about it now. Today, the Basic Law is the undisputed foundation of our country’s political order. It Good morning, ladies and gentlemen, has long been acclaimed as one of the world’s Federal President, great constitutions. It provides a frame of ref- In 1990, the first and only freely elected Peo- Madam Chancellor, erence for young democracies, and it inspires ple’s Chamber of the GDR took the momentous Vice-President of the Bundesrat, other countries’ constitutional endeavours, decision that the GDR should accede to the President of the Federal Constitutional Court, and some of its wording has been adopted in area of application of the Basic Law, resulting Excellencies, some cases. Very few texts are characterized in the dissolution of an existing state and the Dr Kermani, by such a striking discrepancy between their restoration of German unity. This decision Members of the House, modest aspirations and their actual impact as was unprecedented, and bears impressive wit- Distinguished guests, Germany’s Basic Law – a text which was not ness to our constitution’s powerful appeal. even allowed to call itself a constitution. Over the years, the original text has been Today, we are celebrating a 65th birthday. The adoption of the Basic Law is one of the amended on various occasions. The fathers There’s nothing unusual about that; it’s an most fortunate moments in Germany’s history, and mothers of the Basic Law – Konrad every-day occurrence – one which will happen and it’s something for which we can allow Adenauer, Carlo Schmid, Theodor Heuss and around 970 000 times in Germany this year: ourselves to be congratulated. Helene Wessel, to name just a few of the emi- that’s the number of people in Germany who nent figures on the Parliamentary Council – were born in 1949. Applause could not have imagined, back in 1948/1949, 65 is no longer a great age – not for a person, that within a few years, Germany would need and certainly not for a country. But in the his- Ladies and gentlemen, one of the main reasons federal armed forces, the Bundeswehr, and tory of German democracy, it is a remarkably for the reputation and high level of acceptance would join NATO. They certainly could not long time. Having come into effect 65 years of the Basic Law is, undoubtedly, its remark have foreseen that Germany would become ago, the Basic Law has outlived the combined able ability to cope with changing circum part of a European Community which would life-spans of its two predecessors, the Weimar stances and new challenges. In the last come to regard itself not only as an economic and the Imperial constitutions. But it differs 65 years, it has amply demonstrated its capac- community but also as a political union to from them in one key respect: when it was ity to master social and political changes, which national sovereign rights would in- adopted in 1949, it was, as we know, only meant most particularly our country’s reunification creasingly be transferred. Both these acces- to be a temporary and provisional solution. 25 years ago. sions required constitutional legitimacy.

“The adoption of the Basic Law is Welcome speech by the President of the German Bundestag, one of the most fortunate moments in Germany‘s history, and it‘s some- Professor Norbert Lammert thing for which we can allow ourselves to be congratulatedd” – Bun- destag President Norbert Lammert during his welcome speech.

„Das Grundgesetz gehört zu den besonderen Glücksfällen der deutschen Geschichte, zu dem wir uns alle nur gratulieren können“ – Bundestagspräsident Norbert Lammert während seiner Begrüßungsrede.

56 57 mendation for such an amendment to the Basic Law. One of the happy innovations in- Yet there is also reason for critical self-reflec- troduced in the Basic Law is undoubtedly the tion on whether all the subsequent amend- establishment of the Federal Constitutional ments and additions in recent decades have Court. This is something that we should all been as successful as the constitutional text be grateful for, even if we are not always adopted in 1949. happy with its decisions.

Applause Applause

Today, the Basic Law is almost twice the size The Federal Constitutional Court has no prec- of the original. It is very much longer, but not edent in German constitutional history. It necessarily very much better, than the slim rightly has an outstanding reputation both in volume produced in 1949. Germany and abroad. We owe the present and former members of the Federal Constitutional Scattered applause Court our great respect and gratitude. I am very pleased to welcome a large delegation from We have used the constitution to regulate a Karlsruhe to the VIP gallery this morning. number of issues that are of secondary importance, and have done so with alarming preci- Applause sion in some cases. And yet to this day, the constitution does not set forth the fundamen- There is no doubt that the Federal Constitu- tal principles governing our electoral system, tional Court occupies a vital position in our which confers democratic legitimacy on our country’s political architecture. That is not Parliament and, via Parliament, our govern- something that anyone would wish to change, ment. The omission of a subject of such incidentally. The Court has made a crucial outstanding significance is, in my view, one contribution to maintaining the balance of of the questionable aspects of our Basic Law. power between our constitutional bodies. And that also applies to the role played by our Applause supreme court in the European integration process. The former President of the Federal Consti tutional Court recently voiced a clear recom- Scattered applause

“Today, the Basic Law is almost twice the size of the original. It is very much longer, but not necessarily very much better, than the slim volume produced in 1949” – Bundestag President Norbert Lammert during his welcome speech, with the government benches on his right.

„Das Grundgesetz hat heute nahezu den doppelten Umfang, ist damit zwar deutlich länger, aber nicht unbedingt deutlich besser geworden als der schlanke Text von 1949“ – Bundestagspräsident Norbert Lammert während seiner Begrü ßungsrede; links neben ihm die Regierungsbank.

58 59 Of course, it is the task of the Federal Consti- tutional Court – indeed, this is its prime function in our constitutional architecture – to reflection as well as mutual respect among the ensure that no person or institution oversteps constitutional bodies. There is also a need – the limits established by the constitution. long overdue – for a procedure for the election The Court should assure itself that it complies of the supreme court’s members which not with the limits that have been set for it, just as only complies with the spirit of the Basic Law Its concerted – and successful – efforts to en- it ensures other institutions’ compliance. but also satisfies the minimum requirements hance the parliamentary dimension of Europe- applied by the Bundestag to other appoint- an decision-making processes are particularly Applause ments, such as the election of the Parliamen Ladies and gentlemen, in the 65 years of the noteworthy. tary Commissioner for the Armed Forces, the Basic Law’s existence, Germany has become Occasional arguments over matters of policy The fact is that the temptation to test or shift Commissioner for Data Protection, and the a different country from the Germany that are unavoidable, but this is not unusual, nor is these boundaries is not confined to parlia- Commissioner for the Files of the State Secu existed in 1949. In the past decades, Germany it a problem, for the Basic Law itself establish- ments and public authorities. It can be ob- rity Service of the former German Democratic has become more diverse in its ethnic, cultures the basis for the entirely productive rela- served in the Federal Constitutional Court Republic. al and religious make-up. The Federal Presi- tionship of tension that exists between our itself. Indeed, it is the subject of discussion Yesterday, the German Bundestag elected the dent rightly emphasised and paid tribute to constitutional bodies and is an integral com- not only in academic, political and media cir- President of Germany’s supreme audit institu- this at yesterday’s naturalization ceremony. ponent of our democratic constitutional state. cles but also among incumbent constitutional tion, the Bundesrechnungshof – undoubtedly Today, Germany is home to around 16 million As Parliament performs the policy-making court judges in dissenting opinions which an important post – in a secret ballot with people with a personal or family history of role that is undoubtedly part of its mandate, make explicit reference to the blurring of the a chancellor majority. And yet it is only in- immigration. That’s around 20 per cent of the there is, indisputably, always a temptation on boundaries between legislators’ scope and formed ex post of the appointment of a new population and the figure is steadily increas- the part of the legislature, in its regulatory the Court’s constitutional oversight. constitutional court judge, whose no less im- ing, especially among the young. zeal, to push the boundaries of the constitu- It can only enhance the capacities and the portant advancement to this high office is One of the great achievements of the Basic tion. But the Constitutional Court, too, occa- reputation of Parliament and the Court if both made by a 12-member Committee for the Law is that it facilitates this diversity. The sionally has ambitions to develop the consti- sides, in their respective roles, do their utmost Election of Judges. This situation is unworthy human rights guaranteed by the Basic Law tution further through creative interpretation. to respect these boundaries. The separation of both constitutional bodies. apply to everyone who lives here. of powers will undoubtedly withstand, and Applause indeed thrives on, critical and self-critical Applause Applause

“The Basic Law itself establishes the basis for the entirely productive relationship of tension that exists between our constitutional bodies” – welcome speech by Bundestag Presi- dent Norbert Lammert; the Bundesrat benches are in the background.

„Das Grundgesetz selbst begründet das für unsere Demokratie durchaus produktive Spannungsverhältnis zwischen den Verfassungsorganen“ – Begrüßungsrede von Bundestags präsident Norbert Lammert; im Hintergrund die Bundesratsbank.

60 61 They apply to Germans, and they apply to people with a different ethnic background or nationality, who define their identity in dual or even multiple ways. Basic Law defines as the indispensable basis Navid Kermani has summed it up neatly from of our community life and which apply to all his own perspective: “My country is not Ger- who live here. The Basic Law, according to many. It is more than Germany.” What could Navid Kermani, is “the German manifestation be more appropriate, as we celebrate the 65th of values which, in essence, are not German anniversary of our constitution, than to invite but universal”. a man who advocates for this position – a man Ladies and gentlemen, to paraphrase the who has grown up with the Basic Law and, French historian Ernest Renan, a nation is in his own words, defines and defends it as shaped by the awareness of a common past “one of the greatest achievements in Germany’s and the desire to build a common future. Our history”? Basic Law – 65 years old, 65 years young – is In his speeches and his writing, Navid Kerma- the undisputed basis of our country’s political ni charts the contours and preconditions for a constitution and gives us exactly what each social consensus that depends on the cultural and every one of us in Germany needs, regard- and religious diversity which has long formed less of origin, faith or language. It gives us a part of our daily life. In doing so, he has never feeling of belonging together and the desire to allowed any room for doubt about the univer- shape a common future. sality of democracy, the separation of powers, Dr Kermani, a very warm welcome. We are religious freedom and the state’s neutrality on very eager to hear your thoughts on the Basic matters of faith and philosophy, or about tol- Law. erance and respect for human rights – in other words, about any of the principles which our Applause

“Dr Kermani, we are very eager to „Lieber Herr Kermani, wir sind hear your thoughts on the Basic neugierig auf Ihren Blick auf das Law” – l. to r.: Bundesrat Vice- Grundgesetz“ – Bundesratsvize President Volker Bouffier, guest of präsident Volker Bouffier, Ehrengast honour Navid Kermani, Federal Navid Kermani, Bundespräsident President Joachim Gauck, Chancel- Joachim Gauck, Bundeskanzlerin lor Angela Merkel and Federal Angela Merkel und Bundesverfas- Constitutional Court President sungsgerichtspräsident Andreas Andreas Voßkuhle during the Voßkuhle (v. l.) während der welcome speech by Bundestag Begrüßungsrede von Bundestags President Norbert Lammert. präsident Norbert Lammert.

62 63 inviolable, but still requires protection – the Basic Law reverses the precepts of Germany’s earlier constitutions and, instead of the state Distinguished Presidents, being the “telos”, the end in itself, as it were, Madam Chancellor, it places the state at the service of the people – Distinguished Members of the all people, humanity, emphatically and as a they can only be true together, and in Germa- German Bundestag, matter of principle. Linguistically, one could ny, they have proved to be true to an extent Excellencies, call it brilliant, were it not inappropriate to that hardly anyone would have thought possi- Honoured guests, apply aesthetic terms to an eminently norma- ble on 23 May 1949. In the German-speaking tive text. It is, however, quite perfect. countries, the Basic Law can, perhaps, only A paradox is not a form of expression custom- Generally, though, it is impossible to explain really be compared with the Luther Bible in arily deployed in legal texts, whose purpose, the impact and the astounding success of the that it has created reality through the power after all, is to achieve the greatest possible Basic Law without paying tribute to its literary of the word. clarity. By definition, the inherent characteris- quality. Both in terms of its main characteris- “Every person shall have the right to free devel- tic of a paradox is that it contains a puzzle, a tics and its content, it is a remarkably beauti- opment of his personality”: how absurd that conundrum. Indeed, it is located at the point ful text, and so it should be. It’s no secret that must have sounded to most Germans as they where clarity would tend towards falsehood. Theodor Heuss vetoed the original version of struggled to survive amidst the ruins of their That’s why it is a device most commonly used Article 1 on the grounds that the German was cities and their world views. How absurd it in poetry. And yet paradoxically, as it were, poor. “Die Würde des Menschen ist unantast- must have sounded – the prospect of anything the Basic Law for the Federal Republic of Ger- bar” – “Human dignity shall be inviolable” – as airy and intangible as free development of many begins with a paradox. For if human on the other hand, is a magnificent sentence the personality. But what a seductive idea it dignity were indeed inviolable, as the first in German. It is so simple and yet so complex. was at the same time! sentence claims, there would be no need for Its meaning is immediately clear, but the more “All persons shall be equal before the law”: the the state to respect and certainly not to protect we consider the sentence which follows it, Jews, the Sinti and Roma, the homosexuals, it, as the second sentence demands. Dignity namely that there is, nonetheless, a duty to the disabled, all the outsiders, dissidents and would exist independently of, and be unaffected respect and protect human dignity, the more those who were different had certainly not by, any authority. With this simple and barely elusive its meaning becomes. The two sen- been equal before the law, but now, they discernible paradox – that human dignity is tences cannot be true simultaneously, and yet should and would be.

“Generally, though, it is impossible “A perfect text” to explain the impact and the Speech by Dr Navid Kermani astounding success of the Basic Law without paying tribute to its literary quality” – Navid Kermani during his speech.

„Überhaupt wird man die Wirkmäch tigkeit, den schier unfassbaren Erfolg des Grundgesetzes nicht erklären können, ohne auch seine literarische Qualität zu würdigen“ – Navid Kermani während seiner Rede.

64 65

“Men and women shall have equal rights”: the weeks and months of resistance to this Does the same apply today? I have no doubt particular article provided the clearest evi- that the members of the Parliamentary Coun- dence that in 1949, men and women certainly cil, should they be watching our celebration were not considered to be equals; the truth of sembly and freedom of association – when the today from some celestial VIP gallery, would the celestial one, my message from this lectern this particular sentence only became reality Basic Law was promulgated 65 years ago, all be delighted and perhaps very surprised to today is that we will not have to wait another through its application. these were statements of commitment rather witness just how deep-rooted freedom has be- 65 years, in fact we won’t have to wait 15 years, “Capital punishment is abolished”: this was than descriptions of the reality in Germany at come in Germany over the past 65 years. And for a Christian, a Jew, a Zoroastrian or a Baha’i not supported by the majority of Germans; a the time. And at first, it seemed unlikely that probably, they would also find it very poign- to give the celebratory address in a freely survey revealed that three-quarters of Germans the principles set out in these simple but com- ant and would nod in approval at the sight of elected parliament in Iran as well, and to do were in favour of retaining the death penalty, pelling statements of faith would really appeal a child of immigrants – one, what’s more, so as a matter of course. whereas today, attitudes have completely to the Germans. whose faith is not the majority religion – being reversed. here to commemorate the promulgation of the Applause “All Germans shall have the right to move free- From today’s perspective, public interest in Basic Law. There are not many countries ly throughout the federal territory”: this sen- the Basic Law was shamefully low, and public around the world where that would be possi- This is a good Germany, the best we’ve ever tence was something of an embarrassment to support was marginal. A representative survey ble. Even in Germany, it would have been had, the Federal President said recently. I can- the members of the Parliamentary Council in conducted in 1951 asked respondents which hard to imagine not so very long ago – as re- not disagree. No matter which period of Ger- view of the plight of the refugees and the lack period of history had been best for Germany; cently, perhaps, as the 50th anniversary of the man history I consider, there has never been a of housing. But 65 years on, it applies not only 45 per cent of Germans chose the German Em- Basic Law – that a German giving the celebra- freer, more peaceful or more tolerant Germany in reunified Germany but across half of Eu- pire, 7 per cent opted for the Weimar Republic tory address in the Bundestag might not only than the one which exists today. Even so, the rope. The Federation can “consent to such and 42 per cent chose the National Socialist be German. Federal President’s words would not flow limitations upon its sovereign powers as will era. Only two per cent mentioned the Federal In the other country whose passport I hold, quite so easily from my own lips. Why not? bring about and secure a lasting peace in Eu- Republic. Two per cent! How thankful we such a thing is still unthinkable, despite all We could write off the sense of unease in voic- rope”: this clause – in 1949! – presupposed should be that in the Federal Republic’s early the protests and all the sacrifices made in the ing pride in our own country simply as anoth- the existence of a united Europe, indeed, a years, we had politicians whose actions were name of freedom. Distinguished Presidents, er sign of typical German self-hate. But that United States of Europe. driven by their convictions, not by the opin- Madam Chancellor, distinguished Members of would be to ignore the very reason why the And there’s more: the ban on discrimination, ion polls. the Bundestag, honoured guests, and not least, Federal Republic has become a country where freedom of faith and conscience, freedom of His Excellency the Ambassador of the Islamic life is worth living and which people are even expression, arts and sciences, freedom of as- Applause Republic, who is here in the gallery, albeit not inclined to like.

“From today’s perspective, public interest in the Basic Law was shamefully low” – Navid Kermani during his speech; the government benches are in the background.

„Das Interesse der Öffentlichkeit am Grundgesetz war aus heutiger Sicht beschämend gering“ – Navid Kermani während seiner Rede; im Hintergrund die Regierungs- bank.

66 67 But when and how did Germany – whose there was German self-criticism and an appeal militarism aroused suspicion as early as the greatness by suppressing his pride and accept- This is the Germany that I love: not the gran- for Europe, a shift towards “world citizen- 19th century, and whose murder of six million ing guilt – guilt, what’s more, for which he diloquent one, not the boastful one, not the ship” and, incidentally, towards world litera- Jews stripped it of any vestige of honour – personally, as a member of the resistance to “proud of being German and Europe is finally ture, with a level of commitment that was when and how did Germany regain its digni- Hitler and an exile, bore least responsibility. speaking German” Germany, but a nation unique, at least in the 19th century. ty? If I were to name a single day, a single But honour was demonstrated with his public which despairs of its own history, which event, a single gesture in Germany’s post-war expression of guilt and shame. For Willy wrestles with itself and beats its breast to the “A good German cannot be a nationalist,” history that seems to merit the word “dignity”, Brandt, patriotism meant kneeling in honour point of self-reproach, but one which has also I would have to choose the moment when of Germany’s victims. matured through its own failings, one which said Willy Brandt with great self-assurance in Willy Brandt knelt before the memorial to the I’m not inclined to sentimentality where on- will never again need pomp and ceremony, a his Nobel Lecture in 1971. And, he continued: Warsaw Ghetto Uprising. And I am certain screen images are concerned, and yet like so nation which modestly calls its constitution that the majority here in the Bundestag, the many others, when the images of the German the “Basic Law”, and which would prefer to “A good German knows that he cannot refuse a majority of Germans, and most certainly the Chancellor at the memorial in the former War- be slightly too welcoming and slightly too in- European calling. Through Europe, Germany majority up there in the celestial gallery saw Ghetto were broadcast to mark the 100th genuous towards others than ever to fall back returns to itself and to the constructive forces would agree with me. anniversary of his birth – we see him taking a into xenophobia and arrogance. of its history.” step back, hesitating for a moment, and then, It is often said – and I have heard this from Applause to everyone’s complete surprise, sinking to his speakers standing here at this lectern – that Applause knees, – I cannot watch it, even today, without the Germans should develop a normal, un Even more remarkable than the paradox in tears spurting from my eyes. And the odd constrained relationship to their own nation Since the 18th century, at least since Lessing, the opening sentences of the Basic Law, and thing is that alongside everything else, besides again at last, as enough time has been spent who deplored patriotism and was the first Ger- probably unprecedented in the history of the the emotion, the recollection of the crimes, the overcoming the legacy of National Socialism. man to use the word “cosmopolitan”, German world’s nations, this country regained its dig- fresh astonishment every time, they are also I always wonder what these speakers mean. culture often had an ambivalent relationship to nity with an act of humility. Isn’t heroism gen- tears of pride, the very quiet but certain sense This normal and unconstrained relationship the concept of nation. Goethe and Schiller, Kant erally associated with strength, with manli- of pride in this Federal Republic of Germany. never existed – not even before National So- and Schopenhauer, Hölderlin and Büchner, ness, with physical prowess, and, most of all, cialism. There was excessive and aggressive Heine and Nietzsche, Hesse and the brothers with pride? And yet here, one man showed Applause nationalism, and as a counter-movement, Mann all wrestled with the notion of Germany,

“This country regained its dignity „Dieser Staat hat Würde durch einen with an act of humility” – view of Akt der Demut erlangt“ – Blick the plenary during Navid Kermani’s ins Plenum während der Rede speech. The representatives of the von Navid Kermani; in der ersten constitutional bodies are seated in Reihe (v. l.) sitzen die Vertreter the front row; l. to r.: Bundesrat der Verfassungsorgane: Bundes Vice-President Volker Bouffier, ratsvizepräsident Volker Bouffier, Federal President Joachim Gauck, Bundespräsident Joachim Gauck, Chancellor Angela Merkel and Bundeskanzlerin Angela Merkel Federal Constitutional Court Presi- und Bundesverfassungsgerichts dent Andreas Voßkuhle. präsident Andreas Voßkuhle.

68 69 Paradoxically, the Basic Law – a document in which Germany appeared to have enshrined its commitment to openness for all time to when the development funding provided by come – now closes its doors to those who rely such a strong economy does not even reach most urgently on our openness, namely the the OECD average, and when, with nine mil- politically persecuted. A wonderfully concise lion Syrians homeless as a result of the civil sentence – “Persons persecuted on political war, Germany takes in just 10,000. grounds shall have the right of asylum” – was inflated, in 1993, into a monstrous ordinance regarded themselves as citizens of the world, Applause of 275 words in a complex and impenetrable and believed in European integration long paragraph which has only one purpose: to before politics discovered the project. Ultimately, engagement in the world, exem conceal the fact that Germany has, in effect, It was this cosmopolitanism, espoused by plified by Willy Brandt, also means more abolished the basic right of asylum. Every day, others drown in the Mediterranean, German intellects, that Willy Brandt made openness to the world. We cannot celebrate with thousands of lives lost every year – some, his own – not only with his struggle against the Basic Law without recalling the ways in Applause very probably, lost while we are here at our German nationalism and for a united Europe, which it has occasionally been mutilated. celebration today. Germany does not have to but also in his early plea for a “world domes- Compared with other countries’ constitutions, Should we really have to remind ourselves take in all those who are weary and burdened, tic policy”, through his commitment to the the Basic Law has been amended with remark- that Willy Brandt, the mention of whose name but it has enough resources to protect the po- North-South Commission, and in his role as able frequency, and very few of these inter- caused so many of you, from all parties, to nod litically persecuted, instead of foisting the President of the Socialist International. So it ventions have actually improved the text. in approval, was also a refugee – an asylum- responsibility on so-called “third countries”. perhaps sheds a less favourable light on to- Aspects which the Parliamentary Council de- seeker? day’s Germany when, in TV debates in the liberately framed as generalizations and over- Even today, there are people – many people – Applause run-up to the Bundestag elections, there are arching principles have in some cases been whose survival depends on the openness of now rarely any questions about foreign policy. laden down with detailed regulations by the other democratic countries. Edward Snowden, Indeed, it is in our own best interests to give The same applies when a constitutional body Bundestag and Bundesrat. Article 16 has un- to whom we owe a great debt of gratitude for other people a fair chance to apply to immi- plays down the importance of the forthcoming dergone the most serious distortion, not only defending our fundamental rights, is one of grate legally, so that they do not have to resort European elections, in terms of language. them. to claiming asylum.

Applause Applause Applause Applause

“Even today, there are people – many people – whose survival depends on the openness of other democratic countries” – members of the diplomatic corps in the gallery during Navid Kermani’s speech.

„Auch heute gibt es Menschen, viele Menschen, die auf die Offenheit anderer, demokratischer Länder existenziell angewiesen sind“ – Mitglieder des Diplomatischen Corps auf der Tribüne während der Rede von Navid Kermani.

70 71 My parents did not flee Iran. But after Mos- The fact is that 20 years on, there is still no sadegh’s democratic government was over- sign of the single European refugee law that thrown in 1953, they – like many Iranians of was supposedly the basis for the 1993 reform, their generation – were pleased to have the and purely from a linguistic point of view, the chance to study in another country with more abuse of the Basic Law is painful to endure. freedom and justice. After graduating, they The right of asylum has been stripped of its found work and watched their children, content and Article 16 has been deprived of grandchildren and even their great-grandchil- its dignity. dren grow up. They have grown old in Germa- ny. And this entire extended family – there are Applause 26 of us now, and that’s only counting the direct descendants and those who have mar- Distinguished Members, I hope that by the ried into our family – has found happiness in time we come to celebrate the 70th anniversa- this country. And we are not the only ones: ry of the promulgation of the Basic Law, this since the Second World War, many millions hateful, heartless stain on our constitution of people have immigrated into the Federal will have been removed. Republic, and if we include the expellees and resettlers from Eastern Europe, they Applause amount to more than half the present popu lation. Compared with other countries, too, This is a good Germany, the best we’ve ever it was a massive demographic shift, which had. Instead of closing itself off, it should be Germany had to manage in a single generation. proud of the fact that it now exerts such a And I believe that overall, Germany has powerful appeal. managed it well.

“Instead of closing itself off, Germa- ny should be proud of the fact that it now exerts such a powerful appeal”– l. to r.: Navid Kermani, Bundesrat Vice-President Volker Bouffier and Federal President Joachim Gauck.

„Statt sich zu verschließen, darf Deutschland stolz darauf sein, dass es so anziehend geworden ist“ – Navid Kermani, Bundesratsvize präsident Volker Bouffier und Bundespräsident Joachim Gauck (v. l.).

72 73 Yes, there are cultural, religious and especially social conflicts, particularly in the urban cen- who ceased to be guests a long time ago, for tres. There is resentment among Germans, and their children and grandchildren, for whom there is resentment among those who are not the social justice, the professional opportuni- growing up in two cultures is normal and nat- only German. And unfortunately, there is also ties, free schooling and universities, and a ural, and who are now growing up with two violence and even terrorism and murder. But first-class health system, the rule of law, the passports at last. I can speak for my fellow all in all, Germany is a remarkably peaceful sometimes agonising but nonetheless precious writers, for whom the German language is country. It is still relatively just and it is very freedom of expression, and the freedom to a great gift, for the footballers who will be much more tolerant than it was even in the practise one’s religion. giving their all for Germany in Brazil, even Professor Norbert Lammert, 1990s. Without really noticing, the Federal So I would like to conclude my speech by if they don’t sing the national anthem, President of the Bundestag Republic has achieved a magnificent feat of speaking for others for once. I would like to integration, and I’m not talking about reunifi- speak on behalf of – no, not all immigrants. Applause Thank you, Dr Kermani, for your powerful, cation. I cannot speak for Djamaa Isu, who hanged critical but also encouraging portrayal of our Perhaps, here and there, there was a lack of himself with a belt in the reception centre in and for the less successful immigrants, the country and its constitution. recognition, a clear public gesture, especially Eisenhüttenstadt almost exactly one year ago needy and even the offenders, for – just like towards my parents’ generation, the guest today, because he was afraid of being deported the Özils and Podolskis – they belong to Applause worker generation, acknowledging how much to a third country without any examination Germany too. I speak on behalf of the Muslims they have done for Germany. of his asylum application. I cannot speak for who enjoy rights in Germany which, to our The Germans’ fondness for change is legend- Mehmet Kubasik and the other victims of the shame, Christians are denied in many Islamic ary, so today, we are trying out a new format Applause National Socialist Underground, who for years countries today. And so I speak for my devout for ceremonies of this kind, with the parlia- were defamed as criminals by the investiga- parents and an immigrant family of now mentary groups making short contributions But conversely, perhaps the immigrants them- tive agencies and the major German newspa- 26 people. And on their behalf, let me make after the speech by a guest speaker. selves have not always made it sufficiently pers. And I cannot speak for even one of the at least a symbolic bow and say this: thank I now invite their Chairpersons to take the clear how much they appreciate the freedom Jewish immigrants or returnees, for whom the you, Germany. floor, starting with Mr Volker Kauder on behalf that they enjoy in Germany, murder of almost their entire people can never of the CDU/CSU parliamentary group. be overcome. But I can speak for many others, Sustained applause – Applause for millions of people: for the guest workers Audience rises to its feet Applause

„But all in all, Germany is a remarkably peaceful country. It is still relatively just“ – view of the plenary during Navid Kermani‘s speech.

„Aber aufs Ganze betrachtet geht es in Deutschland ausgesprochen friedlich und immer noch verhält- nismäßig gerecht zu“ – Blick ins Plenum während der Rede von Navid Kermani.

74 75 One of the Basic Law‘s most distinctive fea- tures is the remarkable development that has occurred through the interpretation of the text, which is partly due to the strong role of the Volker Kauder (CDU/CSU) Federal Constitutional Court. We all vividly Ladies and gentlemen, there are very good rea- recall how the Court‘s first interpretations, sons why we should repeatedly invoke and President of the Bundestag, through its rulings, of the Basic Law‘s cata- place special emphasis on this value system Madam Chancellor, logue of fundamental rights impacted on polit- today. Whereas we can take our freedom, the Distinguished Presidents, ical reality. In light of our history, we initially rule of law and security for granted, often Members of the House, regarded this „bill of rights“ as the codifica- without giving them much thought, people tion of the right of citizens to defend them- not far from here are fighting for freedom, self- Today‘s ceremony is, of course, a dignified oc- selves against the state, for the lesson learned determination and justice. We must give them casion, but it is also a 65th birthday, so I think from the criminal and barbaric Third Reich our support, in gratitude for everything that we are entitled to spread a little joy. was that the individual required such protec- the Basic Law has helped us to achieve in this tion. The Federal Constitutional Court then country. Applause ruled, and the wording is noteworthy, that Germany was an ideologically neutral state, Applause In this 65th year of the Federal Republic‘s but the Basic Law was not neutral in its val- existence, despite all that there is to criticise, ues. The provisions of the Basic Law thus However, we also recognise that the Basic Law I think we are entitled to be joyful, for with became a universally binding set of moral cannot enforce itself. The Federal Constitu- the Basic Law as our foundation, we have principles and values whose effects extend tional Court does not yet have an enforcement created a Germany that is unique in history. far beyond the individual‘s relationship to mechanism. Some people may complain about the state. This put the Basic Law firmly at the that, but it is still the case that the Court‘s de- Applause centre, at the heart of our society. cisions can only take effect if they are actually

“With the Basic Law as our founda- Remarks from the parliamentary groups tion, we have created a Germany that is unique in history” – Volker Kauder, Chair of the CDU/CSU parliamentary group.

„Wir haben auf dem Boden des Grundgesetzes ein in der Ge schichte einzigartiges Deutschland geschaffen“ – Volker Kauder, Vorsitzender der CDU/CSU- Fraktion.

76 77 judge, once told his young students, of whom I was one, that if the Federal Constitutional Volker Kauder (CDU/CSU) Court‘s decisions no longer engaged with the legal, political and social debate, there was I shall follow the example set by Germany‘s I think it is to Germany‘s credit that one of the something amiss in our country. So I believe football team, Mr President: the players accept guests at our anniversary celebration today is that there is no need for the uproar that some- the referee‘s decision, and I, of course, accept able to give a celebratory address – as is tradi- times occurs. Each institution performs its your explanation. tional on any milestone birthday – in which assigned role on the basis of mutual respect, he heaps praise on the subject of the celebra- implemented. We implement the Federal Con- and each attempts to exercise a measure of Laughter and applause tion but also makes one or two points which stitutional Court‘s decisions as a matter of self-restraint and not to exceed its limits. That might give pause for thought. There is an apt course. However, deriving from this, there is – applies to us, ladies and gentlemen, and it I stand corrected, Mr President: then most saying which originates in the Catholic, rather to use the marvellous phrase deployed by the applies to the Federal Constitutional Court. things are right with the world. than the Protestant Church: too much incense Federal Constitutional Court in some of its de- And then, in Germany, all is right with the blackens the saint. cisions – the acceptance of the freely elected world, ladies and gentlemen. Laughter Member of Parliament, who is elected by the Laughter and applause people to decide on policy. It is not the Court Laughter and applause The words „I am proud …“ rarely fall easily but Parliament which sets the political course from a Protestant‘s lips. We can hardly bring So there really was no need for more fulsome in our country, ladies and gentlemen. ourselves to say them. Nonetheless, I think we praise. Standing here, at the lectern in the Ger- Professor Norbert Lammert, can celebrate the fact that we live in a country man Bundestag where the debates take place – Applause President of the Bundestag like ours. We can celebrate the fact that those and I am grateful that we are also able to speak of us who sit in the House have scope to shape today – I would like to thank Dr Kermani for This aspect is the topic of frequent discussion, Perhaps not quite everything, Mr Kauder, but policy. I think we can acknowledge that much his speech. I share many, although not all, of but this is all part of the constitutional debate. it would be a step towards a perfect world. today. his views. My professor of constitutional law, Konrad Hesse, himself a Federal Constitutional Court Laughter Applause Applause

“If the Federal Constitutional Court’s decisions no longer engage with the legal, political and social debate, there is something amiss in our country” – view of the plenary and the Bundesrat benches during Volker Kauder’s speech.

„Wenn Entscheidungen des Bundes- verfassungsgerichts nicht mehr in eine juristische, politische und gesellschaftliche Diskussion hineingetragen werden, dann stimmt etwas in unserem Land nicht“ – Blick ins Plenum und auf die Bundes ratsbank während der Rede von Volker Kauder.

78 79 For 65 years, since the end of National Social- That‘s a discussion for another time. However, ist dictatorship, the Basic Law has provided I should like to make one point: despite all the safeguards we need for a life in peace and the criticism of asylum law and asylum proce- freedom. It enabled us to achieve the reunifi- dure, Germany is the European country that cation of our country, and it has given us what takes in the most asylum seekers. Thomas Oppermann (SPD) the historian Edgar Wolfrum calls a geglückte Demokratie – a successful democracy. This in Applause Federal President, itself makes the Basic Law the best constitu- President of the Bundesrat, tion Germany has ever had. That is also something which should not be Madam Chancellor, The question which now arises is whether forgotten on a day like today. President of the Federal Constitutional Court, Applause our Basic Law can continue to develop its role Unity, justice and freedom are our principles. Dr Kermani, in protecting individuals and its power to We give thanks for them, and, with God‘s Members of the House, Even after 65 years, our Basic Law is still mod- transform the reality of their lives. I identify blessing, in keeping with our constitution, ern and up-to-date. The Parliamentary Council three major challenges ahead. may they continue to be granted to us in the What a lively celebration! purposely designed it as an open constitution. The first is this. Germany is now Europe‘s years ahead. It not only responds to social changes; the Ba- most important immigration country. Our Applause sic Law itself has the power to change society. country attracts well-qualified people who Applause It is, above all, the Federal Constitutional want to come here to work and achieve pros- I would like to thank the President of the Court‘s jurisprudence in the field of basic perity and fulfilment. In the last two years Bundestag for taking the initiative to hold this rights that has made Germany a more modern alone, almost 800,000 more people have come Professor Norbert Lammert, celebratory event. I think that if the Basic Law society and tangibly improved many people‘s to live in Germany than have left. And that‘s President of the German Bundestag could tell us how it would like its anniversary legal status and, above all, the reality of their a good thing, for we need these people if we to be celebrated, it would want a celebration lives. I am thinking, for example, of its deci- are to maintain our prosperity at a time of I now invite Mr Thomas Oppermann to take just like this and, above all, it would want a sions on women‘s equality, on the equal status population decline. the floor on behalf of the SPD parliamentary celebratory address just like the one given by of same-sex partnerships, and on freedom of Immigration enriches our country, not only in group. Navid Kermani. expression and assembly. economic but also in cultural terms.

Applause Applause Applause Applause

“For 65 years, since the end of National Socialist dictatorship, the Basic Law has provided the safeguards we need for a life in peace and freedom” – Thomas Oppermann, Chair of the SPD parliamentary group.

„Das Grundgesetz hat uns nach dem Ende der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft 65 Jahre lang ein Leben in Frieden und Freiheit gesichert“ – Thomas Oppermann, Vorsitzender der SPD-Fraktion.

80 81 The third major challenge is the necessary However, we have yet to learn how to manage deepening of the European Union. We are all this cultural diversity in a positive way, and This protection of fundamental rights worked particularly conscious, at present, of the value the Basic Law provides guidance here. It de- well for decades, but it is now reaching its na- that the EU holds for us. In Ukraine, we are mands tolerance and accepts differences of tional limits, for in a networked world, our witnessing the violation of international law world view, a plurality of faiths, and cultural fundamental rights and freedoms are under We therefore have no alternative but to rede- and the resurgence of nationalist thinking. diversity. It thus establishes all the conditions threat from two quarters: firstly, from govern- fine the role and function of basic rights in the Although a century has passed since the out- required to make our de facto immigration so- ments and intelligence agencies such as civil in the digital age. break of the First World War, we see that peace ciety into a society of free and equal citizens, a the NSA, which are expanding their control in Europe cannot be taken for granted. A deci- society in which everyone has the same rights, and establishing unlimited surveillance pro- Applause sion in favour of the EU is therefore the best obligations and opportunities, regardless of grammes in the name of security, and second- way to safeguard peace. However, the EU does their origin, colour or faith. ly, from powerful corporations, such as Google What we now need is a broad social and polit- not only stand for peace. It also embodies and Facebook, which use the Internet as a tool ical debate to determine the limits within shared values such as freedom, democracy Applause to assert their economic interests and want to which surveillance is permissible in democra- and solidarity. In our globalized world, each predict and steer our behaviour. cies and to identify where the inviolable core individual European country is too weak to The second major challenge is the protection of privacy begins. It is not only about protect- defend these values on their own. Only a unit- of fundamental rights in the digital age. The Applause ing the individual, each and every one of us; ed, economically powerful, democratic and Basic Law protects our personal, business and it is about democracy itself. social Europe can assert our values and inter- political communications. It guarantees the In view of this dual threat, it is no longer ests in the world. privacy of posts and telecommunications, and simply about the traditional concept of basic Applause where gaps once existed, the Federal Constitu- rights as the individual‘s right of protection Applause tional Court has closed them with its rulings against the state. Today, the state must protect The fact is that the protection of privacy, just on the right of informational self-determina- citizens‘ basic rights against powerful interna- like freedom of expression, is the very founda- The Federal Constitutional Court has set nar- tion and the fundamental right to the guaran- tional corporations. tion of a liberal democracy. row parameters for us as we move towards tee of the confidentiality and integrity of infor- that goal. Nonetheless, I am convinced that mation technology systems. Applause Applause just as the Basic Law enabled us to achieve

“We therefore have no alternative but to redefine the role and function of basic rights in the digital age” – view of the plenary during Thomas Oppermann’s speech; the representatives of the constitutional bodies and guest of honour Navid Kermani are seated in the front row.

„Wir kommen deshalb nicht umhin, die Funktion der Grundrechte im digitalen Zeitalter neu zu justieren“ – Blick ins Plenum während der Rede von Thomas Oppermann; in der ersten Reihe die Vertreter der Verfassungsorgane und Ehrengast Navid Kermani.

82 83 And that applies also – indeed, it applies especially – to the former citizens of the GDR. Dr Gregor Gysi (The Left Party) Let me make that very clear.

Federal President, Applause people refer to the violation of human dignity. Madam Chancellor, It sets the moral bar very high and invariably President of the Bundesrat, The Basic Law has many fathers and very few influences the Zeitgeist – for a person‘s dignity German unity, it will ultimately enable us to President of the Federal Constitutional Court, mothers. I‘ll say more about that in a moment. is, of course, determined by social and cultur- achieve European unity as well, for it contains President of the Bundestag, Article 1, paragraph 1, first sentence states: al factors. This sentence is, and will remain, an express commitment to promoting world one of the core bases for the work of the Fed- peace with Germany as an equal partner in a Dr Kermani, I listened very carefully to your “Human dignity shall be inviolable.” eral Constitutional Court, and the Court is an united Europe. With the European elections speech. It was an excellent speech. extremely important institution – thanks to due to take place on Sunday, that is something That was the only right and proper response, the Basic Law. that every voter should bear in mind – but it Applause in and for Germany, to the barbarism of the applies especially to people who do not in- Nazi regime. Applause tend to vote in these elections. There was, perhaps, a brief moment here and Thank you. there when I might not have been in complete Applause Human dignity must also be the benchmark agreement with you, although these were against which the quality of law-making by Applause not the same moments as those mentioned by And it is only right and proper that this the German Bundestag is measured. Of course, Mr Kauder. should be the opening sentence, placed at the the impact of this particular sentence is often very start of the text. It applies to every indi- limited, for human dignity is violated every Professor Norbert Lammert, Laughter vidual, without distinction as to their ethnic day – even here in Germany. The most ex- President of the Bundestag origin, their faith, their gender, their age, their treme form of violation, of course, is caused Nevertheless, let me say this: there is one colour, their sexual orientation, or disability. by war. We know that this inalienable basic Gregor Gysi will now speak on behalf of the point on which we all agree. The Basic Law is It is this sentence which is most firmly embed- right is never fully realised. Nonetheless, it Left Party. the best constitution in Germany‘s history. ded in the public consciousness. Whenever is not simply a utopian ideal. It spurs us on any form of social or cultural discrimination, to take action against all forms of violation Applause Applause economic inequality or oppression occurs, of, or contempt for, human dignity.

„Human dignity must also be the benchmark against which the qua lity of law-making by the German Bundestag is measured“ – Gregor Gysi, Chair of the Left Party parliamentary group.

„Auch die Rechtsetzung des Bundes- tages muss sich die Würde des Menschen zum Maßstab nehmen“ – Gregor Gysi, Vorsitzender der Fraktion Die Linke.

84 85 important the Court is. Nowadays, women can work without their husband‘s consent, no matter how strong the husband‘s opposition, but the law was not changed until 1977 – nothing was done. The Federal Constitutional 28 years after the adoption of the Basic Law. Court finally had to point out to the Bundestag It was then that the „housewife model“, in that it had a clear duty in this respect, which which the father was the head of the house- had to be fulfilled. Even then, another four hold, was replaced by the principle of partner- years passed before the first equality law was ship between men and women. Article 2, paragraph 2, first sentence states: adopted on 18 June 1957. Then in 1994, the relevant provisions of the phone, and, Madam Chancellor, I am very re- A husband‘s right to terminate his wife‘s em- Basic Law were strengthened by means of an assured to know that the NSA has decided to “Every person shall have the right to life and ployment contract without notice was abol- important insertion in Article 3: stop tapping your phone as well. But the rest physical integrity.” ished. Previously, a husband even had the of us – and I‘m afraid this applies to you, the right to forbid his wife to work and have her “The state shall promote the actual implemen- President of the Constitutional Court, as well This principle also applies to everyone, irre- own bank account. From 1957 onwards, a tation of equal rights for women and men and – the rest of us are still being subjected to spective of their citizenship, the type of insur- woman could work outside the home without take steps to eliminate disadvantages that now surveillance. It‘s time we took action to stop ance they hold, or whether it is economical her husband‘s permission – provided that her exist.” this, immediately and without delay. to operate a flight. husband and children did not suffer as a result. Article 3, paragraph 2 states: Women are still disadvantaged. On average, Applause Laughter they earn 22 per cent less than men. Occu “Men and women shall have equal rights.” pations performed mainly by women are Let me make a brief comment on the issue of Women were given a right to have a say on still poorly paid. In the case of childcare and property. Article 14, paragraph 2 states: This was a massive step forward, for the war family matters. However, parental authority elderly care, this is an absolute scandal. generation‘s image of women was reactionary continued to reside exclusively in the father. “Property entails obligations. Its use shall also indeed. The Basic Law gave the Bundestag – In other words, the father was the sole legal Applause serve the public good.” which at that time, of course, was predomi- guardian until the child reached the age of nantly male – a constitutional mandate to re- majority. In the digital age, we must indeed learn to These two sentences are almost as deeply form the German Civil Code‘s provisions on Later, of course, the Federal Constitutional protect basic rights more effectively, as embedded in our public consciousness as the marriage and the family which conflicted with Court held some of these provisions to be un- Mr Oppermann has rightly pointed out. Feder- sentence about human dignity. That is inter- gender equality. The deadline for this reform constitutional as they violated the principle of al President, I am very reassured to know that esting, for this provision was also included was 31 December 1953. At first, however, equal status before the law. That shows how the NSA has decided to stop tapping your as a result of the experience of Nazism.

“Our nation has the right to decide freely on its own constitution, and should do so in the foreseeable future” – view of the plenary and the Bundesrat benches during Gregor Gysi’s speech.

„Unser Volk hat nunmehr und in absehbarer Zeit das Recht, über seine Verfassung selbst zu entscheiden“ – Blick ins Plenum und auf die Bundesratsbank während der Rede von Gregor Gysi.

86 87 Katrin Göring-Eckardt (Alliance 90 / The Greens)

Article 146 states that the Basic Law shall Federal President, cease to apply on the day on which „a consti- President of the Bundestag, Germans in East and West have worked hard tution freely adopted by the German people Madam Chancellor, to achieve the sovereignty that makes a genu- takes effect“. It‘s time to act on this provision. President of the Federal Constitutional Court, ine constitution out of a Basic Law. In the Members of the House, „old“ Federal Republic, this occurred in the Applause Honoured guests, late 1960s following a fruitful controversy And, most of all, our distinguished speaker, about the right of individuals to defend them- When doing so, however, the most important Dr Kermani, selves against the state, the limits to state articles contained in the Basic Law must be in- power, and the acceptance of the rule of law. cluded, without fail. These are Article 1 ff. on In his speech to the Parliamentary Council, In East Germany, it was the outcome of an Then there is Article 15, first sentence, which the basic rights, Articles 14 and 15 on proper- the great constitutional lawyer and SPD politi- historic act of citizens‘ self-liberation in a I must read out to you. It states: ty, and many others. Nonetheless, our nation cian Carlo Schmid said this: peaceful revolution, and in Germany as a has the right to decide freely on its own con- whole, it resulted from a redefining of its role “Land, natural resources and means of produc- stitution, and should do so in the foreseeable “A constitution is nothing other than the in the centre of Europe and at the heart of the tion may for the purpose of socialisation be future. self-realization of the freedom of a people, European Union. These are things for which transferred to public ownership or other forms Thank you. expressed in legal form.” we can be grateful. of public enterprise by a law that determines Bärbel Bohley once said: „We wanted justice the nature and extent of compensation.” Applause Dr Kermani, this self-realization of the free- and we got the rule of law.“ Were she still dom of a people was brought to life for us by with us, I would tell her that that’s a good Applause your speech today. I do not only want to thank thing. The Basic Law is restrained with its Professor Norbert Lammert, you; I also want to say that we are greatly hon- promises. It is modest in its phrasing, but it is This is not some left-wing election manifesto. President of the Bundestag oured that you have addressed the House on demanding and challenging in its implemen- It‘s the Basic Law. I just wanted to remind you this anniversary of the Basic Law, and we are tation. That includes withstanding criticism, of that. I now invite Katrin Göring-Eckardt to take the honoured, too, by your message. tensions and differences of opinion between floor on behalf of the Alliance 90 / The Greens the state authorities. Disputes about the con- Laughter and applause parliamentary group. Applause stitution are part of its culture, and not only

“Germans in East and West have worked hard to achieve the sovereignty that makes a genuine constitution out of a Basic Law” – Katrin Göring-Eckardt, Chair of the Alliance 90 / The Greens parliamentary group.

„Deutsche in Ost und West haben sich die Souveränität, die aus einem Grundgesetz eine echte Verfassung macht, hart erarbeitet“ – Katrin Göring-Eckardt, Vorsitzende der Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen.

88 89 in our debates in this House. I think we the Basic Law needs an update, a moderniza- should take a relaxed view. Mr Voßkuhle, tion, a renewal, such as the introduction of the the fact that you have no opportunity to de- state‘s duty to protect the environment under Isn‘t it an unjustifiable violation of fundamen- fend yourself against such praise from all Article 20a of the Basic Law, because the Basic tal rights to look away when, despite the exist- sides of the House today is surely also part Law is also about the rights of future genera- ence of basic rights dating back to the postal of this culture of polemics! tions, ladies and gentlemen. age and the jurisprudence of the Federal Con- stitutional Court, citizens‘ privacy is invaded Laughter Applause by the NSA? In that respect, is the Basic Law Not because it didn‘t have laws. It had road still up-to-date? I think not. The law must achieve a balance of interests. traffic regulations and even a building code. 24 years have passed since the last serious What use is it if government and the courts It must weigh up civil rights against security, And although no books were published with- attempt was made to look at the Basic Law in comply with the law, if a free trade agreement freedom against justice. But anyone who lives, out the state‘s approval, it even had copyright its entirety. The Round Table in the GDR draft- gives investors rights which bypass ordinary or has ever lived, without freedom knows that laws. But if you fell out of favour – because ed a modern constitution which would have jurisdiction? freedom is the indispensable prerequisite for someone took exception to your opinions, be- established more individual liberties for citi- And what good is a ban on discrimination real justice and therefore also for security. cause the Stasi had a different view – the law zens, given foreign nationals the right to vote if we still have not acted on the requirement Anyone who knows how it feels to be in the vanished without trace, leaving only injustice in local elections – a right which is still not to establish full equality for same-sex partner- right but to be denied justice knows that up- behind. a reality in the Federal Republic, although we ships despite the existence of clear rulings holding freedom is the state‘s most important That is why it is so important, indeed essen- have so many immigrants; indeed, we are the to this effect? task, for justice that is contrived, administered tial, for us, as democrats in a united Germany, largest target country for immigration after the by decree or imposed from above is no justice always to look at the freedom movements US – and initiated active measures to empow- Applause at all. A state which believes that it knows around the world and to say, yes, freedom is er women, because the reality of women‘s what‘s best for the individual might become the greatest asset that we have. We know that lives still does not match up to the standards Ladies and gentlemen, a clear word of warn- more powerful itself, but it does not empower from experience. set by the constitution, ladies and gentlemen, ing: it is not about pushing the boundaries of its citizens. even today. When it comes to implementing the Basic Law as far as possible. It is about – A country like the GDR – a country which, Applause our Basic Law, we still have some work to do. and must always be about – protecting the we are sometimes told, was not all bad, for freedom and rights of citizens as effectively as here too, people lived their lives and celebrat- The Federal Constitutional Court has probably Applause possible. This also helps our defence against ed, suffered and worked – that country was, done more to strengthen citizens‘ freedom the extreme right and right-wing populists, without any doubt, a state of injustice. than any other institution. Although its judges Speaking of reality, let me say this: yes, the for it strengthens our democracy. can reinterpret the Basic Law, they cannot, of Basic Law is the best constitution we have. Applause course, rewrite it. But every now and again, That‘s why it is worth asking ourselves this: Applause

“The law must achieve a balance of interests. It must weigh up civil rights against security, freedom against justice” – view of the plenary during Katrin Göring-Eckardt’s speech.

„Recht muss ausgleichen, Bürger- rechte gegen Sicherheit, Freiheit gegen Gerechtigkeit abwägen“ – Blick ins Plenum während der Rede von Katrin Göring-Eckardt.

90 91 Ladies and gentlemen, in that spirit, let me say this: as much as we agree today on the importance of the Basic Law, the Bundestag and the Gerda Hasselfeldt (CDU/CSU) Ladies and gentlemen, the Maastricht Treaty Federal Government should not simply toler- adopted in 1992 includes a Social Chapter for ate the rulings of the Federal Constitutional Federal President, our united Europe, to which the area of appli- Court. They should implement them and, Madam Chancellor, cation of the Basic Law belongs. I believe that above all, they should fulfil the great promise Distinguished Presidents, we have a social Europe. It is something that of freedom that the Basic Law affords to every Ladies and gentlemen! tution were guided by the Christian, the West- we should have and want to have That is part person living in Germany, regardless of their ern, image of humankind. That was, and is of Europe. And in our country, it is part of origin, their faith, their sexual orientation and, To be able to assess the significance of the still, the basis for our country‘s development. making the Basic Law a reality. of course, their gender. Basic Law for us and for our country as a Let‘s make the Basic Law a modern constitu- whole, I think it is helpful to cast a glance Applause Applause tion, so that it is not only the best we have but back at our post-war history. the best we can imagine. Our former Federal President Roman Herzog The Preamble of the Basic Law therefore The Basic Law is a pro-European constitution. Thank you. described the German people‘s situation after begins with the words: „Conscious of their However, the fundamental freedoms that Eu- 1945 as follows. I quote: responsibility before God and man“, and, rope affords not only include free movement Applause as Mr Gysi has already mentioned, the first of capital and services. They also include free “Germany was in ruins. The physical and mor- article begins with the wonderful sentence: movement of workers. Open borders do not al devastation which was the legacy of dicta- exist solely to build up trade surpluses. They Professor Norbert Lammert, torship and war dominated people‘s daily “Human dignity shall be inviolable.” also exist so that we can pay child benefit to President of the Bundestag lives.” the migrant workers who harvest asparagus on This sentence guides us in our political work our farms and clean our hotel rooms, often I now invite Gerda Hasselfeldt to take the floor In those dark hours, it fell to the Parliamen to this day, and its choice of wording, in my earning far less than the minimum wage. on behalf of the CDU/CSU parliamentary tary Council to give the country a new direc- view, can only be described as a stroke of good These rights apply to everyone. group. tion and to define a clear set of fundamental fortune for our country and its development. values. Mindful of the need to establish these Applause Applause values, the fathers and mothers of the consti- Applause

“To be able to assess the significance of the Basic Law for us and for our country as a whole, I think it is helpful to cast a glance back at our post-war history” – Gerda Hassel feldt, First Deputy Vice-Chair of the CDU/CSU parliamentary group and Chair of the group of CSU parliamentarians in the German Bundestag.

„Um den Stellenwert des Grundge- setzes für uns und für unser Land insgesamt beurteilen zu können, ist es hilfreich, auch einen Blick in die Nachkriegsgeschichte zu werfen“ – Gerda Hasselfeldt, Erste Stellvertre- tende Vorsitzende der CDU/CSU- Fraktion und Vorsitzende der CSU-Landesgruppe.

92 93 without challenging the fundamental principles of freedom and democracy. Nonetheless, it is an ongoing challenge for us all, especially for us as legislators, and it is a task which no We now know that federalism is by no means one else – not even the Federal Constitutional the simplest form of government. Due to the direction that our Basic Law pro- Court – can do on our behalf. It is our respon- vides, a provisional constitution, which was sibility. Applause meant to be in place for a transitional period, has become the timeless foundation of our Applause To this day, it often poses challenges and Former Federal President Horst Köhler rightly state and society: the foundation of freedom confronts us with difficult tasks. But we also described the Basic Law as „a beacon of free- and democracy, the foundation of the rule There was intense debate and even wrangling know that the Basic Law, its clear commitment dom“. Many of us can remember personal of law and security, and the foundation, too, in the Parliamentary Council about the system to federalism, and our country‘s federal struc- encounters with people from the former GDR of social justice. of government to be established for Germany. ture have created a strong Germany, even in the early 1990s, after the peace revolution, What‘s more, this Basic Law has become a There were some fervent advocates of a cen- though this sometimes makes decision-making when we saw for ourselves the powerful ap- symbol of peace and freedom, not only in tralized state, while others, particularly Bavar- more complex. peal that the Basic Law had exerted on them. Germany but in the wider world. It paved the ia, vigorously supported a federal structure To paraphrase Horst Köhler‘s later comments, way for us to rejoin the international commu- for the new state. Applause they saw a glimmer of hope for freedom, de- nity, which has been crucially important for mocracy and the rule of law, and they were our development over the last 65 years. Laughter From the beginning, the Basic Law applied to not disappointed. all Germans. The entire German nation was Applause Indeed, Bavaria actually rejected the constitu- called upon to achieve German unity and free- Applause tion because its federal structure did not go far dom on the basis of free self-determination. However, as all the previous speakers have enough. You are all familiar with the reasons Maintaining this commitment, especially The Christian, Western, values enshrined in said, the Basic Law is not set in stone. It must why: existing diversity, regional identity, the when this was not popular, posed a major the Basic Law are Europe‘s values too. They constantly respond to Germany‘s changing vitalizing forces of individual responsibility challenge for decades. It took a complaint to are the basis for a peaceful and enriching social conditions. So we have amended the and competition. These were, and are, strong the Federal Constitutional Court to establish Europe which embraces the nations‘ diverse Basic Law. Sometimes, these amendments arguments in favour of federalism. that all Germany‘s constitutional bodies were cultures and traditions. In this spirit, the Basic have been detailed and perhaps a bit clumsy. obliged to maintain their commitment to the Law‘s Preamble and its article on Europe con- Others have been a little too resolute, but Applause restoration of German unity. tain a commitment to European integration.

“The Basic Law must constantly respond to Germany’s changing social conditions” – view of the plenary during Gerda Hasselfeldt’s speech.

„Das Grundgesetz muss immer wieder auf gesellschaftliche Verände- rungen in unserem Land Antworten geben“ – Blick ins Plenum während der Rede von Gerda Hasselfeldt.

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The Basic Law is clearly committed to subsid- iarity. As independent European nations and regions, we are united in diversity. This unity Professor Norbert Lammert, in diversity is, and will remain, the right way President of the Bundestag forward for Europe. Today, we can say that the Basic Law is an un- Mrs Hasselfeldt, we are all very reassured to precedented success. I would add a personal hear that the Basic Law is now as unconten- comment – and I can say this because I am a tious in Bavaria Catholic: I am proud of this success. As one of the previous speakers said, these are easier Applause words for Catholics to say. So let me state quite openly that I am proud and grateful that as federalism is in the Basic Law. this Basic Law, with its clear set of values, Ladies and gentlemen, please rise for the forms the basis for our country‘s development, National Anthem. and I am grateful that I have had the privilege to share in the experience of this successful National Anthem development over the past 65 years. But freedom has one thing in common with The plenary sitting will start in approximately democracy, ladies and gentlemen. It is not a quarter of an hour, at 10.45 a.m. only a gift; it is always a challenge as well. I declare this sitting closed and wish you a Let‘s address this challenge together. very pleasant weekend.

Applause Applause

„Blüh im Glanze dieses Glückes“ (Bloom in the glow of happiness) – the ceremony ends with the singing of the national anthem.

„Blüh im Glanze dieses Glückes“ – die Feierstunde endet mit dem Singen der Nationalhymne.

96 97 Navid Kermani, born in Siegen in 1967, is a freelance author and lives in Cologne. He holds a post-doctoral degree in Oriental Studies and is a member of the German Academy for Language and Poetry and the Academy of He has given the Frankfurt, Sciences and Humanities in Göttingen and Mainz Lectures Hamburg. on Poetics and was a guest His works explore European professor in Islamic Studies and Islamic culture, the uni- at the University of Frankfurt. versality of democracy, the In spring 2014, he was the separation of powers, and the Max Kade Distinguished Visit- ideological neutrality of the ing Professor of German Lite- state, tolerance, and human rature at Dartmouth College in rights. He has undertaken re- the United States of America. search at various institutions, Navid Kermani has received including the Institute for numerous awards for his aca- Advanced Study in Berlin, the demic and literary works, in- Institute for Advanced Study cluding the Buber-Rosenzweig in the Humanities in Essen Medal, the Hannah Arendt and Villa Massimo in Rome. Prize and the Kleist Prize.

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